INDIVIDUELLE MOTIVATION UND

INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE- UND REGIONALPOLITIK INTEREG WORKING PAPER SERIES ISSN 1810-5807 InTeReg Working Paper Nr. 12-2003 INDIVIDUELLE MOTIVATION ...
Author: Alwin Huber
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INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE- UND REGIONALPOLITIK INTEREG WORKING PAPER SERIES ISSN 1810-5807

InTeReg Working Paper Nr. 12-2003

INDIVIDUELLE MOTIVATION UND INFORMELLE WISSENSKOMMUNIKATION IN UNTERNEHMEN Karin Grasenick

November 2003 JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH – Institut für Technologie- und Regionalpolitik (InTeReg) Büro Graz: Elisabethstraße 20 A-8010 Graz, Austria Tel.: +43-316-876 1488 E-Mail: [email protected]

Büro Wien: Wiedner Hauptstraße 76 A-1040 Vienna, Austria Tel.: +43-1-581 75 20 E-Mail: [email protected]

INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE- UND REGIONALPOLITIK INTEREG WORKING PAPER SERIES InTeReg Working Paper Nr. 12-2003

INDIVIDUELLE MOTIVATION UND INFORMELLE WISSENSKOMMUNIKATION IN UNTERNEHMEN Karin Grasenick JOANNEUM RESEARCH, Institut für Technologie- und Regionalpolitik Elisabethstraße 20, 8010 Graz, Austria e-mail: [email protected]

Abstract: Der folgende Beitrag erläutert, warum Wissenskommunikation im Interesse unternehmerischer Zielsetzungen nicht selbstverständlich ist. Zum Verständnis von Kommunikationsbarrieren und Anreizmechanismen, welche ihrer Überwindung dienen sollen, wird auf theoretische Grundlagen der Arbeitsmotivation eingegangen. Hierbei spielt insbesondere das Streben nach Macht als Handlungsmotiv eine besondere Rolle, welches die Strukturierbarkeit von Wissenskommunikation einschränkt und die Bedeutung informeller Netzwerke erhöht. Als praktische Implikation wird auf Netzwerkanalysen, ihre derzeitigen Einsatzmöglichkeiten eingegangen, mit dem zentralen Interesse, bessere Rahmenbedingungen zur Förderung der Wissenskommunikation im Unternehmen gestalten zu können.

Keywords: Organisationsstruktur, informelle Kommunikation, Netzwerkanalyse, Motivation JEL Classification: M54, L20

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EINLEITUNG Technische Lösungen des Wissensmanagements bauen im Idealfall auf organisatorischen Voraussetzungen auf, da Wissensmanagement ohne Veränderung im Verhalten der Mitarbeiter, in der Kultur und in den Organisationsstrukturen der Unternehmung nicht möglich ist (Davenport und Prusak, 1998). Ein hoher Partizipationsgrad aller Mitarbeiter/-innen und Teamorientierung sollen in der Regel den Austausch von Erfahrungen und Know-how steigern. Ebenso wichtig wie technische Lösungen sind jedoch persönliche Kontakte. Wie beispielsweise bereits Allen feststellen konnte, wenden sich Techniker/-innen und Wissenschaftler/-innen fünf mal so häufig an andere Personen, um Informationen einzuholen als an Datenbanken oder andere materielle Informationsquellen (Allen, 1977). Selbst wenn Kosten und Aufwand für die Erstellung von Beiträgen minimal sind, verweigern bis zu einem Drittel der Akteur/-innen die Beteiligung an derartig formalisierten Kommunikationsformen (Connolly, 1992). Datenbanken können lediglich explizites Wissens zur Verfügung stellen, dessen erfolgreiche Umsetzung jedoch häufig von persönlichen Erfahrungen, abhängig ist (Takeuchi und Nonaka, 1995). Insbesondere wissensintensive Arbeit erfordert ein vielschichtiges Kommunikations-Netzwerk, welches es erlaubt, komplexe Probleme durch die Einbeziehung unterschiedlichster Wissensquellen und Erfahrungen zu lösen. Kommunikation erfolgt dabei nicht nur entlang formaler Strukturen sondern insbesondere auch in informellen Netzwerken. Diese Netzwerke entsprechen den persönliche Präferenzen welche u. a. in der Arbeitsmotivation der beteiligten Akteur/-innen begründet sind.

Der folgende Beitrag erläutert, warum Wissenskommunikation im Interesse unternehmerischer Zielsetzungen nicht selbstverständlich ist. Zum Verständnis von Kommunikationsbarrieren und Anreizmechanismen, welche ihrer Überwindung dienen sollen, wird auf theoretische Grundlagen der Arbeitsmotivation eingegangen. Hierbei spielt insbesondere das Streben nach Macht als Handlungsmotiv eine besondere Rolle, welches die Strukturierbarkeit von Wissenskommunikation einschränkt und die Bedeutung informeller Netzwerke erhöht. Als praktische Implikation wird auf Netzwerkanalysen, ihre derzeitigen Einsatzmöglichkeiten eingegangen, mit dem zentralen Interesse, bessere Rahmenbedingungen zur Förderung der Wissenskommunikation im Unternehmen gestalten zu können.

Theoretische Grundlagen

Wissen als Gemeinschaftsgut in Unternehmen Wissen kann entweder leicht kodifizierbar bzw. formalisierbar sein (z.B. Kalkulation, Projektberichte, Auftragsabwicklung) oder aber primär auf individuellen Erfahrungen beruhen, wie z.B. Umgang mit Kunden und Lieferanten, mit speziellen Maschinen etc. (Takeuchi und Nonaka, 1995). Für Unternehmen ist es wesentlich, kodifizierbares Wissen leicht verfügbar zu machen sowie dieses durch implizites Wissen zu ergänzen, indem entsprechende Strukturen für den Austausch geschaffen werden (Meetings, Trainee-Programme, etc.).

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Die wissensbasierte Sichtweise bzw. Theorie der Unternehmen betont die Bedeutung besonderer Kompetenzen und Kenntnisse, welche nicht leicht imitiert werden können und daher den besonderen Wettbewerbsvorteil ausmachen (Prahalad und Hamel, 1990; Teece und Pisano, 1994). Hierbei wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Management und Mitarbeiter/-innen bereit sind, ihr Wissen in das Unternehmen einzubringen und zu teilen. Die erfolgreiche Kommunikation und Nutzung der hierfür vorgesehenen Strukturen setzt jedoch die gemeinsame Ausrichtung der beteiligten Akteur/innen auf die Zielsetzungen des Unternehmens voraus, welche dabei auch ihre spezifischen Interessen in den Arbeitsprozess einbringen. Ein häufig zitiertes Beispiel für eine derartige erfolgreiche gemeinsame Ausrichtung von Wissenskommunikation und ihre technische Unterstützung ist die Datenbank Eureka für ServiceTechniker/-innen von Kopierern und Druckern der Firma Xerox. Der technische Service ist eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg. In die Datenbank können laufend Empfehlungen und Tipps eingetragen, bewertet und abgerufen werden. Die Autor/-innen bewerteter Beiträge werden genannt, es gibt jedoch keine weiteren Anreizsysteme; trotzdem wird die Datenbank von den Techniker/-innen sehr gut angenommen (Bobrow et.al, 2002). Ein derartiger Erfolg technologischer Unterstützung ist keineswegs selbstverständlich, wie bereits zu Beginn des Artikels erläutert wurde. In Arbeitsprozessen erworbenes Wissen sollte im Zugang offen sein, der freie Zugang kann jedoch einzelnen wesentliche Vorteile gegenüber anderen verschaffen, ohne selbst zur Entstehung dieses Wissens beigetragen zu haben (Free Rider Effekt). Umgekehrt kann es insbesondere für die persönliche Karriere sinnvoll sein, bestimmte Informationen vor möglichen Konkurrent/-innen zurückzuhalten während es für das gesamte Unternehmen wesentlich wäre, alle Mitarbeiter/-innen von diesem Wissen profitieren zu lassen. Das Wissen wird zum viel zitierten Machtfaktor im Eigeninteresse. Es wird nicht geteilt, da die Weitergabe zu wenig honoriert wird und/oder das Risiko, mit der Weitergabe der Karriere-Entwicklung anderer zu dienen, zu groß ist. Es entstehen soziale Dilemma, da das egoistische Handeln einzelner Individuen für diese zu höherem Profit führt, als eine am Kollektiv ausgerichtete Handlungsalternative, welche jedoch für die Gruppe bzw. das Unternehmen von größerem Nutzen wäre (Dawes, 1980). Es besteht die Gefahr, dass auf Grund mangelnder Kontroll- und Anreizmechanismen die Ressourcen zwar exzessiv genutzt, aber nicht weiter entwickelt und in diesem Sinne unterversorgt bleiben (Osterloh et al., 2002). Für Unternehmen ist ein derartiger Umgang mit Gemeinschaftsgütern, wie z.B. gesammeltes Erfahrungswissen in Datenbanken, darauf beruhende Regeln und Prozesse etc. ausgesprochen kritisch, da sie die Voraussetzung zur Generierung von neuem Wissen sind. Das von Xerox eingeführte System Eureka versucht daher, positive Anreize zur Beteiligung zu setzen, indem die Techniker/-innen ihre Beiträge gegenseitig bewerten und diejenigen, welche qualitativ hochwertige Beiträge geliefert haben, explizit genannt werden. Andere Anreizmechanismen werden nicht gesetzt (z.B. monetäre, Möglichkeiten der Beförderung etc.). Der Versuch, durch Kontroll- und Anreizsysteme steuernd einzugreifen, ist mit Vorsicht zu genießen. Im Falle von Eureka sind sie äußerst einfach gehalten und beziehen sich auf eine homogene Gruppe von Akteur/-innen, welche sich gegenseitig bewertet. Gleichzeitig handelt es sich um ein ebenso homogenes Spezialwissen, mit genau definierbarer Zielsetzung; nämlich die Wartung spezieller Maschinen. Dies ist nicht bei allen wesentlichen Kommunikationsprozessen der Fall, beispielsweise bei stark teamorientierten Leistungen, bei denen es gilt unterschiedlichstes ExpertInnen-Know-How zusammenzuführen. Die angestrebten Kommunikationsinhalte werden selten derart einfach sein JOANNEUM RESEARCH – Institute of Technology and Regional Policy

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werden, wie im Falle einer technischen Datenbank zur Unterstützung der Reperatur von Kopiermaschinen. Zur Komplexität der Inhalte kommt die Komplexität der Gruppe als weiterer erschwerender Faktor hinzu. Aus einer externen Sichtweise ist bei heterogenen Gruppen häufig nicht entscheidbar, welche Arbeitsbeiträge für die Entstehung dieser Leistungen und damit verbundenem unternehmensspezifischem Wissen besonders wichtig im Vergleich zu anderen sind. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichsten Beiträgen, die nicht leicht quantifiziert werden können. Wenn nur einzelne Aspekte der Wissenskommunikation belohnt werden, werden alle beteiligten Personen versuchen, sich auf diese zu konzentrieren und andere vernachlässigen (Frey und Osterloh, 2002). Andererseits ist es nicht möglich, alle wesentlichen Beiträge gesondert zu honorieren. In heterogenen Netzwerken ist also die Förderung der Wissenskommunikation auf Grund der unterschiedlichsten Motivlagen der AkteurInnen schwierig. Um die Beteiligung an Kommunikationsprozessen zu erhöhen ist es daher notwendig zu verstehen, warum sich manche Personen ohne besondere Anreizmechanismen an Kommunikationsprozessen beteiligen und zusätzlich zu überlegen, welche Anreizmechanismen für diejenigen Personen gesetzt werden können, welche dies nicht tun - insbesondere bei einer heterogenen Zusammensetzung der Akteur/-innen. Die Bereitschaft, Wissen einzubringen und zu teilen ist dabei mit dem Vertrauen verbunden, dass hiervon nicht nur das Unternehmen insgesamt profitiert, sondern auch die daran beteiligten Individuen. Die Eigeninteressen der Individuen sind zu berücksichtigen und so zu fördern, dass sie mit den Unternehmensinteressen bestmöglich im Einklang sind. Welche Eigeninteressen zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben wesentlich beitragen, was dabei als (de-)motivierend empfunden wird, und welche Form von Anerkennung als wesentlich erachtet wird kann individuell sehr unterschiedlich sein. Im folgenden Kapitel wird persönliche Arbeitsmotivation und deren Bedeutung für Kommunikationsprozesse näher erläutert.

Wissenskommunikation und Motivation Mit der Einführung des Motivationsbegriffs wird versucht, die Frage zu beantworten, wie das konsistente Verhalten von Personen im Vergleich mit anderen und über eine Reihe verschiedener Situationen hinweg erklärt werden kann. Motive verweisen als angeborene oder erworbene Eigenschaften von Personen auf die Ursachen ihres Handelns. Situationen enthalten ein Handlungspotenzial, zu deren Umsetzung bestimmte Motive angesprochen und aktiviert werden. Das Zusammenwirken von persönlichen Motiven und situativem Umfeld führt zur spezifischen Arbeitsmotivation. Je nachdem, ob die persönliche Motivation durch die Handlung selbst oder durch externe Mechanismen beeinflusst werden kann, spricht man von intrinsischer und extrinsischer Motivation. Der individuelle Nutzen intrinsisch motivierter Arbeitsleistungen liegt in der dadurch erlebten Freude oder der Erfüllung einer empfundenen inneren Verpflichtung, z.B. gegenüber sozialen Normen (Lindenberg, 2001). So sind in Unternehmen für einige Mitarbeiter/-innen soziale Anerkennung, das Gefühl anderen geholfen zu haben und/oder das Interesse an neuen Erkenntnissen wichtig für die persönliche Zufriedenheit und ihr Kommunikationsverhalten. Die Akteur/-innen kalkulieren dabei nicht, welche Anerkennung für die Zusammenarbeit und die eingebrachten Beiträge später erzielt werden könnten. Der Nutzen wird aus der Handlung selbst bezogen und benötigt keine externe Anerkennung (Frey, 1997).

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Ein Bonus-System für kooperatives Verhalten kann bei intrinsisch motivierten Personen negativ wirken, wenn dadurch die Selbstverantwortung auf jene Person übertragen wird, welche für die Steuerung des Bonus-Systems verantwortlich ist. Ein derartiger Effekt, „Crowding out“, tritt dann ein, wenn die Interventionen als kontrollierend empfunden werden. Extrinsische Motivation kann in diesem Zusammenhang zu verringerter Selbstbestimmung, verringertem Selbstvertrauen und zu Einschränkungen in den Möglichkeiten führen, die eigentliche intrinsische Motivation Kolleg/-innen mitzuteilen (Frey, 1997). Interventionen können intrinsische Motivation nur dann verstärken, wenn sie als unterstützend empfunden werden, d.h. mit den eigentlichen intrinsischen Zielsetzungen zusammenpassen und damit das Selbstbewusstsein der Akteur/-innen gestärkt wird. Für ein besseres Verständnis der Prozesse und der Entwicklung passender Anreizmechanismen, ist es notwendig, den Begriff Motivation hinsichtlich der möglichen individuellen Zielsetzungen weiter zu differenzieren, wobei auf Heckhausen Bezug genommen wird. Heckhausen (1989) unterscheidet drei Motivgruppen, welche insbesondere hinsichtlich der Wissenskommunikation durch das Motiv der Neugierde ergänzt werden sollte: 1. Neugiermotive gehören nach Schneider und Schmalt (1994) zum Grundrepertoire der menschlichen Motive. Sie können dazu beitragen, in neuen Situationen Unsicherheit zu reduzieren. Sie sind u. a. Auslöser für Kommunikation, die es ermöglicht, neues Wissen zu erwerben und dadurch Handlungskompetenzen zu erweitern. Sie sind daher zentral nicht nur für die Entwicklung eines Individuums sondern insbesondere auch für Organisationen. 2. Leistungsmotive führen zu Handlungen mit nachweisbarem Ergebnis, welche sich bewerten lassen und für die das Individuum selbst verantwortlich ist. 3. Anschlussmotive begründen das Bedürfnis nach sozialer Interaktion. Die Schaffung von vertrauensvollen Bindungen soll wechselseitige Unterstützung in unterschiedlichen Situationen gewährleisten. 4. Machtmotive werden in Situationen angeregt, in denen Einfluss auf andere ausgeübt werden kann, um deren Verhalten zu kontrollieren. Letztendlich beinhalten alle sozialen Beziehungen bei Arbeitstätigkeiten auch Einflussmöglichkeiten. Mitglieder von Arbeitsgruppen beeinflussen sich gegenseitig, Führung von Arbeitsgruppen geschieht durch Einflussnahme und der Erfolg einer Organisation insgesamt hängt wesentlich davon ab, wie gut es gelingt, die vielfältigen Einflussprozesse so zu erkennen und zu gestalten, dass sie im Sinne der Organisationsziele genutzt werden können. Die ersten drei Motivgruppen von Heckhausen, Schneider und Schmalt können als intrinsische Motive aufgefasst werden. Entscheidend für Arbeits- und Kommunikationsverhalten ist, dass die zugewiesenen Aufgaben und das Arbeitsumfeld ausreichende Möglichkeiten der Motiventfaltung bieten, d.h. Zugang zu neuem Wissen und Wissensträger/-innen, Eigenverantwortlich für Ergebnisse zu sein oder Möglichkeiten für soziale Interaktion und Anerkennung zu erhalten. Dieser Erfolg von einfachen Datenbanken wie Eureka wird damit verständlicher. Die Zielgruppe der Techniker/-innen ist durch ähnliche Interessen intrinsisch motiviert. Durch das sie unterstützende technische System werden Neugier-, Leistungs- und Anschlussmotive gefördert, indem einerseits durch Bewertungsschemata für qualitativ hochwertige Informationen und andererseits durch Namensnennung die Anerkennung der Gruppe ermöglicht wird. Zusätzliche Anreizmechanismen könnten hier nur störend wirken.

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Das vierte Motiv, Interesse an Macht, bleibt jedoch in einem derartigen System unberücksichtigt. Es kann in geringstem Maße intrinsisch befriedigt werden, da es zur Verwirklichung stärker an formale Positionen mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen gebunden ist. In diesem Fall sind zusätzliche extrinsische motivationale Faktoren erforderlich, deren notwendiger Beitrag zur persönlichen Zufriedenheit dazu führt, dass u. a. die hierarchische Positionierung im Unternehmen eine entscheidende Rolle für das Engagement spielen wird. Das Interesse, derartige Positionen einzunehmen, ist eine motivationaler Faktor für Führungskräfte. Sie sind feste Bestandteile im Aufbau von Organisationen und werden bewusst als Anreizmechanismen eingesetzt (Beförderungen). Hierarchien sind das Ergebnis des Zusammenspiels struktureller Anforderungen von individuellen Interesse, macht in Organisationen auszuüben. Organisationale Macht – und Autorität – resultiert aus der strukturellen Position eines Individuums in der Hierarchie (Pfeffer, 1981) und steht damit im Widerspruch zu partizipativen Bestrebungen. In jeder Organisation werden Regeln definiert, wie Macht erlangt und bewahrt wird und wer sich am Verhandlungsprozess beteiligen kann. Macht hat dabei zwei Aspekte, welche von Bacharach und Baratz (1962) folgendermaßen beschrieben werden: Der erste verweist auf die Ausübung von Macht mit dem Ziel, erstrebenswerte Ergebnisse auf direkte und nachvollziehbare Art zu erreichen. Der zweite lenkt die Aufmerksamkeit auf bewusste oder unbewusste Versuche, Barrieren im eigentlichen politischen Prozess zu errichten oder zu erhalten. Diese Seite ist nur schwer beobachtbar, weil sie nicht offen diskutiert werden kann und indirekt wirksam wird. Sie ist repräsentiert in den Strategien und Taktiken, welche die Akteur/innen im tagtäglichen, laufenden und gegenwärtigen Organisationsgeschehen nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen.“ (Frost, 1987). Führungskräfte wie MitarbeiterInnen sind strategische Akteur/innen, welche unter Rückgriff auf Machtressourcen versuchen, ihre unterschiedlichen individuellen Interessen durchzusetzen. Ein Beispiel für Konflikte zwischen offiziellen unternehmensorientierten Interessen und unbewussten machtpolitischen Hemmnissen beschreibt Czander (1993): In einem Unternehmen wurde versucht, junge Angestellte auf Managementpositionen vorzubereiten. Die Verantwortlichen kamen zu der Erkenntnis, dass das Programm erfolglos war. Eine genaue Analyse des Aufbaus und der Prozesse machte deutlich, dass die bereits in höheren Positionen befindlichen Führungskräfte, welche sich für die Förderung der Nachwuchskräfte einsetzen sollten, durch die Maßnahmen bedroht fühlten und unbewusst durch die Gestaltung des Programms zu dessen Scheitern beitrugen. Informationsbarrieren können auch entstehen, indem Mitarbeiter/-innen versuchen, ihr Wissen der Nutzung durch unmittelbare Vorgesetzte und/oder Kolleg/-innen zu entziehen, wenn sie dadurch ihre eigenen Interessen gefährdet sehen oder die ungleiche Verteilung von Ressourcen, Macht, aber auch Fähigkeiten, Neid und Eifersucht auslösen (Kets de Vries, 1992). Die Durchsetzung individueller Interessen ist nicht an bereits vorgegebene Strukturen und Prozesse im Unternehmen gebunden Die mikropolitische Perspektive verweist auf die Einflusschancen des Individuums innerhalb einer Organisation, welche aus inhomogenen (Sub-)Gruppen besteht. Das Interesse, Einfluss zu nehmen kann in manchen Fällen sinnvolle Veränderungen für das Gesamtunternehmen bewirken, in anderen lediglich egoistischen Zielsetzungen dienen. Jede Organisation ist damitmit dem Grundparadoxon konfrontiert, dass sie für Stabilität und die Verlässlichkeit vereinbarter Regeln sorgen muss, aber gleichzeitig auch Anpassung und Erneuerung ermöglicht soll, in dem genau diese Festlegungen veränderbar und entwicklungsfähig bleiben. Eine besondere Bedeutung in diesem Spannungsfeld aus organisationaler Stabilität und Entwicklung spielen informelle Kommunikations-Netzwerke, insbesondere wenn es um die Weitergabe impliziten JOANNEUM RESEARCH – Institute of Technology and Regional Policy

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Wissens, unabhängig formal vereinbarter Regeln geht. Die Entstehung und Bedeutung derartiger Netzwerke wird daher im folgenden Abschnitt näher erläutert.

Empirische Ergebnisse

Informelle Kommunikation und Netzwerke Formale Strukturen spiegeln explizite Machtverhältnisse in einem Unternehmen wider. Organigramme, interne Handbücher zu Projektmanagement, Prozessdiagramme und andere explizit getroffenen Festlegungen stellen formalisierte und bewusst strukturierte Abläufe im Unternehmen dar. Sie sind mit Regelungen für Informations- und Kommunikationsprozesse verbunden, welche eine ordnende Wirkung ausüben, ohne das Alltagsgeschehen bis ins letzte Detail zu determinieren, wodurch einerseits genügend Handlungsspielraum für ungeplante Ereignisse, aber auch für vom eigentlichen Unternehmensziel abweichende Interessen einzelner Akteur/-innen gegeben ist. Kommunikation aus Sicht des Individuums dient nicht nur der Unterstützung funktionierender Abläufe im Unternehmen. Sie kann auch dazu dienen, die eigene Position in der Organisation zu verbessern und hat dabei einen doppelten Nutzen: Die Information selbst (explizites Wissen, Kenntnis über Beziehungen, direkter Kontakt mit einflussreichen Personen, etc.) und Kontrolle, d.h. die Möglichkeit, Kontakte und Kommunikationsflüsse entsprechend der eigenen Interessen zu nutzen bzw. anderen vorzuenthalten (Burt, 1992; Neuberger, 1988). Parallel zu formal geregelten Kommunikationsflüssen bilden sich damit in allen Organisationen informelle Netzwerke aus, welche dabei insbesondere hierarchische Ebenen durchbrechen. Kommunikation in informellen Netzwerken lässt sich durch typische Grundformen charakterisieren, wobei eine starke „Zentrum-Peripherie-Ausrichtung“ besonders häufig zu beobachten ist (Nelson, 2001). Damit wird eine Form der Kommunikation verstanden, bei der eine kleiner innerer Kreis zueinander und zu einer Peripherie starke Kontakte hat. Die Akteur/-innen des inneren Kreises sind gleichwertig, ungeachtet ihrer formalen Beziehungen zueinander. Die Zusammensetzung des Zentrums entspricht auch insofern keiner hierarchischen Form, als diese u. a. durch Asymmetrie (einseitige Kommunikation z.B. in Form von Anweisungen) und Mediation (Verbindung von Subsystemen indirekt über eine gemeinsame Schnittstelle) gekennzeichnet ist. Die Verbindungen zwischen dem Zentrum und der Peripherie sind dabei stärker ausgeprägt als innerhalb der peripheren Bereiche. Im Zentrum befinden sich meist keine Top-Führungskräfte, dafür jedoch immer Personen, welche in der formalen Hierarchie eine geringere Rolle spielen. Es handelt sich um eine Kerngruppe, welche sich klar vom Rest des Systems unterscheidet. Nelson weist nach, dass diese Zentren in unterschiedlichsten Organisationstypen und Branchen auftreten (Nelson, 2001: 793). Informelle Netzwerke bauen auf persönlichen Beziehungen mit relevanten Wissensträger/-innen auf und lassen dabei formalen Strukturen im Unternehmen und damit verbundenen Kommunikationswege bzw. Verpflichtungen außer Acht. Hierdurch wird der effiziente Austausch von Informationen ermöglicht, da die Verbindungen zwischen den Personen freiwillig besteht und durch ein Gleichgewicht geprägt sind, aus sich ergänzenden Motiven und Interessen sowie aus

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dem jeweiligen Nutzen, welcher durch den Austausch individuell resultiert. Durch gegenseitiges Vertrauen entstehen robuste Verbindungen. Informelle Netzwerke nützen dabei sowohl den beteiligten Akteur/-innen als auch dem Unternehmen: •

Der Wechsel zwischen hierarchischer Arbeit und Teamarbeit wird erleichtert, wodurch die Flexibilität der Organisation und die Bewältigung spezieller Aufgaben wesentlich erleichtert werden. Nonaka prägt dafür den Begriff Hypertext-Organisation, welche zwischen hierarchischen und teamorientierten Arbeitsweisen wechseln kann (Romme 1996: 154; Nonaka 1994: 32).



Zentrale Entscheidungen können auf Basis unterschiedlichster individueller Erfahrungen reflektiert werden, relevante Umweltveränderungen erkannt werden, etc. Die Aufrechterhaltung eines Spannungsverhältnisses zwischen formaler Struktur und informellen Kommunikationsflüssen kann wesentlich dazu beitragen, die Anpassungsfähigkeit einer Organisation zu fördern (Stacey, 1995). Dieses Spannungsverhältnis kann ein zu starkes Gruppendenken verhindern, welches sich häufig durch intensive Zusammenarbeit innerhalb eines festen Teams entwickelt. Mit gemeinsamen Aufgaben und Interaktionen nimmt die Konvergenz der Gefühle der Gruppenmitglieder zu (Bartel und Saavedra, 2000). Gemeinsame Ansichten erhöhen die Bindung aneinander (Langfield-Smith, 1992), senken jedoch den Willen an gegenseitigen kritischen Stellungnahmen, es entsteht ein Konformitätsdruck (Janis, 1982). Externe Informationen, welche der gefunden Übereinstimmung zuwiderlaufen, werden ignoriert. Der Versuch, Entscheidungen nur noch im gegenseitigen Einverständnis zu treffen, reduziert die Chancen auf kontroversielle Auseinandersetzungen, welche für das Entstehen neuen Wissens wichtig sind.



Informelle Netzwerke sind eine Möglichkeit, um den Informationsbarrieren zu entkommen, welche durch die Konflikte unterschiedlicher Interessen und sie begründender Arbeitsmotive entstehen. Personen, mit einem hohen Anteil von Machtmotiven haben häufig das Bedürfnis, sich gegenüber direkten Konkurrent/-innen schützen.

In Organisationen entstehen durch die Dynamik in formalen und informellen Beziehungen Regeln, welche Wissenskommunikation und Lernprozesse ermöglichen aber auch begrenzen (Vince, 1999). Diese Dynamik entsteht sowohl durch die Notwendigkeit von Machstrukturen, als auch durch die Emotionalität der Beziehungen, welche in den gemeinsam gemachten Erfahrungen begründet ist. Gerade in Organisationen, in denen Teamarbeit groß geschrieben wird, herrschen verschiedene Mechanismen vor, die dazu führen, dass bestimmte Werte wie Kooperation und Vertrauen oder einzelne Qualitäten von Teammitgliedern idealisiert werden, während Gefühle und Impulse der Angst, des Ärgers, des Neides und andere negative Impulse auf gruppen- oder organisationsfremde Personen oder Objekte projiziert werden. Misslingt die Projektion dieser negativen Objekte nach außen, werden “Opfer“ innerhalb der bestehenden Systemgrenzen gefunden. Das Resultat ist geringe Gruppenkohäsion, die Existenz zahlreicher Cliquen und informeller Gruppierungen, die sich argwöhnisch beäugen und eine Atmosphäre des Kampfes schaffen.

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Auf Grund der hohen Bedeutung informeller Netzwerke für die Wissenskommunikation in Unternehmen sollten Möglichkeiten der Analyse als Basis für deren Verbesserung und Förderung verstärkt wahrgenommen werden.

Netzwerkanalysen: Praktische Implikationen und Steuerungsmöglichkeiten Netzwerkanalysen bieten Unterstützung beim Verständnis von organisationalen Abläufen, Kommunikationsmustern und der Bedeutung informeller Kommunikation. Sie gehen davon aus, dass das Verhalten von Individuen nur in Relation zum (Kommunikations-)Verhalten anderer Akteur/innen verstanden werden kann. Individuen sind in Strukturen eingebettet und die Strukturen entstehen durch die Interaktionen der Individuen. Interaktionen setzen Individuen bzw. Netzwerkknoten zueinander in Beziehung. Die Relationen zeichnen sich durch Entfernungen zwischen Knoten, Beziehungsrichtungen sowie deren Stärke aus (Degenne und Forsé, 1999). Durch die Anzahl der Knoten wird die Größe eines Netzwerkes bestimmt. In der einfachsten Form der Messung werden Relationen binär bewertet (vorhanden oder nicht vorhanden). Den Relationen können jedoch auch unterschiedliche Attribute zugeordnet werden, welche die Art der Beziehung kategorisieren (z.B. Freundschaft, formale Beziehung, Ablehnung, Wissensaustausch, Abhängigkeit etc.).

Die Stärke der Beziehung kann dabei in der Häufigkeit der Interaktion oder aber deren Intensität begründet sein. Relationen können aber auch als stärker bezeichnet werden, wenn sie möglichst viele unterschiedliche Kategorien umfassen. Ein weiteres Kriterium ist die Reziprozität der Beziehung. Je nach spezifischen Netzwerk, das untersucht wird, können unterschiedliche Aspekte von Interesse sein und werden zu Bewertung der „Stärke“ der Beziehung herangezogen. Unterschiedliche Netzwerke können dabei wieder Teil eines größeren Systems sein. Die Größe der einzelnen Netzwerke kann dabei ein wichtiger Faktor sein. Mit steigender Größe wird es immer aufwendiger, Beziehungen zwischen allen Knoten aufrechtzuerhalten, da bei linearem Anstieg der Knoten die Anzahl der möglichen Verbindungen exponentiell steigt. Es entstehen daher Subsysteme, deren Verbindungen schwächer sind. Wenige Knoten überbrücken die dazwischen liegenden Structural holes (Burt, 1992). Die Dichte eines Netzwerkes wird durch den Anteil der tatsächlich realisierten Verbindungen an den theoretisch möglichen angegeben. Ein Knoten ist über einen anderen erreichbar, wenn über eine beliebige Anzahl von Beziehungen und anderen Knoten eine Verbindung hergestellt werden kann. Es können dabei mehrere Verbindungen unterschiedliche Länge (Distanzen) existieren. Die potenzielle Macht bzw. Bedeutung eines Knotens hängt mit der Anzahl der Beziehungen und seiner mehr oder weniger zentralen Position für andere zusammen. Zur Darstellung von Netzwerken werden Graphen herangezogen, denen entsprechende Matrizen zugrunde liegen. Die Knoten sind dabei entweder durch Linien oder Pfeile miteinander verbunden, je nachdem ob die Richtung der Beziehung eine Rolle spielt. Sie können unterschiedliche Stärken aufweisen, um Frequenz oder Intensität der Beziehung zu symbolisieren. Cross, Borgatti und Parker haben den Ansatz der Netzwerkanalyse bereits eingesetzt, um Kommunikationsflüsse im Unternehmen zu analysieren und zu verbessern. Sie führen dabei, basierend auf vorangegangenen qualitativen Studien, vier relationale Dimensionen in die Netzwerkanalysen ein, welche die Qualität der Kommunikation entscheidend beeinflussen. Dies sind:

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Wissen

Eine Voraussetzung dafür, andere Personen um Rat zu fragen bzw. einzubinden, ist deren Kenntnisse und Erfahrungen einschätzen zu können.

Zugang

Die Kenntnisse und Erfahrungen anderer Personen sind nur dann hilfreich, wenn es auch tatsächlich möglich ist, diese innerhalb bestimmter Fristen zu erreichen.

Engagement Befragte Personen tragen mehr zur Lösung eines Problems bei, wenn sie sich tatsächlich ausreichend Zeit nehmen die aktuelle Situation und die Fragestellungen zu erfassen und mitzudenken. Sicherheit

Jemand anderen um Unterstützung zu bitten setzt voraus, dass man sich sicher genug fühlt, den Mangel an eigenem Wissen zuzugeben und daraus keine weiteren Nachteile resultieren.

Bei der Netzwerkanalyse werden die Beziehungen der betreffenden Personengruppen hinsichtlich der Dimensionen Wissen, Zugang, Engagement und Sicherheit visualisiert (Cross et al., 2001). Das Ergebnis der Analysen wird anschließend herangezogen, um das Verständnis von Kommunikationsproblemen in Gruppen weiter zu erhöhen. Es gilt beispielsweise festzustellen, ob bestimmte Mitglieder eine Gruppe auf Grund persönlicher Überlastung, Unkenntnis ihrer Fähigkeiten bei den anderen oder auf Grund der Wissens-Anforderungen und unpassenden Fähigkeiten schlecht in ein Netzwerk eingebunden sind. Auf Grund der Erkenntnisse können die Aufgaben und WissensAnfragen in einer Gruppe überdacht und neu verteilt werden, sodass der Kommunikationsfluss optimiert wird. Cross et al. akzeptieren dabei die Bedeutung informeller Kommunikationsflüsse und gehen davon aus, dass sie sich unabhängig von den formalen Strukturen nutzen und optimieren lassen. Dies gilt zumindest, solange die Optimierung entlang der Dimensionen Wissen, Zugang und Engagement erfolgt. Netzwerkanalysen werden jedoch als effizientes Instrument beschrieben, um 1. die effektive Zusammenarbeit in strategisch wichtigen Gruppen zu gewährleisten, 2. kritische Verbindungen zwischen unterschiedlichen Funktionen, Hierarchien oder räumlich getrennten Einheiten zu gewährleisten, 3. die Integration von wichtigen informellen Gruppen bei Restrukturierungsmaßnahmen sicherzustellen Cross et al., [2002: 28].

Cross et al. gehen dabei primär davon aus, dass Kommunikationsflüsse durch rationale Interventionen gelöst werden können, wobei der Austausch des Wissens der unternehmensorientierten gemeinsamen Problemlösung dient. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die beteiligten Personen grundsätzlich positiv gegenüber stehen. Sie achten auf Akteur/-innen am Rande des Netzwerkes und auf Kommunikationsaufgaben, welche zu wenig wahrgenommen werden. Zusätzlich messen sie vertrauensbildenden Maßnahmen Bedeutung zu, ohne jedoch auf mögliche unterschiedliche Ursachen für das Misstrauen einzugehen. Hierbei wird außer Acht gelassen, dass Wissenskommunikation ganz unterschiedliche Inhalte haben kann, auf unterschiedlicher Motivation beruht und zu Konflikten und irrationalen Verhaltensweisen führen kann. Misserfolge und Verschlechterungen bei den Versuchen, Netzwerke zu optimieren sind daher möglich und werden auch zugegeben. Insbesondere ist bei mangelnder Sicherheit bzw. mangelndem JOANNEUM RESEARCH – Institute of Technology and Regional Policy

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gegenseitigen Vertrauen der Beteiligten größte Vorsicht geboten. Hier werden von Cross, Borgatti und Parker tief greifende Veränderungen der Organisationskultur empfohlen. Als Beispiele für Maßnahmen, welche das Vertrauen fördern, werden die Formulierung eines expliziten Ethik-Kodex für Kommunikation, Trainee-Programme und die Organisation von „Communities of Practice“ genannt. Derartige Maßnahmen sind jedoch langfristig in den Gesamtkontext der zu veränderten Organisationskultur zu setzen und nicht einfach aus einer Netzwerkanalyse abzuleiten.

Diskussion Wissenskommunikation in Unternehmen setzt die Bereitschaft voraus, Wissen zu teilen und dabei auf gemeinsame Ziele auszurichten. Die Effektivität der Weitergabe bzw. der Kommunikation von Wissen kann je nach Organisation sehr unterschiedlich sein (Argote und Ingram, 2000) und ist durch individuelle und strukturelle Rahmenbedingungen eingeschränkt (Sveiby, 2002). Die Reflexion von individuellen Zielen und Motiven der Arbeit im Zusammenhang mit Wissenskommunikation in Unternehmen macht auf die Grenzen der Strukturierbarkeit aufmerksam. Insbesondere schwer kodifizierbares, implizites Wissen ist in der freien Weitergabe eingeschränkt. Gute Voraussetzungen für die Weitergabe von Wissen und der Möglichkeit der technischen Unterstützung sind in Gruppen mit homogen gemeinsamen Interessen und Zielsetzungen gegeben. In heterogenen Gruppen, welche z.B. durch formale Organisationsformen miteinander in Verbindung stehen, verhindern u. a. mangelnde, an der intrinsischen Motivation der Wissensträger/-innen ausgerichtete Anerkennung und das eigene Machtstreben oder Ängste, durch das anderer Personen ausgenutzt zu werden, den offenen Austausch von Wissen. Verhandlungsprozesse zur Erlangung von Macht in Unternehmen können als unfair empfunden werden. Hierarchien, Statusunterschiede Gehaltsschemata und „Belohnungssysteme“ i. a., ungleiche Ressourcen- und Machverteilungen, etc. führen zu Neidgefühlen. Mangelnde Anerkennung, Kontrolle, aber auch als unangemessen empfundene Kritik können zu Ängsten und Demotivation mit erheblichen Kosten für das Unternehmen führen. Das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, führt zu Wut und, wenn es mit Demütigungen verbunden ist, zu Hass (Fitness, 2000). Das Individuum und seine/ihre Bedürfnisse befinden sich dabei in einer Sandwich-Position zwischen den organisatorischen Aufgaben, die es zu erfüllen gilt und der Struktur der Beziehungen. Um diese Probleme zu überwinden, wird meistens vorgeschlagen, Hierarchieebenen zu verringern, ein partizipatives Management zu fördern und extreme Ungleichgewichte in der Entlohnung zu vermeiden (Kets de Vries, 1992). Da Macht i. A. Zugang bzw. Kontrolle über wertvolle Ressourcen bedeutet, welche auch andere Akteure interessiert, könnten kooperative Lösungen entstehen, wenn alle Akteur/innen ungefähr gleich mächtig sind. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen die Kosten für die Lösung von jenen gezahlt werden, die weniger wichtig sind (Coleman 1990). In Unternehmen sind derartige kooperative Lösungen kaum verwirklichbar. Die Möglichkeit, Macht zu erlangen, ist sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeiter/-innen ein motivationaler Faktor. Wenn Wissenskommunikation in Unternehmen bei Erhaltung formaler Strukturen und notwendiger Spielräume entsprechend der individuellen Motivation gefördert werden soll, sind zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: •

Die Definition klarer und transparenter Spielregeln zur Machterlangung, verbunden mit einer gelebte Kultur der Offenheit und des Vertrauens, aber auch der gegenseitigen sozialen Kontrolle, welche einen Missbrauch von Informationen und „Free-Rider-Effekte“ einschränkt JOANNEUM RESEARCH – Institute of Technology and Regional Policy

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und zu einer verstärkten Internalisierung sozialer Normen beiträgt (Lazega, 2000; DeLong et al., 2000; Gupta et al., 2000). Die moralische Verpflichtung „das richtige für das gemeinsame Ziel zu tun“ verbunden mit der Anerkennung der Gruppe kann die Weitergabe des Gemeinschaftsgutes „Wissen“ unterstützen (Wasko und Faraj, 2000). •

Da sowohl der formalen Gestaltbarkeit als auch der Etablierung sozialer Normen, welche alle Akteur/-innen gleichermaßen befolgen, Grenzen gesetzt sind, sollten informelle Netzwerke in Unternehmen besondere Beachtung finden. Eine Ergänzung zu formalen Bestrebungen der optimierten Wissenskommunikation stellt daher die Schaffung ausreichende Freiräume für wichtige informelle Wissensträger/-innen dar - Netzwerkanalysen sind dabei ein wesentliches Hilfsmittel, um die positive Wirkung von informellen Netzwerken zu verstärken und wachsam hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen zu sein.

Die Einsetzbarkeit der Netzwerkanalysen könnte verbessert werden, indem nicht nur die Kommunikationsprozesse, sondern auch die zugrunde liegenden Motive und Beziehungen Berücksichtigung finden. Die zugrunde liegenden Befragungen könnten entsprechend erweitert werden, insbesondere hinsichtlich des subjektiv erlebten Nutzens der gewählten Kontakte. Zielsetzung ist es, diese zusätzlichen Kenntnisse bei der Unterstützung der Netzwerke zu berücksichtigen (siehe oben). Wissensträger/-innen, deren primäre Motivation in der individuellen Leistung und/oder fachbezogener Neugierde liegt, sollten nicht durch zentrale Positionen in heterogenen Netzwerken, welche ein hohes Maß an Interaktion erfordern, frustriert werden. Hier ist es notwendig, Vermittler/-innen einzusetzen und die eigentlichen Wissensträger/-innen in ihren Randpositionen zu belassen; mit dem notwendigen Freiraum für die Weiterentwicklung ihrer Beiträge entsprechend der eigenen Interessen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Beiträge eindeutig der gemeinsamen Zielsetzung des Teams bzw. des gesamten Unternehmens dienen muss. Anreizmechanismen, welche Kommunikationsprozesse erfolgreich fördern, sollten also der persönlichen Motivation entsprechen, aber eindeutig auf den gemeinsamen Nutzen ausgerichtet sein. Bei homogenen Gruppen von Akteur/-innen spielt die Orientierung an der persönlichen Motivation eine geringere Rolle. Gruppen – und Organisationen – können nicht reduktionistisch als Netzwerk von Individuen, die koordinierten Tätigkeiten nachgehen, aufgefasst werden, sondern repräsentieren eine soziale Matrix, die selbstorganisierende Funktionen für die Mitglieder hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entwicklung von Individuen untrennbar mit den Gruppen- und Organisationsstrukturen, zu den sie gehören, verbunden und umgekehrt. Mit anderen Worten: Einerseits fördern oder hemmen Mitarbeiter/-innen ihre Kolleg/-innen und die Bildung bestimmter Strukturen (Totterdell et al., 1998), andererseits übt die Gruppen- bzw. Organisationsstruktur Einfluss auf deren Verhalten aus. Die Weiterentwicklung von Netzwerkanalysen hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gruppe könnte diese zu einem Instrument der Optimierung von Wissenskommunikation in Unternehmen werden lassen.

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INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE- UND REGIONALPOLITIK INTEREG WORKING PAPER SERIES

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