Inauguraldissertation

Umweltpolitik in Entwicklungsländern: Instrumente zur Analyse der Einflussfaktoren auf umweltpolitisches Handeln und ihre Anwendung, dargestellt am Be...
Author: Jasmin Kaiser
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Umweltpolitik in Entwicklungsländern: Instrumente zur Analyse der Einflussfaktoren auf umweltpolitisches Handeln und ihre Anwendung, dargestellt am Beispiel Jordanien.

Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum - Fakultät für Sozialwissenschaft -

vorgelegt von

Christiane Spieß aus Bad Kreuznach

Bochum 2005

Vorwort Die vorliegende Dissertationsschrift ist im Rahmen des Graduiertenkollegs „Systemeffizienz und Systemdynamik in Entwicklungsländern“ am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik (IEE) der Ruhr-Universität Bochum mit einem Stipendium von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1998 bis 2001 vorbereitet worden. Sie führte mich nach Jordanien, wo ich 1998 und 1999 insgesamt sechs Monate Forschung betrieb. Ohne die Offenheit meiner InterviewpartnerInnen in den jordanischen staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Organisationen und den vor Ort vertretenen bi- und multilateralen Geberorganisationen, die mir zudem umfangreiche Materialien bereitgestellt haben, wäre die Arbeit in der vorliegenden Form nicht zu verwirklichen gewesen. Ihnen möchte ich daher an dieser Stelle herzlich danken. Hervorheben möchte ich insbesondere die unbürokratische Unterstützung durch die jordanische Umweltbehörde GCEP, der nichtstaatlichen Umweltorganisationen JES und RSCN sowie der vor Ort vertretenen internationalen und ausländischen Organisationen, UNDP, EU, IUCN, CIDA, GTZ und KfW.

Hilfreiche Kritik und wertvolle Anregungen, die der Arbeit förderlich waren, verdanke ich dem Direktor des IEE Prof. Dr. Wilhelm Löwenstein, Prof. Dr. Jürgen H. Wolff, Prof. Dr. Lothar Brock. Herrn Prof. Uwe Andersen bin ich besonders dankbar für die Schlussbetreuung der Arbeit. Darüber hinaus will ich die inhaltlichen Impulse hervorheben, die sich während der Seminare am Graduiertenkolleg und der Diskussionen mit anderen DoktorandInnen ergaben.

Diese Arbeit wäre ohne den Zuspruch, die große Geduld und vielfältige Unterstützung meiner Eltern, insbesondere meiner Mutter, wohl nicht zustande gekommen. Ihnen sei die Arbeit daher gewidmet.

Christiane Spieß

Genf, Sommer 2005

Inhalt Seite Vorwort

1

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

7

1.

Einleitung

9

1.1

Problemstellung

9

1.2

Aktueller Forschungsstand zur Umweltpolitik

11

1.3

Ziel der Arbeit und Fragestellung

16

1.4

Methodik

18

1.5

Gang der Untersuchung

22

2.

Theoretische Grundlagen

25

2.1

Politikfeldanalayse und Policy-Forschung als Analyseraster

25

2.1.1 Grundlegende theoretische Ansätze und Forschungsinhalte

25

2.1.2 Die Verknüpfung der drei Politikdimensionen

28

2.1.3 Der politisch-institutionelle Ansatz zur Erklärung gesellschaftlicher Interessenvermittlung

31

2.2

2.1.3.1 Der politisch-institutionelle Ansatz

31

2.1.3.2 Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung

33

2.1.3.3 Wandel der Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung

37

2.1.4 Der erweiterte politisch-institutionelle Ansatz als theoretische Grundlage für die Untersuchung

39

Theoretische Ansätze zur Erklärung von Umweltpolitik

41

2.2.1 Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln

41

2.2.1.1 Erfolgs- und Wirkungskriterien zielorientierter Umweltpolitik

44

2.2.1.2 Umweltpolitische Handlungstypen und Instrumente

46

2.2.2 Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess

50

2.2.2.1 Allgemeine Thesen zur Entwicklung von Umweltpolitik

50

2.2.2.2 Die Wirkung sozioökonomischer, soziokultureller und informationellkognitiver Rahmenbedingungen auf umweltpolitisches Handeln

53

2.2.2.3 Die Wirkung politisch-institutioneller Rahmenbedingungen auf umweltpolitisches Handeln

58

2.2.2.4 Umweltpolitische Interessen und ihre Träger

64

2.2.2.5 Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung

67

2.2.2.6 Wandel der Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung

70

2.2.3 Voraussetzungen für umweltpolitisches Handeln

73 3

3.

Umweltpolitik in Entwicklungsländern

78

3.1

Die Globalisierung der Umweltpolitik

78

3.2

Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln in den Nord-Süd-Beziehungen

82

3.2.1 Umweltverträgliche Entwicklungskonzepte: Von der Öko-Entwicklung zur nachhaltigen Entwicklung

82

3.2.2 Die umweltpolitische Strategie der Ökologischen Modernisierung

86

3.2.3 Die Ökologisierung der Entwicklungszusammenarbeit und ihre Instrumente

90

3.2.3.1 Direkte Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern

93

3.2.3.2 Indirekte Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern

97

3.2.3.3 Grenzen der Ökologisierung der Entwicklungszusammenarbeit: Kritische Würdigung der Instrumente 3.3

100

Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess in Entwicklungsländern

104

3.3.1 Umweltprobleme in Entwicklungsländern

104

3.3.2 Rahmenbedingungen für umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern

106

3.3.3 Umweltpolitische Akteure und Interessenkonstellationen in Entwicklungsländern

111

3.3.4 Defizitäre Umweltpolitik in Entwicklungsländern

116

Voraussetzungen für die Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern

119

4.

Die Entwicklung der Umweltpolitik in Jordanien

126

4.1

Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess in Jordanien

126

4.1.1 Entwicklung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen

126

3.4

4.1.1.1 Bevölkerungswachstum, Verteilung und Bevölkerungspolitik

126

4.1.1.2 Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Wirtschaftsstruktur und der Außenabhängigkeit

131

4.1.1.3 Die Folgen des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung für die Umwelt

140

4.1.2 Umwelt- und Ressourcenprobleme

144

4.1.2.1 Topographie, Klima und Ressourcen

144

4.1.2.2 Bedrohung der Landressourcen

146

4.1.2.3 Bedrohung der Wasserressourcen

148

4.1.2.4 Bedrohung der Küstengebiete und Meeresressourcen

157

4.1.2.5 Städtisch-industrielle Umweltprobleme

160

4.1.2.6 Bedrohung der natürlichen Lebensräume und des kulturellen Erbes

166

4.1.2.7 Sozioökonomische Folgen der Umweltprobleme

170

4

4.1.3 Soziokulturelle und informationell-kognitive Faktoren 4.1.3.1 Grundlegende kulturelle Faktoren: Tribalismus und Wastah

172

4.1.3.2 Entwicklung des Umweltwissens und des Umweltbewusstseins

174

4.1.4 Entwicklung der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen

181

4.1.4.1 Grundlagen des politischen Systems

181

4.1.4.2 Interessenvermittlung im neo-patrimonialen Staat Jordanien

183

4.1.4.3 Der politische Liberalisierungsprozess und seine Auswirkungen auf die Partizipationsmöglichkeiten

186

4.1.5 Akteure in der umweltpolitischen Arena

193

4.1.5.1 Ministerien mit umweltpolitischen Kompetenzen

193

4.1.5.2 Die Schaffung der ersten Träger von Umweltbelangen

196

4.1.5.3 Die Entstehung neuer Träger von Umweltbelangen seit Anfang der 90er Jahre

202

4.1.5.4 Andere umweltpolitische Akteure

209

4.1.6 Die Entwicklung umweltpolitischer Kapazitäten der Akteure und ihre Strategien

216

4.1.6.1 Ziele, Aktivitäten und Kapazitäten im Umweltbereich

216

4.1.6.2 Umweltpolitische Strategien

227

4.1.7 Die Rolle umweltpolitischer Akteure bei der Entwicklung der nationalen Umweltpolitik

4.2

172

238

4.1.7.1 Die Rolle umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung der Nationalen Umweltstrategie

238

4.1.7.2 Der Beitrag umweltpolitischer Akteure zum Umweltrahmengesetz

241

4.1.7.3 Der Einfluss umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung des Nationalen Umweltaktionsplans

246

4.1.7.4 Der Einfluss umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung des Regionalen Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba

248

Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln in Jordanien

250

4.2.1 Die Entwicklung des rechtlich-institutionellen Rahmens im Umweltbereich

250

4.2.1.1 Gesetzliche und institutionelle Grundlagen zum Schutz der Umwelt

250

4.2.1.2 Kritik an Gesetzeslage und institutioneller Verantwortung

255

4.2.1.3 Das Umweltrahmengesetz und seine Statute

257

4.2.1.4 Der Nationale Umweltschutzrat

261

5

4.2.2 Die Integration von Umweltaspekten in Entwicklungspläne, andere Politikfelder und zwischenstaatliche Abkommen

265

4.2.2.1 Umweltaspekte in Entwicklungsplänen

266

4.2.2.2 Umweltaspekte in anderen Politikfeldern und Parteiprogrammen

273

4.2.2.3 Umweltaspekte in zwischenstaatlichen Abkommen

275

4.2.3 Die umweltpolitischen Programme

277

4.2.3.1 Die Nationale Umweltstrategie

277

4.2.3.2 Der Nationale Umweltaktionsplan

280

4.2.3.3 Der Regionale Umweltaktionsplan für den Golf von Aqaba

283

4.2.4 Die Implementierung umweltpolitischer Gesetze und Aktionspläne

285

4.3

Die Institutionalisierung und Implementierung der Umweltpolitik in Jordanien

292

5.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

303

6.

Abkürzungsverzeichnis

313

7.

Literaturverzeichnis

316

8.

Anhang

337

8.1

Verzeichnis der Interviews

337

8.1.1

Interviewte Experten (Leitfadeninterviews)

337

8.1.2

Interviews in Organisationen (Fragebogen)

337

8.1.3

Sonstige Gespräche

339

8.2

Fragebogen

340

6

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Seite Abb. 1:

Die umweltpolitische Interessenspirale

Abb. 2:

Jordanien Karte

144

Abb. 3:

Umweltprobleme in Jordanien: Einschätzung der befragten Akteure

175

Abb. 4:

Entwicklung der Umweltprobleme in Jordanien: Einschätzung der befragten Akteure

176

Abb. 5:

Informationsmangel im Umweltbereich in Jordanien

177

Abb. 6:

Gründe für gestiegene Verfügbarkeit von Informationen im Umweltbereich in Jordanien

178

Zeitpunkt der Integration von Umweltfragen in die Aktivitäten der Akteure in Jordanien

212

Gründe für die gestiegene Bedeutung von Umweltfragen bei Akteuren in Jordanien

213

Akteure mit Umweltabteilungen in Jordanien

214

Abb. 10: Prioritäten der umweltpolitischen Akteure in Jordanien

217

Abb. 11: Beginn der Umweltschutzprojekte in Jordanien

218

Abb. 12: Ziele der Umweltschutzprojekte in Jordanien

219

Abb. 13: Budgets für Umweltschutzaktivitäten 1998/1999 der jordanischen Akteure

220

Abb. 14: Anteil des Budgets für Umweltschutzaktivitäten am Gesamtbudget der umweltpolitischen Akteure in Jordanien

221

Abb. 15: Entwicklung des gesamten Personalbestands im Umweltbereich in Jordanien

223

Abb. 16: Personalmangel im Umweltbereich in Jordanien

224

Abb. 17: Qualifikation des Personals im Umweltbereich in Jordanien

225

Abb. 18: Fahrzeuge und Computerarbeitsplätze für Umweltschutzaktivitäten in Jordanien

226

Abb. 19: Bekämpfung der Umweltprobleme durch die Träger von Umweltbelangen in Jordanien

228

Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9:

71

Abb. 20: Beginn der externen Unterstützung der Träger von Umweltbelangen in Jordanien 229 Abb. 21: Hauptfinanziers der Träger von Umweltbelangen in Jordanien

230

Abb. 22: Information der Öffentlichkeit über Umweltschutzaktivitäten in Jordanien

231

Abb. 23: Zugang zu politischen Entscheidungsträgern der umweltpolitischen Akteure in Jodanien

232

Abb. 24: Entwicklung der Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien

235

Abb. 25: Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien

236

Abb. 26: Gründe für unzureichende Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien

237

Abb. 27: Akteure im Nationalen Umweltschutzrat Jordaniens

262 7

Tabellen Seite Tab. 1: Bevölkerungswachstum in Jordanien

127

Tab. 2: Entwicklung wichtiger Wirtschaftsindikatoren in Jordanien

134

Tab. 3: Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in Jordanien (in Prozent des BIP)

138

Tab. 4: Jordanien: Empfangene Entwicklungshilfeleistungen 1998-2002 in Millionen US$ 140 Tab. 5: Mengenverteilung und Prozentanteil des elektrischen Energiekonsums (in Gwh) in den unterschiedlichen Sektoren in Jordanien 1993-2002

142

Tab. 6: Entwicklung des Wasserdefizits in Jordanien (in Millionen Kubikmeter)

150

Tab. 7: Beispiele für Wasserverschmutzung durch Abwassereinleitung aus Senkgruben und Abwassersystemen in Aquifere in Jordanien

153

Tab. 8: Ergebnisse der chemischen und physikalischen Analyse des Trinkwassers in Jordanien 1998-2002

156

Tab. 9: Gesamtsumme der geschätzten Menge an gasförmigen Emissionen durch Energieverbrauch in unterschiedlichen Sektoren in Jordanien 1995-2002 (000 M. Tonnen/Jahr)

164

8

1.

Einleitung

1.1

Problemstellung

In der zweiten Hälfte 20. Jahrhunderts hat die Belastung des Ökosystems Erde in einem erheblichen Maße zugenommen. Heute unterscheidet man in der Regel zwischen zwei verschiedenen Formen der anthropogenen Umweltbelastung. Zum einen kommt es zu einer Übernutzung natürlicher Ressourcen, wobei es sich entweder um nicht erneuerbare Rohstoffe wie z.B. Mineralien, Metalle, Öl oder um die so genannten erneuerbaren Ressourcen pflanzlicher und tierischer Art handelt. Zum anderen ist die Verunreinigung der prinzipiell erneuerbaren Ressourcen angestiegen. So dienen Boden, Luft und Gewässer als Senken, deren Verunreinigung in manchen Regionen der Erde Ausmaße erreicht, die ihre Fähigkeit zur Erneuerung bedrohen. Umweltbelastungen gibt es wohl schon seit Beginn der Menschheit, nur blieben sie lokal begrenzt, bis sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Industrialisierung erste regionale Auswirkungen zeigten. Im Jahre 1927 kam es zur ersten Klage, die sich auf grenzüberschreitende Luftverschmutzung bezog. Die USA klagten gegen Kanada wegen des hohen Ausstoßes von SO2 eines kanadischen Schmelzers, das landwirtschaftliche Flächen im Norden der USA verseuchte. Mittlerweile ist die Umweltbelastung weltweit so fortgeschritten, dass nunmehr auch Ökosysteme wie Ozeane oder die Atmosphäre betroffen sind, die außerhalb nationalen Hoheitsgebiets liegen und als Weltgemeinschaftsgüter bezeichnet werden. So ist heute nahezu unbestritten, dass die anthropogen verursachten steigenden Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre langfristig zu einem weltweiten Klimawandel beitragen.

Selten wurde die Interdependenz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern deutlicher als angesichts der globalen Umweltproblematik. Vor dem Hintergrund weltweiter Umweltbelastung wurden sich die Industriestaaten bewusst, dass ihr Wohlstand auch von Entwicklungen und Verhaltensweisen der Menschen in den ärmeren Ländern abhängig ist. Denn auch im Süden werden durch menschliche Eingriffe in die Natur Ökosysteme geschädigt, die zwar in der nationalen Verfügungsgewalt dieser Länder liegen, aber gleichzeitig zur globalen Umweltzerstörung beitragen - bestes Beispiel hierfür ist die Zerstörung der tropischen Regenwälder. Bedeutsam sind sie für die gesamte Erde, da sie nicht nur als CO2-Senken und Sauerstofflieferanten fungieren, sondern auch Lebensraum für eine Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten bieten. Seitdem die komplexen Zusammenhänge der globalen Umweltproblematik bekannt sind, geht man heute davon aus, dass Umweltprobleme prinzipiell potenziell globaler Natur sind.

9

Umweltprobleme sind in den so genannten Entwicklungsländern in mancher Hinsicht anders geartet als jene in den Industrieländern. Ein Hauptproblem in den ärmeren Ländern des Südens ist die Überbeanspruchung natürlicher Ressourcen im ländlichen Raum. Die Folgen sind Verlust an landwirtschaftlichen Böden, Entwaldung, Destabilisierung des Wasserhaushalts, die Verschlechterung der Wasserqualität und Desertifikation. Durch die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung der Entwicklungsländer, die weitgehend ohne entsprechende ökologischtechnische Anpassung der Infrastruktur stattfinden, verschlechtern sich auch in den städtischen Ballungsgebieten die Umweltbedingungen. Entwicklungsländer sind von Umweltproblemen in der Regel stärker betroffen als Industrieländer, da sie angesichts anderer ökologischer und sozialer Interdependenzen besonders anfällig gegenüber langfristig wirksamen Umweltschäden sind. So liegen viele Entwicklungsländer in klimatischen Zonen, die sehr sensibel auf durch anthropogene Eingriffe verursachte Veränderungen reagieren. Oft sind sie landwirtschaftlich geprägt und besonderes von natürlichen Ressourcen abhängig. Nicht zuletzt, weil neben der Subsistenzwirtschaft auch der Export von natürlichen Rohstoffen überwiegt, das heißt Staat und Menschen sind direkter von der Umwelt abhängig. Die Überbeanspruchung der natürlichen Lebensgrundlagen und die allgemein steigende Umweltbelastung behindern die wirtschaftliche und soziale Entwicklung vieler Entwicklungsländer. Darüber hinaus steigen die Risiken für sozioökonomische und politische Instabilität. Bei zunehmender grenzüberschreitender Ressourcenverknappung sind zwischenstaatliche Konflikte und sogar militärische Auseinandersetzungen um knappe ökologische Güter nicht mehr auszuschließen.1 Ebenso gefährden Migrationsströme und die steigende Zahl von Umweltflüchtlingen die soziale und ökologische Stabilität besonders in Entwicklungsländern und können in Industrieländern zu Integrationskonflikten führen.2

Die Wahrnehmung der Umweltproblematik als grenzüberschreitendes und globales Problem rief umweltpolitischen Handlungsbedarf auf zwischenstaatlicher und internationaler Ebene hervor, der zuerst von westlichen entwickelten Ländern eingefordert wurde. Die Erkenntnis, dass lokale Umweltprobleme sich früher oder später grenzüberschreitend oder gar global auswirken können, ließ die Industrieländer darauf bestehen, Entwicklungsländer in internationale Verhandlungen mit einzubeziehen, um den Umweltschutz auch in diesen Ländern besser durchsetzen zu können. Seit der ersten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm 1972 ist die Notwendigkeit, Umweltschutzmaßnahmen zu ergreifen, in das Bewusstsein vieler nationaler Regierungen gerückt. Im Anschluss an die Konferenz wurden in den 70er und 80er Jahren in vielen Industrie-

1

Siehe hierzu Westing 1986; Meyer/Wellmann 1992; Bächler/Spielmann 1996.

2

Vgl. hierzu Wöhlcke 1992: 93f. 10

ländern, aber auch in Entwicklungsländern rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen, um den Umweltschutz in das staatliche Handeln zu integrieren. In der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit gab es Bemühungen, umweltschädliche Nebenwirkungen von Projekten zu vermeiden und darüber hinaus den Umweltschutz in Entwicklungsländern im Allgemeinen zu fördern. Insbesondere westliche Geberländer entwickelten daher entsprechende Ansätze, Strategien und Instrumente, um Umweltaspekte verstärkt in ihre Entwicklungspolitik zu integrieren. Sie unterzogen ihre Projekte Umweltverträglichkeitsprüfungen und führten Umweltschutzprojekte in Entwicklungsländern durch. Allerdings gewann Umweltpolitik als neues Politikfeld in Entwicklungsländern erst seit der zwanzig Jahre später abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, an Bedeutung. Vielerorts bildeten sich Umweltbewegungen und die Umweltpolitik wurde rechtlich und institutionell in vielen Entwicklungsländern verankert.

Trotz dieser positiven Entwicklungen werden Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern häufig stärker blockiert und sind eher von Handlungsdefiziten gekennzeichnet als dies in den westlichen Industrieländern der Fall ist. Da sich Umweltpolitik stets im Spannungsfeld gesellschaftlicher und politischer Interessen außerhalb und innerhalb des politisch-administrativen Systems vollzieht, ist sie immer Ergebnis eines Interessenkompromisses. In Entwicklungsländern vertreten unter dem Einfluss spezifischer umweltpolitisch relevanter Rahmenbedingungen sowohl interne als auch externe Akteure ihre partikularen Interessen, die sie je nach Machtbefugnissen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen mehr oder weniger durchsetzen. So ergeben sich aus spezifischen Akteurskonfigurationen bestimmte Interessenkonstellationen, die im Laufe der Zeit veränderlich sind und umweltpolitischen Erfolg bzw. Misserfolg determinieren. Ob und wann gezieltes umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern möglich ist, hängt letztlich davon ab, wie und mit welcher Gewichtung diese widerstreitenden Interessen sich im politischen Prozess Geltung verschaffen.

1.2

Aktueller Forschungsstand zur Umweltpolitik

In den Sozialwissenschaften werden Umweltereignisse in den Kontext eines naturbezogenen Handlungsfelds für gesellschaftliche Akteure gestellt und die soziale Interaktion und ihre ökologischen Effekte als kausal und temporal vernetztes Beziehungsgefüge analysiert.3 Innerhalb dieses Beziehungsgefüges werden die Wirkungen und die Folgewirkungen von Umweltereignissen

3

Vgl. Görlitz 1994: 36. 11

als antizipierte Umweltprobleme je nach wissenschaftlicher Disziplin anhand ökonomischer, soziologischer oder politologischer Ansätze untersucht. In der politikwissenschaftlichen Diskussion stehen kollektive Akteure und gesamtgesellschaftliche Prozesse im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Es gibt heute zwei wesentliche Theoriestränge, die sich auf die Umweltpolitik beziehen. Die so genannte „substantialistische“ Theorie betrachtet genauer, wie einzelne politische Akteure bzw. Gruppen ökologische Probleme deuten und versuchen, gegen sie vorzugehen4, wobei sich die Analyse vorrangig auf die Entwicklung ökologischer Bewegungen bezieht. Die „prozessuale“ Theorie hingegen, rekonstruiert formal organisierte Politikprozesse in staatlichen politischen Systemen und auf internationaler Ebene. Dabei werden die Deutungsmuster der Akteure weitgehend ausgeblendet und lediglich der Ablauf politischer Entscheidungsprozesse im Umweltbereich analysiert5 sowie nach strukturellen Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik gefragt.6

In diesem Zusammenhang wird zwischen drei methodischen Ansätzen unterschieden. Der Ansatz der Politischen Ökologie beschäftigt sich normativ mit einer ökologisch begründeten Ethik7, die in den 70er Jahren von Bürgerinitiativen aufgegriffen und vor allem von der Ökologiebewegung weitergeführt wurde. Das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt wird zum Leitmotiv der politischen Philosophie und zum Gegenstand der normativ-ontologischen Positionen, die oft auch verhaltens- und handlungsanleitend wirken wollen. Ihre zentralen Begriffe sind Vernetzung, Dezentralisierung, sanfte Technologie und qualitatives Wachstum. In Anlehnung an die humanökologische Forschungstradition8 fragt die Politische Ökologie im internationalen Kontext nach denjenigen Ursachen und Formen von Umweltproblemen, die in der Organisation von Gesellschaften liegen und trug im Wesentlichen zur Entwicklung ökologischer Entwicklungsstrategien bei.9

Dialektisch-kritische Theorien bieten in der Auseinandersetzung mit der Thematik politischökonomische Erklärungsversuche an und üben Ideologiekritik an dem ihrer Ansicht nach dem kapitalistischen System innewohnenden Wachstumsfetischismus. Dabei geraten linke Positionen oft selbst in Ideologieverdacht, da sie versuchen, voreingenommen die Umweltzerstörung aus

4

Siehe hierzu z.B. Eckersly 1992 und Rüdig 1990.

5

Siehe hierzu z.B. Prittwitz 1990.

6

Siehe hierzu z.B. Jänicke/Weidner 1997.

7

Siehe hierzu z.B. Meyer-Abich 1984; Mayer-Tasch 1985.

8

Siehe hierzu Glaeser 1984 und Sachs 1991.

9

Vgl. Bruckmeier 1994: 110 ff. 12

kapitalismusimmanenten Zwängen heraus zu erklären. Für sie gibt es keine Lösung der Umweltprobleme innerhalb des kapitalistischen Systems.10 Dialektisch-kritische Ansätze können weder Zeitpunkte noch Art und Ausmaß der Umweltzerstörung plausibel erklären.11 Im internationalen Kontext bemüht sich im Rahmen systemkritischer Diskurse die politische Ökonomie mit ihrer ökologischen Kritik, die Beziehungen zwischen Natur und Gesellschaft zu erklären. Die globale Umweltproblematik im Blickfeld, geht sie im Gegensatz zu umweltökonomischen Ansätzen davon aus, dass es nicht möglich ist, ökonomische Schranken gegen die Umweltzerstörung zu errichten, solange es nicht gelingt, den Funktionsmechanismus des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems in seiner umweltzerstörenden Wirkung zu entschlüsseln.12

Schließlich gibt es noch die empirisch-analytischen Ansätze, die die Umweltpolitik in den Kontext der Policy-Forschung stellen. Die umweltpolitische Policy-Analyse beschäftigt sich mit Steuerungsmöglichkeiten und -grenzen in der Umweltpolitik und hat bisher vor allem Studien hervorgebracht, die als problemorientierte Input-Output-Untersuchungen meist für einzelne Umweltbereiche, z.B. Luftreinhaltepolitik, nach der Entwicklung der gesetzlichen Festschreibung von Umweltstandards und Steuerungsinstrumenten fragen. Die Mehrzahl der Untersuchungen dieser Forschungsrichtung analysiert zum einen Prozesse und Strukturen, die die Problemwahrnehmung und die Platzierung von Umweltfragen auf der politischen Agenda („policy initiation and agenda setting“) sowie die Gestaltung umweltpolitischer Entscheidungen und Programmformulierung beeinflussen („policy formulation“). Dabei geht es sowohl um sozioökonomische und politisch-institutionelle Rahmenbedingungen als Handlungsrahmen für gesellschaftliche Akteure als auch um deren Interessenlagen, Macht- und Einflusskonstellationen im Umweltbereich. Zum anderen werden Strukturen und Prozesse untersucht, die die Umsetzung und Durchführung umweltpolitischer Entscheidungen in messbare Politik beeinflussen. Während der 70er und 80er Jahre setzte man sich vor allem mit der Implementierung der Umweltpolitik auseinander.13 Vollzugsdefizite wurden in erster Linie auf strukturelle Steuerungswiderstände innerhalb und außerhalb des politisch-administrativen Systems zurückgeführt.14 Studien der Implementations- und Evaluationsforschung bestechen durch ihre Praxisnähe. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie sich in Teilbereichen verlieren und die Analyse politischer Entscheidungsprozesse und Interessenstrukturen vernachlässigen. Die Frage nach der Durchsetzungsfähigkeit

10

Siehe hierzu Enzensberger 1973.

11

Vgl. Prittwitz 1986: 473.

12

Siehe hierzu z.B. Altvater 1992.

13

Siehe hierzu z.B. Mayntz 1978.

14

Siehe hierzu Görlitz 1994. 13

von Interessen tritt somit in den Hintergrund. Doch die Ursachen für unzureichende umweltpolitische Problemlösungen können nicht unbedingt erst im Implementationsprozess als Vollzugsdefizite auftreten, sondern schon in der Programmentwicklung angelegt sein.15

Auch bei international vergleichenden Umweltpolitikanalysen, die sich mit Faktoren zur Bestimmung der Politikerfolgs beschäftigen, sind hauptsächlich die Phasen der Politikformulierung, der Implementierung und der Evaluierung Gegenstand der Untersuchungen.16 Es gibt nur wenige Studien, die sich mit der Problemwahrnehmung und dem „agenda setting“ beschäftigen, oder die Phase der Institutionalisierung der Umweltpolitik analysieren.17 Die meisten Studien der international vergleichenden Umweltpolitikanalyse konzentrieren sich auf Fallstudien und Fallvergleiche in Industrieländern und dabei nur auf die Regulierung eines spezifischen Umweltproblems, deren Auswahl selten methodisch oder theoriegeleitet diskutiert wird, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede bzgl. Politikentscheidung und -durchführung herauszukristallisieren. Es werden vor allem qualitative Untersuchungsmethoden angewandt und während politische Faktoren und institutionelle Arrangements fast immer eine dominierende Rolle spielen, werden sozioökonomische Faktoren vernachlässigt und kulturelle Faktoren nur herangezogen, wenn andere Determinanten zur Erklärung der Ergebnisse nicht ausreichen. Neben strukturellen Faktoren wird häufig auch der Einfluss situativer Faktoren wie Umweltkatastrophen oder -skandale hervorgehoben.18 Seit den 80er Jahren gewinnen Studien an Bedeutung, die die kulturellpolitischen und politisch-institutionellen Erklärungsfaktoren hervorheben.19

In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich die empirisch-analytische Forschung zur Umweltpolitik also vorrangig auf praktische Lösungsansätze im Umweltbereich und weniger auf die Entwicklung theoretischer Konzepte. Dennoch werden auch Diskussionen über theoretische Modelle geführt. Systemtheoretische Modelle beziehen sich entweder direkt auf das Verhältnis Mensch – Umwelt20, oder aber Erkenntnisse der Politikanalyse werden auf umweltpolitische Abläufe übertragen.21 Sie haben eine eher heuristische Funktion, bei der funktionalistische Systeminterdependenzen zu sehr im Vordergrund stehen, als dass verallgemeinerbare Aussagen

15

Vgl. Prittwitz 1986: 472.

16

Siehe hierzu Jänicke/Mönch 1988; Knoepfel 1993; Vogel 1986; Ringquist 1993.

17

Siehe hierzu Enloe 1975; Solesbury 1976; Lundquist 1980; Jörgens 1996.

18

Vgl. Kern/Bratzel 1996: 53f.

19

Siehe hierzu Vogel 1986 und Wolff/Hamza 1994.

20

Ein Beispiel hierfür ist das "Öko-sozialen Interdependenz Modell" von Wiesner 1983.

21

Vgl. Jänicke 1996: 9-13. 14

über komplexe Strukturen und Prozesse hinsichtlich umweltpolitischer Entscheidungen gemacht werden könnten. Neuere theoretische Überlegungen wie die „Nachlaufende Untersteuerung“ oder das Modell der „Umweltpolitischen Interessenspirale“ versuchen diese Defizite auszugleichen.22 Während die Theorieentwicklung im Bereich internationaler Umweltpolitik gut vorangekommen ist und des Öfteren auch unter der Nord-Süd-Perspektive analysiert wurde, ist der theoretische Beitrag zum Thema Umweltschutzpolitik in Entwicklungsländern seit Anfang der 80er Jahre23 kaum fortgeschritten. Die Umweltanalyse in Entwicklungsländern beschränkte sich weitgehend auf begrenzte Teile des Wirtschaftsprozesses wie beispielsweise die Nutzung natürlicher Ressourcen, indem sie den Fokus auf das Verhalten bestimmter Gruppen wie das der Ressourcennutzer (z.B. Landwirte) und deren soziale Beziehungen setzte, lokale Beziehungen im weiteren sozioökonomischen und geografischen Kontext sah oder historische Analysen durchführte, um die gegenwärtige Situation zu verstehen. Dabei blieb es meist bei einzelnen empirischen Fallstudien, die sowohl die gesamtgesellschaftlichen als auch die internationalen Zusammenhänge ausklammerten.24 Erst seit Mitte der 90er Jahre nahmen sich einige wenige Autoren dieses Themas wieder an und es entstanden Policy-Studien, die sich mit der Umweltpolitik in unterschiedlichen Entwicklungsländern auseinandersetzen. In der Regel bleiben aber auch sie unzureichend methodisch und theoretisch fundiert.25

Die Defizite der bisherigen Analysen liegen in mangelhaftem Aufzeigen von Interessenstrukturen und in der fehlenden Erklärung der Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen und damit in der Vernachlässigung der unterschiedlichen Akteure. Das Zusammenspiel zwischen strukturellen Handlungsbedingungen, institutionellen Arrangements und Handeln interner und externer Akteure, die in der Entwicklungspolitik umweltpolitisch agieren, wurde bisher noch nicht hinreichend analysiert. Forschungsbedarf26 besteht daher im Hinblick auf die Frage, welche Rolle Akteure und bestimmte Interessenkonstellationen bei der umweltpolitischen Zielund Programmformulierung spielen und welche Auswirkung dies auf die Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik hat. Ist ökologischer Wandel im Sinne einer Verbesserung der Umweltqualität vom politisch-institutionellen System, der politischen Kultur und den partizipatorischen Handlungsspielräumen abhängig, oder ist er vielmehr als Resultat von Wirtschaftsleistung und Modernisierungskapazität zu verstehen?

22

Vgl. Prittwitz 1990: 198-201.

23

Siehe hierzu Johnson/Blake 1980 und Hartje 1982.

24

Vgl. Bruckmeier 1994: 113f.

25

Siehe hierzu Bruckmeier 1994; Shams 1994; Jänicke/Weidner 1997.

26

Hier in Anlehnung an Michael Strübel 1992: 25f. 15

1.3

Ziel der Arbeit und Fragestellung

Aufgabe dieser Arbeit ist es, in Anlehnung an die Policy-Forschung den Prozess der Etablierung und der Entwicklung der Umweltpolitik als neues Politikfeld im nationalen Kontext eines ausgewählten Entwicklungslandes zu rekonstruieren und zu analysieren. Zuvor sollen die einzelnen Einflussfaktoren, die den Prozess der Institutionalisierung, Politikformulierung und Implementierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern determinieren, identifiziert und als Hypothesen in einen erklärenden Zusammenhang gestellt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wann und unter welchen Bedingungen die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen steigt, so dass die umweltpolitische Programmformulierung präziser und die Implementierung von Umweltpolitik wahrscheinlicher wird. Wichtige Voraussetzung für zielorientiertes umweltpolitisches Handeln scheint daher ein Wandel der Strukturen der Interessenvermittlung innerhalb und außerhalb des politisch-administrativen Systems, der den Einfluss jener Akteure in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen erhöht, die sich für Umweltschutzinteressen einsetzen. Analysiert wird auch die Entwicklung der Interaktion zwischen umweltpolitisch relevanten Akteuren und die sich daraus ergebenden Interessenkonstellationen und politischen Prozessformen vor dem Hintergrund der Entwicklung der Kontextvariablen, die als strukturelle Handlungsbedingungen Restriktionen und Chancen für umweltpolitisches Handeln bieten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die unterschiedlichen Einflussfaktoren, die Umweltpolitik in Entwicklungsländern determinieren, zu identifizieren und umweltpolitische Prozessabläufe an einem Fallbeispiel zu rekonstruieren, um so den Einfluss verschiedener Faktoren einschätzen zu können. Damit soll ein Beitrag zur umweltpolitischen Theoriebildung geleistet werden.

Bei dieser komplexen Fragestellung erscheint es aus forschungsökonomischen Gründen sinnvoll, sich auf ein Fallbeispiel zu beschränken, um die aufgestellten Hypothesen zur Umweltpolitik in Entwicklungsländern zu überprüfen und falls notwendig zu modifizieren. Der Schwerpunkt auf die Umweltproblematik im Nahen Osten bezogener sozialwissenschaftlicher Forschung lag bisher auf der grenzüberschreitenden Wasserproblematik und der Analyse des zwischenstaatlichen Konfliktpotenzials sowie Möglichkeiten regionaler Kooperation.27 Studien, die sich mit umweltpolitischen Fragen im nationalen Kontext auseinandersetzen, gibt es kaum und konzentrieren sich auf die Analyse einzelner Akteure.28 Angesichts der regionalen und internationalen Bedeutung nationaler Umweltpolitik zur Lösung grenzüberschreitender Umweltprobleme in dieser Region, scheint es sinnvoll, sich mit umweltpolitischen Prozessen innerhalb nah27

Siehe hierzu z.B. Lowi 1993.

28

Siehe hierzu z.B. Vogg 1995, der eine Untersuchung über die ägyptischen „Grünen“ als erster Umweltpartei im Nahen Osten durchgeführt hat. 16

östlicher Staaten zu beschäftigen. Als Fallbeispiel wurde Jordanien gewählt, da es als ein Land mit sehr knappen natürlichen Ressourcen, die zudem einem hohen Bevölkerungsdruck ausgesetzt sind, mit einer wachsenden Umweltbelastung im ländlichen und städtisch-industriellen Raum zu kämpfen hat. Der Schutz der Umwelt und die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen erweist sich daher langfristig als entscheidende Voraussetzung für die künftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. Darüber hinaus ist die jordanische Umweltpolitik im regionalen Kontext von Bedeutung, da das Land mit seinen Nachbarstaaten wichtige natürliche Ressourcen teilt. Mit Israel, Libanon und Syrien nutzt Jordanien das Wasser des Jordans und des Yarmouks, mit Saudi-Arabien das Grundwasservorkommen des Disi-Aquifers. Eine effektive nationale Umweltpolitik ist daher nicht nur Voraussetzung zur Lösung lokaler, sondern auch regionaler Umweltprobleme.29

In der vorliegenden Arbeit soll die Entwicklung der nationalen Umweltpolitik in Jordanien über den Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte untersucht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Analyse der Institutionalisierung der Umweltpolitik und der umweltpolitischen Programmformulierung. Mit in die Untersuchung einbezogen wird aber auch die Implementierung der Umweltpolitik, um Hindernisse bei der Durchsetzung von Umweltgesetzen und Umsetzung umweltpolitischer Programme zu identifizieren. Im einzelnen soll untersucht werden, ob und wie sich sozioökonomische und politisch-institutionelle Rahmenbedingungen, Umweltwissen, Umweltbewusstsein und umweltpolitische Kapazitäten im Laufe der Zeit verändert und sich auf das Handeln umweltpolitischer Akteure ausgewirkt haben. Der Frage, inwiefern Umweltschutzaspekte in andere Politikfelder und nationale Entwicklungspläne integriert werden, soll ebenfalls nachgegangen werden. Den nationalen und ausländischen Akteuren im umweltpolitischen Handlungsfeld, ihrer Rolle und Funktion bei der Formulierung der Umweltpolitik und der Entwicklung ihres Einflusses auf umweltpolitische Entscheidungsprozesse soll besondere Beachtung geschenkt werden. Dabei spielt die Entwicklung der Interaktion zwischen den umweltpolitisch relevanten Akteuren sowohl im Hinblick auf ökologische die Bündnis- und Strategiefähigkeit als auch bezüglich der Einbindung anderer politischer Ressorts und Zielgruppen von Umweltpolitik in umweltpolitische Netzwerke eine wichtige Rolle.

29

Siehe hierzu näheres im Kapitel 4.1.2.3. 17

1.4

Methodik

Die Hauptfunktion einer Fallstudie liegt darin, durch systematische Materialsammlung, neue Erkenntnisse über ein Phänomen zu gewinnen und zuvor aufgestellte Hypothesen zu überprüfen. Die Vorteile dieser Methode sieht Josef Schmid in der ganzheitlichen Betrachtung der zu erforschenden Einheit und in der Flexibilität des Verfahrens. Der Nachteil der Fallstudien liegt darin, dass die Daten durch Feldforschung vor Ort gewonnen werden und nur eingeschränkt generalisierbar sind, weil weder die Vergleichbarkeit der Variablen noch die Kontrolle über Randbedingungen vollständig gewährleistet werden können.30 Bei einer Fallstudie können unterschiedliche Methoden kombiniert werden, um auf verschiedenen Wegen detailliertes Wissen über den Forschungsgegenstand zu gewinnen. Zur Analyse der allgemeinen sozioökonomischen, politischinstitutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen in Jordanien konnte auf Sekundärliteratur zurückgegriffen werden. Die Sekundäranalyse bot sich also zur Untersuchung der für die Umweltpolitik wichtigen Bestimmungsgrößen wie der Entwicklung der ökologischen Problemlage31, der wirtschaftlichen Entwicklung und des Demokratisierungsprozesses an. Für die Beantwortung konkreter umweltpolitischer Forschungsfragen zu den umweltpolitisch relevanten Akteuren, ihren Strategien und ihrem Einfluss bei der Formulierung von Umweltgesetzen und Umweltprogrammen sowie zur Institutionalisierung und zu den Ergebnissen nationaler Umweltpolitik lag keine Sekundärliteratur vor. Als Erhebungsmethoden zur Gewinnung dieser Primärdaten wurde die Dokumentenanalyse, Akteursinterviews anhand eines teil-standardisierten Fragebogens und Experteninterviews in Form von nicht-standardisierten Leitfadeninterviews während eines fünfmonatigen Feldforschungsaufenthalts in Jordanien von August bis Dezember 1999 angewandt.

Von besonderer Bedeutung für das Forschungsvorhaben waren Dokumente, um Einzelheiten über die Ziele, Strategien und Instrumente der jordanischen Umweltpolitik zu erfahren. Darüber hinaus konnten sie Auskunft über die Integration umweltpolitischer Fragen in andere Politikfelder und die allgemeine Entwicklungsplanung geben. Die wichtigsten Grundlagen hierfür waren Gesetzestexte, Umweltprogramme und die Fünf-Jahrespläne zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes. Da ein weiteres Forschungsinteresse darin lag, den Prozess der Formulierung umweltpolitischer Ziele und Strategien, damit verbundene Diskussionsabläufe sowie die Positionen der Akteure zu einzelnen Fragen eingehender studieren und nachvollziehen zu können, sollten Sitzungsprotokolle von Umweltausschüssen und Entwürfe zum Umweltrahmenge30

Vgl. Schmid 1995: 304.

31

Hier ist anzumerken, dass Statistiken und Zahlen zur ökologischen Problemlage oft nicht vorlagen oder widersprüchlich waren (z.B. zum Wasserproblem). 18

setz und zu den Umweltprogrammen als weitere Grundlage dienen.32 Auch Satzungen, Jahrespläne, Projektbeschreibungen und Projektlisten, Broschüren und sonstiges Material von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren wurden gesammelt. Ergänzend wurden Presseberichte gesichtet, insofern sie Aufschluss über umweltpolitische Sachverhalte geben konnten. Die gesammelten Dokumente wurden durch eine qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet.

Um mehr über die Ziele, Aktivitäten, Strategien und Ressourcen einzelner umweltpolitischer Akteure sowie deren Rolle und Einfluss bei der Formulierung von Umweltgesetzen und programmen zu erfahren, wurden Akteursinterviews durchgeführt. Da genügend Kenntnisse über das Forschungsgebiet vorlagen, konnten diese Interviews anhand eines teil-standardisierten Fragebogens mit überwiegend geschlossenen Fragen durchgeführt werden. Vorteil dieser Methode ist, dass sie im Vergleich zu nicht-standardisierten Leitfadeninterviews zeitsparend ist, und die erhobenen Daten einfacher verglichen werden können. Doch zuvor mussten die umweltpolitisch relevanten Akteure identifiziert werden. Hier waren Dokumente und Informationsgespräche mit ausländischen und jordanischen Umweltexperten von großer Hilfe. Bei den zu untersuchenden Einheiten handelte es sich um Organisationen und Institutionen, die in Jordanien umweltpolitisch agieren. Die zu untersuchenden umweltpolitischen Akteure wurden in Anlehnung an die vorhergehenden theoretischen Überlegungen in vier Gruppen eingeteilt:

(1) Gruppe 1: Träger von Umweltbelangen: –

Staatliche Institutionen, semi- und nichtstaatliche Organisationen, deren Hauptmandat der Umwelt- und Ressourcenschutz ist. (a) Staatliche Umweltbehörde (b) Umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen (c) Semistaatliche Umwelt-Forschungsinstitute

32

Allerdings erwies sich die Recherche nach diesen Materialien als nicht ganz unproblematisch. Denn aufschlussreiche Protokolle und Entwürfe waren teilweise nur in geringem Umfang vorhanden, wenig informativ oder erst gar nicht zugänglich. Selbst die jordanischen Koordinatoren der Umweltprogramme gaben an, sie hätten keine Protokolle zu deren Entstehungsprozess. Dies liegt in erster Linie daran, dass in arabischen Ländern der schriftlichen Fixierung von Entscheidungsprozessen wenig Bedeutung beigemessen wird, da das mündliche Wort mehr zählt und die Organisation der Archivierung in staatlichen Behörden vom Standard westlicher Länder weit entfernt ist. Eine weitere Erklärung hierfür könnte sein, die immer noch verbreitete Einstellung „Wissen ist Macht“, die dazu führt, dass Informationen nicht gerne weitergegeben werden. Ich denke jedoch, dass letztere Überlegung bei der Herausgabe von Dokumenten in meinem Fall kaum eine Rolle spielte, da ich als außenstehende Europäerin nicht als „Konkurrentin“ gesehen wurde. In einigen Fällen erwies sich eine Menge Geduld, ständiges Nachfragen oder das Angebot des Austausches von Dokumenten oder wichtigen Informationen, als erfolgreich. In anderen Fällen hingegen wurde der Zugang zu Dokumenten, wie den Sitzungsprotokollen des Council for Environment Protection oder Budget-Dokumente, auch nach wiederholter Nachfrage verwehrt. 19

(2) Gruppe 2: Staatliche Institutionen, die im Umweltbereich aktiv sind: –

Ministerien und Behörden, die im Nationalen Umweltrat CEP vertreten sind (a) Ministerien und nationale Behörden (b) Regionale und lokale Behörden

(3) Gruppe 3: Zielgruppen von Umweltpolitik: –

Interessenvertretungen und Unternehmen, deren Aktivitäten Einfluss auf die Umwelt haben und die als Akteure an der Formulierung nationaler Umweltprogramme beteiligt waren. (a) Interessenvertretungen der Industrie und der Landwirte (b) Unternehmen

(4) Gruppe 4: Geberorganisationen, die im Umweltbereich aktiv sind: – Geberorganisationen, die in Jordanien ein Büro haben und Umweltaspekte in ihre Arbeit vor Ort integriert haben.33 (a) Bilaterale Geberorganisationen (b) Multilaterale Geberorganisationen Weitere umweltpolitisch relevante Akteure wurden als zweitrangig in ihrer Bedeutung für die Umweltpolitik in Jordanien eingestuft und daher nicht befragt, sondern nur am Rande berücksichtigt. Hierzu zählen die politischen Parteien in Jordanien, die bisher kaum Umweltaspekte in ihre Parteiprogramme integriert haben. Die Medien, von denen vor allem einige Printmedien wie die englischsprachige unabhängige Tageszeitung „Jordan Times“ regelmäßig über Umweltthemen berichten. Eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, deren Arbeitsschwerpunkte im sozialen Bereich, z.B. Frauenförderung oder Armutsbekämpfung, liegen, haben seit der zweiten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen im Sinne des Konzepts „sustainable development“ ökologische Aspekte in ihren Projekten verstärkt berücksichtigt und in ihre Arbeit integriert.

Insgesamt wurden 56 so genannte Akteursinterviews mit Vertretern staatlicher Institutionen, semi- und nichtstaatlicher Einrichtungen, Organisationen, Interessenvertretungen und Unternehmen geführt.34 Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte durch die Bestimmung derjenigen Personen, bei denen aufgrund theoretischer Vorüberlegungen die Repräsentativität für die je33

Mit dem Kriterium „Büro vor Ort“ sollte gewährleistet werden, dass es sich um Geberorganisationen handelt, die über einen längeren Zeitraum Programme und Projekte in Jordanien durchführen.

34

Die Interviews anhand eines teil-standardisierten Fragebogens mit vorwiegend geschlossenen Fragen zu führen, erwies sich als sehr sinnvoll. In allen ausgewählten Institutionen und Organisationen konnte die Befragung durchgeführt werden, bis auf das Innenministerium, wo selbst nach mehrmaligem Nachhaken keine Bereitschaft

20

weilige Organisation bzw. Institution gewährleistet war.35 Um die Gesprächspartner zu identifizieren, wurde die so genannte Positionstechnik36 angewandt, die sich bei ihrer Auswahl nur an der formalen Position der Befragten innerhalb der Organisation orientiert. Die schriftliche und/oder telefonische Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Interviewpartnern, bei der das Forschungsvorhaben kurz vorgestellt wurde, sollte zur Gesprächsteilnahme motivieren. In den vier Akteursgruppen wurden Interviewpartner mit unterschiedlichen Positionen in der jeweiligen Untersuchungseinheit bestimmt. In den ausgewählten umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, Forschungsinstituten und Geberorganisationen wurden die Leiter der jeweiligen Einrichtung oder deren Vertreter befragt. In Ministerien und Behörden wurden unterschiedliche Personen interviewt. Ging es um die Entwicklung des Stellenwerts von Umweltbelangen und deren Integration in die Politik des Ministeriums bzw. der Behörde oder um die Funktion der Einrichtung bei der Formulierung der Umweltpolitik, wurde in der Regel der Generalsekretär (Position direkt unter dem Minister) befragt. Über Einzelheiten umweltpolitischer Ziele und Aktivitäten sowie verfügbare Ressourcen konnten meist nur die Leiter der Abteilungen, die sich mit Umweltfragen beschäftigten, Auskunft geben. Oft mussten Angestellte verschiedener Abteilungen befragt werden, um adäquate Antworten zu bekommen. In Interessenvertretungen und Unternehmen wurden entweder die Leiter der Umweltabteilungen oder die Umweltbeauftragten befragt. Nach einem knappen Pretest wurde der Fragebogen geringfügig gekürzt und einige Fragen umformuliert. Die Auswertung der gewonnenen Daten erfolgte überwiegend quantitativ mit Hilfe deskriptiver Statistik.

Experteninterviews sollten zum einen eventuelles Fehlen von Dokumenten kompensieren und zum anderen helfen, bereits verfügbare Informationen zu vertiefen und besser zu interpretieren. Sie waren notwendig, um wichtige „Insider“-Informationen insbesondere zu umweltpolitischen Entscheidungsprozessen zu erhalten, die aus den untersuchten Dokumenten nicht hervorgingen.

für ein Interview bestand. Die Befragten nahmen sich in der Regel Zeit, die Fragen in eineinhalb bis zu zwei Stunden zu beantworten und zeigten kaum Ermüdungserscheinungen. 35

Vgl. Schmid 1995: 312. "Ein Dilemma der Soziologie (und der Politikwissenschaft) besteht darin, daß ihre Einheiten zwar überpersonale Einheiten sind, daß diese sich aber immer aus Personen zusammensetzen und Auskünfte über diese Einheiten letztlich immer nur über Personen eingeholt werden können"; dies schließt "natürlich Auswahlprobleme der in diesen Systemen untersuchten Personen ein" (Alemann 1977: 179).

36

Gegenüber anderen Techniken hat die Positionstechnik den Vorteil, äußerst einfach zu sein, insofern ausreichende Informationen über den Aufbau der Untersuchungseinheiten vorliegen. Paul Drewe nennt auch noch zwei andere Vorgehensweisen, die Reputations- und die Entscheidungstechnik. Bei der Reputationstechnik erfährt man durch eine repräsentative Befragung von Experten mehr über die Einflussverteilung innerhalb der Untersuchungseinheit, wobei die Reputation einziges Kriterium ist. Die Entscheidungstechnik geht davon aus, dass derjenige einflussreich ist, der erfolgreich an einem konkreten Entscheidungsprozess teilgenommen hat. Beide Verfahren sind relativ aufwendig und stützen sich nur auf ein Kriterium, um die Einflussstrukturen innerhalb der Untersuchungseinheit herauszufinden und dann die einflussreichsten Akteure zu identifizieren (vgl. Drewe 1974: 162ff). 21

Gleichzeitig sollte deren Antworten mit den Aussagen der befragten Akteure verglichen werden, um so entweder Sachverhalte zu bestätigen oder eine andere Sichtweise zu erhalten. Die Befragung der umweltpolitischen Experten erfolgte in Form eines nicht-standardisierten Intensivinterviews mit ausschließlich offenen Fragen. Bei der Auswahl der Experten wurden folgende Kriterien angelegt. Die Experten sollten Repräsentanten in leitenden Positionen nationaler staatlicher Institutionen, nichtstaatlicher Organisationen oder von Geberorganisationen sein, die schon möglichst lange Zeit in der Umweltpolitik in Jordanien aktiv gewesen sind. Mit Hilfe der verfügbaren Dokumente konnten Umweltexperten identifiziert und nach den oben genannten Kriterien ausgewählt werden. Darüber hinaus wurde das so genannte „Schneeballprinzip“ angewandt, bei dem ein Befragter weitere potenzielle Interviewpartner nennt. Insgesamt wurden mit elf Experten aus unterschiedlichen Organisationen Gespräche geführt.37 Die aufgenommenen Interviews wurden anschließend transkribiert, kategorisiert und die so gewonnenen Daten qualitativ interpretiert.

1.5

Gang der Untersuchung

Als Analyseraster für die Untersuchung zur Entstehung und Entwicklung der Umweltpolitik in Entwicklungsländern soll die Politikfeldanalyse dienen, da sie ein geeigneter Ansatz zur Analyse von unterschiedlichen Politikfeldern scheint, insbesondere wenn sie mit herkömmlichen sozialwissenschaftlichen Theorieansätzen kombiniert wird. Sie bietet die Möglichkeit, die drei für die Umweltpolitik ausschlaggebenden Politikdimensionen policy, politics und polity mit einander in Beziehung zu setzen, indem sie davon ausgeht, dass sich gezieltes umweltpolitisches Handeln im Spannungsfeld von Interessen und Machtlagen unterschiedlicher Akteure als ungesteuerter Prozess in einem gegebenen institutionellen Rahmen, der selbst als Politikausprägung verstanden werden kann, vollzieht. Im zweiten Teil der Arbeit wird daher auf die Entwicklungsgeschichte, Grundbegriffe und theoretische Ansätze der Politikfeldanalyse eingegangen, die dann mit Ansätzen aus der traditionellen Politikwissenschaft verknüpft werden. Im Mittelpunkt steht dabei der gut ausbaufähige politisch-institutionelle Ansatz, der um Variablen des sozioökonomischen Ansatzes und aus der Theorie organisierter Interessen erweitert wird. Anschließend werden anhand des aufgestellten Analyserasters die theoretischen Grundlagen umweltpoli-

37

Die Interviews dauerten bis zu zwei Stunden und wurden mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet. Einige Experten wurden mehrmals konsultiert. Die offene Befragung, die keine Antwortmöglichkeiten vorgab, erwies sich als vorteilhaft, da nicht nur der Antwortspielraum des Befragten erweitert wurde und er „frei“ Stellung beziehen konnte, sondern auch auf interessante Bemerkungen flexibel mit neuen Fragen reagiert werden konnte. Manche Interviewpartner neigten allerdings zu allzu langen Ausführungen und mussten dann darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie nicht zu sehr abschweifen und sich näher an den Fragen orientieren sollten. 22

tischen Handelns erörtert. Dabei wird unterschieden zwischen zielorientierter Umweltpolitik, die bestimmten Erfolgs- und Wirkungskriterien unterliegt und sich in unterschiedliche Handlungstypen und Instrumente einteilen lässt, und Umweltpolitik als soziopolitischen Prozess, bei dem die umweltpolitisch relevanten Rahmenbedingungen, die umweltpolitischen Interessen und ihre Träger und die Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung eine wichtige Rolle spielen. Abschießend werden die wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung und Entwicklung von Umweltpolitik nochmals zusammenfassend dargestellt.

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Vorüberlegungen soll im dritten Teil der Arbeit die Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln und ungesteuerter soziopolitischer Prozess in Entwicklungsländern analysiert werden. Zu Beginn wird kurz auf die Globalisierung der Umweltpolitik eingegangen, bevor die Entwicklung von umweltpolitischen Handlungskonzepten, Strategien und Instrumenten in der Entwicklungspolitik im Rahmen zielorientierten umweltpolitischen Handelns in Entwicklungsländern dargestellt wird. Danach wird die Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess unter Berücksichtigung spezifischer Rahmenbedingungen, Akteurs- und Interessenkonstellationen in Entwicklungsländern analysiert. Abschließend werden Hypothesen über die theoretischen Zusammenhänge zwischen umweltpolitisch relevanten Rahmenbedingungen, dem Handeln umweltpolitischer Akteure und den Auswirkungen auf Institutionalisierung, Inhalte und Implementierung von Umweltpolitik aufgestellt.

Im darauf folgenden vierten Teil der Arbeit werden die aufgestellten Hypothesen dann am Fallbeispiel Jordanien überprüft. Die Etablierung einer nationalen Umweltpolitik als neues Politikfeld in Jordanien und die Entwicklung umweltpolitischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse während der 80er und 90er Jahre werden unter Berücksichtigung der im theoretischen Teil erarbeiteten Einflussfaktoren eingehend analysiert. Hierzu gehören die umweltpolitisch relevanten Rahmenbedingungen, der Wandel der Strukturen gesellschaftlicher und politischer Interessenvermittlung sowie die Entwicklung organisatorischer und institutioneller Kapazitäten im Bereich Umweltpolitik. Die Darstellung der Umweltpolitik in Jordanien erfolgt prozessorientiert und ganzheitlich. Die Anfänge jordanischer Umweltpolitik liegen in den frühen 80er Jahren, als die ersten Träger von Umweltbelangen geschaffen wurden und es zu ersten Ansätzen zur Entwicklung umweltpolitischer Gesetze kam. Im Zuge der UNCED schreitet seit Anfang der 90er Jahre die Institutionalisierung der Umweltpolitik in Jordanien im staatlichen, semi- und nichtstaatlichen Bereich fort, werden Umweltaspekte in andere Politikfelder integriert, umfassende umweltpolitische Gesetze und Programme verabschiedet und mehr Umweltschutzprojekte implementiert. Zum einen wird die Entwicklung der umweltpolitisch relevanten Rahmenbedin23

gungen in Form von sozioökonomischen, soziokulturellen und informationell-kognitiven sowie politisch-institutionellen Rahmenbedingungen nachgezeichnet. Zum anderen werden der Wandel der Akteurskonfigurationen und Interessenkonstellationen, die Entwicklung von Kapazitäten, Strategien und Aktivitäten umweltpolitischer Akteure sowie ihre Rolle bei der Erstellung von umweltpolitischen Gesetzen und Programmen auf nationaler und subnationaler Ebene untersucht. Und schließlich die Entwicklung der Politikergebnisse in Form der verabschiedeten Gesetze und Programme dargestellt und auf Erfolge und Probleme bei deren Implementierung eingegangen. Abschließend werden unter Bezugnahme auf den theoretischen Teil und die zuvor aufgestellten Thesen Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen bestimmten umweltpolitisch relevanten strukturellen Handlungsbedingungen, Akteuren und ihren umweltpolitischen Kapazitäten, Interessenkonstellationen und Strategien einerseits und institutionelle Veränderungen und Politikinhalte im Umweltbereich andererseits gezogen.

24

2.

Theoretische Grundlagen

2.1

Politikfeldanalyse und Policy-Forschung als Analyseraster

2.1.1

Grundlegende theoretische Ansätze und Forschungsinhalte

Die „Policy Sciences“38 wurden in den 50er Jahren in den USA entwickelt und sollten nach der Vorstellung ihrer Väter Harold D. Lasswell und Daniel Lerner der Zersplitterung wissenschaftlichen Denkens entgegenwirken und sich theoretisch fundiert und interdisziplinär wieder grundlegenden Problemen des Menschen in der Gesellschaft zuwenden. Dabei sollten sie sich verstärkt mit der Analyse des sozialen Wandels auseinandersetzen.39 In Abgrenzung zur traditionellen Politikwissenschaft, die vorrangig politische Rahmenbedingungen analysierte und inputorientiert war, wandten sich die Policy Sciences von den bis dahin dominierenden Institutions- und Prozessanalysen ab und rückten Politikinhalte, also die Ergebnisse politischer Entscheidungsprozesse in den Mittelpunkt des analytischen Forschungsinteresses.40 In seiner klassischen Definition der Policy-Analyse fasst Thomas R. Dye den Begriff wie folgt auf: „Policy-analysis is finding out what governments do, why they do it, and what difference it makes.“41 Die PolicyAnalyse beschäftigt sich demnach mit den materiellen und inhaltlichen Aspekten von Politik im Sinne staatlichen und öffentlichen Handelns bzw. Nicht-Handelns („public policy“) von Regierungen und anderen staatlichen Institutionen in Form gesellschaftlich verbindlicher gesetzlicher Regulierungen als Eingriff in Verteilungsoptionen gesellschaftlicher Gruppen und Individuen sowie den Folgen dieser Entscheidungen.42

Ziel der Policy-Forschung ist es, Erkenntnisse über Entstehung, Bedingungen und Entwicklung von Policies43, also den Inhalt des politischen Outputs, zu gewinnen und damit zu erklären, wie und warum bestimmte Ergebnisse zustande kommen44. Dafür ist die Auseinandersetzung mit konkreten Politikbereichen, auch Politikfelder genannt45, als gesellschaftlichen Problembereichen öffentlichen, zielorientierten Handelns notwendig.

38

"Policy sciences are concerned with knowledge of and in the decision processes of public and civic order", Lasswell 1968: 22.

39

Vgl. Windhoff-Héritier 1987: 10.

40

Vgl. Hesse 1985: 34; Bandemer 1989: 296.

41

Dye 1976.

42

Vgl. Schmidt 1995: 567f; Czada 1989: 275.

43

Vgl. Lasswell 1968: 1.

44

Vgl. Bandemer 1989: 292.

45

Daher wird die Policy-Analyse ins Deutsche mit Politikfeldanalyse übersetzt (vgl. Schubert 1991). 25

Die einzelnen Forschungsansätze der Policy-Analyse haben verschiedene Abstraktionsniveaus, reichen von historisch-genetisch bis funktionalistisch und schließen einander nicht aus.46 Im Wesentlichen wird zwischen zwei grundlegenden theoretischen Ansätzen unterschieden, den strukturfunktionalistischen und dem handlungs- und steuerungstheoretischen Ansatz. Diese beiden verschiedenen Beiträge zur Policy-Forschug unterscheiden in erster Linie hinsichtlich der Spielräume und der Steuerung des Verhaltens, aber insbesondere auch hinsichtlich der Wahlentscheidungen der individuellen und korporativen Akteure.

Auf der Grundlage systemtheoretischer Überlegungen und unter Verwendung des Input-OutputModells von David Easton analysiert der struktur-funktionalistische Ansatz die Wechselwirkung zwischen politischem System und seiner sozioökonomischen Systemumwelt. Dabei wird kontrovers diskutiert, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß das politische System auf systemexterne Signale reagiert47 sowie der Frage nachgegangen, ob „Policy“ als Ergebnis ausgetragener Konflikte zwischen gesellschaftlichen Akteuren zu betrachten ist, oder eher durch die Eigeninteressen der Politik bestimmt wird. Die funktionalistische Policy-Analyse versucht, mit Hilfe einer dynamischen und prozessorientierten Sicht von Politiken Veränderungen von Politikinhalten zu erklären. Im Mittelpunkt der Analyse stehen verschiedene Phasenmodelle mit unterschiedlicher Phaseneinteilung, aber verbindlicher Zeitabfolge.

Als wichtigstes Modell hat sich der Policy-Zyklus48, der in die aufeinander folgenden Phasen Politikinitiierung, Politikdurchführung und Politikbeendigung eingeteilt wird, durchgesetzt. Zu Beginn des mit Hilfe des Policy-Zyklus abgebildeten politischen Prozesses steht die Problemdefinition. Damit ein Thema in die Arena der politischen Entscheidung gelangt, muss es erst einmal als Forderung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen als „policy-issue“ formuliert werden und anschließend bei der Agenda-Gestaltung als relevant eingestuft werden. Erst dann kommt es zur Politikformulierung, die von Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozessen zwischen den am Entscheidungsprozess beteiligten Akteuren geprägt ist. Nachdem eine politischadministrativ verbindliche Entscheidung über die Maßnahmen zur Lösung des Problems getroffen wurde, werden diese umgesetzt bzw. implementiert. Der Policy-Zyklus endet mit der PolitikTerminierung oder der Neuformulierung des politischen Programms.49

46

Vgl. Beyme 1985: 15.

47

Vgl. Schmidt 1995: 576.

48

Siehe Policy-Zyklus bei Werner Jann 1981: 34.

49

Das fehlende Glied in dem analytischen Ansatz des Policy-Zyklus ist die von David Easton (1964) aufgezeigte „Feedback-Loop“ (vgl. hierzu Windhoff-Héritier 1987: 64-114). 26

Die Kritik am struktur-funktionalistischen Ansatz richtet sich vor allem gegen das starre Phasenkonzept des „Policy-Zyklus“50 und die systemtheroretische Sichtweise des strukturfunktionalistischen Ansatzes, die den in ihren Rollen im System verhafteten Akteuren nur begrenzte Handlungsfreiheiten zugestehen. Handlungstheoretische Ansätze hingegen betonen vielmehr die Wahlfreiheiten der Akteure in ihren Handlungsweisen. Im Vergleich zu den strukturell-funktionalistischen Ansätzen, die die klareren theoretischen Modelle haben, sind die handlungs- und steuerungstheoretischen Ansätze weniger theoretisch ausgerichtet, zeichnen sich aber dafür durch Praxisnähe aus. Damit können sie mehr auf die Inhalte einer bestimmten Politik bezogen werden, insofern diese durch die Handlungen der am politischen Prozess beteiligten Akteure zustande kommen. Im Mittelpunkt der handlungs- und steuerungstheoretischen Ansätze51 stehen interessengeleitete Handlungen, Handlungsbedingungen und Handlungsrationalitäten der politischen Akteure im zu untersuchenden Politikfeld. Neben soziologischen Kriterien wie das auf andere Akteure gerichtete Verhalten sind auch ökonomische Kategorien, vor allem Kosten-Nutzenkalküle, von Bedeutung.52 Derzeit dominieren handlungs- bzw. steuerungstheoretische Ansätze53 den wissenschaftlichen Diskurs. Die struktur-funktionalistische Perspektive spielt weiterhin als analytischer Bezugsrahmen noch eine Rolle, aber ist nicht mehr forschungsleitend. Allerdings ist die Analyse der Erwartungen und Handlungen, der am politischen Prozess beteiligten Akteure eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung zur Erklärung von Po-

50

Bereits 1963 wandten sich Charles E. Lindblom und Edward J. Woodhouse gegen diese vereinfachte lineare Darstellungsweise und charakterisierten "Policy-making" als "a complexy interactive process without beginning and end", Lindblom/Woodhouse 31993: 11.

51

Klaus Schubert weist darauf hin, dass eine eindeutige Abgrenzung zwischen handlungs- und steuerungstheoretischen Ansätzen nicht möglich ist. Vielmehr geht es um die Frage der Schwerpunktsetzung, die sich insofern unterscheidet, als bei steuerungstheoretischen Ansätzen das ziel- und zweckorientierte Kalkül als Antrieb einer Handlung deutlicher im Vordergrund steht (vgl. Schubert 1991: 37).

52

Vgl. hierzu Schubert 1991: 34f.

53

Die Unterscheidung zwischen beiden Theoriesträngen ist nicht leicht und zudem in der Forschungspraxis nicht besonders relevant. Beide Forschungsansätze stellen keine völlig konträren Erklärungsversuche dar, sondern ergänzen eher einander, da nicht nur Inhalte und Handlungen der beteiligten Akteure, sondern auch strukturelle Systemelemente für die Analyse politischer Prozesse wichtig sind. Das theoretisch durchdachte policy-arenaModell von Theodore J. Lowi kann den engen Zusammenhang zwischen funktionalistischen und handlungsund steuerungstheoretischen Ansätzen verdeutlichen. In diesem Modell wird die gesamte Vielfalt und Komplexität politischer Prozesse in der Phase des politischen Entscheidungsprozesses erfasst und Politikarenen mit unterschiedlichen Konflikt- und Konsensusprozessen analytisch voneinander abgegrenzt. Lowi geht zum einen davon aus, dass "policies determine politics" (Lowi 1972: 299), d.h. der Politikinhalt hat Einfluss auf deren Gestaltungsprozess. Zum anderen nimmt er an, dass die von den Betroffenen antizipierten Wirkungen einer Politik (Grundtypen: distributiv, redistributiv, regulativ, sozialregulativ/systemerhaltend (vgl. auch Lowi 1972: 300)) auf den politischen Entscheidungs- und Durchführungssprozess einwirken. Damit richtet er sich kritisch gegen das funktionalistische Systemmodell Eastons, das das politische System als "black box" betrachtet. So sind es die von den betroffenen Akteuren erwarteten Kosten bzw. Nutzen einer bestimmten Politik, die die Politikarena und damit den politischen Prozessverlauf bestimmen (vgl. Windhoff-Héritier 1987: 48). Je nach Politikarena laufen die Entscheidungsfindungsprozesse entweder eher konsensual oder konfliktreich ab. 27

licy-Ergebnissen. Vielmehr sind und werden neuerdings auch der Einfluss struktureller und institutioneller Bedingungen in die Analyse mit einbezogen.54

2.1.2

Die Verknüpfung der drei Politikdimensionen

Die Vielfalt des Politischen wird in dem mehrdimensionalen Politikbegriff ausgedrückt und wurde von der deutschen Politikwissenschaft über die Auseinandersetzung mit der PolicyForschung aufgenommen. Politik wird als Problemverarbeitungs- und Problemlösungsprozess unter folgenden drei Dimensionen gesehen: - Die erste Dimension („Policy“) umfasst die inhaltlichen und materiellen Aspekte von Politik oder präziser von öffentlichem Handeln. Es geht darum, welche Probleme überhaupt wahrgenommen, artikuliert und vermittelt werden, welche Entscheidungen getroffen und welche Resultate erzielt werden. In einem gesteuerten Prozess werden verbindliche politische Entscheidungen (Gesetze, Programme, Strategien, Maßnahmen, Instrumente) über die Form der Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten getroffen, die das Ergebnis der formalen Verarbeitung des politischen Willensbildungsprozesses darstellen. - Die „Politics“-Dimension bezieht sich auf den ungesteuerten Prozess der politischen Willensbildung. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Konflikt- und Konsensstrategien innerhalb bestimmter Akteurskonstellationen, die den Prozess der Problemartikulation sowie den Verhandlungs- und Durchsetzungsprozess von Interessen beeinflussen. Die Wertorientierungen, Interessen, Absichten, Forderungen und Einflussmöglichkeiten individueller und korporativer politischer Akteure werden als Input-Dimension des Systems vor dem Hintergrund sozioökonomischer und kognitiver Voraussetzungen analysiert. - Auf der strukturellen Ebene, der institutionellen Politikdimension („Polity“), sind schließlich die institutionellen Rahmenbedingungen für öffentliches Handeln und damit normative, strukturelle, verfassungsmäßige Aspekte von Bedeutung. Thematisiert werden in diesem Zusammenhang die gegebene oder gewünschte politische Ordnung eines Systems, die jeweiligen Normsysteme, insbesondere die Verfassung, und andere (politische) Institutionen.

Da diese drei Aspekte von Politik in der Realität immer zusammenlaufen, wird von vielen Autoren deren Verklammerung gefordert55 und das Zusammenspiel der drei Dimensionen des Poli-

54

Vgl. Schubert 1991: 34ff.

55

Vgl. z.B. Prittwitz 1985: 202; Schmidt 1985; Scharpf 1985: 166. 28

tikbegriffes rückt in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses heutiger Politikfeldanalyse. So urteilt Manfred G. Schmidt: „Die beste Politologie ist diejenige, die Fragen der institutionellen Ordnung, der ideengeschichtlichen Grundlagen, der Konflikt-, Konsens- und Machterwerbsprozesse und der Substanz politischer Entscheidungen gleichermaßen berücksichtigt.(...) Eine Fülle von Studien zeigt, daß eine Policy-Forschung ohne ‚Politics’ und ‚Polity’ eine kurzatmige Angelegenheit wäre.“56 Die sich hieran anschließende Leitfrage lautet, wie und in welchem Ausmaß politische Strukturen und Institutionen (Polity) einerseits und prozessuale sozioökonomische Bestimmungsfaktoren (Politics) andererseits als unabhängige Variablen die Politikinhalte (Policies) als abhängige Variable bestimmen.57

Angesichts solcher Überlegungen zum Verhältnis zwischen zwei oder drei Variablen wandten sich einige Forscher gegen funktionalistische Policy-Ansätze und zwar nicht nur gegen den Policy-Zyklus, sondern auch gegen komplexere Arenaansätze, deren theoretische Erklärungen zu Politikprozessen aber dennoch zu vage bleiben. Während der Policy-Zyklus die Frage offen lässt, welche Kräfte den politischen Prozess antreiben, gehen die weiter entwickelten Arenaansätze zwar über einfache chronologische und hierarchische Beziehungen hinaus und mehr auf strukturelle Bedingungen von Politikprozessen ein, aber die systemische Erfassung von Verknüpfungen zwischen verschiedenen Ebenen und Teilarenen theoretisch zu fundieren, gelingt ihnen nicht.58 Neuere Ansätze versuchen daher die unterschiedlichen Politikdimensionen miteinander zu verbinden.59 Der ertragreichste Ansatz ist bisher das Advocacy-Coalitions-Modell von Paul A. Sabatier60, der ausgehend von der Kritik an der Phasenheuristik des Policy-Zyklus

56

Schmidt 1985: 139.

57

Vgl. z.B. Schubert 1991: 24; Bandemer 1989: 291f.

58

Vgl. Heinelt 1993: 317.

59

Einer dieser neuen Ansätze, der versucht, die Mängel im Bereich der Policy-Politics-Wechselwirkungen zu beheben, ist das theoretische Erklärungsmodell "Three Worlds Action" von L. Kiser und Elinor Ostrom (1982). Es verknüpft institutionalistische Betrachtungen über die Begrenzungen und Ermöglichung von Entscheidungen mit den Präferenzen und Ressourcen von Akteuren in Wahlhandlungen. Die Frage, warum einzelne Akteure bestimmte Alternativen auswählen und wie sie diese politisch durchsetzen, kann der Ansatz allerdings nicht beantworten (vgl. Heinelt 1993: 317 und 321). Somit bleiben Akteure und ihre Präferenzen situationsgebunden und können nur empirisch beantwortet werden.

60

Vgl. hierzu Sabatier 1986 und 1993. Innerhalb unterschiedlicher Subsysteme werden Akteure in einer Anzahl von Advocacy-Koalitionen (Meinungsführer-Koalitionen oder Policy-Eliten) aggregiert, die sich aus Personen aus verschiedenen Organisationen (gewählten Beamten, Politikern, Verwaltungsbeamten, Vorsitzenden von Interessengruppen, Wissenschaftlern) zusammensetzen. Innerhalb dieser Advocacy-Koalitionen koordinieren die vertretenen Akteure ihre Handlungen auf der Grundlage eines spezifischen „belief-system“, das ein Set gemeinsamer Wertvorstellungen, Kausalannahmen und Problemperzeptionen darstellt. Jede Koalition wendet Strategien an, deren Ziel eine oder mehrere institutionelle Innovationen sind, von denen angenommen wird, dass sie den von der Gruppe verfolgten Policy-Zielen förderlich sind. Zwischen den konfligierenden Strategien und Inte29

systematisch nach Variablengruppen aus allen drei Bereichen sucht. Es handelt sich um ein Kausalmodell, das den Policy-Wandel innerhalb von Subsystemen als Folge des policyLernens61 und externer Ereignisse mit einbezieht und damit in der Lage ist, den prozessualen Charakter der Politikgestaltung abzubilden.62

Die Tatsache, dass die Politikfeldanalyse über keine einheitliche anerkannte Theorie verfügt und ihre Methodenbasis nur ansatzweise entwickelt ist, wird oft als Schwäche ausgelegt. So kritisiert Joachim Jens Hesse, die Policy-Forschung „erscheint als eher unhistorische, primär im Kontext der amerikanischen Politikwissenschaft nachvollziehbare Untersuchungsrichtung, ohne eindeutigen theoretischen Fokus, in der empirisch-analytischen Ausrichtung der jeweiligen politischen Situation häufig funktionalistisch verbunden, in der methodischen Substanz begrenzt.“63 Ins Positive gewendet, bedeutet diese vermeintliche Schwäche, dass die Policy-Analyse offen ist für die konstruktive Kombination mit herkömmlichen politikwissenschaftlichen Ansätzen und durch die Verlagerung des Fokus auf die materiellen Inhalte von Politik durchaus zur Theoriebildung beitragen kann.64 Die weitgehende Beschränkung der neueren Policy-Forschung auf die Politikanalyse in westlichen Industrieländern ist ein weiteres Defizit. So hat sie zweifellos Wissen und Erkenntnisstand über Politik in westlichen Ländern erweitert, ist aber bezüglich der Forschung in den ehemaligen sozialistischen Ländern und vor allem in Entwicklungsländern noch sehr unterentwickelt und es besteht zudem ein erhebliches Manko an internationalen Vergleichen zwischen Industrieländern und Ländern der Dritten Welt. Darüber hinaus konzentrierte sich die Forschung bisher auf die einseitige Erklärung von Politikergebnissen durch innenpolitische Begebenheiten und vernachlässigte die internationalen Beziehungen und deren Einflüsse auf die untersuchten Staaten.65

ressen verschiedener Koalitionen vermittelt normalerweise eine dritte Gruppe von Akteuren, die so genannten „Policy-Vermittler“, und führt Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Akteursgruppen herbei (vgl. Sabatier 1993: 121). 61

Der Begriff des policy-orientierten Lernens beschreibt die relativ stabilen Veränderungen des Denkens oder der Verhaltensintentionen, die aus Erfahrungen resultieren und die sich mit der Realisierung oder Veränderung von Policy-Zielen befassen (vgl. Heclo 1974: 306).

62

Vgl. Sabatier 1993: 121-126.

63

Hesse 1985: 51.

64

Vgl. Beyme 1985: 22-24; Schmidt 1988: 27.

65

Vgl. Schmidt 1988: 17-26. 30

2.1.3

Der politisch-institutionelle Ansatz zur Erklärung gesellschaftlicher Interessenvermittlung

2.1.3.1 Der politisch-institutionelle Ansatz Angesichts der fehlenden einheitlichen Theorie der Politikfeldanalyse bietet es sich an, sie konstruktiv mit herkömmlichen sozialwissenschaftlichen Ansätzen zu kombinieren. In diesem Zusammenhang nennt Manfred G. Schmidt fünf bzw. sechs Schulen der Policy-Forschung, die sich vor allem nach Schlüsselbegriffen, ihrer Verwurzelung in der Ideengeschichte und hinsichtlich ihrer Vorstellung vom Verhältnis Staat und Gesellschaft unterscheiden.66 Zu diesen Theoriefamilien gehören die Theorie der Parteienherrschaft, die Implementationstheorie, die sozioökonomische und politisch-ökonomische Schule, die Theorie gesellschaftlich organisierter Interessen und schließlich der politisch-institutionelle Ansatz. Letzterer lässt sich gegenüber den anderen Schulen gut abgrenzen. Im Gegensatz zur sozioökonomischen Schule werden Akteure, Situationsdeutungen, Wahlfreiheiten und die Wahl von Entscheidungsalternativen unter der Bedingung begrenzter Rationalität hervorgehoben. Im Unterschied zu den reinen Akteurstheorien werden besonders die institutionellen Bedingungen in Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen betont, in die das strategische Handeln der individuellen und kollektiven Akteure in Politik und Ökonomie eingebettet ist, die restriktiv, aber auch Chancen eröffnend sein können. Gleichzeitig ist der Ansatz aber auch für andere Theorien gut anschlussfähig und im Hinblick auf Restriktionen und Ressourcen, die in der sozioökonomischen Theorie hervorgehoben werden sowie auf kollektive Akteure, die bei Ansätzen gesellschaftlicher Interessen und Machtressourcen eine wichtige Rolle spielen, ausbaufähig.67

Der politisch-institutionelle Ansatz stellt die institutionellen Arrangements, die die Staatstätigkeit prägen, in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Grundlegend ist die Annahme eines engen Zusammenhangs zwischen der Organisation und den Spielregeln des Willensbildungsund Entscheidungsprozesses einerseits und dem Handlungsspielraum, den Wahlmöglichkeiten und dem Inhalt der Staatstätigkeit andererseits.68 Institutionen werden dabei im Sinne von „set of rules“ und normativen „constraints“ als überpersonale, gefestigte Regeln und Normen, die formellen oder informellen Charakter haben können, verstanden und als wichtiger für politische Entscheidungen bewertet als individuelle Akteure und deren politischer Wille. Nicht mehr das individuelle Kalkül politischer Kosten und Nutzen, sondern Routine und Normen werden zu

66

Vgl. Schmidt 1995: 577; ders. 1993: 372.

67

Vgl. Schmidt 1993: 382.

68

Vgl. Schmidt 1995: 583. 31

entscheidenden Determinanten von Politik.69 Institutionelle Strukturen des Staates und der Interessenvermittlung wirken sich auf Politikergebnisse aus, indem sie Problemperspektiven und Forderungen filtern und so Entscheidungsprämissen setzen. Das Potenzial kollektiven Handelns wird durch die Reduktion der Verhaltensmöglichkeiten auf die zu erwartenden Verhaltensmöglichkeiten beschränkt.70 Demnach variiert staatliche Politik mit den jeweils unterschiedlichen Institutionen und Verfahren der politischen Ordnung. Politische Institutionen sind nicht mehr nur als Arenen politischer Prozesse zu begreifen, sondern haben ihr eigenes Gewicht im politischen Entscheidungsprozess, da die Etablierung von institutionellen Mechanismen den Einfluss spezieller Interessengruppen begrenzen und den Einfluss genereller Interessen fördern können. Besonders gut geeignet ist der politisch-institutionelle Ansatz, wenn die Politik stärker von Binnenstrukturen des Institutionenapparats als durch Interessengruppen von außen gesteuert wird und wenn die Prägung der Staatstätigkeit durch institutionelle Bedingungen und strategisches Handeln in interdependenten Entscheidungssituationen untersucht werden soll.71 Insofern organisierte Interessen, Machtverteilung und politisch-kulturelle Bedingungen nicht vernachlässigt werden, wie es bei einigen Ansätzen der politisch-institutionalistischen Theorie der Fall ist, erscheint diese Schule die ertragreichste der neueren Policy-Forschung.72 Der Ansatz ist zwar von raum-zeitlich eingeschränkter Verallgemeinerungsfähigkeit und vernachlässigt die Prozesse der Thematisierung von Politik, aber dafür umfasst er die Analyse von der Politikformulierung bis zur Durchführung.73 Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit gerade auf diesen Phasen des umweltpolitischen Prozesses liegen soll und davon ausgegangen wird, dass gerade im Politikfeld der Umweltpolitik Problemdruck und politische Kräfteverhältnisse Politikergebnisse nur teilweise erklären können, scheint der politisch-institutionelle Ansatz als Analyseinstrument gut geeignet. Darüber hinaus belegen Studien, welche wichtige Rolle die Etablierung umweltpolitischer Institutionen spielt.74

69

Vgl. hierzu March/Olson 1989.

70

Vgl. hierzu Scharpf 1983: 10; Scharpf 1987: 27; Czada 1989: 285f; Lehner 1991: 232.

71

Vgl. Schmidt 1993: 379-381.

72

Vgl. Schmidt 1995: 584f. Da nach Adrienne Windhoff-Héritier der neue politische Institutionalismus keinen systematischen Rahmen wie die Rational-choice-Theorien bereitstellt, wurden Versuche unternommen, beide Ansätze zu verbinden (vgl. hierzu Windhoff-Héritier 1991; Scharpf 1991; Lehmbruch 1991). Während Fritz W. Scharpf dabei auf den spieltheoretischen Ansatz zurückgreift (vgl. Scharpf 1991), lehnt Roland Czada hingegen die Anwendung dieses Ansatzes auf politische Aktivitäten ab. Im Gegensatz zu ökonomischen Aktivitäten, so sein Argument, könnten politische Prozesse nicht auf die Logik komplementorischen Austauschs reduziert werden. Die „rational choice“ Logik sei nicht adequat für „political choice“, wo Akteure durch Einbeziehung anderer Akteure in Verbände und Netzwerke oder durch Etablierung von Machtabhängigkeiten nicht mehr vor dem Dilemma der strategischen Wahl stehen (vgl. Czada/Windhoff-Héritier 1991: 262 und 288).

73

Vgl. Schmidt 1995: 584f und 587.

74

Siehe hierzu z.B. Jörgens 1996: 59-111 sowie Hucke 1983: 434 ff. 32

2.1.3.2 Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung Die Art und Weise wie politische Akteure ihre Interessen artikulieren und zueinander in Beziehung stehen führt in ein komplexes Interaktionsfeld der Interessenvermittlung, in dem sie mit anderen konkurrierenden Akteuren und Bündnispartnern interagieren. Nach Fritz W. Scharpf kommen Politikergebnisse nicht einfach durch Aggregat individueller Entscheidungen zustande, sondern sind als Outcome strategischer Interaktionen zwischen Teilnehmern am politischen Prozess zu verstehen, die durch institutionelle Arrangements begrenzt werden.75 Damit sind die Interaktionsmuster und Beziehungen zwischen den Akteuren außerordentlich wichtige Determinanten politischer Steuerung, da diese in Form kollektiver Handlungsfähigkeit nur möglich ist, wenn sie nicht nur von einem Akteur (Staat), sondern von mehreren Akteuren ausgeübt wird, die über einen bestimmten Anteil an Steuerungsressourcen verfügen und trotz unterschiedlicher Interessen, sich wechselseitig berücksichtigen können.76 „Wenn wir die Chancen der politischen Steuerung und ihrer Bedingungen aufklären wollen, dann sind wir weiterhin darauf angewiesen, unterschiedliche Konstellationen politischer Aktoren voneinander zu unterscheiden, ihre je besondere Interaktionslogik zu rekonstruieren und sie auf die Analyse konkreter gesellschaftlicher Probleme zu beziehen.“77 Die Koordination gemeinsamer Strategien zwischen Akteuren ist keineswegs selbstverständlich. Wie groß die Schwierigkeiten sind, hängt von der relativen Konfliktfähigkeit der jeweiligen Interessenkonstellationen und von den Machtverhältnissen in institutionellen Arrangements ab, die die Unterdrückung bestimmter Interessen oder den Ausgleich zwischen Interessen erleichtern oder erschweren.78 Je nach Politikfeld nehmen unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichem Einflusspotenzial an der Interessenvermittlung teil und rufen so verschiedene Akteurs- und Interessenkonstellationen hervor. Für die Analyse solcher Konstellationen haben sich verschiedene Grundtypen bzw. Modelle herausgebildet, die solche Akteursspektren und Konstellationen beschreiben.

Das pluralistische Theoriemodell stellt der Einheit des Staates die Vielfalt gesellschaftlicher Kräfte entgegen und geht von einem Einflussmodell aus, in dem eine größere Zahl konkurrie-

75

Vgl. Scharpf 1991: 57.

76

Vgl. Scharpf 1989: 14-17.

77

Scharpf: 1989: 18f; Hier in Abgrenzung zu Niklas Luhmann, der von der systemtheoretischen Perspektive ausgehend, jegliche Wirkung von Akteurshandeln leugnet.

78

Vgl. Scharpf 1987: 26f. 33

render organisierter Interessen79 ihre Forderungen bei staatlichen Entscheidungsinstanzen durchzusetzen versuchen. Die Interessenvermittlung wird als Aushandlungsprozess (bargaining) zwischen staatlichen Institutionen und (konkurrierenden) Interessengruppen angesehen,80 wobei die Vorstellung von gesellschaftlicher Stabilität und Solidarität durch sich überlappende Gruppenmitgliedschaften, die individuelle Autonomie und Systemintegration gewährleisten, im Zentrum steht.81 Die Kritiker des Pluralismusmodells stellten vor allem die Grundannahmen der pluralistischen Chancengleichheit der Interessen und damit die Offenheit des Systems für sich artikulierende Interessen in Frage. In den so genannten konfliktorischen Modellen der Interessenvermittlung wurden infolgedessen zwei kritische Punkte hervorgehoben. Interessen müssen zum einen organisationsfähig und zum anderen konfliktfähig sein, um gesellschaftliches und politisches Gewicht zu haben. Organisationsfähig sind gesellschaftliche Interessen dann, wenn sie in ausreichendem Umfang die notwendigen Ressourcen mobilisieren können, die zur Etablierung eines Verbandes oder eines ähnlichen Instruments der Interessenvertretung erforderlich sind.82 Ist die Gruppe, die bestimmte Interessen vertritt zu groß, zu heterogen oder zu temporär, um Organisationspotenzial aufzubauen, so ist sie auch nicht organisationsfähig. Daher sind gerade Interessen, die dem Allgemeinwohl dienen und nicht an bestimmte soziale Statusgruppen gebunden sind, wie zum Beispiel Umweltschutzinteressen weniger organisationsfähig. Bei großen Betroffenengruppen bzw. Interessengruppen ist der individuelle Nutzeffekt für Mitglieder eher gering, da vielmehr öffentliche, unteilbare Kollektivgüter erzeugt werden, wie z.B. saubere Umwelt, die allen Betroffenen, also auch Nicht-Mitgliedern, zugute kommen. Es ist daher viel rationaler, als Nicht-Mitglied und so genannter Trittbrettfahrer („free rider“) von diesen Gütern zu profitieren, ohne einen Beitrag zu leisten.83 Konfliktfähigkeit bedeutet, dass eine Organisation bzw. die ihr entsprechende Funktionsgruppe in der Lage ist, kollektiv die Leistung zu verweigern und eine systemrelevante Leistungsverweigerung glaubhaft anzudrohen.84 Die Interessengruppe muss also über das Organisationsminimum hinaus auch über gesellschaftlich relevan79

Organisierte Interessen werden verstanden als „freiwillig gebildete soziale Einheiten mit bestimmten Zielen und arbeitsteiliger Gliederung (...), die individuelle, materielle und ideelle Interessen ihrer Mitglieder im Sinne von Bedürfnissen, Nutzen und Rechtfertigungen zu verwirklichen suchen“ (Von Alemann 1987: 30).

80

Vgl. Truman 1951, hier zitiert nach Schiller 1995.

81

Vgl. Dahl (1967) und Lipset (1962), hier zitiert nach Schiller 1995.

82

Offe 1969: 167.

83

Vgl. hierzu Olson 21985. Angesichts dieses Dilemmas entwickeln sich organisierte Interessen und entstehen Organisationen nach Mancur Olson, indem kollektive Güter, die der einzelne nicht erreichen kann, nachgefragt werden. Solche Serviceorganisationen bauen ein professionelles Führungssystem auf, um den Mitgliedern Aufstiegschancen innerhalb der Organisation zu bieten und weiten ihr Angebot auf private Güter aus, die Nichtmitgliedern vorenthalten bleiben. So entstehen persönliche und materielle Anreize für eine Mitgliedschaft (vgl. hierzu Von Alemann 1987: 156f). Anreize müssen also entsprechend umorganisiert werden, damit „public interest groups“ (Brinkmann 1984) entstehen.

84

Offe 1969: 169. 34

tes Sanktionspotenzial (z.B. Streikoption, Vorenthalten von wichtigen Wählerstimmen) verfügen, das gegenüber Adressaten eingesetzt werden kann. Da Umweltschutzgruppen in der Regel nicht über gesellschaftlich relevantes Sanktionspotenzial verfügen, ist ihre Konfliktfähigkeit folglich als gering einzuschätzen.

Das korporatistische Modell geht im Gegensatz zur Pluralismustheorie von einem aufgrund von Interdependenzen freiwillig entstehenden dauerhaft institutionalisiertem Aushandlungssystem zwischen Staat, der selbst als Akteur mit eigenen Interessen gesehen wird, und einigen großen Interessenverbänden mit dem Ziel einer abgestimmten Steuerungsstrategie aus.85 Das deskriptive Modell des Neokorporatismus beschäftigt sich nicht nur mit Strukturen organisierter Interessen, sondern immer mehr mit deren Rolle im Prozess des „Policy-making“ und der Implementation.86 Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass es ein Interesse gibt, das über Individualund Gruppeninteressen steht.87 Die Regulierung von Konflikten zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen erfolgt nach Gerhard Lehmbruch einer „neokorporatistischen Austauschlogik“, die die Verbandsspitzen nach rationalen Nutzenerwägungen zur Kooperation bewegen und dabei Zugeständnisse an andere Gruppen oder den Staat machen. Wichtiger Kritikpunkt ist die vernachlässigte Rollendefinition der Akteure, die Betonung der Interessenvermittlung durch Verbände sowie die Tatsache, dass Interaktions-Konstellationen nicht festgelegt sind, sondern sich hinsichtlich Art und Weise wie Akteure Probleme und Situation der Interaktion definieren im Laufe der Zeit ändern können.88 Der Netzwerkansatz wird so auch als Weiterentwicklung des Korporatismus-Modells gesehen, da Verbände neben anderen nichtstaatlichen Akteuren nur als ein Typ der korporativen Akteure angesehen werden, die Netzwerke bilden.89 Letztere werden als Verhandlungssysteme und als „quasi-institutionalisierte Form von autonomen, gleich mächtigen Akteuren, die sich selbst Ziele setzen“90 begriffen. Der Netzwerkansatz wurde von Hugh Heclo entwickelt, der feststellte:

85

"Corporatism can be defined as a system of interest representation in which the constituent units are organized into a limited number of singular, compulsory, noncompetitive, hierarchially ordered and functionally differentiated categories, recognized or licensed (if not created) by the state and granted a deliberate representational monopoly within their respective categories in exchange for observing certain controls on their selection of leaderes and articulation of demands and supports." Schmitter 1979: 13.

86

Vgl. Schmitter 1982: 259.

87

Vgl. Czada 1986: 16.

88

Vgl. Nadelmann/Meier 1979: 96-108. Über diese theorieimmanente Kritik hinaus erscheint die theoretische Relevanz des Ansatzes grundsätzlich fragwürdig, da Korporatismus nur in eher kleineren, hochindustrialisierten westlichen Ländern zu beobachten war und auch hier mittlerweile abklingt.

89

Vgl. Lehmbruch 1991: 134.

90

Wilkesmann 1995: 52f. 35

„issue networks (...) comprise a large number of participants with quite variable degrees of mutual commitment or of dependence on others in their environment, in fact it is almost impossible to say where a network leaves off and its environment begins“91. Heclo beschreibt in der Vertikalen, Netze, die sich über verschiedene Ebenen des politisch-administrativen Systems ausbreiten. In der Horizontalen reichen Netze von den legislativen und exekutiven Institutionen über Interessenverbände bis tief in die Gesellschaft hinein. Als dezentralisiertes Konzept der sozialen Organisation befasst sich der Ansatz der Policy-Netzwerke mit den institutionalisierten, dauerhaften Beziehungen und horizontale Koordination zwischen interdependenten, aber formal autonomen staatlichen und privaten Akteuren, die in einem bestimmten Politikfeld Informationen und Ressourcen austauschend interagieren92 und durch kollektive Entscheidungen die Entstehung und Durchführung einer bestimmten Politik entscheidend mitprägen.93 Damit wird das Netzwerk als alternative Steuerungsform zum Markt oder zur (staatlichen) Hierarchie begriffen. Es wird vermutet, dass unterschiedliche Beziehungsmuster zwischen den am politischen Prozess beteiligten Akteuren (Netzwerke) zu unterschiedlichen Problemlösungen führen.94 Da die Akteure und deren Interaktionen lediglich deskriptiv in die Analyse mit einbezogen werden, bleibt der theoretische Nutzen des Ansatzes gering, solange nicht der (Ver-)Handlungsprozess selbst vor dem Hintergrund der jeweiligen Interessen und Forderungen und deren Bedeutung für die inhaltliche Entwicklung ebenfalls betrachtet werden. Darüber hinaus vernachlässigt der Ansatz politische und sozioökonomische Institutionen sowie institutionelle Regelungen und Verfahren.95 Das Konzept Policy-Netzwerke kann allerdings die institutionelle Perspektive eröffnen, indem diese nicht nur als Folge „kollektiven sozialen Lernens in institutionellen Kontexten“96 betrachtet werden, sondern selbst zu Institutionen werden.

91

Heclo 1978: 102.

92

Vgl. Marin/Mayntz 1991: 18.

93

Vgl. Kenis/Schneider 1991: 26 und 36; Marin/Mayntz 1991: 16.

94

Vgl. Schubert 1991: 89f.

95

Vgl. Schubert 1991: 36f und 101. Es gibt bereits Bemühungen dieses Manko auszugleichen. So versucht Marian Döhler mit Hilfe des neo-institutionalistischen Ansatzes die Interaktionssysteme der Policy-Netzwerkanalyse mit dem zugrundeliegenden institutionellen Rahmen zu verbinden (vgl. Döhler 1991).

96

Lehmbruch 1991: 127. 36

2.1.3.3 Wandel der Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung Die vorgestellten Ansätze implizieren bereits den Wandel, der in der Struktur gesellschaftlicher Interessenvermittlung möglich ist und zumindest in vielen westlichen Ländern auch in den letzten Jahrzehnten bereits empirisch beobachtet und belegt wurde.97 Die neuen komplexeren Formen der Interessenvermittlung der Politik-Netzwerke entstehen, wenn einerseits gesellschaftliche Akteure die Beteiligung am politischen Prozess anstreben und andererseits die Zusammenarbeit mit diesen Akteuren dem Staat die Informationsbeschaffung erleichtert und die Akzeptanz politischer Entscheidungen seitens der Gesellschaft erhöht.98 Die Netzwerkbildung wird forciert, wenn durch die Vertretung subnationaler Akteure auf zentraler Ebene für diese Handlungschancen und Tauschmöglichkeiten geboten werden.99

Unterschiede in den Akteurskonstellationen der Interessenvermittlung lassen sich hinsichtlich verschiedener Länder und unterschiedlicher Politikfelder feststellen und können sich darüber hinaus im Zeitverlauf verschieben. Ein solcher Wandel organisierter Interessen und Veränderungen in der Struktur der Interessenvermittlung können auf folgende theoretisch erklärende Faktoren zurückgeführt werden: (1) Strukturveränderungen von Interessenlagen, (2) Mobilisierung von Handlungsressourcen, (3) Wandel politisch-institutioneller Systemstrukturen.100 Strukturtheoretische Erklärungen gehen von einer Verschiebung der inhaltlichen Struktur des gesellschaftlichen Interessenpotenzials aus. Sie gehören zu den historischen, auf spezifische Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten zugeschnittenen theoretischen Erklärungsansätzen, die entweder einzelne Faktoren, wie beispielsweise die weltweit perzipierte Umweltkrise in den 70er Jahren und die mit ihr entstandenen neuen sozialen Bewegungen hervorheben oder übergreifende Veränderungen gesellschaftlicher Strukturkomplexe, wie z.B. die Herausbildung einer Risikogesellschaft101 oder Modernisierungsschübe in Verflechtung von Ökonomie, Kultur und Politik102 als Ursache für einen Wandel der Struktur der Interessenvermittlung betrachten.

97

Vgl. Schmitter 1979: 22.

98

Vgl. Mayntz 1993: 41.

99

Vgl. Héritier 1995: 207.

100 Vgl.

hierzu Schiller 1995: 462f. Die folgende Darstellung beruft sich auf die Einteilung von Theo Schiller in leicht modifizierter Form.

101 Siehe

hierzu Beck 1985.

102 Siehe

hierzu Rucht 1991: 180ff und 1994. 37

Die Struktur der Interessenvermittlung kann aber auch durch die Mobilisierung latent vorhandener Ressourcen modifiziert werden. Intraorganisatorisch geschieht dies zum Beispiel durch die Rekrutierung von Mitgliedschaftspotenzial durch aktive Interessenpropagierung, durch ungenutzte Techniken von Sekundäranreizen oder durch Mobilisierung mit Hilfe neuer Partizipationsmöglichkeiten. Während die Mobilisierung interorganisatorisch, also zwischen Akteuren, durch die Aktivierung oder den Ausbau des Kooperationspotenzials erfolgt. Zum einen können ungenutzte Potenziale durch professionelleres Management aktiviert werden. Zum anderen können Optionen soziokulturell, beispielsweise durch Bildungs- und Informationsexpansion das politische Interesse sowie Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten steigern und dabei Muster der Wertorientierungen verändern und für neue Interessenverflechtungen öffnen.103

Als weitere Antriebskraft für Veränderungen in der Interessenvermittlung, die auf den gewählten politisch-institutionellen Ansatz zurückgeht, wird der Wandel politisch-institutioneller Systemstrukturen angesehen. Durch institutionellen Wandel können grundlegende Veränderungen im politischen und/oder im rechtlichen System erfolgen. Neue Kanäle für die Interessenartikulation können durch Demokratisierungsprozesse, neue Gesetze oder die Eröffnung neuer Klagewege geschaffen werden. Auch Machtverluste zentraler Institutionen an die Bürokratie, die Schaffung neuer Institutionen oder Veränderungen im öffentlichen Kommunikationssystem (Fernsehen, Internet) eröffnen neue Handlungschancen für die Einflussnahme auf politische Prozesse durch organisierte Interessengruppen und erreichen so die organisatorische Stabilisierung solcher Gruppen. Gleichzeitig können Veränderungen im politisch-institutionellen System aber auch Restriktionen bewirken und vorher bestehende Handlungswege und Kanäle der Interessenartikulation wieder verschließen. Bestimmte Muster der Interessenvermittlung wie korporatistische Strukturen oder auch Netzwerkstrukturen bewirken unterschiedliche Grade der Abschottung. Sie rufen angesichts ihrer Interessenselektivität und Ausgrenzung bestimmter Interessen von Entscheidungsprozessen Kritik hervor, die dann zu neuen Artikulationsformen beispielsweise in Form sozialer Bewegungen oder Selbsthilfegruppen führen und dadurch die Struktur der Interessenvermittlung verändern.

Der Wandel der Strukturen der Interessenvermittlung wirkt sich auf politische Prozessformen und Entscheidungsstile aus. Fritz W. Scharpf unterscheidet zwischen verschiedenen Entscheidungsstilen und teilt sie in die politischen Arenen „confrontation“, „bargaining“, „problemsol-

103 Zum

Ressourcenmobilisierungsansatz siehe Tilly 1978; Raschke 1987; Kitschelt 1991. 38

ving“ ein.104 In seinem Ansatz zu den typischen Formen des politischen Prozesses weitet Volker von Prittwitz dieses Grundmodell auf sieben Phasen aus, die sich in ihrer Konflikthaftigkeit unterscheiden, beginnend mit dem „Selbstausschluss Beteiligter“. Während die darauf folgenden Phasen „Kampf um Zugang zur Arena“ und „Konflikt in der Arena“ konflikthaft sind, schließt das „Aushandeln oder bargaining“ Konflikt und Kooperation mit ein und „gemeinsames Problemlösen“ und Wertediffusion implizieren überwiegend Kooperation.105

2.1.4

Der erweiterte politisch-institutionelle Ansatz als theoretische Grundlage für die Untersuchung

Heute stehen bei der Politikanalyse in bestimmten Politikfeldern interessengeleitete Handlungen, Handlungsrationalitäten und Handlungsbedingungen der an politischen Willensbildungsund Entscheidungsprozessen beteiligten Akteure oft im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, da in der wissenschaftlichen Diskussion die handlungs- und steuerungstheoretischen Ansätze dominieren. Um Politikergebnisse aber hinreichend erklären zu können, müssen neben solchen handlungstheoretischen Variablen auch strukturelle Variablen herangezogen werden. Daher hat sich im Rahmen der Politikfeldanalyse in den letzten Jahren die Forschung auf die Wechselwirkungen zwischen den drei Politikdimensionen „Politics“, „Polity“ und „Policy“ konzentriert. Das Modell der Advocacy-Coalitions-Ansatz von Paul A. Sabatier, der anhand einer Vielzahl situativer Variablengruppen aller drei Politikdimensionen politisches Handeln zu erklären versucht, erwies sich in diesem Zusammenhang als wegweisend. In diesem Modell werden sozioökonomische Rahmenbedingungen, grundlegende soziokulturelle Wertvorstellungen und politisch-institutionelle Bedingungen berücksichtigt, die auf das politische Handeln verschiedener Akteure einwirken, und über die situative Politikanalyse hinausgehend als wichtige Komponente den Policy-Wandel, der durch policy-orientiertes Lernen bedingt wird, mit einbezogen.

Da es der Politikfeldanalyse an einer einheitlichen Theorie fehlt, die dem Ansatz mit seinen unterschiedlichen Strömungen zugrunde gelegt wird, bietet es sich an, sie mit herkömmlichen Ansätzen der traditionellen Politikwissenschaft zu kombinieren. Aufgrund der verwendeten Erklärungsvariablen und seiner Erweiterungsfähigkeit in Bezug auf Variablen aus anderen Ansätzen erscheint der politisch-institutionelle Ansatz derzeit als sehr viel versprechend zur Erklärung von Politikergebnissen in diversen Politikfeldern. Er ist nicht nur gut ausbaufähig im Hinblick auf

104 Vgl.

Scharpf 1991: 63. Fritz W. Scharpf bezieht sich hier auf James G. March und Herbert A. Simon 1958.

105 Vgl.

hierzu näheres bei Prittwitz 1990: 151-165. 39

Restriktionen und Ressourcen, die in der sozioökonomischen Theorie hervorgehoben werden, sondern auch bezüglich kollektiver Akteure, die bei Ansätzen gesellschaftlicher Interessen und Machtverteilung eine entscheidende Rolle spielen. Im Unterschied zu den reinen Akteurstheorien betont dieser Ansatz die institutionellen Bedingungen für politische Entscheidungs- und Handlungsprozesse, in die das Handeln der Akteure eingebettet ist. Die Verbindung von politisch-institutionellen Bedingungen und interessengeleitetem Handeln politischer Akteure rückt die Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Politikergebnisse entstehen dann aufgrund der Interaktion der an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligten Akteure, die durch institutionelles Arrangement gesteuert werden. Aus dieser Interaktion ergeben sich spezifische Interessenkonstellationen, die je nach theoretischem Ansatz in unterschiedliche strukturelle Grundtypen eingeteilt werden können. Diese reichen von pluralistischen über konfliktorische Modelle bis hin zu neokorporatistischen Strukturen institutionalisierter Aushandlungssysteme zwischen Staat und Interessenverbänden und quasi-institutionalisierten Formen der Interaktion der Akteure in PolicyNetzwerken, die durch die Einbindung gesellschaftlicher Akteure alternative politische Steuerungsformen zum Markt und zur staatlichen Hierarchie hervorbringen. Ein Wandel der Strukturen gesellschaftlicher Interessenvermittlung kann durch Strukturveränderungen der Interessenlagen, durch die Mobilisierung zusätzlicher Handlungsressourcen oder aber durch die Veränderung politisch-institutioneller Systemstrukturen ausgelöst werden und wirkt sich auf die politischen Prozessformen aus. Letztere werden durch die Interaktion bzw. Nicht-Interaktion zwischen Akteuren determiniert, die von der Lethargie bei Desinteresse über den Kampf um den Zugang zur politischen Arena und konfliktären Aushandlungsprozessen bis zum gemeinsamen Problemlösen und die Diffusion von Werten reichen. Da sich diese Arbeit mit der Analyse eines solchen Strukturwandels in der umweltpolitischen Interessenvermittlung und dessen Auswirkung auf umweltpolitische Prozessformen, Inhalte und Ergebnisse in Entwicklungsländern befasst, wird der vorliegenden Untersuchung der um sozioökonomische und akteurstheoretische Variablen erweiterte politisch-institutionelle Ansatz zugrunde gelegt.

40

2.2

Theoretische Ansätze zur Erklärung von Umweltpolitik

In Anlehnung an den analytischen Rahmen der Politikfeldforschung soll nun konkret auf theoretische Ansätze in der politikwissenschaftlichen Umweltpolitikforschung eingegangen werden. Im Folgenden wird Umweltpolitik in Form eines politischen Dreiecks verstanden, in dem sich ungesteuerter soziopolitischer Prozess (politics) und zielorientiertes Handeln (policy) in einem politisch-institutionellen Rahmen (polity) vollziehen und diesen gleichzeitig verändern können.

2.2.1

Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln

Die Entstehung des Begriffs „Umweltpolitik“ als neues Politikfeld kann nur im internationalen Kontext gesehen werden. So haben sich bereits in den 70er Jahren internationale politische und wissenschaftliche Diskurse und Netzwerke herausgebildet, die bewirkten, dass die vorher hauptsächlich in Industrieländern bekannten ökologischen Teilprobleme wie Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung und Gesundheitsschädigungen durch Anreicherung toxischer Stoffe in Grundwasser und Nahrungskette sowie durch Industrie- und Kraftfahrzeugabgase, neu interpretiert und gedeutet wurden. Internationale Umweltkonferenzen trugen zu derartigen neuen Deutungsmustern im Sinne einer vereinheitlichten Sichtweise der bisher eher isoliert und medienspezifischen Wahrnehmung der Umweltbelastung bei106, die zuerst in den Industrieländern und später auch in den so genannten Entwicklungsländern verbreitet wurden. Insbesondere die „United Nations Conference on Human Environment“ (UNCHE), die 1972 in Stockholm stattfand, förderte wesentlich die Leitidee über Aufgaben nationaler Regierungen in der Umweltpolitik und damit auch die Etablierung der Umweltpolitik als eigenständiges Politikfeld auf internationaler und nationaler Ebene. Und zwar nicht nur, indem Teilnehmerstaaten administrative Instanzen zur Vorbereitung der Konferenz schaffen mussten, sondern auch indem institutionelle Konsequenzen und der Aufbau umweltpolitischer Strukturen auf der Konferenz explizit thematisiert wurden. Mit diesem Pradigmawechsel ging eine zunehmende Thematisierung politischer Maßnahmen, die die Gemeinsamkeiten der einzelnen ökologischen Probleme und die Notwendigkeit einer integrierten Strategie hervorhob, so dass es zu einer „Politisierung des Umweltproblems“107 kam, das unter der Berücksichtigung politischer Aspekte, also nach Fragen der Machbarkeit und Angepasstheit an bestehende Formen industriegesellschaftlicher Problembearbeitung, neu definiert wurden.108

106 Vgl.

Küppers u.a. 1978: 125.

107 Küppers 108 Vgl.

u.a. 1978: 111.

Jörgens 1996: 88. 41

Unter Umweltpolitik wird seither die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die notwendig sind, um eine gesunde und menschenwürdige Umwelt zu garantieren und die Naturgrundlagen vor nachteiligen Eingriffen zu bewahren sowie die Folgen schädlicher Eingriffe zu beseitigen.109 „Umweltpolitik muß demnach u. E. als Steuerung des ökologisch-ökonomischen Umweltsystems verstanden werden. Sie sucht die Stoffströme so zu beeinflussen, daß die Funktionen insbesondere der ökologischen Teilsysteme und deren Zusammenwirken gewahrt bleiben und damit die Leistungsfähigkeit der Naturpotentiale materiell und immateriell erhalten oder gefördert wird.“110 Umweltpolitik versucht folglich, Prozesse, die im Rahmen der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur (Ökologie) ablaufen bzw. anthropogene Eingriffe in die Natur dahingehend zu beeinflussen, dass Funktionen und Leistungsfähigkeit von ökologischen Systemen erhalten bleiben. In dieser Arbeit wird damit eine anthropozentrische Sichtweise der Umweltproblematik und die Prämisse zugrunde gelegt, dass Umweltpolitik bestrebt ist sicherzustellen, dass gesellschaftliche Reproduktion auf einem bestimmten Niveau innerhalb eines bestimmten Zeitraums gewährleistet ist. Darüber hinaus strebt Umweltpolitik eine Verbesserung des Verhältnisses von Gesellschaft und Natur, das bisher durch „beschränkte Wahrnehmung der Umwelt als kurzfristige und räumlich beschränkte Instrumentalisierung“ gekennzeichnet ist, durch eine „Internalisierung von zeitlich und räumlich verschobenen Handlungsfolgen in das Handlungskalkül der Individuen“111 an, um zum Wohle der Allgemeinheit negative Folgen der Umweltnutzung zu reduzieren bzw. zu vermeiden.

Das grundlegende Problem der öffentlichen Güter trifft auf die Nutzung natürlicher Ressourcen zu, deren Zugang nicht oder unzureichend reguliert ist, so dass umweltschädigende Effekte externalisiert werden können. Dies hat eine Übernutzung der natürlichen Ressourcen zur Folge und Umweltprobleme treten auf. Angesichts dieser Problematik kann die Selbstorganisation des Marktes hinsichtlich der Umweltproblematik als defizitär bezeichnet werden. Es kommt zum so genannten Marktversagen. Die Lösung wird in der Internalisierung der externen Effekte durch verbesserte marktliche oder wie dies bis heute vorrangig der Fall ist durch staatliche Regulie-

109 Vgl.

Buchwald/Engelhardt 1980: 75.

110 Buchwald/Engelhardt

1980: 75.

111 Weiß

1996: 19. Allerdings greift nach Weiß die Internalisierung als Schlüsselbegriff der neoklassischen Umweltökonomik zu kurz und auch die weitgehende Beschränkung der Neoklassik auf den Staat als politischen Akteur und Maximierer der öffentlichen Wohlfahrtsfunktion ist problematisch, da schon die Neue Politische Ökonomie das Eigeninteresse von Regierungen und Staat betont hat. Für eine politikwissenschaftliche Analyse ist diese Sichtweise zu eng. Das politische System wird hier weiter gefasst und beinhaltet Handlungen und Entscheidungen, die sich auf intentionale Eingriffe in die Funktionsweise des gesellschaftlichen Systems beziehen (vgl. Weiß 1996: 19). 42

rung gesehen. Eine solche Internalisierung externer Effekte ist aber unter der Inkaufnahme restriktiver Einkommenseffekte äußerst konfliktträchtig und stößt auf Widerstand seitens der Verursacher von Umweltproblemen. Dies gilt für Initiierung von Umweltpolitik, deren Grund in der Existenz externer Effekte vermutet wird und deren Internalisierung Konsequenzen für die Verteilung der Kosten hat.112 Umweltpolitik will folglich die durch Marktversagen entstehenden Defizite beheben, indem der Staat einmalige oder langfristige politische Eingriffe vornimmt, die bestimmte Strukturen transformieren und einen institutionellen Wandel herbeiführen, der das Ergebnis der Selbstorganisation modifiziert.

Umweltpolitik wird somit als gezieltes Handeln im Sinne einer politischen Reaktion auf Umweltprobleme, die als Missstände in dem System der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur auftreten, gesehen. Zielorientierte Umweltpolitik (policy) will den Zustand der Umwelt entsprechend vorgegebener Umweltziele beeinflussen und somit die Abweichung zwischen IstZustand und Soll-Zustand der Umwelt ausgleichen. Die steuernde Instanz einer solchen zielorientierten Umweltpolitik ist in erster Linie das staatlich-administrative System, das die umweltpolitischen Ziele mittels bestimmter Instrumente oder Bündel von Instrumenten (umweltpolitische Handlungsstrategien) durchzusetzen versucht.113 Allerdings wird hier als Parallele zum Marktversagen die These des Staatsversagens114, das für die Umweltpolitik von Helmut Weidner nachgewiesen wurde115, sowie der Beschränkung des staatlichen Steuerungspotenzials geteilt, deren Ursache in „einer Konstellation gesellschaftlicher Macht- und Interessenstrukturen, die politische Handlungen und Entscheidungen auf makroskopischer Ebene, auf der der Staat operieren muss, blockiert“116 liegen.

112 Vgl. 113 Vgl.

Weiß 1996: 98. Prittwitz 1990: 53f.

114 Martin

Jänicke setzt dem Marktversagen das Staatsversagen entgegen und prägt den Begriff des Staatsversagens neu, indem er darunter, nicht nur die Unwirtschaftlichkeit im Staatssektor versteht, sondern auch die Unwirtschaftlichkeit des Staatssektors im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft. Dabei betrifft die Unwirtschaftlichkeit nicht nur Preis und Qualität der öffentlichen Güter, sondern auch die Steuerungsprobleme innerhalb und außerhalb des Staatssektors, sowie die strukturellen Rationalitäts- und Innovationsschwächen des Staatssektors und im Staatssektor (vgl. Jänicke 1986: 51).

115 Vgl.

hierzu Weidner 1995.

116 Weiß

1996: 20. 43

2.2.1.1 Erfolgs- und Wirkungskriterien zielorientierter Umweltpolitik Kriterien für den Erfolg von Umweltpolitik und die Bewertung umweltpolitischer Instrumente lassen sich unter unterschiedlichen Aspekten betrachten. In der Policy-Forschung, vor allem in der Implementations- und Evaluationsforschung, steht die Frage nach der ökologischen Effektivität (Lenkungswirkung) im Vordergrund. Erreichen die umgesetzten umweltpolitischen Maßnahmen tatsächlich die beabsichtigten Wirkungen? Es wird untersucht inwieweit und in welcher Zeit angestrebte Ziele von Umweltprogrammen durchgesetzt werden. Um die Effektivität des umweltpolitischen Handelns festzustellen117, unterscheidet Volker von Prittwitz zwischen unterschiedlichen Wirkungskriterien: der Wirkungstiefe, Wirkungsbreite, Wirkungsgeschwindigkeit und Wirkungsschärfe.118 Ausschlaggebende Effektivitätskriterien erscheinen vor allem die Wirkungstiefe und -breite. Danach hängt die umweltpolitische Wirkungstiefe davon ab, wo umweltpolitisches Handeln ansetzt. Während kurative Maßnahmen lediglich darauf angelegt sind, entstandene Umweltschäden zu beseitigen und damit eine geringe Wirkungstiefe haben, haben Recycling und Maßnahmen der technischen Entsorgung eine mittlere Wirkungstiefe. Am größten ist die Wirkungstiefe, wenn umweltfreundliche Technologie angewandt und ökologische Strukturpolitik betrieben wird, die an der Wirtschaftsstruktur ansetzt und diese in Richtung umweltfreundlicheres und ressourceneffizienteres Produzieren beeinflusst. Mit wachsender Wirkungstiefe steigt auch die räumliche, zeitliche und sachliche Wirkungsbreite, die davon abhängt, wie selektiv Umweltpolitik ist.

Anhand dieser Wirkungskriterien können Problembewältigung und eventuelle Problemverschiebungen festgestellt werden. Sie bilden ein Maß für den Nutzen umweltpolitischer Maßnahmen, aber berücksichtigen keine Kostenaspekte.119 In der umweltökonomischen Diskussion hingegen wird das Kriterium der ökonomischen Effizienz präferiert und Kostenaspekte umweltpolitischer Maßnahmen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Dem Umweltnutzen und der ökologischen Effektivität werden damit die volkswirtschaftlichen Kosten einer umweltpolitischen Maßnahme 117 Eine

Schwierigkeit bei der Beurteilung der Effektivität von Umweltpolitik ergibt sich aus der Tatsache, dass positive Veränderungen im Umweltbereich nicht immer auf zielorientiertes umweltpolitisches Handeln zurückzuführen sind, sondern auch durch so genannte "ökologische Gratiseffekte", beispielsweise bedingt durch Wirtschaftskrisen, ausgelöst werden können und damit nicht mehr Ergebnis einer gezielten Umweltpolitik sind. Zudem kann sich die Problemsituation im Zeitverlauf ändern, so dass Programmziele durch gewählte Instrumente nicht erreicht werden können (vgl. hierzu Jänicke 1986; Weidner 1992; Jänicke/ Weidner 1995).

118 Vgl.

Prittwitz 1990: 54ff.

119 So

haben zwar umweltpolitische Maßnahmen, die auf ökologische Strukturveränderungen mit großer Wirkungstiefe abzielen, häufig auch ökonomische Vorteile, da sie die Effizienz des Energie- und Ressourceneinsatzes steigern und die Wettbewerbsposition verbessern können (vgl. Jänicke/Mönch 1988). Andererseits wird der Zusammenhang zwischen Wirkungstiefe und Effizienz aufgehoben, wenn eine rasche Problembewältigung nötig ist und umweltpolitisches Handeln mit geringer Wirkungstiefe als effizient angesehen wird (vgl. Prittwitz 1990: 69). 44

gegenübergestellt.120 Umweltpolitik ist nur dann effizient, wenn ein Nettonutzen entsteht und der Gesamtnutzen größer als direkte und indirekte Kosten ist. Nach dem Effizienzkriterium wird folglich größtmöglicher ökologischer Nutzen pro Kosteneinheit angestrebt.121 Als drittes Bewertungskriterium dient die administrative Handhabbarkeit des umweltpolitischen Instruments und damit die entstehenden öffentlichen Kosten und Erträge sowie Verteilungswirkungen und Durchsetzbarkeit.122

In der umweltrechtlichen und umweltökonomischen Literatur ist heute oft eine einseitige Ausrichtung feststellbar, die den Erfolg von Umweltpolitik lediglich von Wahl und Einsatz umweltpolitischer Instrumente abhängig macht und einzig unter das ökonomische Effizienzkritierium stellt. Eine derartig einseitige Analyse erscheint in der derzeitigen umweltpolitischen Debatte als stark überproportioniert und greift zu kurz.123 Auch wenn die Analyse der Vor- und Nachteile umweltpolitischer Instrumente ein wichtiges Thema ist, ist umweltpolitischer Erfolg noch von anderen Einflussfaktoren abhängig und die „top-down“-Perspektive der Instrumentendebatte fragwürdig, weil damit ein Bild staatlicher Steuerung in Form einer sehr einseitigen Staatsfixierung impliziert wird, die angesichts neuester Entwicklungen in der Policy-Forschung weitgehend als überholt gilt. Vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse in der Policy-Forschung urteilt Martin Jänicke wie folgt: „Die Instrumentenwahl ist generell für den Ausgang wenig erklärungsfähig, wenn die Stärke, Konfiguration oder Kompetenz der Akteure, ihre strategische Langzeitorientierung, ihre situativen und strukturellen Handlungsbedingungen und der Charakter des Problems ausgeklammert werden.“124 Daher gewinnen in der neueren Policy-Forschung neben dem Effektivitäts- und Effizienzkriterium als weiterer Aspekt die politischen Lernprozesse (policy-learning) zunehmend an Bedeutung. Ihm liegt die Vorstellung zugrunde, dass Politikerfolge nur beurteilt werden können, wenn ein adäquater Zeitrahmen, von mindestens zehn Jahren gewählt wird, und das Zusammenspiel akteursspezifischer, struktureller und situativer Faktoren im Zeitverlauf Lernprozesse bewirkt.125 Gerade in der Umweltpolitik scheinen derartige Lernprozesse längerfristig Ergebnisse und Er-

120 Vgl.

z.B. Wicke 41993: 401f.

121Darüber

hinaus kann die Verteilungsgerechtigkeit als Kriterium umweltpolitischen Handelns genommen werden, das allerdings einerseits sehr schwer zu beurteilen ist, andererseits auch in der derzeitigen umweltpolitischen Diskussion kaum eine Rolle spielt (vgl. Kern/Bratzel 1996: 31f) und daher hier vernachlässigt wird.

122 Vgl.

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) 1995: 9f.

123 Vgl.

Jänicke 1996: 11; Weiß 1996: 99.

124 Jänicke 125 Vgl.

1996: 11.

hierzu Sabatier 1993; Weale 1992. 45

folg von Umweltpolitik zu bestimmen. Die Schaffung umweltpolitischer Institutionen kann als Beitrag zu einem solchen Lernprozess verstanden werden. Lernprozesse helfen, Restriktionen der umweltpolitischen Steuerung, in Form einer in der Regel starken Machtposition der (industriellen) Verursacher von Umweltproblemen zu überwinden oder zu unterlaufen. Dabei wird eine Veränderbarkeit der aus ökologischer Sicht problematischen Verhaltensweisen der Verursacher unterstellt, da deren Interessenlagen im Zuge neuer Erkenntnisse und Situationen in gewissem Maße veränderbar scheint, wenn ökonomische Kerninteressen nicht berührt werden. Verhaltensänderungen können durch veränderte ökonomische Anreize, neues Wissen oder öffentlichen Druck ausgelöst werden. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Kommunikationsund Informationsprozesse, da ökologisch relevante Informationen in Entscheidungszentren transportiert werden müssen, um umweltpolitische Lernprozesse, die vor allem eine Frage der Kommunikationsbedingungen sind, anzustoßen.126

2.2.1.2 Umweltpolitische Handlungstypen und Instrumente Zielorientiertes umweltpolitisches Handeln kann unterschiedlich ausgerichtet sein. In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich eine grundlegende Unterscheidung durchgesetzt, die zwischen präventivem, aus dem Vorsorgeprinzip127 abgeleiteten, und kurativem nachholendem Umweltschutz differenziert. Bei letzterem handelt es sich um eine kurzfristige Symptombekämpfung und Gefahrenabwehr, die mit additativen technischen Lösungen auf Umweltbelastun-

126 Vgl.

Jänicke 1996: 12f.

127 Das

Vorsorgeprinzip gehört zu den drei grundsätzlichen Prinzipien der Umweltpolitik: Verursacher-, Vorsorgeund Kooperationsprinzip. Diese wurden mit den Beschlüssen der UN Conference on Environment and Development (UNCED), die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, international anerkannt (vgl. hierzu Keating 1993: x). Das Verursacherprinzip zielt im Gegensatz zum Gemeinlastprinzip darauf ab, Verursacher von Umweltschäden für diese zur Verantwortung zu ziehen (Buchwald/Engelhardt 1980: 76). Es ist allerdings oft schwierig das Verursacherprinzip anzuwenden, da die Schuldigen nicht immer eindeutig zu identifizieren sind und somit auch schwer haftbar zu machen sind. Die Anwendung dieses Prinzips ist folglich nicht immer durchsetzbar. Und tatsächlich wird es heute eher zurückhaltend angewendet (vgl. Wilhelm 1994: 40). Ebenso haben Vorsorge- und Kooperationsprinzip bisher eher geringe Bedeutung in der Umweltpolitik vieler Länder und bleiben weitgehend auf den theoretischen Ansatz beschränkt. Theoretisch ist das Vorsorgeprinzip in der Politikwissenschaft anerkannt und wird weitgehend befürwortet, wobei allerdings einige Autoren auch auf Gefahren hinweisen, die die Durchsetzung eines solchen Prinzips mit sich bringen könnten. Nach Wilhelm ist die Anwendung des Vorsorgeprinzips ist nicht uneingeschränkt positiv zu werten, da sie die Gefahr in sich birgt, Verfassungsgrundsätze auszuhöhlen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Staat nicht mehr unerlaubtes Verhalten verhindert, sondern nur noch vorbeugend Risiken minimiert, anstatt Risikoquellen zu beseitigen. Missbrauch kann insofern getrieben werden, dass sich der staatliche Informationsbedarf nicht nur auf Informationen zur Vorbeugung gegen Umweltsünder beschränkt, sondern die Überwachung normaler Bürger in allen Bereichen ermöglicht wird (vgl. Wilhelm 1994: 108-109). Ähnlich argumentiert auch Volker Prittwitz, wenn er von den „gesellschaftlichen Gefahren der Prävention“ spricht. Diese sieht er im Falle des präventiven Risikomanagements darin, dass das Management von ökologischen Risiken auf Experten zugeschnitten ist und die Öffentlichkeit weitgehend ausschließt und zudem Risikogefahren auch Alltagsstrukturen erfassen, die eigentlich außerhalb des Einflussbereichs von Experten und staatlicher Verwaltung liegen (vgl. Prittwitz 1990: 83f). Zum Schutze des Allgemeinwohls kann das staatliche Gewaltmonopol so individuelle Freiheiten beschränken. 46

gen reagiert und unter Einsatz von end-of-the-pipe-Technologien (z.B. Filteranlagen zur Emissionsreduzierung) Umweltprobleme nachträglich zu beseitigen versucht. Im Gegensatz dazu beabsichtigt die präventive Umweltpolitik im Sinne des Vorsorgeprinzips durch eine aktiv gestaltende, langfristig angelegte Politik, eine ökologisch verträgliche Weiterentwicklung wirtschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Strukturen zur Bekämpfung der Ursachen der Umweltbelastungen zu erreichen. Präventiver Umweltschutz zielt darauf ab, die Schadenkompensation mit Hilfe integrierter Technologien (z.B. emissionsarme Technologien) ex ante auszuschließen und die Notwendigkeit eines entsorgenden kurativen Umweltschutzes zu minimieren.128

Umweltpolitische Ziele werden durch den Einsatz spezifischer umweltpolitischer Instrumente zu erreichen versucht, die sich in einem Spannungsfeld zwischen Handlungszwang und Handlungsanreiz bewegen, wobei die staatliche Eingriffsintensität von Zwang zum Anreiz abnimmt.129 Die einzelnen Instrumente der Umweltpolitik lassen sich in zwei große Gruppen einteilen. Im Falle des klassischen ordnungsrechtlichen Instrumentariums werden anhand der gesetzlichen Vorgabe von bestimmten Mengenzielen, Grenzwerte und Standards durchgesetzt, indem der Staat entweder selbst Umweltschutz betreibt oder durch Verbote und Vorschriften private Unternehmen und Individuen zum Umweltschutz zwingt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass solche regulativen Eingriffe zur Ineffizienz neigen, oft von den Adressaten nicht akzeptiert werden und daher auf Widerstand stoßen und wenig förderlich für umwelt-technologische und umweltpolitische Innovationen sind. Daher werden heute zumindest rhetorisch immer stärker die so genannten „neuen umweltpolitischen Instrumente“ der indirekten Steuerung favorisiert, die im Gegensatz zu dem herkömmlichen gebietenden, verbietenden oder gestaltenden Verwaltungsakt influenzierend und motivierend wirken.130 Hierzu gehören vor allem ökonomische Instrumente, wie zum Beispiel Subventionen, handelbare Kompensations- und Zertifikatslösungen, Pfandsysteme und Vollzugssicherheiten, bei denen Firmen Beträge hinterlegen, die sie bei Einhaltung bestimmter Auflagen verzinst zurückerhalten. Darüber hinaus werden Umweltabgabenmodelle (Steuern), das Haftungsrecht und Verfügungsrechte angewandt. Im Gegensatz zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen basieren diese Instrumente auf dem marktwirtschaftlichen Konzept der Preissteuerung, das versucht, durch positive oder negative monetäre Anreize das Rentabilitätsstreben der Wirtschaft und des Individuums in den Dienst des Umweltschutzes zu stellen, indem umweltverträg-

128 Vgl.

Jänicke 1988: 16.

129 Vgl.

Prittwitz 1990: 78.

130 Vgl.

Kloepfer 1993: 329f. 47

liches Verhalten belohnt und umweltschädliches Verhalten finanziell bestraft wird.131 Den Adressaten wird so ein gewisser Entscheidungsspielraum gewährt.

Neben diesen ökonomischen Instrumenten werden im Rahmen des neuen indirekten Steuerungsinstrumentariums auch das so genannte „informale Verwaltungshandeln im Umweltschutz“132 bzw. „kooperative Verwaltungshandeln“133 angewandt. Hierbei legt zum einen der Staat durch unverbindliche Warnungen, Appelle und Empfehlungen dem Bürger ein umweltverträglicheres Verhalten nahe, ohne es mangels Rechtsgrundlage befehlen zu dürfen. Zum anderen können informelle Absprachen zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem privaten Sektor (Industrie und Wirtschaftsunternehmen) getroffen werden, die nicht an bestimmte rechtliche Voraussetzungen gebunden sind und von denen keine unmittelbare Rechtswirkung ausgeht. Absprachen können als Übereinkommen innerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens projektbezogen sein oder regulativ wirken und erübrigen eine schärfere Gesetzgebung.134 Der Staat setzt weniger auf Zwang als auf Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren und bietet Informations-, Bildungs- und Beratungsangebote zur Umweltbewusstseinsbildung an.

Ein entscheidender Nachteil dieser neuen Steuerungsansätze, die sich sowohl beim Einsatz ökonomischer Instrumente als auch beim partizipativen Ansatz der informellen und kooperativen Absprachen ergeben, besteht darin, dass zwischen Einsatz und Wirkung der Instrumente viel Zeit vergehen kann und es sich um eher langwierige Prozesse handelt.135 Bei akuten Umweltgefahren, wo rasches Handeln notwendig ist, ist dieser neue Instrumententypus daher unangebracht. In der langfristigen Perspektive allerdings verspricht er gegenüber den herkömmlichen ordnungsrechtlichen Instrumenten entscheidende Vorteile. So bewirkt die Steigerung der Akzep-

131 Vgl.

hierzu z.B. Wicke 41993.

132 Dieser

rechtswissenschaftliche Begriff wurde vor allem geprägt und auf den Umweltschutz angewandt von Bohne 1984.

133 Manfred

Bulling steht dem Begriff des informalen Verwaltungshandelns kritisch gegenüber, da er sachlich ungerechtfertigt "rechtlich oder ethisch nicht einwandfreie Praktiken" assoziiere und schlägt stattdessen den Begriff des "kooperativen Verwaltungshandelns" vor (vgl. Bulling 1989).

134 Vgl.

Kloepfer 1993: 332-335. Der Vorgehensweise des kooperativen Verwaltungshandelns liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Staat die Aufgaben im Bereich Umweltschutz nicht allein bewältigen kann und daher auf die Kooperation mit betroffenen und verursachenden Kreisen angewiesen ist. Damit kann Informationsrestriktionen, die durch komplexe Sachverhalte im Umweltbereich hervorgehoben werden, entgegengewirkt und Wissensmängel sowohl auf staatlicher als auch privater Seite behoben werden, Interessenkonflikte reduziert und die Suche nach Kompromisslösungen vorangetrieben werden. Nicht zuletzt können so auch Rechtsunsicherheiten ausgeräumt und Rechtsstreitigkeiten vermieden werden (vgl. Wedemeyer 1995: 3).

135 Vgl.

Wedemeyer 1995: 250. 48

tanz und Normbefolgung seitens der Adressaten durch freiwillige Entscheidungen die Vorbeugung von Vollzugsdefiziten. Darüber hinaus werden durch die Anreizwirkungen und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaftssubjekt das Innovationsstreben im Bereich der Umweltschutztechnologie gefördert und die Eigeninitiative der Industrie gestärkt, die Anstrengungen zur Folge haben können, die über die gesetzlichen Vorgaben hinaus reichen.

Umweltpolitische Handlungstypen können als Kombination von Zielbestimmung und Mitteleinsatz begriffen werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele, je nach umweltpolitischem Ansatz sind sie präventiv oder kurativ ausgeprägt, ihres Instrumenteneinsatzes, hinsichtlich der vorrangig verantwortlichen Akteure für die Durchführung umweltpolitischer Maßnahmen und in ihrer Wirkung. Volker von Prittwitz unterscheidet drei umweltpolitische Idealtypen: Gefahrenabwehr, Risikomanagement und strukturelle Ökologisierung.136 Der derzeit pragmatisch orientierte, weit verbreitete und in vielen Ländern praktizierte umweltpolitische Ansatz wird als „muddling through“137 bezeichnet und ist gekennzeichnet durch eine vorwiegend nachsorgende und medial orientierte Umweltpolitik, die vorrangig durch administrative Auflagenpraxis auf die nachträgliche Beseitigung von Umweltschäden abzielt. Ein solcher „muddling-through“-Ansatz ist von geringer bis mittlerer Wirkungstiefe und Wirkungsbreite. Defizite und eingeschränkte Wirksamkeit dieses Ansatzes ergeben sich aus der bisher weitgehend medialen Ausrichtung der Umweltpolitik, die zur inter-medialen oder sachlichen Problemverschiebung führt.138

136 Vgl.

hierzu Prittwitz 1990: 71-93.

137 Der

Begriff des „muddling through“ in Bezug auf die Umweltpolitik wurde schon sehr früh von Charles E. Lindblom im Jahr 1959 geprägt.

138 Vgl.

Simonis 1990: 80. Volker Prittwitz unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen verschiedenen Arten der Problemverschiebung, wobei insbesondere die räumliche und zeitliche Problemverschiebung (vgl. Prittwitz 1990: 64) hervorzuheben ist. Ein gutes Beispiel für räumliche Problemverschiebung ist die Politik der hohen Schornsteine und im internationalen Kontext Müllexporte und Verlagerung der Industrie in Länder mit geringeren Umweltstandards. Die Kernenergie ist ein Beispiel für zeitliche Problemverschiebung, da sie im Gegensatz zur fossilen Energiegewinnung zwar die Luft weniger verschmutzt, aber gleichzeitig Störfall-Risiken und Abfälle entstehen, die sich zukünftig negativ auf Umwelt und menschliche Gesundheit auswirken können. 49

2.2.2

Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess

2.2.2.1 Allgemeine Thesen zur Entwicklung von Umweltpolitik Zwei wichtige Thesen in der wissenschaftlichen Diskussion zur Entstehung von Umweltpolitik sind die Belastungs-Reaktionsthese bzw. Problemdruckthese einerseits und die Kapazitätsthese andererseits. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach den Faktoren, die den umweltpolitischen Policy-Zyklus anstoßen und weiterführen. Die Problemdruckthese139 geht davon aus, dass Umweltbelastungen von Teilen der Gesellschaft unübersehbar geworden sind und als Problem wahrgenommen werden, weil sie beispielsweise in kausalen Zusammenhang mit Krankheiten gesetzt werden können. Daraufhin werden Umweltprobleme als gesellschaftliche Probleme artikuliert und das politische System bzw. der Staat zum Handeln und zur Problemlösung aufgefordert. Die Perzeption der Umweltprobleme und deren Umsetzung in politischen Druck ist damit notwendige Bedingung für umweltpolitisches Handeln. Der kulturellen Orientierung einer Gesellschaft, die langfristig die Wahrnehmung der Umwelt durch Individuen und Gruppen und ihre Reaktion bestimmen, wird bei der Transformation von Ereignissen in „political issues“ und deren Platzierung auf der politischen Tagesordnung ein hoher Stellenwert zugestanden.140 Gleichzeitig wird aber auch auf die Bedeutung kurzfristiger Ereignisse und situativer Handlungsbedingungen141 hingewiesen. Denn sicherlich forcieren historische Schockerlebnisse wie Umweltkatastrophen und Umweltskandale entscheidend die Forderungen an die Regierung und bewirken zudem, dass andere politische Fragen kurzfristig in den Hintergrund treten.142 „Culture and ideology have long-term effects on how individuals perceive the world around them and respond to it. But in the short-run, concrete incidents stimulate interest, desire, or anxiety and alter the demands placed on governments. The interaction between collective values and shared events is the stuff out of which political issues are made."143 Als Indikatoren, die zeigen, dass Umweltprobleme zu „political issues“ geworden sind, führt Cynthia H. Enloe zum Beispiel die Präsenz der Umweltthematik in Medien und im Wahlkampf sowie die Tatsache an, dass sich Organisationen, Interessengruppen, Parteien, private Unter-

139 Vgl.

hierzu Mayer-Tasch 1985: 9; Jänicke/Mönch 1988: 390f.

140 Vgl.

hierzu Solesbury 1976; Enloe 1975.

141 Vgl.

Jänicke 1996: 24.

142 In

diesem Zusammenhang geht Cynthia H. Enloe von so genannten "issue webs" aus, durch die es zu einer Konkurrenz zwischen einzelnen politischen Themen kommt, so dass Umweltprobleme je nach dem entweder durch andere Probleme von der politischen Tagesordnung verdrängt werden oder aber sich kurzfristig in den Vordergrund schieben können (vgl. Enloe 1975: 40).

143 Enloe

1975: 21. 50

nehmen, aber auch bekannte Persönlichkeiten und Entscheidungsträger mit der Thematik beschäftigen.144

Eine rein funktionalistische Sichtweise im Sinne der Belastungs-Reaktionsthese, die davon ausgeht, dass umweltpolitisches Handeln als Reaktion auf ein objektiv gegebenes und subjektiv wahrgenommenes Problem folgt, greift allerdings zu kurz. Da schon die alltägliche Erfahrung zeigt, dass selbst bei vorhandenem Umweltbewusstsein und allgemeiner Erkenntnis der negativen Effekte der Umweltbelastung, noch lange nicht bedeutet, dass öffentliche Maßnahmen ergriffen werden, um Missstände zu beseitigen. Es reicht folglich nicht aus, dass bestimmte Umweltbelastungen von der allgemeinen Öffentlichkeit oder konfliktfähigen Gruppen als Probleme perzipiert und artikuliert werden, um so politischen Druck zu erzeugen und eine Reaktion auf die Umweltprobleme zu bewirken, indem Maßnahmen zu deren Beseitigung eingeleitet werden. Vielmehr kann davon ausgegangen, dass politischer Druck erst entsteht, wenn darüber hinaus zum einen die Lösung der Umweltprobleme vom politisch-administrativen System erwartet wird und zum anderen falls diese Erwartung enttäuscht wird, mit Reaktionen seitens der Betroffenen zu rechnen ist, die unter Umständen sogar das Bestandsinteresse des politisch-administrativen Systems berühren. Umweltpolitischer Problemdruck verändert sich demnach nicht unbedingt proportional zur tatsächlichen ökologischen Lage, sondern wird vielmehr durch gesellschaftliche, kulturelle und politische Faktoren beeinflusst, die die Problemperzeption, Problemlösungserwartung und Reaktionsbereitschaft der betroffenen Gruppen determinieren.145

Der Ansatz des „Katastrophenparadox“146 vertritt sogar die These, dass zivilisatorische Gefahren und Risiken gegenläufig ihrer Stärke wahrgenommen werden. „Eine umgekehrt proportionale Wahrnehmung und Handhabung zivilisatorischer Risiken bzw. Gefahren, mit anderen Worten, prozyklisches öffentliches Handeln, das vor sich gehende Katastrophen durch Nichtwahrnehmung verstärkt und bereits reduzierte öffentliche Risiken durch weitere Thematisierung zum anhaltenden Handlungsgegenstand macht, zeigt sich vielmehr so häufig, daß von einem Muster öffentlichen Handelns gesprochen werden kann.“147

144 Vgl.

Enloe 1975: 44.

145 Solche

Überlegungen stellte Fritz W. Scharpf (1977: 4) zur Entstehung von politischem Problemdruck an, der bei ihm durch ökonomische Probleme entsteht. Seine aufgestellten Thesen lassen sich gut auf die Umweltproblematik übertragen.

146 Prittwitz

1990, 1993.

147 Prittwitz

1993: 333. 51

Demzufolge kann es durchaus sein, dass hohe Belastungen nicht wahrgenommen werden und somit politisch nicht gehandelt wird, während niedrige Belastungen wahrgenommen werden und auf sie reagiert wird. Aber selbst wenn das Katastrophenparadox nicht eintritt, ist eine Ausweitung um strukturelle Faktoren bei der Erklärung von der Entstehung umweltpolitischen Handelns unumgänglich. Im Gegensatz zur funktionellen Sichtweise werden beim strukturellen Ansatz Probleme als Folge bestehender und sich veränderter Strukturen gesehen, die sich auch auf die Wahrnehmungsmöglichkeiten von Problemen auswirken können. So kommt es nach der Problemwahrnehmung nur zur Problemlösung, wenn strukturell die Möglichkeit der Problembewältigung besteht, d.h. es werden nur Probleme erkannt, die das System bewältigen kann bzw. für die die Voraussetzungen zur Problembewältigung in Form von Handlungskapazitäten gegeben sind.148 In diesem Zusammenhang definiert Volker von Prittwitz den Begriff der (Handlungs-)kapazität wie folgt: „Zur Kapazität in diesem Sinne können alle Sachverhalte oder Potentiale werden, die die Fähigkeit, öffentliche Aufgaben bzw. Probleme zu bewältigen, positiv beeinflussen, so ökonomische und technische, soziokulturelle und institutionelle Voraussetzungen. Bedeutung haben können aber auch Bedingungen der Wissensgewinnung, -verarbeitung, -kommunikation, -umsetzung, organisatorische, ja persönliche Handlungsvoraussetzungen einzelner Akteure.“149 Die Kapazitätsbindung des politischen Handelns betrifft dabei nicht nur das Verhalten einzelner Akteure, sondern gerade auch das Handeln von Gruppen, Teilsystemen und komplexen Systemen.150 Durch die Einführung des Begriffs der Handlungskapazität ist es möglich, situative, funktionalistische und strukturalistische Denkweisen miteinander zu verbinden, da er das Zustandekommen von (Umwelt-)Politik durch die Betonung der Handlungsvoraussetzungen, d.h. die technischen Voraussetzungen, die sozioökonomischen und politisch-institutionellen Strukturen der Gesellschaft sowie die situativen Bedingungen erklärt und dabei als funktionalistische Komponente die Fähigkeit zur Bewältigung der (Umwelt-)probleme in den Mittelpunkt gestellt wird.151 Das bedeutet, dass bestimmte technische Fertigkeiten und Anlagen und die dafür benötigten ökonomischen Ressourcen vorhanden sein müssen, um Maßnahmen zum Umweltschutz ergreifen zu können. Gleichzeitig müssen aber die politisch-institutionellen Strukturen so be-

148 Vgl.

Prittwitz 1994: 131-133.

149 Prittwitz

1994: 136.

150 Vgl.

Prittwitz 1993: 347.

151 Vgl.

Prittwitz 1993: 246; ders. 1992: 135. 52

schaffen sein, dass sie Wandlungsprozesse sowohl bezüglich des Umweltbewusstseins als auch hinsichtlich politischer Entscheidungsinhalte und -abläufe zulassen.152

In komplexen Modellen zur Erklärung der Entwicklung umweltpolitischen Handelns und diesbezüglichen Erfolgsaussichten werden die beiden Thesen des Problemdrucks und der Handlungskapazität miteinander verbunden. Zivilisationstheorien153 gehen davon aus, dass durch den technisch-ökonomischen Fortschritt der entwickelten Industriegesellschaften einerseits neue Risiken für die Menschen entstehen, andererseits in der Regel aber auch gleichzeitig neue soziale und politisch-institutionelle Strukturen entstehen, die einen Wandel der Entwicklung herbeiführen können. In diesem Zusammenhang haben Martin Jänicke und Harald Mönch eine Formel entwickelt, die mit Hilfe der Erklärungsfaktoren ökologischer Problemdruck, Wohlstandsniveau und einem weiteren Faktor xyz, wirksame Umweltpolitik bestimmen: Ökologischer Problemdruck + Wohlstandsniveau + xyz = Ausmaß wirksamer Umweltschutzanstrengungen. Der Faktor xyz beschreibt in erster Linie das politisch-institutionelle Handlungsfeld.154

2.2.2.2 Die Wirkung sozioökonomischer, soziokultureller und informationell-kognitiver Rahmenbedingungen auf umweltpolitisches Handeln Die Wirtschaftsleistung gemessen am Niveau der ökonomischen Entwicklung als Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf eines Landes wird als Indikator für eine erfolgreiche und effektive Umweltpolitik betrachtet und davon ausgegangen, dass sich mit ihrer Erhöhung in der Regel nicht nur die umweltpolitischen Notwendigkeiten erhöhen, sondern gleichzeitig auch die Sensibilität für Umweltprobleme und die Verfügbarkeit von Ressourcen zu deren Lösung ansteigt. Wirtschaftsleistung und Wohlstandsniveau haben so eine ambivalente Bedeutung für die Umweltproblematik, da sie mit negativen und positiven Umweltentwicklungen korrelieren. Die Vorstellung einer „umgekehrten U-Kurve“155, die besagt, dass mit steigendem Pro-Kopf-BIP die Umweltbelastung zunächst zunimmt, um ab einem bestimmten Wohlstandsniveau wieder zu sinken und damit eine Entkopplung von Wirtschaftstätigkeit und ökologischen Schäden 152 Vgl.

Prittwitz 1990: 109.

153 Als

Beispiel kann hier Becks Theorie der Risikogesellschaft dienen: „Während in der Industriegesellschaft die ‚Logik‘ der Reichtumsproduktion die ‚Logik‘ der Risikoproduktion dominiert, schlägt in der Risikogesellschaft dieses Verhältnis um. (...) Der Machtgewinn des technisch-ökonomischen ‚Fortschritts‘ wird immer mehr überschattet durch die Produktion von Risiken.“ (Beck 1985: 17). Doch durch die erfolgreiche Realisierung industrieller Modernisierungsprozesse bilden sich auch soziale und politisch-institutionelle Strukturen, die „zu einem Wandel der Grundlagen des Wandels“ führen. In der Risikogesellschaft entwickeln sich so nicht nur Notwendigkeiten, sondern auch Bedingungen der Möglichkeit zu einem reflexiven Wandel.

154 Vgl.

Jänicke/Mönch 1988.

155 Vgl.

hierzu Ricken 1995: 486f. 53

und damit eine Entkopplung von Wirtschaftstätigkeit und ökologischen Schäden stattfindet, lässt sich allerdings nur für bestimmte Teilbereiche der Umweltbelastung verifizieren. Empirische Studien belegen, dass diese These sicherlich für die Luft- und Wasserverschmutzung in vielen Industrieländern zutrifft, wo in den letzten Jahren ein Rückgang der Verschmutzung dieser Umweltmedien zu beobachten war. Darüber hinaus gibt es Umweltprobleme, die bei steigendem Einkommen an Gewicht verlieren, beispielsweise durch Zunahme öffentlicher Leistungen wie die Abwasserbeseitigung. Dennoch gibt es auch Umweltprobleme, die sich gerade mit der Zunahme des Wohlstandniveaus verschlimmern, ohne dass eine Kehrtwende in Sicht ist. Dies war bisher bei der Zunahme von Emissionen und Müllproblemen der Fall, wo kein Gipfelpunkt mit anschließendem Rückgang der Abfallproduktion zu erwarten ist.156 Damit ist die Annahme eines Automatismus, der sich hinter dem Slogan „getting rich, getting clean“ verbirgt, so nicht richtig, da bislang empirische Untersuchungen noch keinen generellen Trend einer wohlstandsbedingten Umweltentlastung belegen konnten.157 Global gesehen ist ein Aufholen der Entwicklungsländer ohnehin problematisch, wenn man den Globalberichten glaubt, die die Tragfähigkeit des Ökosystems Erde als begrenzt ansehen und in der Fortsetzung bisheriger Wachstumsprozesse mit dem derzeitigen Ausmaß an Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung eine langfristige Überziehung physikalischer und biologischer Grenzen sehen, die schließlich zu irreversiblen Folgen, wenn nicht gar zum Zusammenbruch des Ökosystems Erde führen könnte, falls nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.158

Angesichts dieser Erkenntnisse ist neben der Wirtschaftsleistung die Wirtschaftsstruktur als weiterer Indikator zu beachten. So kann ein wirtschaftlicher Strukturwandel, etwa durch die Verschiebung der Wirtschaftsaktivitäten aus dem Industrie- in den Dienstleistungssektor, umweltentlastend wirken. Ein solcher Strukturwandel, der bisher oft durch wirtschaftliche Krisen, wie beispielsweise den Anstieg der Ressourcen- und Energiepreise während der Ölkrise 1973, hervorgerufen wurde, brachte die Notwendigkeit eines effizienteren Ressourceneinsatzes mit sich und trieb den Einsatz erneuerbarer Energieträger voran. Umweltentlastende Gratiseffekte („ökologische Gratiseffekte“) entstehen, wenn die Zuwachsrate der Input-Faktoren, von denen negative Effekte auf die Umwelt ausgehen, geringer ist als die des Bruttosozialprodukts. Die mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel einhergehenden Entkopplungsprozesse sind in vielen entwickel-

156 Vgl.

Weltbank 1992: 13; Auch Christian Ricken stellt fest, dass die These der „umgekehrten U-Kurve“ nicht für alle Umweltprobleme, wie z.B. das Müllproblem, zutrifft (vgl. Ricken 1995: 494).

157 Vgl.

Jänicke/Mönch/Binder 1996: 131.

158 Vgl.

z.B. Meadows161994; Meadows/Meadows/Randers 71995. 54

ten Ländern, insbesondere in Schweden und Japan, in den letzten Jahrzehnten beobachtbar.159 Umweltpolitisch erfolgreicher sind Länder die wirtschaftlich leistungsfähiger sind und von einem Strukturwandel zugunsten ressourceneffizienten Wirtschaftens gekennzeichnet sind.160

Bei der Betrachtung sozioökonomischer Faktoren sind demografische Begebenheiten nicht zu vernachlässigen.161 Indikatoren, wie Bevölkerungsdichte, räumliche Verteilung und Art der Agglomeration der Bevölkerung gewinnen dann an Bedeutung, wenn sie in Beziehung zu Ressourcenvorkommen und Ressourcennutzung gesetzt werden. Ein rasches Bevölkerungswachstum erhöht den Druck auf die natürliche Ressourcenbasis und wirkt sich negativ auf die Umwelt aus, da sich dort Systeme der Ressourcenbewirtschaftung nicht so schnell anpassen können, um Raubbau zu verhindern. Die weltweite Tendenz zur Konzentration der Bevölkerung auf Stadtregionen hat zudem die Folge, dass es nicht gelingt der wachsenden Bevölkerung in Ballungsgebieten eine angemessene Infrastruktur und Grundversorgung anzubieten und sich daher vor allem durch Probleme der Abfall- und Abwasserentsorgung die Umweltbelastung verschärft.162

Neben sozioökonomischen Faktoren wirken sich auch historischer Kontext und soziokulturelle Werte einer Gesellschaft auf Einstellung und Verhalten der Individuen gegenüber der Umwelt aus und beeinflussen damit die Kapazitätenbildung im Umweltbereich.163 Schon Ronald Inglehart hat mit seiner These zum postmaterialistischen Wertewandel auf den Einfluss soziokultureller Faktoren bei der Umweltbewusstseinsbildung hingewiesen. Danach treten im Zuge der wachsenden Befriedigung materieller Grundbedürfnisse diese mehr und mehr in den Hintergrund und die gesellschaftlichen Werte und Prioritäten ändern sich insofern, als dass die so genannten postmaterialistischen Werte, zu denen auch eine gesunde Umwelt gehört, an Bedeutung gewinnen.164 Umweltbewusstsein weist als Wertsystem eine Kombination von einzelnen Werten auf, die das Beziehungsmuster zwischen Mensch und Natur ergeben. Zu diesen einzelnen Werten zählen nicht nur der Schutz der Natur und Einordnung in die Natur, sondern auch der Schutz vor der Natur und Herrschaft über die Natur.165 Umweltpolitisch relevante Normen in Form 159 Vgl.

Simonis 1990: 75-79.

160 Vgl.

hierzu Jänicke/Mönch 1988: 395-399.

161 Vgl.

Kern/Bratzel 1996: 41.

162 Vgl.

Weltbank 1992: 10.

163 Vgl.

OECD 1994: 12.

164 Vgl.

Inglehart 1989: 331-342. Zur Umweltkrise und Wertwandel siehe auch Hillmann 1981. Umweltschutz ist aber nicht nur „postmaterialistischer“, sondern aus ökonomischer Sicht auch ein handfester „materieller“ Wert, insofern natürliche Ressourcen und eine intakte Umwelt als Kapitalstock bewertet werden, den es aus rein materialistischen und Reproduktionsinteressen zu erhalten gilt.

165 Vgl.

Prittwitz 1990: 133f. 55

einer „neuen Umweltmoral“166, wie sie oft in der Nachhaltigkeits-Debatte gefordert wird, eignen sich zur Überwindung der Dilemmata, die aus eigennützig-rationalem Verhalten der Akteure resultieren. Damit Normen eingehalten werden ist eine Überwachung und Sanktionierung von Normverletzungen notwendig. Die Verbindlichkeit, mit der Normen eingehalten werden, wird von Kosten bestimmt, die bei Missachtung zu erwarten sind. Überwachung und Sanktionierung von Verstößen gegen vereinbarte Normen sind innerhalb kleiner Gruppen mit festen sozialen Beziehungen einfacher als in anonymen großen Kollektiven.167 Während die Bedeutung von Umweltnormen für moderne Gesellschaften daher beschränkt bleibt168, können sie in anderen Gesellschaftstypen, wo die Gemeinschaft überschaubar ist und persönliche Beziehungen noch eine wichtige Rolle spielen, durchaus relevant sein.

Nach Martin Jänicke wirken sich kulturelle Faktoren zwar als Hintergrundvariable auf das Umweltbewusstsein aus, dürfen aber nicht überschätzt werden. Wichtiger und aussagekräftiger als kulturelle Orientierungen einer Gesellschaft sei für die Umweltpolitikanalyse hingegen die Untersuchung informationeller und kommunikativer Fähigkeiten, die so genannten informationellkognitiven Handlungsbedingungen.169 Das Wissen über die Umwelt und die Bedingungen unter denen es gewonnen, verbreitet, interpretiert und angewandt wird, wird damit zur notwendigen Voraussetzung für die Umweltbewusstseinsbildung. Eine wichtige Rolle spielen die Bereitschaft und Leistungsfähigkeit wissenschaftlicher Institutionen und Mediensysteme, sich mit neuen Problemen, wie der Umweltbelastung, zu beschäftigen und sie wissenschaftlich und populär aufzubereiten.170 Dabei geht es neben der quantitativen Fähigkeit zur Erzeugung und Verbreitung von Umweltinformationen, um umweltpolitische Lernprozesse, die die kognitive Seite des Umweltwissens betreffen. Die Qualität der Umweltberichterstattung, d.h. welche Umweltinformationen erhoben werden und wie mit diesem Wissen umgegangen wird, ob gehandelt wird oder nicht, hängt von den Deutungsmustern und ihren immanenten Bewertungen ab, die vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessenlagen und Definitionsmacht entstehen und den gesellschaftlichen Umweltdiskurs dominieren. Otto Keck stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass es aufgrund von Informationsrestriktionen, die durch Störungen im Informationsfluss zwischen den Akteuren und Verzerrungen des „feedbacks“ entstehen, zu Verzögerungen im umweltpolitischen Handlungszyklus kommt. Derartige Informationsrestriktionen ergeben sich

166 Weiß

1996: 91.

167 Vgl.

Frey 1990: 45ff.

168 Vgl.

Mohr 1992: 110.

169 Vgl.

Jänicke 1996: 20.

170 Vgl.

OECD 1994: 13f. 56

nicht nur aufgrund des unzureichenden Wissens über die Komplexität natürlicher und gesellschaftlicher Realität und der im Vergleich dazu beschränkten Kapazität des Menschen zur Aufnahme und Verarbeitung der Information (unvollständige Information), sondern auch aus akteursbezogenen Situationen der asymmetrischen Information, die zu einem unterschiedlichen Wissensstand und Verfügung über Informationen sowie subjektiver Wahrnehmung und Interpretation von Umweltproblemen bei Akteuren führen. Das Problem der unvollständigen und asymmetrischen Information spielt sowohl bei der Problemwahrnehmung als auch bei der Erfassung und Bewertung von Handlungsalternativen eine wichtige Rolle. Gerade im Politikfeld „Umweltschutz“ können Zielkonflikte mit anderen gesellschaftlichen Zielen (z.B. Wirtschaftswachstum) vorliegen. So wird dem Umweltschutz oft nur auf der verbal-rhetorischen Ebene als wichtiges gesellschaftliches Ziel hohe Priorität eingeräumt, doch sobald es um die Umsetzung konkreter Maßnahmen geht, haben andere gesellschaftliche Ziele Vorrang. Bei der Implementierung umweltpolitischer Maßnahmen besteht die Gefahr, dass das politisch-administrative System das Unwissen und Informationsrestriktionen auf Seiten der Bürger über Einzelheiten der Gesetze und Verordnungen ausnutzt und bei konkreten Vorschriften stets genügend Ermessensspielräume einbaut, so dass bei der Durchführung auch auf Maßnahmen verzichtet werden kann und es bei verbaler symbolischer Politik bleibt.171 Kommt es aber zur tatsächlichen Durchsetzung umweltpolitischer Maßnahmen unterscheiden sich diese je nach vorherrschendem Deutungsmuster in ihrer Wirkungstiefe. Eine Politik, die sich lediglich an offensichtlicher Verschmutzung orientiert, reagiert darauf mit nachsorgendem Umweltschutz unter Verwendung von „end of the pipe“-Technologien. Besteht hingegen eine komplexere Sichtweise der Mensch-UmweltBeziehungen, wie dies der Fall beim Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist, wird eine eher präventive und auf effizientes Ressourcenmanagement ausgerichtete Umweltpolitik angestrebt.172

171 Vgl.

Keck 1988: 119f. Otto Keck sieht die Ursache solcher umweltpolitischen Defizite in Informationsrestriktionen und schlägt daher deren Abbau vor. Dieser kann durch Produktion und Verbreitung von Wissen durch wissenschaftliche Forschung und dessen Popularisierung durch Medien vorangetrieben werden, um so das Reaktionsvermögen des politisch-administrativen Systems zu verbessern. Außerdem müssen Anreize für Akteure geschaffen werden, damit diese vorhandenes Wissen zur Kenntnis nehmen, dessen Gültigkeit nicht bestreiten, Wissen nicht zurückhalten oder in verzerrter Form weitergeben (vgl. Keck 1988: 121f.).

172 Vgl.

Jänicke 1996: 24; Jänicke/Weidner 1997: 12. 57

2.2.2.3 Die Wirkung politisch-institutioneller Rahmenbedingungen auf umweltpolitisches Handeln Sozioökonomische Faktoren und informationell-kognitive Faktoren sind zwar notwendige aber keine hinreichenden Erklärungsfaktoren für Entstehung und Ausmaß umweltpolitischen Handelns. Vielmehr müssen darüber hinaus politisch-institutionelle Faktoren als Determinanten zur Erklärung von Umweltpolitik herangezogen werden. In einer Reihe von Untersuchungen wurde festgestellt, dass politische Institutionen sogar eher als ökonomische Faktoren, wie die Ausstattung mit finanziellen Ressourcen, die Umweltpolitik und das Erlassen von Regulierungen gegen deren Verschmutzung bestimmen.173 Die Frage nach politischen Steuerungsmöglichkeiten zur Lösung von Umweltproblemen rückt damit in den Mittelpunkt des umweltpolitischen Forschungsinteresses. Neben den Charakteristika politischer Systeme und ihrer im Umweltbereich tätigen staatlichen Institutionen werden immer mehr auch gesellschaftliche Akteure berücksichtigt, die mit staatlichen Akteuren in Interaktion treten und zusammen mit diesen neue Akteurskonstellationen in Form von Politiknetzwerken bilden.

Seit den 70er Jahren beschäftigt sich die hauptsächlich normativ geführte wissenschaftliche Diskussion mit der Frage, welche politischen Systemstrukturen, seien sie zentral oder dezentral, eher zur Lösung ökologischer Probleme beitragen könnten. Bei den Befürwortern des zentralistischen Ansatzes reichen die Vorschläge von der zentralisierten Verwaltung174 bis zum autoritären politischen System175 als effektivste Möglichkeit, der ökologischen Herausforderung zu begegnen. Wo hingegen die Befürworter der dezentralen Alternative176, die derzeit den wissenschaftlichen Diskurs dominiert, in erster Linie die positive Wirkung dezentraler Verwaltungsstrukturen auf Partizipation und Engagement gesellschaftlicher Kräfte als wichtige Voraussetzung für effektives umweltpolitisches Handeln betonen.177 Ihrer Meinung nach kann nur in einer „offenen“ Gesellschaft, die sich durch dezentralisierte, diskursive „social choice“ Strukturen auszeichnet, die notwendigen substantiellen institutionellen Veränderungen hervorbringen, die zur Lösung ökologischer Probleme unerlässlich erscheinen.178 Partizipative Strukturen und Offenheit der Willensbildungsmechanismen wie sie in demokratischen Systemen gegeben sind, werden daher von vielen Autoren als besonders Erfolg versprechend für eine effektive Umwelt-

173 Vgl.

z.B. hierzu Congleton 1992: 412ff.

174 Siehe

hierzu Heilbroner 1974.

175 Siehe

hierzu Ophuls 1977.

176 Siehe

z.B. Schumacher 21995.

177 Vgl.

Dryzek 1987: 246f.

178 Vgl.

hierzu Orr/ Hill 1979. 58

politik angesehen.179 Roger D. Congleton kam bei einem Vergleich zwischen autoritären Systemen und Demokratien zu dem Schluss, dass unter anderem autoritäre Entscheidungsträger angesichts ihrer unsicheren Karrieren weniger risikofreudig sind. Sie legen ihren Entscheidungen einen kurzfristigeren Zeithorizont zugrunde als Entscheidungsträger in demokratischen Systemen und neigen daher weniger dazu, strengere Umweltstandards zu erlassen als Demokratien.180 Die Umweltfreundlichkeit eines demokratisch-parlamentarischen Systems ist allerdings insofern zu relativieren, als dass dezentrale und demokratische Strukturen der Willensbildung und Entscheidungsfindung lange Zeit in den entwickelten Ländern institutionelle Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und für die Förderung der Industrialisierung zu Lasten der Natur waren. Der Zusammenhang zwischen Demokratie und Umweltschutz ist also weniger zwingend, da demokratische Strukturen sich für effektives umweltpolitisches Handeln erst förderlich erweisen, wenn Umweltprobleme von gesellschaftlichen Gruppen thematisiert und politisiert werden. Demokratische Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Presse-, Versammlungs-, Organisations- und Demonstrationsfreiheit ermöglichen es gesellschaftlichen Akteuren, sich als Interessengruppen zu formieren und umweltpolitische Forderungen zu artikulieren und an das politische System heranzutragen.181 Solche partizipative Strukturen kommen jedoch erst zur Geltung und dem umweltpolitischem Handeln zugute, wenn die integrative Kapazität des politischen Systems entwickelt ist, da die Beachtung langfristiger Ziele eine integrative Politik voraussetzt, die in der Lage ist, die vielfältigen Interessen am politischen Entscheidungsprozess beteiligter Akteure zu koordinieren.

179 Vgl.

z.B. Zilleßen u.a. 1993; OECD 1995. Umweltpolitik wird aber nicht nur durch Institutionen beeinflusst, sondern wirkt auch auf diese zurück. In entwickelten, demokratischen Industrieländern durchgeführte Studien zeigten, dass die Umweltfrage zur Erweiterung partizipativer Kapazitäten moderner Demokratien beigetragen hat (vgl. z.B. Paehlke 1990; Weidner 1992; Jänicke 1993). In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus auf eine besondere Form der Partizipation, dem rechtlichen Klageweg hinzuweisen. Die Offenheit des Rechtssystems für die Wahrnehmung von Umweltschutzinteressen hatte in umweltpolitischen Vorreiterländern eine große Bedeutung.

180 Vgl.

Congleton 1992: 421. Zu dem Schluss, dass demokratische Staaten eher eine wirksame Umweltpolitik betreiben als Diktaturen, kommt auch Uday Desai. Nach Desai sprechen für diese These Studien über die Transformation der politischen Systeme und ihre Wirkung auf die Umweltpolitik in den ehemaligen sozialistischen Staaten in Osteuropa und der UdSSR. Darüber hinaus werden auch nicht-kommunistische autoritäre Staaten, wie Nigeria und Indonesien als Beispiele nicht gerade für eine umweltfreundliche Politik angeführt (vgl. Desai 1998: 10).

181 Vgl.

Prittwitz 1990: 175; Desai 1998: 10f. 59

Die Integrations- und Strategiefähigkeit eines Staates hebt Martin Jänicke als wichtigen Teil seines theoretischen Konzepts der „Modernisierungskapazität“182 eines Staates hervor. Die Modernisierungskapazität hängt nicht nur von staatlichen Steuerungsleistungen und Innovationsfähigkeit ab, sondern wird zusätzlich bestimmt durch die Indikatoren Konsens-, Integrations- und Strategiefähigkeit. Für den Erfolg von Umweltpolitik förderlich erscheinen ihm in diesem Zusammenhang neben dezentralen Innovationsfaktoren in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, ein integrierender konsensual kooperativer Politikstil im neokorporatistischen Sinn sowie eine Politik und politische Institutionen, die sich an langfristig als unumgänglich erachteten Problemlösungen orientieren und auch durchsetzen.183 Die Integrationsfähigkeit des Staates ist wichtige Voraussetzung für einen kooperativen Politikstil und soll hier besonders hervorgehoben werden. Dabei wird zwischen der externen Integration zwischen staatlichen umweltpolitischen Institutionen und nichtstaatlichen Akteuren und der Integration innerhalb des politischadministrativen Systems unterschieden.184 Wie bereits im Rahmen der neuen umweltpolitischen Instrumente erwähnt, geht es bei der „externen Integration“ um die frühzeitige und lang andauernde Beteiligung von Zielgruppen bzw. Verursachern und Betroffenen der Umweltbelastung sowie der Öffentlichkeit am Entscheidungsverfahren, die von der Entscheidungsvorbereitung bis zur Durchführung dauern sollte. Die Einbindung gesellschaftlicher Akteure trägt zur gesamtgesellschaftlichen Legitimation umweltpolitischer Entscheidungen bei und wirkt sich positiv auf die Durchsetzung der getroffenen Entscheidung aus. In westlichen Industrieländern hat sich der Einsatz für gesellschaftlich breit angelegte Verhandlungen als förderlich für den Erfolg umweltpolitischer Verfahren erwiesen.185 Gleichzeitig besteht allerdings die Gefahr, dass durch einen solchen partizipativen Ansatz die Kosten des Verfahrens ansteigen und Entscheidungsprozesse verzögert oder gar gelähmt werden können.186 Daher sind partizipative Entscheidungs- und Vermittlungsverfahren nicht bei jedem Umweltproblem, insbesondere nicht bei jenen, bei denen rascher Handlungsbedarf besteht, angebracht.187

182 Unter

Modernisierungskapazität versteht Martin Jänicke die Fähigkeit eines Staates und seiner Gesellschaft, Krisen in höhere Entwicklungsniveaus umzusetzen und auf entstehende Problemlagen sachlich und zeitgemäß zu reagieren bzw. vor ihnen zu versagen (vgl. hierzu Jänicke 1978; Jänicke/Mönch 1988).

183 Vgl.

Jänicke/Mönch 1988: 401; Jänicke 1991: 9.

184 Vgl.

Jänicke/Weidner 1997: 13.

185 Vgl.

Zilleßen u.a. 1993: 322.

186 Vgl.

Weltbank 1992: 19.

187 Je

nach umweltpolitischem Handlungstyp sind demokratische Systemstrukturen förderlich oder nicht, wenn nicht sogar hinderlich. Bei der Gefahrenabwehr sind langwierige demokratische Entscheidungsprozesse nicht angemessen, wenn nicht sogar hinderlich, da angesichts akuter Notsituationen rascher Handlungsbedarf besteht, der durch große Verfügungsgewalt staatlicher Handlungsinstanzen gefördert wird. Ebenso stehen beim Risikomanagement situative Zwänge und Expertenorientierung demokratischer Willensbildung entgegen. Die strukturelle Ökologisierung hingegen begreift alle Individuen als potenzielle Träger des Werte- und Strukturwandels und setzt damit Bürgerbeteitligung und Diskussion voraus, so dass dieser umweltpolitische Handlungstyp eine 60

Neben der „externen Integration“ spielt auch die Kooperation innerhalb des politischadministrativen Systems eine wichtige Rolle. Peter Knoepfel unterscheidet hier noch einmal zwischen „Intra-policy-Cooperation“ und „Interpolicy Cooperation“188. Im Rahmen der „Intrapolicy-Cooperation“ wird in vielen Staaten spätestens seit der UNCED die medienübergreifende Verknüpfung innerhalb der Verwaltungsstrukturen des Politikfeldes Umwelt praktiziert oder zumindest angestrebt. Dies schließt die Koordination der Umweltpolitik auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems mit ein. Die „Interpolicy Cooperation“ berücksichtigt die Tatsache, dass es sich beim Umweltschutz um eine Querschnittsaufgabe handelt, die nach Koordinations- und Kooperationsstrukturen verlangt, um eine Vernetzung zwischen der Umweltbehörde mit anderen Bereichen umweltrelevanter Politiken herzustellen und Umweltaspekte in Fachplanungen anderer Ressorts einzubinden. Die Integrationsfähigkeit innerhalb des politischadministrativen Systems hängt davon ab, ob das Umweltfachressort die Möglichkeit hat, andere Ressorts, die nahezu ausschließlich ressortgebundene Ziele verfolgen, zu beeinflussen und eigene Entscheidungen auch gegen Widerstand durchzusetzen.189 Tatsächlich erweist sich dies als sehr schwierig, da gerade bei der Umweltpolitik interne Restriktionen des politischadministrativen Entscheidungssystems wirksam werden können. Wegen fehlender oder einseitiger Anreizsysteme für Handlungspersonen neigen Ressorts aber zur Weiterverfolgung und Unterstützung bereits verfestigter Programme. So wird es schwer, umweltpolitische Innovationen und Reformen durchzusetzen. Letztlich besteht Gefahr, dass Umweltpolitik als isolierte Fachpolitik betrieben wird in Konkurrenz mit anderen politischen Programmen tritt, und im Kampf um Budgetanteile den Widerstand bei anderen Ministerien hervorruft.190 Darüber hinaus gibt es Überschneidungen mit Zuständigkeiten anderer Ressorts, da umweltpolitische Aufgaben weiterhin auch in anderen Ministerien anfallen und es zu einer Überlappung von Aufgaben kommt. 191 Die Problemstruktur der Umweltbelastung stellt unterschiedliche funktionale Anforderungen an die Organisation von Umweltbehörden. So besteht bei akuten Umweltgefahren und Katastrophen rascher Handlungsbedarf und eine als zentrale Task Force organisierte Umweltbehörde erscheint als sinnvollste Organisationsform. Als Querschnittsaufgabe beschäftigt sich Umweltpolitik mit Problemen, die quer und in der Regel übergreifend zu den funktional gegliederten Aufgabenbereichen

und

Kompetenzen

einzelner

Ministerien

liegen.

Die

Integration

demokratisierende Wirkung auf die politischen Willensbildungsprozesse und -strukturen hat (vgl. Prittwitz 1990: 180). 188 Knoepfel

1993: 17-19.

189 Vgl.

Kern/Bratzel 1996: 45f.

190 Vgl.

Ewringmann/Zimmermann 1978: 67.

191 Vgl.

Hucke 1985: 437. 61

umweltpolitischer Aufgaben in ein einziges Ministerium kann daher nicht vollständig gelingen. In diesem Fall scheint eine dezentral-integrierte Umweltorganisation die optimale Lösung. Dieses Dilemma versuchten viele Länder zu lösen, indem sie eine Kombination beider Organisationsformen umweltpolitischen Handelns durchsetzten und sowohl spezielle Umweltbehörden einrichteten als auch dezentrale Umwelteinheiten in andere Behörden und Ministerien integrierten.192

Damit ist die Institutionalisierung von Umweltpolitik als wichtige Voraussetzung für umweltpolitisches Handeln angesprochen.193 Denn dadurch gewinnen Umweltschutzinteressen an Einfluss im Entwicklungsprozess von Politik und Programmen innerhalb des politisch-administrativen Systems. Selbst wenn Umweltschutzinteressen nur als Beteiligte im üblichen Koordinierungsprozess zugelassen werden, steigen mit der Institutionalisierung die Chancen der positiven Interessendurchsetzung.194 Die Institutionalisierung von Umweltpolitik beschreibt die Entstehung und Entwicklung neuer staatlicher Institutionen des Umweltschutzes, die entstehen sobald Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch zum politischen Gegenstand und Umweltschutz als Zielwert der Gesellschaft anerkannt wird und die sich als dauerhafte Verwaltungsstrukturen und Verfahren mit kontinuierlicher Tätigkeit etablieren.195 Durch die Schaffung neuer administrativer Organe und die institutionelle Ausdifferenzierung der Umweltpolitik196 entstehen spezielle umweltpolitische Akteure, die die Bedeutung des Umweltschutzes als Aufgabe staatlicher Politik institutionell festigen und die eine Steigerung der umweltrelevanten Aufmerksamkeits- und Problembearbeitungskapazitäten des politischen Systems bewirken. Zu diesen neu geschaffenen umweltpolitischen Akteuren gehören Institutionen, wie ein Umweltministerium als oberste Verwaltungsorganisation, ein Umweltamt oder ein Umweltexpertengremium.197 Darüber hinaus werden formal-rechtliche Institutionen errichtet. Im Umweltrahmengesetz werden in der Regel 192 Vgl.

Prittwitz 1990: 188.

193 Vgl.

Daele 1996: 435.

194 Vgl.

Mayntz/Scharpf 1973: 142.

195 Generell

beschreibt Institutionalisierung den Prozess, durch den eine Organisation an Legitimität und Routine gewinnt, so dass Personen in dieser Organisation und ihre Beziehungen zueinander nicht mehr durch personelle Vorlieben bestimmt sind, sondern reguläre Muster bilden (vgl. Enloe 1975: 80).

196 Die

folgende Typologisierung der umweltpolitischen Institutionen erfolgt in Anlehnung an Jörgens 1996: 62ff.

197 Die

wichtigsten Funktionen des Umweltministeriums sind Gesetzesvorbereitung, Festlegung von Umweltstandards, Implementierung umweltpolitischer Programme, Forschung und Beratung sowie die Repräsentation auf internationaler Ebene. Das Umweltamt ist für die Beobachtung und Evaluation der Umweltsituation und -politik sowie für die Sammlung und Veröffentlichung von Umweltdaten verantwortlich, und nimmt Forschungs- und Beratungsfunktionen wahr. Darüber hinaus gibt es in vielen Ländern ein Umweltexpertengremium in Form eines unabhängigen wissenschaftlichen Rats von Sachverständigen, der als Mittler zwischen politischem und Wissenschaftssystem fungiert und somit den relativ unabhängigen Einfluss der Wissenschaft auf die Politik in-

62

die Ziele und Prinzipien der Umweltpolitik formuliert, umweltpolitische Zuständigkeiten geregelt und umweltrelevante Einzelgesetze integriert. Mit der Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel in der Verfassung verpflichten sich der Staat und seine politischen Akteure auf umweltschützendes Handeln. Es werden allgemeine Verfahrensregeln aufgestellt und so das Ziel des Umweltschutzes gegenüber konkurrierenden politischen Zielen gestärkt. Darüber hinaus hat die Verankerung des Umweltschutzes in die Verfassung eine „Edukationsfunktion“, die weit über den staatlichen Bereich hinausgeht und von der eine Steigerung des Umweltbewusstseins in der Gesellschaft erwartet wird.198 Die regelmäßige Veröffentlichung eines Umweltberichts, soll einerseits die Bevölkerung über Umweltprobleme und Umweltpolitik aufklären und informieren und ihr andererseits ein Instrument zur Kontrolle der politischen Akteure geben.

Der Aufbau spezifischer umweltpolitischer Institutionen ist nicht nur ein wichtiger Faktor beim Zustandekommen staatlicher Umweltpolitik, sondern stellt auch eine notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Erfolgsbedingung von Umweltpolitik dar.199 Der umweltpolitische Erfolg ist sicherlich nicht lediglich mit der Einrichtung einer Behörde oder der Verabschiedung eines Gesetzes zu erklären. Die einzelnen staatlichen Institutionen wie Umweltministerium, Expertengremium und Umweltrahmengesetz ergeben je nach Konstellation bestimmte Institutionenprofile, die anhand von Indikatoren detaillierter untersucht werden müssen, um den umweltpolitischen Erfolg zu erklären. Diese Indikatoren sind Zeitpunkt und Umfang umweltpolitischer Institutionalisierung auf zentralstaatlicher Ebene, aber auch Spannweite und Kontinuität, die beschreiben in welchem Zeitraum die Institutionalisierung (vorläufig) abgeschlossen wird, und ob es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt oder dieser mit Rückschritten verbunden ist. Förderlich für den Erfolg von Umweltpolitik ist ein integriertes Gesamtsystem einzelner Institutionen mit klar abgegrenzten Zuständigkeiten, die das gesamte umweltpolitische Aufgabenspektrum abdecken. Darüber hinaus sind auch personelle und finanzielle Stärke sowie fachliche Kompetenz administrativer Institutionen zu berücksichtigen.200 Die Erfahrung zeigt, dass eine auf hoher administrativer Ebene angesiedelte Umweltbehörde mit der Kompetenz, Maßnahmen zu ergreifen und deren Durchführung in allen Sektoren zwischen einzelnen Behördeneinheiten zu koordinieren und zu überwachen, sich positiv auf Konsistenz und Effizienz umweltpolitischer

stitutionalisiert. Ein solches Gremium beobachtet und evaluiert die Umweltsituation und die Umweltpolitik, vergibt Gutachten und Forschungsaufträge und betreibt Politikberatung. 198 Vgl.

Michel 1988: 279.

199 Vgl.

Jänicke 1990: 215-128.

200 Vgl.

Jörgens 1996: 109. 63

Maßnahmen auswirkt.201 Die positive Wirkung lässt sich insofern verstärken, indem eine intersektorale Institutionalisierung des Umweltschutzes nicht auf den staatlichen Sektor beschränkt bleibt, sondern weit in gesellschaftliche Organisationsbereiche hineinreicht202 und Umweltaspekte in wissenschaftliche Institutionen, nichtstaatlichen Interessenvertretungen (Verbänden) und Parteien integriert und institutionalisiert werden.

2.2.2.4 Umweltpolitische Interessen und ihre Träger Eine Grundvoraussetzung für eine effektive Umweltpolitik ist eine präzise Formulierung der Umweltschutzziele. Angesichts unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessenlagen ist eine solche Zielformulierung allerdings potenziell höchst konfliktär, da gesellschaftliche Akteure in der Regel sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was umweltpolitisch durchgesetzt und erreicht werden soll. Je nach dem ist eine solche Zielformulierung mehr an ethischen, ökonomischen oder ökologischen Werten oder an der politischen oder technischen Machbarkeit orientiert.203 Eine nur an den ökologischen Notwendigkeiten orientierte Zielformulierung ist in der Regel im gesellschaftlichen Kontext schwer durchsetzbar. Letztlich werden die Umweltschutzziele realisiert werden, die im Spannungsfeld der unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen politisch durchsetzbar erscheinen. So werden Entscheidungen über die Durchführung umweltpolitischer Maßnahmen in einem Prozess politischer Willensbildung getroffen und erfolgen je nach Durchsetzungsvermögen von Partialinteressen nicht unbedingt im Sinne des Gemeinwohls. Damit können schon bei der Festlegung von Standards, Grenzwerten und Normen, also auf der Ebene der Programm- und Zielformulierung in bestimmten Vorschriften und Rechtsquellen Vollzugsdefizite angelegt sein.204

Wird Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess betrachtet spielen die umweltpolitisch relevanten Akteure und ihr interessengeleitetes Handeln, das sich unter bestimmten strukturellen Handlungsbedingungen vollzieht, eine wichtige Rolle. Wie innerhalb einer Gesellschaft mit ökologischen Problemlagen umgegangen wird, ob Umweltpolitik entsteht, sich institutionalisiert und welche umweltpolitischen Maßnahmen letztlich durchgesetzt werden, hängt von den umweltpolitischen Akteuren ab, die durch ihr Handeln oder Nichthandeln im Politikfeld Umweltpolitik

201 Vgl.

Weltbank 1992: 18.

202 Vgl.

Prittwitz 1990: 184.

203 Zur

unterschiedlichen Zielformulierung in der Umweltpolitik siehe Sprösser 1989.

204 Vgl.

Görlitz 1994: 54. 64

auf Problembearbeitung einwirken.205 Umweltpolitische Akteure handeln und verhalten sich entsprechend ihrer Handlungsorientierung, die durch Werte oder Interessen bestimmt, auf bestimmte Ziele ausgerichtet ist. Dabei werden eigene Ressourcen und äußere Handlungsbedingungen in Form von sozioökonomischen, soziokulturellen bzw. informationell-kognitiven und politisch-institutionellen Rahmenbedingungen sowie die Akteurskonfigurationen, die zu bestimmten Interessenkonstellationen führen, berücksichtigt. Politische und andere Institutionen verfestigen Handlungsbefugnisse und Handlungsabläufe durch Regulierung, Formalisierung und Ritualisierung. Neben nichthandelnden, regulierenden Institutionen (Regierungssystem, Rechtstaat etc.), gibt es gleichzeitig institutionelle Organe, die als Akteure im umweltpolitischen Prozess in Aktion treten. Hier ist vor allem an die Verwaltungseinheit der Umweltbehörde bzw. Umweltministerium zu denken.

Im umweltpolitischen Zusammenhang kann zwischen drei spezifischen umweltpolitischen Interessenstypen unterschieden werden. Das Interesse der von Umweltschäden Betroffenen ist es, diese rasch und möglichst vollständig zu beseitigen und die Entstehung neuer Schäden zu verhindern. Verursacherinteressen hingegen sind darauf gerichtet, eine umweltbelastende bzw. ressourcenverbrauchende Tätigkeit aufrecht zu erhalten und auszubauen. Umweltpolitischen Maßnahmen stehen sie eher ablehnend gegenüber. Im Gegensatz zu diesen Verursacher- und Betroffeneninteressen beziehen sich nach Volker von Prittwitz die Interessen Dritter, die so genannten Helferinteressen, nicht auf die Umweltbelastung selbst, sondern auf deren Bewältigung, da die Helfer aus der Problembewältigung an sich einen Nutzen ziehen.206 Diese Interessentypen formen das umweltpolitische Interessendreieck und sind nicht bestimmten Akteuren vorbehalten. Denn potenziell ist jeder Verursacher auch Betroffener von Umweltbelastungen und umgekehrt und Helferinteressen können bei beiden vorliegen. In der Regel haben gesellschaftliche kollektive Akteure, die auf umweltpolitische Prozesse einwirken, unterschiedliche umweltpolitische Interessen, die in Kombination das jeweilige Interessenprofil des Akteurs ergeben.207 Je nachdem welche Einzelinteressen überwiegen, nehmen Akteure bestimmte Interessenpositionen ein und richten ihr Handeln eher nach Betroffenen-, Verursacher- oder Helferinteressen aus.

205 Prinzipiell

sind alle Mitglieder einer Gesellschaft umweltpolitische Akteure, da sie alle mit der Umwelt in Interaktion treten, Individuen sind Konsumenten, Unternehmen sind Produzenten, der Staat und andere kollektive Akteure wie Umweltschutzverbände. Diese Akteure zeichnen sich durch spezifische Interessen aus. Die Individuen streben nach der Befriedigung ihrer materiellen und immateriellen Bedürfnisse. In der vorliegenden Arbeit soll es aber nicht um Individuen gehen, sondern um die kollektiven umweltpolitischen Akteure, die sich aus Individuen zusammensetzen.

206 Außerhalb

dieses Dreiecks existieren natürlich noch zahlreiche andere gesellschaftliche Interessen, die allerdings insofern sie in der Umweltpolitik Bedeutung erlangen sich in Form der dargestellten Interessen auswirken.

207 Vgl.

hierzu Prittwitz 1990: 116f. 65

Verursacherinteressen überwiegen bei denjenigen Akteuren, deren Interesse es ist, eine umweltbelastende Tätigkeit aufrechtzuerhalten und anhaltend daraus zu möglichst geringen Kosten einen möglichst hohen Nutzen zu ziehen, wie dies zum Beispiel bei Wirtschaftsunternehmen der Fall sein kann. Verursacher wehren sich gegen umweltpolitische Maßnahmen, solange durch Externalisierung der Kosten eine kostengünstige Produktion möglich ist. Sie sind gleichzeitig Zielgruppe von Umweltschutzpolitik, da umweltpolitische Maßnahmen darauf abzielen, bei ihnen eine Verhaltensänderung zugunsten des Umweltschutzes zu bewirken. Falls sie umweltpolitischen Maßnahmen nicht entgehen können, sind Industrie und Gewerbe in der Regel an einem hohen Freiheits- und Flexibilitätsgrad hinsichtlich der Beseitigungs- und Vermeidungsstrategien von Verschmutzung interessiert208 sowie an Gleichbehandlung aller Unternehmen, um konkurrenz- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Gegensatz zu dieser anti-aktiven Zielgruppe von Umweltpolitik dominieren bei den pro-aktiven Trägern von Umweltbelangen209 meist eine Mischung aus Betroffenen- bzw. Helferinteressen. Zu diesen Trägern von Umweltbelangen zählen als wichtigste umweltpolitische Akteure staatliche Umweltinstitutionen, nichtstaatliche Umweltverbände und mit der Umweltproblematik befasste wissenschaftliche Einrichtungen an Universitäten und Forschungsinstituten.210 Sie werden in der Regel aufgrund der Tatsache gegründet, dass Betroffenheit hinsichtlich der Umweltprobleme vorliegt und legitimieren ihr Bestehen und ihre Aktivität mit der Forderung nach einer raschen Lösung bzw. Beseitigung eines Umweltproblems an das politische System. Im Laufe der Zeit bilden sich aber neben diesen Betroffeneninteressen auch Helferinteressen aus, da diese Akteure ihre Existenzberechtigung verlieren würden, sobald die Umweltprobleme gelöst wären. Dennoch bleiben sie auch an der Lösung der Probleme interessiert, da sie sich nicht nur über Umweltbeobachtung und Bestandsaufnahmen der Umweltsituation legitimieren, sondern auch über die Erarbeitung fundierter Lösungsansätze zur Bewältigung von Umweltproblemen. Insbesondere nichtstaatliche Umweltschutzverbände haben sich mit der Zeit zu Dienstleistungsorganisation entwickelt, die nach der Gewinnung von 208 Vgl. 209 So

Knoepfel 1994: 3.

genannt bei Knoepfel 1994 und Jänicke 1996.

210 Außer

den hier genannten Akteuren, die bei der Untersuchung eine Rolle spielen, gibt es noch andere Träger von Umweltbelangen. So gibt es die Umweltredaktionen der Medien, die ebenfalls einerseits von Umweltskandalen und -katastrophen abhängig sind, ohne die eine Umweltredaktion überflüssig wäre, andererseits machen sie auf ökologische Missstände aufmerksam und üben durch ihre Öffentlichkeitswirksamkeit (politischen) Druck aus. Darüber hinaus können auch umweltbewusste Unternehmen und Produzenten von Umweltschutzgütern und ihre Interessenvertretungen zu den Trägern von Umweltbelangen gezählt werden. Solche ökologischen Pionierunternehmen haben vor allem in den westlichen Industrieländern an Bedeutung gewonnen und zwar nicht nur in ihrer Rolle als Wettbewerbsfaktor, sondern auch ihr Nachfrageverhalten innerhalb der Wirtschaft (chain management) enthält ein Steuerungspotenzial, ähnlich jenem des Staates (vgl. Jänicke 1996: 18). Solche Unternehmen haben zum einen Entsorgungs-, Filter- und Messkapazitäten entwickelt, die an der Reproduktion des status quo der Umweltbelastung orientiert sind, zum anderen sind aber auch Substitutionkapazitäten entstanden. So können die Helferinteressen der umweltbewussten Unternehmen nochmals in Entsorgerinteressen und Substitutionsinteresse unterteilt werden (vgl. Prittwitz 1990: 122). 66

Aufträgen streben, um ihre Existenz zu sichern und ihre Interessen im politischen System so zu vertreten. Ihre Politik ist aber in der Regel weniger auf die tatsächliche Internalisierung von Handlungskonsequenzen ausgerichtet, als vielmehr lediglich auf die Stimulierung allgemeiner Umweltsensibilität und Steigerung des Umweltbewusstseins in der Gesellschaft. Eine solche Strategie kann sich nicht ganz dem Vorwurf der Symbolpolitik erwehren, ist aber trotzdem sinnvoll, da Umweltverbände sich durch medien- und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten eine ökonomische und machtpolitische Basis sichern.211

2.2.2.5 Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung Restriktionen, aber auch Chancen für eine effektive Umweltpolitik ergeben sich aus unterschiedlichen Akteurskonfigurationen und den sich daraus ergebenden Interessenkonstellationen. Damit sind sowohl Widerstände als auch Chancen für die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen von der Interaktion der umweltpolitisch relevanten Akteure abhängig. Interessenkonflikte entstehen im Umweltbereich durch unterschiedliche Problemwahrnehmung und dem daraus abgeleiteten Handlungsbedarf sowie den akteursspezifischen Internalisierungsinteressen angesichts externer Effekte. Das Problem unvollständiger und asymmetrischer Information spielt bei der Wahrnehmung der Umweltprobleme und bei der Erfassung und Bewertung von Handlungsalternativen eine Rolle.212 Informationsrestriktionen hinsichtlich Umweltproblemen und Wirkung von Handlungsstrategien führen dazu, dass Umweltprobleme von Akteuren unterschiedlich wahrgenommen und erfasst werden. Folglich wird auch der Handlungsbedarf unterschiedlich subjektiv bewertet, verstärkt durch die Zielkonflikte, die zwischen Umweltschutz und anderen gesellschaftlichen Zielen bestehen. Dies macht den Prozess der gesellschaftlichen Konsensbildung im Bereich Umweltpolitik besonders schwierig, da Subjektivität und Begrenztheit überprüfbaren Wissens Spielraum für Prozesse der Machtbildung und Machtausübung, also für Politik, eröffnen.213 Es wird dann nicht mehr nach dem Gesichtspunkt der Sachgemäßheit über umweltpolitisches Handeln oder Nichthandeln und die Wahl der Instrumente entschieden, sondern nach dem Aspekt des Machterhalts oder des Machtgewinns.214 Darüber hinaus sind umweltpolitische Maßnahmen, die sich an Standards orientieren und auf die Internalisierung externer Effekte abzielen aufgrund der Inkaufnahme restriktiver Einkommenseffekte äußerst konfliktträchtig.

211 Vgl.

Weiß 1996: 104.

212 Zur

Problematik der Informationsrestriktionen und ihre Wirkung auf umweltpolitisches Handeln, vgl. Kapitel 2.2.2.2.

213 Keck 214 Vgl.

1988: 119.

Keck 1988: 119. 67

Folglich haben unterschiedliche Akteure spezifische Internalisierungsinteressen und es entsteht ein gesellschaftlicher Verteilungskonflikt215 bezüglich der Frage, wer die Kosten für den Umweltschutz übernehmen soll. Nimmt man also an, dass die Umsetzung von standardorientierten umweltpolitischen Maßnahmen von verteilungspolitischen Konsequenzen abhängt, dann kann entweder Konsens oder eine bestimmte Konstellation, in der Akteure mit Umweltschutzinteressen über genügend Macht verfügen, ihre Interessen durchzusetzen, eine solche Maßnahme begründen.216

Interessenkonflikte zwischen Akteuren führen zu Restriktionen in der Umweltpolitik und können sich entweder innerhalb des politisch-administrativen Systems ergeben oder durch externe Widerstände seitens gesellschaftlicher Interessenvertretungen an das politische System herangetragen werden. Wie bereits im Kapitel zu den politisch-institutionellen Rahmenbedingungen dargelegt wurde, werden neu eingerichtete Umweltbehörden von anderen Behörden oft als Bedrohung und Konkurrenz wahrgenommen, sowohl hinsichtlich des Budgets als auch hinsichtlich der Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger (Präsident oder Kabinett). Dies hängt damit zusammen, dass auch Bürokraten und Politiker ein Eigeninteresse entwickeln und die Organisation, in der sie arbeiten verteidigen, indem sie sie gegen äußere Einflussnahme abschirmen.217 Solche Interpolicy-Konflikte werden verstärkt durch einen „bürokratischen Klientelismus“218, da Beamte sich oft als Vertreter eines bestimmten Sektors (Landwirtschaft, Industrie) sehen. Dies führt zur Verfestigung der Beziehungen zwischen Behörden und Interessengruppen. Beamte bevorzugen in der Regel konfliktfreie tägliche Routine und achten darauf, dass die Beziehung nach außen nicht durch Ressentiments geprägt ist und sich möglichst konfliktarm gestaltet. Auch für eine Umweltbehörde besteht eine gewisse Abhängigkeit von den Interessen ihrer Klienten. Sie versucht daher die als notwendig erachteten Maßnahmen so umzusetzen, dass die Interessen anderer Akteure berücksichtigt werden. Denn der Staat als Entscheidungsinstanz des politischen Systems hat zwar Weisungsbefugnis, reagiert aber sensibel auf Entzug der Zustimmung seitens machtvoller externer Akteure.219 In vielen westlichen Ländern setzte man daher

215 Zu

gesellschaftlichen Verteilungskonflikten im Umweltbereich siehe Münch 1994: 6 und ausführlich Zimmermann 1985.

216 Vgl.

Weiß 1996: 98f.

217 Vgl.

Enloe 1975: 90ff.

218 Enloe

1975: 102. Ebenso hat Martin Jänicke in der Industriegesellschaft verschiedene bürokratisch-industrielle Komplexe festgestellt, unter anderem auch einen öko-industriellen Komplex (vgl. Jänicke 1986: 27-29).

219 Vgl.

Weiß 1996: 95. Einerseits ist eine solche Konfliktminimierung positiv einzuschätzen, da Konflikte zwischen Bürokratie und externen Interessengruppen eine effiziente Umweltplanung und Umweltpolitik beeinträchtigen und zu ständigen ad-hoc Aktivitäten zum Nachteil einer langfristigen, strategischen Umweltpolitik ermu68

seit den 70er Jahren auf ein kooperatives Vorgehen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen220, wobei das Kooperationsprinzip als politisches Verfahrensprinzip angewandt wird, um eine einvernehmliche Verwirklichung hinsichtlich umweltpolitischer Ziele zu erreichen. Umweltbehörden sind daran interessiert, ein vernünftiges Verhältnis zwischen administrativem Kontrollaufwand und erzieltem Ertrag zum Beispiel in Form von Emissions- oder Immissionsreduktionen zu möglichst geringen Durchsetzungskosten, aber mit möglichst viel Beachtung seitens der Öffentlichkeit, zu erreichen. Sie sind meist bestrebt, gesetzliche Zielsetzungen rasch zu realisieren und daher auf die Kooperation von potenziellen Verursachern und Betroffenen der Umweltbelastung angewiesen.221

Im Rahmen umweltpolitischer Kooperation stellt Peter Knoepfel die Herausbildung eines „eisernes Dreieck“ im neokorporatistischen Sinn fest, das aktiv aufgebaut werden muss und als prozeduraler Minimalstandard zu betrachten ist. An diesem sind neben Umweltverwaltungen und den zu regulierenden Zielgruppen (Verursacher, z.B. Wirtschaftsunternehmen) als weitere Akteure nichtstaatliche Umweltschutzorganisationen beteiligt. Je nach Sektor lässt sich angesichts unterschiedlicher Anzahl der Akteure dieses Dreieck zu Vier- oder gar Fünfecken erweitern, bei denen weitere staatliche Ressorts oder Behörden hinzukommen, die sich in der Regel mit den Zielgruppen von Umweltpolitik verbinden. Zwischen Zielgruppen und Umweltbehörden222 werden nicht nur Emissionsbeschränkungen verhandelt, sondern auch Fristen und Übergangsmodalitäten. Umweltschutzorganisationen hingegen übernehmen Kontrollfunktionen, die die Umweltbehörden nicht mehr allein wahrnehmen können und unterstützen somit diese Behörden. Und auch zwischen Umweltschutzorganisationen und Zielgruppen hat sich die harte Konfrontation aufgelockert und es gibt nicht nur direkte Vereinbarungen zwischen diesen beiden Akteursgruppen, sondern in vielen westlichen Industrieländern bereits freiwillige Emissionsbe-

tigt. Andererseits ist es schwierig eine Linie zu ziehen, die festlegt, wann und wieviel Kooperation bzw. Konflikt am besten für einen effektiven Umweltschutz ist (vgl. Enloe 1975: 102ff). 220 Um

Umweltkonflikte zu entschärfen bzw. zu lösen wurden Mechanismen entwickelt, die auf neue institutionalisierte set-ups und Koordinationsstrukturen abzielen. Hierzu gehören z.B. Runde-Tisch-Gepräche, an denen möglichst alle relevanten Akteure teilnehmen oder Mediationsverfahren (vgl. hierzu z.B. Mernitz 1980), bei denen ein neutraler Mediator aktiv hilft, zur Konfliktlösung zwischen Streitparteien beizutragen. Solche Kooperationsansätze blieben bisher allerdings eher spontane Aktionen. Auf nationaler Ebene gibt es bisher noch keinen institutionalisierten Ort für umweltpolitische Verhandlungen (vgl. Beckenbach 1992: 13). Auf internationaler Ebene hingegen gibt es zumindest bereits etablierte Koordinationsstrukturen.

221 Vgl.

Knoepfel 1994: 2-4.

222 Die

Entwicklung der Beziehungen zwischen staatlichen Umweltbehörden und Interessenverbänden der Industrie hinsichtlich umweltpolitischer Regulierung beschreibt Bernhard Weßels am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Bei negativer wirtschaftlicher Entwicklung und erhöhtem staatlichen Interventionswillen reagieren ökonomische Interessenverbände abwehrend, nehmen sie die wirtschaftliche Entwicklung hingegen positiv wahr, scheint es ihnen opportun, die Nähe zum Staat zu suchen und in gemeinsamer Verantwortung zu handeln (vgl. Weßels 1989: 305). 69

schränkungen seitens der Industrieunternehmen. Die staatliche Intervention und Vermittlung ist teilweise überflüssig geworden. Der Vollzug von umweltpolitischen Maßnahmen und deren rasche Durchsetzung scheint am ehesten in Dreiecken und am wenigsten bei Fünfecken gewährleistet, weil es bei Vierecks- und Fünfeckkonstellationen zu mehr Kompromissen und „weicheren“ Vollzugsinstrumenten kommt und stets die Gefahr besteht, dass Umweltaspekte zurückgestellt werden. Veränderungen in den Akteurskonstellationen können sich auf die Formulierung von Umweltpolitik und damit auf die Stärken und Schwächen umweltpolitischer Programme und wie die Empirie beweist, auch auf deren Vollzug auswirken.223

2.2.2.6 Wandel der Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung In der umweltpolitischen Arena formiert sich aus den drei bereits vorgestellten Interessentypen Verursacher-, Betroffenen- und Helferinteressen das so genannte umweltpolitische Interessendreieck, das situativ ist und sich im Laufe der Zeit verändern kann. Das Modell der Interessenspirale224 gibt die Bildung und den Zerfall des umweltpolitischen Interessendreiecks wieder.

223 Vgl.

Knoepfel 1991, 1993: 5f; 1994.

224 Vgl.

hierzu Prittwitz 1990: 202-208. Dem Modell der Interessenspirale liegt das theoretische Konzept der situativen Interessenanalyse (vgl. hierzu Prittwitz 1990: 121-127) zugrunde, das sowohl Elemente des systemischen als auch des akteursbezogenen Theorieansatzes aufgreift. Die situative Interessenanalyse geht davon aus, dass umweltpolitische Akteure in der Regel gemischte Interessen haben und die einzelnen Interessen (Verursacher-, Betroffenen- und Helferinteressen) unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Für jeden Akteur lässt sich so ein typisches Interessenprofil erstellen, das entsprechend der Situation eine bestimmte Interessenposition ausdrückt, je nachdem welches Interesse überwiegt. Solche Interessenprofile bilden gleichzeitig die Grundlage dafür, situativ Interessenkonstellationen zwischen den Akteuren auszubilden, so dass sich das Gewicht bestimmter Interessen im umweltpolitischen Prozess abschätzen lässt. Je nach Interessenkonstellation ergeben sich (etwa gleicher Einfluss vorausgesetzt) dann Kooperationsmöglichkeiten, z.B. auf Grundlage gemeinsamer Interessen, Ergänzung oder wechselseitig verschränkter Interessen oder Konfliktsituationen und gegenseitiges Blockieren bei Interessengegensatz. Volker von Prittwitz rückt die situative Interessenanalyse in die Nähe der Spieltheorie (Grundlagen bei Axelrod 52000), sieht aber im Gegensatz hierzu in ihr den Vorteil, dass sie drei und mehrere Akteure und Interessentypen einbeziehen kann, während die Spieltheorie grundsätzlich doch weitgehend ihrem dualistischen Charakter verhaftet bleibt (vgl. Prittwitz 1990: 129). 70

Verursacherinteressen = V Betroffeneninteressen = B Helferinteressen = H

V'

B'

V

B V'

H' = V''

H = V'

V

V

B

B' H'

H H B H B' H'

H'

Abb. 1: Die umweltpolitische Interessenspirale; Prittwitz 1990: 230.

Um die Ablaufelemente dieser Interessenspirale für die Untersuchung umweltpolitischer Verhandlungsprozesse brauchbar zu machen, müssen sie mit den jeweils typischen politischen Prozessformen225 gekoppelt werden. Die für die Entstehung und den Erfolg von Umweltpolitik wichtigen Voraussetzungen des ökologischen Problemdrucks und der Handlungskapazität226 schlagen sich in einer solchen Analyse umweltpolitischer Interessen nieder. Als Ausgangspunkt hat das Modell der Interessenspirale die Umweltbelastung, von der sich noch keiner beeinträchtigt fühlt, so dass von daher nur Verursacherinteressen bestehen. Sobald aber eine bestimmte umweltbelastende Aktivität eines Akteurs für andere spürbare ökologische Schäden und Betroffenheit hervorruft, ergibt sich eine konflikthafte Situation. Denn dann bilden sich als Gegenstück zu den Verursacherinteressen Betroffeneninteressen heraus und es entsteht unweigerlich ein Interessenkonflikt. Zur Entfaltung eines Interessendreiecks kommt es erst, wenn durch die Entwicklung umweltpolitischer Handlungskapazitäten Helferinteressen an Gewicht gewinnen, die gegenüber Verursacher- und Betroffeneninteressen eine Zwischenposition einnehmen. Dieses Interessendreieck ist stabil, solange Helferinteressen lediglich auf Beobachtung und Begutach-

225 Siehe 226 Vgl.

Prittwitz 1990: 151-165.

Kapitel 2.2.2.1. 71

tung von Umweltproblemen ausgerichtet sind und die helfenden Akteure damit am Bestehen der Umweltbelastung interessiert sind, da sie daraus Nutzen ziehen können. Sobald sich Helferinteressen aber darauf richten, aus dem Abbau der Umweltbelastung Vorteile zu ziehen – ein Beispiel sind umweltpolitische Substitutionsinteressen – verbinden sie sich mit Betroffeneninteressen und stellen sich zusammen mit diesen den Verursacherinteressen entgegen. Das dynamische Element innerhalb des Interessendreiecks sind damit die Helferinteressen, da erst sie das Aufbrechen der Blockadesituation zwischen Verursacher- und Betroffeneninteressen ermöglichen. Betroffeneninteressen verbinden sich aber nur mit Helferinteressen, wenn bereits gewisse umweltpolitische Handlungskapazitäten vorhanden sind. Besitzen diese Akteure mit vorwiegend Betroffenen- und Helferinteressen als Träger von Umweltbelangen ausreichend ökonomische Stärke und verfügen somit über Druckpotenzial, das bewirkt, dass die verursachenden Akteure auf der Gegenseite, das Ansinnen umweltpolitische Maßnahmen durchzusetzen, nicht mehr völlig abblocken können. Die Adressaten dieser Maßnahmen, bei denen nach wie vor Verursacherinteressen dominieren, gehen allerdings nur formaliter Erklärungen ein. Getroffene Vereinbarungen bleiben somit nur Grundsatz- bzw. Absichtserklärungen, die keine politisch-rechtliche Stringenz besitzen. Eine Phase der symbolischen Problembearbeitung und des Scheinhandelns im Bereich des Umweltschutzes setzt ein. Eine wirksame Umweltpolitik hingegen ist erst möglich, wenn Betroffenen- und Helferinteressen innerhalb des Interessendreiecks klar dominieren und so Verursacherinteressen relativiert werden. Unter solchen Umständen ändert sich die umweltpolitische Prozessform und anstelle von Lethargie und Verweigerung treten Konflikte oder Bargaining-Prozesse. Wird tatsächlich die Bewältigung der Umweltprobleme angestrebt und es kommt zur gemeinsamen Problemlösung verlieren Betroffeneninteressen mehr und mehr an Bedeutung bis Helferinteressen dominieren. Durch die Bewältigung bisheriger Umweltprobleme können allerdings neue entstehen, insbesondere wenn die Bearbeitung des Umweltproblems durch Maßnahmen erfolgt, die nur mittlere oder geringe Wirkungstiefe haben und so eine zumindest partielle Problemverschiebung stattfindet.227 Dann werden dominierende Helferinteresse bezüglich des umweltpolitischen Ausgangsproblems zu neuen Verursacherinteressen, die dann wiederum auf neue Betroffeneninteressen stoßen. Bilden sich dann erneut Helferinteressen heraus, entsteht ein neues Interessendreieck und die Interessenspirale setzt sich fort.

Gezieltes umweltpolitisches Handeln ergibt sich nicht zwingend aus der Interessenkonstellation innerhalb der politischen Prozessformen eines umweltpolitischen Interessendreiecks, indem sich

227 Eine

geografische Problemverschiebung ergibt sich beispielsweise durch eine Politik der hohen Schornsteine, während eine zeitliche Problemverschiebung durch die Substitution umweltschädigender Substanzen durch den Einsatz neuer Stoffe entstehen kann, deren Umweltverträglichkeit noch nicht hinreichend geklärt werden kann. 72

gegenüber Verursacherinteressen Betroffeneninteressen artikuliert haben und durch die partielle Ersetzung der Verursacherinteressen durch Helferinteressen eine Blockadesituation verhindert oder überwunden wurde. Vielmehr entsprechen Träger von Umweltbelangen spezifischen „Konjunkturbedingungen“ der Interessenkonstellation mehr oder weniger gut. Verfolgen sie umweltpolitische Ziele bei ungünstiger Interessenkonstellation, beispielsweise im Falle einer Blockadesituation, werden sie auf Widerstand stoßen und mit dem Entschluss dennoch zu handeln und zu versuchen ihre Umweltschutzziele durchzusetzen, keinen Erfolg haben. Es ist daher Erfolg versprechender unter günstigen Konjunkturbedingungen aktiv zu werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich das umweltpolitische Interessendreieck herausbildet und neben konfliktorischen Prozessformen nun auch kooperative möglich sind.228 Letztlich ist umweltpolitisches Handeln aber erst dann zielorientiert, wenn Betroffeneninteressen und diejenigen Helferinteressen dominieren, die tatsächlich an der Beseitigung der Umweltprobleme interessiert sind und nicht lediglich von Beobachtung, Messung und Begutachtung der Umweltbelastung profitieren.

2.2.3

Voraussetzungen für umweltpolitisches Handeln

Ausgehend von der Belastungs-Reaktions-These zur Erklärung von Umweltpolitik, entwickelt sich diese, wenn die Umweltbelastung von Betroffenen als Problem wahrgenommen, Umweltschutzinteressen artikuliert und vom politisch-administrativen System gezieltes umweltpolitisches Handeln zur Lösung der Umweltprobleme eingefordert wird. Je partizipativer das politische System desto eher können Betroffene ihre weniger konfliktfähigen Umweltschutzinteressen auf der politischen Agenda platzieren und Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen. Der Kapazitätsthese zu Folge reicht der wahrgenommene und artikulierte Problemdruck allerdings nicht aus. Vielmehr ist gezielte Umweltpolitik erst möglich, wenn sich umweltpolitische Handlungskapazität und mit ihr Helferinteressen im ausreichenden Maße aufgebaut haben. Unter umweltpolitischer Handlungskapazität wird daher die Fähigkeit des Staates und der Gesellschaft verstanden, die öffentliche Aufgabe Umweltprobleme zu bewältigen.

Das Modell der Interessenspirale geht davon aus, dass es erst zur Durchsetzung von Umweltschutzinteressen kommt, wenn Helferinteressen und Betroffeneninteressen an Einfluss gewinnen und sich so verbinden, dass sie ausreichendes Druckpotenzial aufbauen können, um Verursacherinteressen zu relativieren. Dann ändern sich auch die politischen Prozessformen und an Stelle von Lethargie und Blockadesituationen treten Verhandlungsprozesse, die im günstigsten Fall

228 Vgl.

Prittwitz 1990: 206f. 73

zum gemeinsamen Lösen der Umweltprobleme führen. Die zentrale Frage ist also, wann und unter welchen Bedingungen durch die Verbindung von Betroffenen- und Helferinteressen genügend Druckpotenzial entsteht, so dass Verursacherinteressen relativiert werden und es tatsächlich zu zielorientiertem umweltpolitischen Handeln kommt. Hierfür müssen die umweltpolitischen Handlungskapazitäten, die hinter den Helferinteressen stehen, näher bestimmt und empirisch überprüfbar gemacht werden. Denn die Akteure als Träger spezifischer Interessen unterscheiden sich hinsichtlich ihres organisatorischen Potenzials. Bestimmte Akteure verfügen über eine organisierte Macht, wie dies oft der Fall ist bei Wirtschaftsunternehmen, die in erster Linie Wachstumsinteressen haben und die Umwelt schädigen. Solche unternehmerischen Verursacherinteressen verfügen meist über einen höheren Organisationsgrad und eine stärkere Lobby als nichtstaatliche Umweltverbände. Dieses grundsätzliche Machtungleichgewicht zugunsten der Verursacherinteressen besteht auch, weil kurzfristig unmittelbare Interessen leichter zu artikulieren und durchzusetzen sind als langfristige und mittelbare Umweltschutzinteressen.229 Ziel der begünstigten Akteursgruppe ist es natürlich, ihre Machtposition beizubehalten, während Akteursgruppen, die Umweltschutzinteressen vertreten, erst durch einen Organisationsprozess und Kapazitätenstärkung eine Gegenmacht aufbauen müssen.230

Dies geschieht durch die Ausweitung der „organisatorischen Kapazitäten“ der so genannten Träger von Umweltbelangen sowie durch die Erhöhung ihres Einflusses auf gesellschaftliche Kommunikationsprozesse und ihres Zugangs zu politischen Entscheidungsträgern. Zum anderen ist effektive Umweltpolitik nur umsetzbar, wenn gesamtgesellschaftlich die „institutionelle Kapazität“ im Umweltbereich gestärkt wird. Das bedeutet, dass durch das Zusammenwirken aller umweltpolitischer Akteure Synergieeffekte entstehen, die die Lösung der Umweltprobleme vorantreiben. Dabei geht es einerseits um die Stärkung der ökologischer Bündnis- und Strategiefähigkeit, die durch die interorganisatorische Kooperation zwischen Trägern von Umweltbelangen aktiviert wird. Andererseits ist die Integration von Umweltaspekten in andere Politikfelder notwendig, damit Umweltaspekte in anderen politischen Ressorts und bei den so genannten Zielgruppen von Umweltpolitik und ihren Interessenvertretungen an Bedeutung gewinnen. Die organisatorischen und institutionellen Kapazitäten im Umweltbereich, die als Voraussetzung für effektives umweltpolitisches Handeln gelten, sollen im Folgenden genauer beschrieben werden:

229 So

liegt in vielen westlichen entwickelten Gesellschaften, aber auch in Entwicklungsländern ein starkes Effektivitätsgefälle zwischen hochorganisierten industriellen Eigeninteressen und schwach organisierten Nichterwerbsinteressen des Typus der Umweltpolitik vor (vgl. Jänicke 1978: 15).

230 Vgl.

Ewringmann/Zimmermann 1978: 68; vgl. Schiller 1995: 456f. Eine solche Gegenmacht der Betroffeneninteressen hat sich bereits in westlichen Industrieländern herausgebildet (vgl. Jänicke 1978: 26). 74

(1)

Stärkung der „organisatorischen Kapazität“ der Träger von Umweltbelangen durch intraorganisatorischen Ressourcenausbau:

Die Stärkung der „organisatorischen Kapazität“ der Träger von Umweltbelangen gelingt nur, wenn die gerade bei umweltpolitisch aktiven Organisationen oft beobachtbaren Nachteile wie niedriger Organisationsgrad, Marginalisierung, nebenberuflich, teilzeitliche und amateurhafte Interessenwahrnehmung, geringe finanzielle Ressourcen und schwache parlamentarische Vertretung überwunden werden.231 Es kommt also auf Verfügbarkeit und Einsatz von Ressourcen in Form finanzieller, personeller und materieller Ausstattung sowie auf Umweltwissen in Form von intellektuellem und technischem know-how (Kompetenz) der staatlichen Umweltinstitutionen, nichtstaatlichen Umweltorganisationen232 und in der ökologischen Forschung aktiven semistaatlichen und privaten Forschungsinstitute an.233 Gemäß dem Ressourcenmobilisierungsansatz können diese Träger von Umweltbelangen mit der Zeit einen hohen Professionalisierungsgrad erreichen und durch die Mobilisierung von Handlungsressourcen ihre Organisationsmacht ausbauen. Nichtstaatliche Umweltorganisationen können darüber hinaus ihre Mitgliederzahl erhöhen und sogar kommerzielle Aktivitäten entwickeln. Ferner werden durch die Integration von Umweltaspekten in die Arbeit anderer politischer Ressorts und der Zielgruppen von Umweltpolitik durch die Einrichtung von Umweltabteilungen sozusagen intraorganisatorisch Träger von Umweltbelangen geschaffen.

(2)

Stärkung „institutioneller Kapazität“ im Umweltbereich:

(a)

Erhöhung der Bündnis- und Strategiefähigkeit von Umweltschutzinteressen:

Neben der intraorganisatorischen Ausstattung der Träger von Umweltbelangen kann deren Organisationsmacht auch interorganisatorisch durch Kooperation und ökologische Bündnisse untereinander gestärkt werden. Bei der Bündnisfähigkeit von Umweltschutzinteressen geht es darum, latente Interessenkoalitionen des Umweltschutzes in strategische Allianzen umzuwandeln. 231 Dies

führt dazu, dass organisatorische Repräsentanz der so genannten "residualen Interessen" (Offe 1969) geringer ausfällt als die der Erwerbs- und Wachstumsinteressen. Diese ungleiche Organisationsmacht ruft bestimmte Merkmale des Residualsektors hervor.

232 Die

Stärkung unabhängiger sich für den Umweltschutz einsetzenden Nichtregierungsorganisationen, die sich neben staatlichen Einrichtungen herausbilden, ist von besonderer Bedeutung (vgl. z.B. Ullrich/KürzingerWiemann 1992: 171ff; Shams 1994: 38). Manche Autoren sehen in den nichtstaatlichen Umweltschutzorganisationen sogar die effektivere Alternative zu den in Entwicklungsländern oft ineffizient arbeitenden staatlichen Behörden (vgl. Desai 1998: 12). Doch können nichtstaatliche Umweltorganisationen den Staat als Hauptakteur der Umweltpolitik nicht ersetzen, sondern lediglich unterstützen bei der Verfolgung umweltpolitischer Maßnahmen (vgl. Reilly 1992: 329). Daher wird der Auf- und Ausbau staatlicher umweltpolitischer Institutionen einschließlich ihrer finanziellen und personellen Stärkung als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umweltpolitik genannt (vgl. z.B. Wöhlcke 1989: 88 f; Uhlig 1991: 34; Uhlig 1993: 199 f).

233 Vgl.

allgemein: Scharpf 1977: 6; vgl. in der Umweltpolitik z.B. OECD 1995, Jänicke 1996: 14ff. Neben der Ausstattung mit Ressourcen müssen aber auch die subjektive Entschlossenheit und der politische Wille der Akteure vorhanden sein, die Chance zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. 75

Auf strategisches Handeln, das heißt planmäßiges Handeln im Sinne von Zweck-Mittel-Entwürfen und Flexibilität, sind die Träger von Umweltbelangen nicht zuletzt wegen ihrer schwachen Position gegenüber den in der Regel mächtigen Verursacherinteressen angewiesen. Zu den Erfolgsbedingungen einer Strategie gehören wiederum der Umgang mit den eigenen Handlungsbedingungen (Kapazitätsbildung) und die Bildung strategischer Allianzen und Koalitionen.234 Die kooperative Bündnisfähigkeit von Umweltschutzinteressen und deren erfolgreiche strategische Durchsetzung ist nicht selbstverständlich. Vielmehr kann dieser die Konkurrenz zwischen den Trägern von Umweltschutzinteressen entgegenstehen. Dies kann der Fall sein, wenn sich eine Umweltbelastung, von der eine bestimmte Gruppe von Akteuren potenziell betroffen ist, nur zu Lasten anderer Betroffener vermeiden lässt. Es entsteht eine Interessenlage nach dem so genannten Sankt Florians Prinzip („Lieber heiliger Sankt Florian, behüt' unser Haus, zünd' andre an!“).235 Darüber hinaus können Umweltschutzverbände, staatliche Umweltinstitutionen und Umweltforschungsinstitute angesichts knapper Auftragslage und begrenzter finanzieller Mittel miteinander konkurrieren, da dann alle daran interessiert sind, Aufträge zur Steigerung der Ressourcen ihrer eigenen Organisation, Institution oder ihres Instituts zu gewinnen.

(b)

Steigerung des Einflusses auf öffentliche Kommunikationsprozesse der Träger von Umweltbelangen und ihr Zugang zu politischen Entscheidungsträgern:

Der fortgeschrittene Prozess der internen Organisationsentwicklung der Träger von Umweltbelangen und die erhöhte Bündnisfähigkeit von Umweltschutzinteressen tragen dazu bei, dass staatliche Umweltbehörden ihre Position und Stellung gegenüber anderen Ressorts behaupten können und die Integration von nichtstaatlichen Umweltverbänden in politische Kooperationsstrukturen und Entscheidungsprozesse erleichtert wird. Dies führt zu einer Institutionalisierung der Ökologiebewegung, deren Akteure sich langfristig zu konventionellen Interessenverbänden entwickeln.236 Auch ökologische Forschungsinstitute gewinnen durch den Ausbau ihrer Kapazitäten an Bedeutung. Damit wird in der Regel den Trägern von Umweltbelangen ein privilegierter Zugang zu politischen Entscheidungsarenen verschafft und sie werden stärker in politische Netzwerke integriert. Dies wiederum begünstigt den Zugang zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern vor allem der nichtstaatlichen Umweltorganisationen und macht Lobbying mög-lich. Darüber hinaus können die Träger von Umweltbelangen mit der Erhöhung ihrer Ressourcen mehr Mittel freisetzen, die sie verstärkt für die Einwirkung auf gesellschaftliche Kom-

234 Vgl.

Jänicke 1996: 18f.

235 Vgl.

Prittwitz 1990: 120.

236 Vgl.

zu nichtstaatlichen Umweltorganisationen: Kriesi/Giugni 1996: 331-335. 76

munikationsprozesse verwenden können, um die politische, aber auch die öffentliche Meinungsbildung mit Hilfe der Medien zugunsten ihrer Umweltschutzinteressen zu beeinflussen.

(c)

Integration von Umweltaspekten in andere Politikfelder und Einbindung von Verursachern in umweltpolitische Netzwerke und Entscheidungsprozesse:

Erst wenn Umweltschutzinteressen im politischen und öffentlichen Raum präsent sind und durch die Verbreitung von Sachinformationen und Wertvorstellungen an Einfluss gewonnen haben, sehen sich Verursacher unter Druck gesetzt und sind bemüht, Position in der umweltpolitischen Arena zu beziehen. Nicht nur im politisch-administrativen System nehmen sich Ressorts, deren Aktivitäten umweltpolitische Relevanz haben, verstärkt Umweltfragen an, sondern auch bei den Zielgruppen der Umweltpolitik, also den Verursachern von Umweltproblemen und ihren Interessenvertretungen, setzt man sich mit diesen auseinander. Das kann soweit gehen, dass diese Akteure spezielle Umweltabteilungen innerhalb ihrer Institution, ihres Unternehmens oder ihres Interessenverbands schaffen, um sich so Umweltwissen systematisch anzueignen, auszubauen und zu bearbeiten. Denn nur durch Umweltwissen, sachkundige Kommunikation und entsprechende Aktivitäten können sie ihre Position in umweltpolitischen Arenen und Netzwerken behaupten und Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungsprozesse nehmen. So werden Umweltaspekte in andere Politikfelder integriert. Lassen sich Verursacher von Umweltproblemen konstruktiv in umweltpolitische Netzwerke sowie in Politikformulierungs- und Entscheidungsprozesse einbinden237, nehmen sie in der Regel vorerst eine abwehrende Haltung gegenüber umweltpolitischen Maßnahmen ein. Ihre Abwehrhaltung geben sie erst dann auf, wenn entweder der Druck seitens der Träger von Umweltbelangen zu groß wird oder die Verursacher durch zusätzlichen Informationsgewinn Möglichkeiten zur Beendigung bzw. zumindest zur Reduktion der durch sie verursachten Umweltbelastung sehen. Wenn sich für sie Möglichkeiten eröffnen, durch Umweltschutzmaßnahmen langfristig gesehen Kosten einzusparen, ihr Image zu verbessern oder gar Profite zu machen, zum Beispiel durch Substitution oder ressourcensparende Produktionstechniken, entwickeln sie Helferinteressen, die die dominierenden Verursacherinteressen relativieren. Damit erweitern sie ihr Interessenprofil und es ergeben sich neue Ansatzpunkte für Aushandlungsprozesse, die im günstigsten Fall ein kooperatives oder sogar konsensuales Vorgehen in Entscheidungsprozessen zur Lösung von Umweltproblemen ermöglichen.

237 Vgl.

Jänicke 1996: 15. 77

3.

Umweltpolitik in Entwicklungsländern

3.1

Die Globalisierung der Umweltpolitik

In den 50er und 60er Jahren sorgten durch die Medien verbreitete Umweltkatastrophen, wie der winterliche Smog in London 1952, die massiv auftretende Luftverschmutzung in New York zwischen 1952 und 1956, Quecksilbervergiftungen japanischer Flüsse in den Städten Minamata und Niigata 1953 und 1965 und durch Tankerunfälle ausgelöste Ölkatastrophen, für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und führten in vielen Industrieländern zu einer breiten Wahrnehmung der Umweltproblematik. Auf der „Biosphere Conference“ von 1968, die von der UNESCO mit Hilfe von UN-Sonderorganisationen und der IUCN („International Union for Conservation of Nature“) organisiert wurde, wurden Umweltprobleme erstmals nicht mehr isoliert als lokal begrenzte Probleme gesehen, sondern als intersektorale weltweite Probleme betrachtet, die eine Lösung auf globaler Ebene erforderlich machten.238 Diese Sichtweise wurde in den 70er Jahren durch die in Europa betriebene Politik der hohen Schornsteine, die zwar zur Minderung der Luftverschmutzung vor Ort beitrug, gleichzeitig aber den „Export“ der Umweltbelastung verstärkte, forciert. Nachdem schwedische Studien belegt hatten, dass Schadstoffemissionen aus ost- und westeuropäischen Kraftwerken in Form von „Saurem Regen“ schwedische Wälder und Seen verseuchten, wurde die Luftverschmutzung in Europa als grenzüberschreitendes Problem erkannt und die Umweltproblematik internationalisiert. Da eine Vielzahl von Staaten nun sowohl Umweltbelastung verursachten als auch von ihr betroffen war,239 wurde ein internationaler Handlungsbedarf hervorgerufen. Zu Beginn der siebziger Jahre wurde zudem auch auf Druck der neu entstehenden Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen in den USA, Westeuropa und Japan die ersten nationalen Umweltgesetze und -programme verabschiedet240 und so erste institutionelle Voraussetzungen für umweltpolitisches Handeln geschaffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Initiative zur Einberufung der ersten globalen UNUmweltkonferenz von Schweden, einem Land, das stark von grenzüberschreitender Umweltverschmutzung betroffen war, ergriffen wurde.

238 Vgl.

McCormick 1989: 90.

239 Vgl.

Mayer-Tasch 1987: 85.

240 Vgl.

Weizsäcker 1990: 19. 78

Im Gegensatz zu den Industrieländern, wo die Umweltbelastung sichtbar geworden war, waren die Boden-, Luft- und Wasserverschmutzung in den weniger entwickelten Ländern infolge ihres industriellen Rückstands noch nicht soweit fortgeschritten und damit auch weniger spürbar. Anfang der 70er Jahre waren diese Länder daher ausschließlich an ihrer wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung interessiert. Sie betrachteten die Umweltprobleme als Probleme der Industrieländer und die erste UN-Umweltkonferenz 1972 als Forum der Industrieländer, die sie auch für die globalen ökologischen Probleme verantwortlich machten. Gegenüber dem neuen umweltpolitischen Aktivismus seitens der Industrieländer nahmen daher viele Entwicklungsländer, unterstützt von sozialistischen Staaten, eine eher lethargische oder gar ablehnende Haltung ein und verweigerten die Teilnahme an einer Umweltkonferenz.241 Da die Vertreter der entwickelten Länder aber um des globalen Ansatzes willen an einer Konferenzbeteiligung der Entwicklungsländer sehr interessiert waren, bemühten sie sich, diese zu einer Teilnahme zu bewegen. Trotz der unterschiedlichen Interessenlagen beider Ländergruppen kam es während des Vorbereitungsprozesses zur Konferenz zu einer Annäherung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, indem eine Verknüpfung zwischen Umwelt- und Entwicklungsfragen hergestellt wurde.242 Damit wurde der Forderung der Entwicklungsländer, ökonomische und soziale Fragen in das Gesamtkonzept einer globalen Umweltpolitik einzubeziehen und eine intensive Auseinandersetzung mit den Umweltproblemen der weniger entwickelten Länder, Folge geleistet. Durch die eingeführte Kompromissformel, die die indische Premierministerin Indira Gandhi mit dem Schlagwort „Poverty is the biggest pollution“ zusammenfasste, fand die modifizierte und erweiterte Agenda der Konferenz um sozioökonomische Aspekte und die besondere Beachtung armutsbedingter Umweltprobleme auch bei Vertretern der Entwicklungsländer Anklang, die letztlich dann an der ersten UN-Umweltkonferenz, die unter dem Titel „United Nations Conference on the Human Environment“ (UNCHE) 1972 in Stockholm stattfand, teilnahmen.

Die Ergebnisse der Stockholmer Umweltkonferenz243 blieben hinter den Erwartungen der umweltpolitischen Vorreiterstaaten zurück und es kam nur zur Unterzeichnung unverbindlicher Absichtserklärungen. Dennoch führte die UNCHE zu einem wichtigen Paradigmenwechsel, der sich von einer Gleichsetzung der Umweltprobleme mit Verschmutzungsproblemen distanzierte und die Existenz armutsbedingter Probleme der Ressourcenverknappung und Umweltver-

241 Vgl.

Caldwell 1984: 43.

242 Der

Durchbruch wurde auf dem Symposium von Founex in der Schweiz erreicht, das im Vorfeld der Konferenz 1971 stattfand und in dessen Rahmen der Zusammenhang zwischen Umwelt- und Entwicklungsfragen erörtert wurde (vgl. Johnson 1971: 14).

243 Biswas

1992: 187f. 79

schmutzung, aber auch Entwicklungsprobleme hervorhob. So proklamiert die verabschiedete „Deklaration über die menschliche Umwelt“ einen Umweltbegriff, der implizit das Recht auf Entwicklung gewährt, indem er Umweltprobleme in Entwicklungsländern vorrangig als armutsbedingt bezeichnet und neben dem Schutz, Erhalt und Verbesserung der menschlichen Umwelt auch Frieden und weltweite ökonomische und soziale Entwicklung zu grundlegenden Zielen der gesamten Menschheit erklärt. Angesichts zunehmender Umweltbelastung von regionalem und globalem Ausmaß wurde die zwischenstaatliche Kooperation zur Bedingung gemacht. Der verabschiedete Aktionsplan gibt Empfehlungen und Handlungsanweisungen zur Beobachtung, zum Management und zu unterstützenden Maßnahmen für den Umweltschutz. Als wichtigstes Ergebnis der Konferenz aber legte eine Resolution zum finanziellen und institutionellen Übereinkommen den Grundstein für das noch 1972 gegründete Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).

Im Laufe der 70er Jahre ließ die Wirkung der umweltpolitischen Anstöße, die die UNCHE gegeben hatte nach. Die durch den Ölschock 1973 ausgelöste weltwirtschaftliche Rezession führte dazu, dass wirtschaftspolitische Themen wieder oberste Priorität hatten und Umweltschutzfragen marginalisiert wurden. Während der 80er Jahren erlangte der Umweltschutz wieder einen erhöhten Stellenwert auf der internationalen politischen Agenda. Davon zeugen Abkommen und Deklarationen wie die „Weltcharta der Natur“ von 1982, in der erstmals gemäß dem Vorsorgeprinzip der Umgang mit natürlichen Ressourcen und der Natur im Allgemeinen geregelt wurde.244 Die komplexen Zusammenhänge der globalen Umweltproblematik wurden immer deutlicher und es setzte sich die Überzeugung durch, dass Umweltprobleme aufgrund immanenter Risiken und Unsicherheiten prinzipiell zumindest potenziell globaler Natur sind. Langfristig gesehen gibt es wohl keine Möglichkeit, irgendeinen Teil der Menschheit dauerhaft gegen umweltschädigendes Verhalten, wo immer es auftritt, abzuschirmen.245 Diese Erkenntnis verdeutlichte die Interdependenz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und die damit verbundene notwendige Kooperation. So argumentierten im Vorfeld der zweiten UN-Umweltkonferenz, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, die beiden globalen Berichte der Brundtlandkommission und der Südkommission.246 Wie schon vor zwanzig Jahren, wurde auch die zweite UN-Umweltkonferenz von Industrieländern initiiert, die an der Eindämmung und Regulierung globaler Umweltprobleme interessiert waren. Auch wenn in den vergangenen zwanzig Jahren

244 Vgl.

hierzu Hohmann 1991: 72-83.

245 Vgl.

Brock/Hessler 1992: 197.

246 Siehe

hierzu Hauff 1987 und Stiftung Entwicklung und Frieden 1991. 80

das Interesse der Entwicklungsländer an Umweltfragen zweifellos gestiegen war, räumten sie dennoch der Lösung ihrer wirtschaftlichen Entwicklungsprobleme und lokalen Umweltprobleme Vorrang ein. So waren sie erst für eine Teilnahme an der Konferenz zu gewinnen, als der Konferenzgegenstand um wirtschaftliche Entwicklung erweitert und unter dem Titel „United Nations Conference on Environment and Development“ (UNCED) abgehalten wurde. Die Entwicklungsländer fürchteten mit der Einführung von internationalen Umweltstandards vor allem einen „ökologischen Protektionismus“ und wehrten sich gegen das Anliegen der Industrieländer, tropische Wälder und die Artenvielfalt zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ zu erklären, um einer Einschränkung ihrer nationalen Verfügungsgewalt dieser Ressourcen vorzubeugen. Wie bei der ersten UN-Umweltkonferenz versuchten sie erneut, entwicklungs- und weltwirtschaftspolitische Fragen in die Umweltdiskussion einzubringen. Diesmal allerdings mit ökologischer Begründung, indem sie der aus ihrer Sicht ungerechten und reformbedürftigen Weltwirtschaftsordnung und den verschwenderischen Produktions- und Konsumtionsmuster in Industrieländern Schuld an der ökologischen und entwicklungspolitischen Misere gaben.247 Die Industrieländer konnten allerdings einer Politisierung des Umweltthemas vorbeugen und die Verhandlungen über eine Neue Weltwirtschaftsordnung aus den umweltpolitischen Verhandlungen heraushalten.248

Während der UNCED wurde zur Bekämpfung der Umweltprobleme auf lokaler, regionaler und globaler Ebene ein ganzheitlicher, integrierter Ansatz zugrunde gelegt, der sowohl die Verknüpfung der Probleme einzelner Umweltmedien untereinander als auch ihre Verflechtung mit ökonomischen, sozialen und (entwicklungs-)politischen Fragen vorsieht. Gegenüber der UNUmweltkonferenz von 1972 waren die Ergebnisse die UNCED249 insofern ein Fortschritt, da neben den unverbindlichen Dokumenten der Rio-Deklaration und des Aktionsplans „Agenda 21“ erstmals auch rechtsverbindliche Konventionen verabschiedet wurden. Die Deklaration über Umwelt und Entwicklung erkennt die drei umweltpolitischen Prinzipien, Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip an. Die Agenda 21 spricht im Gegensatz zum Aktionsplan von 1972 nicht nur Empfehlungen aus, sondern zeigt in detaillierter Auseinandersetzung mit den einzelnen Problembereichen umwelt- und entwicklungspolitische Ziele unter Angabe der benö-

247 Vgl.

Stahl 1992: h-i.

248 Sowohl

die Entwicklungsländer als auch die Industrieländer betrieben im Rahmen der UNCED eine instrumentelle, strategische Verknüpfung von Umwelt und Entwicklung. Während die Industrieländer durch die Einbeziehung von entwicklungspolitischen Fragen in die globale Umweltdiskussion versuchten, die Entwicklungsländer für die Beteiligung an globalen Umweltschutzmaßnahmen zu gewinnen, wollten diese durch den Umwelthebel die Industrieländer zu wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Konzessionen veranlassen (vgl. Brock 1992: h).

249 Zu

den Ergebnissen der UNCED siehe Keating 1993. 81

tigten finanziellen, wissenschaftlichen, erzieherischen und technologischen Mittel auf und benennt Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele. Der Aufbau umweltpolitischer Kapazitäten insbesondere in Entwicklungsländern wird als wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der notwendigen Umweltschutzmaßnahmen angegeben, mit für Industrie- und Entwicklungsländer unterschiedlichen Schwerpunkten und Anforderungen. Als weiteres unverbindliches Dokument wurden Rahmenprinzipien zum Schutz der Wälder vereinbart und mit der Unterzeichnung der beiden rechtsverbindlichen Konventionen zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt ging die Mehrzahl der Teilnehmerstaaten erstmals verbindliche Selbstverpflichtungen ein. Darüber hinaus wurde mit der Einrichtung der „Global Environmental Facility“ (GEF) ein neuer Mechanismus zur finanziellen Unterstützung und zur Deckung zusätzlicher Kosten, die durch Umweltschutzaktivitäten entstehen, geschaffen. Damit auch die Entwicklungsländer ihren Pflichten, die sie im Rahmen der Konventionen übernommen hatten, gerecht werden können.

3.2

Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln in den Nord-Süd-Beziehungen

3.2.1

Umweltverträgliche Entwicklungskonzepte: Von der Öko-Entwicklung zur nachhaltigen Entwicklung

Angesichts der weltweiten Umweltbelastung und der Umweltprobleme in den weniger entwickelten Ländern der Erde wurde die Frage aufgeworfen, wie der Entwicklungsbegriff um ökologische Aspekte erweitert werden und eine ökologisch verträgliche Entwicklung aussehen könnte. Einige Entwicklungskonzeptionen gehen davon aus, dass eine langfristige Entwicklung nur bei einem umweltverträglichen Wirtschaften, das den Schutz der Umwelt und den sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen mit einschließt, möglich ist. Daher wird seit den 70er Jahren versucht, ökologische Aspekte in den Entwicklungsbegriff zu integrieren.

Auf der Suche nach einer möglichen Integration ökologischer Aspekte in den Entwicklungsbegriff kristallisierte sich bald die Erkenntnis heraus, dass man der Multidimensionalität sozialer und ökologischer Prozesse nicht durch einfache, standardisierte Checklisten gerecht werden kann. Die bestehenden Umwelt- und Ressourcenprobleme verlangten vielmehr einen neuen wissenschaftlich fundierten Ansatz der Entwicklung. Ausgehend von der ganzheitlichen Theorie der Humanökologie wurde daher Begriff und Konzept des „Ecodevelopment“ als neuer ökologischer Entwicklungsansatz entworfen, das der Generalsekretär der UNCHE Maurice Strong auf der Konferenz einführte und später von UNEP verwendet wurde. Ignacy Sachs und ihm nahe-

82

stehende Theoretiker250 entwickelten diesen Ansatz zu einem alternativen Entwicklungskonzept weiter, das anstatt universelle Modelle anzuwenden, nach spezifischen Lösungen für die besonderen Probleme bestimmter Regionen sucht. Auf einer ökonomischen Analyse der Umweltproblematik basierend zielt „Ecodevelopment“ auf eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung unter ökologischem Vorzeichen ab und wird von Sachs wie folgt definiert: „an approach to development aimed at harmonizing social and economic objectives with ecologically sound management, in a spirit of solidarity with future generations; based on the principle of self reliance, satisfaction of basic needs, a new symbiosis of man and earth; another kind of qualitative growth, not zero growth, not negative growth.“251 Der Ansatz der Ökoentwicklung impliziert durch die Nutzung lokaler menschlicher und natürlicher Ressourcen in erster Linie die Grundbedürfnisse der Menschen umweltverträglich zu befriedigen.252 Neue konkrete, den lokalen natürlichen Begebenheiten angepasste Entwicklungsstrategien sollen vor allem für den ländlichen Raum in Entwicklungsländern entworfen und unter Einsatz dezentraler, partizipativer Planungsmethoden sowie angepasster Technologien sozialund umweltverträglich umgesetzt werden.253 In seiner Weiterentwicklung werden darüber hinaus auch die industrielle Entwicklung und das Problem der Urbanisierung erörtert.254 Dennoch blieb das Konzept der Öko-Entwicklung weitgehend auf lokale Gesellschaften im ländlichen Raum bezogen und auf die konkrete Projektebene beschränkt.

Das normative Konzept des „Eco-development“ konnte daher nicht in eine allgemeine Theorie bzw. Strategie sozioökonomischer Entwicklung eingebaut werden, die eine Analyse gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsprozesse und ihrer internationalen Zusammenhänge oder gar eine gesellschaftliche Strategie der Ökologisierung erlaubt hätte.255 Dies geschah erst mit der Einführung des neuen Konzepts „sustainable development“, das im Sinne des Begriffs der „sustainability“256, der mit dauerhafter, tragfähiger oder nachhaltiger Entwicklung übersetzt wird. Umfas250 Dies

sind z.B. Glaeser/Vyasulu 1984 und Lazarev 1994.

251 Sachs, 252 Vgl.

hier zitiert nach Glaeser/Vyasulu 1984: 25.

Glaeser 1984: 1-6.

253 Siehe

hierzu Elemente eines umweltverträglichen Gesellschaftstyps bei Wöhlcke 1989: 71-74.

254 Vgl.

Sachs 1991: 21f und 151ff.

255 Vgl.

Bruckmeier 1994: 112f.

256 Der

Begriff der „sustainability“ (Nachhaltigkeit) kommt ursprünglich aus dem forstwirtschaftlichen Bereich. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er angesichts zunehmenden Holzmangels eingeführt und bezweckte damit, dass nur soviel Holz geschlagen werden sollte, wie auch auf natürliche Weise wieder nachwächst (zu den ideengeschichtlichen Wurzeln des Begriffs siehe Minsch 1993: 10-12). Nachhaltigkeit wurde damals als quantitativer Begriff verstanden. Der Brundtland-Bericht von 1987 nahm ihn wieder auf und erweiterte ihn um qualitative Aspekte (vgl. Hauff 1987). 83

sender als der Ansatz des „Eco-development“ überwindet der Ansatz der nachhaltigen Entwicklung die isolierte Betrachtung von Umweltproblemen und ihrer Lösung zugunsten einer integralen Sichtweise. Im Mittelpunkt des Interesses steht die gegenseitige Abhängigkeit von Ressourcen- und Umweltproblemen einerseits und von ökologischen und ökonomischen Systemen andererseits.257 Im Vergleich zu den bis dahin in der Umweltökonomie258 diskutierten anderen umweltverträglichen Entwicklungsansätzen und Ideen erhält das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ vor allem auf politischer Ebene größere Aufmerksamkeit und wurde von der „World Commission on Environment and Development“ mit dem 1987 erschienen Brundtland-Bericht erfolgreich in die internationale Diskussion über alternative Entwicklungswege eingebracht. Ausgangspunkt waren nicht mehr spezifische Umweltprobleme in bestimmten Regionen, sondern die angesichts globaler Umwelt- und Entwicklungsprobleme wachsende Interdependenz zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Der Brundtland-Bericht lieferte hierzu Bestandsaufnahme, Ursachenanalyse und einen Ziel- und Maßnahmenkatalog für umweltverträgliches Wirtschaften. Nachhaltige Entwicklung wurde im Kern als „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“259 beschrieben. Mit der UNCED avancierte das normative Konzept nachhaltiger Entwicklung260 zum Leitbild eines sozial- und umweltverträglichen Wirtschaftens, das weltweit umgesetzt werden sollte. Wirtschaftliches Wachstum, Umweltschutz und soziale Entwicklung wurden miteinander verknüpft und soziale, ökonomische und ökologische Erfordernisse wurden analysiert, um den Zielkonflikt zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Umweltschutz zu überwinden oder zumindest abzumildern. Die Transformation von ökonomischen, technologischen und institutionellen Strukturen und die Änderung der Wachstumsqualität soll einen Wandlungsprozess ermöglichen, „in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander

257 Vgl.

harmonieren

und

das

derzeitige

und

künftige

Potential

Minsch 1993: 21.

258 Siehe

hierzu z.B. Kapp 1950 und Boulding 1966.

259 Hauff

1987: 46.

260 Zu

den strategischen Erfordernissen des Konzepts zählen: Belebung des Wachstums, Veränderung der Wachstumsqualität, Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, Sicherung dauerhafter Bevölkerungszahlen, Erhaltung und Stärkung der Ressourcenbasis, Neuorientierung der Technologiepolitik und Handhabung von Risiken, Verbindung von Umwelt und Wirtschaft in Entscheidungsprozessen. Als wichtige Voraussetzungen und Ziele der nachhaltigen Entwicklung sind anzusehen: ein politisches System, das Partizipation der Bürger in Entscheidungsprozessen sicherstellt; ein Wirtschaftssystem, das fähig ist, Gewinne zu erzielen und technisches Wissen auf einer dauerhaften Basis zu schaffen; ein Gesellschaftssystem, das Lösungen von Spannungen findet, die durch unausgewogene Entwicklung entstehen; ein internationales System, das nachhaltige Handels- und Finanzbeziehungen fördert, und ein Verwaltungssystem, das flexibel ist und eigene Fehler korrigieren kann (vgl. hierzu Hauff 1987: 52-69). 84

vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen“.261 Im Vordergrund steht dabei das Streben nach Wohlstand für alle. Die Armutsminderung soll durch die Befriedigung zumindest der Grundbedürfnisse der Menschen und die Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden, unter expliziter Gewährleistung einer gerechten Ressourcenverteilung zwischen den Generationen (intergenerationell). Darüber hinaus wird aber auch die Gleichheit innerhalb einer Generation (intragenerationell)262 betont, wobei der Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern im Mittelpunkt steht.263 Letzteres findet im Brundtland-Bericht zwar keine ausdrückliche Erwähnung, aber wird mit dem Recht der Entwicklungsländer auf aufholende Entwicklung und quantitatives Wachstum zur Beendigung der armutsbedingten Umweltzerstörung implizit erwähnt.264

Der Brundtland-Bericht und das von ihm propagierte Konzept der nachhaltigen Entwicklung erhielt nicht nur positiven Zuspruch, vielfach wurde auch Kritik265 geübt, vor allem weil er viele Fragen offen ließ. Dem Bericht wird zwar eine realistische und zutreffende Beschreibung und Analyse der Ursachen und Symptome der globalen Umweltbelastungen attestiert, aber er bemüht sich nicht um eine wissenschaftliche Fundierung des Nachhaltigkeitspostulats, das weder theoretisch noch methodisch ausreichend durchdacht ist.266 Insbesondere werden die unklaren und strategisch defizitären Wachstumsempfehlungen sowie fehlende konkrete Lösungsansätze bemängelt. Seit Anfang der 90er Jahre wird das hinterlassene theoretische Vakuum mit unterschiedlichen politischen Interpretationen gefüllt und führte dazu, dass internationale Organisationen und Regierungen den Ansatz für ihre Vorstellungen von umweltverträglicher Entwicklungspolitik verwandten. Ihre Konzepte halten aber weitgehend an den bisherigen Entwicklungsstrategien fest mit der Erweiterung um Wachstumskonzeptionen, die auf effizientere Ressourcennutzung und umweltverträgliche Technologie setzt. Dies entspricht einer technologisch ausgerichteten Strategie der ökologischen Modernisierung, die mit einer eher nachsorgenden Umweltpolitik und technologischen Lösungen dem umfassenden Konzept der nachhaltigen Entwicklung nicht gerecht werden kann. Diese erfordert vielmehr eine im Sinne des Handlungs-

261 Hauff 262 Zur

1987: 49.

„intergenerational equity“ und „intragenerational equity“ siehe Pearce/Barbier/Makandya 1990: 11ff.

263 Vgl.

z.B. Engelhard 1995: 24.

264 Vgl.

Minsch 1993: 13ff.

265 Zu

den Stärken und Schwächen des Brundtland-Berichts und der Kritik am dort vorgestellten Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ siehe Harborth 1991: 57ff; Lembke 1991: 8-12; Minsch 1993: 18ff.

266 Daher

wurden wichtige Schritte zur Operationalisierung und Messung von nachhaltiger Entwicklung anhand von Indikatoren und Indikatorensystemen vor allem auf der Basis ökonomischer Analysen vollzogen. Siehe hierzu z.B. Atkinson et al. 1997. 85

typs der strukturellen Ökologisierung eine Umstrukturierung mit tief greifenden Veränderungen der Produktions-, Handels- und Konsumstrukturen gemäß ökologischer Erfordernisse.267

3.2.2

Die umweltpolitische Strategie der Ökologischen Modernisierung

Im Rahmen der Strategie der „Ökologischen Modernisierung“268 kristallisierten sich zwei wesentliche Ansätze heraus. Modernisierung kann entweder auf lediglich wirtschaftlicher und technologischer Ebene im Sinne einer „technocratic-ecological modernization“ erfolgen und ist innerhalb des bestehenden Systems möglich, oder aber umfassender sein. Der Ansatz der „sociocratic-ecological modernization“ hingegen setzt einen Systemwandel voraus und bezieht sich nicht nur auf die wirtschaftlichen Strukturen, sondern darüber hinaus auch auf die gesellschaftlichen Strukturen und Lebensstile des Systems.269 Für Martin Jänicke zieht die „sociocraticecological“ Modernisierung die Notwendigkeit eines „doppelten Paradigmenwechsels“270 nach sich, der sowohl strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft als auch in der Politik zur Effektivierung der Umweltpolitik umfasst. Die Anhänger des Konzepts der ökologischen Modernisierung gehen davon aus, dass Umweltschutzmaßnahmen vielleicht kurzfristig, aber nicht langfristig zulasten wirtschaftlicher Produktion gehen, sondern vielmehr eine potenzielle Quelle für künftiges wirtschaftliches Wachstum darstellen. Sie sehen in einer gesunden Umwelt ein höheres Gut, nach dem die Nachfrage wahrscheinlich steigen wird. Daraus ergibt sich, so die These, ein Vorteil für diejenigen Wirtschaftsunternehmen, die die technischen Produktionskapazitäten entwickelt haben, die es erlauben weniger umweltverschmutzende Güter und Technologien zur Verschmutzungskontrolle zu produzieren.271 Ein solcher umweltentlastender Strukturwandel, der zumindest ansatzweise eine Hinwendung zu emissions-, abfall- und risikoarmer Produktionsweise beinhaltet, ist bereits in vielen entwickelten Ländern empirisch beobachtbar.

Neben einer verstärkten Suche nach technologischen Innovationen und strukturellen Veränderungen der Produktion, verlangt eine ökologische Modernisierung als konsequente Reaktion auf

267 Vgl.

Harborth 1992a: 51ff; Becker 1992: 116f.

268 Vgl.

hierzu vor allem Simonis 1990; Jänicke/Mönch 1988, Jänicke 1992.

269 An

den Ansatz der „sociocratic-ecological modernization“ knüpft Becks Konzept der "reflexiven Modernisierung" an als Rückvermittlung der Problemdimensionen moderner Vergesellschaftung in den Bereich demokratischer Verfahren. Siehe hierzu Beck 1986: 254ff.

270 Jänicke 271 Vgl.

1992: 438.

Weale 1992: 76. 86

die Phänomene „Staatsversagen“272 und Grenzen regulativer Politik273 die Reform politischer Steuerungsmechanismen und nach einem institutionellen Strukturwandel. Über rein technisch realisierbare Effizienzsteigerungen hinaus, geht es also auch um Veränderungen des umweltpolitischen Handlungssystems im Sinne struktureller Modernisierung zugunsten des Umweltschutzes. Denn nur so sei eine größere Wirkungstiefe und -breite der Umweltpolitik zu erreichen. Eine Umorientierung in Richtung partizipativer und dezentraler Steuerungsmechanismen beinhaltet auch eine Rücknahme staatlicher Regulierungsaktivitäten und Hierarchien zugunsten der Einbeziehung gesellschaftlicher Akteure außerhalb des engen politisch-administrativen Systems in umweltpolitische Entscheidungsprozesse und zur Aktivierung gesellschaftlicher Selbstregulierung. In diesem Zusammenhang wird vor allem in Entwicklungsländern eine Anhebung des Umweltbewusstseins innerhalb der Gesellschaft als erforderlich angesehen, die durch eine gezielte Informations-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu erreichen ist und vorwiegend von nichtstaatlichen Umweltverbänden betrieben wird.274 Wichtiger Bestandteil ist dabei die Verständigung auf Umweltqualitätsziele und eine Weiterentwicklung gesellschaftlicher Konfliktregelungs- und Entscheidungsverfahren, die kooperatives Verhalten fördern. Dennoch bleibt auch bei solchen Modellen gesellschaftlicher Interaktion der Staat und das politisch-administrative System ein wichtiger Träger der Umweltpolitik, der sich eines Instrumentenmixes unter stärkerer Anwendung marktorientierter Instrumente bedienen könnte, sich ansonsten aber durch die Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen und ordnungsrechtlicher Maßnahmen auf die Kontextsteuerung beschränkt und auf eine stärkere Verknüpfung und Vernetzung von einzelnen Politikfeldern setzt.275

Im Rahmen eines institutionellen Strukturwandels zur Erreichung einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung wurden verschiedene entwicklungspolitische Konzepte zum Aufbau und Stärkung institutioneller Komponenten auf die Umweltpolitik übertragen. Während der 80er Jahre wurde das Konzept des „institutional development“ zum Instrument der Entwicklungszusammenarbeit und auch im Umweltbereich angewandt:

272 Das

in unterschiedlichen Politikfeldern als Problem der staatlichen Steuerung auch in der Umweltpolitik festgestellt wurde (vgl. Jänicke 1986).

273 Vgl.

hierzu Mayntz 1979.

274 Vgl.

Weiß 1996: 91f.

275 Vgl.

Gerlach u.a. 1996: 211-223. 87

„Institutional development in the field of environment is a process leading to organizations emerging in developing countries which, as a result of their own experiences, gain increasing competence and self-reliance in dealing with environmental problems.“276 Der Prozess der Institutionenentwicklung konzentrierte sich nicht nur auf die Stärkung staatlicher umweltpolitischer Institutionen, sondern auch nichtstaatlicher Umweltorganisationen und umfasste darüber hinaus formale Regeln oder Regulierungen wie Umweltgesetze, umweltpolitische Programme und kollektive Akteure, die keine formale Organisationen waren (informelle Gruppen, soziale Bewegungen).277 Als langfristiger Prozess der Restrukturierung und des organisatorischen und institutionellen Wandels ging er über den bisher praktizierten einmaligen Transfer technischer Fähigkeiten zum Schutz der Umwelt hinaus. Allerdings ist in Entwicklungsländern bis heute das auf Fred W. Riggs zurückgehende Phänomen der „konzeptionellen Differenz“ zu beobachten, das Unterschiede zwischen den formal erklärten Zielen einer Organisation und dem tatsächlichen Verhalten beschreibt. In Entwicklungsländern werden durch die Entwicklungshilfe oft neue Normen und Regeln, die auf ausländischer Erfahrung basieren, formal eingeführt, während die herkömmliche soziale Ordnung, die traditionellen Normen und Regeln folgt, informell weiter bestehen bleibt. So existieren Struktur und Funktionen zweier politisch-administrativen Systeme (modern und traditionell) nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig. Dies kann zu Ineffizienz und Ineffektivität innerhalb von Organisationen führen, die nicht durch formales set-up der Organisationen erklärt werden können.278

In den späten 80er Jahren setzte sich als jüngstes Paradigma zu Überlegungen institutioneller Fragen in der Entwicklungsforschung schließlich Begriff und Konzept des „capacity development“ im Umweltbereich durch, das breiter angelegt ist als die vorangegangenen institutionellen Konzepte. Dieser normative, holistische Ansatz zielt allgemein auf die Steigerung der Fähigkeit eines Staates ab, Umweltprobleme in Entwicklungsländern zu identifizieren und zu lösen.279

276 Bruckmeier/Glaeser 277 Vgl.

1992: 8.

Bruckmeier/Glaeser 1992: 10.

278 Das

Problem der konzeptionellen Differenz – Riggs spricht vom „formalism“ – wurde zwar schon vor langer Zeit von Riggs (1971) erarbeitet, scheint aber immer noch aktuell, da auch in neueren Veröffentlichungen Autoren auf seine Ideen zurückgreifen (siehe hierzu z.B. Fashole Luke 1986 und Giesen/Van der Molen 1993: 14).

279 Vgl.

Quesada 1993: 29; OECD 1995: 11. 88

„Capacity devolopment in environment can be defined in this sense as the ability of individuals, groups, organisations and institutions in a society to devise and implement solutions to environmental issues as part of a wider effort to achieve sustainable devlelopment.“280 Während des UNCED-Prozesses nahmen die Begriffe des „capacity building“ und „capacity development“ einen hohen Stellenwert ein. In der Agenda 21 wird im Kapitel 37 die Wichtigkeit der Entwicklung und Stärkung von Kapazitäten281 hervorgehoben, die die menschlichen, wissenschaftlichen, technologischen, organisatorischen, institutionellen Fähigkeiten und die Ressourcenbasis umfassen. Durch den Prozess der Kapazitätenentwicklung sollen nationale Regierungen und lokale Gemeinschaften in die Lage versetzt werden, die notwendigen Fähigkeiten für das nachhaltige Management der Umwelt und der natürlichen Ressourcen zu entwickeln, die hierfür erforderlichen politischen Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen durchzuführen.282 Während es beim „capacity building“ im Umweltbereich um Aufbau und Stärkung umweltbezogener individueller und organisatorischer Handlungs- und Funktionsfähigkeiten auf der Mikroebene geht, legt das Konzept des „capacity development“ den Schwerpunkt auf den Prozesscharakter dieses Unterfangens.283

Die Entwicklung von Kapazitäten im Umweltbereich wird als langfristiger, komplexer, gesellschaftlicher Lernprozess aufgefasst, der die Entwicklung von Fähigkeiten zur Identifizierung, Wahrnehmung und Lösung von Umweltproblemen beinhaltet, um so zu einer verbesserten umweltpolitischen Steuerung und effektiveren Umweltpolitik zu gelangen. Als Voraussetzung hierfür müssen im Rahmen der Entwicklung umweltpolitischer Kapazitäten wichtige Einflussfaktoren beachtet werden. Ausgehend von komplexen ökologischen Zusammenhängen wird dem Konzept eine systemische Perspektive zugrunde gelegt. Dabei wird einerseits ein integrierter Ansatz verfolgt, der alle Umweltmedien umfasst, und andererseits Umweltpolitik als Querschnittaufgabe aufgefasst, die versucht, Umweltaspekte in alle politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Aktionsbereiche zu integrieren. Die Entwicklung umweltpolitischer Kapazitäten wird folglich als intermedialer, intersektoraler, inter-institutioneller und interdisziplinärer Prozess verstanden, der auf den Wandel sozialer, wirtschaftlicher, politischer und administrativer Strukturen ebenso abzielt wie auf Veränderungen des individuellen Verhaltens. Als wichtiges Element beinhaltet dieser Prozess die institutionelle Stärkung und Entwicklung einer Um280 OECD

1995: 12.

281 Zum

Kapazitätsbegriff und zur Kapazitätsthese in der Umweltpolitik siehe Kapitel 2.2.2.1.

282 Vgl.

Keating 1993: 58. Weitere Definitionen z.B. im Rahmen des UN-Programms „Capacity 21“.

283 Vgl.

Müller-Glodde 1994: 13. 89

weltpolitik, die sowohl der Leistungsfähigkeit einzelner Organisationen im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich (Umweltbehörden, nichtstaatliche Umweltorganisationen, ökologische Forschungseinrichtungen) als auch der Interaktion zwischen Organisationen Bedeutung beimisst.284 Anne Giesen und Irna van der Molen unterscheiden daher zwischen zwei theoretischen Konzepten der „organizational capacity“ und „institutional capacity“285. Unter Organisationskapazität verstehen sie die Stärke einer Organisation, ihre Aufgaben zu erfüllen. Im Rahmen der Planung geht es dabei um wichtige Managementfähigkeiten wie Problemidentifikation, Politikvorbereitung und -formulierung und bei der Implementierung ist die effektive Umsetzung sowie Überwachung und Evaluierung der Politik das Ziel. Der Begriff der „institutional capacity“ umfasst die Gesellschaft als Ganzes und die Fähigkeit ihrer Organisationen ihre Ziele zu erreichen, indem die Bemühungen einzelner Organisationen verbunden werden, um ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Damit ist institutionelle Kapazität die Summe der Organisationskapazität einzelner Organisationen plus der Synergie, die durch Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den Organisationen erreicht wird.286 In Entwicklungsländern unterstützen ausländische Geberorganisationen in ihrer Funktion als Katalysator den institutionellen Pluralismus und interorganisatorische Netzwerke staatlicher und nichtstaatlicher Akteure.287

3.2.3

Die Ökologisierung der Entwicklungszusammenarbeit und ihre Instrumente

In Folge der ersten UN-Umweltkonferenz UNCHE 1972 wurden Programme und Konzepte des globalen Umweltschutzes entwickelt (z.B. „World Conservation Strategy“ von IUCN) und an der Weiterentwicklung des internationalen Umweltrechts und internationaler umweltpolitischer Institutionen (z.B. UNEP) gearbeitet. Einige westliche Industrieländer, darunter die Bundesrepublik Deutschland und die USA, versuchten bereits seit Mitte der 70er Jahre explizit oder zumindest implizit den Umwelt- und Ressourcenschutz in Zielkataloge, Programme und Projekte ihrer Entwicklungspolitik zu integrieren. Bis Anfang der 80er Jahre blieb die umweltbezogene Entwicklungspolitik der meisten Geberländer allerdings fragmentiert288, da der Umweltschutz in entwicklungspolitischen Länderprogrammen nicht systematisch berücksichtigt wurde. Dennoch 284 Im

Detail geht es um die Unterstützung bei der Umweltpolitikformulierung, Gesetzgebung und deren Umsetzung, werden Institutionen beraten hinsichtlich Design und Handhabung umweltpolitischer Instrumente und unterstützt bei der Entwicklung und Anwendung von Umweltinformations- und Überwachungssysteme. Darüber hinaus wird die Integration von Umweltaspekten in Sektorpolitiken, die Anwendung umweltfreundlicher Technologie und die Förderung des Umweltbewusstseins angestrebt.

285 Giesen/Van

der Molen 1993: 7.

286 Vgl.

Giesen/Van der Molen 1993: 16-20.

287 Vgl.

OECD 1995: 17ff.

288 Am

deutlichsten war der Umweltbezug bei USAID (vgl. Johnson /Blake 1980: 19). 90

wurden für Entwicklungsprojekte Umweltrichtlinien bereits teilweise vorgegeben und einige Erfolge vor allem im Forstbereich und zum Bodenschutz erzielt, während konkrete ausschließlich auf Umwelt- und Ressourcenschutz abzielende Programme und Projekte noch die Ausnahmen blieben.289 Seit Mitte der 80er Jahre gab es dann verstärkte Bemühungen in der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, umweltschädliche Nebenwirkungen von Projekten zu vermeiden und darüber hinaus Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zu unterstützen. Im Rahmen der Diskussion um die Umweltverträglichkeit der Entwicklungshilfe sprachen einige Autoren sogar von einer „Ökologisierung der Entwicklungspolitik“290. Eine Bestandsaufnahme des „Development Assistance Committee“ (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)291, in der die wichtigsten Geberländer vertreten sind, über die Beurteilung der Fortschritte bei der Realisierung der UNCEDBeschlüsse, zeigte Mitte der 90er Jahre, dass die überwiegende Mehrheit der DAC-Mitgliedstaaten innerhalb ihrer Entwicklungshilfestellen Umweltbelange zum festen Bestandteil ihrer globalen Prioritäten erhoben hatten. Als wichtigster Antriebsfaktor zur Erhöhung des Stellenwertes des Umweltschutzes in Folge der UNCED wurde die Entschlossenheit der politischen Entscheidungsträger zur effektiven Integration von Umweltbelangen in die Politik identifiziert. Aber auch der Druck der Öffentlichkeit, wissenschaftliche Belege über die kritische globale Umweltsituation und nicht zuletzt die wachsende Einsicht in Entwicklungsländern in die Dringlichkeit der Lösung der Umweltprobleme hatten hierzu beigetragen.

Der Grad der Integration globaler Umweltbelange in die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit fällt bei den einzelnen Staaten recht unterschiedlich aus. Viele Geberorganisationen haben aber bereits Strategien entwickelt, die insbesondere den Zielen internationaler Umwelt-Konventionen Rechnung tragen. Eine Vorreiterrolle spielen dabei Australien, Deutschland, Japan und die USA, die bedeutende Fortschritte bei der Berücksichtigung globaler Umweltaspekte in Kernbereichen ihrer Aktionsprogramme gemacht haben. Es wurden Sondermittel für Umweltschutzzwecke bereitgestellt und alle Entwicklungshilfeorganisationen der untersuchten Länder sind mittlerwei-

289 Zu

diesen Ergebnissen gelangten Brian Johnson und Robert O. Blake 1980 in ihrer Studie zur Umweltpolitik in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Insgesamt haben sie sechs große Entwicklungsorganisationen, USAID (USA), CIDA (Kanada), SIDA (Schweden), BMZ/GTZ/KFW (Deutschland), DGIC (Niederlande) und ODA (Großbritannien) in Hinblick auf die Integration umweltpolitischer Aspekte in ihre Programm- und Projektarbeit und die Durchführung „reiner“ Umwelt- und Ressourcenschutzprojekte und -programme untersucht.

290 Wöhlcke

1989: 37 und 1992: 114; Bechmann/Fahrenhorst 1992: 146.

291Es

handelt sich hierbei um einen Bericht über die Aktivitäten der DAC-Mitglieder zur verstärkten Umsetzung von Umweltzielen mit dem Titel „Survey of DAC-Members‘ Activities in Support of Environmental Goals“. Der Bericht basiert auf einer Untersuchung, die 1995 und 1996 im Namen des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) von dessen Arbeitsgruppe für Entwicklungshilfe und Umwelt durchgeführt wurde. Zitiert nach Söderbaum 1998: 75ff. 91

le mit einem Umweltreferat ausgestattet oder verfügen über interne Kompetenzen zu Umweltfragen, die in der Regel innerhalb zentraler Beratungsstellen der Organisation angesiedelt sind. Allerdings ist nach mehreren Jahren der Personalaufstockung die Zahl der Mitarbeiter mit umweltbezogenen Fachkenntnissen in letzter Zeit nicht mehr fortgeschritten, während die Aktivitäten im Umweltbereich weiterhin zunehmen. Weitere Zeichen dafür, dass Umweltfragen zum prioritären Aktionsbereich vieler DAC-Mitgliedsländer geworden ist, ist die wachsende Koordination im Umweltbereich zwischen den einzelnen Gebern, zwischen Entwicklungshilfeorganisationen und Umweltministerien, zwischen staatlichen Entwicklungshilfestellen und dem privaten Sektor, darunter Nichtregierungsorganisationen, sowie die Integration von Umweltbelangen in Organisationen der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit.292

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit kann auf unterschiedliche Weise zur Förderung umweltpolitischer Ziele beigetragen werden. Zum einen geschieht dies sicherlich indirekt durch das Engagement vor allem einiger westlicher umweltpolitischer Vorreiterländer, die auf globaler Ebene der Umweltpolitik zu mehr Gewicht verhelfen. Ihr Einsatz für umweltpolitische Abkommen im Rahmen internationaler und regionaler Konferenzen, zielt letztlich auf die Festschreibung rechtlicher Regelungen und die Institutionalisierung von Umweltregimen auf internationaler oder regionaler Ebene ab. Darüber hinaus dienen Bemühungen der Integration ökologischer Standards in die internationale Handelspolitik (zur Zeit Diskussion im Rahmen der WTO). Zum anderen können Industrieländer auch direkt Einfluss nehmen, indem sie umweltpolitische Maßnahmen in Entwicklungsländern finanziell und technologisch unterstützen und umweltschutzbezogenes Wissen transferieren. Durch den Transfer von ökologischem Wissen, finanziellen Ressourcen und Umweltschutztechnologien aus Industrieländern in Entwicklungsländer soll der „time-lag“ zwischen dem Vorsprung an umweltpolitischer Erfahrung der Industrieländer und der umweltpolitischen Reaktion in Entwicklungsländern verkürzt werden.293 Ergänzt wird der Wissens-, Kapital- und Technologietransfer durch das Instrument des Politikdialogs, der als „moral susasion“ insbesondere im Bereich internationaler Konferenzen eine bedeutende Rolle spielt und durch Nutzung neuer Kommunikationstechniken und -möglichkeiten erleichtert wird. Ein solcher Dialog kann sowohl bilateral als auch multilateral erfolgen. Eingebunden werden staatliche und nichtstaatliche Akteure aus Industrie- und Entwicklungsländern. Der Nutzen des Politikdialogs liegt vor allem im gegenseitigen Austausch von Informationen zur Sachlage, neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Problemlösungsmöglichkeiten im Umweltbereich. Durch Informa-

292 Vgl.

Söderbaum 1998: 78ff.

293 Vgl.

Bechmann/Fahrenhorst 1992: 137ff. 92

tionsaustausch und sachbezogene Gespräche können darüber hinaus Meinungsbilder vermittelt und Politikempfehlungen vorbereitet werden. Die Nachteile dieses Ansatzes liegen in den oft langwierigen Verhandlungen, Kompromisslösungen und Vereinbarungen auf der Grundlage eines Minimalkonsenses. Wird der Politikdialog mit konkreten Auflagen in Form von Druckmitteln mit positiven oder negativen Anreizen verbunden, kann seine Wirksamkeit erhöht werden. Allerdings käme dies einer Konditionierung gleich und würde im Prinzip dem Grundsatz des Dialogs widersprechen.294 Die Ökologisierung der Entwicklungspolitik führte dazu, dass konkrete Instrumente zur Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern eingesetzt wurden, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Auf Makroebene wird versucht, umweltrelevante Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern zu beeinflussen, während auf der Mikroebene, also auf Projektebene, entweder direkt Umweltschutzmaßnahmen unterstützt und ihre Träger gefördert werden oder indirekt ökologische Aspekte bei der Planung und Durchführung von Entwicklungsprojekten berücksichtigt und in andere Politikfelder integriert werden.

3.2.3.1 Direkte Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern Zu den Maßnahmen, die direkt den Umwelt- und Ressourcenschutz in Entwicklungsländern fördern sollen, gehören zum einen Umweltschutzprojekte, die im engeren Sinn medial oder sektoral ausgerichtet oder auf bestimmte Gebiete beschränkt sind; zum anderen Programme, die durch Aufbau und Stärkung institutioneller Kapazitäten im Umweltbereich auf langfristige Umweltplanung und Umweltpolitik abzielen. Umweltschutzprojekte sind Vorhaben, deren vorrangiges Ziel der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen oder die Wiederherstellung gesunder Umweltbedingungen ist. Bei den Projekttypen wird nochmals zwischen Projekten zum Schutz natürlicher Ressourcen in ländlichen Gebieten („green projects“) und solchen im urbanindustriellen Raum („brown projects“) unterschieden.295 Projekte der ersten Art sind beispielsweise die Einrichtung und das Management von Naturschutzgebieten, zum Schutz der Artenvielfalt, standortgerechte und angepasste Landnutzung, Bodenschutz und Erosionsbekämpfung, Erhaltung von Wäldern, Bekämpfung der Desertifikation, forstwirtschaftliche Entwicklung, integrierte Schädlingsbekämpfung sowie effizientes Wassermanagement. Der zweite Projekttyp umfasst Umweltschutzmaßnahmen, bei denen es in erster Linie um Verschmutzungskontrolle

294 Zum

Thema Umweltschutz und Politikdialog siehe Uhlig 1993. Der Versuch mit Hilfe des Politikdialogs auf Makrostrukturen in Entwicklungsländern Einfluss zu nehmen, ist selten erfolgreich, weil hinter den Makrostrukturen gewichtige Interessen stehen und ein Eingriff in die staatliche Souveränität auf Widerstand stößt. Daher ist nach Manfred Wöhlcke ein Einsatz des Instruments des Politikdialogs viel versprechender, wenn er projektnah bleibt und nicht überfrachtet wird (vgl. Wöhlcke 1992: 122).

295 Diese

Unterscheidung findet sich exemplarisch bei World Bank 1995: 23. 93

und um urbanes Umweltmanagement geht. Es handelt sich um Projekte, die direkt zur Prävention und Reduzierung von Verschmutzung durch Forschung und Anwendung neuer Technologien und durch die Stärkung personeller Ressourcen zum verbesserten Umweltmanagement staatlicher Institutionen und privater Unternehmen beitragen.

Zu Beginn der 90er Jahre kam es zu einer „Renaissance umweltpolitischer Planung“296, die im Rahmen der UN-Konferenz in Rio de Janeiro (UNCED) 1992 mit der Aufforderung an die UNMitgliedstaaten in die Agenda 21, Aktionspläne und -programme mit Zielsetzungen zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung wieder verstärkt aufgegriffen wurde. Nationale Umweltplanung im Sinne der Agenda 21 bedeutet einerseits die Stärkung umweltpolitischer Institutionen und Organisationen im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich und die Integration von Umweltschutzzielen in umweltrelevante Politikfelder und die Stärkung des Umweltschutzes gegenüber anderen Politikzielen. Andererseits wird großer Wert auf die Partizipation aller relevanter gesellschaftlichen Gruppen bei der Formulierung und Implementierung umweltpolitischer Ziele und Maßnahmen gelegt.297 Durch effektive Netzwerke innerhalb des staatlichadministrativen Systems und zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren soll sowohl die vertikale als auch die horizontale Koordination erleichtert und so die funktionelle Leistung der Organisationen verbessert werden.298 Unterstützt werden solche Maßnahmen durch Instrumente der Umweltbildung wie Information, Erziehung und Kommunikation, die nicht nur zur Umweltbewusstseinsbildung, Informationsvermittlung, Förderung von umweltfreundlichen Werthaltungen und zur Weitergabe von Lösungsansätzen für die Problembewältigung angewandt werden, sondern auch kognitive und affektive Verhaltensweisen beeinflussen. Dazu dienen sowohl formale Methoden, wie die Berücksichtigung des Umweltthemas bei der Erstellung von Lehrplänen und -materialien, die Ausbildung von Lehrkräften, als auch non-formale Methoden wie Umweltclubs an Schulen und Universitäten.299

296 Carius/Sandhövel

1998: 19.

297 Vgl.

Jörgens 1996: 108. In der Literatur wird anerkannt, dass diese Ziele und Funktionen weitestgehend vom niederländischen "Dutch National Environmental Policy Plan" (vgl. hierzu Weale 1992: 125-153) erfüllt werden, der so zum Modell und Vorbild für Umweltplanung in anderen Ländern geworden ist.

298 Vgl.

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) 1995: 23.

299 In

diesem Zusammenhang müssen Maßnahmen in Umweltbildungsplänen berücksichtigt werden, die zwischenmenschliche Beziehungen stärken und Betroffenheit nicht nur auslösen, sondern in Solidarität, Gemeinschaftsaktionen und einen Schutz der sozialen und natürlichen Umwelt ummünzen. Maßnahmen, die individuelles Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung sowie fachliche, methodische und organisatorische Kompetenzen fördern (vgl. Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) 1994: 26ff). 94

Als Instrumente zur Unterstützung bei der Formulierung von nationalen Umweltprogrammen werden Umweltstrategien („National Conservations Strategies“) und Umweltaktionsplänen („National Environmental Action Plans“) eingesetzt. Letztere setzen eine multisektorale Analyse von Umwelttrends durch die Abschätzung ökonomischer und sozialer Dimensionen der Umweltprobleme sowie die Analyse des politisch-institutionellen Rahmens für die Umweltplanung voraus. Anders als in Industrieländern, wo seit den 80er Jahren die langfristige, politikfeldübergreifende und integrative umweltpolitische Zielbildung auf breiter gesellschaftlicher und politischer Basis im Vordergrund steht, geht es in den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern in erster Linie um eine Systematisierung der Umweltpolitik und die Verbesserung umweltpolitischer Kapazitäten durch Schaffung und Ausbau einer eigenständigen Umweltverwaltung und weiterer umweltpolitischer Institutionen. Die Erstellung und Implementierung solcher Umweltaktionspläne wird seit 1987 von der Weltbank und anderen UN-Organisationen gefördert und streben Veränderungen im wirtschaftlichen, institutionell-organisatorischen, politischen und rechtlichen Bereich sowie auf der Bewusstseinsebene der Menschen an, um nachhaltige Entwicklung im Sinne einer Verbesserung der Lebensqualität und Optimierung des Ressourcenverbrauchs zu erreichen.300

Nationale Umweltstrategien und Umweltaktionspläne sind erfahrungsgemäß dann erfolgreich, wenn sie realistische Umweltschutzziele sowie Prioritäten sowohl bezüglich der Umweltprobleme als auch hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen formulieren und deren effektive Implementierung durch akkurate technische und ökonomische Analyse und aktive Partizipation und Beiträge der wichtigsten umweltpolitisch relevanten Akteure gefördert wird.301 Mittlerweile ist die prozedurale Komponente des formalen Entstehungsprozesses von Umweltstrategien und -aktionsplänen und die Frage nach der Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Die OECD betont in ihrer Auswertung umweltpolitischer Planungsansätze: „Emphasis should be more on the process of working out a strategy or a plan rather than a plan for its own sake. The process has its value itself.“302 Tatsächlich wurde bisher festgestellt, dass der Erfolg von Umweltplänen bisher in den meisten Ländern weniger im Ergebnis der Umsetzung der formulierten Ziele als vielmehr im politischen

300 Zu

Umweltaktionsplänen in Entwicklungsländern siehe Metzner 1996; Fahrenhorst 1996; Carew-Reid et al. 1994; Otzen 1993.

301 Vgl.

World Bank 1995: 84; World Bank 1995a.

302 OECD

1995a: 13. 95

und gesellschaftlichen Lernprozess, der institutionelle Änderungen mit einschloss, lag.303 Doch die Partizipation aller umweltrelevanten Akteure, die sich durch sehr unterschiedliche Interessenlagen auszeichnen und die mit Umweltzielen unterschiedliche subjektive Vorstellungen verknüpfen, befördert das Konfliktpotenzial bei der Festlegung dieser Ziele zutage. Insbesondere die Einbeziehung umweltrelevanter, aber wirtschaftsnaher Ressorts gesellschaftlicher Interessengruppen, speziell aus dem Verursacherbereich, an Planungsprozesse über langfristige quantifizierbare und zeitlich befristete umweltpolitische Ziele hat sich als kritischer Punkt erwiesen. Welche Auswirkungen dies hat, zeigt sich in den bisherigen Defiziten von Umweltplänen, deren Ziele oft vage und unzulänglich sind und sich durch geringe intersektorale Kommunikation und geringe Verbindlichkeit auszeichnen.304 Hilfreich ist es daher, wenn Verursachergruppen die Modernisierungsfunktion der nationalen Umweltplanung erkennen, die durch kostenreduzierende Effizienzsteigerung beim betrieblichen Ressourceneinsatz, die Erschließung neuer Märkte und „first-mover advantage“ für umweltfreundliche Technologien und Produkte letztlich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes führen kann.305 Auf ökonomischer Ebene wird der technische Fortschritt durch flankierende staatliche Maßnahmen wie die Schaffung von Innovationsanreizen stimuliert und gleichzeitig durch gesellschaftliche Zielvorgaben fokussiert, indem Informations- und Kommunikationsprozesse intensiviert werden, die sich als wichtige Erfolgs- und Innovationsbedingung im Bereich Umweltschutz erwiesen haben.306 Eine solche konsensorientierte Politik, wie sie in der Umweltplanung angestrebt wird, baut hauptsächlich auf freiwillige Vereinbarungen und Selbstverpflichtungen von Verursachergruppen. Sie funktioniert vor allem da, wo noch keine systematische Umweltpolitik vorhanden ist und notwendige Institutionen und Kapazitäten auf- und ausgebaut werden müssen, wie dies der Fall in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern ist.307

303 Die

Ausnahme bilden hier Länder, wie Niederlande, Süd-Korea und Schweden, die auch in der Umsetzung ihrer Pläne erfolgreich sind (vgl. Jänicke/Carius/Jörgens 1997: 36).

304 Vgl.

Jänicke/Carius/Jörgens 1997: 18f. Vor dem Hintergrund der Veränderungen politischer Entscheidungsstrukturen und der verstärkten Diskussion von Politiknetzwerken als problemlösendes Beziehungsmuster auch in der Umweltpolitik, werden Akteursbeziehungen und Interaktion als wichtig erachtet und das kooperative Vorgehen und konsensuale Entscheidungsfindung positiv hervorgehoben. Problematisch ist allerdings, dass die Intransparenz von Entscheidungsprozessen steigt und Netzwerkstrukturen nach nicht vorhersehbaren Mustern entstehen, so dass Wirkung und Ausmaß dieser Strukturen schwer abzuschätzen sind (vgl. Carius/Sandhövel 1998: 12, bezugnehmend auf die kritische Bewertung von Politiknetzwerken bei Christian Hey 1998). Da die Ergebnisse der Politikformulierung in umweltpolitischen Netzwerken oft nicht zufriedenstellend sind, stellt sich vermehrt die Frage, ob diese Defizite durch mittelfristige Zielfestlegung in wichtigen Politikbereichen künftig vermieden oder zumindest vermindert werden können (vgl. Staeck 1998).

305 Vgl.

Wallace 1995; Porter/Linde 1995.

306 Vgl.

Jänicke/Weidner 1995.

307 Vgl.

Carius/Sandhövel 1998: 19. 96

Zur direkten Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern wird auch das in den 80er Jahren entwickelte marktorientierte Instrument der „debt-for-nature-swaps“ in der Entwicklungszusammenarbeit angewandt. Angesichts der hohen Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer wird der Schuldenerlass als „grüne Konditionalität“ im Tausch gegen Umweltschutz als Mittel gesehen, vor allem die durch die Übernutzung natürlicher Ressourcen entstehenden Umweltprobleme in vielen Entwicklungsländern zu lösen oder zumindest abzumildern. Hinter diesem Konzept steckt die Idee, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerländer die Banken ihre Schuldtitel mit teilweise erheblichen Abschlägen auf dem Sekundärkapitalmarkt verkaufen, die dann von Umweltschutzorganisationen zum Nominalwert oder mit Abschlägen in die Währung des Schuldnerlandes aufgekauft werden. Die so frei gewordenen finanziellen Mittel

werden

für

Umweltschutzmaßnahmen

in

Entwicklungsländern,

die

von

Nichtregierungsorganisationen des Schuldnerlandes durchgeführt werden sollen, reinvestiert.308 Vorteile entstehen so für beide Seiten. Das Schuldnerland kann seine Schulden in eigener Währung begleichen und Umweltschutzprojekte verwirklichen und die Banken bekommen einen Teil ihrer Forderungen erstattet und können durch den „good-will-effect“ Imagepflege betreiben.309 Allerdings sind für die Umsetzung der Umweltschutzprojekte in den Schuldnerländern die mit der Durchführung beauftragten Nichtregierungsorganisationen nicht bereit, Regierungen einen Blick in ihre Finanzen und Aktivitäten zu gewähren, der zur Überprüfung und Kontrolle der Maßnahmen gewährleistet werden müsste. Auf der anderen Seite fehlt es bei vielen umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen in den Geberländern ebenfalls an finanzieller und personeller Stärke, um den Einsatz der „debt-for-nature-swaps“ im gewünschten Maße ausweiten zu können.310

3.2.3.2 Indirekte Förderung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern Neben der direkten Förderung von Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern gibt es auch eine indirekte Förderung durch die Berücksichtigung und Integration von Umweltaspekten in Entwicklungsprojekte. Als wichtiges umweltpolitisches Instrument wird hierfür die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingesetzt, die in den 60er Jahren in den westlichen Industrieländern entwickelt wurde und mittlerweile auf internationaler Ebene als prinzipiell wünschenswert anerkannt wird. In den meisten Industrieländern und in einigen Entwicklungsländern sind UVPVerfahren vorgeschrieben.311 In der Planungsphase eines Projektes werden Umwelteffekte des 308 Vgl.

Oberndörfer 1989: 22.

309 Vgl.

Schreiber 1989: 17.

310 Vgl.

Range 1991: 53f.

311 Vgl.

BMZ 1995: 6. 97

Vorhabens identifiziert und dessen Umweltwirkungen aufgezeigt, um das Ausmaß der UVPStudie festlegen zu können („screening“). Falls eine Umwelterheblichkeit festgestellt wird, erfolgt im nächsten Schritt die Festlegung des Untersuchungsrahmens unter Beteiligung der Öffentlichkeit („scoping“), bevor mit der eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung die ökologischen Folgen des Vorhabens erfasst und anhand lokaler Standards oder falls diese nicht vorhanden sind, in Anlehnung an internationale oder ausländische Standards bewertet werden312 und umweltgerechte alternative Lösungen vorgeschlagen werden oder das Vorhaben ganz aufgegeben wird (Nullvariante). Anschließend erfolgt gegebenenfalls die Erarbeitung von Umweltstudien. Da die UVP nur als Entscheidungshilfe zu begreifen ist, die aus ökologischer Sicht Empfehlungen gibt, müssen danach der Abwägungsprozess und die Entscheidung über Durchführung des Vorhabens erfolgen. In allen weiteren Projektphasen werden tatsächliche Umweltbelastungen und Einhaltung von Schutzanforderungen kontrolliert.313 Im Grundsatz 17 der Agenda 21 verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten die UVP als nationales Instrument für solche Aktivitäten einzusetzen, die bedeutenden negativen Einfluss auf die Umwelt haben können.314 Nachdem als erste Geberorganisation USAID die UVP bereits in den 70er Jahren als umweltpolitisches Instrument in ihre Arbeit eingeführt hatte, gefolgt von Weltbank315 und CIDA, wurde in den 80er Jahren die Umweltverträglichkeitsprüfung Thema vieler bi- und multilateraler Geberorganisationen (z.B. UNEP, OECD), die sich in Empfehlungen, Resolutionen und Richtlinien selbst verpflichteten, institutionelle Änderungen vorzunehmen und die Umweltverträglichkeitsprüfung („Environmental Impact Assessment“/EIA) in die von ihnen geförderten Projekte zu integrieren. Ende der 80er Jahre stellten Studien allerdings fest, dass zwar die meisten Geberorganisationen Umweltaspekte systematisch in ihre Entwicklungsaktivitäten integriert hatten und technische Richtlinien für Umweltverträglichkeitsprüfungen entwickelt hatten, aber dennoch versäumten prozedurale, methodische und institutionelle Aspekte zu diskutieren und die Integra-

312 Bei

der Identifizierung der Umweltprobleme helfen Checklisten und Matrixen. Der Grad der Umwelterheblichkeit wird beispielsweise in der deutschen Entwicklungshilfe mit Umweltkategorien belegt, die Umweltbelastungen eines Projekts nach Einführung von Umweltschutzmaßnahmen als tragbar (geringes und erhöhtes Risiko unvorhersehbarer Belastungen) oder aus ökologischer Sicht als nicht tragbar kennzeichnen. Die Beurteilung von Umweltwirkungen ist schwierig, besonders bei Vorhaben, bei denen die ökologischen Folgewirkungen nicht in Form einer Schadstoffbelastung quantitativ messbar sind (vgl. BMZ 1995: 12ff).

313 Vgl.

hierzu z.B. Bechmann/Gutstedt 1988: 94; Range 1991: 37ff; Bohnet 1992: 263ff; BMZ 1995: 9f.

314 Vgl.

BMZ 1995: 7.

315 Die

Weltbank führte 1989, nachdem sie bereits zwei Jahre zuvor eine Reihe struktureller Änderungen zur Stärkung der Umweltpolitik, Verfahrensabläufe und Personalressourcen durchgeführt hatte, die „Operational Directive“ 4.00 ein, die die „Environmental Assessment“ (Annex A) zum Bestandteil ihrer Arbeit macht und die 1991 nochmals überarbeitet wurde. Diese Richtlinie verlangt, dass alle Investitionen der Bank auf ihre potenziellen Umweltaspekte geprüft werden (vgl. World Bank 1995. 120). 98

tion der UVPs in den Projektzyklus daher unzureichend blieb.316 Die umweltpolitische Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung liegt darin, mögliche Umweltbelastungen bereits im Vorfeld einer Entscheidung über die Durchführung eines Vorhabens zu identifizieren und in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, um so die Suche nach Möglichkeiten zur Verminderung der negativen Auswirkungen auf die Umwelt auszulösen, den Raum von Handlungsalternativen auszuloten oder das Vorhaben ganz aufzugeben (Nullvariante). In diesem Sinne wäre die UVP nicht nur lediglich als Genehmigungsverfahren zu verstehen, in dem für ein Projekt überprüft wird, ob gewisse Mindeststandards erfüllt sind, sondern vielmehr ein Instrument umweltpolitischer Vorsorgepolitik und ökologischer Aufklärung, um nachhaltige Entwicklung im ökologischen Sinne zu garantieren.317 In der Praxis blieb die UVP jedoch auf Projektebene beschränkt mit dem Ziel, Projekte so zu planen und zu betreiben, dass negative Umweltwirkungen vermieden bzw. auf ein vertretbares Maß reduziert werden. Der Schwerpunkt der UVP liegt in der Planungs- und Entscheidungsphase, auch wenn sie eigentlich ein projektbegleitendes Verfahren sein sollte.

Die konzeptionellen Schwächen der Umweltverträglichkeitsprüfung sehen Kritiker vor allem in den abstrakt allgemein gehaltenen Materialien für das UVP-Verfahren. Die exakte Erfassung und Bewertung der mit dem Vorhaben verbundenen Umweltwirkungen ist nahezu unmöglich. Den Projektbearbeitern der Geberorganisationen, die diese Materialien nutzen, mangelt es oft nicht nur an Sachverstand und Zeit, sondern sie neigen auch dazu, ihre Projekte unbedingt durchführen zu wollen.318 Entscheidender als diese konzeptionellen Mängel, die mit zunehmender Erfahrung der Geberorganisationen teilweise abgemildert oder behoben werden konnten, sind die Probleme, die bei der Durchführung von UVP-Verfahren in Entwicklungsländern auftauchen. Die Umsetzung ist vor allem schwierig, weil oft die rechtlichen und institutionellen Grundlagen für die UVP-Durchführung fehlen und ein Mangel an wissenschaftlichen Daten und Informationen sowie an geschultem Personal und finanziellen Mitteln besteht.319 Beschränkun316 Vgl.

Wenning 1989: 4ff. Die deutschen Entwicklungsorganisationen (BMZ, GTZ, KfW) führten 1987 mit der Erstellung der „Materialien zur Erfassung und Bewertung von Umweltwirkungen in Vorhaben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit“, die praktische Anleitungen zur Identifizierung und Analyse der nach aktuellem Kenntnisstand wichtigsten potenziellen Auswirkungen verschiedener Projekttypen auf die Umwelt enthielten, offiziell die Berücksichtigung von Umweltaspekten in ihren Projekten ein (vgl. BMZ 1995: 8). Spezialisierte UNOrganisationen wie FAO, UNDP, UNIDO oder WHO und die Geberländer Dänemark, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Schweden, Großbritannien sowie die Europäische Kommission (EEC) hatten Anfang der 90er Jahre erst rudimentär institutionelle Arrangements in ihrer Entwicklungspolitik getroffen oder befanden sich noch in der Diskussion über die Einführung der UVP in den Projektzyklus (vgl. Wenning 1989: 6f).

317 Vgl. 318 Zur

Bechmann/Gutstedt 1988: 61ff.

konzeptionellen Kritik siehe Summerer 1988: 34ff; Obertreis 1989: 12; Unmüßig 1988: 62.

319 Dies

zeigen Studien aus Brasilien, Ecuador, Indonesien, Kenia, Korea, Malaysia, Ruanda, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Tansania und Thailand (vgl. OECD 1986: 9); siehe auch Bohnet 1992: 270f. 99

gen ergeben sich zudem aus unzureichender Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am UVP-Verfahren sowie am mangelnden Umweltbewusstsein und politischen Willen der Entscheidungsträger vor Ort. Dies führt dazu, dass die Frage nach der Umweltverträglichkeit von Projekten häufig vernachlässigt wird, Geber und Empfänger unterschiedliche Maßstäbe für Bewertung der Umweltbelastungen anlegen320 oder spätestens, wenn es um die konkrete Umsetzung der UVP-Ergebnisse geht, deren Berücksichtigung sehr stark von ökonomischen und politischen Entscheidungen abhängt und sich der Kontrolle von außen weitgehend entzieht. Daher haben Umweltstudien oft keine große Wirkung auf die Umsetzung des Projekts.321

3.2.3.3 Grenzen der Ökologisierung der Entwicklungszusammenarbeit: Kritische Würdigung der Instrumente Eine kritische Betrachtung der in der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzten umweltpolitischen Instrumente kommt zu dem Ergebnis, dass jedes einzelne Instrument nicht nur seine Schwächen und Stärken hat, sondern sie sich auch in ihrer Wirkungstiefe und -breite unterscheiden. Am geringsten ist die Wirkungstiefe und -breite bei den spezifischen Umweltschutzprojekten, weil sie lediglich eine zu kleinräumige und lokal begrenzte Verbesserung der Umweltsituation bewirken. Der Nutzen für die Umwelt ist dabei kurzfristig gesehen punktuell sehr hoch, zu einer Veränderung der umweltrelevanten Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene können solche Projekte allerdings nicht beitragen. Häufig sind im Entwicklungsland die erforderlichen finanziellen und personellen Mittel zur Weiterführung des Projektes nicht vorhanden, so dass das Kriterium der Nachhaltigkeit nach Abzug der Geber nicht erfüllt werden kann.322 Im schlimmsten Fall können solche Projekte, die eigentlich gezielt dem Umweltschutz dienen sollten, sogar negative Auswirkungen auf Ökosysteme haben, und zwar um so mehr sie ohne die Beteiligung der Bevölkerung und mit unzureichenden Kenntnissen der Gegebenheiten vor Ort durchgeführt werden.323

320 Vgl.

Simonis 1988: 111.

321 Vgl.

Unmüßig 1996: 1f; Barbara Unmüßig kommt zu diesen Ergebnissen anhand der Auswertung eines internen Prüfungsbericht der Weltbank zu ihren beiden zentralen umweltpolitischen Steuerungsinstrumenten die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPs) und die Umweltaktionspläne (NEAPs). Es handelt sich um einen Bericht der Evaluierungsabteilung der Bank mit dem Titel: „Effectiveness of Environmental Assessment and National Environmental Action Plans: A Process Study“, der UVPs bis Juni 1995 und NEAPs bis April 1995 ausgewertet hat; siehe auch World Bank 1995: 127f).

322 Vgl.

Simonis 1988: 107ff.

323 Klaus

Boldt zeigt dies anhand von Projektbeispielen unterschiedlicher Geberorganisationen. So wurde das im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführte Projekt zur integrierten und ökologisch verträglichen Nutzung des Babacu-Waldes in Nord-Brasilien nach kurzer Zeit eingestellt, da durch die Einführung eines Pachtgesetzes und technischer Neuerungen der ökologische Raubbau verstärkt und die Existenz der Kleinbauern bedroht wurde. In den frühen 80er Jahren führte die Weltbank Programme zur sozialen Forstwirtschaft in 100

Im Falle einer optimalen Anwendung hätte die Umweltverträglichkeitsprüfung als vorsorgendes umweltpolitisches Instrument, das Umweltaspekte in sektorale Vorhaben integriert, eine große Wirkungstiefe und –breite. Angesichts der genannten Probleme und Hindernisse vor allem bei der Durchführung wird das UVP-Verfahren noch lange nicht flächendeckend und zudem oft erst angewandt, wenn ein Vorhaben bereits genehmigt ist. Dann werden aber nur noch oberflächliche Korrekturen zugunsten des Umweltschutzes toleriert und so bleibt die Wirkung dieses Instrumentes letztlich stark begrenzt.324 Darüber hinaus ist die UVP projektbezogen, auch wenn sie Hinweise auf notwendige Rahmenbedingungen wie angemessenes Bodenrecht, angepasste Wassertarife oder Regelung des Schadstoffausstoßes gibt, zu deren Änderung das einzelne Projekt allerdings nur wenig beiträgt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist folglich kein „Allheilmittel“ zur Vermeidung von Umweltrisiken und darf als umweltpolitisches Instrument nicht überschätzt werden.325 Daher wird die Einführung des UVP-Verfahrens in die bi- und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit von einigen Autoren allenfalls als erster Schritt hin zu einer Neuorientierung der Entwicklungspolitik im Sinne einer Ökologisierung bezeichnet, der aber keinesfalls ausreicht, um den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungsprozess in Richtung ökologisch tragfähiger Entwicklung zu lenken.326

Die anderen vorgestellten entwicklungspolitischen Instrumente versuchen daher eine eigenständige Umweltpolitik der Entwicklungsländer zu stärken, indem sie einen Beitrag zur Verbesserung institutioneller Rahmenbedingungen im Umweltbereich leisten und langfristig auf eine rund 50 Ländern durch, die sowohl die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung nach Baumaterial, Brennholz und Tierfutter befriedigen als auch der Bodenerosion infolge der Abholzung tropischer Wälder Einhalt gebieten sollten. Doch auch ihnen wurde attestiert, dass sie weder einen sozialen noch einen umweltrelevanten Nutzen gehabt hätten. Betroffene Kleinbauern und Wissenschaftler in Indien, Thailand und Brasilien kritisierten insbesondere die praktizierte Aufforstung mit Eukalyptus, da Eukalyptus zwar auf nährstoffarmen Böden schnell wächst, aber der großflächige Anbau negative Auswirkung auf Wasserhaushalt, Bodenfruchtbarkeit und das Leben anderer Pflanzen hat und so der Desertifikation Vorschub leistet und die Artenvielfalt beeinträchtigen würde (vgl. Boldt 1989: 18f). 324 Eine

Ablehnung des Vorhabens im Falle untragbarer Umweltbelastungen im Sinne der Null-Variante ist nahezu unmöglich und auch nicht erwünscht, da dann nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vorhaben mit Hilfe anderer Geberorganisationen ohne Umweltschutzmaßnahmen realisiert wird. Außerdem unterliegen nicht alle außenwirtschaftlichen Instrumentarien und entwicklungspolitischen Leistungen und Projektvorhaben einem UVP-Verfahren. In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gehören zu den Leistungen, die nicht dem UVP-Verfahren unterliegen zum Beispiel die Hermes-Bürgschaften, Projekte des Niederlassungs- und Technologieprogramm der KfW und multilaterale Entwicklungskredite (vgl. Bohnet 1992: 270; Obertreis März 1989: 13; Range 1991: 40; BMZ 1995: 23ff).

325 Vgl.

Schipulle 1992: 162f.

326 Vgl.

Obertreis 1989: 16f; Bechmann 1989: 14; Hartlik 1989: 24. Barbara Unmüßig sieht in der Einführung der UVP noch nicht mal einen Bruch mit gegenwärtigen Entwicklungsstrategien und damit auch keinen Beginn einer Ökologisierung der Entwicklungspolitik, da selbst eine konzeptionell hervorragende UVP lediglich die Qualität der Projektdurchführung und -ausstattung verbessert werden kann. Die Einbeziehung von Umweltfaktoren ins Projekt geschieht vorrangig aus zwei Gründen: um die betriebswirtschaftliche Rentabilität zu erhöhen und den Transfer von Umwelttechnologien aus Industrieländern in Entwicklungsländer anzukurbeln (vgl. Unmüßig 1988: 61f). 101

Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen zugunsten einer ökologisch tragfähigeren Entwicklung bewirken. Unter den vorgestellten Instrumenten haben solche Konzepte die größte Wirkungstiefe und -breite, da sie durch die Entwicklung umweltpolitischer Institutionen und Kapazitäten die staatliche Umweltverwaltung des Entwicklungslandes, aber auch nichtstaatliche Akteure in die Lage versetzen sollen, selbst Umweltschutzprojekte durchzuführen. Und darüber hinaus durch die Etablierung und Stärkung von Umweltabteilungen die Integration von Umweltaspekten in andere Politikfelder bzw. Sektoren sowie die Beteiligung aller umweltrelevanten Akteure an umweltpolitischen Entscheidungsprozessen fördern. Doch auch sie büßen in der Umsetzung an ihrer positiven Wirkung ein. Im Rahmen der „debt-for-nature-swaps“ besteht in Bezug auf die Umwelteffekte unter anderem die Gefahr, anstatt dass neue zur Entlastung des Staatsbudgets schon längst geplante Umweltschutzmaßnahmen durchgeführt werden, es zudem schwierig ist, die Einhaltung der zugesagten Umweltschutzmaßnahmen zu kontrollieren. Bei Durchführung der Umweltaktionspläne (NEAPs) ist deutlich geworden, dass die Schwachstellen weniger im Ansatz als in der mangelhaften Umsetzung liegen. Kritisiert werden in erster Linie die späte und unzureichende Einbindung betroffener Bevölkerungsgruppen, aber auch von Nichtregierungsorganisationen und Fachleuten in den Prozess der Erstellung eines solchen Plans327, die mangelnde Effizienz und Autorität der mit Umweltfragen beauftragten Institutionen sowie Verzögerungen bei der Umsetzung beschlossener Maßnahmen. Die Gründe hierfür werden in den mangelnden Steuerungskapazitäten der Weltbank und im Entwicklungsland selbst, gesehen.328 Eine von der Weltbank durchgeführten Evaluierung ihres zentralen umweltpolitischen Steuerungsinstrumentes ergab, dass das wichtigste Ziel dieser nationalen Umweltaktionspläne, nämlich neue umweltpolitische Kapazitäten in Entwicklungsplanung und -verwaltung zu etablieren, mit Hilfe externer Steuerung in vielen Fällen nicht erreicht wurde.329

Die Schwächen der in der Entwicklungspolitik eingesetzten umweltpolitischen Instrumente liegen weniger in den angewandten Konzepten als vielmehr in deren Umsetzung. Diese gestaltet sich sowohl bei Geberorganisationen als auch in Entwicklungsländern selbst schwierig.330 Bei der Mehrzahl der Geberorganisationen scheint eine Verbesserung umweltspezifischer Sachkenntnisse auf allen Ebenen ihres Verwaltungsapparats angebracht, um auch außerhalb des

327 Nach

Barbara Unmüßig wurden Umweltaktionspläne oft zur Auflage von weiteren IDA-Krediten gemacht. Unter dieser Konditionalität litt die Qualität der Aktionspläne, da so Zeitdruck erzeugt wurde, der die Chance auf einen breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess über umweltpolitische Handlungsfelder, Prioritäten und Ziele reduzierte (vgl. Unmüßig 1996: 2).

328 Vgl.

Sandvoss 1993: 23.

329 Vgl.

Unmüßig 1996: 2.

330 Vgl.

Wöhlcke 1989: 28; Wöhlcke 1992: 114. 102

Umweltreferats das Engagement für den Umweltschutz zu stärken. Auch die Überwachung der Einhaltung gesetzter Umweltziele, könnte verbessert werden und regelmäßiger erfolgen. Trotz der unternommen Anstrengungen zur Weiterentwicklung von Verfahren, Instrumenten und Leitlinien sind diese nach wie vor im Wesentlichen durch einen projektorientierten Ansatz geprägt, obwohl bekannt ist, dass einzelne Umweltprojekte allein nicht den entscheidenden Beitrag zur Überwindung der ökologischen Probleme in Entwicklungsländern leisten können. Hierzu bedarf es einer Verlagerung des Schwerpunktes weg von projektbezogenen Konzepten hin zu den programmbezogenen und stärker sektorübergreifenden Ansätzen, wie dies schon bei einigen Geberorganisationen ansatzweise praktiziert wird.331

In vielen Entwicklungsländern erschweren ungünstige Rahmenbedingungen, die sich durch einen ineffizienten öffentlichen Sektor und Nichtregierungsorganisationen mit geringer Verhandlungsmacht auszeichnen, die effektive Umsetzung der umweltpolitischen Konzepte. Oft fehlt es aber vor allem am politischen Willen der Entscheidungsträger zu einer eigenständigen Umweltpolitik, die häufig lediglich ein „rhetorisches“ Interesse am Umweltschutz zeigen.332 Denn die Ökologisierung der Entwicklungspolitik bringt einerseits Vorteile für Politiker und Bürokraten in Entwicklungsländern mit sich, da die Bürokratie ausgeweitet wird, bürokratische Kompetenzen erhöht und neue finanzielle Quellen der Entwicklungshilfe erschlossen werden, und sie so als Nutznießer der Umweltschutzmaßnahmen diese politisch unterstützen. Andererseits müssen Politiker aber auch mit Machteinbußen rechnen. Und zwar nicht nur weil bei konsequenter Durchsetzung ökologischer Kriterien in der Entwicklungszusammenarbeit gegebenenfalls auf infrastrukturelle Großprojekte verzichtet werden müsste und umweltpolitisch motivierte finanzielle Transfers der Geberländer zu einer Verringerung der traditionellen Entwicklungshilfe führen können, sondern auch weil dadurch für das Entwicklungsland höhere Kosten für das politische Klientel und die erforderlichen staatlichen Investitionen anfallen.333

331 Bei

den Geberorganisationen wurde ein Zusammenhang zwischen Größe der Organisationen und Umfang ihrer Entwicklungshilfeprogramme einerseits und Grad der Einbeziehung von Umweltbelangen in diese Programme anderseits, festgestellt. Mangels Ressourcen und aufgrund schwach ausgebildeter Kapazitäten zur Formulierung aktionsorientierter Ansätze ist es für Länder mit kleineren Programmen schwieriger, ein umfassendes Konzept für die Integration ökologischer Aspekte aufzustellen. Eine Ausnahme bilden hier Länder wie Irland und Neuseeland, die trotz begrenzter Ressourcen und Kapazitäten, den politischen Willen hatten diese Beschränkungen zu überwinden und sich als innovativ in der Berücksichtigung von Umweltbelangen in ihren Programmen erwiesen (vgl. Söderbaum 1998: 77-80).

332 Vgl.

z.B. Simonis 1988: 107f; Wöhlcke 1992: 121.

333 Vgl.

Shams 1994: 25. 103

3.3

Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess in Entwicklungsländern

3.3.1

Umweltprobleme in Entwicklungsländern

Die Umweltprobleme in Entwicklungsländern gestalten sich regional sehr unterschiedlich. So führte die wirtschaftliche Entwicklung und schnelle Industrialisierung der „newly industrialized countries“ (NICs) in Asien zu einer ernsthaften Umweltdegradierung. Insbesondere in den städtisch-industriellen Ballungsgebieten in Ländern wie Taiwan, der Volksrepublik China und Südkorea hat die Luftverschmutzung stark zugenommen. Auf dem indischen Subkontinent erhöhte eine unzureichend regulierte Industrialisierung begleitet von einem starken Bevölkerungswachstum den Druck auf die natürlichen Ressourcen der Region. In Lateinamerika trugen ebenfalls hohe Wachstumsraten der Bevölkerung und die Expansion städtischer Ballungsgebiete wie Mexiko-City, Santiago de Chile und Sao Paulo zu einer starken Verschmutzung der Luft bei, die die menschliche Gesundheit gefährdet. Besondere Aufmerksamkeit zog in den letzten Jahrzehnten darüber hinaus die Zerstörung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, in Zentralamerika und in der Karibik auf sich. Die natürliche Ressourcenbasis auf dem afrikanischen Kontinent und der arabischen Halbinsel ist besonders empfindlich und verwundbar. Die unangepasste oder übermäßige Nutzung und der gestiegene Druck auf knappe natürliche Ressourcen durch die schnell wachsende Bevölkerung hatte eine erhebliche Degradierung vor allem der Umweltmedien Wasser und Boden zur Folge.334

Die Umweltproblematik in Entwicklungsländern ist in mancher Hinsicht anders geartet als jene in den Industrieländern.335 Zu den wichtigsten Umweltproblemen mit den folgenreichsten negativen Wirkungen für die menschliche Gesundheit und wirtschaftliche Produktivität der Entwicklungsländer zählt die Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen vor allem im ländlichen Raum. Die Folgen sind Verschlechterung der Bodenqualität oder gar Verlust an landwirtschaftlichen Böden, die Destabilisierung des Wasserhaushalts, Wasserknappheit und die Verschlechterung der Wasserqualität sowie Entwaldung und Desertifikation. Auf lokaler Ebene führen die Verschlechterung der Boden- und Wasserqualität sowie das Problem der Wasserknappheit zu einem reduzierten Nahrungsangebot und größerer Anfälligkeit gegenüber Dürre. Darüber hinaus ist unter anderem mit Einbußen an Flächenproduktivität, an Erträgen in der Fischerei, mit der Erschöpfung von Grundwasservorkommen mit der Folge irreversibler Bodenverdichtung und der Beschränkung der Wirtschaftsaktivitäten durch Wassermangel, die sich auf das Bruttoso-

334 Vgl.

Koenig 1995: 6f.

335 Zu

den wichtigsten Umweltproblemen in Entwicklungsländern und die Hauptfolgen der ökologischen Misswirtschaft für Gesundheit und wirtschaftliche Produktivität siehe z.B. Weltbank 1992: 5ff; Weimert u.a. 1981: 8f; Uhlig 1991: 25f. Schaubild der typischen Umweltprobleme in Entwicklungsländern siehe in Weimert 1981: 14. 104

zialprodukt negativ auswirken, zu rechnen. Dies ist insbesondere in der Region des Nahen Ostens zu befürchten.

In Abgrenzung gegenüber den Industrieländern, wo die ökologischen Probleme auf die fortgeschrittene Industrialisierung zurückgeführt werden, wird die Umweltproblematik in Entwicklungsländern oft auch als „armutsbedingte Umweltzerstörung“336 charakterisiert. Einige Autoren sehen in der Armut die Ursache für Umweltprobleme, da die ärmeren Bevölkerungsteile aus Mangel an Alternativen nahezu gezwungen sind, Ressourcen auszubeuten, anstatt sie als wichtige Lebensgrundlage zu bewahren. Denn für arme Menschen geht es in erster Linie ums Überleben, das sie von Tag zu Tag neu bestreiten müssen. Unter diesen Umständen können sie keine Weitsicht für die Umweltprobleme von übermorgen entwickeln. Hingegen sehen andere Autoren die Armut in vielen Entwicklungsländern lediglich als Folge der Umweltzerstörung.337 Letztlich kann Armut bzw. Unterentwicklung sowohl als Ursache als auch als Folge von Umweltzerstörung betrachtet werden, die sich in einer Art Teufelskreis gegenseitig bedingen. Die Armut trägt wie auch hohe Bevölkerungswachstumsraten in den Entwicklungsländern vor allem als Problemverstärker zur Umweltbelastung bei. Die Umweltprobleme in den Entwicklungsländern sind also nicht nur als armutsbedingt, sondern auch wachstumsinduziert und zwar nicht nur aufgrund des zunehmenden Bevölkerungswachstums, sondern auch im Hinblick auf eine zunehmende Industrialisierung und technologische Entwicklung.338 Die Entwicklungsländer werden zudem von den Folgen globaler Umweltprobleme stärker betroffen als die Industrieländer. Denn Entwicklungsländer sind besonders anfällig gegenüber langfristig wirksamen Umweltschäden, so dass sich angesichts spezifischer ökologischer und sozialer Interdependenzen die Belastung schlimmer auswirkt als in den Industrieländern. Entwicklungsländer liegen oft in klimatischen

336 Nach

Hans-Jürgen Harborth findet die armutsbedingte Umweltzerstörung in Entwicklungsländern in vier Bereichen statt. In den ariden und semiariden Trockenzonen, in denen die Überbeanspruchung von Acker- und Weideland Umweltprobleme verursachen. In den Bergregionen rufen landwirtschaftliche Übernutzung und Abholzung der Wälder Erosions- und wasserwirtschaftliche Probleme. Auch die Abholzung tropischer Regenwälder bedroht vor allem den Wasserhaushalt und die Artenvielfalt. In letzter Zeit mehren sich die Umweltprobleme aber auch in den städtischen Ballungsgebieten, in denen sich Luft- und Wasserqualität verschlechtert sowie hygienische Probleme aufgrund unzureichender Infrastruktur zunehmen und vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten in den Slums der Großstädte betreffen (vgl. Harborth 1992: 47-61). Zur armutsbedingten Umweltzerstörung siehe auch Simonis/Oodit: 1992 und Hartje 1982: 9ff.

337 Vgl.

z.B. Dahram/Vivian 1992: 72. Als wichtige Ursache der Umweltzerstörung im ländlichen Raum sehen Ghai Dahram und Jessica M. Vivian nicht die Armut, sondern die Entmachtung der Kommunen („disempowerment of communities“).

338 Eine

Reihe von Autoren teilen allerdings die Ansicht, dass die Definition von Umweltproblemen entweder als Probleme des Überflusses oder als Probleme der Armut irreführend sei, da wirtschaftlicher Wohlstand gleichzeitig Ressourcen zur Bekämpfung der Umweltprobleme mit einschließt und so ökonomische Entwicklung durch Modifizierung wirtschaftlicher Strukturen auch zur Verbesserung der Umweltqualität führen kann (vgl. z.B. Pearson/Pryror 1978: 8f). Zum Zusammenhang zwischen der Modifizierung wirtschaftlicher Strukturen und der Verbesserung der Umweltqualität siehe Kapitel 2.2.2.2. 105

Zonen, die sehr sensibel auf durch anthropogene Eingriffe verursachte Veränderungen reagieren. Viele dieser Länder sind landwirtschaftlich geprägt und besonderes von natürlichen Ressourcen abhängig. Nicht zuletzt weil neben der Subsistenzwirtschaft auch der Export von natürlichen Rohstoffen überwiegt und so Staat und Menschen direkter von der Umwelt abhängig sind.

3.3.2

Rahmenbedingungen für umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern

In den letzten zwanzig Jahren wurden zwar in Entwicklungsländern Gesetze zum Umweltschutz erlassen, staatliche umweltpolitische Institutionen eingerichtet und vielerorts haben sich auch im nichtstaatlichen Bereich Umweltschutzorganisationen herausgebildet. Insbesondere im Zuge der UNCED wurde während der 90er Jahre die rechtliche Verankerung und die institutionelle Festigung des Umweltschutzes in Entwicklungsländern vorangetrieben und vermehrt Umweltschutzmaßnahmen durchgeführt. Die Wirksamkeit von Umweltpolitik in diesen Ländern wird allerdings durch ungünstige sozioökonomische, institutionelle und politische Rahmenbedingungen untergraben und umweltpolitische Maßnahmen haben selten den erwünschten Erfolg. Angesichts schwacher Wirtschaftsleistung und ökonomischer Probleme werden in vielen Entwicklungsländern politische Prioritäten gesetzt, die einer wirksamen Umweltpolitik entgegenstehen. Dem wirtschaftlichen Wachstum wird stets Vorrang vor Umweltschutzmaßnahmen eingeräumt, der angesichts ihrer Zielausrichtung und ihrer Kosten in vielen Fällen als entwicklungshemmend angesehen wird. Empirische Untersuchungen zu sich industrialisierenden Entwicklungsländern ergaben, dass die zentrale Schubkraft für politisches Handeln der Wunsch nach schnellem wirtschaftlichen Wachstum ist, inklusive Industrialisierung, als prioritärer Zweck aller staatlichen Politik und Steuerung bewertet wird und der Umweltschutz fast immer hintan gestellt wird.339

In Anbetracht eines schwach ausgeprägten Sektors privater und nichtstaatlicher Organisationen spielt der Staat in vielen Entwicklungsländern eine dominante Rolle. Gleichzeitig ist aber das politische Handeln der staatlichen Bürokratie und Verwaltung vor allem mangels finanzieller Ressourcen von Effizienz- und Kompetenzproblemen sowie der Schwerfälligkeit politischer Entscheidungen gekennzeichnet, die zu einer beschränkten staatlichen Steuerungsfähigkeit und

339 Diese

Erkenntnis wurde aus Untersuchungen zur VR China, zu Indonesien, Thailand, Taiwan, Indien, Mexiko, Venezuela, Nigeria, Tschechnien und Slowakei gewonnen. In VR China, Chile, Nigeria und Indonesien (vgl. Jan 1995: 82; Nef 1995: 168; Agbese 1995: 133; Boardman/Shaw 1995: 104) durchgeführte Analysen und weitere Länderstudien aus Brasilien, Chile, Costa Rica, Ghana, Jamaica, Malaysia, Mexiko, Polen, Sudan und Thailand bestätigen diese Tendenz (vgl. United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 17). 106

Einwirkungsmöglichkeit auf sozioökonomische Prozesse führen.340 Das mangelnde Steuerungsvermögen durch den Staat wird durch die weit verbreitete Korruption, die in vielen Entwicklungsländern auf allen Verwaltungsebenen vorzufinden ist, verstärkt und behindert auch in der Umweltpolitik ein gezieltes staatliches Vorgehen.341 Angesichts finanzieller Überforderung des Staatsapparates, bürokratischer Ineffizienz und Korruption können die in den staatlichen Regierungsprogrammen der meisten Länder vorhandenen Ansätze zur Bekämpfung der Umweltbelastung nicht energisch genug durchgesetzt und kontinuierlich verfolgt werden.342

Das Phänomen des Staatsversagens ist also in den meisten Entwicklungsländern besonders ausgeprägt und wirkt sich auf die Umweltpolitik aus. Umweltministerien und Umweltbehörden sind meist junge Einrichtungen, die sich oft noch im Aufbau befinden und personell, materiell und finanziell unzureichend ausgestattet sind.343 In der Regel wird ihnen im Vergleich zu anderen staatlichen Institutionen politisch ein geringerer Stellenwert eingeräumt.344 In diesem Zusammenhang unterscheidet Nicolo Gligo zwischen einer „expliziten“ Umweltpolitik der staatlichen Umweltinstitutionen und der „impliziten“ Umweltpolitik anderer Ministerien, deren Aktivitäten durchaus umweltwirksam sind und deren Entscheidungen daher zu einem Wandel in der Umweltpolitik führen können. Bei der „impliziten“ Umweltpolitik steht die Frage nach der Integration von Umweltaspekten in makroökonomische Politiken - zum Beispiel Politik zur Exportförderung oder zur Sicherung ausländischer Investitionen -, aber vor allem in jene Sektorpolitiken, die auf wirtschaftliche Entwicklung abzielen - zum Beispiel Politik zur industriellen Entwicklung, zur land- und forstwirtschaftlichen Entwicklung, Energiepolitik, Politik zur Stadt- und infrastrukturellen Entwicklung - im Mittelpunkt. In seiner Untersuchung stellt Gligo fest, dass in Lateinamerika bis auf Ausnahmefälle (Energiepolitik) eine solche Integration nicht gelungen ist 340 Vgl.

Wöhlcke 1992: 114.

341 Vgl.

Desai 1998a: 299.

342 Vgl.

Enloe 1975: 117; Uhlig 1992: 75ff.

343 Vgl.

Horstmann 1992: 87.

344 Deutlich

wurde dies in den 80er Jahren in vielen Staaten Lateinamerikas und der Karibik, als die wirtschaftliche Krise in der Region und damit verbundene Budgetrestriktionen zur einer Reduzierung staatlicher Ausgaben führte, von der in erster Linie Institutionen betroffen waren, denen die Regierungen geringe wirtschaftliche Priorität einräumten. Diese Politik hatte sehr negative Effekte auf die Kapazitäten vor allem staatlicher Institutionen, aber auch nichtstaatlicher umweltpolitischer Organisationen, die sich bis heute auswirken. Die erhoffte Stärkung dieser Institutionen durch neue Umweltgesetze und mehr personelle und finanzielle Ressourcen blieb aus. In einer Reihe von zentral- und lateinamerikanischen Ländern kam es erst wieder im Zuge der UNCED in den 90er Jahren zu einer Stärkung staatlicher Umweltinstitutionen. Seither beginnen Umweltbehörden in einigen Staaten wie zum Beispiel in Mexiko an Gewicht und der Umweltschutz an Priorität zu gewinnen. Die Stärkung umweltpolitischer Institutionen bedeutet aber nicht generell und automatisch die Aufwertung der Umweltpolitik; im Gegenteil in vielen Ländern der Region spiegelt sie mangels politischen Willens nicht einmal eine größere umweltpolitische Effektivität wider. Vielmehr erfolgte die Einrichtung eines Umweltministeriums, ohne dass Probleme wie ineffektive und ineffiziente Gesetzgebung und Ressourcenmangel für Umweltschutzmaßnahmen beseitigt wurden (vgl. Gligo 1997: 54-56). 107

und negativen Umweltwirkungen einzelner Sektorpolitiken kann daher kaum entgegengewirkt werden. Vorherrschend bleibt die „explizite“ Umweltpolitik, die allerdings, da sie eher reaktiv und von Konflikten mit anderen staatlichen Sektoren, aber auch gesellschaftlichen Kräften (z.B. Wirtschaftsunternehmen) geprägt ist, weniger erfolgreich ist.345

Staatliches Steuerungsversagen ist aber auch in anderen Politikbereichen, die den Umweltschutz betreffen spürbar. So gilt als Grundvoraussetzung für die Lösung der Umweltprobleme in Entwicklungsländern die Drosselung des Bevölkerungswachstums, um den Druck auf natürliche Ressourcen zu reduzieren.346 Doch das anhaltende rasche Bevölkerungswachstum, das vor allem in Entwicklungsländern stattfindet, und die weltweite Tendenz zur Konzentration der Bevölkerung auf Stadtregionen zeugen von einer ineffektiven Bevölkerungs- und Siedlungspolitik in vielen dieser Länder, so dass umweltpolitische Maßnahmen untergraben werden. Darüber hinaus steht einer effektiven Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen der oft vorzufindende freie oder unzureichend regulierte Zugang zu natürlichen Ressourcen entgegen. Landbesitzverhältnisse sind meist nicht ausreichend geklärt, so dass Entscheidungen hinsichtlich Verfügungsrechten und Ressourcennutzung erschwert und Trittbrettfahrerverhalten begünstigt werden. Zudem funktionieren Preismechanismen in Entwicklungsländern in der Regel recht schlecht, so dass Preise, vor allem für Energie und Wasser, nicht die Knappheit der Ressourcen widerspiegeln. Dies führt zu unerwünschten Entwicklungen in der Ressourcennutzung, die oft allein vom einzelwirtschaftlichen Kalkül bestimmt werden, während die ökologischen Folgekosten auf Volkswirtschaft und Bevölkerung abgewälzt werden.347

Unterschiedliche Regierungsformen und Verwaltungsstrukturen haben Einfluss auf die Behandlung umweltpolitischer Fragen in Entwicklungsländern. So bewirken zentralistisch organisierte Staaten in der Regel einen stark zentral organisierten Umweltschutz auf staatlicher Ebene, wie dies zum Beispiel in afrikanischen Ländern mit Einheitspartei oder Militärregimen der Fall ist. In demokratisch ausgerichteten Systemen, wie in den präsidentiellen Demokratien Lateinamerikas, ist die Umweltverwaltung eher dezentral ausgerichtet. In den politischen Systemen Asiens mit ihren unterschiedlichen Regierungssystemen wiederum ist die Umweltverwaltung stärker

345 Vgl.

Gligo 1997: 57-60.

346 Vgl.

z.B. Meadows 161994.

347 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 21; Desal 1991: 11; Horstmann 1991: 11. 108

zentral ausgerichtet.348 In Entwicklungsländern mit zentralistischem Ressourcenmanagement349 werden aufgrund unzureichender Kenntnisse über Ökosysteme, Umweltsituation und Verteilungsprobleme vor Ort die spezifischen lokalen Begebenheiten nicht genügend beachtet.350 Gleichzeitig behindern die Schwäche lokaler Behörden und hierarchische Strukturen den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen lokalen und zentralen Behörden. Daher werden die Dezentralisierung umweltpolitischer Entscheidungsprozesse und die verstärkte Beteiligung der lokalen Bevölkerung von einigen Autoren für einen effektiven Umweltschutz günstiger bewertet.351 Doch auch ein dezentralisierter Entscheidungsprozess mit der Einbeziehung lokaler Behörden und Beamten schafft bei der Formulierung und Implementierung der Umweltpolitik Probleme, da dezentrale Entscheidungsstrukturen mehr Koordination und komplexere Informations- und Überwachungssysteme erfordern. Bedingungen, an denen es gerade in Entwicklungsländern meist mangelt.352

Für die effektive Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen werden hinreichende Informationen zur Umweltproblematik und ein entsprechendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, damit diese auch nationale Umweltprogramme unterstützt, als wichtige Voraussetzungen angesehen. Gerade in den weniger entwickelten Ländern herrscht aber ein Mangel an Informationen zur Umweltsituation vor Ort. Daten über Emissionen und Immissionen und deren Auswirkungen auf die Umwelt sind meist nur vereinzelt oder unvollständig vorhanden.353 Sind umweltrelevante Informationen und Daten vorhanden, so sind sie oft schwer zugänglich, da der Zugang zu Informationen in der Regel durch den Staat kontrolliert wird und nicht selten staatlichen Einrichtungen vorbehalten bleibt.354 Das Umweltbewusstsein ist zwar seit den 80er Jahren, als sich Programme zur Umweltbewusstseinsbildung in einigen Entwicklungsländern erst im Aufbau befanden355, in vielen Entwicklungsländern angestiegen, aber dennoch wird das Problem des mangelnden Umweltbewusstseins in der Bevölkerung in vielen Ländern nicht adäquat angegangen.356 Mit zunehmendem Wohlstand und im Zuge der Erkenntnis, dass von der Umweltver-

348 Vgl.

Horstmann 1992: 87.

349 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 12f; Dahram/Vivian 1992: 14; Desal 1991: 11.

350 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 163ff.

351 Vgl.

Desal 1991: 11; Dahram/Vivian 1992: 14f.

352 Vgl.

Boardman/Shaw 1995: 100; Janetti-Díaz et al. 1995: 179; Desai 1998a: 298f.

353 Vgl.

Weimert u.a. 1981: 79; Menck 1993: 15.

354 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 180; United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 22.

355 Vgl.

Weimert u.a. 1981: 79.

356 Vgl.

United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 22. In autoritär geführten Staaten wie der Volksrepublik China ist das Umweltbewusstsein weiterhin gering ausgeprägt, während in eher demokratisch ausgerichteten Systemen wie Indonesien, Indien, Chile, Mexiko oder afrikanischen Ländern die wachsende 109

schmutzung Gesundheitsgefährdungen ausgehen und die Lebensqualität beeinträchtigt wird, machte sich bald die städtische Mittelschicht die Forderung nach mehr Umweltschutz zu eigen, da sie sich immer mehr von der Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sowie von einer steigenden Lärmbelästigung insbesondere in urbanen Zentren betroffen fühlte. Dennoch konnte sich in den meisten Entwicklungsländern bisher die Erhaltung der Umweltqualität als postmaterialistischer Wert nicht durchsetzen, und es waren eher nicht-materialistische Werte indigener Kommunen, die die lokale Umweltbewegung stärkten. Die Mehrheit der Bevölkerung in Entwicklungsländern blieb nicht nur indifferent gegenüber einem solchen Umweltaktivismus, sondern es regte sich sogar Widerstand gegen die Forderungen internationaler und nationaler Umweltschutzgruppen, sobald diese versuchten, Entwicklungsprojekte und Wirtschaftswachstum zu behindern.357 Zahlreiche empirische Studien ergaben, dass bislang die Regierungen und politischen Entscheidungsträger in Entwicklungsländern, aber auch große Teile der Bevölkerung, eine gesunde Umweltqualität in ihrer sozialen Wohlfahrtsfunktion niedriger als entwicklungspolitische Komponenten bewerten und Umweltbelastungen durch Wirtschaftswachstum in Kauf nehmen.358

Neben diesen internen Hemmnissen können sich auch internationale Rahmenbedingungen hinderlich, aber auch förderlich auf ein effektives Vorgehen gegenüber der Umweltbelastung vor Ort auswirken. Nicht selten wird in den Mechanismen des Weltmarkts die Ursache für die Umweltprobleme in Entwicklungsländern gesehen. Dieser Argumentation zur Folge hätte die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen, Holz- und Agrarprodukten direkte Umweltbelastungen und die Ausbreitung von Monokulturen mit ihren ökologischen Folgeproblemen bewirkt. Die hohe Verschuldung vieler Entwicklungsländer lässt die Schuldnerländer verstärkt auf ihre natürliche Ressourcenbasis zurückgreifen und führt so zu deren Übernutzung. Zudem begrenzt die Rückzahlung der Schulden die Investitionsmittel für den Umweltschutz vor Ort, es sei denn es werden Lösungen wie Schuldenerlass gegen Umweltschutz, so genannte „debt for nature swaps“, gefunden. Nicht zuletzt tragen Erschließungs- und Staudammprojekte, finanziert durch multi- und bilaterale Geberorganisationen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, zur

Zahl der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen von einem höheren Stellenwert der Umweltpolitik in der Öffentlichkeit zeugt (vgl. hierzu Jan 1995: 82; Boardman/Shaw 1995: 101f; Dwivedi/Khator 1995: 66; Nef 1995: 168; Janetti-Díaz et al. 1995: 190; Stoett 1995: 120. 357 Vgl.

Desai 1998a: 298ff. Aber nicht nur mangelndes Umweltbewusstsein, sondern auch kulturelle Vorbehalte gegenüber der Änderung bestimmter Verhaltensweisen, zum Beispiel im hygienischen Bereich, können die Umsetzung von umweltpolitischen Programmen hemmen (vgl. Weimert u.a. 1981: 80).

358 Vgl.

Shams 1994: 9. 110

Umweltzerstörung bei.359 Den Vorbildcharakter, den die entwickelten Industrieländer für diese Länder haben, wirkt sich insofern negativ auf die Umweltpolitik aus, als dass sie das Entwicklungsmodell der Industrieländer mit seiner nachholenden Industrialisierung und nachholendem Umweltschutz übernommen wird und zum anderen die meisten westlichen Industrieländer weit davon entfernt sind, in ihren Ländern Umweltschutz erfolgreich zu betreiben.360 Andererseits zeigen Untersuchungen in Entwicklungsländern, dass der internationale Druck der Geberländer, die sich für mehr Umweltschutz vor Ort einsetzen, zu einer wichtigen Kraft geworden ist, die oft von einheimischen umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen genutzt wird, um erfolgreich mehr Umweltschutz von ihren Regierungen einzufordern.361

3.3.3

Umweltpolitische Akteure und Interessenkonstellationen in Entwicklungsländern

Nicht nur die Rahmenbedingungen, die umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern beeinflussen, unterscheiden sich weitgehend von jenen in den Industrieländern, sondern auch die Akteurskonfigurationen und die sich daraus ergebenden Interessenkonstellationen sind in Entwicklungsländern spezifisch. In der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Interessengruppen und ihrem Einfluss auf das staatliche Umfeld versucht Rasul Shams anhand bestimmter Akteurskonfigurationen zu erklären, warum Umweltpolitik in verschiedenen Entwicklungsländern mehr oder weniger erfolgreich ist. In seiner sozioökonomischen Studie „Umweltschutzpolitik in Entwicklungsländern“362 unterscheidet er zwischen internen und externen Interessenträgern, die bei der Analyse umweltpolitischen Handelns von Bedeutung sind. Zu den internen Interessengruppen in Entwicklungsländern gehören zum einen die Verursacher von Umweltschäden wie beispielsweise Eigentümer von Fabriken, staatliche Industrieunternehmen, Landbesitzer, aber auch multinationale Konzerne, die durch ihre Aktivitäten zur Umweltverschmutzung und anderen Umweltproblemen beitragen. Bei diesen Akteuren überwiegen Verursacherinteressen.

359 Vgl.

Nuscheler 41996: 252f.

360 Vgl.

Horstmann 1991: 13.

361 Dieser

internationale Druck führte allerdings in Ländern wie Nigeria, der Volksrepublik China, Indien und Venezuela und in den meisten anderen Entwicklungsländern zu Ressentiments gegenüber internationalen und westlichen Umweltschutzorganisationen. Denn die Forderung nach mehr Umweltschutz wird oft auch als Versuch verstanden, die wirtschaftliche Entwicklung und das Streben nach Wohlstand der Entwicklungsländer zu unterbinden (vgl. Desai 1998: 16).

362 Siehe

hierzu Shams 1994. 111

Sie treten in der Regel als Gegner einer strikten Umweltpolitik auf, da die Durchsetzung von Umweltstandards höhere Kosten verursachen würde. So mangelt es auch an freiwilligen Selbstverpflichtungen und Beiträgen für eine ökologisch verträglichere Produktion seitens des Wirtschaftssektors.363 In den eher landwirtschaftlich geprägten Entwicklungsländern nehmen Landwirte über organisierte Interessengruppen und politische Parteien Einfluss auf die staatliche Politik und wehren sie sich gegen eine Umweltschutzpolitik, die auf den Abbau von Subventionen und die Steigerung der Preise natürlicher Ressourcen, wie z.B. Wasser, um die wahren Nutzungskosten auszudrücken, abzielt.364

Von Umweltbelastung und Umweltproblemen besonders betroffen sind meist vor allem ärmere Bevölkerungsschichten und indigene Völker, weil sie im überdurchschnittlichen Maße auf eine intakte Umwelt und oft auch stärker auf die Nutzung natürlicher Ressourcen angewiesen sind. Bei diesen Bevölkerungsgruppen überwiegen in der Regel Betroffeneninteressen und sie sind daher Befürworter einer rigorosen Umweltpolitik und formieren sich im Idealfall zu nichtstaatlichen Umweltorganisationen die vom Staat Umweltschutzmaßnahmen einfordern.365 Je mehr diese nichtstaatlichen Umweltorganisationen interne Verwaltungsstrukturen und Kapazitäten aufbauen und sich gesellschaftspolitisch etablieren, um sich effektiv für den Umweltschutz einzusetzen, desto mehr gewinnen Helferinteressen bei solchen Umweltverbänden an Gewicht. In demokratisch ausgerichteten Entwicklungsländern haben sich in den letzten Jahrzehnten tatsächlich solche nichtstaatlichen Umweltschutzgruppen herausgebildet und sich eine stärkere Stimme in öffentlichen Debatten verschafft.366

Im Gegensatz zu Industrieländern konzentriert sich die Umweltbewegung in den weniger entwickelten Ländern vorwiegend auf die ländliche und arme Bevölkerung oder Minderheiten, die sich in lokalen Initiativen zusammenschließen. In den stärker industrialisierten und reicheren Entwicklungsländern, wie Taiwan und Venezuela, wird die Umweltbewegung eher von der ge363 In

Nigeria und Indonesien zum Beispiel nutzen politische Eliten ihre Macht, um in Kooperation mit nationalen und internationalen Wirtschaftsunternehmen die Ressourcennutzung voranzutreiben und ihre wirtschaftlichen Gewinne zu sichern, ohne dabei auf negative ökologische Folgen zu achten. Auch in der VR China, Indien, Mexiko und Venezuela stellen staatliche Industrieunternehmen zusammen mit privaten eine machtvolle Interessenlobby gegen eine wirksame Umweltschutzpolitik dar (vgl. Gligo 1997: 57).

364 Vgl.

Desai 1998: 15f.

365 Vgl.

Shams 1994: 20-24.

366 In

Ländern wie Indien und Thailand haben umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen sich mit anderen nichtstaatlichen Organisationen zusammengetan und die Forderung nach einer umweltverträglichen Entwicklung mit sozialem Anliegen, wie zum Beispiel dem Einsatz für die Rechte der Armen und Minderheiten, verknüpft (vgl. Ullrich/Kürzinger-Wiemann 1992: 168). In autoritären Regimen wie der Volksrepublik China, wo gesellschaftspolitisches Engagement stark kontrolliert und unterdrückt wird, konnten sich Umweltorganisationen hingegen weniger erfolgreich etablieren (vgl. Desai 1998: 16). 112

bildeten städtischen Mittelschicht getragen.367 Trotz des starken Anstiegs der Zahl an Umweltschutzorganisationen schlagen sich in den meisten Ländern die geringen finanziellen und personellen Mittel negativ auf die Professionalität dieser Organisationen nieder. Die oft fehlenden Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern und die mangelnde Unterstützung durch politisch einflussreiche Kräfte wie Parteien, Interessengruppen oder populäre Persönlichkeiten führen dazu, dass umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen kaum Druck ausüben und nur selten ihre Forderungen durchsetzen können. Ihr Einfluss auf umweltpolitisch relevante Entscheidungsprozesse und Umweltpolitik im Allgemeinen bleibt daher in der Regel gering.368 Neben den nichtstaatlichen Umweltorganisationen haben auch die Produzenten von Umweltschutzgütern und -anlagen, die allerdings in Entwicklungsländern bisher eher seltener vorzufinden sind, Interesse an einer Durchsetzung strenger Umweltqualitätstandards, da dies Wettbewerbsvorteile und letztlich finanzielle Gewinne bringen würde. Beide Gruppen haben also ein reges Interesse an der Beseitigung der Umweltschäden und an einem verbesserten Umweltschutz, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Nach Rasul Shams blieb der Druck dieser internen Interessengruppen, ihre Forderung für eine effektivere Umweltschutzpolitik durchzusetzen, bislang eher gering.369

Der Staat mit seinen umweltpolitischen Institutionen bleibt daher als Hauptakteur verantwortlich für die Umweltpolitik. Doch gerade die funktionsfähige institutionelle und organisatorische Basis fehlt in vielen weniger entwickelten Ländern. In den meisten Entwicklungsländern stehen strukturelle Schwächen der zuständigen Umweltbehörden einer effektiven Politikformulierung im Umweltbereich und ihrer wirksamen Implementierung entgegen. Die Funktionsfähigkeit vieler für die Umweltpolitik zuständigen staatlichen Institutionen ist durch begrenzte Verwaltungskapazitäten und geringe Ressourcen eingeschränkt.370 Das geringe Budget staatlicher umweltpolitischer Institutionen führt dazu, dass die Mittel für eine angemessene materielle Ausstattung (Labors, Überwachungssysteme, Betriebsmittel usw.) und personelle Besetzung fehlen. Niedrige Gehälter erschweren es, gut qualifiziertes Personal zu erhalten und mangels finanzieller Ressourcen kann auch die fachliche Weiterbildung nicht gewährleistet werden.371 367 Vgl.

Desai 1998: 16.

368 Vgl.

Ullrich/Kürzinger-Wiemann 1992: 170; Dwivedi/Khator 1995: 66; Nef 1995: 168; Janetti-Díaz et al. 1995: 190; Stoett 1995: 120. Dennoch belegen einzelne Fallstudien, dass sich Basisorganisationen („grassrootmovements“), die sich für den Umweltschutz einsetzen, auch gegen eingesessene Interessengruppen, die von der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen profitieren, durchsetzen können (vgl. Dahram/Vivian 1992: 7).

369 Vgl.

Shams 1994: 20ff.

370 Vgl.

Weimert u.a. 1981: 78f; Horstmann 1992: 87; Schumann 1989: 9; Menck 1993: 12.

371 Vgl.

Weimert u.a. 1981: 79; Schumann 1989: 9; Ascher/Healy 1990: 21; United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 17 und 23. 113

Zudem erfolgt die Rekrutierung des Personals in vielen Entwicklungsländern ohnehin eher nach gesellschaftlicher Stellung oder persönlichen Kontakten als nach fachlicher Qualifikation und Fähigkeiten.372 In vielen Umweltbehörden sind daher fehlende umweltwissenschaftliche Expertise und schwache Managementfähigkeiten verantwortlich für den Mangel an Professionalität und Unabhängigkeit.373 In technischer Hinsicht weisen sie eine unzureichende Entwicklung von Arbeitsgrundlagen, wie politische Programme, Handlungsanweisungen und Arbeitsplatzbeschreibungen auf. Darüber hinaus konnte sich die Behördenstruktur meist nur unzureichend an veränderte Aufgabenbereiche anpassen und nicht angemessen auf neue umweltpolitische Herausforderungen reagieren.374

In vielen Entwicklungsländern ist die Verantwortlichkeit für die Umweltpolitik zwischen mehreren staatlichen Institutionen aufgeteilt. Besonders die Implementierung von Umweltgesetzen liegt oft noch bei unterschiedlichen Behörden, trotz der Bemühungen durch die Revision von Statuten oder durch prozedurale und organisatorische Änderungen die Kontrolle über Umweltschutzaktivitäten zu fokussieren und zusammenzufassen.375 Daher kommt es oft zu Überschneidungen von Kompetenzen, Zuständigkeits- und Aufgabenbereichen und der Mangel an intersektoraler Koordination und Kooperation führt zu Doppelarbeit und verstärkt die Ineffizienz der Arbeit staatlicher umweltpolitischer Einrichtungen.376 Eine wichtige Barriere für eine bessere Koordination zwischen den im Umweltbereich aktiven staatlichen Verwaltungseinheiten sind die meist hierarchisch aufgebauten Verantwortungsbereiche in staatlichen Behörden, die den strukturierten Austausch von Erfahrungen und Informationen zwischen den einzelnen Stellen behindert.377 Darüber hinaus besteht aufgrund von Zielkonflikten eine Konkurrenz zwischen sektoralen Behörden.378 Die meisten Umweltbehörden in Entwicklungsländern sind klein und ineffektiv und generell schwächer als Ministerien und Behörden, die für industrielle oder land-

372 Vgl.

Enloe 1975: 119.

373 Dieser

Mangel an Expertise ist nicht nur zwischen zentralen und lokalen Behörden, die noch weniger Fachwissen aufweisen, sondern auch zwischen dem staatlichen und privaten Sektor ungleich verteilt. Der private Sektor zeichnet sich durch ein besseres technisches Fachwissen aus. Allerdings sind durch internationale Austauschprogramme in den letzten Jahrzehnten die fachlichen und administrativen Expertise der staatlichen Umweltinstitutionen angestiegen (vgl. Desai 1998a: 299).

374 Vgl.

United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 16.

375 Vgl.

United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 16f.

376 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 180; Desai 1998: 17. Dies zeigen Länderstudien in Brasilien, Chile, Costa Rica, Ghana, Jamaica, Malaysia, Mexiko, Polen, Sudan und Thailand, aber auch in USA, Deutschland, Jugoslawien (vgl. United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 17).

377 Vgl.

United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 20.

378 Vgl.

Wöhlcke 1992: 114. 114

wirtschaftliche Entwicklung oder sonstige Wirtschaftsfragen zuständig sind.379 Angesichts der untergeordneten Position in der Ministerialhierarchie380 können Umweltministerien bzw. Umweltbehörden sich in solchen Zielkonflikten kaum durchsetzen. Die Leiter der Umweltbehörden kommen oft nur aus dem mittleren Management, die selten Zugang zu leitenden Entscheidungsträgern haben und somit auch auf die zentrale Wirtschafts- und Entwicklungsplanung kaum Einfluss haben, also dort wo grundlegende Entscheidungen über Programme und Projekte getroffen werden. Die Folge ist eine mangelnde Integration von Umweltfragen in entwicklungspolitische Planungsaktivitäten.381 Klaus Horstmann kommt in einer Anfang der 90er Jahre durchgeführten Studie zu dem Ergebnis, dass Umweltschutzabteilungen in Sektorministerien kaum in Entscheidungsprozesse ihrer Ministerien eingreifen und die Politikentwicklung mitbestimmen können, vielmehr überlagern oft fachspezifische Prioritäten die Umweltbelange.382

Die Chancen einer Umweltpolitik, die den Umweltschutz effektiv fördert, sind nach Rasul Shams in jenen Entwicklungsländern am größten, in denen sich strategische, kooperative Koalitionen aus Regierung, Administration, Industriellen und eventuell Militär bilden, wie dies in den ostasiatischen Schwellenländern der Fall ist, die die „get dirty - clean-up“-Strategie verfolgen. Hingegen ist die Aussicht auf Umweltschutz weniger gut in denjenigen Ländern, in denen heterogene Eliten oder konkurrierende Interessengruppen um Macht und Einfluss kämpfen. Ein Wandel dieser umweltpolitischen Akteurskonfigurationen ist nach Shams nur in Folge politischer und ökonomischer Reformen möglich.383

Eine wichtige Rolle in der Umweltpolitik der weniger entwickelten Länder spielen die externen Akteure, also die bi- und multinationalen staatlichen Geberorganisationen (z.B. GTZ, Weltbank), aber auch die nichtstaatlichen Organisationen (z.B. Politische Stiftungen, kirchliche Organisationen). Auch wenn die Positionen der Regierungen der Geberländer durchaus von Widersprüchen hinsichtlich Umweltschutzfragen geprägt sind - bei ihnen können Verursacherinteressen dominieren, wenn sie Entwicklungsprojekte unterstützen, die die Umwelt schädigen -, geben vor allem die westeuropäischen Geberländer und internationale Geberorganisationen der Um379 Vgl.

Desai 1998: 17.

380 Vgl.

Horstmann 1992: 89f.

381 Studien

in 5 Ländern zitiert nach Horstmann 1992: 88; United Nations Department of Economic and Social Development 1992: 17.

382 Vgl.

Horstmann 1992: 88. Diese Erkenntnis wird von Nicolo Gligo in seiner Untersuchung zur Umweltpolitik in Lateinamerika und der Karibik geteilt (vgl. Gligo 1997: 57ff). Winrich F. Weimert stellte hingegen bereits Anfang der 80er Jahre fest, dass der Umweltschutz bereits in allen Bereichen des staatlichen Handelns integriert und in vielen nationalen Entwicklungsprogrammen verankert ist (vgl. Weimert u.a. 1981: 78).

383 Vgl.

Shams 1994: 26-35. 115

weltpolitik in Entwicklungsländern wichtige Impulse und bewegen Regierungen teils unter Druck zur Überprüfung ihrer Entwicklungsprioritäten.384 Deutlich wird dies nicht nur durch das weltweit gestiegene Umweltbewusstsein seit der UNCED, sondern auch durch die Ökologisierungsansätze in der Entwicklungspolitik und den damit verbundenen Forderungen vieler Geberländer.385 Geberländer geben allerdings oft grenzüberschreitenden, internationalen Umweltschutzzielen, von denen sie sich direkt betroffen fühlen und zu deren Bekämpfung oder Vorbeugung sie beitragen wollen, Vorrang vor der Bekämpfung lokaler Umweltprobleme.386 Aus den Betroffeneninteressen der Geber entwickeln sich dann mit der Unterstützung von Umweltschutzprojekten und Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern starke Helferinteressen. Gleichzeitig ist eine mangelhafte Komplementierung zwischen den Interessen der Geber- und Empfängerländer die Folge. Letztere räumen dem Umwelt- und Ressourcenschutz nicht selten lediglich auf rhetorischer Ebene eine hohe Priorität ein, und auch wenn sie sich zwar nicht mehr grundsätzlich gegen Umweltschutzprojekte wehren, würden sie die erhaltenen Mittel lieber anderweitig einsetzen.387 Anstatt zur Durchsetzung einer effektiven Umweltpolitik im Sinne des langfristigen Gemeinwohls, kommt es oft nur zur ökologischen Rhetorik und reinen Symbolpolitik.388

3.3.4

Defizitäre Umweltpolitik in Entwicklungsländern

In den Entwicklungsländern hat sich die Umweltpolitik später als in den entwickelten Industrieländern als Politikfeld etabliert und vor allem seit der zweiten internationalen Umweltkonferenz UNCED an Bedeutung gewonnen. In vielen dieser Länder ist der Umweltschutz mittlerweile rechtlich verankert und Umweltministerien oder zumindest Umweltbehörden sind eingerichtet

384 Vgl.

Shams 1994: 14-18.

385 Empirische

Studien zu Chile und Mexiko bestätigen, dass externe Forderungen nach höheren Umweltschutzanforderungen nicht selten mehr Gewicht haben als der interne Druck durch gesellschaftliche Gruppen. In den 90er Jahren geschlossene neue Freihandelsabkommen wie zwischen Chile und Kanada oder Mexiko und den USA ließen diesen Druck nach mehr Umweltschutz ansteigen. So forderten im Rahmen der Verhandlungen zum North American Free Trade Agreement (NAFTA) die USA als externer Akteur mit einem parallelen Abkommen zur Umweltkooperation die stärkere Beachtung von Umweltschutzfragen in Mexiko (vgl. hierzu Silva 1997: 220 und Gligo 1997: 54). Zu einem eher ambivalenten Ergebnis des Einflusses der NAFTA auf den Umweltschutz in Mexiko kommen Janetti-Díaz und ihre Mitautoren in ihrer Studie. Sie bewerten das Bündnis einerseits als positiv für den Umweltschutz im Land, da die strengen Umweltstandards der USA angewandt werden sollten. Andererseits führen sie Kritiker an, die in einer Untersuchung festgestellt haben, dass für einige Firmen mit US-Beteiligung keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde und Mexiko angesichts knapper Ressourcen den gestellten Umweltanforderungen auch nicht nachkommen konnte (vgl. Janetti-Díaz et al. 11995: 194-197).

386 Vgl.

Shams 1994: 18.

387 Vgl.

Wöhlcke 1992: 121f; Simonis 1988: 107f.

388 Vgl.

Wöhlcke 1989: 57; Wöhlcke 1992: 113. 116

worden. Darüber hinaus haben sich vielerorts im nichtstaatlichen Bereich ebenfalls zahlreiche Umweltschutzorganisationen herausgebildet. Bereits zu Beginn der 80er Jahre konnten sich Umweltschutzinstitutionen und Organisationen in den Ländern Asiens und Lateinamerikas etablieren, während in den meisten afrikanischen Ländern erst später mit dem Aufbau umweltpolitischer Kapazitäten begonnen wurde. Doch trotz der fortgeschrittenen Institutionalisierung der Umweltpolitik im staatlichen und nichtstaatlichen Sektor konnte in vielen Entwicklungsländern die Verschlechterung der Umweltsituation nicht aufgehalten werden. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Durchsetzung der gesetzlich verankerten Auflagen und die Kontrolle zur Einhaltung von Umweltqualitätsstandards. Im Vergleich zu westlichen Industrieländern werden in den weniger entwickelten Ländern Umweltschutzmaßnahmen häufig stärker blockiert und sind von gravierenderen Vollzugsdefiziten gekennzeichnet.389 Dennoch ist in der Regel nicht nur die Umsetzung der Umweltpolitik problematisch, vielmehr liegt es an der Qualität der Umweltgesetze und -programme, die oft unzureichend für eine effektive Bekämpfung der Umweltprobleme sind, geschweige denn einen vorsorgenden Umweltschutz gewährleisten können. In vielen Fällen ist das Strafmaß zu gering, um wirklich abschreckend gegenüber Verstößen gegen Umweltschutzauflagen zu wirken, und so gehen Umweltverschmutzer eher das Risiko ein, die Strafe zahlen zu müssen als höhere Kosten in Umweltschutzmaßnahmen zu investieren.390

Damit muss eine Problemanalyse, die sich mit den Hindernissen einer wirksamen Umweltpolitik in Entwicklungsländern auseinandersetzt, nicht erst in der Implementierungsphase umweltpolitischer Maßnahmen ansetzen. Vielmehr sollte sie auch danach fragen, welche besonderen Bedingungen und Faktoren in diesen Ländern es erschweren, dass Umweltprobleme identifiziert und als Thema auf die politische Agenda gebracht werden, und besonders die Schwierigkeiten in der Phase der Politikformulierung, in der umweltpolitische Ziele, Maßnahmen und Instrumente festgelegt werden, berücksichtigen. Sicherlich sind die Entwicklungsländer keine homogene Gruppe und der Erfolg oder Misserfolg umweltpolitischer Maßnahmen der einzelnen Länder hat unterschiedliche Gründe. Und dennoch werden in der einschlägigen Literatur charakteristische Merkmale der weniger entwickelten Länder herausgearbeitet, die einer wirksamen Umweltpolitik entgegenstehen. Zum einen sind dies die besonderen wirtschaftlichen, kulturellen und informationell-kognitiven und politisch-institutionellen Rahmenbedingungen. Zum anderen sorgt die

389 Vgl.

Weimert u.a. 1981: 78; Horstmann 1991: 10. Die Umsetzung von Umweltgesetzen und -programmen in vielen Entwicklungsländern ist weniger effektiv, auch wenn auf dem Papier, wie z.B. im Falle Nigerias und Mexikos, eine gute Umweltpolitik vorliegt (vgl. Agbese 1995: 141; Janetti-Díaz et al. 1995: 199).

390 Wie

dies Dwivedi und Khator für den Fall Indien festgestellt haben (vgl. Dwivedi/Khator 1995: 65). 117

Interaktion der umweltpolitischen Akteure für spezifische Interessenkonstellationen und Machtverhältnisse.

Übertragen auf den umweltpolitischen Policy-Zyklus werden die spezifischen Probleme der Umweltpolitik in Entwicklungsländern deutlich. Angesichts einer vorwiegend zentralisierten Planung sind die Kenntnisse von der lokalen Umweltsituation vor Ort in vielen Entwicklungsländern unzureichend und somit ist bereits die Identifizierung der Umweltprobleme und damit die Problemdefinition schwierig. Im nächsten Schritt erfolgt die Estimation, das „agenda setting“ anhand der Expertenanalyse. Angesichts der für Entwicklungsländer typischen schlechten Datenlage neigen Experten dazu, leichter verständlichen kurzfristigen ökonomischen Auswirkungen mehr Beachtung zu schenken als Faktoren, die schwer oder gar nicht messbar sind, wie die langfristigen ökologischen Auswirkungen. In der Phase der Selektion, der Politikformulierung, machen sich die institutionellen und organisatorischen Schwächen staatlicher Umweltinstitutionen hinsichtlich der Formulierung und der Durchsetzung von Umweltgesetzen und -programmen bemerkbar. Aber auch die zumeist unzureichende Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen staatlichen Einrichtungen bei der Entscheidungsfindung und die schwache politische Stellung der Umweltbehörden gegenüber anderen Ministerien wirkt sich ungünstig in dieser Phase aus. Die Koordinationsprobleme setzen sich dann in der Implementierungsphase fort und sind der Grund für die Fehlschläge der Umweltpolitik. In den abschließenden Phasen der Evaluation und Termination blocken politische Entscheidungsträger oft die Lernerfahrung ab, da sie Fehler nicht zugestehen und am Status quo festhalten wollen. Sie tendieren dazu, die Komplexität der Umweltproblematik zu vereinfachen, um sich so auf einzelne leicht erreichbare Ziele konzentrieren zu können, und sind oft nicht flexibel genug, um auf FeedbackInformationen zu reagieren. Anpassungsprozesse an die sich stets veränderte Umweltproblemlage und der notwendige umweltpolitische Wandel erfolgen nur sehr langsam.391

Bisher wurde in den Entwicklungsländern durch Umweltpolitik vorwiegend der Ansatz staatlicher Regulations- und Auflagenpolitik verfolgt. Doch die beschriebenen ungünstigen Rahmenbedingungen, insbesondere die Schwäche staatlicher Umweltinstitutionen hinsichtlich der Formulierung und Durchsetzung effektiver Umweltpolitik, lassen marktwirtschaftliche Instrumente, die mit ökonomischen Anreizen arbeiten, als vorteilhafter erscheinen.392 Die Stärkung von Marktmechanismen könnte für eine angemessene Preispolitik bei der Nutzung natürlicher Res-

391 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 166ff.

392 Vgl.

Anderson 1991: 177; Desal 1991: 11; Halter 1991: 225. 118

sourcen sorgen und so dem Problem der Externalisierung ökologischer Kosten, das gerade in Entwicklungsländern angesichts schlecht funktionierender Preismechanismen häufig auftritt, entgegenwirken.393 Bisher wurden Marktmechanismen in Entwicklungsländern allerdings vernachlässigt. Ökonomische Instrumente spielten bei der Bekämpfung von Umweltproblemen kaum eine Rolle. Erst in letzter Zeit gab es einige Versuche, diese verstärkt in der Umweltpolitik einzusetzen.394 Doch auch für ein effektives Funktionieren des Marktes ist eine institutionelle Infrastruktur nötig, die in den Entwicklungsländern unterentwickelt ist. Kurz- und mittelfristig werden daher staatliche Kontrolle und Umweltprogramme mit gesetzlicher Vorgabe von Grenzwerten und Standards weiterhin die wichtigsten umweltpolitischen Instrumente in Entwicklungsländern bleiben.395 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass jegliche Art umweltpolitischer Instrumente, seien es staatliche Ge- und Verbote oder auch ökonomische Anreizsysteme ihren Zweck verfehlen, solange nicht Bedingungen geschaffen werden, die langfristig dem staatlichen Steuerungsversagen in der Umweltpolitik in Entwicklungsländern entgegenwirken. Dieses ist auf die spezifischen für eine wirksame Umweltpolitik ungünstigen sozioökonomischen, politisch-institutionellen und informationell-kognitiven Rahmenbedingungen zurückzuführen, die das umweltpolitische Handeln der Akteure in diesen Ländern beeinflussen. Starke Verursacherinteressen und das Fehlen schlagkräftiger umweltpolitischer Institutionen und Organisationen im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich sowie mangelnde ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit führen zudem zu umweltpolitisch ungünstigen Interessenkonstellationen.

3.4

Voraussetzungen für die Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern

Wichtige Voraussetzung für die Etablierung und die wirksame Implementierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern ist daher die Änderung bestehender Rahmenbedingungen und Interessenkonstellationen. Letztere müssen sich dahingehend ändern, dass diejenigen politischen und gesellschaftlichen Akteure, die sich für eine effektive Umweltschutzpolitik einsetzen, an Gewicht gewinnen und somit Umweltschutzinteressen auf (umwelt)politische Entscheidungsprozesse Einfluss nehmen können. Der für einen solchen Strukturwandel in der

393 Vgl.

Ascher/Healy 1990: 21, 193-196.

394 Dies

geschieht zum Beispiel in Indien und der Volksrepublik China Vgl. Desai 1998: 17.

395 Vgl.

Desai 1998a: 300. 119

umweltpolitischen Interessenvermittlung notwendige Problemdruck wurde durch die Umweltkatastrophen in den 60er und 70er Jahren zuerst in den westlichen entwickelten Ländern wahrgenommen und auf die politische Agenda gesetzt. In diesen Ländern sorgte zunehmendes Wissen über ökologische Zusammenhänge für steigendes Umweltbewusstsein. Weitere günstige Rahmenbedingungen wie demokratische Systeme, die die Artikulation von Umweltschutzinteressen zuließen und ein hohes Wohlstandsniveau mit guter Wirtschaftsleistung, die die Mobilisierung benötigter finanzieller Ressourcen ermöglichte sowie technologisches Innovationsstreben schafften in diesen Ländern bald gute Voraussetzungen für gezieltes umweltpolitisches Handeln. So war die Entwicklung umweltpolitischer Handlungskapazitäten in Form von staatlichen umweltpolitischen Institutionen und technische Umsetzungsmöglichkeiten von Umweltschutzmaßnahmen möglich. Umweltpolitik konnte sich daher bereits während der 70er und 80er Jahre in den meisten westlichen Industrieländern Europas und Amerikas als neues Politikfeld etablieren und es wurden Maßnahmen ergriffen, um die Umweltprobleme dieser Länder zu bekämpfen.

Phänomene wie der „Saure Regen“ brachten die Erkenntnis, dass Umweltprobleme sich grenzüberschreitend oder wie im Falle des Klimawandels sogar global auswirken können. Eine derartige Globalisierung der Umweltproblematik rief zumindest aus Sicht westlicher Industrieländer umweltpolitischen Handlungsbedarf auf internationaler Ebene hervor. Die Tatsache, dass sich potenziell nahezu jedes lokal auftretendes Umweltproblem mit der Zeit grenzüberschreitende oder wie im Falle der Abholzung der tropischen Regenwälder globale Folgen haben kann, schaffte in den Industrieländern Betroffenheit auch bezüglich der zunehmenden Umweltbelastung in Entwicklungsländern. Sie waren daher sehr an der Einbeziehung der Entwicklungsländer in internationale umweltpolitische Verhandlungen interessiert. Die meisten Entwicklungsländer hingegen, sahen mit der Forderung nach weltweitem Umweltschutz ihr Streben nach wirtschaftlichem Wachstum und Entwicklung gefährdet. Erst durch die Verknüpfung des Umweltthemas mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen konnten diese Länder für die Teilnahme an den beiden internationalen Umweltkonferenzen der Vereinten Nationen gewonnen werden. Auf der UNUmweltkonferenz UNCED 1992 führten die internationalen Verhandlungen sogar zu verbindlichen Abkommen zum Schutz der Umwelt, die auch von vielen weniger entwickelten Ländern unterzeichnet wurden. Die Festschreibung von Umweltschutzzielen konnte allerdings nur erreicht werden, weil sich die reichen Industrieländer verpflichteten, durch verstärkten Finanzund Technologietransfer die ärmeren Länder bei ihren Bemühungen zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zu unterstützen.

120

Die Tatsache, dass die meisten Entwicklungsländer auf externe finanzielle Unterstützung angewiesen sind, macht sie gegenüber Veränderungen im internationalen Umfeld und in der Politik der Geberorganisationen abhängig und schränkt ihren Handlungsspielraum ein. Daher sind die meisten dieser Länder auch in ihrem umweltpolitischen Handeln sehr von Entwicklungen auf internationaler Ebene geprägt. Die Umweltbelastung in Entwicklungsländern wurde durch das bestehende Umweltbewusstsein auf internationaler Ebene auch in westlichen Industrieländern als Problem wahrgenommen und rief so bei westlichen Geberländern Betroffeneninteressen hervor. Diese verbanden sich dort mit den angesichts bereits vorhandener umweltpolitischer Kapazitäten entstandenen Helferinteressen. Die Mehrzahl der Geberländer begannen in den 80er Jahren Umweltaspekte in ihre Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren und waren daher bereit, die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren, um sowohl ökologisches und umweltpolitisches Wissen als auch die geeignete Umweltschutztechnik zu exportieren. Dabei kamen unterschiedliche Strategien und Instrumente zum Einsatz. Im Rahmen ökologischer Modernisierungsstrategien wurden umfassende Konzepte erarbeitet, die auf die Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich abzielten und die Institutionalisierung von Umweltpolitik in Entwicklungsländern vorantreiben sollten.

Im jeweiligen Entwicklungsland bedeutet das, dass die Entwicklung der umweltpolitischen Interessenspirale auf nationaler Ebene stark von außen, das heißt von Bedingungen im internationalen Umfeld angestoßen und beeinflusst werden kann. Die Perzeption ökologischen Problemdrucks durch nationale Akteure und die durch Wirtschaftsleistung abgesicherte Bereitstellung finanzieller Ressourcen für den Umweltschutz auf nationaler Ebene rücken damit als Voraussetzung für umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern in den Hintergrund. Fehlende nationale Ressourcen werden durch finanzielle Zuflüsse und die Bereitstellung fachlichen knowhows und Technik von außen zumindest teilweise kompensiert. So können durch die externe Ressourcenmobilisierung Helferinteressen auf nationaler Ebene sozusagen künstlich erzeugt werden. Wichtiger als vor Ort wahrgenommener ökologischer Problemdruck, starke Wirtschaftsleistung und hohes Wohlstandsniveau scheint daher die Entwicklung eines angemessenen politisch-institutionellen Rahmens im Entwicklungsland. So wird die Schaffung staatlicher und nichtstaatlicher umweltpolitischer Institutionen und Organisationen, die als Träger von Umweltbelangen sich für den Umweltschutz im Land einsetzen, und die Integration von Umweltaspekten in die Arbeit anderer politischer Ressorts und Zielgruppen von Umweltpolitik zur Stärkung institutioneller Kapazitäten im Umweltbereich auf nationaler Ebene als wichtige Voraussetzungen für Institutionalisierung und Implementierung Umweltpolitik in vielen Fällen extern gesteuert. 121

Für die Untersuchung der Umweltpolitik in Entwicklungsländern wird daher der im theoretischen Teil vorgestellte politisch-institutionelle Ansatz herangezogen. Dieser geht davon aus, dass Staatstätigkeit und das Handeln politischer Akteure von Institutionen geprägt wird, die den Einfluss von Interessengruppen begrenzen. Institutionen determinieren wann, wer, welche Interessen durchsetzt und bilden die Struktur der gesellschaftlichen Interessenvermittlung. Politikergebnisse werden daher als Outcome strategischer Interaktion zwischen am politischen Prozess beteiligten Akteuren angesehen, deren Handeln durch institutionelle Arrangements determiniert wird. Um dem umweltpolitischen Steuerungsversagen des Staates in Entwicklungsländern entgegenzuwirken können sich – beispielsweise ausgelöst durch Demokratisierungsprozesse – neue partizipative Formen von Konfliktregelungs- und Entscheidungsverfahren im Umweltbereich in Form von Policy-Netzwerken und unter Beteiligung von nichtstaatlichen Organisationen, Forschungsinstituten und Verursachern herausbilden. Die zentrale Frage ist folglich, welche Bedingungen müssen neben der Unterstützung von außen auf nationaler Ebene im Entwicklungsland selbst gegeben sein, damit ein Wandel der Strukturen gesellschaftlicher und politischer Interessenvermittlung möglich wird. Denn nur ein solcher Strukturwandel kann die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen (Betroffenen- und Helferinteressen) in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen erhöhen und gezieltes umweltpolitisches Handeln im Rahmen einer wirksamen Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik ermöglichen. Aufgrund dieser theoretischen Vorüberlegungen lassen sich folgende Thesen zusammenfassen:

122

Wenn gezieltes umweltpolitisches Handeln in Entwicklungsländern in erster Linie von der Perzeption der Umweltprobleme auf globaler Ebene und der Schaffung von umweltpolitischen Handlungskapazitäten und der Mobilisierung von Ressourcen in Geberländern abhängt, bestimmt die (wirtschaftliche) Außenabhängigkeit, Partizipationsmöglichkeiten und Politikstil des Entwicklungslandes Grad und Ausmaß der Institutionalisierung und Implementierung von Umweltpolitik.

Je größer und einseitiger die (wirtschaftliche) Außenabhängigkeit des Entwicklungslandes von Ressourcen ausländischer Geberländer, die für Umweltschutz vor Ort eintreten, desto größer ist der Anreiz für nationale Akteure, sich für Umweltschutz einzusetzen.

Je partizipativer das politische System und je kooperativer der Politikstil des Entwicklungslandes, desto größer die Möglichkeit für nationale Akteure, Umweltschutzinteressen zu artikulieren und auf die politische Agenda zu setzen.

Je größer der Anreiz sich für Umweltschutz einzusetzen und je größer die Möglichkeit Umweltschutzinteressen zu artikulieren und auf die politische Agenda zu setzen, desto eher werden nationale Akteure tatsächlich für Umweltschutz im Entwicklungsland aktiv.

Wenn nationale Akteure für den Umweltschutz aktiv werden, steigt die Zahl der staatlichen, semiund nichtstaatlichen Träger von Umweltbelangen, die ihre Kapazitäten und Kompetenzen ausbauen.

Wenn nationale Akteure für den Umweltschutz aktiv werden, dann werden Umweltaspekte verstärkt in andere Politikfelder und politische Ressorts integriert, die ihre umweltpolitischen Kapazitäten und Kompetenzen ausbauen.

Wenn nationale Akteure für den Umweltschutz aktiv werden, erhöht sich die Bereitschaft der Zielgruppen von Umweltpolitik in ihre Arbeit Umweltaspekte zu integrieren und umweltpolitische Kapazitäten und Kompetenzen auszubauen.

Je mehr umweltpolitische Kapazitäten und Kompetenzen auf nationaler Ebene vorhanden sind desto eher können andere Ressorts und Zielgruppen von Umweltpolitik in umweltpolitische Netzwerke eingebunden werden und desto wahrscheinlicher werden umweltpolitische Aushandlungsprozesse.

123

Je größer der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und Einfluss auf die öffentliche Meinung der Träger von Umweltbelangen und je größer deren ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit, desto eher können sie umweltpolitische Entscheidungsprozesse vorantreiben.

Je geringer die Befürchtung von Macht- und Kompetenzverlust anderer politischer Ressorts, desto geringer ihr Widerstand gegenüber der Institutionalisierung von Umweltpolitik.

Je geringer die wirtschaftlichen Einbußen und je größer die Vorteile und externe Unterstützung für Umweltschutzmaßnahmen, desto geringer der Widerstand der Zielgruppen gegenüber Umweltpolitik.

Je mehr Träger von Umweltbelangen umweltpolitische Entscheidungsprozesse vorantreiben und je geringer der Widerstand seitens anderer Ressorts und Zielgruppen von Umweltpolitik, desto weniger werden umweltpolitische Entscheidungsprozesse blockiert und desto wahrscheinlicher wird die gemeinsame Problemlösung.

Je größer der Einfluss der Träger von Umweltbelangen, desto wahrscheinlicher die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen.

Je wahrscheinlicher die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen, desto konkreter Ziele und Zeitrahmen zur Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen.

Je größer der Einfluss anderer Ressorts und der Zielgruppen von Umweltpolitik, desto unwahrscheinlicher die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen.

Je unwahrscheinlicher die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen, desto weniger konkret Ziele und Zeitrahmen zur Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen.

Je konkreter Ziele und Zeitrahmen zur Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen desto wahrscheinlicher wird gezieltes umweltpolitisches Handeln und desto eher wird Umweltpolitik im Entwicklungsland institutionalisiert und implementiert.

124

In den folgenden Kapiteln sollen nun diese aus den theoretischen Zusammenhängen abgeleiteten Hypothesen am Beispiel eines Entwicklungslands überprüft werden. Als Fallbeispiel wurde Jordanien als ein Entwicklungsland gewählt, in dem die Degradierung der ohnehin sehr begrenzten natürlichen Ressourcenbasis angesichts steigender Umweltbelastung und Übernutzung in den letzten Jahrzehnten umweltpolitisches Handeln erforderlich machte. Im Mittelpunkt der Analyse zur Umweltpolitik in Jordanien wird die Entwicklung der organisatorischen und institutionellen Kapazitäten im Umweltbereich sowie der Einfluss einzelner Akteursgruppen auf umweltpolitische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse unter Berücksichtigung umweltpolitisch relevanter Rahmenbedingungen und insbesondere sich wandelnder Akteurskonfigurationen und Interessenkonstellationen stehen. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob, inwieweit und warum hier Veränderungen stattgefunden haben und welche Auswirkungen dies auf Institutionalisierung, Inhalte und Umsetzung von Umweltpolitik in Jordanien hat.

125

4.

Umweltpolitik in Jordanien

4.1

Umweltpolitik als soziopolitischer Prozess in Jordanien

4.1.1

Entwicklung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen

4.1.1.1 Bevölkerungswachstum, Verteilung und Bevölkerungspolitik In den letzten vierzig Jahren nahm die Bevölkerung in Jordanien rapide zu. Das große Bevölkerungswachstum ist zum einen auf hohe natürliche Wachstumsraten durch sinkende Sterberate, vor allem der Kindersterblichkeit, bei nur geringfügiger Absenkung der Geburtenrate und zum anderen auf die rege Immigration zurückzuführen. Die natürliche Bevölkerungswachstumsrate stieg seit den 60er Jahren kontinuierlich an, bevor sie in den 90er Jahren leicht zurückging. Im Jahre 1960 betrug das natürliche Bevölkerungswachstum 2,8%, in den 70er Jahren stieg die Wachstumsrate auf 3,2% an und zählt seither zu einer der höchsten in der arabischen Welt. In den 80er Jahren erreichte sie jährlich sogar bis zu 3,7% und zählte damit zu einer der höchsten natürlichen Wachstumsraten der Welt. Während der 90er Jahre ging das natürliche Bevölkerungswachstum leicht zurück und lag 1993 bei 3,2%.396 Im Jahr 1994 lebten etwas über 4 Millionen Menschen in Jordanien. Das natürliche Bevölkerungswachstum betrug zwar nur noch 2,8%, doch durch die Immigrationswelle palästinensischer und irakischer Flüchtlinge sowie Rückkehrern aus den Golfstaaten, die mit 1,55% zum Bevölkerungswachstum beitrug, wurde ein Gesamtwachstum von 4,35% erreicht.397 Im Jahr 1998 betrug die Bevölkerungswachstumsrate noch 3,1% und die Bevölkerung war auf 4,6 Millionen Menschen angestiegen. Drei Jahre später, 2001, war die jährliche Wachstumsrate weiter gesunken, aber die Bevölkerung auf über fünf Millionen (5,2 Millionen) Menschen angestiegen (siehe Tab. 1).398 Schätzungen zufolge wird die jordanische Bevölkerung auch in Zukunft aufgrund der hohen natürlichen Fertilitätsrate, Rückkehrern und Immigranten weiterhin ansteigen und im Jahr 2010 auf knapp über sechs einhalb Millionen Menschen angewachsen sein.399

396 Vgl.

Winckler 1997: 18f und Schiffler 1993: 14.

397 Vgl.

Samha 1995: 106.

398 World

Bank Group 2003. Schätzungen der Weltbank wird Ende 2000 die Bevölkerung Jordaniens 5,173 Millionen und 6,686 Millionen Ende 2010 erreicht haben. Zitiert nach Winckler 1997: 8.

399 Nach

126

Tab. 1: Bevölkerungswachstum in Jordanien Jahr

1980

Gesamtbevölkerung 2181 (in tausend) Bevölkerungswachstum 3,9 (jährlich in %) Quelle: World Bank Group 2003

1990

1995

2001

3170

4195

5030,8

11,2

3,1

2,8

Neben den natürlichen Wachstumsraten trägt die Immigration entscheidend zum gesamten Bevölkerungsanstieg in Jordanien bei. Seit der Gründung des Staates Israel 1948, infolge des Sechs-Tage-Krieges 1967, der die israelische Besetzung des Westjordanlands mit sich brachte, und nachdem Arafat den Einmarsch der Irakis in Kuwait 1990-1991 unterstützt hatte, immigrierten fast eine Million palästinensische Flüchtlinge nach Jordanien.400 Jordanien ist aber gleichzeitig, den Jemen ausgenommen, relativ zur Einwohnerzahl gesehen der größte Exporteur von Arbeitskräften im Mittleren Osten. In den 70er und 80er Jahren ließ der Ölboom und die damit einhergehende Ausweitung des Industrie- und Dienstleistungssektors in den Golfstaaten angesichts begrenzter einheimischer Arbeitskräfte die Emigration von Jordaniern und Palästinensern in diese Staaten stark ansteigen. Bereits 1975 arbeiteten 260.000 Jordanier/Palästinenser aus Jordanien in anderen Ländern des Mittleren Ostens. Die Zahl der Emigranten, die im Ausland und vor allem in den Golfstaaten arbeiteten, stieg nach offiziellen Schätzungen des jordanischen Arbeitsministeriums in der ersten Hälfte der 80er Jahre weiterhin an und erreichte 1985 eine Anzahl von 328.000 Emigranten, wovon 125.616 in den arabischen Golfstaaten arbeiteten. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre stieg diese Zahl nur leicht an und am Abend der irakischen Invasion in Kuwait Mitte 1990 arbeiteten 164.788 Jordanier/Palästinenser aus Jordanien in den Golfstaaten.401 Die jordanische Unterstützung des Iraks während des Golfkriegs (1990-1991) hatte die Ausreise von etwa 350.000 Jordaniern und Palästinensern vor allem aus Kuwait und Saudi-Arabien, aber auch aus anderen Golfstaaten und ihre Rückkehr nach Jordanien zur Folge, die allerdings teilweise Ende 1991 wieder zurückkehren durften.402 Hinzukamen nach Schätzungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) zwischen 150.000 und 300.000 ira-

400 Vgl.

Winckler 1997: 9. Die Zahlen über die von Jordanien aufgenommenen palästinensischen Flüchtlinge sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da je nach Quelle schon die Zahlen der Flüchtlinge von 1948 um mehrere hundertausende schwanken (vgl. Köndgen 1999: 21).

401 Siehe

hierzu Winckler: 48f. Rechnet man die Familienmitglieder hinzu, so lebten 1985 insgesamt 541.180 Jordanier und Palästinenser aus Jordanien in den arabischen Golfstaaten. Im Jahr 1990 war diese Zahl auf 761.455 angestiegen. Vgl. Winckler: 71 (Tabelle). 402 Das jordanische Innenministerium schätzte die Zahl der Flüchtlinge während der Golfkrise auf 250.000 (vgl. Samha 1995: 107). 127

kische Flüchtlinge, die während der Golfkrise nach Jordanien flüchteten.403 In Folge erreichte die Bevölkerungswachstumsrate im Jahr 1990 mit 11,2% ihren absoluten Höhepunkt. Die Zahl der arbeitenden Jordanier in ölproduzierenden Ländern belief sich Mitte 1995 auf ca. 200.000 Personen und war so gegenüber der Zeit vor der irakischen Invasion in Kuwait erheblich gesunken. Doch durch einen erhöhten Anteil an jordanischen Staatsbürgern, die im übrigen Ausland arbeiteten, hatte sich die Gesamtzahl der im Ausland tätigen Jordanier Mitte der 90er Jahre auf das Niveau vor dem Golfkrieg 1989 wieder eingependelt.404 Auf die Emigration jordanischer und palästinensischer Arbeitskräfte wurde mit einer „laissez-faire“-Politik reagiert, da die monetären Rücksendungen der emigrierten Arbeitskräfte nach Jordanien willkommen waren und der einheimische Arbeitsmarkt angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen den demografisch bedingten Anstieg an Arbeitskräften nicht absorbieren konnte.405 Ansonsten wurden die emigrierten jordanischen Arbeitskräfte durch die Immigration ausländischer Arbeitnehmer nach Jordanien ersetzt, deren Zahl seit den 70er Jahren kontinuierlich anstieg. Im Jahr 1983 arbeiteten 130.000 Ausländer, zum großen Teil illegal in Jordanien. 1990 machten die 195.995 Ausländer 33,6% der gesamten arbeitenden Bevölkerung aus und Mitte 1995 war die Zahl sogar auf schätzungsweise 250.000 angewachsen.406 Olaf Köndgen geht Ende der 90er Jahre von mindestens 350.000 ausländischen Arbeitern aus, von denen 85% Ägypter sind, die hauptsächlich in der Bauindustrie und in der Landwirtschaft tätig sind.407

Aufgrund der klimatischen Bedingungen, 80% Jordaniens ist Wüste, findet die Besiedlung des Landes hauptsächlich in den Gebieten der nördlichen und zentralen Hochplateaus sowie im Jordantal statt, wo es für die Landwirtschaft ausreichenden Niederschlag gibt. Das schnelle Bevölkerungswachstum in ländlichen Gebieten und die begrenzten Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten in der Landwirtschaft führten zu einer Landflucht und zur verstärkten Besiedlung städtischer Ballungsräume. Der Urbanisierungsprozess wurde durch die Konzentration der palästinensischen Flüchtlinge in Flüchtlingscamps, die sich in oder nahe der großen Städte befinden, noch verstärkt. Zwischen 1961 und 1994 stieg die jordanische Bevölkerung in den drei größten Städten (Amman, Zarqa, Irbid) von knapp 400.000 auf über 2 Millionen Einwohner an. Der Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung verdoppelte sich von 36% im Jahr 1952 auf über 70% in den 90er Jahren an, von denen etwa die Hälfte im Großraum Amman (ca. 1,5

403 Vgl.

Köndgen 1999: 22.

404 Vgl.

Winckler 1997: 48f.

405 Vgl.

Seccombe 1987: 123f.

406 Vgl.

Winckler 1997: 64f.

407 Vgl.

Köndgen 1999: 155. 128

Millionen Einwohner) lebt.408 Mitte der 90er Jahre lebten über 77% der jordanischen Bevölkerung, 3.2 Millionen Menschen, in Stadtgebieten mit mehr als 5000 Einwohnern. Das jährliche Wachstum der städtischen Bevölkerung betrug 5%. Verglichen mit einer Wachstumsrate der Gesamtbevölkerung von 3,6% weisen diese Zahlen auf eine steigende Konzentration der Bevölkerung in urbanen Zentren hin. Trotz der Ausweitung und Verbesserung der städtischen Infrastruktur nahmen die Umweltprobleme besonders im Bereich der Abfall- und Abwassermanagement angesichts unzureichender sanitärer Einrichtungen und öffentlicher Dienstleistungen sowie der steigenden Motorisierung und der Konzentration des Verkehrs in städtischen Zentren zu. Durch die teilweise unkontrollierte urbane Expansion kommt es zur Slumbildung am Rand größerer Städte. Die Folgen dieser Entwicklung sind eine zunehmende Flächenversiegelung, steigende Verschmutzung von Land- und Wasserressourcen und eine zumindest punktuelle Luftverschmutzung und Lärmbelästigung.409

Bereits im Jahr 1973 setzte die jordanische Regierung die National Population Commission (NPC) mit dem Ziel ein, eine bessere Gesundheit der Familien, insbesondere der Frauen zu erreichen und damit indirekt eine Reduktion der Fertilitätsrate zu unterstützen.410 Die Kommission blieb jedoch lange Zeit untätig. Trotz des Drucks westlicher Regierungen, die bereits seit den 60er Jahren den Entwicklungsländern nahe legte, ihre Geburtenraten zu reduzieren. Nichtstaatliche Organisationen, die sich diesen Fragen annahmen, wurden in den 70er Jahren in Jordanien zugelassen. Der Import und Vertrieb von Verhütungsmitteln sowie die Sterilisation als legales Mittel der Geburtenkontrolle sind seither erlaubt. Erst in den 80er und vor allem den 90er Jahren engagierte sich die jordanische Regierung aktiv in der Familienplanung. Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme, der knappen Ressourcen und der zusätzlichen Belastung des Arbeitsmarktes durch die jordanischen und palästinensischen Rückkehrer nach dem Golfkrieg erkannte die Regierung, dass eine substanzielle Reduktion der Fertilitätsrate notwendig wäre, wollte man die hohen Wirtschaftswachstumsraten halten. So sicherte die jordanische Regierung der Jordan Family Planning and Protection Association (JFPPA) finanzielle Unterstützung zu und weitete die Dienstleistungen für Familienplanung in staatlichen Kliniken und öffentlichen Krankenhäusern aus.411

408 Vgl.

Winckler 1997: 22; Zur ungleichmäßigen Verteilung der Bevölkerung in Jordanien und zur internen Migration und der damit verbundenen Zunahme der städtischen Bevölkerung vor allem in den nördlichen Provinzen des Landes (Amman, Irbid, Zarqa) siehe auch Samha 1995: 107-110.

409 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 22.

410 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 7.

411Vgl.

Winckler 1997: 81-83. 129

Im Rahmen der ersten staatlichen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle trat die National Population Commission mit dem Birth-Spacing Programm dafür ein, zum Schutz der Gesundheit der Mutter einen Abstand von zwei bis vier Jahren zwischen zwei Geburten einzuhalten, so wie es auch im Koran vorgeschrieben ist. Im Jahr 1995 entwickelte die Kommission einen Entwurf einer „National Population Strategy“ für Jordanien, in dem Themen wie Gesundheit von Mutter und Kind, Frauen und Entwicklung, Erziehungs- und Bevölkerungsfragen sowie die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums auf Ressourcen und Umwelt behandelt wurden. Die Strategie fordert die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Bevölkerung und natürlichen Ressourcen, die Einhaltung eines Abstandes zwischen den Geburten, die Stärkung der Rolle der in Bevölkerungsfragen tätigen Nichtregierungsorganisationen und eine insgesamt ausgeglichenere demografische Planung.412 In Unterstützung der Bevölkerungsstrategie empfahl auch die Nationale Umweltstrategie (NES) einen Abstand von zwei bis vier Jahren zwischen zwei Geburten und die verstärkte Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt.413 Der Nationale Umweltaktionsplan (NEAP) hebt in gleichem Maße die entscheidende Bedeutung demografischer Fragen, öffentlicher Bewusstseinsbildung und Partizipation für eine nachhaltige Entwicklung und Schutz der Umwelt in Jordanien hervor. Er empfiehlt nachdrücklich die Annahme der „National Population Strategy“ sowie das Vorantreiben ihrer Umsetzung durch die Regierung.414

Trotz dieser Bemühungen hatte Jordanien bis 1997 noch keine offizielle nationale Politik zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums und Verringerung der Geburtenrate. Vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts werden die verstärkte Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und das Anwachsen der jüdischen Bevölkerung in Israel als wichtige Argumente für das Fehlen einer solchen Politik auf arabischer Seite angeführt.415 Weitere Hindernisse für eine erfolgreiche Familienplanung in Jordanien liegen in erster Linie im Widerstand der einflussreichen Muslimbrüder, die eine Geburtenkontrolle ablehnen, im Fehlen negativer Anreize zur Reduktion der Fertilitätsrate seitens der Regierung und in der Subventionierung von Erzie-

412 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 7 und 40.

413 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 153-155. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Status der jordanischen Frauen durch die Abnahme der Analphabetinnenquote und die verstärkte Einbindung von Mädchen in das Bildungssystem verbessert. Die Alphabetisierungsrate von Frauen betrug Mitte der 90er Jahre 80% und die Einschulungsrate von Mädchen sogar nahezu 100%. Zugleich sank die Fertilitätsrate von 7,8% in den 60er Jahren auf 4,6% in den 90er Jahren. (vgl. Ministry of Planning 1996: 6). Während die Anhebung des Bildungsstandes der Frauen sicherlich die wichtigste Ursache für den Rückgang der Fertilitätsrate ist, hat diesen sicherlich auch das gesetzlich heraufgesetzte Heiratsalter für Männer auf 18 und Frauen auf 17 Jahre und das angestiegene durchschnittliche Alter der Frauen bei der ersten Heirat in den 80er Jahren bestärkt (vgl. Winckler 1997: 19f).

414 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 40.

415 Vgl.

Schiffler 1993: 74. 130

hung und Gesundheitsversorgung, die zu einer hohen Geburtenrate ermutigt. Das natürliche Bevölkerungswachstum konnte daher nur geringfügig reduziert werden und auch die seit den 80er Jahren unternommenen Versuche der jordanischen Behörden die Zahl der ausländischen, vor allem der illegalen Arbeitnehmer zu reduzieren, schlugen, aufgrund der Schwierigkeit, die billigeren und zu jeder Arbeit bereiten ausländischen Arbeitskräfte durch einheimische zu ersetzen, bisher fehl.416 Weder der Druck auf den Arbeitsmarkt noch jener auf die knappen natürlichen Ressourcen des Landes konnten somit nachhaltig vermindert werden.

4.1.1.2 Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Wirtschaftsstruktur und der Außenabhängigkeit Nach den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Turbulenzen Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre entspannte sich die Lage im Nahen Osten. Der Sechs-Tage-Krieg mit Israel (1967) hatte aus jordanischer Sicht den Verlust des Westjordanlands, Einkommenseinbußen in der Landwirtschaft und im Tourismussektor und ein demografisches Ungleichgewicht durch die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge zur Folge. Darüber hinaus führten Sicherheitsrisiken zu Investitionsrückgängen.417 Günstige externe Rahmenbedingungen sorgten dafür, dass Jordanien sich während der 70er Jahre bis Anfang der 80er Jahre eines raschen wirtschaftlichen Wachstums erfreuen konnte. Durch die Förderung der Industrialisierung und Expansion der Fertigungsindustrien und der Phosphatproduktion, finanziell unterstützt durch arabische Entwicklungshilfe, konnte Jordanien wirtschaftliche Stabilität und hohe Wachstumsraten erreichen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in der Zeit von 1973 bis 1976 jährlich im Durchschnitt um 5,9% (Bruttosozialprodukt/BSP um 7%) und zwischen 1976 und 1980 um 8,5% (BSP um 11,9%) an.418 Fortschritte wurden auch im sozialen Bereich erreicht, vor allem durch ein verbessertes Gesundheits- und Bildungssystem konnte die Kindersterblichkeit und die Analphabetenquote erheblich gesenkt werden. Trotz dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung wurde stets mehr nach Jordanien importiert als aus dem Land exportiert und das chronische Handelsdefizit stieg an. Es konnte nur durch die großzügigen finanziellen Zuflüsse von außen, d.h. durch Überweisungen der in den Golfstaaten tätigen Gastarbeiter und arabische Entwicklungshilfe abgemildert werden.419

416 Vgl.

Winckler 1997: 81ff.

417 Vgl.

Feiler 1994: 47.

418 Vgl.

Share 1991: 105.

419 Vgl.

Share 1991: 119. 131

Die wirtschaftliche Wende setzte im Jahr 1982 ein, nachdem zwei Jahre zuvor von der Unterstützung des Iraks im Golfkrieg gegen den Iran nochmals ein externer Stimulus für die jordanische Wirtschaft ausgegangen war. Der Irak war durch die Schließung seines Hafens am Golf bei dem Import von Gütern auf den Hafen von Aqaba und den Überlandtransport durch Jordanien angewiesen.420 In der darauf folgenden Zeit wurde das Wirtschaftswachstum in Jordanien durch die wirtschaftliche Rezession in der Region, die vor allem durch das Absacken des Ölpreises, den Bürgerkrieg im Libanon und den Golfkrieg verursacht wurde, erheblich gebremst. Diese ungünstigen Bedingungen führten dazu, dass das BIP zwischen 1981 und 1985 eine durchschnittliche Wachstumsrate von nur noch 4,2% erreichte.421 Die starken Kürzungen der arabischen Hilfsgelder (siehe Tab. 4), die sinkenden Wachstumsraten der Exporte und der deutliche Rückgang der Überweisungen der Gastarbeiter aus den Golfstaaten verschärften das jordanische Budgetdefizit. Seit Mitte der 80er Jahre kam es zum Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten, einem hohen Haushalts- und Handelsdefizit sowie zu einer zunehmenden Arbeitslosigkeit.

Die Rezession und Finanzkrise in Jordanien führte zur Kürzung finanzieller Ausgaben, Verschiebung von Entwicklungsprojekten, zur Abwertung des jordanischen Dinars und zu erhöhter Kreditaufnahme. Die Auslandsverschuldung des Staates war in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, nicht zuletzt wegen der hohen Militärausgaben, die in den 70er und 80er Jahren 10% des Bruttoinlandsprodukts ausmachten, auf mehr als 9 Milliarden US$ 1991 angestiegen.422 Diese Entwicklungen führten Ende der 80er Jahre zu einer handfesten Wirtschaftskrise, auf die der Staat mit unterschiedlichen Gegenmaßnahmen reagierte. Doch die Subventionierung der Industrie und Landwirtschaft, die Anhebung protektionistischer Zölle zugunsten der lokalen Industrie, Privatisierungsmaßnahmen und Anwerbung ausländischer Investitionen brachten nur eine geringe Verbesserung.423 Die mit dem Einmarsch des Iraks in Kuwait ausgelöste zweite Golfkrise im August 1990 war ein weiterer Schlag für die jordanische Wirtschaft. In der Zeit vor der Krise war die ökonomische Abhängigkeit Jordaniens von den Golfstaaten sehr groß. 40 Prozent der Exporte gingen in die Golfstaaten, drei Viertel der Touristen und ein großer Anteil der Kredite kamen aus dieser Region. In Folge der Golfkrise mussten hundert Tausende von jordanischen und palästinensischen Gastarbeitern vor allem aus Kuwait, aber auch aus anderen Staaten diese verlassen. Die mit den Rückkehrern schätzungsweise zwischen 3 und 4 Milliarden US$ zurückfließenden Finanzmittel lösten zwar einen kurzfristigen Bauboom und eine kurzlebige Wachs420 Vgl.

Feiler 1994: 50.

421 Vgl.

Share 1991: 105.

422 Vgl.

Winckler 1997: 90f.

423 Vgl.

Feiler 1994: 53. 132

tumsrate von 12,1% in Jordanien aus.424 Gleichzeitig erhöhte sich aber sprunghaft die Arbeitslosigkeit und langfristig schlug der Rückgang der finanziellen Transfers der Gastarbeiter aus den Golfstaaten negativ zu Buche. Darüber hinaus verlor Jordanien mit dem im August 1991 vom UN-Sicherheitsrat verhängten Handelsembargo gegen den Irak, einen wichtigen Export- und ReExport-Markt. Die durch die Golfkrise für Jordanien entstandenen Kosten wurden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auf insgesamt 1,2 Milliarden US$ allein für die letzten fünf Monate 1990 geschätzt.425 Die Gesamtverluste für die jordanische Volkswirtschaft wurden vom UN-Sicherheitsrat im April 1991 auf rund 3,261 Milliarden US$ geschätzt.426 Die Folge der wirtschaftlichen Krise zeichnete sich im geringen wirtschaftlichen Wachstum, im Haushaltsund Handelsdefizit und in der steigenden Auslandsverschuldung während der 90er Jahre ab (siehe Tab. 2). Zudem kam es zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Absinken des Lebensstandards der jordanischen Durchschnittsfamilie. Eine von der Economic and Social Commission for Western Asia (ESCWA) im Jahr 1994 durchgeführte Studie kam auf einen Prozentsatz von nahezu 30% der Bevölkerung, die in Armut lebten, wovon wiederum 5% zu den absolut Armen zählten, die die Mehrzahl ihrer Grundbedürfnisse nicht befriedigen konnten.427 Ende der 90er Jahre (1998) stellte eine Studie des Al-Urdun Al-Jadid Research Center Schätzungen zufolge fest, dass nunmehr 38% der Familien in Jordanien unterhalb der Armutsgrenze leben, wovon 9% unter extremer Armut leiden.428

424 Vgl.

Köndgen 1999: 138. Manuel Schiffler spricht von einem „Miniboom“, bei dem das BIP von 1991 bis 1992 um 11% anstieg und 1993 die industriellen Investitionen stark zunahmen, das BIP aber nur noch um schätzungsweise 5% wuchs (vgl. Schiffler et al. 1994: 36).

425 Hierin

sind vor allem enthalten 170 Millionen US$ Exportverluste, 200 Millionen US$ Verluste durch ausbleibende Gastarbeiterüberweisungen, finanzielle Verluste durch Ausbleiben der Touristen von 200 Millionen US$, verlängerte Kreditrückzahlungen des Iraks mit 60 Millionen US$ Verlust und schließlich unerfüllte Kreditzusagen der arabischen Länder von 300 Millionen US$ (vgl. Feiler 1994: 55).

426 Vgl.

Krämer 31993: 388.

427Zudem

stieg die Sterberate, vor allem die Kindersterblichkeit, und es gab eine wachsende Zahl von Kindern unter 12 Jahren, die an einer Mangelernährung litten (vgl. Winckler 1997: 91). Andere Studien über die Armut in Jordanien gehen von nur 14% der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze lebt aus und einem Viertel dem das Einkommen für ausreichende Ernährung und Unterkunft fehlt. Dies liegt an den großen Familien (6 bis 10 Personen) mit hoher Geburtenrate, die von nur einem oder keinem Einkommen abhängig sind. Das Einkommen einer Familie an der Armutsgrenze liegt zwischen 500 und 600 US$ pro Monat (vgl. NEAP 1996: 6).

428 Vgl.

Al-Urdun Al-Jadid Research Center 1999: 8. 133

Tab. 2: Entwicklung wichtiger Wirtschaftsindikatoren in Jordanien Jahr

1982

1992

1995

1998

2001

2002

BSP in Milliar4,8 5,4 ... 7,9 8,8 9,3 den US$ BSP pro Kopf in 2000 1368 1580 1590 1750 1760 US$ BIP, jährliches 19 16,1 6,4 3 4,3 4,9 Wachstum in % Auslandsver2648 6461 6933 7528 7015 7552 schuldung in Millionen US$ Haushaltsdefi5,1 -0,4 -5,7 -5,8 -3,7 -4,3 zit/überschuss in % des BIP Handelsbilanz in -1238 -2063 -1901 -2025 -2292 -2543 Millionen US$ Quellen: Central Bank of Jordan 2004; World Bank Group 2003; World Bank Group 2003a; Jaber 1998: 68 Die wirtschaftliche Krise nach dem Ende des Golfkriegs machte die Abhängigkeit Jordaniens von externen Ressourcen erneut allzu deutlich und die Rezession konnte mit Hilfe finanzieller Zusagen aus dem Ausland nur leicht abgemildert werden. Damit befand sich die jordanische Wirtschaft Anfang der 90er Jahre weiterhin in einer ernsten Lage und die politischen Entscheidungsträger Jordaniens realisierten, dass sie dem ökonomischen Druck, der sich vor allem aus dem raschen Bevölkerungswachstum und angesichts der negativen wirtschaftlichen Entwicklung infolge der politischen Unterstützung des Iraks während der Golfkrise ergaben, mit einer neuen Perspektive entgegenwirken mussten. Diese Perspektive wurde in einer Beendigung des Konflikts mit dem Staat Israel gesehen, mit dem Jordanien im Oktober 1994 einen Friedensvertrag abschloss. Seither unterstützten ausländische Regierungen und internationale Organisationen die wirtschaftlichen Reformbemühungen des Landes und nahmen neue Projekte im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich in Angriff. Die im Friedensvertrag verankerte Erlaubnis, Dämme zu bauen, um zusätzliches Wasser aus dem Jordan für die Trinkwasserversorgung abführen zu können, verbesserte die Aussichten, die Wasserknappheit in Jordanien zumindest kurzfristig zu entschärfen.429 Dennoch blieb die Friedensdividende insgesamt gesehen hinter den 429 Nach

Onn Winckler kam es insgesamt gesehen mit dem Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien zu einer substanziellen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Jordaniens. Die Inflationsrate war niedrig (ca. 4%), einheimische und ausländische Investitionen vor allem im Tourismussektor stiegen an und die Exporte wuchsen im Jahr 1994 um 15%. Darüber hinaus konnte zumindest nach offiziellen Angaben die Arbeitslosigkeit von 25% (1990/91) auf 15% Mitte 1995 reduziert werden (vgl. Winckler 1997: 92-97). Nach Olaf Köndgen hingegen sind nicht nur die offiziellen Arbeitslosenzahlen geschönt, da sich die Arbeitslosenrate tatsächlich bis Ende der 90er Jahre auf einem hohen Niveau von deutlich über 20% hielt. So kommt eine von der University of Jordan veröffentlichte Studie auf eine Arbeitslosenquote von 27,5% und zwar ohne die verdeckte Arbeitslosigkeit einzubeziehen (vgl. Köndgen 1999: 153). Diese Zahl wird vom Al-Urdun Al-Jadid Research Center annähernd bestä134

Erwartungen zurück. Der Handel mit Israel konnte nicht signifikant gesteigert werden und ist weiterhin unerheblich430 und die von Israel abhängigen palästinensischen Gebiete blieben für jordanische Exporteure weitgehend unzugänglich. Das Handelsvolumen mit diesen Gebieten erreichte nur ein Drittel des Volumens zur Zeit der offenen Brücken 1967 bis 1988. Die Schwerfälligkeit der auf den Friedensvertrag unvorbereiteten jordanischen Bürokratie mit ihrem traditionellen Mangel an personeller Kontinuität und die verhältnismäßig unattraktiven Investitionsbedingungen, ließ das noch 1995 zu spürende Interesse ausländischer Investoren bald zurückgehen.431

Ende der 90er Jahre setzte sich die Rezession der jordanischen Wirtschaft fort. Die politische und ökonomische Situation in der Region blieb schwierig, da der Friedensprozess unter der israelischen Regierung von Benjamin Netanyahu eingefroren wurde und Israel entgegen der Vereinbarungen jordanischen Gütern den Zugang zu palästinensischen Märkten verwehrte. Das internationale Embargo gegen den Irak und der Fall des Ölpreises 1998 sorgten für einen Rückgang der jordanischen Exporte in den Irak und die Golfstaaten, wo zudem die Nachfrage nach jordanischen Arbeitskräften sank. Im Jahr 1998 wuchs die jordanische Wirtschaft nur langsam mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 3% und einem Rückgang des Pro-KopfEinkommens und des Lebensstandards. Das Budgetdefizit stieg von 1997 bis 1998 von 149,6 Millionen JD auf 290,2 Millionen JD an und die Auslandsschulden wuchsen im gleichen Zeitraum um 9,2%.432

Die wirtschaftliche Struktur in Jordanien veränderte sich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich. In den 60er Jahren war die Wirtschaft Jordaniens trotz ungünstiger klimatischer Bedingungen von der Landwirtschaft geprägt. Die landwirtschaftliche Produktion, in der zwischen 1963 und 1967 bis zu 40% der arbeitenden Bevölkerung beschäftigt war, trug mit zwischen 15 und 35% am Bruttosozialprodukt zur Wirtschaftsleistung des Landes bei.433 In den folgenden Jahrzehnten konnte der landwirtschaftliche Sektor zwar durch die Expansion und Verbesserung von Bewässerungstechniken anwachsen, aber nicht mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Schritt

tigt, das die durchschnittliche Arbeitslosenrate 1998 auf 22% festlegt (vgl. Al-Urdun Al-Jadid Research Center 1999: 8). 430 Die

jordanisch-israelischen Wirtschaftskontakte werden zusätzlich durch die Antinormalisierungskoalition atark behindert, die schwarze Listen mit Unternehmen und Einzelpersonen, die mit Israel Kontakt haben, führt und versucht, sie als „Normalisierer“ in der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen (vgl. Köndgen 1999: 140f).

431 Vgl.

Köndgen 1999: 139f.

432 Vgl.

Al-Urdun Al-Jadid Research Center 1999: 7f.

433 Vgl.

Abuirmeileh 1987: 96. 135

halten. Trotz der knappen natürlichen Ressourcen des Landes und unzureichender Transportkapazitäten schritt die Industrialisierung und Urbanisierung in Jordanien seit den 60er Jahren kontinuierlich voran. Es kam zu einem strukturellen Wandel, bei dem die Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung verlor und der Industrie- und Dienstleistungssektor entsprechend ausgebaut wurden.434 Anfang der 80er Jahre war ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt auf 6,1 % gefallen, auch wenn während der 80er Jahre im landwirtschaftlichen Sektor noch durchschnittlich ein jährlicher Zuwachs von 10,8% erreicht wurde (siehe Tab. 3). In den 90er Jahren fiel der in der Landwirtschaft erzeugte Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 7,8% (1992) auf 4,9% (1998) und dann auf nur noch 2% (2002). Für den gleichen Zeitraum (1992-2002) kann im landwirtschaftlichen Sektor ein negatives Wachstum festgestellt werden (siehe Tab. 3).435 Im Jahr 1997 arbeiteten nur noch 9% der Arbeitskräfte in der Agrarwirtschaft, die vor allem im fruchtbaren Jordantal und auf der Hochebene betrieben wird.436 Haupthindernisse für eine landwirtschaftliche Produktivitätssteigerung sind die nur gering vorhandenen landwirtschaftlich nutzbaren und zudem kleinen Flächen, die die Nutzung moderner Landwirtschaftstechnologie verhindern, das geringe Investitionspotenzial, die knappen Wasserressourcen, ineffiziente Bewässerungssysteme und die Abwanderung von Arbeitskräften.437 Da die landwirtschaftliche Produktion den einheimischen Bedarf an Nahrungsmitteln in Jordanien nicht decken kann, besteht eine hohe Abhängigkeit von Nahrungsmitteleinfuhren.438

Die Bereiche Industrie, Energie und Bau hingegen sind durch ein zwar langsames, aber stetiges Wachstum volkswirtschaftlich weitaus bedeutender als die Landwirtschaft geworden. Anfang der 80er Jahre betrug der in der Industrie erwirtschaftete Anteil am BIP rund 30%, wies allerdings bis zu Beginn der 90er Jahre ein leicht negatives durchschnittliches Wachstum pro Jahr (-0,7%) auf. Während der 90er Jahre stellte sich ein durchschnittliches jährliches Wachstum bei rund 3% ein und hatte im Jahr 1992 einen Anteil von 27,1% und 2002 von noch 23,4% am BIP (siehe Tab. 3). Ein Viertel aller berufstätigen Jordanier arbeitete 1997 in einem dieser Sektoren 434 Vgl.

Khatib 1991: 62.

435 Um

die Entwicklung des landwirtschaftlichen Sektors in der Zeit von 1993 bis 1998 nachzuvollziehen siehe auch Al-Urdun Al-Jadid Research Center 1999, Tabelle Nr. 4 und 5.

436 Vgl.

Köndgen 1999: 144.

437 Vgl.

Maqtash/Hayagneh 1998: 171-173.

438 Vgl.

Köndgen 1999: 144f. Die Frage der „food security“ in Jordanien wurde breits in den 80er Jahren diskutiert. Während Ende der 80er Jahre noch Vorschläge zur landwirtschaftlichen Entwicklung und Versorgungssicherheit durch Selbstversorgung gemacht wurden (vgl. Abuirmeileh 1987: 93-117), wird diese heute eher als unrealistisches Ziel gesehen und die Konzentration auf den devisenbringenden Export durch den Anbau hochwertiger Erzeugnisse auf „cash crops“ scheint allerdings nur bei weiterer staatlicher Subventionierung des Wasserpreises angebracht (vgl. Köndgen 1999: 145). Knappheit besteht heute vor allem bei Getreide, Hülsenfrüchten und Öl,

136

und 26,9% des BIP wurden hier erwirtschaftet, davon 16,7% in der verarbeitenden Industrie. Wichtiger Eckpfeiler ist der Bergbau. Der Abbau von Phosphat, das zum Teil zu Düngemittel weiterverarbeitet wird, und die Gewinnung von Pottasche trugen 1990 mit 4% zum BIP bei.439 Jordanien steht nach Marokko und den USA mit 15% weltweit an dritter Stelle der Phosphatexporteure. Zusammen wurden mit diesen drei Produkten 1997 rund 30% der Exporterlöse erwirtschaftet. Weitere wichtige Industriezweige sind die Zementindustrie, die pharmazeutische Industrie, die Textilindustrie, die Lebensmittelindustrie und eine Ölraffinerie sowie die Herstellung von Konsumgütern.440

Der Dienstleistungssektor hatte bereits 1982 mit knapp 64% den weitaus größten und seither steigenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der im Jahr 1992 rund 65% betrug und bis 2002 auf ganze 73,6% angestiegen war (siehe Tab. 4). Eine wichtige Rolle spielen dabei die staatliche Verwaltung, die 1997 mit 21,3% und der Finanz- und Immobilienbereich, der mit 22,5% zum BIP beitrugen. Der Staat beschäftigt im öffentlichen Sektor seit den 80er Jahren mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer im Land. Große Bedeutung kommt auch dem Handel, insbesondere dem Transithandel mit Syrien, Libanon, dem Irak, den Golfstaaten und Europa zu (80er Jahre: BIP-Anteil ca. 15%). Als neuer wirtschaftlicher Hoffnungsträger gilt die Tourismusbranche, deren Einnahmen 1997 mit 10% zum BIP beitrugen.441 Nach dem Friedensschluss mit Israel stiegen die Besucherzahlen im Jahr 1995 im Vergleich zum Vorjahr um 25,1% an und über eine Millionen Touristen vor allem aus den Golfstaaten (52,7%) und den Staaten der Europäischen Union (23,9%), aber auch aus den USA, Israel und Südost-Asien kamen nach Jordanien.442 Angesichts der instabilen politischen Lage in der Region und der jüngsten Unruhen in den palästinensischen Gebieten birgt dieser Wirtschaftszweig allerdings große Unsicherheiten.

strategischen Erzeugnissen, die unabdingbar für die Ernährungssicherung sind (vgl. Maqtash/Hayagneh 1998: 174). 439 Vgl.

Krämer 31993: 388.

440 Vgl.

Köndgen 1999: 146. Zur Entwicklung in den wichtigsten industriellen Sektoren siehe Sullivan 1987: 138-

142. 441Allerdings

verringert sich durch den Abfluss von Devisen bei Bau und Betrieb die Wertschöpfung auf geschätzte 5% des BIP. Zudem ist der Sektor nicht sehr beschäftigungsintensiv (vgl. Köndgen 1999: 149-153).

442 Vgl.

Samawi 1998: 270f und 280. 137

Tab. 3: Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in Jordanien (in Prozent des BIP) 1982

1992

2002

Landwirtschaft

6,1

7,8

2,0

Industrie

30,3

27,1

23,4

Verarbeitende Industrie Dienstleistungen (durchschnittliches jährliches Wachstum) Landwirtschaft Industrie

13,9 63,7

14,0 65,1

73,6

1982-1992

1992-2002

10,8

-4,4

-0,7

3,1

Verarbeitende Industrie Dienstleistungen Quelle: World Bank Group 2003

14,3

1.4 0,9

4,9 4,9

Insgesamt sind die Voraussetzungen für eine ausgeglichene selbsttragende Wirtschaftsentwicklung in Jordanien äußerst ungünstig. Zu dem Mangel an natürlichen Ressourcen vor allem an Wasser, dem geringen Anteil an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, begrenztem Binnenmarkt und der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte ins Ausland kommt die strategisch ungünstige Lage des Landes in einer Krisenregion hinzu, die es zu hohen Rüstungsausgaben zwingt, durchschnittlich 20 bis 25% der Staatsausgaben. Jordanien ist hochgradig von Importen und Devisenflüssen aus dem Ausland abhängig, die ihrerseits von der politischen Lage und Stabilität in der Region abhängen.443 Die starke Abhängigkeit und Sensibilität gegenüber wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen außerhalb des Landes ist wohl die größte Schwäche der jordanischen Wirtschaft. Ohne über diese Entwicklungen Kontrolle zu haben, können externe Ereignisse ausschlaggebend für den Aufstieg und Fall der Wirtschaft des Landes sein. Seit der Staatsgründung ist das Land nicht nur von externen finanziellen Ressourcen, sondern darüber hinaus von Nahrungsmittelimporten abhängig.444

Als typisches Verhalten eines nahöstlichen Staates mit keinem oder geringem Ölvorkommen neigt Jordanien wie auch Syrien und Ägypten dazu, finanzielle Hilfe von außen zu erwarten, die es vor allem in Form von Zuschüssen, Krediten und Gastarbeiterüberweisungen enthält, von denen es angesichts einer schwach entwickelten Produktionsbasis und mangelnden Ressourcen 443

Vgl. Krämer 31993: 387.

444 Vgl.

Feiler 1994: 45ff. Der relativ hohe Lebensstandard bewirkt, dass Jordanien nach dem Human Development Index von UNDP zur Gruppe derjenigen Länder mit „medium human development“ zählt und im Jahr 1997 Platz 94 einnahm (vgl. United Nations Development Programme (UNDP) 1999: 134-137). 138

in hohem Maße abhängig ist.445 Jordanien wird auch als „Semirentier“446 oder „indirekter Rentierstaat“447 bezeichnet, da dem Staat Entwicklungshilfegelder, die meist an Auflagen gebunden sind, wie auch Migrantenüberweisungen nicht zur freien Verfügung stehen und daher als indirekte Revenuen angesehen werden. Ausmaß und Fluss dieser externen Finanzmittel hängen nicht von den produktiven Aktivitäten des Empfängerlandes ab, sondern sind auf Entscheidungen und Umweltbedingungen zurückzuführen, über die das Empfängerland wenig, wenn nicht gar keine Kontrolle hat. Jordanien weist auch die charakteristischen Ungleichgewichte eines Rentierstaats auf. Hierzu zählt seit der Gründung des Staates ein chronisches Handelsdefizit mit niedrigen Export/Importquoten.448 Dieses Handelsdefizit wurde vor allem durch Gastarbeiterüberweisungen und ausländische Hilfe ausgeglichen. In der Zeit von 1963 bis 1985 machten diese beiden Posten 45,5% des BIP aus449, bevor sie in Folge der Rezession in der Region und des zweiten Golfkriegs Anfang der 90er Jahre zurückgingen. Darüber hinaus ist Jordanien seit seiner Unabhängigkeit auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. In der Zeit von 1963 bis 1985 stieg die ausländische Hilfe um das neunzehnfache. Während die USA von 1967 bis 1972 mit 52,9% der Hilfeleistungen den größten Geber darstellten, ist nach 1972 deren Bedeutung gesunken und zwischen 1973 und 1985 waren die arabischen ölexportierenden Länder Kuwait, Lybien und Saudi Arabien mit einem Anteil von 82,4% die wichtigsten Geberländer für Jordanien. Die ausländische Unterstützung stellte in dieser Zeit die Hauptquelle zur Finanzierung des Haushaltsdefizits dar.450 Dabei unterscheidet sich beispielsweise die USamerikanische Hilfe, die an Projekte gebunden ist und in Form von Kapital, Nahrungsmitteln und technischer Hilfe gegeben wird, von der arabischen Hilfe, die ausschließlich als Kapitalhilfe „cash“ ausgezahlt wird.451

445 Vgl.

Köndgen 1999: 136.

446 Beblawi

1990: 97; vgl. auch Pawelka 1993: 106.

447 Im

Rentierstaat erfolgt die Aneignung von Ressourcen mittels extern generierten Renten (Erdöl, Transportgebühren, politische Unterstützungszahlungen etc.), denen keine entsprechende interne produktive Leistung gegenüber steht (vgl. Beblawi 1990: 88). Wenn der Staat zentraler Empfänger und Verteiler dieser externen Revenuen ist, wie im Falle der Ölrenten, handelt es sich um einen so genannten „direkten Rentierstaat“.

448 Vgl.

Chatelus 1987: 204ff.

449 Vgl.

Khatib 1991: 63.

450 Vgl.

Khatib 1991: 65.

451 Vgl.

Hammad 1987: 26. 139

Tab. 4: Jordanien: Empfangene Entwicklungshilfeleistungen 1988-2002 in Millionen US$ Jahr

Insgesamt

Davon arabische Geber

Pro Kopf

Anteil am BIP in %

1988

417

283

...

10,7

1989

273

125

...

7

1990

891

426

275

26,6

1991

668

4

260

...

1997

462

...

104

...

534 5 ... 5,8 2002 Quelle: Schiffler 1993: 38; UNDP 1999: 194; Weltbank 1992: 288 und 1999/2000: 316; OECD 2003 Von 1988 bis 1990 waren die Entwicklungshilfeleistungen starken Schwankungen ausgesetzt und erzielten einen Anteil von 7% bis knapp 27% am BIP. Im Jahr 1990 erhielt Jordanien mit 282,5 US$ pro Kopf nach Israel die höchsten Entwicklungshilfeleistungen der Welt in Höhe von 891 Millionen US$.452 Davon entfielen etwa je die Hälfte auf arabische Geberländer und auf westliche Geber. Nachdem die ausländische Hilfeleistungen in den Folgejahren leicht zurückgegangen waren, stiegen sie dann bis Anfang des neuen Millenniums wieder an und erreichten im Jahr 2002 über 530 Millionen US$ (siehe Tab. 4). Jordanien gehört weltweit immer noch zu den Spitzenreitern der Empfängerländer von Entwicklungshilfe, pro Kopf gerechnet.453

4.1.1.3 Die Folgen des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung für die Umwelt Durch das rasche Bevölkerungswachstum während der 80er und 90er Jahre und die verstärkte Konzentration der Bevölkerung in städtischen Ballungsgebieten, wurde ein erhöhter Druck auf die ohnehin sehr begrenzten natürlichen Ressourcen in Jordanien ausgeübt und die ökologischen Probleme im Land stiegen an. Besonders besorgniserregend sind die immer knapper werdenden Trinkwasserressourcen. Bereits heute kann das Angebot die Nachfrage nicht decken und die Bevölkerung in Amman leidet besonders in den Sommermonaten an der Wasserknappheit. Manuel Schiffler sieht im Bevölkerungswachstum eine der wichtigsten Ursachen für die

452 Vgl.

Weltbank 1992: 288.

453 Vgl.

Köndgen 1999: 141. 140

Wasserkrise des Landes.454 Der schnelle Anstieg der städtischen Bevölkerung zog innerhalb kurzer Zeit Probleme bei der städtischen Infrastruktur und Dienstleistungen wie Transport, Unterkünfte, Wasserbereitstellung und Gesundheitsversorgung nach sich. Unzureichende sanitäre Einrichtungen, Abfall- und Abwasserentsorgung, vor allem in dicht besiedelten Wohngegenden der ärmeren Bevölkerungsschichten führen zu Wasser- und Luftverschmutzung.455

Das Wirtschaftswachstum wurde durch die zunehmende Industrialisierung sowie die Ausweitung und Modernisierung der Landwirtschaft und den Ausbau der Bergbauaktivitäten, des Transportsektors und der Tourismusbranche vorangetrieben. Aktivitäten, die die Umwelt zusätzlich belasten. Die Folge waren steigende Mengen an industriellen Abfällen und Abwässern. In einigen Fällen haben industrielle Aktivitäten zur Verschmutzung der Wasserressourcen geführt. Insbesondere gefährliche Abfälle können von Industrieunternehmen nicht sachgerecht behandelt werden, da ihnen die Erfahrung und die Möglichkeiten zur angemessenen Entsorgung fehlen. In der Landwirtschaft führt das Streben nach Produktivitätssteigerung zu unverhältnismäßig hohem Wasserverbrauch und vermehrtem Einsatz von Schädlingsbekämpfungs- und Düngemitteln, der zur Kontamination von Böden und Wasserressourcen beiträgt. Phosphatabbau und Gewinnung von Pottasche tragen ebenfalls zum Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung bei. Der Ausbau des Transportsektors wurde durch den von städtischen Zentren weit entfernt liegenden Hafen in Aqaba (350-400 Kilometer) sowie durch die strategische Lage Jordaniens im Mittleren Osten gefördert. Der Anstieg der Transportaktivitäten geht mit einem erhöhten Energieverbrauch (siehe Tab. 5) einher, der durch steigende Emissionen die Luftqualität im Land verschlechtert und zur Verschmutzung durch Abfälle und Restöl auf Jordaniens Schnellstraßen beiträgt. Wenn auch bisher die Luftqualität in den jordanischen Städten noch relativ gut ist, kann sich dies durch die zunehmenden Transportaktivitäten und die wachsende Anzahl von Kraftfahrzeugen, bei gleichzeitig begrenzten Kapazitäten des öffentlichen Transportsystems, schnell ändern. Der Ausbau des Tourismussektors und der dazu nötigen Infrastruktur erfordert eine größere Bereitstellung von Trinkwasser und kann Sehenswürdigkeiten des kulturellen und natürlichen Erbes des Landes stark belasten, wenn keine Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Daher fordern jordanische Umweltaktivisten wie auch die UNESCO, die bereits vorhandene Infrastruktur umweltverträglich zu gestalten. Die größten Probleme des Tourismus sind die Entsorgung steigender Abfallmengen, die auch von neueren Hotels verursachte Verschmutzung von Quellen

454 Vgl.

Schiffler 1993: 14.

455 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 6. 141

und Grundwasser und der enorme Wasserverbrauch von Touristen, der deutlich über dem der Einheimischen liegt.456

Tab. 5: Mengenverteilung und Prozentanteil des elektrischen Energieverbrauchs (in Gwh) in den unterschiedlichen Sektoren in Jordanien 1993-2002

Häuslich

Industriell

Jahr

Kommerziell

Pumpen von Wasser

Straßenbeleuchtung

Andere*

Menge

%

Menge

%

Menge

%

Menge

%

Menge

%

Menge

%

Total

1993

1192

29,9

1449

36,4

425

10,7

702

17,6

94

2,4

119

3,0

3981

1994

1317

30,4

1519

35,1

476

11,0

768

17,7

114

2,6

136

3,1

4330

1995

1422

29,8

1677

35,1

524

11,0

885

18,5

119

2,5

151

3,2

4778

1996

1562

30,5

1773

34,6

578

11,3

921

18,0

128

2,5

160

3,1

5122

1997

1628

30,8

1799

34,1

603

11,4

936

17,7

141

2,7

174

3,3

5281

1998

1780

31,6

1902

33,8

677

12,0

945

16,8

148

2,6

181

3,2

5633

1999

1835

31,6

1915

33,0

720

12,4

973

16,7

161

2,8

206

3,5

5810

2000

1998

32,6

1947

31,8

819

13,4

1008

16,5

173

2,8

179

2,9

6124

2001

2110

33,0

2024

31,7

880

13,8

981

15,3

178

2,8

219

3,4

6392

2002

2266

32,8

2193

31,8

971

14,1

1440

20,9

190

2,8

236

3,4

6900

*umfasst Verbrauch in Krankenhäusern, Wohlfahrtseinrichtungen, Rundfunk- und Fernsehstationen

Quellen: Annual Report of National Electric Power Company 1999 and 2002. The Hashemite Kingdom of Jordan Department of Statistics (DOS) 2004 Im Zuge der Golfkrise und die gegen den Irak verhängten Sanktionen kam es zu einem Rückgang des Transithandels seit Anfang der 90er Jahre. Trotz des Friedensvertrags mit Israel 1994 und der kurzzeitigen Entspannung in der Region, konnte angesichts der neuen Konflikte zwischen Palästinensern und Israelis einige Jahre später der Frieden langfristig durchgesetzt werden. Vielmehr leidet die Tourismusbranche in Jordanien sehr unter der konfliktbeladenen Lage im Nahen Osten und konnte keine nachhaltige Steigerung der Touristenzahlen bewirken. Die Wirtschaftskrise hätte so angesichts der Einschränkung wirtschaftlicher Aktivitäten zwar zu einer leichten Entlastung natürlicher Ressourcen führen können. Doch der Anstieg der Bevölkerung durch palästinensische und jordanische Rückkehrer sowie irakische Flüchtlinge nach der 456 In

Petra zum Beispiel betrug der Wasserverbrauch 250 Liter pro Nacht im Vergleich zu 50 Litern Tagesverbrauch eines Einheimischen. Vgl. Köndgen 1999: 153. Allerdings gibt es in Jordanien bereits Erfolg versprechende Ansätze zu einem nachhaltigen Ökotourismus. D’Amore sieht in dem jordanischen Projekt Tayabat Za-

142

Golfkrise schien diese Entwicklungen zu kompensieren und den Druck auf die natürlichen Ressourcen noch zu verschärfen. Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Rezession konnten zudem kaum nationale Mittel zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten zur Verfügung gestellt werden und auf der politischen Agenda stieg die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung.

Der starke Rückgang externer Revenuen in Form von Überweisungen von Arbeitsmigranten und Entwicklungshilfe aus den arabischen Golfstaaten (siehe Tab. 4) ließ die Auslandsverschuldung und Abhängigkeit Jordaniens von westlichen Geberländern ansteigen. Angesichts des insbesondere im Vorfeld der zweiten internationalen Umweltkonferenz UNCED wachsenden Umweltbewusstseins in der westlichen Industrialisierung und den verstärkten Bestrebungen, Umweltaspekten in ihrer Entwicklungspolitik größere Bedeutung zu kommen zu lassen, konditionierten bi- und multilaterale Geberorganisationen nicht nur die Erlassung von Schulden („debt-fornature-swaps“), sondern auch ihre Entwicklungshilfe und forderten größere Beachtung von Umweltschutzfragen und eine regionale Zusammenarbeit im Umweltbereich. Die Integration in den Weltmarkt ist, in ökologischer Hinsicht ambivalent zu bewerten. Da die Liberalisierung des Handels auf einen freien Handel mit möglichst ohne Beschränkungen abzielt, werden Vorkehrungen zur Einhaltung von Standards zum Umweltschutz in der Regel als Hindernis angesehen. In das Freihandelsabkommen zwischen USA und Jordanien wurden aber dennoch zum ersten Mal Umweltschutz- und Arbeitsrechte nicht als separates Protokoll oder im Anhang beigefügt, sondern im Text des Abkommens festgeschrieben. Danach sind die USA und Jordanien aufgefordert, ihre Gesetzgebung zum Arbeits- und Umweltrecht aufrechtzuerhalten und entsprechende nationale und internationale Standards nicht zu senken, um den Handel zu ermutigen.457 Die Integration dieser Rechte wird als Erfolg der Arbeiter- und Umweltbewegung in den USA gewertet und sind Hauptbestandteile der Politik des Demokraten Al Gore, der damals Präsidentschaftskandidat war. Die USA wollten, dass Jordanien seine Arbeits- und Umweltgesetzgebung, wenn möglich, verbessert und umsetzt. Der Präsident des National Wildlife Federation wertete das Abkommen als „common sense course for the environment that should be extended even further in future trade deals“.458

man, dass 1994 der Konferenz „Building a Sustainable World through Tourism“ eines der besten Modelle vorgestellt worden war (vgl. D’Amore 1998: 295f). 457 Vgl.

Jordan Times 1.11.2000.

458 Jordan

Times 26.10.2000. 143

4.1.2

Umwelt- und Ressourcenprobleme

4.1.2.1 Topographie, Klima und Ressourcen Transjordanien wurde im Jahr 1923 offiziell von Großbritannien als Emirat anerkannt und erlangte am 22. März 1946 als Hashemitisches Königreich Jordanien die Unabhängigkeit. Heute erstreckt sich der Staat Jordanien über eine Fläche von 89 544 km2 und grenzt im Norden an Syrien, im Nordosten an den Irak, im Süden und Osten an Saudi-Arabien und im Westen an Israel und an die West Bank als palästinensisches Autonomiegebiet.

Abb. 2; World-Wide Web Virtual Library's History Index 2004

144

Topographisch wird das Land in drei unterschiedliche Gebiete eingeteilt459: - Die Region des Jordantals („Jordan Rift Valley“/Ghor) erstreckt sich im Westen des Landes vom See Tiberias und dem Jordan im Norden, entlang des Toten Meeres und des Wadi El Arab bis zum Golf von Aqaba im Süden. Das Tal wird durch das Tote Meer, das 400 Meter unter dem Meeresspiegel liegt, in zwei Teile geteilt. Der nördliche Teil umfasst 84,250 Hektar kultiviertes Land und wird landwirtschaftlich genutzt, während der südliche Ghor mit minimalem Niederschlag (0-50 mm im Jahr) überwiegend sandige Böden aufweist. Wichtige Wasserressourcen der Region sind vor allem das Oberflächenwasser des Jordans, aber auch des Yarmouks und des Zarqa Flusses sowie das Grundwasservorkommen im nördlichen und südlichen Wadi El Arab und des Disi Aquifers, der sich von Jordanien bis nach Saudi Arabien ausbreitet. - Die Bergregion („Mountain Heights Region“, „Highlands“) ist die zentrale Region des Landes und erstreckt sich östlich des Jordantals (Ghors und Wadi El Arab) von der syrischen Grenze im Norden über Um Qais, Irbid und gebirgige Regionen von Ajloun, Ammon, Moab und Edom im Norden bis nach Ras Al Naqab, wo es im Süden vom Wadi Musa begrenzt wird. Die südlichen Gebirgsketten sind höher als die nördlichen und erreichen zwischen 1200 und 1500 Metern. In dieser Region, die sich durch relativ mildes Wetter und winterliche Niederschläge auszeichnet, befinden sich die Wälder des Landes, die weniger als 1% der Gesamtfläche ausmachen. Hier leben 90% der jordanischen Bevölkerung. - Die Badia Region ist das hochgelegene östliche Wüstengebiet Jordaniens (500-700 m) und umfasst fast 80% des gesamten Staatsgebiets. Sie ist Ausdehnung der Arabischen Wüste und grenzt an Syrien, Irak und Saudi Arabien. Der geringe Niederschlag (jährlich 50-200 mm) und der nährstoffarme Boden führen zu einer sehr dürftigen Vegetation, die sich hauptsächlich auf die Wadis und die Oasen (z.B. Azraq-Oase) verteilt. Während Jordanien als Verbindungsland zwischen den drei Kontinenten Europa, Asien und Afrika reich an kulturellen und archäologischen Stätten ist, sind die natürlichen Ressourcen des Landes in vielen Gebieten sehr begrenzt. Die wichtigsten Rohstoffe sind Phosphatvorkommen im Nordosten und Süden des Landes, Salze, Pottasche und Bromide aus dem Toten Meer, Ölschiefer und geringe Vorkommen an Rohöl im Azraq-Becken im Norden sowie Erdgas, das in der Risha Region im Nordosten entdeckt wurde. Des Weiteren finden sich Mineralien wie Kupfer, Gips, Magnesiumerz und Tonerde. Die erneuerbaren Ressourcen, vor allem Wasser und

459 Im

folgenden vgl. hierzu die „National Environmental Strategy“ (NES) in Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 1f und den „National Environmental Action Plan“ (NEAP) in Ministry of Planning 1996: 3; General Corporation for the Environment Protection 1998: 72f. 145

Land, sind sehr begrenzt. Die Gründe hierfür liegen in den natürlichen geographischen und klimatischen Begebenheiten wie geringem Niederschlag, geringes Vorkommen an Oberflächenwasser und Mangel an fruchtbaren Böden. Der steigende Druck auf die natürliche Ressourcenbasis hat sozioökonomische Ursachen. Im letzten Jahrzehnt verschlechterte sich die ökologische Lage, da das rapide Bevölkerungswachstum und die rasche wirtschaftliche Entwicklung des Landes durch die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung den Druck auf die knappen natürlichen Ressourcen verstärkten.460 Die im Laufe der Zeit entstandenen Umweltprobleme lassen sich in folgende Kategorien einteilen: –

Wasserressourcen: Erschöpfung und Verschmutzung



Landressourcen: Degradierung und Kontamination



Küstengebiet und Meer: Degradierung und Meeresverschmutzung



Städtische Umwelt: Luftverschmutzung, Abfall, urbane Flächenausbreitung



Artenvielfalt: Rückgang, Bedrohung der Habitate (Lebensräume)



Kulturelles Erbe: Degradierung.461

4.1.2.2 Bedrohung der Landressourcen Jordanien ist ein überwiegend arides und semi-arides Land, in dem 90% des kultivierten Landes weniger als 200 mm Niederschlag jährlich empfängt. Dies wirkt sich auf die Bodenqualität, die Vegetation und die Bewirtschaftung des Landes aus, das vorwiegend als Viehzuchtgebiet und Weideland genutzt wird. Da die intensive landwirtschaftliche Nutzung, teils unterstützt durch Bewässerung, sich auf 10% des kultivierbaren Landes beschränkt, ist die Konkurrenz zwischen einzelnen Nutzergruppen entsprechend groß und das Land durch die intensive Bewirtschaftung einer zunehmenden Degradierung und Kontamination ausgesetzt. Die Folge sind ökologische Probleme, die die derzeitigen und die potenziell vorhandenen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen bedrohen. Dies wiederum wird sich langfristig auch auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes negativ auswirken.462

460 Ministry

of Planning 1996: 1-3.

461Diese

Einteilung der Umweltproblembereiche erfolgte in Anlehnung an: Ahmad 1989: 9ff; Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 5ff; Ministry of Planning 1996: 13ff. Bei Abdullah A. Ahmad und im NES werden darüber hinaus noch andere Bereiche zusätzlich berücksichtigt, beispielsweise die mineralischen und Energie-Ressourcen und die „Environmental Health“, die aber hier weniger als Umweltprobleme, sondern als Ursachen bzw. Folgen der Umweltbelastung angesehen werden.

462 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 18. 146

Der Verlust und die Verschlechterung der Bodenqualität weist unterschiedliche Erscheinungsformen auf. Bodenerosion und Desertifikation bedrohen landwirtschaftlich nutzbare Flächen und sind auf unangepasste Nutzung, Überweidung und Entwaldung zurückzuführen.463 Die staatliche Subventionierung des Getreide- und Gemüseanbau führen dazu, dass Landwirte in erosionsgefährdeten Gebieten einen einseitigen Anbau von Getreide und Gemüse betreiben, anstatt beispielsweise durch die Anpflanzung von immerwährenden Obst- und Olivenbäumen oder Weintrauben bodenerhaltende Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere in der Badia trug der Anbau von Gerste auf dafür ungeeignetem Boden zur Versteppung am westlichen Rand der Wüste bei.464 Waldgebiete und Vegetationsdecke sind in den letzten hundert Jahren stark dezimiert worden. Dieser Trend hält auch heute noch an. Nicht nur aufgrund natürlicher Schädigungen wie Insekten- und Krankheitsbefall, Dürren, Wind, Schnee und Feuer, sondern auch angesichts menschlicher Eingriffe in die Natur wie Holzfällarbeiten, Luftverschmutzung durch Emissionen aus Fabriken und Fahrzeugen und die Staubentwicklung durch Bergbauaktivitäten465, die negative Auswirkungen auf Wälder und Vegetation haben. Auf der anderen Seite schreiten Aufforstungsarbeiten zur Regenerierung der Waldgebiete nur langsam voran, da die finanziellen Mittel begrenzt sind. Ein weiteres Problem stellt die abnehmende Quantität und Qualität der Weidegebiete dar. Die Überweidung wurde durch neue Praktiken in der Viehzucht (z.B. Weideperioden werden durch Bewässerung künstlich verlängert) und den signifikanten Anstieg des Viehbestands in den 80er Jahren hervorgerufen. Da Weideland in der Regel in staatlichem Besitz ist und von jedem genutzt werden kann, führt die freie Nutzung durch viele Viehbesitzer zur Überbeanspruchung der Landressourcen. Auch die nicht nachhaltige Umwandlung von Weidegebieten in landwirtschaftliche Nutzflächen trägt zur Verschlechterung der Situation bei.466 Nicht zuletzt führt die unkontrollierte Expansion städtischer Bebauung und Flächenversiegelung vor allem im Raum der Hauptstadt Amman zum Verlust landwirtschaftlich nutzbarer und fruchtbarer Flächen.467

Zur Degradierung der Landressourcen trägt auch die Verschmutzung landwirtschaftlicher Nutzflächen bei, die sich gerade in der letzten Zeit verschärft hat. Die Kontamination von Landressourcen wird durch die unangemessene Entsorgung von festen und flüssigen Abfällen verur-

463 Vgl.

Ahmad 1989: 45.

464 Vgl.

Ministry of Planning1996: 19.

465 Darüber

hinaus kann die Ausbeutung von Ressourcen durch Bergbauaktivitäten zum Verlust von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen führen (vgl. Ministry of Planning 1996: 20).

466 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 19f.

467 Vgl.

Ahmad 1989: 44f; Ministry of Planning 1996: 20. 147

sacht. Insbesondere mangelnde Kenntnisse über die sachgerechte Lagerung von industriellen und gefährlichen Abfällen führen nicht nur zur Kontamination der Böden, sondern auch des Grund- und Oberflächenwassers. So kommt es wie im Fall des King Talal Reservoirs immer häufiger zur Vermischung von frischem Wasser, das für die Bewässerung vorgesehen ist, mit Abwässern der nahe gelegenen überlasteten Kläranlage Khirbet Al-Samra, die über den ZarqaFluss zum Reservoir gelangen.468 Durch den Einsatz von Grundwasser mit erhöhtem Salzgehalt und kontaminiertem Oberflächenwasser hat sich die Qualität des zur Bewässerung genutzten Wassers verschlechtert. Der steigende Salzgehalt der zur Bewässerung verwendeten Wasserressourcen führte zur Versalzung der Böden und stellt damit ein gravierendes Problem dar, das bisher angesichts fehlender finanzieller und technischer Mittel nur marginal bekämpft werden kann.469 Feste Abfälle werden in ländlichen Gebieten oft nicht angemessen entsorgt. So stellen vor allem Plastiktüten, die in der Landwirtschaft eingesetzt oder als Verpackungsmaterial verwendet werden und vom Wind weggeweht oder nicht sachgemäß entsorgt werden, eine Verschmutzungsquelle dar. Darüber hinaus tragen landwirtschaftliche Aktivitäten selbst zur Umweltbelastung bei. Während der letzten zwei Jahrzehnte wurden Agro-Chemikalien in Form von Düngemitteln, Pestiziden, Insektiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft in Jordanien zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt, ohne deren Auswirkungen auf die Umwelt systematisch zu beobachten und zu kontrollieren. So stieg die Nutzung von Pestiziden 1978 um 16% an und verachtfachte sich im Zeitraum von 1985 bis 1990. Insbesondere im Jordantal führte der überzogene Einsatz von Pestiziden zur Kontamination von Feldern, Böden und Flussläufen.470

4.1.2.3 Bedrohung der Wasserressourcen Die Wasserressourcen in Jordanien sind angesichts des semi-ariden Klimas mit geringen Niederschlagsmengen und hoher Verdunstungsrate stark begrenzt. Die Niederschlagsmengen fallen je nach Lage unterschiedlich aus. Sie belaufen sich zwischen rund 600 mm Niederschlag pro Jahr im Nordwesten des Landes und weniger als 50 mm Niederschlag jährlich in den östlichen und südöstlichen Wüstengebiete, die 91% der Gesamtfläche Jordaniens ausmachen. Bis zu 85% der Niederschläge verdunsten direkt und der Rest fließt in Flüsse und Wadis oder wird als Grundwasser gespeichert. In vielen Teilen des Landes und insbesondere im Osten und im Süden über468 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 11.

469 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 21.

470 Leider

gibt es keine exakten Daten über die Auswirkung dieser Agro-Chemikalien auf die Tier- und Pflanzenwelt in Jordanien. Im Jordantal durchgeführte Studien zeigen allerdings hohe Konzentrationen von DDT und Rückstände von Pestiziden in Fischen, die im Jordan leben. Vgl. hierzu General Corporation for the Environment Protection 1998: 174-176. 148

steigt die potenzielle Verdunstungsrate sogar mehrfach die Niederschlagsrate.471 Die Wasserversorgung des Landes erfolgt aus Oberflächenwasser, das sich als ständiges Wasser und Flutwasser auf insgesamt 15 Wasserbecken472 verteilt, und das zu 40% mit Wasser aus dem Yarmouk473, aus dem Jordan und dem Zarqa Fluss sowie aus den größeren und kleineren Wadis (Karak, Mujib, Hasa, El Arab u.a.) gedeckt wird.474 Insgesamt stehen langfristig potenziell jährlich 662 Millionen Kubikmeter zur Verfügung, von denen aber nur schätzungsweise 555 Millionen Kubikmeter wirtschaftlich genutzt werden können.475 In vielen Gebieten des Landes ist allerdings das Grundwasservorkommen die Hauptversorgungsquelle, in einigen Gebieten sogar die Einzige. Der Grundwasservorrat ist auf 12 Becken begrenzt476, davon sind 10 erneuerbar (z.B. Yarmouk, Amman/Zarqa, Wadi Al-Arab). Aus denen bei nachhaltiger Nutzung 275 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr entnommen werden können477, und zwei Becken enthalten fossile, nichterneuerbare Wasserressourcen (z.B. Disi Sandstein Aquifer in der Mudawwara Region im Süden Jordaniens), aus ihnen werden jährlich ca. 80 Millionen Kubikmeter vor allem für die Landwirtschaft entnommen.478 Darüber hinaus wird behandeltes Abwasser für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft verwendet. Im Jahr 1993 hatte Jordanien insgesamt 35 Millionen Kubikmeter behandeltes Abwasser, vor allem aus der Kläranlage Khirbet Al-Samra, wieder verwendet.479

Im globalen Vergleich wird in einem Land die Wasserknappheit festgestellt, wenn weniger als 1000 Kubikmeter von erneuerbarem frischen Wasser pro Kopf im Jahr zur Verfügung stehen. Jordanien hingegen konnte bereits 1955 bei einer viel kleineren Bevölkerungszahl als heute nur 905 Kubikmeter pro Person bereitstellen. Vierzig Jahre später 1995 standen dann nur noch 200 Kubikmeter pro Kopf der Bevölkerung zur Verfügung.480 Damit überschritt Mitte der 90er Jahre der Bedarf an Trinkwasser und Wasser für den landwirtschaftlichen und industriellen Gebrauch deutlich

471 Vgl.

eine

nachhaltige

Wasserversorgung garantieren

würden.

gehören z.B. Amman-Zarka, Azraq, Yarmouk, Jordan River Valley (vgl. Bilbeisi 1992: 9f).

Salameh 1992: 113.

474 Näheres 475 Vgl.

Grenzen, die

Salameh 1992: 113; siehe hierzu ausführlich Salameh/Bannayan 1993: 5-7.

472 Hierzu 473 Vgl.

die

zum Oberflächenwasservorkommen in Jordanien siehe Salameh/Bannayan 1993: 11-39.

Ministry of Planning 1996: 14.

476 Im

National Water Master Plan von 1977 sind es 13 Becken, da das Jafer Becken nochmals unterteilt wird in Jafer und Disi-Mudawwara (vgl. Salameh/Bannayan 1993: 45).

477 Vgl.

Bilbeisi 1992: 12.

478 Vgl.

Salameh 1992: 114.

479 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 14.

480 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 13. 149

Abdullah Ahmad prognostiziert, dass sich dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in Zukunft noch verschärfen wird: „Water is considered one of the most valuable resources in Jordan. As population in Jordan continues to grow and industrial and agricultural developments are moving at a high rate, demand will exceed availability of water in the near future. This phenomenon, coupled with the insufficient use of the available water resources has produced a situation where sources of water are being utilized regardless of the cost and negative environmental impact of such utilization.“481 Die knappen Wasserressourcen und der Trend hin zu einem steigenden Bedarf in allen Wirtschaftssektoren führen zur verschärften Konkurrenz zwischen den einzelnen Nutzergruppen (Haushalte, Landwirtschaft, Industrie) in Jordanien und zu einem steigenden Wasserdefizit (siehe Tab. 6). Während 1991 und 1992 beanspruchte die Landwirtschaft 74% des verfügbaren Wassers, obwohl sie nur in bescheidenem Maße zur Wirtschaftsleistung des Landes beitrug. Die Haushalte hingegen verbrauchten 21% und der industrielle Sektor schätzungsweise 5% des verfügbaren Wassers.482 In den Folgejahren änderte sich an diesen Verhältnissen kaum etwas.

Tab. 6: Entwicklung des Wasserdefizits in Jordanien (in Millionen Kubikmeter) Potenzieller Potenzieller Potenzieller Gesamter Jahr Bedarf der Bedarf der Bedarf der WasserHaushalte Industrie Landwirtbedarf schaft 200 624 824 1985 242 721 963 1989

Verfügbare erneuerbare Wasserressourcen 746

(Erwarteter) Wasserverbrauch

Wasserdefizit

779

33

782

875

93

1993

292

42

900

1234

725

983

251

1994 1995

299

42

900

1241

725

940

301

310

50

950

1310

800

1000

310

2000

354

78

1088

1520

1025*

**

**

2005

416

96

1088

1600

1150

**

**

2010

474

119

1088

1681

1200

**

**

* Vorausgesetzt, Jordanien kann die im Friedensvertrag mit Israel vereinbarte zugeteilte Menge nutzen. ** Der Konsum an Wasser und folglich das Defizit hängt im hohen Maße vom Ausmaß der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Verbrauch im landwirtschaftlichen Sektor ab.

Quellen: Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 40f und Ministry of Planning, 1996: 16.

481 Ahmad

1989: 9.

482 Es

ist sehr schwierig, eine exakte Zahl für den Industriesektor zu ermitteln, da in die Statistik nur diejenigen Unternehmen eingehen, die ihr Wasser aus privaten Brunnen und vom öffentlichen Wassernetz beziehen, und der Verbrauch von kleinen Unternehmen nicht erfasst wird (vgl. Schiffler et al. 1994: 4f). 150

Eine Konkurrenz um knappe Wasserressourcen besteht nicht nur national, sondern im verstärkten Maße auch auf internationaler Ebene, da Jordanien einige Versorgungsquellen mit den angrenzenden Staaten teilen muss. Das Wasser des Jordans teilt Jordanien mit Israel, Libanon und Syrien, jenes des Yarmouks mit Syrien, die Grundwasservorkommen im Norden des Landes (Azraq-, Yarmouk und Amman-Zarqa-Becken) ebenfalls mit Syrien und jene im Süden (Disi Aquifer) mit Saudi-Arabien.483 Insbesondere im Jordan-Becken drohen angesichts hoher Bevölkerungsdichte, unzureichender finanzieller Mittel, schwachem Management, angespannter politischer Lage und ungleicher Machtverteilung zugunsten Israels zwischenstaatliche Verteilungskonflikte zwischen den einzelnen Anrainerstaaten.484 Im Fall des Disi-Aquifers führen die begrenzten technischen und finanziellen Möglichkeiten auf jordanischer Seite dazu, dass Jordanien seinen Anteil nicht maximal nutzen kann.485

Der Druck auf die knappen Trinkwasserressourcen wird durch die demografische Entwicklung des Landes mit einer hohen natürlichen Bevölkerungszuwachsrate, Zuwanderung (Flüchtlinge und Rückkehrer)486 und zunehmender Konzentration der Bevölkerung in Städten mit steigendem Lebensstandard verschärft. Darüber hinaus werden die prosperierenden Aktivitäten der Wirtschaft, vor allem der chemischen Industrie am Toten Meer, Ölschieferabbau und -verarbeitung487 und die Ausbreitung der Bewässerungslandwirtschaft den Bedarf an Wasser künftig weiterhin ansteigen lassen.488 Wasserknappheit und steigender Bedarf führen dazu, dass erneuerbare Grundwasserressourcen maximal, in einigen Gebieten Jordaniens bereits über ihre Erneuerbarkeit hinaus genutzt werden. Durch die Übernutzung der erneuerbaren Grundwasserreserven, sinkt der Grundwasserspiegel, so dass Aquifere versalzen und Feuchtgebiete wie z.B. die Azraq-Oase austrocknen.489 Die Tatsache, dass die Preise für Wasser nicht die Knappheit und

483 Vgl.

Bilbeisi 1992: 9.

484 Siehe 485 Vgl.

zur Problematik Wasserknappheit, Wassermanagement und regionale Konflikte Naff 1992: 107-112.

Ministry of Planning 1996: 15.

486 Nach

dem Golfkrieg kamen im Jahr 1991 ungefähr 300 000 jordanische und palästinensische Rückkehrer aus den Golfstaaten nach Jordanien zurück, das zusätzlich noch ca. 100 000 irakische Flüchtlinge aufnahm, so dass die Bevölkerung innerhalb weniger Monate um 13% anstieg (vgl. Salameh 1992: 102).

487 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 30; Salameh/Bannayan 1993: 105f.

488 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 30; Salameh/Bannayan 1993: 169: Aber die Nutzung hängt von der Verfügbarkeit des Wassers ab, d.h. wenn keine neuen Wasserressourcen erschlossen werden, wird die Menge des genutzten Wassers zurückgehen, da das Wasser, das bisher genutzt wird, von nicht erneuerbaren Grundwasserressourcen kommt (vgl. Salameh/Bannayan 1993: 106).

489 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 27 und Bilbeisi 1992: 12. Im Jahr 1989 wurde durch die Übernutzung von Grundwasserressourcen ein jährliches Defizit von 95 Millionen Kubikmetern festgestellt (vgl. Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 40, Tabellen 1 und 2). 151

die tatsächlichen Kosten des Gutes widerspiegeln, trägt in bedeutsamem Maße zur Erschöpfung der Wasserressourcen bei.490 Ein weiteres Problem stellt die ineffiziente Nutzung des Wassers sowohl auf der Seite der Anbieter als auch der Verbraucher dar. Verluste auf der Seite der Verbraucher treten durch Lecks in Wassertanks der Haushalte und durch die Verschwendung von Wasser beispielsweise beim Waschen von Autos mit dem Wasserschlauch auf.491 Auf der Seite der Anbieter kommt es zu großen Wasserverlusten vor allem durch verrostete, undichte und defekte städtische Wasserleitungen, aber auch durch funktionsunfähige Wasseruhren, Probleme beim Ablesen von Wasseruhren und Fehler in Wasserrechnungen, die schätzungsweise 30% des bereitgestellten Wassers ausmachen.492 Zu ähnlichen Verlusten kommt es in der Landwirtschaft durch ineffiziente Bewässerungskanäle (King Talal Damm) und in weiteren Verteilungssystemen. Nach unterschiedlichen Schätzungen betragen die so verursachten Verluste zwischen 25% und 45% des bereitgestellten Wassers.493 Darüber hinaus stellt die illegale Entnahme durch das Abzapfen von Wasser aus Wasserleitungen ein Problem dar.494

Das Problem der begrenzten Verfügbarkeit der Wasserressourcen wird durch die Übernutzung der Grundwasserressourcen, drohende Erschöpfung und die Qualitätsminderung durch Verschmutzung von Grund- und Oberflächenwasser verschärft.495 Die abnehmende Qualität sowohl des Oberflächen- als auch des Grundwassers ist daher ein weiteres Problem, das die Knappheit der verwendbaren Wasserressourcen noch steigert. Allerdings muss man zwischen der natürlichen Wasserqualität und ihrer Beeinflussung durch natürliche Bedingungen und der Beeinträchtigung der Wasserqualität durch Urbanisierung, Industrialisierung, landwirtschaftliche und andere menschliche Aktivitäten unterscheiden.496 Die natürliche Qualität der Wasserressourcen in Jordanien ist recht unterschiedlich. Das Flutwasser ist generell für den häuslichen und industriellen Gebrauch geeignet, evtl. ist das Herausfiltern von Schlammpartikeln und eine Chlorbehandlung als Vorsichtsmaßnahme nötig. Hingegen sind die erneuerbaren Wasserressourcen im Hochland für alle Zwecke unbedenklich verwendbar. Das Grundwasser in Jordanien aus den mittleren und tiefen Schichten der Aquifere ist nach Chlorbehandlung in allen Bereichen einsetzbar, außer wenn es in Kontakt mit salzhaltigen Depots im Jordantal steht. Nicht oder nur nach einer ent-

490 Siehe

zur Problematik der Bepreisung von Wasser Salameh/Bannayan 1993: 155-163.

491Vgl.

Ahmad 1989: 35.

492 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 102.

493 Vgl.

Salameh 1992: 116; Schiffler 1993: 20; Ministry of Planning 1996: 16.

494 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 172.

495 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 14.

496Vgl.

Salameh 1996:53. 152

sprechenden Behandlung inklusiver Entsalzung ist das Grundwasser mit hoher Salzkonzentration aus tiefen oder langsam wieder auffüllbaren Aquiferen im Nordosten Jordaniens (Sirhan, Hamad und Azraq-Becken) verwendbar.497

Tab. 7: Beispiele für Wasserverschmutzung durch Abwassereinleitung aus Senkgruben und Abwassersystemen in Aquifere in Jordanien Brunnen oder Quelle Jahr

Amman Ras-ElAin Quelle 1966 1995

Baqa’a El-Shami Ibr. 1981 1995

Irbid Nuaymeh Mun. Brunnen 1975 1995

Zerka Munici Brunnen 1995

EC µs/cm

520

920

600

740

590

630

1780

Ca meq/l

3,71

5,95

3,4

4,0

3,2

3,5

5,2

Mg meq/l

1,15

1,45

1,9

2,13

1,9

2,0

1,25

Na meq/l

0,3

2,09

1,13

1,12

0,91

0,91

8,70

K meq/l

0,06

0,12

0,1

0,19

0,04

0,06

0,12

Cl meq/l

0,67

2,54

1,16

1,30

0,89

1,19

9,83

SO4 meq/l

0,75

0,52

0,71

0,65

0,14

0,18

3,02

HCO3 meq/l

4,22

5,4

4,42

4,20

4,57

4,57

5,02

30

72

13

78

20

48

67

NO3 mg/l

Quelle: Salameh 1996: 70.

Die zunehmende Verunreinigung des Grund- und Oberflächenwassers in Jordanien (siehe Tab. 7) geht von häuslichen Abwässern, industriellen Abwässern, Sickerwasser von Mülldeponien sowie von der Landwirtschaft aus. Da die Abwässer Organismen und höhere Konzentrationen an Nitraten, Phosphaten und Salzen als Trinkwasser aufweisen, tragen sie bei unzureichender Behandlung zur Verschmutzung der örtlichen Oberflächen- und Grundwasserressourcen bei.498 Viele Städte, Dörfer und Siedlungen in Jordanien sind nicht an Abwassersysteme angebunden, aber auch in Städten mit Kanalisierung werden noch Jauchegruben zur Abwasserentsorgung genutzt bevor sie zur Behandlung Kläranlagen zugeführt werden. Diese sind entweder von Design und Konstruktion her durchlässig, so dass das unbehandelte Abwasser ins Grundwasser gelangt, oder werden während der Flutzeiten in Wadis entleert mit negativen Folgen für die Wasserqualität zum Beispiel am King Talal Damm oder im Wadi El Arab.499 Die erste Kläranlage entstand bereits 1945 in Salt, doch erst seit Mitte der 80er Jahre wurden dann die restlichen der insgesamt 14 Kläranlagen, die heute noch in Betrieb sind, in 19 Städten des Landes ge-

497Vgl.

Salameh 1996: 62-64.

498Vgl.

Salameh 1996: 67.

499 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 121. 153

baut.500 Dies reduzierte nicht nur die Kontamination von Oberflächen- und Grundwasser, sondern das behandelte Abwasser wird darüber hinaus zu Bewässerungszwecken in der Landwirtschaft wieder verwendet. Dennoch kamen mit den Kläranlagen bald andere Probleme auf. In mehreren Anlagen enthielt das Wasser auch nach der Klärung noch eine hohe Konzentration an Schmutzpartikeln und die Behandlung bei kaltem oder heißen Wetter blieb unvollständig.501 Besonders die biologische und hydraulische Überlastung durch zu große Mengen an Abwasser führte bald zur Ineffizienz einzelner Kläranlagen. Die schlechte Qualität der Abwässer in den Anlagen von Khirbet Al-Samra, Mafraq, Ramtha, Baqa’a, Madaba und Ma’an sorgen nicht nur für einen unangenehmen Geruch, sondern verschmutzen Oberflächen- und Grundwasser in diesen Gebieten und bieten Insekten ideale Brutplätze.502 Die Zunahme der organisch und chemisch bedingten Verunreinigung der Gewässer ist Indikator dafür, dass die Maßnahmen zur Begrenzung industrieller Verschmutzung nicht effektiv genug sind. Im Jahr 1991 konnte durch die drastische umweltpolitische Maßnahme, Industriebetriebe in der Region Amman-Zarqa, deren Abwässer deutlich die Grenzwerte überschritten, vorübergehend zu schließen, ein deutliches Absinken der Gewässerbelastung durch organische Substanzen erreicht werden.503 Neben den Abwässern stellt die Beseitigung und Lagerung von festen Abfällen, die meist ohne weitere Behandlung und angemessene Vorsorgemaßnahmen auf Müllhalden und Deponien erfolgt, ein Problem dar. In den meisten Deponien des Landes ist kein Drainagesystem zur Sammlung von Sickerwasser vorgesehen, und so gefährden die versickernden Schadstoffe Oberflächen- und Grundwasserressourcen. Lediglich in der neuen Deponie für Groß-Amman in der stillgelegten Phosphatmine Russeifa ist ein Drainagesystem zur Sammlung von Sickerwasser vorgesehen.504

In den letzten zwei Jahrzehnten konzentrierte sich die wirtschaftliche Entwicklung Jordaniens auf die Industrialisierung, in die sowohl der staatliche als auch der private Sektor eingebunden war. Während die kleineren und mittleren Industrieunternehmen sich in erster Linie in der Region Amman-Zarqa ansiedelten, wurden große Industrieanlagen zur Phosphat- und Pottaschegewinnung in die Abbaugebiete, aber auch nach Aqaba ausgelagert. Diese neuen Industrieanlagen produzierten steigende Mengen Abwasser, das zunächst unbehandelt in die Umwelt entsorgt wurde und Wasserressourcen belastete, bis in den frühen 80er Jahren die Regierung anordnete,

500 Vgl.

Ahmad 1989: 18f.

501 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 120.

502 Vgl.

Salameh 1996: 106. Hinzukommt, dass in Jordanien Lösungsmittel eingesetzt werden, die aggressiv und giftig sind und die Effizienz der Anlagen reduzieren und auch negativen Einfluss auf die Umwelt haben. Vgl. Ahmad 1989: 27.

503 Vgl.

Al-Tarzy 1992: 173.

504 Vgl.

Hijazin 1991: 100; vgl. hierzu auch Salameh/Bannayan 1993: 127; Salameh 1996: 106-108. 154

dass jedem Industrieunternehmen eine Kläranlage angegliedert sein muss. Mangelnde Erfahrung und der Zeitdruck, die staatliche Vorschrift zu erfüllen, führten dazu, dass viele der installierten Kläranlagen ineffizient und unzureichend arbeiteten und/oder nicht auf die Behandlung der spezifischen Bestandteile der produzierten Abwässer ausgerichtet waren. Viele Industrieunternehmen fanden zudem bald Wege, die Vorschriften der Regierung zu umgehen, um Kosten einzusparen. Dennoch anerkannten viele Unternehmen mit der Zeit die Notwendigkeit der Abwasserbehandlung, bauten ihre Kläranlagen zur effektiveren Behandlung der Abwässer aus und verbesserten die Behandlungsmethoden.505 Heute besitzt die Mehrzahl der Industrien in Jordanien (über 90%) Kläranlagen. Einige von ihnen behandeln Abwasser so, dass die Abwässer die geforderten Umweltqualitätsstandards erfüllen, viele hingegen tun dies nicht. Ungefähr 44% der Industrieunternehmen leiten ihre vorbehandelten Abwässer zu den Kläranlagen, die für Haushaltsabwässer bestimmt sind, andere haben hierfür angesichts der Zusammensetzung ihrer Abwässer keine Erlaubnis und entsorgen sie in nahe gelegenen Wadis, nutzen sie für Bewässerungszwecke oder bringen sie zu speziellen Sammelbecken, wo sie im Boden versickern oder verdunsten. Das Hauptproblem in Jordanien ist die hohe Salzkonzentration der industriellen Abwässer, aber auch die Rückstände an organischen Stoffen und Spurenelementen tragen zur Verschmutzung der Wasserressourcen bei und verstärken den Prozess der Eutrophierung.506

Die Übernutzung der Grundwasserressourcen in vielen Teilen Jordaniens (Jafer, Azraq, Dhuleil, Shoubak, Agib, Qastal, Qatranah, Wadi El Arab, nördliche Badia, Amman-Zarqa und Disi) führte zum Absinken des Grundwasserspiegels und zur Versalzung der Wasserquellen durch das Vermischen von frischem Wasser mit tiefer liegendem Wasser mit höherem Salzgehalt.507 In einigen Gebieten Jordaniens (Azraq, Shoubak, Disi und Jordantal) hatte die kontinuierliche und großflächige Bewässerung von Land und die hohe Verdunstungsrate nicht nur die Verschlechterung der Bodenqualität, sondern auch der darunter liegenden Grundwasservorkommen zur Folge, da die hohen Salzkonzentrationen in den Rückflüssen sich in Böden und Wasser ablagerten.508 Daher weisen heute auch Oberflächenwasser wie beispielsweise der Jordan einen hohen

505 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 122f.

506 Zur

Problematik der industriellen Abwässer siehe Salameh 1996: 108-119. Zum Begriff der Eutrophierung: Unter Eutrophierung versteht man die Steigerung der pflanzlichen Produktion durch Nährstoffzunahme in stehenden oder langsam fließenden Gewässern, besonders durch Phosphor- und Stickstoffverbindungen, z.B. beim Einleiten von Abwässern und Abschwemmung von Düngemitteln. Eutrophierung führt zur starken Algenentwicklung, zu fortschreitendem Uferbewuchs, vermehrter Bodenschlammbildung bis zur Verlandung der Gewässer.

507 Zum

Problem der Übernutzung und Versalzung des Grundwassers in verschiedenen Gebieten Jordaniens siehe Salameh 1996: 122-147.

508 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 123-126. 155

Salzgehalt auf.509 Ein weiteres Problem entsteht durch den steigenden Verbrauch an Mineraldünger und den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln (Bioziden) in der Landwirtschaft. Rückstände von Mineraldünger, Pestiziden und sogar von DDT gelangen von den Feldern über Wasserläufe und durch den Wind in Oberflächengewässer, versickern ins Grundwasser und sammeln sich dort an. Da die meisten Biozide nur sehr langsam abgebaut werden können, wird die Qualität von tiefergelegenem Quellwasser und Trinkwasser beeinträchtigt.510 In den letzten Jahren wurden bei der chemischen und physikalischen Analyse von Trinkwasserproben die Überschreitung der in Jordanien erlaubten Grenzwerte festgestellt (siehe Tab.8).

Tab. 8: Ergebnisse der chemischen und physikalischen Analyse des Trinkwassers in Jordanien 1998-2002 PhWert

Gesamt gelöste Feststoffe mg/l

Cl mg/l

NO3 mg/l

Na mg/l

NH4 Fe mg/l mg/l

1,0

8,5-6,5

500

200

50

200

0,4

0,3

Anzahl der getesteten Quellen

241

240

238

239

239

63

63

65

Anzahl der getesteten Proben

387

415

389

395

439

70

70

75

Proben oberhalb des erlaubten Grenzwertes in %

21,5

1,0

59,3

15,4

7,5

0

20

10,7

Anzahl der getesteten Quellen

381

381

382

381

326

380

382

375

Anzahl der getesteten Proben

788

725

771

723

449

723

787

722

1,25

55,38

1,79

7,62 6,51

Trübheit mg/l Erlaubter Grenzwert (Jordan. Standard)

Jahr

1998

2000

Proben oberhalb des erlaub28,81 ten Grenzwertes in % 2002

12,72 12,03

Anzahl der getesteten Quellen

335

334

334

332

332

332

332

332

Anzahl der getesteten Proben

528

508

546

494

496

482

473

472

Proben oberhalb des erlaubten Grenzwertes in %

41,5

0,2

54,7

13,5

7,3

3,1

0

4,5

Quelle: MOH: Environmental Health. The Hashemite Kingdom of Jordan Department of Statistics (DOS) 2004 509 Vgl.

Udluft/El-Naser 1992: 37.

510 Stichproben

haben ergeben, dass die Konzentration von Chlorkohlenwasserstoffe an verschiedenen Orten die Grenzwerte der Europäischen Union für Trinkwasser weit überschreiten. Vgl. Al-Shuraiki 1991: 111ff. 156

Aufgrund der festgestellten Verunreinigung der Wasserressourcen in Jordanien wurden Gegenmaßnahmen vor allem durch den Bau von Kläranlagen ergriffen. Dennoch konnte Kontamination von Grund- und Oberflächenwasser nicht unterbunden werden, da die Behandlung vor allem von häuslichen, aber auch von industriellen Abwässern durch ineffiziente Kläranlagen oft unzureichend ist. Auch für die Verschmutzungsprobleme durch Mülldeponien und die Versalzung von Grundwasser durch Übernutzung wurden noch keine Lösungen gefunden.511

4.1.2.4 Bedrohung der Küstengebiete und Meeresressourcen Jordaniens einzige Küstengebiete liegen am Toten Meer und am Golf von Aqaba. Das Tote Meer ist das größte Oberflächengewässer im Land und gleichzeitig der salzhaltigste natürliche See und der tiefste Punkt der Erde. Aufgrund der klimatisch bedingten hohen Verdunstungsrate sowie des Rückgangs der Wasserzufuhr durch die Wasserentnahme aus dem Jordan für die Landwirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten sinkt der Wasserspiegel des Sees kontinuierlich seit Mitte der 90er Jahre um 80 cm jährlich. Darüber hinaus wird das Tote Meer als Senke für Rückstände der Entsalzungsanlagen und industriellen Aktivitäten missbraucht. Negative Folgen für das fragile Ökosystem des Sees und der Oasen in direkter Nachbarschaft blieben nicht aus.512

Der Hafen von Aqaba ist Jordaniens wichtigster Zugang zu internationalen Gewässern. Die jordanische Küste erstreckt sich auf 27 km nordöstlich entlang des Golfs von Aqaba. Das einzigartige Ökosystem der Meeresumwelt des Golfs von Aqaba enthält rund 1000 Fischarten und ungefähr 250 unterschiedliche Korallenarten und wirbellose Tiere. Die Meeresressourcen sind von großem ökonomischen Nutzen für den Tourismus.513 Bis in die 60er Jahre blieb der Golf von Aqaba weitgehend unberührt von jeglicher Entwicklung und das Küstengebiet wurde nur spärlich von ein paar Beduinen bevölkert. Doch seither und insbesondere seit den 80er Jahren ließen sich an der Südküste Jordaniens wichtige Industrieansiedlungen zur Düngemittelherstellung und für die Verarbeitung von Chemikalien, Ölen und Lebensmitteln sowie ein Kraftwerk zur Elektrizitätsgewinnung nieder. Darüber hinaus wurden die Lagerungskapazitäten und die Verladungsaktivitäten vor allem von Phosphat, Pottasche, Zement, Düngemitteln, Öl und Chemikalien aus-

511 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 133f; Salameh 1996: 167f.

512 Vgl.

hierzu Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 92f; Ministry of Planning 1996: 22; Köndgen 1999: 16. Auf die ökologischen Probleme des Toten Meers im einzelnen soll und kann hier nicht näher eingegangen werden, da es noch zu wenige Studien und Untersuchungen zu dieser Problematik gibt.

513 Vgl.

Jordan Country Study on Biological Diversity 1998: 79f. 157

geweitet und der Schiffsverkehr im Hafen von Aqaba nahm deutlich zu.514 Die Zahl der Touristen ist seit Mitte der 80er Jahre ebenfalls deutlich angestiegen. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung ging der Ausbau der Infrastruktur in Form von Hotel- und Straßenbau einher, der Lastwagenverkehr und die Menge an transportierten Gütern nahmen erheblich zu und auch das touristische Angebot an Restaurants, Clubs und Wassersportmöglichkeiten wurde ausgeweitet. Neue Arbeitsplätze wurden geschaffen und die Bevölkerungszahl in der Region von Aqaba hat sich von 1979 bis 1990 verdoppelt und wird voraussichtlich bis 2005 weiterhin ansteigen.515

Die Zunahme der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Bevölkerung in der Region von Aqaba steigerte den Druck auf die natürlichen Ressourcen des Küstengebietes und des Meeres. Da der Golf von Aqaba aber auch von den anderen Anrainerstaaten Israel, Ägypten und Saudi Arabien mehr oder weniger wirtschaftlich genutzt wird, tragen zudem die wirtschaftlichen und touristischen Aktivitäten vor allem im israelischen und ägyptischen Küstengebiet zur grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung auf jordanischer Seite bei. Die Folgen sind eine empfindliche Störung des ökologischen Gleichgewichts der Ökosysteme des Golfs von Aqaba und die Schädigung oder gar der Verlust von Korallen- und Fischarten.516 Während die Korallenreservate auf der israelischen Seite durch eine Vielzahl von Tauchern und Schnorchlern schon stark beschädigt wurden, ist die Zahl der Touristen, die jährlich auf jordanischer Seite auf Tauchgänge gehen, noch relativ gering. Trotzdem wurden an frequentierten Tauchplätzen signifikante Schäden der Korallenriffe festgestellt. Auch der zunehmende Schiffsverkehr im Golf stellt eine Gefahr für Korallenriffe und Meeresleben dar. In der nördlichen Golfregion, wo sich der Schiffsverkehr konzentriert, sind aus Tankern bisher allerdings nur von Zeit zu Zeit kleinere Mengen von Öl ausgelaufen mit lokal eingrenzbaren Schäden für Korallen und Strandgebiete vor allem in israelischen Gewässern. In Jordanien hingegen sind die Umweltprobleme, die mit den Über-LandTransporten entlang der Küste in Verbindung stehen, besonders akut. In erster Linie geht es dabei um die unzureichende Entsorgung von Restöl, aber auch unsachgemäß entsorgte Autobatterien, Reifen und andere Schadstoffe stellen eine Gefahr für die Meeresumwelt und die Grund-

514 Vgl.

Gulf of Aqaba Environmental Actions Plan (GAEAP) May 1996: 3.

515 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 93-95. Zu der Bevölkerungsentwicklung in der Region von Aqaba siehe Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 109, Tabelle 7; 1979: 33.084/Zensus, 1990: 67.300/Schätzung, 2005: 198.400/Prognose.

516 Da

der Golf von Aqaba eine geringe Menge an Nährstoffen aufweist, ist die Fischpopulation von Natur aus trotz Artenvielfalt gering. Obwohl der kommerzielle Fischfang seit 1955 zurückgegangen ist (vgl. Ahmad 1989: 92) und lediglich zur Belieferung lokaler Hotels und Restaurants dient, haben die derzeit praktizierten Fischfangmethoden zum Rückgang der Artenvielfalt von Fischen, deren Lebensraum die Korallenriffe sind, beigetragen (vgl. GAEAP, Technical Annex May 1996: 5). 158

wasserressourcen in der Region von Aqaba dar. Durch den zunehmenden Lastwagenverkehr sind zudem die Luftverschmutzung und der Lärmpegel in Aqaba angestiegen.517

Eines der dringlichsten Umweltprobleme auf jordanischer Seite ist die Staubentwicklung bei der Verladung von Phosphaten auf Schiffe im Hafen von Aqaba. Bevor 1994 am Liegeplatz der Phosphatverladung zwei Choke-Filter eingebaut wurden, wurden zwischen 1989 und 1993 schätzungsweise 1% der jährlich zwischen 3,5 und 6,4 Millionen verladenen Tonnen Phosphate in die Luft emittiert. Obwohl durch den Einbau der Filter nach Schätzung von Angestellten des Hafens in Aqaba die Emissionen um 80 bis 85% reduziert werden konnten, gelangen immer noch substantielle Mengen an Phosphaten bei der Verladung auf Schiffe in Luft und Gewässer.518 Die Folge ist eine hohe Phosphatkonzentration im Wasser in der Nähe der Ankerplätze von Schiffen, die die Eutrophierung vorantreiben. Die Reduzierung der Lichtintensität wirkt sich auf das Meeresleben allgemein519 und insbesondere auf das Korallenwachstum negativ aus. Darüber hinaus steigern die Phosphatemissionen die Staubentwicklung in Wohngebieten von Aqaba. Die Phosphatkonzentrationen in der Luft in der Nähe der Verladestellen liegen über dem Maximum der von der World Health Organisation festgelegten Standards und das jordanische Gesundheitsministerium hat eine hohe Häufigkeit von Lungenerkrankungen bei Arbeitern in Aqaba festgestellt, die täglich mit Phosphat in Berührung kommen. Die Kühlwasser, Emissionen, vor allem von Phosphat und Schwefel, und Abfälle der Industrieanlagen der „South Coast Industrial Zone“ zur Düngemittelherstellung, Pottasche- und Chemikalienlagerung sowie das Kraftwerk zur Elektrizitätsgewinnung sind verantwortlich für die chemische und thermische Luft- und Wasserverschmutzung in diesem Gebiet.520

Ein weiteres Problem stellt die Einleitung von nur unzureichend behandelten Abwässern in den Golf dar, die das Algenwachstum steigern und sich auf das Wachstum der Korallen negativ auswirken. Die Hauptverschmutzungsquelle sind hier die Haushaltsabwässer von Eilat, deren Hafen nur 700m von der jordanischen Grenze entfernt ist. Aber auch das Kanalsystem von Aqaba ist überlastet und erreicht nicht alle Haushalte, es fehlt an Faulraum, und das unbehandelte Abwasser gelangt ins Grundwasser. Das Abwasser wird aus Frachtschiffen, Touristenbooten, Fähren und privaten Jachten nach nur unzureichender Behandlung oder direkt in den Golf eingeleitet und belastet das Meerwasser, obwohl dies eigentlich per Gesetz (Shipping Law No. 51) seit 517 Vgl.

GAEAP, Technical Annex May 1996: 5-8.

518 Vgl.

GAEAP, Technical Annex May 1996: 9.

519 Vgl.

General Corporation for the Environment Protection 1998: 158f.

520 Vgl.

GAEAP, Technical Annex May 1996: 9f. 159

1961 verboten ist.521 Die Verschmutzung durch organische Stoffe und Nährlösungssalzen wirkt sich vor allem auf die Qualität des Meerwassers, aber auch auf die Boden- und Grundwasserqualität negativ aus.522 Darüber hinaus werden feste Abfälle von Besatzungsmitgliedern der Schiffe, Passagieren der Fähren, Strandbesuchern und Einwohnern unsachgemäß entsorgt, so dass sie zu einem sichtbaren Umweltproblem geworden sind. Die Strände und Riffe des Golfs von Aqaba sind durch Plastik und synthetisches Material stark verschmutzt.523 In der Region von Aqaba fehlt es an Standards und Kontrollen zur Regelung des Abfallmanagements, so dass die Abfälle von Haushalten, Hotels und Restaurants, aber auch von Industrieanlagen zusammen auf einer Deponie unangemessen entsorgt werden und zum Teil von Industrie- und Privatunternehmen sogar einfach in Wadis abgeladen werden, um so die Gebühren für die Abfallentsorgung zu umgehen. Die Folgen sind gravierende Meeresverschmutzung und die Kontaminierung des Bodens, die sich bisher noch in Grenzen hält. Die Verschmutzung der Grundwasserressourcen durch unangemessene Abfallentsorgung auf Deponien konnte hingegen bisher nicht festgestellt werden.524

4.1.2.5 Städtisch-industrielle Umweltprobleme Bereits Ende in den 70er Jahre wurde eine Verminderung der Wasserqualität in einigen Teilen von Jordanien festgestellt. Die zunehmende Verschmutzung der Wasserressourcen in städtischen Gebieten kann einerseits auf die weitgehende Entsorgung der Haushaltsabwässer über Jauchegruben und dem anschließenden Versickern der Abwässer im Grundwasser zurückgeführt werden. Ende der 70er Jahre fehlte vielerorts noch ein öffentliches Kanalisations- und Abwassersystem und selbst in Amman waren nur 24% der Einwohner ans Abwassernetz angebunden.525 Zehn Jahre später waren es bereits 79,6% und Mitte der 90er Jahre (1994) profitierten landesweit 60% der Bevölkerung von einer organisierten Abwasserentsorgung über die Kanali-

521 Vgl.

GAEAP, Technical Annex May 1996: 11f.

522 Allerdings

sind neuere Daten über die Verschmutzungsprobleme des Golfs von Aqaba nicht verfügbar. Der einzige Bericht wurde von einer Delegation der European Community 1993 erstellt (vgl. General Corporation for the Environment Protection 1998: 159).

523 Vgl.

GAEAP, Technical Annex May 1996: 8f.

524 In

der Region von Aqaba gibt es insgesamt drei Entsorgungsstätten für Abfall. Die wichtigste ist die „Aqaba disposal site“ für Haushalts- und industrielle Abfälle und liegt 16 km südöstlich vom Stadtgebiet Aqabas und 6 km östlich von der Küste. Da sie bereits an die Grenzen ihrer Kapazität stößt und nach dem neuen Aqaba Master Plan (1995-2020) im Touristengebiet liegt, wurde für die Abfallentsorgung ein neuer Ort südlich des Wadi Mubarak und 17 km südöstlich von Aqaba und 11 km östlich von der Küste ausgewählt. Die beiden anderen Entsorgungsstätten für Baumaterial und Gips liegen in einem Wadi im Stadtgebiet Aqabas und 20 km südlich von Aqaba im Industriegebiet (vgl. Jaradat 1999: 127-133).

525 Vgl.

Wager 1979: 15. 160

sation.526 Andererseits trägt seit zwei Jahrzehnten die Einleitung damals meist unbehandelter und auch heute noch oft unzureichend behandelter Abwässer aus Industrieanlagen, die sich in der Nähe städtischer Ballungsgebiete (Amman-Zarqa, Aqaba) angesiedelt haben, zusätzlich zur Verschmutzung von Grundwasser und Flüssen (Zarqa Fluss) bei.527

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung stiegen seit den 70er Jahren die produzierten Abfallmengen in Jordanien an und Probleme im Abfallmanagement blieben nicht aus.528 Während die Sammlung und Entsorgung fester Abfälle in Amman und Umgebung (Zarqa, Salt) bereits früh trotz begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen einen guten Standard erreicht hatten, ist dies in kleineren Städten und in den ländlichen Gebieten Jordaniens nicht der Fall. Dort besteht das Problem des unzureichenden Abfallmanagements angesichts fehlendem qualifizierten Personal, Mangel an finanziellen Ressourcen und technischer Ausrüstung bis in die 90er Jahre fort. Oft wird der Abfall mangels Müllcontainern und Transportfahrzeugen einfach in den Straßen abgeladen.529 Die festen Abfälle bestehen in Jordanien zu 70% aus organischem Material, das entweder auf Müllhalden oder auf den fünf Abfalldeponien des Landes (Marka/Amman, Emlaih/Taibeh, Mubis, Al Humra/Salt, Aqaba) entsorgt wird. Die Mülltrennung ist eher die Ausnahme und auch ein effektives Recyclingsystem gibt es nicht.530 Die Entsorgungsstätten und Deponien sind für eine angemessene Abfallbehandlung unzureichend ausgestattet und bieten ideale Brutplätze für Schädlinge, Fliegen und andere Krankheitsüberträger. Da sie sich oft in der Nähe von städtischen Siedlungen und Wasserläufen befinden, gefährden sie durch die Kontamination von Grund- und Oberflächenwasser Mensch und Umwelt. 531

Ein weiteres Problem des Abfallmanagements ergibt sich aus den in Jordanien anfallenden gefährlichen Abfällen, deren Menge zwar relativ gering ist, die aber dennoch Mensch und Umwelt gefährden, da Informationsdefizite bestehen und es an einer angemessenen Entsorgungsvorrichtung und an lokaler Expertisen im Umgang mit solchen Stoffen fehlt. Zu den gefährlichen

526 Seit

Mitte der 90er Jahre werden mehrere Projekte zur Verbesserung der Abwasserentsorgung und des Kanalisationssystems in unterschiedlichen Städten Jordaniens durchgeführt (vgl. Ministry of Planning 1996: 23).

527 Vgl.

Salameh 1996: 108.

528 Vgl.

Wager 1979: 54.

529 Vgl.

Municipality of Amman 1980: 13f; vgl. auch Ministry of Planning 1996: 23.

530 Einige

Industrieunternehmen haben Anfang der 90er Jahre begonnen, sich auf Recycling von Papier, Karton, Plastik, Glas, Aluminium, Kupfer, Eisen, Teppiche und Schuhe zu spezialisieren. Getrennt gesammelt und recycelt wird in Städten wie Amman, Zarqa und Irbid vor allem Papier und Karton (vgl. Abu-Al-Hassan 1991: 81).

531 Vgl.

Municipality of Amman 1980: 10f; Ministry of Planning 1996: 23. 161

Abfällen gehören vor allem Farben, Plastikrückstände, Schwermetalle, Zyanid, Pestizide und Lösungsmittel. Der größte Anteil der anfallenden gefährlichen Abfallprodukte wird direkt auf Fabrik- und Werksgeländen gelagert. Eine potenzielle Verschmutzungsgefahr stellen sie besonders im Winter dar, wenn sie vom Regen weggespült werden und ins Oberflächenwasser gelangen.532 Nur wenige Krankenhäuser des Landes besitzen Müllverbrennungsanlagen und so werden die meisten Krankenhausabfälle zusammen mit Haushaltsabfällen auf den Müllhalden abgeladen und stellen besonders für die Arbeiter eine Infektionsgefahr dar.533 Die geplante Deponie für gefährliche Abfälle in Al Swaqah, 60 km von Amman entfernt, konnte bisher aufgrund finanzieller Engpässe nicht verwirklicht werden.534

Als Folge der Industrialisierung und der rapide ansteigenden Motorisierung kam es vor allem in der Region Amman durch zunehmende Staubentwicklung und Emissionen aus stationären und mobilen Quellen zeitweise und punktuell zu einer Verschlechterung der Luftqualität. Die Luftverschmutzung im urbanen Raum wird durch Energieverbrauch, hohen Schwefelgehalt in Treibstoffen wie Dieselöl, Einsatz von bleihaltigem Benzin und geringe Verbrennungseffizienz von Fahrzeugen, Transport und Lagerung von Baumaterial verursacht. Darüber hinaus sorgen ungesammelte Abfälle, ein überlastetes Kanalisationssystem und Kläranlagen für unangenehme Gerüche.535

Bis Ende der 70er Jahre waren keine Daten zur Luftverschmutzung in der Region Amman verfügbar.536 Erst Mitte der 80er Jahre wurde von der Royal Scientific Society (RSS), mit technischer Unterstützung der kanadischen Regierung und später der Europäischen Union, mit der Überwachung der Luftqualität begonnen. Im Zeitraum von 1986 bis 1990 wurden Messungen zur Luftverschmutzung in Amman an vier unterschiedlichen Standorten durchgeführt.537 An allen vier Standorten wurden Überschreitungen internationaler Standards für Schwebeteilchen

532 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 24.

533 Vgl.

National Health and Environment Action Plan for Jordan, o.J.: 3.

534 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 24.

535 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 24.

536 Obwohl

sich auch in dieser Zeit Luftverschmutzungen im Stadtzentrum von Amman und in der Umgebung von Industrieanlagen bemerkbar machten (vgl. Wager 1979: 17).

537Als

Referenzstation wurde Jubeiha gewählt, um Basisdaten zu erhalten. Das Stadtzentrum von Amman wurde ausgewählt, um Informationen über durch den Verkehr verursachte Abgase zu gewinnen. Für die Messung industrieller Emissionen wurden im Gebiet des Flughafens von Marka und in einem Wohngebiet an der östlichen Stadtgrenze, das nahe an einem Industriegebiet liegt, Messstationen eingerichtet (vgl. Royal Scientific Society 1990: 1). 162

fast über den ganzen Zeitraum der Messungen hinweg festgestellt.538 Im Stadtzentrum von Amman überschritten im jährlichen Durchschnitt die SO2-Konzentrationen regelmäßig und die COKonzentrationen zeitweise die kanadischen, US-amerikanischen und Gesundheitsstandards der Weltgesundheitsorganisation WHO, während die gemessenen NO2-Konzentrationen nur geringfügig die von USA und Kanada festgesetzten Standards für Luftqualität überschritten.539 Insgesamt gesehen variierten die Schadstoffkonzentrationen in der Luft je nach Jahreszeit, nahmen mit Ausnahme der Schwebeteilchen in Kälteperioden zu und korrelierten mit dem Verkehrsaufkommen. Die Luftverschmutzung in Amman ist daher in erster Linie auf Autoabgase und weniger auf industrielle Aktivitäten zurückzuführen und erhöht sich im Winter durch das Heizen von Gebäuden.540

In Industriegebieten überschreitet die Luftverschmutzung ebenfalls häufig internationale Standards. Ernsthafte Probleme der Luftqualität wurden im Zarqa-Becken (Hashimiya, Russeifa, Stadt Zarqa), in Fuheis und im Hafen- und Industriegebiet von Aqaba nachgewiesen. Am stärksten von der Luftverschmutzung durch industrielle Emissionen betroffen ist der nördliche Teil der Zarqa Region nahe der kleinen Stadt Hashimiya, wo sich eine große Ölraffinerie, das AlHussein Kraftwerk zur Elektrizitätsgewinnung und die Al-Samra Kläranlage befinden. In diesem Industriegebiet wurden zwischen 1992 (2.2.1992 bis 2.6.1992) und 1994 bis 1995 (1.3.1994 bis 28.2.1995) von der RSS Messungen der Luftverschmutzung an verschiedenen Standorten (u.a. an zwei Schulen) durchgeführt. Die Messungen ergaben, dass die Konzentrationen von SO2 und H2S (Sulphat-Hydrat) häufig, die von der WHO vorgeschriebenen Gesundheitsstandards überschritten.541 Im Gebiet von Russeifa trägt der Phosphatabbau zu erhöhter Konzentration von Schwebeteilchen in der Luft bei. Eine weitere Emissionsquelle ist die Zementfabrik in Fuheis nördlich von Amman, die große Mengen an Gasen und Staub ausstößt, der auf die Stadt und angrenzende Felder niedergeht.542 In Aqaba emittiert der industrielle Komplex zur Herstellung

538 Maximaler

monatlicher Durchschnitt im Stadtzentrum lag bei 337 ug/m3 im Januar 1987; der niedrigste Stand war 125 ug/m3 im Januar 1989, verglichen mit erlaubten 129 ug/m3 (vgl. Tell 1997: 496).

539 Im

jährlichen Durchschnitt betrugen die NO2-Konzentrationen in der Luft von Amman 0.059 ppm gegenüber US-Standard von 0,053 ppm (vgl. Tell 1997: 496).

540 Vgl.

Royal Scientific Society 1990: 17f. Im Rahmen eines anschließenden Projekts wurden im Stadtzentrum Ammans vom 1/10/1991 bis zum 1/1/1992 weitere Messungen durchgeführt, die den Trend der steigenden Luftverschmutzung bestätigten (vgl. Tell 1997: 496f).

541Die

Messungen von 1994 bis 1995 wurden ebenfalls von der Royal Scientific Society diesmal an drei unterschiedlichen Orten, einer Schule in der Nähe der Kläranlage Al-Samra, einer Schule 1 km entfernt von der Ölraffinerie und im Heizkraftwerk selbst, durchgeführt. Dabei wurden, wenn auch vergleichsweise selten Überschreitungen der Grenzwerte der WHO für SO2 und H2S (häufigere Überschreitungen) festgestellt, während die NO2-Konzentrationen die internationalen Grenzwerte zu keiner Zeit überschritten wurden (vgl. Tell 1997: 497f).

542 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 25. Bereits 1983 zeigte eine Umweltstudie über die Emissionen der Zementfabrik in Fuheis signifikante Staubentwicklung in der städtischen Siedlung in der Nachbarschaft. Dieser Staub ist 163

von Düngemitteln eine bedenkliche Menge an Gasen und im Hafengebiet kommt es durch die Verladung von Phosphat, Pottasche, Düngemittel, Schwefel und Öl zu erheblicher Staubentwicklung.543 Obwohl mittlerweile damit begonnen wurde durch Filtereinbau und andere Maßnahmen die Emissionen zu reduzieren, sind diese Vorkehrungen sowohl staatlicher als auch privater Industrieunternehmen nicht ausreichend, um tatsächlich eine deutliche Verbesserung der Luftqualität zu erreichen.544 Dies zeigen die steigenden Mengen an Schadstoffemissionen in unterschiedlichen Sektoren in den letzten Jahren (siehe Tab. 9).

Tab. 9: Gesamtsumme der geschätzten Menge an gasförmigen Emissionen durch Energieverbrauch in unterschiedlichen Sektoren in Jordanien 1995-2002 (000 M. Tonnen/Jahr)) Gas

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

NOX

83,1

86,3

90,2

94

97,6

101,6

105,1

108,9

CO

297,3

313,6

331,1

349,8

369,1

389,6

411

433,7

NMVOC

31,9

33,3

34,9

36,6

38,3

40,2

42,1

44,1

Methan

1,6

1,7

1,8

1,8

1,9

2,0

2,1

2,2

NO2

0,3

0,3

0,3

0,3

0,3

0,3

0,3

0,3

CO2

12.617,3

13.297,9

14.113,3

14.905,5

15.574,4

16.258,6

16.976,5

17.742,2

Total

13.031,5

13.733,1

14.571,5

15.388,1

16.081,7

16.792,3

17.537,1

18.331,4

Quelle: Ministry of Energy and Mineral Resources; The Hashemite Kingdom of Jordan Department of Statistics (DOS) 2004 Das Anwachsen und die Konzentration der Bevölkerung in den städtischen Gebieten Amman, Irbid und Zarqa vollzogen sich in den letzten drei Jahrzehnten ohne besondere Planung. Dies hatte eine weitgehend unkontrollierte Expansion urbaner Siedlungen zur Folge, die zum einen zur Schädigung und Verlust der ohnehin in Jordanien knappen landwirtschaftlich nutzbaren Flä-

zwar eine Plage, aber ungiftig und stellt keine Gefährdung für die menschliche Gesundheit dar (vgl. Ahmad 1989: 106), da der Zementstaub die Lungen nicht angreift. Dies bestätigen Studien über Emissionen der Zementfabrik in Fuheis und ihre Wirkungen, wie auch die Ergebnisse ähnlicher Untersuchungen in anderen Teilen der Welt. Dennoch trauen die Einwohner von Fuheis diesen Studien nicht und die Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der Zementfabrik halten an (vgl. Tell 1997: 498). 543 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 25.

544 Darüber

hinaus werden in Jordanien jährlich ca. 1000 Tonnen ozonschädigender Substanzen emittiert. Im Rahmen der Umsetzung des Montrealer Protokolls zum Schutz der Ozonschicht werden derzeit 21 Industrieunternehmen vor allem in Amman und Umgebung bei der Substitution ozonschädigender Substanzen finanziell unterstützt (vgl. Tell 1997: 496-499). 164

chen führte545, zum anderen stieg durch die erhöhte Bevölkerungsdichte die Zahl der Häuser mit fehlendem Anschluss an öffentliche sanitäre Dienstleistungen.546 So entstanden am Rande größerer Städte „Slums“ mit illegaler Besiedlung wie Joufeh und East Wehdat in Amman und Shallal in Aqaba und unzureichender sanitärer Infrastruktur. Darüber hinaus rückten städtische Siedlungen in inakzeptable Nähe zu Industriegebieten.547 Um dieser Fehlentwicklung mit ihren negativen Folgen für Mensch und Umwelt entgegenzuwirken, und eine an die natürlichen Begebenheiten vor Ort angepasste Siedlungsstruktur zu erreichen, wäre eine effektive Planung der Landnutzung erforderlich.548 Derartige Landnutzungspläne sind in Jordanien aber bisher nicht erstellt worden.

Umweltbedingte Gesundheitsprobleme ergeben sich auch in den vierzehn Lagern palästinensischer Flüchtlinge, die vor allem nach den israelisch-arabischen Kriegen 1948, 1967 und 1973 nach Jordanien kamen und sich in halb-dauerhaften Unterkünften angesiedelt haben. Nach dem Einmarsch des Iraks in Kuwait und während der Golfkrise kam es im August 1990 erneut zu einer Migrationswelle und Jordanien musste eine große Anzahl von Evakuierten aufnehmen. In weniger als drei Monaten hatten mehr als 850.000 Flüchtlinge den Irak und Kuwait auf dem Weg in ihre Heimatländer Richtung Jordanien verlassen. Täglich kamen bis zu 45.000 Personen in Jordanien an und wurden in so genannte „reception center“ aufgenommen. Der erste „reception center“ wurde nahe der jordanisch-irakischen Grenze in der Badia bei Sha’lan eröffnet. Später wurden weitere im Grenzgebiet und auch in Amman und Aqaba etabliert. Die enorme Flüchtlingswelle stellte nicht nur für die jordanische Wirtschaft, sondern auch für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in Jordanien eine große Belastung dar. Als kleines Land mit begrenzten Ressourcen und Möglichkeiten hatte Jordanien große Schwierigkeiten, umweltbedingte Gesundheitsprobleme in dieser Notlage zu bewältigen und war auf die Unterstützung ausländischer und internationaler Organisationen angewiesen. Bis heute ruft die Situation in vielen der Flüchtlingslager für die dort lebenden Menschen angesichts unzureichender Unterkünfte, Trinkwasserversorgung, sanitärer Einrichtungen, Abfallsammlung und -entsorgung sowie mangelnder Kon-

545 Bereits

in den 70er Jahren wurde mit dem Bau von Häusern auf fruchtbaren Böden im hügeligen Gebiet westlich von Amman begonnen (vgl. Wager 1979: 29).

546 Angesichts

der Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen wie Abfallmanagement in bestimmten organisierten städtischen Gebieten, stiegen die Grundstückspreise dramatisch an und wurden unerschwinglich für mittlere und untere Einkommensschichten. So wichen diese Gruppen auf billigere Grundstücke außerhalb der versorgten Bereiche aus. Die Kommunen mussten so nicht nur finanzielle Verluste hinnehmen, da die vorgesehenen Gebiete nicht besiedelt wurden, sondern auch in den neuen Siedlungen Dienstleistungen bereitstellen. Dies führte bei vielen Kommunen zu chronischen finanziellen Haushaltsdefiziten (vgl. Tell 1992: 160).

547 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 25f.

548 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment /Department of Environment 1991: 161f. 165

trolle der Insektenpopulation ernsthafte hygienische Probleme und Gesundheitsgefährdungen hervor.549

4.1.2.6 Bedrohung der natürlichen Lebensräume und des kulturellen Erbes In Jordanien gibt es eine Bandbreite der natürlichen Lebensräume von Wüstengebieten über Feuchtgebiete bis zu Küsten- und Meeresgebieten, wo eine Vielzahl unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten vorzufinden sind. Die Zahl der Pflanzenarten liegt schätzungsweise zwischen 2300 und 2500. Davon sind zwischen 100 und 150 vom Aussterben bedroht, während zwischen 10 und 20 Arten in den letzten 90 Jahren bereits ausgerottet wurden. Zu den über 1500 unterschiedlichen Landtierarten gehören Amphibien und Reptilien (92 Arten), Vögel (55 Vogelfamilien), Säugetiere (77 Arten) sowie eine Vielzahl von Insektenarten. In den letzten 120 Jahren sind insgesamt sechs Landtierarten, der Oryx, der arabische Leopard, der syrische Strauß, der syrische Wildesel, die Hirschkuh und der persische Damhirsch ausgestorben. Dreizehn Säugetierarten, vier Reptilien- und elf Vogelarten sind derzeit vom Aussterben bedroht. Darüber hinaus ist die Artenvielfalt der Süßwasserfische und der über 1000 Fischarten, deren Lebensraum der Golf von Aqaba ist, ebenfalls zurückgegangen.550

Erstes offizielles Interesse an Naturschutz in Jordanien bekundete König Hussein bereits 1965, als er die Regierung beauftragte, ein nationales Programm zum Schutz der Natur und zur Errichtung von Nationalparks zu erstellen. Die Gründung des ersten großen Nationalparks in der Badia („Azraq Desert National Park“, 5200 km2), erwies sich allerdings aus verschiedenen Gründen als sehr schwierig. Damals lagen in dem Gebiet zwei große Dörfer, eine Schnellstraße, die Azraq mit Irak und Saudi Arabien verbinden sollte, wurde gebaut und durch das Abpumpen des Wassers aus der Azraq Oase für die Trinkwasserversorgung in Amman war die Oase vom Austrocknen bedroht. Weitere Probleme stellten die Überweidung, der Salzabbau und die Jagdgebiete, Militärbasen und Farmen, die sich im geplanten Naturschutzgebiet befanden, dar. Genügend Gründe, die die Einrichtung des Nationalparks letztlich verhinderten. Diese Erfahrung veranlasste die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN), die 1966 als erste nichtstaatliche Naturschutzorganisation gegründet worden war, künftig Naturreservate auf kleineren eingezäunten Gebieten, weit entfernt von Siedlungen und menschlichen Aktivitäten, zu etablieren, um so die Natur wirksamer schützen und die Wiederansiedlung von Tier- und Pflanzenarten verwirkli-

549 Vgl.

hierzu Dlaimi/Alkandak (WHO) 1994: 169-173.

550 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 27; General Corporation for the Environment Protection 1998: 135ff. 166

chen zu können.551 In der Zeit von 1975 bis 1999 waren insgesamt sieben Naturreservate in Jordanien gegründet worden, fünf davon Ende der 80er Jahre in der Zeit von 1987 bis 1989. Sie erstrecken sich auf ein Gebiet von 129.000 Hektar Land und werden von der RSCN unterhalten und verwaltet. Weitere sieben Reservate sind in Planung. Darüber hinaus richtete das Landwirtschaftsministerium 18 Weidelandreservate (100.000 dunums) ein, um angrenzende Gebiete vor Überweidung zu schützen. Dennoch kam es in den vielen nicht geschützten Gebieten zur Degradierung der Habitate und zur Bedrohung oder gar zum Verlust von Tier- und Pflanzenarten. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Durch die Ausweitung städtischer Siedlungen, die Flächenversiegelung, Überweidung und den Rückgang der Waldgebiete durch das (illegale) Fällen der Bäume und Waldbrände wurde die Vegetationsdecke stark beschädigt. Die Übernutzung der Grund- und Oberflächenwasserreserven führte zum Austrocknen von Feuchtgebieten. Darüber hinaus fand die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen oft auf Kosten natürlicher Ökosysteme und Habitate statt. Unangepasste landwirtschaftliche Methoden wie das Pflügen von Randgebieten, unkontrollierte Fahrzeugbewegungen und der übermäßige Einsatz von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln (Insektizide, Pestizide, Herbizide) wirkten sich ebenfalls negativ auf den Artenbestand aus.552 In Bergbaugebieten kam es zur Bodenerosion und einer Ansammlung von giftigen Abfällen, während andere industrielle Aktivitäten zur Verschmutzung der Wasserressourcen beitrugen und so das natürliche Gleichgewicht von Ökosystemen beeinträchtigen. Nicht zuletzt führten illegale Jagdaktivitäten und Schmuggel zur Verminderung des Bestands an Säugetier- und Vogelarten.553

Selbst in offiziell geschützten Gebieten wie der Azraq Oase und im Nationalpark von Dana sind Schädigungen natürlicher Ressourcen und Umweltbelastungen nicht auszuschließen. Die Azraq Oase wurde 1977 zur „Ramsar Site“554 und somit zu einem Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung erklärt. Das übermäßige Abpumpen der Wasserressourcen aus dem Azraq Aquifer für die Trinkwassergewinnung führte zum Absinken des Grundwasserspiegels und zur Erhöhung des Salzgehalts von Wasser und Böden. Dies hatte verheerende Folgen für Tiere und Pflanzen in der Oase. Vor allem die Zahl der früher dort rastenden Zugvögel ist rapide zurückgegangen.555

551 Vgl.

Abu-Ja‘far 1991: 102-106.

552 Vgl.

General Corporation for the Environment Protection 1998: 174f.

553 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 62; Ministry of Planning 1996: 27; General Corporation for the Environment Protection 1998: 153-176.

554Als

„Ramsar Site“ werden besonders schutzbedürftige Feuchtgebiete in Anlehnung an die 1971 in Ramsar (Iran) verabschiedete „Convention on Wetlands of International Importance Especially as Waterfowl Habitat“ bezeichnet.

555 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 57. 167

Im Dana Reservat werden die unterschiedlichen Ökosysteme und Habitate durch Ausbreitung der Wohn- und Weidegebiete und durch die unkontrollierten Jagdaktivitäten bedroht. Darüber hinaus wirken sich Bergbauarbeiten zum Abbau von Erzen in der Nähe des Naturreservats negativ auf dessen natürliche Ressourcen aus. Auch in den Küstengebieten des Toten Meeres und des Golfs von Aqaba ist es trotz der Ausweisung geschützter Gebiete durch die jordanische Regierung zu Schädigungen der fragilen Ökosysteme der Küsten- und Meeresumwelt gekommen. Insbesondere im Golf von Aqaba bedrohen das unkontrollierte Wachstum städtischer Siedlungen, zunehmende touristische Aktivitäten, Fischerei, Schiffsverkehr und die Umweltverschmutzung durch Industrie und Schiffe Korallenriffe, Seegräser, Meeresschildkröten, Delphine und Seekühe.556

Der Schutz und die nachhaltige Nutzung von Tier- und Pflanzenarten wird durch die knappen finanziellen Mittel, die für entsprechende Projekte, die Unterhaltung der Naturreservate, die Kontrolle der Jagd dem RSCN557 und der Forstabteilung des Landwirtschaftsministeriums für Bodenkonservierung, Natur- und Weidelandreservate zur Verfügung stehen, behindert. Das Fehlen von Landnutzungsplänen, die Beschränkung der jordanischen Natur- und Artenschutzgesetze auf den Schutz der Vögel und des Wildbestands in Wäldern und die ineffektive Durchsetzung dieser Gesetze stellen weitere Hindernisse dar. Auch mangelt es an Forschungseinrichtungen, die sich wissenschaftlich mit der Tier- und Pflanzenwelt in ariden Gebieten befassen.558 Ein weiteres Problem stellt der illegale Handel mit bedrohten Tierarten dar. Im Rahmen der Umsetzung der Konvention über den internationalen Handel mit bedrohten Arten (CITES) führt Jordanien im eigenen Land regelmäßige Kontrollen bei Tierhändlern durch und versucht, den Schmuggel mit bedrohten Tierarten zu unterbinden, in dem gefangene einheimische, vor allem Gazellen und Raubvögel und importierte Tiere beschlagnahmt werden. Die Überwachung des Handels wird allerdings durch fehlendes Bewusstsein in der Region, Mangel an einheimischen Experten und finanziellen Ressourcen sowie ungenügende Koordination zwischen relevanten Behörden erschwert.559

In den beiden Umweltprogrammen, der Nationalen Umweltstrategie NES und dem Nationalen Umweltaktionsplan NEAP wird auch die Degradierung des kulturellen Erbes zu den Umwelt-

556 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 27f.

557 Der

Minister für Landwirtschaft hat die Verantwortung für die Umsetzung des „Wildlife Animals and Birds Conservation Law“ und der Gesetze und Regelungen der Jagdaktivitäten auf den RSCN übertragen.

558 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 61-63.

559 Vgl.

General Corporation for the Environment Protection 1998: 173f. 168

problemen Jordaniens gezählt. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Objekte, seien sie beweglich oder nicht, die gebaut, errichtet, aus Stein herausgehauen, geformt, eingeschrieben oder auf andere Weise vor dem Jahr 1700 n. Chr. geschaffen wurden, Höhlen, Skulpturen, Münzen, Keramikprodukte, Manuskripte und alle anderen Arten von Kunsthandwerk eingeschlossen.560 Im NEAP werden darüber hinaus die natürlichen Ressourcen in der Umgebung archäologischer und historischer Stätten berücksichtigt.561 Da es aber vorrangig um Bauwerke, Monumente und produziertes Kunsthandwerk geht und die Schädigung der natürlichen Umwelt als zweitrangig betrachtet wird, wird auf Schädigungen des kulturellen Erbes in dieser Arbeit nur am Rande eingegangen.

Die Degradierung archäologischer Stätte und der Verlust traditionellen Kunsthandwerks sind irreversibel und stellen daher eine besondere Bedrohung für das kulturelle Erbe Jordaniens dar. Zu den bekanntesten historischen Stätten von nationaler und internationaler archäologischer Bedeutung gehören das römisch-byzantinische Jerash (2. Jhd. v. Chr.), die nabatäische Stadt Petra (538 v. Chr.), der Berg Nebo bei Madaba, die Wüstenschlösser aus omayyadischer Zeit (661-750 n. Chr.), Burgen der Kreuzfahrer (12. Jhd.) sowie Moscheen und Festungen der Mamelucken (13. und 14. Jhd.). Solche Sehenswürdigkeiten sind die Haupttouristenattraktion in Jordanien und wichtige Aktivposten für die Tourismusindustrie. Der Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes liegt im Interesse der politischen Führungselite des relativ jungen jordanischen Nationalstaates, da mit der Konservierung der historischen Stätten der Sinn für das nationale Erbe und nationale Identität gestärkt werden soll. Während nur wenige archäologische Ausgrabungen wie Jerash und Petra große Aufmerksamkeit erlangt haben, sind andere vernachlässigt worden und daher von Verfall und Zerstörung bedroht. Dies liegt daran, dass es oft keine offiziellen Inventarverzeichnisse gibt, die Gesetze zum Schutz dieser Stätten nur unzureichend umgesetzt werden und es trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren weiterhin an öffentlichem Bewusstsein für die Bedeutung des kulturellen Erbes mangelt. Darüber hinaus sind traditionelle Gebäude und archäologische Ausgrabungsstätten oft ungünstig in Stadtzentren oder auf privaten Grundstücken gelegen, wo sie als hinderlich für die Umsetzung von Entwicklungsplänen angesehen und empfunden werden. Die fehlenden finanziellen Mittel und die Aneignung von Objekten durch Privatleute, die antike Exponate in ihren Wohnzimmern ausstellen, stehen ebenfalls dem Erhalt des kulturellen Erbes entgegen.562 In Petra steigerten das Bevölkerungswachstum

560 Hier

in Anlehnung an die Definition im jordanischen „Antiquities Law“ (vgl. Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 205).

561Vgl.

Ministry of Planning 1996: 27.

562 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/Department of Environment 1991: 208f. 169

und der Anstieg der Touristenzahlen den Druck auf natürliche Ressourcen, vor allem auf knappe Wasserressourcen. Die Schädigung der historischen Monumente in Petra ist einerseits auf natürliche Ursachen wie Flutwasser, Wetter und Erosion und andererseits auf steigende Besucherzahlen und unzureichende institutionelle Rahmenbedingungen für das Management des kulturellen und natürlichen Erbes zurückzuführen.563

4.1.2.7 Sozioökonomische Folgen der Umweltprobleme Die wirtschaftlichen Folgen der Umweltbelastung, die den Druck auf die ohnehin knappen Ressourcen des Landes verschärften, sind gravierend. Insbesondere die Knappheit an Wasser, erschwert nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser vor allem während der Sommermonate, sondern behindert auch eine effektive Nutzung der Landressourcen für die landwirtschaftliche Produktion und die Tierzucht. Die industriellen Abwässer im Raum AmmanZarqa belasten städtische Abwässer den King-Talal-Stausee und die Landwirtschaft am Zarqa Fluss. Im Frühjahr 1991 wurden landwirtschaftliche Flächen im Jordantal ernsthaft geschädigt durch den Einsatz von verschmutztem Bewässerungswasser. Die Kosten für die Schadensbeseitigung wurden auf 60 Millionen JD geschätzt. Die schlimmsten Schäden wurden südlich der Mündung des Zarqa Flusses festgestellt und so wahrscheinlich durch das Wasser des King Talal Damms verursacht, der vor allem durch Wasser aus der Kläranlage Khirbet Al-Samra gespeist wird.564 In Folge der Schädigungen wurden in Jordanien, wo das Umweltbewusstsein noch relativ gering ausgeprägt war, ungewöhnlich harte umweltpolitische Maßnahmen ergriffen, indem 21 Fabriken auf öffentlichen Druck hin vorübergehend geschlossen wurden. Die Grundbesitzer verklagten die Industrie auf Schadensersatz. Allerdings ergab eine Untersuchung ausländischer Gutachter, dass die Ernteschäden nicht auf Abwässer, sondern auf Schädlingsbefall zurückzuführen waren.565 Dennoch ergaben Messungen der Water Authority of Jordan (WAJ), die 1990 in diesem Gebiet durchgeführt wurden, dass der Schadstoffgehalt in den Abwässern von 29 staatlichen und privaten Firmen, vor allem Papier-, Hefe-, eine Waschmittel und Reifenfabrik sowie die Ölraffinerie in Zarqa und mehrere Chemieunternehmen, die in dem strengen Standard 202 festgelegten Grenzwerte für Industrieabwässer überstiegen.566

563 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 27.

564 Vgl.

Udluft/El-Naser 1992: 37.

565 Vgl.

Schiffler 1993: 22.

566 Vgl.

Gedeon 1991: 54 und 59. 170

Die Wasserprobleme können in Jordanien sogar handfeste politische Krisen auslösen. Es ist wohl bisher das einzige Land, in dem eine Wasserkrise im Juli 1998 in der Hauptstadt Amman einen Regierungswechsel erzwingen konnte. In vielen Gebieten der Stadt einschließlich im wohlhabenden westlichen Teil Ammans kam damals nur noch verschmutztes Wasser aus den Leitungen und der Preis für sauberes Quellwasser aus privaten Tankwagen verfünffachte sich innerhalb weniger Tage. Die Opposition versuchte Israel, das seit 1995 Wasser aus dem See Genezareth nach Jordanien pumpt, die Schuld an der Verschlechterung der Wasserqualität zu geben, um so ihre massive Kritik am Friedensvertrag noch bestärken zu können. Schließlich musste aber die Regierung im Juli zugeben, dass „menschliches Versagen“ die Notlage ausgelöst hatte. Bei der ungewöhnlichen Sommerhitze hatte das Wasserwerk Zai, das Amman mit Trinkwasser versorgt, mit Algen und Würmern zu kämpfen und „technische Probleme“ Wasser in angemessener Qualität zu liefern. Im August 1998 endete die Krise mit dem Rücktritt des Premierministers Abd Al-Salam Majali und seines gesamten Kabinetts.567

Die Ausweitung städtischer Siedlungen besonders im Raum Amman lässt die urbane Flächenversiegelung anwachsen und führt zum Verlust landwirtschaftlicher Flächen, die damit der Nahrungsmittelproduktion verloren gehen. Dabei ist Jordanien ohnehin seit Jahrzehnten bereits von Nahrungsmittelimporten abhängig und alles andere als autark, was als ein Faktor zum stets hohen Handelsdefizit beiträgt. Das Potenzial der biologischen Artenvielfalt ist auch in Jordanien von ökonomischer Bedeutung. Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten stellt eine wichtige genetische Ressource dar und ist besonders bedeutsam für die Entwicklung von Getreidearten, die besser an die natürlichen Bedingungen in Jordanien angepasst sind.568 Im Hinblick auf das genetische Potenzial der natürlichen Ressourcen ist insbesondere die Vielfalt der Pflanzenarten bei der Entwicklung von Getreidearten, die an die natürlichen Gegebenheiten des Landes angepasst sind, bedeutsam. So stellen pflanzliche Stoffe wichtiges Rohmaterial für die pharmazeutische Industrie, für medizinische Zwecke und auch für den Gewinn von Nahrungsmitteln. Allerdings fehlt es in Jordanien an Initiative und Antrieb, die verfügbaren natürlichen Ressourcen hierfür tatsächlich zu nutzen. Ebenso mangelt es an Fähigkeiten die Produktivität von Mikroorganismen zu steigern, die für die Nahrungsmittelindustrie, die mikrobiologische Kontrolle von Insekten sowie für die Rehabilitation von Böden und Wiederaufforstung von großem Nutzen sein könnten. Auch das kulturelle und natürliche Erbe Jordaniens ist ein wichtiger Einkommensfaktor, da es von großer Bedeutung für den Tourismus ist. Der Erhalt archäologischer und historischer 567 Vgl.

Köndgen 1999: 155f.

568Vgl.

Ministry of Planning 1996: 28. Zur Entwicklung und Anwendung der Biotechnolgie in Jordanien siehe General Corporation for the Environment Protection 1998: 239-246. 171

Stätten und die einzigartige Vielfalt an Korallen- und Fischarten im Golf von Aqaba stellen wichtige Touristenattraktionen dar, die einen entsprechend hohen ökonomischen Wert für das Land haben.569

Die Luftverschmutzung im Zentrum von Amman und Industriegebieten sowie die unzureichende Entsorgung fester Abfälle können gesundheitliche Schäden verursachen. Epidemiologische Entwicklungstrends in den 90er Jahren zeigten, dass Jordanien sich in dieser Hinsicht weg bewegt von dem typischen Profil eines Entwicklungslandes, wo Infektionskrankheiten vorherrschen und nun chronische Krankheiten an Bedeutung gewinnen, und die wie in Industrieländern nun zur häufigsten Todesursache werden, neben Herzgefäß- und Gehirngefäßkrankheiten, auch Lungenerkrankungen und Krebs. Konkret zeichnet sich ein Anstieg an Krankheiten wie Tuberkulose und Todesfällen ab, die auf physio-chemische Verschmutzung durch Industrie und die Verbreitung von giftigen Chemikalien in der Umwelt zurückzuführen sind oder durch rasche Urbanisierung und Siedlungsausweitung, die mit der unzureichenden sanitären Versorgungslage, ungesunder Ernährung, aber auch Alkohol- und Drogenproblemen in Flüchtlingslagern und städtischen Randgebieten zusammenhängen.570

4.1.3

Soziokulturelle und informationell-kognitive Faktoren

4.1.3.1 Grundlegende kulturelle Faktoren: Tribalismus und Wastah An dieser Stelle soll kurz auf die typischen Merkmale der jordanischen Gesellschaft, die das soziale und wirtschaftliche Verhalten der Bevölkerung beeinflussen, eingegangen werden. In der jordanischen Gesellschaft ist der Tribalismus571 tief verwurzelt. Bis heute bestimmen die sozialen Werte der Stämme und die Solidarität des erweiterten Familienverbandes den jordanischen Alltag maßgeblich, auch wenn tribale Hierarchien allmählich aufbrechen. Verfechter der traditionellen Werte versuchen dennoch weiterhin, die tribale Solidarität trotz gegenläufiger Tendenzen aufrechtzuerhalten.572 An dieser Stelle kann nicht vertieft auf die in der Literatur unterschiedlichen Meinungen zur Entwicklung des Tribalismus und seine Bedeutung für die politische und gesellschaftliche Entwicklung Jordaniens eingegangen werden. Es sei lediglich be-

569Vgl.

General Corporation for the Environment Protection 1998: 180f.

570 Vgl.

Giroult, o.J.: 2f.

571 Der

Tribalismus ist sowohl eine soziopolitische Organisation einer Gesellschaft entlang von Stämmen, Clans und erweiterten Familien als auch eine Lebensart, die durch die überragende Bedeutung der eigenen Verwandtschaft, besondere Konzepte von Konfliktlösung, Status, Beziehungsstrukturen und Identität beinhaltet (vgl. Eickelmann 1981).

572 Vgl.

Fathi 1994: 202-207. 172

merkt, dass es heute in der öffentlichen Debatte Befürworter und Gegner des Tribalismus gibt. Während die Befürworter, zu denen auch König Hussein gehörte, die traditionellen beduinischen Werte wie Gastfreundschaft, Großzügigkeit, Ehrgefühl, Loyalität und Gruppensolidarität als positiv hervorheben, kritisieren die Gegner vor allem die auf tribalistische Werte zurückgehende Praxis der „Wastah“. Unter Wastah sind persönliche Beziehungen zu verstehen, die vor allem unter Verwandten, und zwischen Freunden und Bekannten, aber auch zwischen Personen, die weder Verwandtschaft noch Freundschaft verbinden, genutzt werden, um sich persönliche Vorteile und Vergünstigungen zu verschaffen (z.B. eine Stellung in der öffentlichen Verwaltung, eine Beförderung, ein Studienplatz oder ein Stipendium), die nicht auf die eigene persönliche Leistung zurückgeführt werden können. Bei der Mehrheit der jordanischen Bevölkerung steht bis heute die Loyalität gegenüber dem Stamm bzw. der Großfamilie an oberster Stelle im traditionell geprägten Wertesystem. Das schützende Netz des Clans ist für die soziale und wirtschaftliche Sicherheit der Individuen sehr wichtig. Wastah genießt nicht zuletzt eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz, da wohl jeder schon von den eigenen familiären Beziehungen profitiert hat.573 Olaf Köndgen sieht im Wastah-Prinzip gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Gefährdungen: „Mag Wasta für den einzelnen unumgänglich oder auch förderlich sein, wirtschaftlich und gesellschaftlich zahlt Jordanien einen hohen Preis. Volkswirtschaftlich vielleicht am verheerendsten ist die teilweise Ausschaltung von rationalen und für alle Beteiligten transparenten Kriterien bei der Vergabe von Arbeitsplätzen jedweder Art. Oft bekommt nicht der Beste die Stellung, sondern der mit den besten Beziehungen.“574 Wastah führt zur Demotivierung und verminderter Leistungsbereitschaft der Individuen, da Leistung wenig oder gar nicht zählt und nicht zwangsläufig eine entsprechende materielle Entlohnung nach sich zieht. Vor allem im öffentlichen, aber auch im privaten Sektor leidet die Arbeitsproduktivität enorm, wenn der Stelleninhaber den Anforderungen nicht gewachsen ist. Wastah untergräbt den fairen Wettbewerb und verhindert darüber hinaus die soziale Mobilität. Dies kommt wiederum den Eliten der Gesellschaft gerade recht, die sich gegen Reformen und gesellschaftliche Dynamik wehren, da die Bewahrung des Status quo ihnen den exklusiven Zugang zu Privilegien und Ressourcen sichert.575

573 Vgl.

Köndgen 1999: 183.

574 Köndgen 575 Vgl.

1999: 184.

Köndgen 1999: 184. 173

4.1.3.2 Entwicklung des Umweltwissens und des Umweltbewusstseins Im theoretischen Teil wurde angenommen, dass neben dem vorhandenen und verfügbaren Umweltwissen, die Wahrnehmung von Umweltproblemen und die Entwicklung des Umweltbewusstseins in einem Land Auswirkungen auf umweltpolitisches Handeln haben. In Jordanien wurden bisher kaum Studien zur Entwicklung und Stand des Umweltbewusstseins im Land durchgeführt.576 Daher wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit Vertreter verschiedener im Umweltbereich tätigen staatlichen, semistaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen und Unternehmen sowie der bi- und multilateralen Geberorganisationen nach ihrer Einschätzung zur Entwicklung von Umweltproblemen, Umweltwissen und Umweltbewusstsein in Jordanien befragt.577 Als das schwerwiegendste ökologische Problem in Jordanien wird eindeutig die drohende Wassererschöpfung und die Verschmutzung der Wasserressourcen angesehen. Nahezu alle Befragten (96,4%) beurteilten die Wasserproblematik als sehr schlimm (83,9%) oder schlimm (12,5%), während nur 3,6% der Interviewten sie weniger schlimm empfanden. Nach der Entwicklung der Umweltprobleme in den letzten 20 Jahren befragt, wird die mit der Knappheit der Wasserressourcen wahrgenommene Notlage noch deutlicher, da alle Befragten der Meinung waren, dass sich die Lage verschlimmert hätte, für 78,6% hatte sie sich sogar sehr verschlechtert. Die städtisch-industriellen Umweltprobleme wie Luftverschmutzung und Abfallprobleme wurden in der Befragung als ebenfalls gravierendes Problem in Jordanien eingestuft. Keiner der Befragten gab an, dass diese Art der Umweltprobleme nicht schlimm oder in den letzten zwei Jahrzehnten zurückgegangen sei. Vielmehr wurden städtisch-industrielle Umweltprobleme von 87,5% der Befragten als schlimm oder sehr schlimm eingeschätzt und für fast alle (96,4%) hatte sich die Umweltsituation in Städten in den letzten Jahren verschlechtert oder sogar stark verschlechtert. Die Degradierung und Kontamination der Landressourcen in Jordanien

576 Pionierarbeit

zum Thema Umweltbewusstsein in Jordanien hat Al Saudi 1993 mit seiner Untersuchung zum Umweltbewusstsein in den Ammaner Stadtteilen Sweileh und Jabal Al Nasser geleistet. In den Stadtteilen sind 95% der Haushalte an die Kanalisation angeschlossen und werden mit Wasser und Strom versorgt. Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 400 Männer und Frauen mit unterschiedlichem Bildungsniveau und aus verschiedenen sozialen Schichten befragt. Alle Befragten hatten einen Kühlschrank und einen Fernseher und die Hälfte der Befragten hatte ein Auto. Die Studie stellt fehlendes Umweltbewusstsein bei den Bewohnern fest, das sich in der Wasserverschwendung beim Autowaschen, in der fehlenden Abfalltrennung, der mangelhaften Entsorgung von Problemmüll und der unangemessenen Verwendung von Pestiziden zeigt. Nahezu die Hälfte der Befragten konnten mit den Begriffen „Umwelt“ und „Umweltverschmutzung“ nichts anfangen und hatte wenig Ahnung sowohl von weltweiten Umweltproblemen als auch von der Umweltverschmutzung vor Ort. So konnten 64% der befragten Bewohner kein Umweltproblem in Jordanien benennen und ein großer Teil nahm keine Umweltprobleme im eigenen Wohnviertel wahr. Dennoch war fast allen Befragten (96%) bewusst, dass sich Umweltschädigungen negativ auf die Gesundheit auswirken können und immerhin 70% der Befragten konnten staatliche Institutionen nennen, die sich mit Umweltfragen in Jordanien beschäftigen. Vgl. Al Saudi 1993: 159ff.

577 Die

insgesamt 56 befragten Personen können nicht repräsentativ für die gesamte jordanische Bevölkerung stehen. Dennoch ist ihre Einschätzung von Umweltproblemen, Umweltbewusstsein und Umweltwissen in Jordanien durchaus interessant, da es sich um Vertreter unterschiedlicher staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen und Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Zielen und Einstellungen zur Umweltproblematik handelt. 174

wird insgesamt etwas weniger kritisch bewertet, aber auch hier meinten immerhin 3,6% sie sei nicht schlimm und habe in den letzten Jahren abgenommen, während 83,9% sie als schlimm oder sehr schlimm bezeichneten und 74,7% eine Zunahme oder starke Zunahme der Land- und Bodenprobleme sahen. Hingegen wurde der Rückgang der Artenvielfalt und die Degradierung des kulturellen Erbes weit weniger gravierend als die anderen Umweltprobleme eingeschätzt. Genau die Hälfte der Befragten meinten der Zustand archäologischer Stätten in Jordanien sei weniger schlimm oder nicht schlimm (8,9%) und nur 5,4% bezeichneten ihn als sehr schlimm. Den Rückgang der Artenvielfalt betrachteten 37,5% der Befragten als weniger schlimm oder nicht schlimm (1,8%), auch wenn ihn immerhin noch die Hälfte der Interviewten als schlimm und 12,5% sogar als sehr schlimm bezeichneten. Entsprechend wurde auch die Entwicklung des Zustands des kulturellen Erbes und des Artenbestands als weniger dramatisch angesehen und teilweise wurde die Entwicklung in den letzten zwei Jahrzehnten sogar positiv beurteilt. Im Falle des kulturellen Erbes stellten 14,3% der Befragten einen Rückgang der Degradierungsproblematik fest und nur knapp über die Hälfte (58,9%) sprach von einem Anstieg. Im Bereich Biodiversität sahen immerhin noch 8,9% der Befragten eine Verbesserung der Situation, auch wenn die Mehrzahl (78,6%) der Meinung war, der Artenbestand in Jordanien sei deutlich zurückgegangen. Als Grund für die Verbesserung des Zustands des kulturellen Erbes und die Stabilisierung des Artenbestands wurden die zahlreichen erfolgreichen Projekte und Maßnahmen zum Schutz des kulturellen Erbes und der Artenvielfalt angeführt.

Umweltprobleme in Jordanien: Einschätzung der befragten Akteure Landdegradierung und Kontamination

Wassererschöpfung und Verschmutzung nicht schlimm weniger schlimm schlimm

Rückgang der Biodiversität

sehr schlimm

Degradierung des kulturellen Erbes

Städtisch-industrielle Umweltprobleme 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 3; Eigene Erhebung 1999

175

Entwicklung der Umweltprobleme in Jordanien: Einschätzung der befragten Akteure Landdegradierung und Kontamination

W assererschöpfung und Verschmutzung abgenommen zugenommen

Rückgang der Biodiversität

stark zugenommen

Degradierung des kulturellen Erbes

Städtisch-industrielle Umweltprobleme -40% -20%

0%

20%

40%

60%

80% 100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 4; Eigene Erhebung 1999

Als wichtige Voraussetzung für Entstehung und Entwicklung von Umweltbewusstsein ist Umweltwissen und dessen Verbreitung unabdingbar. Es stellt sich die Frage, inwieweit in einem Land Informationen über Umweltprobleme und Möglichkeiten zu deren Bewältigung vorhanden sind oder nicht. Die wichtigsten Träger für das Erlangen von Wissen im Umweltbereich sind Forschungseinrichtungen, die sich mit Umweltfragen beschäftigen. Die Mehrzahl der jordanischen Umweltforschungsinstitute wurde bereits in den 80er Jahren eingerichtet. Hierzu gehören vor allem der Renewable Energy Research Center und der Environment Research Center der Royal Scientific Society (RSS), der Center for Environmental Health und die Marine Science Station. Seit Mitte der 90er Jahre kamen eine Reihe neuer Umweltforschungszentren an staatlichen und privaten Universitäten hinzu. Die umweltrelevante Forschung und die Produktion von Umweltstudien nahmen insbesondere durch die finanzielle Unterstützung ausländischer Geberorganisationen zu. Demnach ist das Wissen über Umweltprobleme in Jordanien vor allem seit Anfang der 90er Jahre deutlich angestiegen. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Vertreter der unterschiedlichen Institutionen, Organisationen und Unternehmen gefragt, welche Art von Informationen sie nutzen, um ihr Wissen hinsichtlich Umweltfragen zu erhöhen. Fast alle (92,7%) gaben an, dass sie umweltrelevante Informationen aus Berichten staatlicher Institutionen beziehen. Jeweils 89,1% der Befragten greifen auf Studien anderer Organisationen oder informelle Kontakte zurück, während nur 76,4% Literatur aus Bibliotheken und 65,5% hierfür 176

das Internet nutzen. Noch weniger betreiben eigene Forschung (63,3% der befragten Organisationen), oder greifen auf andere Informationsquellen (36,4%) zurück.

Die Verfügbarkeit an Informationen zu Umweltfragen scheint für eine Reihe der befragten Organisationen in Jordanien nicht zufriedenstellend. Über ein Drittel (36,4%) behauptete, es herrsche ein Informationsmangel und zwar in erster Linie zu Umweltfragen in Jordanien (36,2%). In diesem Zusammenhang beklagten 28,6% der Befragten den Mangel an verlässlichen und exakten Daten zu Umweltproblemen im Land. Darüber hinaus meinten 25,7% der Befragten, dass ihr Wissen nicht dem neuesten Forschungsstand entspräche, da der Zugang zu neuesten internationalen Forschungsberichten schwierig sei und Informationen zu spezifischen Umweltfragen (20%) fehlen. Einige wenige Akteure (5,7%) sahen auch in dem Mangel an Publikationen in arabischer Sprache ein wichtiges Informationsdefizit.

Informationsmangel im Umweltbereich in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Informationsmangel zu Umweltfragen in Jordanien

Kein Zugang zu Umweltberichten staatlicher Institutionen

Keine verlässlichen Daten zu Umweltproblemen in Jordanien

Kein Zugang zur neuesten internationalen Forschung

Mangel an spezifischen Informationen zu Umweltfragen

Mangel an Publikationen in arabischer Sprache

Abb. 5; Eigene Erhebung 1999

Die Gründe für den Informationsmangel sahen die meisten Befragten (41%) vor allem in der mangelnden Kooperation und Bereitschaft zum Informationsaustausch zwischen den Akteuren, vor allem zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, die mangelnde Bereitschaft staatlicher Institutionen Informationen weiterzugeben. Den oft verweigerten Zugang zu Berichten und Daten staatlicher Institutionen gaben 31,4% der Befragten als Grund für ihr Informationsdefizit an. Das Fehlen einer koordinierten und umfassenden Datenbank für Umweltfragen in Jordanien wird von 23,1% der Befragten be177

mängelt.578 Hingegen wurden der Mangel an Wissen und Ausrüstung zum Aufbau einer solchen Umweltdatenbank (15,4%), an finanziellen Ressourcen (7,7%) und an Zeit sowie der fehlende Zugang zum Internet deutlich seltener als Gründe für die unzureichende Verfügbarkeit an Informationen zu Umweltfragen genannt. Trotz der kritischen Beurteilung der Informationslage wurde die Entwicklung der Verfügbarkeit von Informationen zu Umweltfragen in den letzten 20 Jahren sehr positiv gesehen. Mit Ausnahme eines Befragten, erklärten alle anderen, die Verfügbarkeit der Informationen habe zugenommen (51,9%) oder sogar deutlich zugenommen (46,3%). Die Zunahme der Umweltprobleme und des Umweltbewusstseins in Jordanien und auf internationaler Ebene wurden von 75% der Befragten als wichtigste Gründe für die gestiegene Verfügbarkeit an Informationen im Umweltbereich genannt. Der erweiterte Zugang zum Internet spielte für 21,2% ebenfalls eine wichtige Rolle, während die Verbesserung der Kooperation zwischen den Akteuren und die Einrichtung umweltpolitischer Institutionen als weniger bedeutend angesehen wurden. Als weitere Gründe wurden verbesserte informelle Kontakte zwischen den Akteuren, der Demokratisierungsprozess und die gestiegene Zahl der Umweltexperten in Jordanien genannt.

Gründe für gestiegene Verfügbarkeit von Informationen im Umweltbereich in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in % 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Zunahme der Umweltprobleme und des Umweltbewusstseins

Internetzugang

Zunahme des Umweltbewusstseins auf internationaler Ebene

Verbesserung der Kooperation zwischen Akteuren

Zunahme der umweltpolitischen Institutionen in Jordanien

Zunahme des Umweltbewusstseins der jordanischen Regierung

Abb. 6; Eigene Erhebung 1999

578 Eine

solche Datenbank wurde mit Unterstützung des UNDP zum Zeitpunkt der Untersuchung gerade erstellt. 178

Seit Ende der 80er Jahre hat sich die Umwelterziehung auch in Jordanien als Mittel zur Umweltbewusstseinsbildung im formellen Bildungssektor durchgesetzt. Im jordanischen Erziehungs- und Bildungsgesetz von 1988 über die allgemeinen Ziele der Ausbildung in Schulen sind auch Ziele der Umwelterziehung enthalten. So soll den Schülern und Studenten ein Basiswissen über die Umwelt und Natur in Jordanien, in Arabien und weltweit vermittelt werden, damit sie sich gezielt für Umweltschutz, Sauberkeit und effiziente Ressourcennutzung einsetzen. Entsprechend wurden Umweltfragen nicht nur in die Lehrpläne der Schulen, sondern auch der Universitäten eingearbeitet. Hier bieten gesellschaftswissenschaftliche Fakultäten Seminare zur Umwelterziehung an, während an den naturwissenschaftlichen Fakultäten Wissen über Umweltverschmutzung und Umweltschutz vermittelt und Forschung betrieben wird. Das Erziehungsministerium (Ministry of Education, MoE) hat in Zusammenarbeit mit der Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) an vielen Schulen und Universitäten des Landes Natur- und Umweltschutzclubs gegründet. Darüber hinaus wurden in Kooperation mit jordanischen Universitäten Workshops zu Umweltfragen organisiert und Aktionstage wie der „Arabische Umwelttag“ oder der „Baumtag“ veranstaltet.579

Die Zunahme des Wissens über die Umweltproblematik in Jordanien zog einen Anstieg des Umweltbewusstseins im Land nach sich. Dies ergab die Befragung, bei der insgesamt 18 Repräsentanten aus Nichtregierungsorganisationen, Umweltforschungsinstituten und aus der staatlichen Umweltbehörde interviewt wurden. Das Umweltbewusstsein der Gesamtbevölkerung in Jordanien wurde von den Experten sowohl im Vergleich zu jenem spezifischer Zielgruppen der Umweltpolitik wie Industrieunternehmen und Landwirte als auch zum Umweltbewusstsein politischer Entscheidungsträger des Landes als höher eingeschätzt. Die Mehrheit der befragten Umweltexperten (13 von 18 der Befragten) bewerteten das Umweltbewusstsein in der jordanischen Bevölkerung als mittelmäßig bis groß, während nur 10 Experten dies bei den spezifischen Zielgruppen taten. Im Falle des Umweltbewusstseins der politischen Entscheidungsträger hingegen meinte die Hälfte der Experten es sei gering oder sogar sehr gering (16,8%). Insgesamt gesehen ist das Umweltbewusstsein in den letzten 20 Jahren in der Beurteilung der Experten angestiegen und zwar am stärksten in der jordanischen Bevölkerung.580 Der Anstieg des Umweltbewusstseins ist nach Meinung der befragten Vertreter der Umweltorganisationen, vor allem auf die Einflussnahme nationaler und internationaler nichtstaatlicher Umweltorganisationen sowie das 579 Vgl.

Sabariny 1991: 153ff.

580 Die

Mehrzahl der Experten (16 der 18 Befragten) sprach von einem Anstieg, einer sogar von einem starken Anstieg des Umweltbewusstseins in der jordanischen Bevölkerung. Hingegen meinten nur 14 Experten, dass das

179

Engagement ausländischer Geberorganisationen zurückzuführen. Ebenfalls ausschlaggebend für den Bewusstseinswandel war wohl die Aufklärungsarbeit der Medien, die Ansprachen und das Engagement wichtiger Persönlichkeiten wie König Husseins, Königin Noors oder anderer Mitglieder der Königsfamilie. Die politischen Entscheidungsträger in Regierung und Parlament hingegen trugen nach Expertenmeinung zur Steigerung des Umweltbewusstseins im Land weniger bei.581

Als weiterer Indikator für die Veränderung des Umweltbewusstseins soll die Entwicklung der Anzahl der nichtstaatlichen Umweltorganisationen und ihrer Mitgliederzahlen herangezogen werden. In Jordanien gibt es bis heute nur wenige Nichtregierungsorganisationen (NRO), deren Hauptziel es ist, die Umwelt im Land zu schützen. Von den acht existierenden jordanischen Umweltverbänden582 etablierten sich zwei Organisationen bereits sehr früh, die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) im Jahre 1966 und die Friends of Archaeology (FoA), die sich neben dem Schutz des Kulturerbes auch für den Schutz der Umwelt in der Umgebung archäologischer Stätten einsetzt, sogar schon 1948. Die anderen sechs wurden erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre gegründet, vier davon sogar erst nach 1992. Ebenso kann der starke Anstieg der Mitgliederzahlen der Nichtregierungsorganisationen seit Mitte der 90er Jahre als Zeichen dafür gewertet werden, dass auch das Umweltbewusstsein in Jordanien erst im letzten Jahrzehnt deutlich angestiegen ist. Bis in die 90er Jahre hatten nur der RSCN bereits 600 und die FoA 300 Mitglieder, während die Mitgliederzahl der anderen NRO sich auf unter 50 Mitglieder belief. Im Jahr 1999 war es dann nur noch die Jordan Sustainable Development Society (JSDS), deren Mitgliederzahl nicht gestiegen war und die weiterhin weniger als 50 Mitglieder hatte. Bei allen anderen hatte sich die Mitgliederzahl seit ihrer Gründung bis 1999 zumindest verdoppelt, bei den meisten war sie um das drei-, vier- oder gar sieben- oder achtfache angestiegen. Die Umweltbewusstsein der spezifischen Zielgruppen der Umweltpolitik und nur 13 Experten, dass jenes der politischen Entscheidungsträger angestiegen sei. 581Nach

den Gründen für den Bewusstseinswandel befragt, gaben 17 der 18 befragten Repräsentanten an, dass nationale und internationale umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen und ausländische Geberorganisationen eine entscheidende Rolle spielten. Etwa 81% der Befragten setzten die Arbeit nationaler nichtstaatlicher Umweltorganisationen und immerhin 58,9% der Befragten den Einfluss internationaler Nichtregierungsorganisationen und Geberorganisationen auf die ersten drei Plätze der Rangordnung. Jeweils 15 der 18 befragten Repräsentanten nannten als weitere wichtige Einflussfaktoren für den Anstieg des Umweltbewusstseins die Aufklärungsarbeit der Medien, die von 80% dieser Repräsentanten auf die ersten drei Plätze platziert wurden, und das Engagement wichtiger Persönlichkeiten wie das des Königs Hussein, der Königin Noor oder anderer Mitglieder der Königsfamilie für den Umweltschutz, das 53,3% auf die ersten drei Plätze setzten. Nationale politische Entscheidungsträger in Regierung und Parlament hingegen scheinen deutlich weniger zum ökologischen Bewusstseinswandel beigetragen zu haben. Dies zeigt sich darin, dass von den lediglich 13 Repräsentanten 77% den Einfluss der politischen Entscheidungsträger auf die Plätze vier bis sechs der Rangordnung verwiesen.

582 Der

nationale Zweig von IUCN wurde hier nicht dazu gezählt, da es sich um eine Dachorganisation handelt, die in einem Forum Umwelt-NRO aber auch die General Corporation for the Environment Protection als staatlichem Träger von Umweltbelangen vereint. 180

Jordan Environment Society (JES) wies den steilsten Anstieg in der Entwicklung ihrer Mitgliederzahlen auf, mit nur 50 Mitgliedern Anfang der 90er Jahre und rund 5000 Mitgliedern im Jahr 1999.

4.1.4

Entwicklung der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen

4.1.4.1 Grundlagen des politischen Systems Der Verfassung von 1952 zufolge ist Jordanien eine konstitutionelle, in der haschemitischen Dynastie erbliche Monarchie, die ihre religiöse und dynastische Legitimation von ihrer Abstammung vom Propheten Muhammad ableitet und auf historische Leistungen wie die jahrhundertealte Führungsrolle des Hedschas sowie die Leitung des arabischen Aufstands von 1916 gründet. Neben dieser religiös-dynastischen Legitimierung festigt die haschemitische Dynastie seit den 70er Jahren durch materielle Leistungen und seit 1989 auch durch die politische Liberalisierung ihre Vormachtstellung. Zwar gab der König keine Kompetenzen ab, aber durch die verstärkte Beteiligung der Bevölkerung an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen wurde die innere Stabilität des Landes gefestigt.583

Der Monarch steht an der Spitze der Exekutive und übt gemeinsam mit der Nationalversammlung auch die Legislative aus. Die großen Machtbefugnisse des Königs wirken sich auf alle staatlichen Entscheidungsprozesse aus. Als Oberbefehlshaber der Armee ist der König keiner Instanz verantwortlich und hat vor allem in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik die alleinige Entscheidungsgewalt inne. Der König ernennt und entlässt den Premierminister, das Kabinett, den Senat und höhere Offiziere. Die Nationalversammlung setzt sich aus dem Senat (Oberhaus) als beratendem Organ und dem Parlament (Unterhaus) zusammen. Die 40 Senatoren werden vom König auf acht Jahre ernannt und sind ihm gegenüber absolut loyal. Das Parlament zählt 80 Abgeordnete, die in allgemeiner, direkter und geheimer Wahl alle vier Jahre neu gewählt werden. Allerdings kann der König das Parlament bereits vor dem Ende der Parlamentsperiode auflösen - von den bisherigen 13 Parlamenten konnten 12 ihre Amtszeit nicht zu Ende führen.

Gesetzesvorhaben werden von beiden Kammern angenommen und anschließend vom König ratifiziert, der gegen jedes von der Nationalversammlung verabschiedete Gesetz ein Veto einlegen kann. Seit 1953 besteht zwar die Möglichkeit dieses Veto mit einer Zweidrittelmehrheit von

583 Vgl.

Kämer 31993: 397. 181

Ober- und Unterhaus zu überstimmen. In der Praxis ist jedoch eine solche Zurückweisung des königlichen Willens durch die Nationalversammlung noch nie vorgekommen. Mit den Möglichkeiten der Parlamentsauflösung sowie per königlichem Dekret zu regieren und Abgeordnete außerhalb der Sitzungsperiode einzuberufen, bietet die Verfassung dem König die Möglichkeit, temporäre Gesetze ohne Zustimmung des Unterhauses zu erlassen. Die Verwirklichung der in der Verfassung verankerten Grundrechte wie Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit können so in der politischen Praxis durch Sondergesetze beschnitten werden. Die Judikative besteht der Verfassung nach aus unabhängigen Richtern, die allerdings durch königliches Dekret ernannt und entlassen werden können. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird dadurch so stark beeinträchtigt, dass Richter, die politisch ungewollte Entscheidungen treffen, schnell ausgetauscht werden können.584 Von einer Trennung der drei Gewalten, einem der wichtigsten Charakteristika westlicher Demokratien, kann in Jordanien keine Rede sein. Vielmehr hat der König, der ohne demokratische Legitimation herrscht und laut Verfassung auch nicht rechenschaftspflichtig ist, die Kontrolle über Exekutive und Legislative und in allen wichtigen Fragen die oberste Entscheidungsgewalt inne.

Ein Charakteristikum des politischen Systems Jordaniens sind häufige Kabinettswechsel und der Austausch von Ministern. Die meisten Regierungen bleiben weniger als zwölf Monate im Amt. Dies erschwert eine langfristig angelegte Politik. In der Regel handelt es sich um Kabinettsumbildungen, bei denen immer wieder die gleichen Personen auf andere Posten gesetzt werden. Sie gelten als weiterer Indikator für die Exekutivbefugnisse des Monarchen und sichern ihm und seinen Beratern das faktische Entscheidungsmonopol.585 Marius Haas schreibt den häufigen Kabinettsumbildungen eine Proporz- und Balancefunktion angesichts der ethnischen, religiösen und geografischen Unterschiede der Bevölkerung und eine intra-elitäre Zirkulation und Privilegierung durch die Distribution von Ämtern und Verantwortlichkeiten unter der Monarchie loyalen Anhängern zu. Darüber hinaus können sie aber auch eine politische Funktion zur Signalisierung eines außen- und innenpolitischen Kurswechsels haben und sollen wohl auch den fehlenden Parteienpluralismus und die mangelnde Institutionalisierung demokratischer Organe und die daraus resultierende Unzufriedenheit in der Bevölkerung kompensieren.586

584 Vgl.

Köndgen 1999: 100-102.

585 Vgl.

Kämer 31993: 396

586 Marius

Haas nennt des Weiteren als Mittel zur Vermeidung politischer Intrigen und Machtpotenzierung (Schutzfunktion), die Schiedsrichterfunktion zur Eliminierung intra-elitärer Rivalitäten, die Opportunitätsfunktion als Mittel zur Effizienzmaximierung des Exekutivapparates sowie die sozialpsychologische Funktion zur Vermeidung politischer Apathie (vgl. Haas 1975: 252f). Auch wenn das Buch von Marius Haas bereits 1975 erschienen ist, trifft diese Analyse auch noch für das heutige Jordanien zu. 182

4.1.4.2 Interessenvermittlung im neo-patrimonialen Staat Jordanien Das moderne politische System Jordaniens geht ursprünglich auf ein patrimoniales Herrschaftssystem587 zurück. Nach der Definition von Peter Pawelka handelt es sich dabei um „eine personale Herrschaftsform, deren Legitimationsgrundlage traditionale Loyalitäten und materielle Leistungen bilden. Zugleich impliziert dieser Begriff eine paternalistische Herrschaftsstrategie mit Hilfe bürokratischer Apparate. In Entwicklungsgesellschaften mit modernen staatlichen Strukturen hat diese Herrschaftsform eine neue Ausprägung erhalten (Neo-Patrimonialismus).“588 Die Entstehung des jordanischen Patrimonialismus geht wohl bis in die 20er Jahre des Jahrhunderts zurück. Bis in die 40er Jahre erfolgte unter König Abdullah eine langsame, aber stetige Konsolidierung des jordanischen Staatswesens, in der ein Siedlungsprogramm Beduinen sesshaft machen sollte und Verwaltung und Armee aufgebaut wurden. Dabei wurden durch Kooptationsstrategien tribalistische und klientelistische Strukturen für die Interessen der Zentralgewalt nutzbar gemacht. Der patrimoniale Charakter des politischen Systems wirkt sich entscheidend auf das institutionelle Organisationsgefüge (Polity-Struktur) des jordanischen Staates aus. Das politische Entscheidungszentrum wird von der personalen Steuerung komplexer bürokratischer Apparate geprägt. Dabei umgibt sich der patrimoniale Herrscher in Jordanien mit einem Stab persönlich ergebener Berater, Minister und Militärführer. Als wichtigste Quellen der Legitimität beruht die personale Herrschaft auf traditionalen Loyalitäten und Wohlfahrtspolitiken.589 Bereits Anfang der 50er Jahre versuchte König Talal, ethnischen Konflikten hinsichtlich Ressourcenverteilung mit der Ausdifferenzierung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten parlamentarischer repräsentativer Institutionen vorzubeugen. Diese Reform von oben scheiterte allerdings am Widerstand der Privilegierten der Oligarchie. Nachdem Talal ins Exil geschickt worden war, trat sein Sohn König Hussein im Jahr 1953 die Nachfolge an und blieb bis zu seinem Tod 1999 an der Macht. Unter Husseins Herrschaft kam es nach Gilbert Anderer zu einer Neustrukturierung des politischen Entscheidungszentrums und des patrimonialen Netzwerks.590 „Das politische Entscheidungszentrum wurde unter König Hussein neu strukturiert. Es umfasst ein breiteres Spektrum sozialer und politischer Interessen als dies unter Emir Abdullah der Fall war. Das System ist außerdem institutionalisierter und ausdifferenzierter als in den ersten Jahrzehnten. Die einzelnen Segmente verfügen über

587 Bei

Max Weber bildet das patrimoniale Herrschaftssystem das staatliche Äquivalent zum patriarchalischen Herrschaftstyp in kleineren Herrschaftsverbänden (Clans, Stämme) (vgl. Weber 51990). Das patrimoniale Herrschaftssystem wird speziell im Mittleren Osten als Weiterentwicklung der Stammesgesellschaft gesehen. So bei Eisenstadt 1979: 333f.

588 Pawelka

1985: 24.

589 Vgl.

Anderer 1991: 69-82.

590 Vgl.

Anderer 1991: 82ff. 183

eine höhere Autonomie und Entscheidungskompetenz, während sich die politische Kernelite auf die strategisch wichtigen Entscheidungen ‚zurückgezogen‘ hat. Sie bestimmt aber nach wie vor die Spielregeln, wahrt die Balance unter den rivalisierenden Kräften und ist bestrebt, unter Beibehaltung des Status quo neue soziale Strömungen und Interessen in das patrimoniale Netzwerk zu integrieren.“591 Gilbert Anderer sieht in der Weiterentwicklung des politischen Systems unter Hussein die Herausbildung eines neo-patrimonialen Herrschaftssystems. Die Breite des Spektrums der repräsentierten Interessen im Entscheidungszentrum gewährleisten das erforderliche Maß an Kommunikationsfluss und sichern die politische Stabilität. Dies geschieht auch durch das ständige in Bewegung halten der Input-Strukturen: Berater werden ernannt und wieder entlassen, Institutionen gegründet und wieder aufgelöst, Regierungen eingesetzt und wieder entlassen. Die Modifikationen des Systems in den 70er und 80er Jahren bedeuteten allerdings keinen wirklichen Pluralisums oder gar Demokratisierung. Es herrschte weiterhin eine Elitenkoalition aus transjordanischen Notablen, tscherkessischen und religiösen Minderheiten. In sozialer Hinsicht dominieren bis heute Bürokratie, Militär und eine erstarkte meist palästinensische Handelsburgeosie diese Elite. Dem patrimonialen System gelang es stets Konflikte, um den Zugang zu der staatlich dominierten Ressourcenzirkulation abzumildern und die politische Opposition einzudämmen, indem sie systemadäquat durch Kooptation in das bestehende System eingebunden, sie durch Repression gefügig gemacht und ihr die Teilhabe an der Ressourcenverteilung gewährt wurde, insoweit es für die Stabilität des Systems erforderlich war.592

Die Interessenaggregation und -artikulation wird in Jordanien in erster Linie von nichtautonomen, informalen Gruppen wahrgenommen, die sich primär auf Familie, Clan, Ethnie und Religion gründen, und erfolgt kaum durch „klassische Interessengruppen“ westlicher Systeme (Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Parteien etc.). Diese Struktur der Interessenwahrnehmung führt zu einer besonderen Form der Interessenvermittlung. Eine Einflussnahme auf politische Entscheidungen ist nur über Repräsentanten der klientelistischen Organisationen (Familienund Clanführer), die als Vermittler („Wastah“)593 zwischen den Interessen der Mitglieder und

591 Anderer 592 Vgl. 593 Zu

1991: 95.

Anderer 1991: 95f.

„Wastah“ in Jordanien siehe Czichowski 1988; Köndgen 1999: 180ff und Kapitel 4.1.3.1. 184

des übergeordneten politischen Systems fungieren, möglich. Der Zugang zu Entscheidungszentren und die Einflussnahme auf politische Willensbildungs- und Entscheidungsfindung setzen persönliche Kontakte voraus, so dass in Entscheidungsprozessen informale, personale Strukturen dominieren. So wird einerseits für das politische System die Komplexität reduziert und andererseits nimmt die politische Zentralgewalt die Interessen der Gesellschaft durch die Kommunikation mit deren politischen Führern wahr. Interessen werden folglich über „selektive Elitenrepräsentation“ artikuliert, die den personalen Charakter des patrimonialen Systemtyps bedingt. Die politische Opposition formiert sich zum einen aus Repräsentanten von Bevölkerungsschichten, die nicht Teil der etablierten Verteilungszirkel sind, zum anderen ist sie aber häufiger die Folge wachsender sozialer Differenzierung, deren wichtigste Repräsentanten berufsständische Organisationen der Freien Berufe (Ingenieure, Ärzte etc.) sind. Sie sind nicht nur ökonomisch unabhängig von der staatlichen Ressourcenzirkulation, sondern verfügen auch über die zur Interessenaggregation und -artikulation erforderlichen materiellen und intellektuellen Ressourcen.594

Interner und externer Druck führten in Jordanien zwar zur Bildung parlamentarischdemokratischer Partizipationsstrukturen, die allerdings meist nur temporär ihre eigentlichen Aufgaben erfüllen und an die Funktionserfordernisse des Systems angepasst sind. So werden beispielsweise Funktionen der Mobilisierung und der Interessenartikulation weniger von Parteien als von Bewegungen als Rekrutierungsplattform für Mitglieder von Clans und Familien bei Wahlen genutzt. Politische Partizipation wird auch durch gemeinnützige und Wohlfahrtsorganisationen, die häufig von der Mittelschicht initiiert werden und unter Patronage eines Mitglieds des Königshauses stehen, ausgeübt.595 Angesichts der großen wirtschaftlichen Außenabhängigkeit sind in Jordanien allerdings interne Strukturveränderungen für Policy-Impulse weniger wichtig als Veränderungen, die im internationalen Umfeld geschehen. Da der Bestand des Systems vom Fluss externer Ressourcen abhängig ist, ist Jordanien gezwungen, diese Ressourcenflüsse durch Aktivitäten außerhalb der Territorialgrenzen stabil zu erhalten und auszubauen. Damit haben Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik Priorität und die politischen Führer sind ständig damit beschäftigt, mögliche Änderungen der Revenuequellen und Geldgeber zu antizipieren und besonders im Falle sinkender externer Revenuen Gegenmaßnahmen zu ergreifen.596

594 Vgl.

Anderer 1991: 40f.

595 Vgl.

Anderer 1991: 35-37.

596 Vgl.

Pawelka 1993: 108. 185

Über Erfolg bzw. den Misserfolg von Policy-Wandel entscheidet in Jordanien auch die Diversifikation und langfristige Verfügbarkeit externer Revenuen. Solange Revenuen diversifiziert sind, d.h. Einnahmen aus unterschiedlichen Quellen kommen bzw. Geldgeber breit gestreut sind und Revenuequellen dauerhaft in ausreichender Höhe vorhanden sind, sind die Chancen für Entwicklung und Policy-Wandel gering.597

4.1.4.3 Der politische Liberalisierungsprozess und seine Auswirkungen auf die Partizipationsmöglichkeiten Die Besetzung der West Bank durch Israel in Folge des Krieges von 1967 ließ die palästinensischen Guerillakämpfer, die so genannten Fedajin, ihr Hauptquartier nach Jordanien verlagern. Dort kam es vor allem durch linke Splittergruppen der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO zur Missachtung der Souveränität des jordanischen Staates und sogar die Beseitigung des hashemitischen Regimes wurde gefordert. Nach dem erfolglosen Versuch König Husseins, die palästinensischen Fedajin staatlicher Diziplin zu unterwerfen, brach im Februar 1970 ein zehntätiger Bürgerkrieg mit hunderten von Toten aus, der als „Schwarzer September“ in die Geschichte einging. Im Oktober des gleichen Jahres verpflichtete ein Abkommen die palästinensischen Fedajin, ihre Militärlager in Jordanien aufzulösen und sich strikt an die jordanischen Gesetze zu halten und im Juli 1971 wurden die letzten Fedajin nach Gefechten mit der jordanischen Armee gefangen genommen oder aus dem Land vertrieben. Als Folge des Rabater Beschlusses von 1974 über den Alleinvertretungsanspruch der Organisation der PLO in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten hatte König Hussein im Februar 1975 das Parlament aufgelöst und die Zahl der Kabinettsmitglieder palästinensischer Herkunft drastisch reduziert. Ein Jahr später ließ er durch Verfassungsänderung Neuwahlen auf unbestimmte Zeit verschieben.598

Erst Mitte der 80er Jahre kam es zu Modifizierungen des politischen Systems und 1989 wurde der Prozess der politischen Liberalisierung beschleunigt. In der Literatur werden die Gründe hierfür zwar auch in den Entwicklungen auf internationaler Ebene gesehen, aber vor allem auf interne Begebenheiten zurückgeführt. Die Öffnung der Sowjetunion und die Demokratisierungsprozesse in Osteuropa sorgten für eine Aufbruchstimmung, die für Liberalisierung, Demokratie und Menschenrechte eintrat. Auf regionaler Ebene bewirkten insbesondere die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern und die Vermittlerrolle Jordaniens, aber

597 Siehe 598 Vgl.

hierzu Anderer 1991: 54f.

Köndgen 1999: 73ff. 186

auch der Niedergang der arabischen Linken, die zuvor als sozialistische Bedrohung der jordanischen Monarchie wahrgenommen wurde, eine liberalere Haltung.599 In Jordanien selbst löste die Preissteigerung für Kraftstoff und andere subventionierte Güter im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im April 1989 Unruhen im Süden des Landes aus. Angesichts der sehr schlechten wirtschaftlichen Lage war die jordanische Führung nicht mehr fähig, die materielle Grundversorgung der Bürger zu gewährleisten und büßte infolgedessen die Loyalität der dort lebenden und sonst so regimetreuen Transjordanier ein. Zur Bewältigung der Krise blieb der jordanischen Regierung nur noch die Einleitung des politischen Liberalisierungsprozesses. Nach über zwanzig Jahren wurden 1989 erstmals wieder Wahlen durchgeführt, bei denen allerdings noch keine politischen Parteien zugelassen waren. Die Muslimbrüder, die als „wohltätige Organisation“ einen Sonderstatus innehatten, gingen als stärkste Oppositionsgruppe hervor und erhielten zusammen mit unabhängigen Islamisten 34 von 80 Sitzen. Als weiterer wichtiger Schritt im Liberalisierungsprozess wurde die so genannte Nationalcharta als Ergänzung zur jordanischen Verfassung erstellt und im Juni 1991 vom Nationalkongress, in dem alle gesellschaftlich relevanten Gruppen repräsentiert waren, ratifiziert. Sie garantiert als legitimiertes und konsens-stiftendes Dokument ein auf Pluralismus beruhendes freiheitliches politisches System. Gleichzeitig wird aber auch die Einheit der Bevölkerung und die Herrschaft der haschemitischen Dynastie auf eine solide, unauflösliche Basis gestellt.600 Die Nationalcharta gilt somit als wichtiger Sozialvertrag zwischen staatlichen Autoritäten und nichtstaatlichen politischen Akteuren. Zweifellos hat die Charta politische Bedeutung, besitzt aber keinen formalen rechtlichen Status und ist damit rechtlich nicht verbindlich. Im Zuge der Öffnung des politischen Systems blühte auch die Presselandschaft auf und bot Raum für unterschiedlichste Meinungen. Zu Beginn des Liberalisierungsprozesses in der Zeit von 1989 bis 1993 herrschte die größte Presse- und Meinungsfreiheit, die Jordanien je erfahren hat. Es gab kaum Tabuthemen, die nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Das Kriegsrecht und der Ausnahmezustand wurden allerdings erst im weiteren Liberalisierungsverlauf im Sommer 1992 aufgehoben. Im September des gleichen Jahres wurden mit der Verabschiedung des Parteiengesetzes erstmals seit 1957601 wieder politische Parteien zugelassen, die allerdings kaum Zeit hatten, sich zu organisieren. Vielen der neu gegründeten bzw. wiederbelebten Parteien fehlten die finanziellen Ressourcen, so dass letztlich nur wenige Parteien an den Parlamentswahlen im No-

599 Vgl.

z.B. Al-Razzaz 1996.

600 Vgl.

Fathi 1994: 236.

601

König Hussein hatte nach einer kurzen Phase des Parteienpluralismus im Jahre 1957 politische Parteien, die sich in seinen Augen als Protagonisten fremder Ideologien und staatlicher Interessen erwiesen hatten, generell verboten. 187

vember 1993 teilnahmen. Nach dieser Wahl blieben die Islamisten weiterhin, wenn auch nur noch mit 18 Sitzen stärkste Opposition, während der moderate royalistische Block 59 Sitze der insgesamt 80 Sitze erhielt.

Mitte der 90er Jahre setzte ein Rückwärtstrend des Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozesses ein.602 Der Friedensvertrag mit Israel 1994 konnte den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung nicht einleiten und so machte im August 1996 die immer noch schwierige ökonomische Lage die erneute Kürzung der Verbrauchersubventionen für Grundnahrungsmittel wie Mehl und Brot im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms notwendig. Insbesondere der starke Anstieg des Brotpreises löste erneut Unruhen und Demonstrationen im traditionell sonst so regimetreuen Süden des Landes aus. Rücktrittsforderungen an den damaligen Premierminister Zeid Rifai wurden laut, eine Änderung des Wahlgesetzes, die Verfolgung und Maßnahmen gegen die Korruption und mehr Demokratisierung wurden gefordert.603 Doch dieses Mal reagierte das Regime deutlich repressiver als 1989, machte keinerlei politische Zugeständnisse und veranlasste eine Reihe von Verhaftungen, vor allem von linken und nationalistischen politischen Kräften. Die Restriktionen hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung nahmen zu und gipfelten in einer drastischen Verschärfung des Pressegesetzes. Das Pressegesetz von 1993 schränkte die Freiheiten wieder deutlich ein, indem eine Liste über Themen, über die nicht berichtet werden durfte, festgesetzt wurde und die oppositionelle Presse durch Androhung von Geld- und Haftstrafen eingeschüchtert wurde. Im Jahr 1997 erfuhr das Pressegesetz eine weitere Verschärfung. Kurz vor den Wahlen im Mai 1997 wurden viele kritische Zeitungen verboten.604 Trotz der erklärten Verfassungswidrigkeit des Gesetzes von 1997 und dessen Aufhebung, wurde ein neuer nicht weniger restriktiver Gesetzesentwurf 1998 vom Parlament bestätigt und bis heute die restriktive Handhabe der Presse- und Meinungsfreiheit beibehalten. Infolge dieser Ereignisse wurden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1997 von der Muslimbruderschaft/Islamic Action Front und von weiteren acht politischen Parteien, unterstützt von Berufsverbänden und zahlreichen prominenten Persönlichkeiten, boykottiert. Waren die Wahlen von 1989 und 1993 noch relativ frei von Manipulationen, kam es 1997 doch zu vielen Unregelmäßigkeiten und Kandidaten wurden des Wahlbetrugs verdächtigt.605 Den mit dem Boykott verbundenen Forderungen nach Aufhebung und Neuregelung des Pressegesetzes, Abschaffung des „One-man-one-vote“ Wahlsys-

602 Vgl.

Köndgen 1999: 92; Dieterich 1998: 294.

603 Vgl.

Winckler 1997: 88f.

604 Vgl.

Kilani 1997: 32.

605 Vgl.

Köndgen 1999: 124f. 188

tems606, die Einführung einer echten Gewaltentrennung und der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Justiz wurde nicht nachgekommen. Politische Parteien blieben auch bei diesen Wahlen von geringer Bedeutung und im 13. jordanischen Parlament gehörten offiziell nur 5 der 80 Abgeordneten politischen Parteien an, dies sind etwas über sechs Prozent.607

Trotz der Wiederzulassung politischer Parteien im Zuge des politischen Liberalisierungsprozesses im Jahr 1992 haben es diese bis heute nicht geschafft, die Bevölkerung zu mobilisieren und eine große Zahl von Anhängern zu gewinnen. Die meisten von ihnen können nur auf eine bescheidene Mitgliederzahl, unter 200 Mitgliedern, verweisen. An westlichen Maßstäben gemessen sind politische Parteien in Jordanien bedeutungslos geblieben und haben Umfragen zufolge keinen Einfluss auf das politische Geschehen im Land. Eine Ausnahme stellt die einflussreiche Islamic Action Front als politischer Arm der Muslimbrüder dar. Die Gründe für die schwache politische Position der Parteien liegen nach Olaf Köndgen auf drei Ebenen. Politischinstitutionell werden die Parteien vom Staat und seinen Eliten nicht als Partner, sondern eher als Gegner im politischen Prozess gesehen, der nach dem Parteiengesetz unter strenger staatlicher Kontrolle steht. Tatsächlich können die politischen Parteien weder auf die Bevölkerung via staatlicher Medien noch auf das parlamentarische Geschehen - besonders im Zuge des Wahlboykotts 1997 haben sie sich selbst weiter marginalisiert - bedeutenden Einfluss ausüben. Abgesehen davon ist das Parlament selbst relativ machtlos und kann kaum Kontrolle auf die Regierung ausüben, da das vom König ernannte Kabinett oft Entscheidungen, vor allem bei wichtigen innen- und außenpolitischen Fragen, am Parlament vorbei trifft. Der geringe parlamentarische Einfluss der Parteien wirkt sich auf der sozioökonomischen Ebene insofern aus, dass die Parteien nicht in der Lage sind, ihre potenzielle Wählerschaft davon zu überzeugen, dass sie deren ökonomische Interessen effizienter vertreten können als Berufsverbände, Handelskammern oder informelle Netzwerke. Auf der soziokulturellen Ebene schließlich existiert ein traditionell stammes- und familienorientiertes Wählerverhalten, das den jordanischen Wähler nur in geringem Maße für Ideologien, mit Ausnahme der islamistischen, empfänglich macht.608 Ähnlich sieht dies Samir Habashneh, der in der Indifferenz und den Marginalisierungsversuchen der Regierung, in der Dominanz tribalistischer Loyalität, aber auch in der schwachen Finanzlage vieler

606 Das

Wahlsystem „One-man-one-vote“ ist angesichts des starken Einflusses tribalistischer Strukturen ungeeignet, zu einer Ausdifferenzierung der Parteienlandschaft beizutragen, und lässt stattdessen den Einfluss der Stämme weiter steigen (vgl. Köndgen 6/1998: 77).

607 Vgl.

Köndgen 6/1998: 62-70.

608 Vgl.

Köndgen 1999: 109ff. 189

Parteien die Haupthindernisse für eine parteipolitische Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse feststellt.609

Wie die politischen Parteien haben sich auch die so genannten Nichtregierungsorganisationen (NRO) in Jordanien mal mehr und mal weniger unter staatlicher Kontrolle entwickelt, auch wenn ihre Zahl und ihre Aktivitäten in den letzten vier Jahrzehnten stark zugenommen haben. Im Jahr 1994 waren in Jordanien mehr als 600 NRO mit um die 60000 Mitgliedern registriert, die in der Mehrzahl als Wohlfahrtsorganisationen im sozialen Bereich tätig waren und ihren karitativen Beitrag meist auf kommunaler Ebene für sozial Benachteiligte leisteten. Im gleichen Jahr investierten nichtstaatliche Organisationen 14 Millionen US$ in unterschiedliche Projekte, von denen 30% über die Dachorganisation General Union of Voluntary Societies (GUVS) aus der National Charitable Lottery zur Verfügung gestellt wurde. Seit dem Demokratisierungsprozess Ende der 80er Jahre sind viele neue Interessengruppen entstanden, die in unterschiedlichen Bereichen aktiv sind, darunter Umweltschutz-, Menschenrechts- und Frauenorganisationen.610 Die Stärken der Nichtregierungsorganisationen in Jordanien sieht Asma Khader in dem hohen Engagement und Einsatzwillen der ehrenamtlichen Mitglieder, aber auch in der guten Qualität ihrer Arbeit und ihrer Flexibilität im Vergleich zu den schwerfälligen staatlichen Institutionen: „It is well known fact that the performance of NGO versus government organizations in many field is incomparable. That could be attributed to the efficient and effective method of management followed by NGOs: leadership of NGOs are elected and continue to work only if they produce first class standards. The limited resources available for them and the challenges which they are facing to reach their targets add strength to NGOs. The overhead costs of NGOs are low compared to that of the bureaucracy, and studies show that they did not exceed 3-5% of NGO income.“611 Die bedeutende Rolle der Nichtregierungsorganisationen im sozialen Sektor beweist die Tatsache, dass sie 60% der Dienstleistungen im Bereich der sozialen Wohlfahrt im Land decken. Insofern ist der Staat, der angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen nicht in der Lage ist, alle Aufgaben im sozialen Bereich zu erfüllen, auf das Engagement und die Unterstützung der nichtstaatlichen Organisationen angewiesen. Andererseits leidet die Effizienz der Arbeit vor

609 Vgl.

Habashneh 1996: 172f.

610 Vgl.

Khatib 1994: 5ff.

611 Khatib

1994: 19. 190

allem kleiner auf lokaler Ebene aktiven Nichtregierungsorganisationen auch am Mangel finanzieller Mittel und unter den oft gering ausgebildeten Managementfähigkeiten, die nötig wären, um den komplexen Aufgaben und Zielen gerecht zu werden. Darüber hinaus fehlt es an effektiver Zusammenarbeit und Koordination zwischen einzelnen nichtstaatlichen Organisationen sowie zwischen NRO und staatlichen Institutionen. Die Folgen sind Aufgabenüberschneidung und Doppelarbeit sowie unzureichende Informations- und Datenlage für die Arbeit einzelner NRO.612 Zeitweise besteht sogar ein Konkurrenzverhältnis zwischen Staat und NRO, wenn es um die finanzielle Unterstützung ausländischer und internationaler Geberorganisationen geht. In diesem Zusammenhang nehmen die Organisationen, die ein Mitglied der Königsfamilie zum Vorsitz haben und auf deren Themen und Projekte die Monarchie entscheidenden Einfluss hat, eine Sonderstellung ein. Sie werden von westlichen Beobachtern auch die königlichen NRO, kurz RiNGOs („Royal NGOs“/königliche NRO) genannt, sind besser organisiert und finanzkräftiger als andere NRO und können tatsächlich mit Ministerien konkurrieren. Sie werben erfolgreich ohne gesetzliche Beschränkung und ministerielle Genehmigung internationale Entwicklungshilfegelder an, die aber gleichzeitig den anderen NRO verloren gehen und diese daher weniger Einfluss auf politische und soziale Prozesse nehmen können.613

In anderen Fällen wird die Flexibilität und Unabhängigkeit der nichtstaatlichen Organisationen durch einen restriktiven gesetzlichen Rahmen beschnitten, der die NRO in ihrer Entfaltungsmöglichkeit einschränkt und unter die Kontrolle des Staates stellt. In der Verfassung ist zwar das Recht auf Gründung von Parteien und Gesellschaften verankert, allerdings mit dem Vorbehalt, dass die Ressourcen der Gesellschaften per Gesetzesbeschluss durch den Staat kontrolliert werden können. Durch das Gesetz für Institutionen und soziale Gesellschaften, das bereits 1966 in Kraft trat und 1995 leicht verändert wurde, werden die nichtstaatlichen Akteure einer Reihe von Beschränkungen ausgesetzt, die sie unter die Kontrolle des Sozial- oder Innenministeriums bringen.614

612 Vgl.

Khatib 1994: 20f.

613 Vgl.

Köndgen 1999: 120f. Die Arbeit ausländischer Organisationen in Jordanien und ihre Unterstützung jordanischer Institutionen der Zivilgesellschaft wird von Einheimischen kritisch gesehen. Während die Gegner eine solche Zusammenarbeit mit dem Kolonialismus und Spionage in Verbindung bringen und als Kulturimperialismus strikt ablehnen, begrüßen die Befürworter den problemlosen Eingang westlicher Konzepte wie Demokratie und Menschenrechte in die politische Kultur des Landes (vgl. Khalil 1995: 406-409).

614 Die

Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer Organisation kann soweit gehen, dass durch Ministerialentscheid der Minister sogar temporär den Vorstand für eine Gesellschaft benennen und einsetzen kann. Darüber hinaus hat der Minister das Recht, eine Gesellschaft auf Empfehlung des Generaldirektors oder des Dachverbandes aufzulösen, wenn die Gesellschaft beispielsweise gegen ihre Satzung verstößt, ihre Ziele nicht erreicht, sie Staatsbeamten die Teilnahme an ihren Versammlungen oder die Einsicht in ihre Dokumente verwehrt. Tatsächlich kam es bisher bei vielen Organisationen zu Verstößen gegen die Vorschriften und die interne Satzung. 191

Im Gegensatz zu den politischen Parteien und nichtköniglichen Nichtregierungsorganisationen wurden die mitgliederstarken Berufsverbände der Ärzte, Ingenieure und anderer Berufsgruppen ursprünglich vom Staat gegründet und sind damit keine authentischen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. Dennoch haben sie in den Jahren des Parteienverbots deren Funktionen teilweise übernommen und spielen über die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder hinaus, auch eine wichtige politische Rolle in Jordanien. Sie stellen eine wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtige Elite dar, die zwar Veränderungen nicht gegen den Willen des Staates durchsetzen kann, auf deren Einbindung in politische Prozesse und Kooperation der Staat aber dennoch bedacht ist. Die Gewerkschaften hingegen haben seit ihrem Entstehen in den 50er Jahren mehr und mehr an Autonomie eingebüßt und stehen seit Mitte der 80er Jahre unter strenger staatlicher Kontrolle.615

Weder durch die Legalisierung der politischen Parteien noch durch die Entstehung nichtstaatlicher Organisationen als neue Gruppierungen der Interessenvertretung konnte das neopatrimoniale politische System mit seinem personalen Charakter, dem auf der individuellen Ebene über informale Interessenvertretungen leichter entsprochen werden kann als mittels politischer Parteien und Interessenvertretungen, letztlich nicht grundlegend nachhaltig verändert werden. Die Parteienlandschaft in Jordanien entwickelt sich vielmehr systemadäquat, hat sich bisher kaum institutionalisiert und richtete keine politischen Ansprüche an das patrimoniale Zentrum.616 Die Dominanz des Monarchen über Exekutive und Legislative beschränkt Macht und Einfluss von Parlamenten, Parteien und Interessengruppen in Jordanien maßgeblich. Somit haben seit dem Beginn des Liberalisierungsprozesses Ende der 80er Jahre tribale Strukturen und klientelistische Beziehungsgeflechte keineswegs an Bedeutung verloren, sondern durch den traditionalen Stil des Regierens bleibt die Autorität letztlich bei der Monarchie.617 So kommt Gudrun Krämer bei der Einschätzung des politischen Liberalisierungsprozesses in Jordanien zu folgendem Schluss: „Liberalization left the underlying power-structure virtually intact. The power over the army and the security, the control of TV and radio, the concentration of power in the hands of the ruler, and the networks of informal personal ties („power centres“) remained basically unaffected. The purpose of liberalization from above is clear:

Dennoch kommen solche Verstöße meist nicht vor Gericht, da die Mitglieder zu schwach sind, sich dagegen zu wehren (vgl. Khader 1998: 2ff). 615 Vgl.

Köndgen 1999: 123.

616 Vgl.

Fathi 1994: 148 und Haas 1975: 123f

617 Vgl.

hierzu Fathi 1994. 192

stabilize the system, broaden its base of support, enhance legitimacy at home and abroad, prepare the grounds for a wider distribution of responsibility for structural reform in a very stringent austerity measures and marginalize and delegitimize those that refuse to be co-opted into the system.“618 Die Ursache für den bislang fehlenden strukturellen Wandel zur tief greifenden Veränderung autoritärer Herrschaftsmuster sieht Renate Dieterich in der Intransigenz der jordanischen Führung, die einen wirklichen Machtwechsel nicht zulässt.619 Der Demokratisierungsprozess in Jordanien hat letztlich zu keiner Umstrukturierung des politischen Systems geführt. Die Partizipationsmöglichkeiten der gesellschaftlichen Interessengruppen wurden zwar ausgedehnt, aber dennoch bleiben politische Entscheidungen weiterhin den Ministerien bzw. letztendlich dem König überlassen. Insgesamt gesehen hat Jordanien im Vergleich zu anderen arabischen Ländern in der Region Fortschritte in Richtung Demokratisierung gemacht und der Liberalisierungsprozess im Land gilt als beispielhaft für die arabische Welt. Doch ist der Demokratisierungsprozess noch lange nicht soweit fortgeschritten, als dass er mit der Demokratie in westlichen Ländern zu vergleichen wäre.

4.1.5

Akteure in der umweltpolitischen Arena

4.1.5.1 Ministerien mit umweltpolitischen Kompetenzen Bis zur Gründung der neuen Umweltabteilung innerhalb des Ministeriums für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umweltpolitik im Jahr 1980 war die Verantwortlichkeit für umweltbezogene Aufgaben auf unterschiedliche Ministerien verteilt. Selbst nach der Einrichtung der Umweltabteilung, die eigentlich die führende Rolle im Bereich Umweltschutz übernehmen sollte, spielten verschiedene Ministerien weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Implementierung umweltpolitischer Maßnahmen in Jordanien. Dabei handelte es sich um Ministerien, die für das Management natürlicher Ressourcen verantwortlich waren und deren Kompetenzen sich daher auch auf den Schutz dieser Ressourcen erstreckten. Innerhalb dieser Ministerien gab es wiederum Behörden und Abteilungen die wichtige Umweltschutzaufgaben wahrnahmen.620 Bis heute erfüllen sie wichtige Funktionen im Bereich des Umweltschutzes, im Vergleich zu den 80er Jahren sind sie aber etwas zurückgedrängt worden.

618 Krämer 619 Vgl. 620 Die

1994: 201f.

Dieterich 1998: 298.

folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf Trick 1992: 8ff. 193

Eines der wichtigen Ministerien ist das Ministerium für Wasser und Bewässerung (Ministry of Water and Irrigation, MWI), das für die Wasserbereitstellung und die Unterhaltung von Kläranlagen verantwortlich ist. Im Rahmen der Aktivitäten zum Management der Wasserqualität sollen Oberflächengewässer vor industriellen und städtischen Abwassereinleitungen geschützt werden. Zwei Behörden sind dem Ministerium unterstellt. Die Jordan Valley Authority (JVA) ist für die Bewässerung im Jordantal und damit verbundenen Umweltfragen zuständig. Eine wichtigere Rolle im Bereich Umweltschutz spielt die Water Authority of Jordan (WAJ), da sie für die Bereitstellung von Trinkwasser und die öffentliche Abwasserbehandlung verantwortlich ist. Neben der Entwicklung der Oberflächen- und Grundwasserressourcen und der Regulierung der Wassernutzung durch die Vorbeugung von Wasserverlusten und der Wasserverschwendung, ist die Überwachung und Kontrolle der Qualität dieser Wasserressourcen eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die durch den Schutz vor Verschmutzung auf die Verbesserung der Wasserqualität abzielt. Die Wasserbehörde führt daher Projekte zum Abwassermanagement durch, entwickelt und veröffentlicht Wasserqualitätsstandards und sorgt für deren Einhaltung. Werden diese von Industriebetrieben nicht eingehalten wird die WAJ mit technischen Arbeiten bei der Schließung der Betriebe betraut. Als weiteres Ministerium ist das Gesundheitsministerium (Ministry of Heath, MoH) für die Verwaltung und Kontrolle der Wasserqualität, insbesondere der Trinkwasserqualität, zuständig. Die damit zusammenhängenden Gesundheits- und Sicherheitsfragen klärt das MoH durch die Analyse biologischer Kontamination und die Überwachung der Wasserbereitstellung. Es verfügt aber nicht nur über Labore zur Prüfung und Überwachung der Wasserqualität, sondern auch zur Kontrolle der Nahrungsmittelreinheit. Um die öffentliche Gesundheit hinsichtlich Trinkwasser, Abwasser, Nahrungsmittel und Arbeitsumwelt zu garantieren wurde bereits 1958 das Department of Environmental Health eingerichtet, das regelmäßige Untersuchungen durchführt und Studien erstellt. Das Gesundheitsministerium verfügt darüber hinaus über die notwendige Vollmacht, Industriebetriebe, die gegen Gesundheitsvorschriften verstoßen, sei es durch Luft- oder Wasserverschmutzung, zu schließen. So waren das Gesundheitsministerium und die WAJ Anfang der 90er Jahre an der Schließung von Industrien, die Wasserqualitätsstandards nicht einhielten, beteiligt.

Das Landwirtschaftsministerium (Ministry of Agriculture, MoA) ist für Management und Schutz der Wälder und des Weidelandes, die Durchsetzung von Jagd- und Fischereigesetzen sowie die Registrierung und Überwachung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft in Jordanien verantwortlich. Das Ministerium hat ein Programm zum Schutz der Wälder erstellt und die Verantwortung zur Implementierung des Programms dem ihm unterstellten Department of Forestries and Rangelands übertragen. Dieses sorgt mit seinem Netzwerk von Förstern, die die Wälder vor 194

weidenden Tieren, illegaler Abholzung und Feuer schützen, und durch den Erwerb von Land zur Aufforstung für die Umsetzung des Programms. Angesichts mangelnder gesetzlicher Grundlage und eines fehlenden Landnutzungsplans war das Landwirtschaftsministerium bisher nicht in der Lage, den Missbrauch von Land zu kontrollieren und die Ausweitung urbaner Aktivitäten auf landwirtschaftliche Nutzflächen einzudämmen.

Als weitere Ministerien wirken sich die Aktivitäten des Ministeriums für Energie und Mineralische Ressourcen (Ministry of Energy and Mineral Resources, MEM) und des Ministeriums für Industrie und Handel (Ministry of Industry and Trade, MIT) auf die Umwelt und natürliche Ressourcen aus. Innerhalb des MEM widmet sich seit den 80er Jahren vor allem die Natural Resource Authority (NRA) Umweltschutzfragen, die mit der Lizenzierung von Bergbauminen und Steinbrüchen beauftragt ist. In Zusammenarbeit mit Bürgermeistern veranlasste sie in den 80er Jahren Schließungen von Steinbrüchen wegen Lärmbelästigung, Staubentwicklung und Sicherheitsproblemen. Doch erst Anfang der 90er Jahre wurde im Rahmen der Überarbeitung des Bergbaugesetzes damit begonnen, Umweltschutzbestimmungen sowie Vorschriften zur Wiederherstellung von Land in das Gesetz einzuarbeiten. Innerhalb des Ministeriums für Industrie und Handel (Ministry of Industry and Trade, MIT) hatte das Department of Standards and Specifications, das für die Bekanntmachung und Verbreitung von Standards zuständig ist, während der 80er Jahre als umweltrelevante Standards hinsichtlich der Erfordernisse zur Lagerung von gefährlichen Substanzen (JS 431: 1985), der Nahrungsmittelreinheit (JS 493: 1987) und im Jahr 1991 Qualitätsstandards für industrielle Abwasser veröffentlicht (JS 202: 1991).621 Ebenso wird die Arbeit des Ministeriums für Tourismus und Altertümer (Ministry of Tourism and Antiquities, MTA) insofern als umweltrelevant betrachtet, als es nicht nur für den Schutz der archäologischen Stätten in Jordanien, sondern auch für den Erhalt der natürlichen Umgebung, in die diese eingebettet sind, verantwortlich ist. Das ihm unterstellte Department of Antiquities hat Zentren errichtet und Inspektoren eingesetzt, die Erhalt und Schutz der archäologischen Stätten und der Natur überwachen sollen. Darüber hinaus ist diese Abteilung für die Lizenzierung von baulichen und industriellen Aktivitäten verantwortlich und berücksichtigt dabei die Auswirkung dieser Aktivitäten auf die archäologischen Stätten und deren natürliche Umgebung. Mit Hilfe der Polizei verfolgt sie Raub und illegalen Handel mit Altertümern.

621 Vgl.

Jordan Institution for Standards and Metrology 1999: 60ff. 195

4.1.5.2 Die Schaffung der ersten Träger von Umweltbelangen Auf Beschluss des Ministerrats wurde als erste staatliche umweltpolitische Institution in Jordanien am 9. März 1980 das Department of Environment (DoE) als neue Umweltabteilung innerhalb des Ministeriums für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt geschaffen. Nachdem zuvor die Zuordnung des neuen Umweltdepartments dem Gesundheitsministerium oder Landwirtschaftsministerium ausgeschlossen worden war. Im organisatorischen Aufbau wurde die neue Umweltabteilung in fünf Unterabteilungen eingeteilt, deren Aufgabengebiete sich auf den Schutz des Bodens, der Luft, des Wassers und der Natur sowie Umwelterziehung und Öffentlichkeitsarbeit erstreckten. Das DoE war bis zur Etablierung der neuen Umweltbehörde General Corporation for Environment Protection (GCEP) im Jahr 1995 für die Festlegung der Umweltpolitik und Überwachung des Umweltschutzes in Jordanien verantwortlich. Seine wichtigsten Aufgabenbereiche umfassten: –

Formulierung der Grundlagen zur Organisation des Umweltschutzes



Vorbereitung der Nationalen Umweltstrategie (National Environmental Strategy, NES)



Durchführung von Studien und Forschung zur Umweltverschmutzungskontrolle



Überprüfung von Entwicklungsprojekten in Industrie-, Landwirtschafts- und Bausektor hinsichtlich ihrer Umweltschutzvorkehrungen



Festlegen von Umweltqualitätsstandards und Kriterien bei der Boden-, Luft- und Wasserverschmutzung



Überwachung des Umweltschutzes



Vorbereitung von Projekten zu Umweltschutzgesetzen, -regulierungen und -erlassen.

Anfang der 90er Jahre arbeiteten 31 Angestellte in der Umweltabteilung, deren Budget sich 1991 schätzungsweise auf 150 000 US$ belief, ausgenommen der 120 000 US$ die der Royal Scientific Society (RSS) für Aktivitäten zu Beobachtung der Umwelt und Überwachung der Umweltqualität zur Verfügung gestellt wurden.622 In den 15 Jahren ihrer Existenz erfüllte die Umweltabteilung des MMRAE wichtige Koordinierungsaufgaben und hatte ihren größten Einzelerfolg mit der Erstellung der National Environmental Strategy für Jordanien aufzuweisen. Im Rahmen eines nationalen Projekts zur Kontrolle der Wasserverschmutzung wurde die RSS beauftragt, Messungen durchzuführen, Studien zur Umweltverschmutzung und zu Partizipationsfragen bei umweltpolitischen Verhandlungen zu erstellen, Lizenznachfragen von industriellen und landwirtschaftlichen Betrieben auf Umweltschutzaspekte hin zu überprüfen und Beschwerden der Bürger über Umweltverschmutzungen nachzugehen. Darüber hinaus nahm das DoE an

622 Vgl.

Trick 1992: 50. 196

regionalen und internationalen Umweltkonferenzen teil, bereitete die Ratifizierung internationaler Abkommen vor und koordinierte die Erstellung von Entwürfen eines nationalen Umweltrahmengesetzes.623

Die geringe Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzerfordernissen in den 80er Jahren ist gerade auf das Fehlen einer solchen gesetzlichen Grundlage, unzureichende Vollmachten und den Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen des Umweltdepartments zurückzuführen. Das Department of Environment besaß weder Laboratorien noch wurden regelmäßig Kontrollen der Umweltqualität durchgeführt, da es keine qualifizierten Inspektoren gab, die die Einhaltung von Umweltstandards überwachten. So konnten Fabriken und Industrieanlagen um Kosten zu sparen ihre Kläranlagen zeitweise abschalten, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.624 Inspektionen und Untersuchungen wurden lediglich ad hoc auf Beschwerden hin veranlasst und waren schlecht koordiniert, so dass oft bis zu fünf Inspektoren-Teams aus unterschiedlichen Ministerien vor Ort waren. Als Mitglied des Komitees zur Entwicklung von Umweltstandards und -kriterien, das sich aus Vertretern unterschiedlicher Institutionen zusammensetzt, konnte sich das DoE meist nicht gegenüber den anderen Mitgliedern durchsetzen, da die führende Rolle oft von anderen Institutionen wahrgenommen wurde. So änderte das Department for Standards and Specifications beispielsweise die Abwasserqualitätsstandards.625

Angesichts mangelnder gesetzlicher Grundlage und Vollmachten versuchte das DoE in den 80er Jahren Umweltschutzmaßnahmen in erster Linie über persönliche Kontakte durchzusetzen. So konnte durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem damaligen Direktor des DoE und dem jordanischen Innenminister Druck auf die Fabrikbesitzer ausgeübt werden und es gelang drei Fabriken zu schließen, die gegen Umweltauflagen verstießen, ohne auf eine gesetzliche Grundlage zurückgreifen zu müssen. Da die Fabrikbesitzer aber keinen langwierigen und kostspieligen Gerichtsprozess riskieren wollten, traten sie letztlich in Verhandlung mit dem DoE, kooperierten und erfüllten die Umweltauflagen. In anderen Fällen blieb es bei Verwarnungen und Regelungen, die über informelle persönliche Kontakte zwischen dem Direktor des DoE und Besitzern von Industriebetrieben zustande kamen. So berichtet Dr. Sufyan Tell von einem konkreten Fall während seiner Amtszeit als Direktor des DoE:

623 Vgl. 624 Dr.

Tell/Sarah 1989: 275ff.

Sufyan Tell, ehemaliger Direktor des Department of Environment, Interview am 24.10.1999.

625 Vgl.

Trick 1992: 50f. 197

„(...) zum Beispiel eine der größten Medikamentenfabriken, die Müll unsachgemäß gelagert hatte. Ich habe einen Bericht geschrieben und ich tätigte einen Telefonanruf; der Besitzer ist ein Freund von mir, ich kenne ihn gut. Und als ich ihm von dem Report berichtet habe, sagte er, ah, ich glaube der Report meint diesen Müll in der Ecke. Ich habe ’ja’ gesagt, ’das wissen sie’. Nach zwei Tagen schickte ich meine Leute. So haben wir angefangen, den Leuten auf freundliche Art und Weise Umweltschutz beizubringen. Und die meisten haben sehr gut reagiert.“626 Im Juni 1991 wurden vom Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Industrie und Handel, dem Ministerium für Wasser und Bewässerung sowie vom Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt strikte Maßnahmen zur Durchsetzung der Einhaltung der Abwasserstandards ergriffen. Vierzig industrielle und kommerzielle Betriebe, die lange Zeit gegen vorgeschriebene Abwasserqualitätsstandards verstoßen hatten, wurden vorübergehend geschlossen. Das DoE unterstützte diese Schließungen, indem es die von der RSS durchgeführten Messungen, die die Überschreitungen der Abwasserqualitätsstandards belegten, finanzierte. Die Schließung selbst wurde letztlich vom Gesundheitsminister vollzogen.627 Ein weiterer Hinweis auf die schwache Stellung und geringe Durchsetzungsfähigkeit des DoE gegenüber anderen im Umweltbereich aktiven Ministerien.

Im semistaatlichen und nichtstaatlichen Bereich hatten sich einige umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen und Umweltforschungsinstitute während der 80er Jahre bis Anfang der 90er Jahre als weitere Akteure, deren vorrangiges Ziel der Schutz der Umwelt ist, etabliert. Die älteste nichtstaatliche Umweltorganisation in Jordanien ist die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN), die bereits 1966 unter der Patronage von König Hussein gegründet wurde. Ihr Ziel ist es, die einheimische Flora und Fauna sowie ihren Lebensraum zu schützen und so zum Erhalt der Biodiversität in Jordanien beizutragen. Dieses Ziel verfolgt sie in erster Linie durch die Einrichtung und das Management von Naturreservaten und Nationalparks, wozu sie von König Hussein in den 60er Jahren aufgefordert wurde, und in denen gefährdete oder gar lokal ausgestorbene Tierarten wie der Oryx wieder angesiedelt und unter Schutz gestellt werden. Im Jahr 1975 wurde ihr vom Landwirtschaftsministerium die Vollmacht zur Umsetzung des Geset-

626 Dr.

Sufyan Tell, ehemaliger Direktor des Department of Environment, Interview am 24.10.1999.

627 Bei

dieser Aktion gestaltete sich die Koordination zwischen den einzelnen Ministerien und Behörden schwierig, da nur das MoH die Vollmacht zur Schließung hatte, diese aber nur mit Hilfe der Stadtverwaltungen und der Polizei vollzogen werden konnte. Die Water Authority of Jordan (WAJ) gab die technische Unterstützung zur Schließung, die Macht des MoH wurde genutzt und MMRAE initiierte die Durchführung. Die Aktion löste Kontroversen aus und ein Komitee aus Vertretern des MoH, MoWI, MoIT und MMRAE wurde gebildet, die Verhandlungen mit Fabrik- und Firmenbesitzern über Maßnahmen zur Verbesserung der Abwasserqualität führten, so dass nach Festsetzung von Auflagen die Betriebe wieder geöffnet werden konnten (vgl. Trick 1992: 11). 198

zes zum Schutz des Tierlebens übertragen. Die RSCN setzt sich für den Erhalt von Bauwerken und archäologischen Stätten innerhalb von Naturreservaten ein, ist das vom Landwirtschaftsministerium bevollmächtigte Überwachungsorgan zur Kontrolle von Jagdaktivitäten und ergreift vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung, insbesondere der Meeresumwelt im Golf von Aqaba. Darüber hinaus trägt die RSCN mit unterschiedlichen Aktivitäten zur Umwelterziehung und Umweltbewusstseinsbildung der jordanischen Bevölkerung bei, indem sie vor allem an Schulen und Universitäten in Kooperation mit dem Erziehungsministerium sich für die Integration von Naturschutzthemen in die Lehrpläne und die Gründung von so genannten „Naturschutzclubs“ einsetzt. Durch Kopplung von Entwicklungsprojekten und Umweltschutzerfordernissen will sie zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.628

Bis Anfang der 90er Jahre hatte die RSCN insgesamt fünf Naturreservate eingerichtet. Als erstes Reservat wurde im Jahr 1975 das Schumari Wildlife Reserve eingerichtet, das sich auf 22 km2 erstreckt und durch Schutz und Wiederansiedlung die Erhöhung des Pflanzen- und Tierartenbestands ermöglichte. Als weiteres wichtiges Naturschutzgebiet wurde das 12 km2 große Azraq Wetland Reserve 1977 durch die Ramsar Konvention zum Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung für Zugvögel erklärt. Das Mujib Wildlife Reserve (1987) erstreckt sich über eine Fläche von 212 km2 vom Toten Meer bis zum westlichen Hochland und ist besonders wichtig für den Schutz der Population an Nubischen Steinböcken. Im Norden Jordaniens wurde 1988 das Zubiya Wildlife Reserve auf einem Waldgebiet von 13 km2 Fläche als einer der wenigen verbliebenen Eichenwälder in Jordanien gegründet. Das Dana Wildlife Reserve wurde 1989 errichtet, ist 300 km2 groß und eines der wenigen Gebiete in Jordanien, in dem Populationen größerer Säugetiere überleben können.629 Weitere zwölf Reservate, zum Beispiel im Wadi Rum, waren Anfang der 90er Jahre noch in Planung. Mit der Einrichtung der Reservate war die Wiederansiedlung von gefährdeten Tierarten wie Arabischer Oryx, Gazelle und Steinbock in Jordanien gelungen. Ferner hatte die Gesellschaft hunderte von Naturschutzclubs in Schulen gegründet, kontrollierte erfolgreich illegale Jagdaktivitäten und war an der Entwicklung der National Environmental Strategy beteiligt. Die fehlende gesetzliche Grundlage für Naturschutzgebiete, die Schwierigkeiten an lokale Finanzierungen zu kommen sowie der Mangel an Experten und Personal für bestimmte Arbeitsgebiete erschwerten die Arbeit der RSCN. Trotz beschränkter Mittel und Möglichkeiten konnte die RSCN in Jordanien mehr Naturschutz durchsetzen.630 Ihre Professionalität

628 Vgl.

The Royal Society for the Conservation of Nature - Jordan, o.J.: 3.

629 Vgl.

The Royal Society for the Conservation of Nature - Jordan, o.J.: 15-21.

630 Vgl.

Assaf 1995: 30-35. 199

verschaffte der Organisation nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international Ansehen.

Die zweite wichtige nichtstaatliche Umweltschutzorganisation, die Jordan Environment Society (JES), wurde erst über zwanzig Jahre später 1988 gegründet. Sie hat sich den Schutz der Umwelt und den Erhalt ihrer elementaren Grundlagen Wasser, Luft und Boden in Jordanien zum Ziel gesetzt. Hierfür sollen Interessenten und Spezialisten angeworben werden, die Probleme der Umweltverschmutzung ermitteln und zu deren Bekämpfung beitragen können. Mit Hilfe von Aufklärungskampagnen und Informationsprogrammen will die JES das Umweltbewusstsein in allen Bevölkerungsschichten anheben und ihr Verantwortungsgefühl gegenüber der Natur stärken. Bis Anfang der 90er Jahre war die JES mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt und führte im wesentlichen Konferenzen, Seminare und Workshops im Rahmen eines Umweltinformations- und -erziehungsprogramms durch. Die dritte bedeutende umweltpolitische Nichtregierungsorganisation in Jordanien etablierte sich im Mai 1990 die Jordanian Society for Desertification Control and Badia Development (JSDCBD) und spezialisierte sich auf Studien und Forschung zu Fragen der Desertifikation. Ihr wichtigstes Ziel ist es die Ursachen der Desertifikation in der jordanischen Badia zu erforschen, um ihr Fortschreiten einzudämmen. Darüber hinaus will die Organisation zur Entwicklung der Weidelandkapazitäten und der Tierhaltung, zur Durchführung von Programmen zum Bodenschutz und zur Aufforstung und zum Schutz der lokalen Umwelt in der Badia beitragen. Nicht zuletzt will auch die JSDCBD die Bewusstseinsbildung betreiben und die Bevölkerung über Desertifikationsgefahren durch menschliche Aktivitäten informieren und aufklären.631

Forschungsinstitute, die im Umweltbereich tätig wurden, bildeten sich erst Ende der 80er Jahre heraus, auch wenn die Umweltabteilung des Industrial Chemistry Centre innerhalb der Royal Scientific Society (RSS) bereits seit 1976 Projekte im Umweltbereich durchführte. Von 1984 bis 1987 hatte sie die in Industriebetrieben in Jordanien verwendeten gefährlichen Chemikalien identifiziert, klassifiziert und in einer Datenbank aufgelistet sowie Empfehlungen zu deren Behandlung, Transport und Lagerung gegeben. Beobachtungen im Zeitraum von 1985 bis 1990 zur durch den motorisierten Verkehr verursachten Luftverschmutzung in Amman führten zum Vorschlag nationaler Luftqualitätsstandards für Jordanien. Die in den 80er Jahren begonnenen Projekte zur Beobachtung der Wasserqualität im King Talal Reservoir und im Wadi Araba sowie zur Abwasserqualität der Al-Samra Kläranlage und deren möglichen Wiederverwendung für

631 Vgl.

Assaf 1995: 36-41. 200

Bewässerungszwecke im Jordantal wurden wie auch das nationale Projekt zur Überwachung der Trinkwasser- und Abwasserqualität in Jordanien in den 90er Jahren fortgeführt. Zur Kontrolle der Umweltverschmutzung durch industrielle Aktivitäten wurden von 1988 bis 1990 Untersuchungen zu Hydrogen Sulfid-Konzentrationen (H2S) in Wohngebieten in der Nähe der Petroleumraffinerie von Zarqa vorgenommen und Empfehlungen zur Verminderung der Umweltverschmutzung gegeben. Im gleichen Zeitraum wurde auch der von der Jordan Phosphate Mines Company im Hafen von Aqaba emittierte Phosphatstaub untersucht. Anfang der 90er Jahre kamen weitere Projekte und Studien zum Schutz der Wasser-, Boden- und Luftqualität hinzu.632 1989 wurde schließlich der Environment Research Center (ERC) innerhalb der RSS mit damals drei Abteilungen für Wasser und Boden, Luft und gefährliche Substanzen sowie für die natürliche Umwelt gegründet. Das Forschungszentrum betreibt angewandte Forschung und erstellt Studien in ausgewählten Gebieten zur Beobachtung der Wasser-, Luft- und Bodenqualität, mit dem Ziel, einerseits Entscheidungsträger des öffentlichen und privaten Sektors in Jordanien mit relevanten Daten zur Umweltsituation zu versorgen und zu beraten und andererseits in Kooperation mit Industriebetrieben die Qualität der lokalen Umwelt durch Abfallminimierung und Techniken zur Vermeidung von Umweltverschmutzung zu verbessern. Der ERC hat die Aufgaben, die Oberflächen- und Grundwasserqualität und die Funktion von Kläranlagen zu bewerten, technische Beratung für Behandlung von Abwässern und effiziente Wassernutzung zu geben, Umweltqualitätsstandards und Grenzwerte vorzuschlagen, sowie Beratungsdienste bei Vorbereitung von Umweltgesetzen zu leisten. Der ERC ist ausgestattet mit Laboratorien für Wasser- und Bodenanalysen und zur Beobachtung der Luftverschmutzung. Darüber hinaus veranstaltet das Zentrum Trainingsseminare für im Umweltbereich tätiges Personal staatlicher und privater Organisationen, kooperiert im Bereich Umweltforschung mit lokalen, arabischen und internationalen Organisationen und nimmt an Umweltkonferenzen teil.

An der bedeutenden jordanischen Universität der University of Jordan in Amman wurde bereits Anfang der 80er Jahre 1982 ein Forschungsinstitut für Wasser gegründet, das sich in den 80er Jahren mit der Forschung im Bereich der Entwicklung und des Managements der Wasserressourcen in Jordanien beschäftigte. In Studien zum Wassermanagement wurde vor allem über effizientere Nutzung der knappen Wasserressourcen und Erschließung neuer Wasserquellen nachgedacht. Das Institut hatte während der 80er Jahre nicht nur zahlreiche Studien durchgeführt, sondern auch technische Berichte und wissenschaftliche Broschüren herausgegeben, Training-Workshops veranstaltet sowie Arbeitskreise und Konferenzen zur Entwicklung der Was-

632 Vgl.

Royal Scientific Society/Environmental Research Center (ERC) 1996. 201

serpolitik in Jordanien in Kooperation mit nationalen staatlichen Institutionen, arabischen und internationalen Organisationen durchgeführt. Zur Überwachung der Qualität der Wasserressourcen in Jordanien wurde ein Labor für Wasseranalysen geschaffen. Anfang der 90er Jahre kam es zu einer Schwerpunktverlagerung in der Arbeit des Instituts, das sich vermehrt Fragen der Wasserqualität und der Beobachtung der Beeinträchtigung anderer Umweltmedien durch Boden- und Luftverschmutzung zuwandte. Infolgedessen wurde 1992 auch der Name des Instituts geändert, das seither Forschungszentrum für Wasser und Umwelt (Water and Environment Research and Study Center) heißt.633 Die Yarmouk Universität in Irbid richtete bereits 1976 ein Environment and Earth Science Department ein und gründete in Kooperation mit der University of Jordan in Aqaba die Marine Science Station zur Erforschung der Meeresumwelt. Mit der finanziellen Unterstützung der World Health Organization (WHO) wird seit 1985 der Centre for Environmental Health (CEHA) in Amman betrieben, dessen Ziel es ist, die Kapazitäten und Bewusstsein im Bereich „environmental health“ zu stärken und die jordanische Regierung in mit Umweltproblemen zusammenhängenden Gesundheitsfragen zu beraten. Zu seinen Aufgaben gehören die Herausgabe von Studien und die Durchführung von Trainingskursen zu Umweltproblemen wie Wasser- und Luftverschmutzung und ihre möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Seit 1989 führt die CEHA ein Projekt zur Verbesserung der umweltbedingten Gesundheitsfürsorge in den ländlichen Gebieten Jordaniens durch.

4.1.5.3 Die Entstehung neuer Träger von Umweltbelangen seit Anfang der 90er Jahre In den 90er Jahren veränderten sich die umweltpolitischen Akteurskonstellationen insofern als durch die Gründung der neuen Umweltbehörde GCEP 1995 und einigen weiteren Nichtregierungsorganisationen neue Träger von Umweltbelangen entstanden waren, die sich für den Umweltschutz in Jordanien einsetzten. An immer mehr Universitäten konnten sich zudem Forschungszentren und Institute etablieren, die sich mit Umweltfragen auseinandersetzten. Auch gewannen umweltpolitische Fragen für andere Akteure mehr und mehr an Bedeutung und wurden daher verstärkt in die Arbeit von Ministerien und staatlichen Behörden, aber auch von halbstaatlichen und privaten Industrie- und Wirtschaftsunternehmen und ihrer Interessenvertretungen integriert. Teilweise hatte diese Integration sogar institutionelle Folgen und innerhalb dieser

633 Vgl.

Assaf 1995: 47f. Die untersuchten Geberorganisationen mit Büro in Jordanien CIDA, JICA, GTZ, KfW EC, UNDP und USAID hatten seit den 80er Jahren Umweltaspekte in ihre Ziele und Aktivitäten integriert. Vor allem USAID hatte bereits seit Anfang der 80er Jahre Projekte im Bereich Wasser- und Abwassermanagement durchgeführt und hierfür eine spezielle Abteilung für Wasserressourcen und Umwelt eingerichtet. 202

Institutionen, Unternehmen und Organisationen wurden sozusagen neue Träger von Umweltbelangen geschaffen, indem Umweltabteilungen gegründet wurden.

Die neue Umweltbehörde wurde als General Corporation of Environmental Protection (GCEP) im Jahr 1995 und Nachfolgerin des Department of Environment, der Umweltabteilung des Ministeriums für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt (Ministry of Municpal and Rural Affairs and Environment, MMRAE), gegründet und sollte laut Umweltrahmengesetz Nr. 12 von 1995 weiterhin unter der Schirmherrschaft des MMRAE stehen, aber finanziell und administrativ unabhängig sein. Die weitreichende umweltpolitische Verantwortung der GCEP wird in Artikel 9 des Umweltgesetzes zusammengefasst: „The Corporation shall be considered the appropriate authority for Protection of the Environment in the Kingdom, and all official and private establishments shall execute the institutions and decisions which are issued in accordance with this Law and Regulations; and shall be subject to the penal and civil responsibility decreed in this Law or any related Law.“634 Die Aufgaben der Umweltbehörde sind ebenfalls im Umweltrahmengesetz festgelegt und erstrecken sich von der konzeptionellen Entwicklung einer jordanischen Umweltpolitik über Überwachung und Kontrolle ihrer Durchsetzung bis auf die Koordination der umweltpolitisch relevanten aktiven Akteure im staatlichen und privaten Bereich. Im Einzelnen werden der GCEP folgende Funktionen zugeschrieben: - Festlegung der generellen Umweltschutzpolitik durch die Weiterentwicklung der Nationalen Umweltstrategie NES sowie durch die Erstellung und Ausführung weiterer Umweltprogramme und Pläne. - Beobachtung und Überwachung der Umweltmedien und ihrer Veränderungen durch hierfür eingerichtete und genehmigte Labore. - Vorbereitung und Ausarbeitung von Umweltqualitätsstandards und technischer Daten. - Unterstützung und Durchführung von Forschung und Studien im Umweltbereich. - Festlegung von notwendigen Umweltvorschriften als Voraussetzung für Lizenzvergabe an Unternehmen in den Sektoren Landwirtschaft, Handel, Industrie sowie im Bausektor. - Entwicklung von Kriterien zur Klassifizierung, Lagerung, Transport, Zerstörung und Entsorgung gefährlicher und umweltschädlicher Substanzen sowie die Bestimmung jener Substanzen, die nicht nach Jordanien eingeführt werden dürfen.

634 General

Corporation for Environment Protection (GCEP) 1995: 7. 203

- Erstellung organisatorischer Grundlagen und Kriterien für die Schaffung von Naturreservaten und Nationalparks sowie deren Überwachung - Überwachung von öffentlichen und privaten Körperschaften, Institutionen und Unternehmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Umweltstandards - Vorbereitung von Umweltnotfallplänen und Herausgabe von umweltrelevanten Publikationen.635 Darüber hinaus ist GCEP für die Kooperation mit anderen Ländern sowie internationalen und regionalen Organisationen im Umweltbereich verantwortlich und soll die Unterzeichnung internationaler und regionaler Konventionen vorschlagen und deren Umsetzung im Land überwachen.636

Bisher konnte die Umweltbehörde ihre Aufgaben mit Hilfe finanzieller und fachlicher Unterstützung bi- und multilateraler Geberorganisationen wahrnehmen, die seit der Gründung der Behörde Projekte auf unterschiedlichen Gebieten fördern. Dabei wird zum einen darauf hingearbeitet, die Kapazitäten der GCEP auszubauen, damit sie ihre Aufgaben effektiver erfüllen kann und ihrer im Umweltgesetz verankerten Verantwortung besser gerecht werden kann. Zum anderen werden Vorhaben unterstützt, die Jordanien dabei helfen sollen, eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen internationaler Umweltabkommen nachzukommen und auf nationaler Ebene umzusetzen. Seit 1995 wird von der UNIDO (UN Industrial Development Organization) ein Projekt zur Reduzierung und Substitution des Gebrauchs von FCKW in Jordanien durchgeführt. Als weitere UN-Organisation unterstützt das United Nations Development Programme (UNDP) Maßnahmen zur Umsetzung der internationalen Konventionen zum Klimaschutz und zur Biodiversität auf nationaler Ebene sowie ein Projekt zur Entwicklung einer nationalen Agenda 21. Die Europäische Kommission unterstützt die GCEP bei der Formulierung von Statuten zur Konkretisierung und Präzisierung des Umweltrahmengesetzes. Projekte zum Aufbau und zur Stärkung der Kapazitäten der Umweltbehörde wurden von der kanadischen Entwicklungshilfsorganisation CIDA, die 1996 das „King Hussein Environmental Management Training Programme“ startete sowie von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die seit 1998 der GCEP bei der Implementierung des National Environmental Action Plan (NEAP) hilft, unterstützt.637 Insgesamt erhielt GCEP bisher nahezu 4,5 Millionen US$ zur Finanzierung dieser Pro-

635 General

Corporation for Environment Protection (GCEP) 1995: 2-4.

636 General

Corporation for Environment Protection (GCEP) 1995: 7.

637 Einige

Projekte ausländischer Geberorganisationen (GTZ und Europäische Kommission) haben zum Ziel, den genannten Unzulänglichkeiten der neuen Umweltbehörde GCEP durch Ausbau und Stärkung ihrer Kapazitäten zu begegnen. 204

jekte. Das generelle Budget der Umweltbehörde ist von 791760 US$ im Jahr 1996 auf 1,27 Millionen US$ im Jahr 1999 angestiegen. Mit der Gründung der GCEP wurde auch der Personalbestand gegenüber dem alten Department of Environment erheblich aufgestockt und umfasste 1999 insgesamt 70 Angestellte, wovon 42 einen Universitätsabschluss hatten. Zudem wurde die Anzahl der Fahrzeuge von drei Autos im Jahr 1995 auf fünf Autos im Jahr 1999 sowie die Anzahl der Computer von einem auf zehn Computer erhöht. Mit der Einrichtung einer Bibliothek mit Literatur zur Umweltthematik generell und insbesondere zu Umweltfragen in Jordanien ist auch die Verfügbarkeit an Informationen angestiegen.638

In den ersten Jahren kam es zu Umstrukturierungen innerhalb von GCEP, die mit dem Statut zur Organisation und zum Aufbau der Umweltbehörde beendet wurden. Danach waren im Jahr 1999 dem Generaldirektor insgesamt acht Abteilungen mit ihren jeweiligen Unterabteilungen unterstellt. Neben den Abteilungen für Wasserschutz, Land- und Naturschutz sowie Schutz der Luft und Atmosphäre, wurden Sektionen für Abfallmanagement und für Umweltverträglichkeitsprüfungen (Environmental Impact Assessment, EIA) eingerichtet. Ferner gibt es die Abteilungen für gesetzliche Angelegenheiten, für Verwaltung und Finanzen und interne Prüfung. Dieser organisatorische Aufbau begünstigt die hierarchische Struktur der GCEP, die durch die internen Strukturen der Kommunikations- und Entscheidungsprozesse verstärkt wird. Kommunikationsdefizite gibt es innerhalb der gesamten Organisation, vor allem zwischen einzelnen Abteilungen und angesichts der spärlichen Treffen zwischen Generaldirektor und Abteilungsleitern. Die Entscheidungsprozesse laufen bürokratisch und kompliziert ab und werden nur unzureichend dokumentiert. Verzögerungen in der externen Korrespondenz und bei Entscheidungsprozessen sind auf Hierarchien innerhalb der GCEP zurückzuführen, da nur der Generaldirektor berechtigt ist zu unterzeichnen, aber aufgrund von Reiseverpflichtungen oft nicht zur Verfügung steht. Das Personal der GCEP ist zum großen Teil nur gering und unzureichend qualifiziert, um seine Aufgaben effizient erfüllen zu können. Hinzu kommen Motivationsmangel und Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen vor allem bei den GCEP-Angestellten, die in Abteilungen arbeiten, wo Aufgaben und Pflichten nicht klar definiert sind. Dies ist beispielsweise der Fall in der Wasseroder Abfallabteilung, wo eine effiziente Aufgabenerfüllung durch unklare Abgrenzung des Verantwortungsbereiches der GCEP gegenüber den Aktivitäten anderer Behörden sowie Mangel an Kooperation zwischen den Behörden, behindert wird. Die Unzufriedenheit des Personals wird dadurch bestärkt, dass GCEP de jure zwar unabhängig ist, de facto aber weiterhin stark vom MMRAE beeinflusst wird. Der Minister des MMRAE verfügt frei über das Personal der Um-

638 Ahmed

Qartaneh, Interview am 10.9.1999. 205

weltbehörde, die selbst nur sehr begrenzten Einfluss auf ihre Personalpolitik hat. Dies war auch schon der Fall beim Department of Environment und der Grund, warum der langjährige ehemalige Direktor der Umweltbehörde Dr. Sufyan Tell nach eigenen Angaben seinen Posten damals aufgegeben hat. „Die Minister wollen immer spielen mit dem Umweltdepartment. Ein Minister kam für sieben Monate. Er hatte nur eins im Sinn, fünf oder sechs Leute von seinem Stamm reinzubringen, egal ob die sich mit Umweltthemen auskannten oder nicht. Und das habe ich nicht zugelassen und so kam es zum Clash mit dem Minister. So habe ich das Department nach acht Jahren verlassen (...).“639 In den ersten fünf Jahren des Bestehens der neuen Umweltbehörde gab es erhebliche Schwankungen hinsichtlich des Personalbestands, der zuerst einmal aufgestockt und dann wieder abgebaut wurde.640

Die befragten Umweltexperten waren sich nicht einig darüber, ob die GCEP trotz der personellen und finanziellen Aufstockungen gegenüber dem früheren Department of Environment im Vergleich zu diesem einflussreicher geworden ist. Fünf der zwölf befragten Experten schätzten die Position der neuen Umweltbehörde stärker ein, während vier Experten keine Einflusssteigerung gegenüber der alten Umweltabteilung sahen. Die GCEP kann kaum Einfluss auf Politik und Aktivitäten in anderen Sektoren nehmen und hat daher Schwierigkeiten, Umweltschutzziele durchzusetzen.641 Die schwache Stellung der Umweltbehörde gegenüber Sektorministerien wird in erster Linie auf das schwache Management der GCEP und die trotz gesetzlich geregelter Unabhängigkeit enge Anbindung an das MMRAE und dessen fehlende Unterstützung für mehr Umweltschutz zurückgeführt. Dieses ist in erster Linie für den Ausbau der Infrastruktur in städtischen und ländlichen Gebieten verantwortlich, fördert damit Aktivitäten, die Umweltschutzzielen entgegenstehen. Darüber hinaus beklagten die befragten Experten den Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen sowie an gut ausgerüsteten Laboratorien und die noch unzureichende Gesetzeslage angesichts fehlender spezifischer Regelungen für einzelne Umweltbereiche.

639 Dr.

Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999

640 Dr.

Harry Meyer-Steinbrenner, Interview am 2.9.1999. Einige Zeit vor meinem Forschungsaufenthalt im Sommer 1999 war das Personal der GCEP gerade mal wieder um die Hälfte reduziert worden, indem der Minister einfach eine Reihe qualifizierter Angestellter in sein Ministerium zurückbeorderte.

641 Nur

drei der zwölf befragten Experten gestehen der GCEP eine Einflussnahme auf andere Politikfelder zu. 206

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in der Region spielen in Jordanien Nichtregierungsorganisationen eine bedeutende Rolle bei der Förderung von Umweltschutzaktivitäten und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen. Die Arbeit der beiden großen umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen RSCN und JES, die ihre Stellung in den 90er Jahren ausbauen konnten und mittlerweile zahlreiche Zweigstellen in anderen Städten und Dörfern etabliert haben, wurden in einer Studie des Wuppertal Instituts aus dem Jahre 1995 als exzellent beschrieben. Das Personal der beiden NRO zeichnet sich durch fundiertes Fachwissen und hohe Motivation aus.642 Die beiden großen jordanischen Umweltorganisationen sind wie die anderen kleineren umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, die in den 90er Jahren gegründet wurden, vor allem im Bereich Umwelterziehung und -bewusstseinsbildung tätig und erfüllen eine wichtige Funktion für die Motivation der Bevölkerung, sich an Umweltschutzaktivitäten zu beteiligen, indem sie öffentliche Pressure Groups etablieren, die Regierung und Industrie zu umweltfreundlicher Politik drängen.643 Darüber hinaus führen sie wie die anderen nichtstaatlichen Umweltorganisationen Trainingskurse, Workshops und Seminare zu Umweltfragen für unterschiedliche Zielgruppen durch. Die Hälfte der acht aktiven nichtstaatlichen Organisationen in Jordanien, die sich für den Umweltschutz im Land einsetzen, sowie der nationale Zweig von IUCN, der seit 1995 als Dachorganisation für nichtstaatliche Umweltorganisationen und die Umweltbehörde GCEP fungiert, sind nach der im Jahr 1992 durchgeführten UN-Umweltkonferenz UNCED gegründet worden. Alle Organisationen konnten seither nicht nur ihren personellen Bestand, sondern auch ihre finanziellen und materiellen Ressourcen erhöhen.

Die drei großen jordanischen nichtstaatlichen Umweltorganisationen mit den meisten Mitgliedern sind die JES, die RSCN und die Jordan Society for Desertification Control and Badia Development (JSDCBD) können als Mitglieder des CEP Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungsprozesse nehmen und haben sich auf unterschiedliche Umweltschutzbereiche spezialisiert. Der RSCN setzt in den 90er Jahren seine Arbeit im Naturschutz fort und konnte u.a. das Wadi Rum Reservat, einen Naturschutzpark von archäologischer Bedeutung, gründen. JES arbeitet seit 1991 an einem Umweltinformations- und Umwelterziehungsprogramm und führt seit Mitte der 90er Jahre Projekte zur Bewusstseinsbildung in den Bereichen effiziente Wassernutzung,

642 Vgl.

Petersen 1995: 22.

643 So

hat zum Beispiel die Zweigstelle der JES in Al-Fuheis hat 1997 ein Komitee eingerichtet, das sich mit den Umweltproblemen und gesundheitlichen Schäden durch die Zementfabrik vor Ort beschäftigt, und sich mit Repräsentanten der Fabrik bereits konfliktreich auseinandergesetzt hat. Der einzige Erfolg war bis 1997, dass die Fabrikleitung JES finanzielle Mittel zur Errichtung einer Grünanlage zur Verfügung gestellt hat, die JES als Nichtregierungsorganisation nicht annehmen konnte und daher an die Gemeinde weitergegeben hat und mit ihr zusammen die Aufsicht über das Projekt übernahm (vgl. Jordan Environment Society 1997: 52-54). 207

Entsorgung von Krankenhausabfällen und Reduktion des Pestizidseinsatzes zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft durch. Die JSDCBD führt seit 1997/1998 ebenfalls einige Projekte zur Aufklärung der Bevölkerung bezüglich Pflanzenschutz, Bekämpfung der Wüstenausbreitung und Wasserschutz durch.

Neben diesen drei großen Nichtregierungsorganisationen sind vor allem seit Mitte der 90er Jahre eine Reihe kleinerer nichtstaatlicher Umweltorganisationen entstanden. Die 1994 gegründeten Friends of Environment (FoE) sind seit 1995 im Bereich Umweltbewusstseinsbildung unter Schülern und Studenten und mit der Gründung des „Jordanian network of environmental friendly industry“ seit 1999 auch bei Industrieunternehmen aktiv. Die National Environment and Wildlife Society (NEWS) ist seit 1999 ebenfalls in der Umweltbewusstseinsbildung und -erziehung engagiert. Doch ihre vorrangige Zielgruppe sind Medienvertreter und Journalisten. Die Jordan Sustainable Development Society (JSDS) führt seit 1998 in Zusammenarbeit mit Friends of the Earth Middle East vor allem Aktivitäten zum Schutz grenzüberschreitender, regionaler Gewässer durch. Die Jordan Royal Ecologic Diving Society (JREDS) wurde 1994 noch unter der Schirmherrschaft des RSCN gegründet und 1995 unabhängig. Sie betreibt seither Umweltbewusstseinsbildung zum Schutz der Meeresumwelt, insbesondere der Korallenriffe im Golf von Aqaba. Schließlich führen die Friends of Archaeology (FoA) als weitere Nichtregierungsorganisationen, die sich eigentlich lange Zeit ausschließlich auf den Schutz des kulturellen Erbes konzentriert haben, seit 1998 ebenfalls kurzfristige Maßnahmen zur Umweltbewusstseinsbildung von Lehrern und Schülern durch. Der nationale Zweig von IUCN übernahm seit 1998 als erste wichtige Aufgabe die Koordination zur Vorbereitung und Organisation des internationalen IUCN Kongresses, der im Oktober 2000 in Amman stattfand.

Seit Mitte der 90er Jahre, also nach der internationalen Umweltkonferenz UNCED im Jahr 1992, haben sich aber nicht nur die Anzahl, Kapazitäten und Aktivitäten der nichtstaatlichen Umweltorganisationen in Jordanien erhöht, sondern auch die Forschungsaktivitäten zu Umweltfragen im Land haben deutlich zugenommen und werden von mehreren Umweltforschungsinstituten wahrgenommen. Während an einigen privaten Universitäten wie der University of Mu’ta oder Balqa Applied University kleinere Umweltinstitute eingerichtet wurden, entstand an der Jordan University of Science and Technology (JUST) 1996 ein großes Umweltforschungszentrum. Dieses trägt seit 1997 zur Umweltbewusstseinsbildung und Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten im öffentlichen und privaten Sektor bei, indem es Beratungen zu Umweltverträglichkeitsstudien, zum Umweltauditing für Industrieunternehmen und zur Umweltgesetzgebung durchführt. Der Water and Environment Research and Study Center an der University of Jordan betreibt seit 208

1992 in erster Linie angewandte Forschung zur Überwachung der Wasser- und Abwasserqualität und zur verbesserten Abwasserbehandlung und deren Wiederverwendung in der Landwirtschaft. Darüber hinaus organisiert der Center Workshops und Trainingskurse zum effizienten Wassereinsatz in der landwirtschaftlichen Bewässerung. Andere Universitäten sind bisher kaum mit Beratungsdiensten und Forschung im Umweltbereich nach außen getreten. Der Environmental Research Center an der RSS ist sicherlich eines der aktivsten und am besten ausgerüsteten Umweltforschungsinstitute in Jordanien. Seit Anfang der 90er Jahre führt der ERC mehrere Projekte zur Überwachung der Luftqualität in Amman und in der Nähe industrieller Standorte wie der Zementfabrik in Fuheis und zur Beeinträchtigung der Luft- und Wasserqualität durch Bergbauaktivitäten wie bei der Phosphatmine in Ruseifah durch. Zwischen 1993 und 1996 kamen Projekte zur Beobachtung, Datensammlung und Verbesserung der Qualität von Oberflächenwasser und industriellen Abwässern, industriellen Abfallproblemen und Pestizidrückständen in der Umwelt hinzu. Zur gleichen Zeit erstellte das Forschungszentrum eine Studie zur Umweltqualität im Wadi Araba und zur Desinfizierung von kontaminiertem Grundwasser mit Hilfe von Solarenergie durch und führte darüber hinaus Umweltverträglichkeitsstudien für industrielle und landwirtschaftliche Unternehmungen in Aqaba durch. Die bereits 1976 gegründete Marine Science Station hat sich mit Hilfe externer finanzieller Unterstützung erst in den letzten Jahren aktiver in der Umweltforschung engagiert und widmet sich seit 1997 in unterschiedlichen Projekten der Überwachung der Ökosysteme im Golf von Aqaba, um so durch wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Meeresumwelt und insbesondere der Korallenriffe beizutragen.

4.1.5.4 Andere umweltpolitische Akteure Die hier als die Träger von Umweltbelangen vorgestellten nichtstaatlichen Umweltorganisationen, Umweltforschungsinstitute und die Umweltbehörde GCEP sind aber nicht die einzigen umweltpolitischen Akteure in Jordanien. Vielmehr sind auch staatliche, halbstaatliche und private Akteure, deren vorrangiges Ziel nicht der Umweltschutz ist, umweltpolitisch aktiv und haben zum Teil durch die Einrichtung einer Umweltabteilung sogar innerhalb ihrer Institution, ihrer Organisation oder ihres Unternehmens neue Träger von Umweltbelangen geschaffen. Neben dem Ministerium für ländliche und städtische Angelegenheiten und Umwelt (MMRAE), das mit der Einrichtung des Umweltdepartments 1980 die Hauptverantwortung im Umweltschutz übernahm, hatten eine Reihe weiterer Ministerien wie das Gesundheits-, Landwirtschafts- und Wasserministerium bereits in den 80er Jahren Umweltschutzaufgaben übernommen. Andere staatliche Institutionen wie zum Beispiel das Erziehungsministerium und das Ministerium für Tourismus und Antiquitäten integrierten erst zu einem späteren Zeitpunkt Umweltfragen in ihre Akti209

vitäten. Insgesamt haben mittlerweile elf Ministerien Umweltaspekte in ihre Arbeit mit aufgenommen, die bis auf das MTA alle im Nationalen Umweltrat (Council for Environment Protection, CEP) vertreten sind, und somit Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungen ausüben können.644 Dies trifft auch auf staatliche Behörden wie die Water Authority of Jordan (WAJ), die Jordan Valley Authority (JVA) und die Natural Resources Authority (NRA), das Civil Defence Directorate und die Housing and Urban Development Corporation zu. Darüber hinaus beschäftigen sich die Aqaba Region Authority (ARA) und die Greater Amman Municipality (GAM) mit Umweltfragen auf regionaler und lokaler Ebene und haben ebenfalls einen Sitz im Nationalen Umweltrat.645 Doch nicht nur für diese staatlichen Institutionen, sondern auch für Interessenvertretungen und Unternehmen des privaten Sektors wie die Amman Chamber of Industry (ACI), die Farmers Union und die Jordan Engineer’s Association (JEA) und die Industrial Development Bank haben Fragen des Umweltschutzes an Bedeutung gewonnen. Die vier größten Industrieunternehmen Jordaniens, die Jordan Phosphate Mines Company, Arab Potash Company, Jordan Cement Factories Corporation und Jordanian Petrol Refinery Corporation, setzen sich ebenfalls vermehrt mit den negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt und deren Reduzierung auseinander.646 Im Gegensatz zu den staatlichen Akteuren sind sie allerdings nicht im Nationalen Umweltrat CEP vertreten. Die meisten der in Jordanien aktiven bi- und multilateralen Geberorganisationen führen Umweltprojekte durch und berücksichtigen Umweltschutzaspekte in ihren Projekten. Die wichtigsten Geberorganisationen, die zur Lösung der Umweltprobleme in Jordanien beitragen wollen, sind die bilateralen Entwicklungshilfsorganisationen der USA (USAID), Kanadas (CIDA), Japans (JICA) und Deutschlands (GTZ, KfW). Die multilateralen Geberorganisationen der Europäischen Union (EU) und UNDP berücksichtigen ebenfalls Umweltaspekte bei ihrer Arbeit vor Ort und führen Umweltschutzprojekte durch.

Die Integration von Umweltfragen in die Aktivitäten von Sektorministerien, Behörden, privaten Interessenvertretungen, Unternehmen und Geberorganisationen in Jordanien erfolgte zum überwiegenden Teil erst in den 90er Jahren. Knapp über die Hälfte (55,2%) der befragten Akteure

644 Dabei

handelt es sich um folgende Ministerien: MMRAE, das MoH, das MWI, das MoA, das MoE, das MEM, das MIT, das MoL, das MoP und das Ministry of Interior (MoI), bei dem es als Einzigem nicht möglich war, ein Interview zu führen.

645 Zudem

wurden Interviews in den Abteilungen für Abwassermanagement und Wasserqualität innerhalb der WAJ und im Department for Forestry and Rangeland und die Pflanzenschutzabteilung (Department for Plant Protection) innerhalb des MoA durchgeführt. Im MEM wurden Vertreter der Central Electricity Generating Company, die für die Erzeugung von Energie in Jordanien verantwortlich ist und privatisiert werden soll, befragt. Interviewt wurden auch Vertreter unterschiedlicher Abteilungen der Hafenbehörde (Ports Corporation), die vom Transportministerium (Ministry of Transport, MoT) eine finanziell und administrativ unabhängig ist.

646 Lediglich

mit einem Vertreter der Jordanian Petrol Refinary Corporation konnte kein Interview geführt wer-

den. 210

gaben diesen Zeitraum an, während für 44,7% Umweltfragen bereits in den 80er Jahren an Bedeutung gewonnen hatten. Eine Häufung ist von 1990 bis 1992 festzustellen, da 34,2% der Befragten diesen Zeitraum als Beginn der umweltpolitischen Aktivität für ihr Ministerium, ihre Behörde, ihre Organisation oder ihr Unternehmen angaben. Die veränderte Einstellung gegenüber Umweltschutzfragen und deren gestiegene Bedeutung innerhalb staatlicher und privater Organisationen wurde in erster Linie auf externen Einfluss zurückgeführt. Mit 43,2% gaben etwas weniger als die Hälfte der Befragten das seit der UNCED gestiegene Umweltbewusstsein auf internationaler Ebene und 40,5% den Druck der Geberorganisationen, die Umweltverträglichkeitsprüfungen für Projekte forderten, als wichtige Gründe für die gestiegene Bedeutung an. Hingegen wurden Auslöser auf nationaler Ebene von deutlich weniger Akteuren genannt. So führten nur 32,4% der Befragten die gestiegene Priorität des Umweltthemas bei nationalen politischen Entscheidungsträgern, 29,7% die Zunahme des Umweltbewusstseins in Jordanien und 18,9% den Anstieg der Umweltprobleme im Land als Auslöser an. Lediglich 8,1% der Befragten machten den Druck der Regierung durch die Festlegung nationaler Umweltstandards verantwortlich. Für die Beschäftigung mit Umweltfragen vor allem innerhalb industrieller Unternehmen scheinen aber auch internationale Märkte und hohe Umweltstandards anderer Länder, die immerhin noch 21,6% der Befragten anführten, von Bedeutung. Bei über der Hälfte der befragten Akteure (66,2%) war die Integration von Umweltaspekten in ihre Aktivitäten nicht nur in ihren Policy-Papieren festgeschrieben, sondern hatte sogar institutionelle Folgen, indem sie Umweltabteilungen innerhalb ihres Ministeriums, ihres Unternehmens, ihrer Interessenvertretung oder Organisation eingerichtet hatten. Deutlich mehr Akteure (78,9%) hatten bereits konkrete Umweltschutzmaßnahmen und/oder Umweltschutzprojekte durchgeführt.

211

Zeitpunkt der Integration von Umweltfragen in die Aktivitäten der Akteure in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

80% 70% 60% 50% 40%

Jordanische Akteure Geberorganisationen

30% 20% 10% 0% 1975

1980

1985

1990

1995

2000 Jahr

Abb. 7; Eigene Erhebung 1999

Verglichen mit der obigen Gesamtbefragung in die auch die ausländischen Geberorganisationen einbezogen wurden, gab die Mehrheit der befragten Vertreter der jordanischen Akteure des staatlichen und privaten Sektors (64,5%) an, dass die Integration von Umweltfragen in die Aktivitäten ihres Ministeriums, ihrer Behörde, ihrer Organisation oder in ihr Unternehmen zwischen 1990 und 1999 stattfand. Eine Häufung ist in der Zeit von 1990 bis 1992 festzustellen, in der nach Meinung von 38,7% der Befragten Umweltfragen für ihre Organisation oder ihr Unternehmen an Bedeutung gewannen. Immerhin 19,4% der jordanischen Akteure hatten Umweltschutzaspekte bereits im Zeitraum von 1980 bis 1984 in ihre Arbeit mit aufgenommen. Die jordanischen Akteure gaben zwar ähnliche Gründe für die gestiegene Bedeutung an, allerdings sind die Schwerpunkte anders gelagert. Denn die Anzahl der Akteure, die die wachsende Bedeutung von Umweltfragen innerhalb ihrer Institution, ihrer Organisation oder ihres Unternehmens auf die gestiegene Priorität des Umweltthemas bei nationalen politischen Entscheidungsträgern zurückführen, entspricht mit 40% der Befragten exakt jener Anzahl der Akteure, die den externen Druck der Geberorganisationen und ihre Forderung nach Umweltverträglichkeitsprüfungen dafür verantwortlich machen. Ein weiterer interner Faktor, die Zunahme des Umweltbewusstseins in Jordanien, erscheint im Gegensatz zur Gesamtbefragung für 36,7% der Befragten sogar etwas ausschlaggebender als das gestiegene Umweltbewusstsein auf internationaler Ebene (33,3%). Während der Druck der jordanischen Regierung durch die Festlegung nationaler Umweltstan212

dards als Auslöser für die Integration von Umweltbelangen in die Aktivitäten der jordanischen Akteure von fast ebenso wenigen Akteuren (10%) genannt wurde wie in der Gesamtbefragung. Gründe für die gestiegene Bedeutung von Umweltfragen bei Akteuren in Jordanien Gestiegenes Umweltbewusstsein auf internationaler Ebene seit UNCED Druck der Geberorganisationen

Nachfrage auf internationalen Märkten Geberorganisationen Jordanische Akteure

Zunahme der Umweltprobleme in Jordanien Gestiegene Priorität der Umweltfragen bei nationalen Entscheidungsträgern Zunahme des Umweltbewusstseins in Jordanien Druck der nationalen Regierung durch Umweltstandards

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 8; Eigene Erhebung 1999

Weit über die Hälfte (74,2%) der untersuchten Ministerien, Behörden, Interessenvertretungen und Unternehmen führen Projekte und Maßnahmen vor allem in den Bereichen Wasser- und Abwassermanagement, Schutz des Bodens, der Vegetation und der Artenvielfalt sowie Umweltschutzmaßnahmen im industriellen Bereich durch. Darüber hinaus tragen sie zur Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten, zur Verminderung der Luftverschmutzung und zum Schutz der Atmosphäre bei. Institutionelle Konsequenzen hatte die Integration von Umweltschutzaspekten in ihre Arbeit für 70% der jordanischen Akteure, die eine Umweltabteilung einrichteten.

213

Anzahl der befragten Akteure in %

Akteure mit Umweltabteilungen in Jordanien

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jordanische Akteure

Geberorganisationen

Abb. 9; Eigene Erhebung 1999

Im Vergleich zu den jordanischen Akteuren werden Umweltaspekte in den Projekten der in Jordanien ansässigen Geberorganisationen etwas früher und zwar bereits Ende der 80er Jahre integriert. Von den sieben befragten Geberorganisationen gaben die USAID und die GTZ an, dass bereits Anfang der 80er Jahre Umweltfragen an Bedeutung gewannen und in ihren Projektaktivitäten berücksichtigt wurden. Die multilateralen Geberorganisationen EU und UNDP sowie die kanadische Entwicklungshilfsorganisation CIDA nahmen Umweltaspekte in ihre Arbeit vor Ort im Jahr 1987 offiziell auf, während die deutsche KfW dies erst mit der Etablierung ihres Büros vor Ort 1989 tat. Lediglich bei der japanischen Geberorganisation JICA wurden Umweltschutzfragen erst Anfang der 90er Jahre berücksichtigt. Als Auslöser für die Integration von Umweltfragen in die Projektarbeit gab die überwiegende Mehrheit (6 von 7 der Befragten) das gestiegene Umweltbewusstsein auf internationaler Ebene nach der UNCED an. Drei der befragten Vertreter der Geberorganisationen gaben als Gründe den Druck innerhalb der Geberorganisationen selbst und die Nachfrage nach „umweltfreundlichen Produkten“ auf internationalen Märkten an. Interessanterweise scheint die Zunahme der Umweltprobleme in Jordanien, die nur von einem Befragten als Grund angegeben wurde, für die Integration von Umweltschutzaspekten in die Aktivitäten der Geberorganisationen vor Ort weniger ausschlaggebend gewesen zu sein. Alle befragten Vertreter der Geberorganisationen führten seit Anfang der 90er Jahre vermehrt Projekte zur Förderung des Umweltschutzes in Jordanien durch. Institutionelle Konsequenzen hatte die Integration von Umweltfragen in ihre Arbeit aber lediglich bei USAID und UNDP, die in ihren Büros vor Ort zusätzliche Umweltabteilungen eingerichtet haben. Die Geberorganisationen sind überwiegend im Bereich Wasser- und Abwassermanagement aktiv, setzen sich aber auch für Trainingsmaßnahmen und die Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten in jordanischen Organi214

sationen und Unternehmen ein. Weniger engagiert sind sie im Bereich Abfallmanagement, Schutz des Bodens, der Vegetation und der Artenvielfalt sowie Verminderung der Luftverschmutzung und Schutz der Atmosphäre.

Die signifikante internationale Unterstützung für Umweltprojekte vor allem im Wasserbereich, bestätigt eine Studie aus dem Jahr 1996647, in der festgestellt wird, dass von den insgesamt 513 Millionen US$, die in laufende Umweltprojekte investiert wurden, der Wassersektor mit 397 Millionen US$ ganze 77% erhielt. Mit großem Abstand folgte an zweiter Stelle mit 45.19 Millionen US$ und einem Anteil von 9% der Schutz natürlicher Ressourcen im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Aktivitäten und die Desertifikationsbekämpfung. Für den Schutz des kulturellen Erbes und der Artenvielfalt im Land wurden nur 30.68 Mio. US$ (6%) ausgegeben und noch geringer fiel die finanzielle Unterstützung für Projekte zur Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten und zur Förderung des Umweltschutzes im städtisch-industriellen Bereich aus. Die Europäische Union (EU) und die arabischen Staaten unterstützten ausschließlich Wasserprojekte. Mit 168,3 Millionen US$ bezuschussten die deutschen Entwicklungshilfsorganisationen Maßnahmen zum nachhaltigen Management von Wasserressourcen, die verglichen mit anderen Geberorganisationen nicht nur in diesem Bereich, sondern auch insgesamt gesehen mit 209,4 Millionen US$ den größten Anteil an der finanziellen Unterstützung für Umweltschutzprojekte in Jordanien hatten. Ebenso unterstützten die japanische und die US-amerikanische Entwicklungshilfe vorrangig Wasserprojekte, waren allerdings in anderen Umweltbereichen aktiver. So engagierte sich Japan vor allem im Bereich des städtisch-industriellen Umweltschutzes und hatte hier verglichen mit anderen Gebern den größten finanziellen Anteil (10 Mio. US$). Hingegen finanzierte USA besonders Projekte zum Schutz des kulturellen und natürlichen Erbes (17.2 Mio. US$). Die multilateralen Geberorganisationen UNDP und Weltbank unterstützten kaum oder im Falle der Weltbank gar keine Wasserprojekte. UNDP war führend in der Unterstützung von Programmen zum Ausbau der Kapazitäten im Umweltbereich. Einige Darlehen, wie beispielsweise die der EU, wurden im Falle eines Einsatzes für Umweltschutzprojekte zu vergleichsweise weichen Konditionen vergeben. Seit 1997 hat das Konzept der „debt for nature swaps“ bei den in Jordanien aktiven Geberländern Anklang gefunden, als diese sich bereit erklärten, dem jordanischen Staat Schulden zu erlassen, falls diese in nachhaltige Entwicklungsund Umweltprogramme reinvestiert würden. Daraufhin wurde im Jahr 1999 unter Anleitung des UNDP und der IUCN ein Workshop abgehalten, in dem von staatlichen als auch nichtstaatlichen

647 Vgl.

Kefaya 1996: 102-106. 215

Organisationen eine Reihe von Projekten entwickelt wurden, die wichtige Kriterien wie Nachhaltigkeit, Arbeitsplatzschaffung und Verbesserung der Lebensqualität erfüllten.648

4.1.6

Die Entwicklung umweltpolitischer Kapazitäten der Akteure und ihre Strategien

4.1.6.1 Ziele, Aktivitäten und Kapazitäten im Umweltbereich Um die Entwicklung der institutionellen Kapazität im Umweltbereich in Jordanien festzustellen, wurden alle relevanten staatlichen, semi- und nichtstaatlichen Akteure sowie Akteure aus dem privaten Sektor zu ihren umweltpolitischen Zielen, Aktivitäten und organisatorischen umweltpolitischen Kapazitäten befragt. Für die wenigsten der 56 befragten Akteure ist die Umweltforschung ein prioritäres Anliegen, denn 39,3% der Befragten erklärten sie für weniger wichtig oder nicht wichtig (10,7%). Hingegen wurden von nahezu allen umweltpolitischen Akteuren (94,7%) Koordinationsaufgaben als sehr wichtiges oder wichtige Aktivität angesehen. Danach folgt die Umweltbewusstseinsbildung, die 85,8% als sehr wichtig oder wichtig beschreiben. Die Implementierung von Umweltprojekten wurde von den meisten Akteuren (67,9%) als sehr wichtige Aktivität bezeichnet, die aber andererseits von 5,4% der Befragten als nicht wichtig und von 14,3% als weniger wichtig eingeschätzt wurde. Die Formulierung von Umweltpolitik wurde noch von der Hälfte der befragten Akteure als sehr wichtiges und von 33,9% als wichtiges Ziel ihrer Aktivitäten angegeben.

648 Vgl.

Jordan Times 10.5.1999. 216

Prioritäten der umweltpolitischen Akteure in Jordanien

Forschung

Politikformulierung nicht wichtig weniger wichtig

Implementierung von Projekten

wichtig sehr wichtig

Umweltbewusstseinsbildung

Koordination 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in % Abb. 10; Eigene Erhebung 1999

Nach ihren wichtigen Projekten im Bereich des Umweltschutzes befragt, wurden von den umweltpolitischen Akteuren insgesamt 91 Projekte genannt. Mit der Implementierung der überwiegenden Zahl dieser Projekte, nämlich 77 Projekten oder 85,7%, wurde erst nach 1992 begonnen. Lediglich fünf dieser 91 Umweltprojekte hatten ihren Anfang bereits vor 1980 und mit der Umsetzung weiterer fünf Projekte wurde während der 80er Jahre bis 1989 begonnen. Während es in der kurzen Zeitspanne zwischen 1990 und 1992 drei Umweltschutzprojekte waren und von 1993 bis 1995 weitere elf Projekte hinzukamen. Dies legt nahe, dass die UN-Umweltkonferenz UNCED im Jahr 1992 einen ausschlaggebenden Anstoß für die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen gab, der sich vier Jahre danach erst richtig auswirkte, da mit der Implementierung der meisten Umweltschutzprojekte (73,6%) in Jordanien in der Zeit von 1996 bis 1999 begonnen wurde.

217

Beginn der Umweltschutzprojekte in Jordanien Anzahl der Projekte

80 70 60 50 40 30 20 10 0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000 Jahr

Abb. 11; Eigene Erhebung 1999

Infolgedessen befanden sich über die Hälfte der Umweltschutzprojekte (68,1%) noch in der Durchführung und nur 29 Projekte waren 1999 bereits abgeschlossen. Die Projektdauer von fast der Hälfte der Projekte (46,2%) belief sich auf ein bis drei Jahre und 22% der Aktivitäten dauerten weniger als sechs Monate an. Umweltschutzprogramme, die sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erstreckten, gab es nur wenige in Jordanien (11% oder 10 Programme). Im Rahmen dieser Projekte stehen Aktivitäten zum Schutz der Wasserressourcen an erster Stelle, gefolgt von Projekten im Bereich städtisch-industrieller Umweltschutz. So haben 27,7% der Umweltschutzprojekte den Schutz der Wasser- und Grundwasserressourcen in Jordanien zum Ziel und 24,2% sind im Bereich städtisch-industrieller Umweltschutz angesiedelt, bei denen es vor allem um Verminderung der Luftverschmutzung und die Bewältigung der Abfallprobleme geht. Aktivitäten zum Schutz des Bodens haben immerhin noch einen Anteil von 16,5% der gesamten Projektanzahl. Eine Reihe von Aktivitäten (insgesamt 13 Projekte oder 14,3% der genannten Projekte) wurden zur Bildung von Kapazitäten und Trainingsmaßnahmen im Umweltbereich durchgeführt. Der Anteil der Projekte zum Schutz der Biodiversität (6,6%) und des kulturellen und natürlichen Erbes (2,2%) fiel hingegen sehr gering aus und lag unter 10%.

218

Ziele der Umweltschutzprojekte in Jordanien Anzahl der Projekte 30 25 20 15 10 5 0 Wasserschutz

Städtischindustrieller Umweltschutz

Bodenschutz

Schutz der Biodiversität

Schutz des Kulturerbes

Capacity building und Training

Andere Ziele

Abb. 12; Eigene Erhebung 1999

Im Hinblick auf die Entwicklung der finanziellen und personellen Ressourcen sowie der materiellen Ausstattung umweltpolitischer Akteure, die sich für den Umweltschutz in Jordanien einsetzen, ist seit Beginn der 80er Jahre ein Aufwärtstrend mit einem deutlichen Anstieg seit Anfang der 90er Jahre zu verzeichnen. Die Untersuchung ergab, dass bei der überwiegenden Mehrzahl der 56 befragten umweltpolitischen Akteuren (88,2%) in Jordanien das Budget für Umweltschutzaktivitäten in den letzten zwanzig Jahren zugenommen hatte. Nur bei drei Akteuren war keine Veränderung ihres Budgets und bei drei weiteren Akteuren, dem Landwirtschafts-, Erziehungs- und Planungsministerium, waren die für Umweltschutzaktivitäten zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen zurückgegangen. Im Rahmen der Untersuchung waren insgesamt 32 jordanische Akteure bereit, Angaben zu ihren verfügbaren finanziellen Ressourcen zu machen649. Von diesen gaben sechs Akteure und damit 18,8% an, dass innerhalb ihrer Behörde bzw. ihrer Organisation kein spezielles Budget für Umweltschutzaktivitäten zur Verfügung gestellt wird. Im Jahre 1998 konnten 15,6% der befragten Akteure auf ein bescheidendes Budget von bis zu 50.000 US$ und 21,9% auf ein Budget zwischen 210.000 US$ und 600.000 US$ für Umweltschutzaktivitäten zurückgreifen. Einen weit aus größeren finanziellen Anteil hatten 15,6% der Akteure, die für Umweltschutzmaßnahmen im Jahre 1998 zwischen 610.000 und 1 Millionen US$ ausgeben konnten. Das Budget von sieben Akteuren, darunter das MMRAE, die

649 Fünf

der interviewten Akteure machten keine Angaben zu ihrem Budget für Umweltschutzaktivitäten. 219

GCEP und die nichtstaatliche RSCN, belief sich sogar auf über 1 Millionen US$. Das sind immerhin 21,9% der umweltpolitisch aktiven jordanischen Akteure.

Budgets für Umweltschutzaktivitäten 1998/1999 der jordanischen Akteure in Tausend US$

0 bis 200 210 - 400 410 - 600 610 - 800 810 - 1000 über 1000 0%

5%

10%

15%

20%

25%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 13; Eigene Erhebung 1999

Nimmt man die Geberorganisationen hinzu, so kommen nochmals drei der insgesamt sieben befragten Organisationen hinzu, die über 1 Millionen und bis zu 3 Millionen US$ für Umweltprojekte zur Verfügung stellten. Drei Geberorganisationen, USAID, UNDP und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), ließen bisher sogar über 15 Millionen US$ in Wasser- und Umweltprojekte in Jordanien fließen.

Neben diesen absoluten Zahlen ist der Anteil der Ausgaben für Umweltschutzmaßnahmen am Gesamtbudget derjenigen umweltpolitischen Akteure, deren vorrangiges Ziel nicht der Umweltschutz ist, sicherlich ein weiterer wichtiger Indikator für die gestiegene Bedeutung des Umweltschutzes in Jordanien. Auch wenn nur 24 der 38 befragten Akteure diesen Anteil benennen konnten, verdeutlicht das Ergebnis, dass in 25% der im Umweltbereich aktiven Ministerien, Behörden, Organisationen und Unternehmen kein spezielles Budget für Umweltschutzmaßnahmen vorgesehen ist. Oft werden lediglich Personal und laufende Kosten der Umweltabteilungen finanziert. Bei 33,3% der Akteure liegt der Anteil bei 1% oder darunter und bei 25% liegt er zwischen 2 und 10 Prozent. Auf einen deutlich höheren Anteil verweisen die jordanische Wasserbehörde WAJ mit ca. 33% und das MMRAE mit einem Anteil von ca. 42%. Beide Institutionen erhielten massive finanzielle Unterstützung von Geberorganisationen. Das Civil Defense 220

Directorate stellte nach eigenen Angaben sogar 50% ihres Budgets für Umweltschutzmaßnahmen im weitesten Sinne zur Verfügung. Im Gegensatz zu den jordanischen Akteuren liegt bei der Mehrzahl der sieben befragten Geberorganisationen der finanzielle Anteil, der für Umweltprojekte verwendet wird, deutlich höher. Bei der kanadischen CIDA und USAID belief sich der Anteil der Ausgaben für Wasser- und Umweltprojekte auf ungefähr 30% und bei der deutschen GTZ lag er bei ca. 40%. Am höchsten lag der Anteil bei der JICA, UNDP und der KfW, die im Jahr 1998 zwischen 70 und 80 Prozent ihres Gesamtbudgets in Wasser- und Umweltprojekte investierten.

Anteil des Budgets für Umweltschutzaktivitäten am Gesamtbudget der umweltpolitischen Akteure in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

50% 45% 40% 35% 30% 25%

Geberorganisationen

20%

Jordanische Akteure

15% 10% 5% 0% 0%

bis 1% 2-12% 13-23% 24-34% 35-45% 46-56% Budgetanteil in %

über 56%

Abb. 14; Eigene Erhebung 1999

Die externe finanzielle Unterstützung für Umweltschutzaktivitäten in Jordanien durch bi- und multilaterale Geberorganisationen hat bei über der Hälfte der jordanischen Akteure (59,2%) zugenommen oder sogar stark zugenommen. Während nur fünf Akteure (10,2%) einen Rückgang der finanziellen Unterstützung konstatierten. Zehn staatliche Institutionen und nichtstaatliche Organisationen (20,4%) erhielten gar keine externe Finanzierung für Umweltschutzmaßnahmen. Die Mehrzahl der befragten Akteure (84,6%) gehen davon aus, dass sie in den kommenden Jahren mehr Gelder zur Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen erhalten, da sie vor allem mit neuen finanziellen Beiträgen der Geberorganisationen (76,6%) rechnen und/oder weil die Regie221

rung dem Umweltschutz höhere Priorität einräumt (61,7%). Nur jeweils 7,7% erwarten in der nächsten Zeit entweder keine Veränderung oder weniger Geld für ihre Aktivitäten im Umweltbereich. Diejenigen die mit weniger Geld rechnen, begründen dies hauptsächlich mit dem Rückzug von Geberorganisationen.

Der Bestand des im Umweltbereich tätigen Personals in Jordanien ist in den letzten Jahren ebenfalls deutlich angestiegen. Die meisten umweltpolitisch aktiven Akteure konnten die Anzahl ihres Personals, das im Umweltbereich tätig ist und zwar sowohl die Vollzeitangestellten als auch die Teilzeitangestellten erhöhen. Denn 77,4% der befragten Akteure gaben an, dass sie ihr für Umweltaufgaben zuständiges Personal erhöhen konnten, während es bei 13,2% keine Veränderung im Personalbestand gab. Im Falle von fünf staatlichen Institutionen (MoA, Department of Forestry and Rangeland, MoP, MMRAE und das Waste Water Operation Directorate der WAJ) oder 9,4% der Akteure wurde das mit Umweltschutzaufgaben betraute Personal abgebaut. Entsprechend stieg die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in Jordanien, die im Umweltbereich tätig sind, deutlich an. Während in den Gründungsjahren der jeweiligen Akteure noch 30,6% der umweltpolitisch engagierten Institutionen, Organisationen und Unternehmen noch über keine Vollzeitangestellten für Umweltschutzaktivitäten verfügten, waren es 1999 nur noch 21,8%. Die Zahl derjenigen Akteure, die über mehr als fünf Vollzeitangestellte verfügten, stieg ebenfalls an. Waren es in den Gründungsjahren der jeweiligen Organisationen noch 12,2% der Akteure, so stieg ihre Zahl bis zum Jahr 1999 auf 36,4% der Akteure an, wobei mit 16,4% der größte Teil der Organisationen zwischen 6 und 30 solcher Angestellten hatte. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Teilzeitangestellten im Umweltbereich. Auch hier ist der Anteil der Organisationen ohne Teilzeitangestellte von 75,9% in den jeweiligen Gründungsjahren der Organisationen auf 62,5% im Jahr 1999 zurückgegangen. Der Anteil der Akteure mit über fünf Angestellten, die einen Teil ihrer Arbeitszeit für Umweltschutzaktivitäten aufwandten, ist hingegen von nur 7,5% auf 16,2% angestiegen.

222

Entwicklung des gesamten Personalbestands im Umweltbereich in Jordanien Anteil der befragten Akteure in % 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0

bis 5

6-16

Gesamter Personalbestand 1999

17-27

28-38

39-49

50-60

über 60

Gesamter Personalbestand im Gründungsjahr der Organisation

Abb. 15; Eigene Erhebung 1999

Rund ein Drittel der befragten Akteure (30,9%) schienen mit der personellen Ausstattung ihrer Organisation bzw. ihrer Umweltabteilung zufrieden, während 18,2% der Akteure den Mangel an Personal beklagten. Die überwiegende Zahl der befragten Akteure (74,1%) betrachtet die Qualifikation und Erfahrung ihres im Umweltbereich tätigen Personals als ausreichend, um die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen. Dennoch erachteten immerhin 25,9% der Akteure ihre Angestellten als nicht ausreichend qualifiziert, um ihrer Verantwortung im Umweltbereich gerecht zu werden. Unter einem Mangel an qualifiziertem Personal leiden infolgedessen 32,7% der befragten Akteure und 18,2% gaben an, über zu wenig spezialisiertes Personal zu verfügen.

223

Anzahl der befragten Akteure in %

Personalmangel im Umweltbereich in Jordanien

50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% kein Personalmangel

Personalmangel

Mangel an qualifiziertem Personal

Mangel an spezialisiertem Personal

Abb. 16; Eigene Erhebung 1999

Der Mangel an qualifiziertem Personal drückt sich in der meist geringen Zahl der Angestellten aus, die einen höheren akademischen Abschluss vorweisen können oder gar Umweltwissenschaften studiert haben. Nur 50% der befragten Akteure beschäftigen bis zu fünf qualifizierte Angestellte mit einem Doktor- oder Mastertitel in Umweltwissenschaften und bei 63,6% arbeiten bis zu fünf Doktoren oder Master anderer Bereiche. Unter den akademischen Abschlüssen überwiegt eindeutig der Bachelorabschluss, da 60% der Organisationen und Umweltabteilungen bis zu fünf Angestellte mit dieser Qualifikation beschäftigen, von denen die wenigsten allerdings Umweltwissenschaften studiert hatten. Jeweils 9,4% der Akteure haben zwischen 6 bis 10 oder sogar bis zu 32 Angestellte mit Bachelorabschluss und nur 5,7% der Akteure beschäftigen zwischen 50 und 70 Angestellte mit diesem Abschluss. Über die Hälfte der Organisationen, Institutionen und Unternehmen (58,3%) verfügt über gering qualifiziertes unterstützendes Personal für ihre Umweltschutzaktivitäten.

224

Qualifikation des Personals im Umweltbereich in Jordanien Doktor der Umweltwissenschaften Doktor Master in Umweltwissenschaften

0 Angestellte bis 5 Angestellte 6-11 Angestellte

Master

12-32 Angestellte 33-53 Angestellte

Bachelor in Umweltwissenschaften

54-74 Angestellte

Bachelor Unterstützendes Personal 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 17; Eigene Erhebung 1999

Da doch eine ganze Reihe der im Umweltbereich aktiven Institutionen, Organisationen und Unternehmen die Qualifizierung ihres Personals hinsichtlich Umweltfragen als unzureichend betrachtet, werden Fortbildung und Qualifizierungsmaßnahmen dieses Personals zur wichtigen Aufgabe. Dieser kamen 85,7% der Organisationen und Umweltabteilungen in Jordanien nach, indem sie ihr Personal zu speziellen Trainings- oder Fortbildungskursen zu Umweltfragen schickten, die in Jordanien, aber hauptsächlich im Ausland stattfanden. Fast die Hälfte der Akteure (42,9%) ließ ihr Personal bisher ausschließlich zu Trainingskursen und Workshops im Ausland fortbilden. In acht Organisationen (14,3%) hatten die für Umweltaufgaben zuständigen Angestellten bisher keine Trainingskurse zur Fortbildung im Umweltschutz absolviert. Die Umweltbehörde GCEP, fünf jordanische umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen und sieben Forschungsinstitutionen bieten solche Trainingskurse im Umweltbereich für externes Personal an.

In den letzten Jahren hat sich die Ausstattung der meisten im Umweltbereich aktiven Akteure hinsichtlich der Fahrzeuge, die für Umweltschutzaktivitäten eingesetzt werden, kaum verändert. Bei 78,2% der befragten Akteure kam es zu keinerlei Veränderungen und bei jeweils 7,3% nahm der Fahrzeugbestand um bis zu 50% bzw. bis zu 100% zu. Die Anzahl der ausschließlich für die Arbeit an Umweltschutzmaßnahmen vorgesehenen Computerarbeitsplätze blieb in den letzten 225

Jahren bei fast der Hälfte der Akteure (48,2%) unverändert. Allerdings konnten in 14,3% der Organisationen die Anzahl der Computerarbeitsplätze um bis zu 50%, in immerhin 25% um zwischen 51 und 100% und in 8,9% der Organisationen sogar um bis zu 200% erhöht werden.650 Hingegen wurde der Bestand an Computern in der Umweltabteilung des Planungsministeriums und der Central Electricity Generating Company in den letzten Jahren reduziert. Die überwiegende Zahl der befragten Akteure verfügte über keine Fahrzeuge (53,7%), die im Bereich der Umweltschutzaktivitäten eingesetzt werden, oder ihr Bestand blieb auf bis zu fünf Fahrzeugen (33,3%) beschränkt. Eine Ausnahme stellten die beiden staatlichen Institutionen das MMRAE und die GAM dar, die für das Abfallmanagement verantwortlich sind und hierfür zwischen 200 und 400 Fahrzeuge bereitstellten. Etwas anders verhält es sich mit den Computerarbeitsplätzen, die ausschließlich für Aktivitäten im Bereich Umweltschutz in den einzelnen Organisationen genutzt werden. Hier verfügt die Mehrzahl der Akteure über bis zu fünf (46,3%) oder sogar bis zu 16 Computern (18,5%). In 31,5% der Organisationen, Institutionen und Unternehmen stehen keine Computer, die nur für Umweltschutzaktivitäten eingesetzt werden, zur Verfügung. Im Vergleich zu anderen nichtstaatlichen Umweltschutzorganisationen nimmt die sehr gut ausgestattete RSCN mit insgesamt 40 Fahrzeugen und 30 Computerarbeitsplätzen eine herausragende Stellung ein. Fahrzeuge und Computerarbeitsplätze für Umweltschutzaktivitäten in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0 bis 5 6-16 über 16 Anzahl der Fahrzeuge Anzahl der Computerarbeitsplätze

Abb. 18; Eigene Erhebung 1999

650 Die

hohen Prozentzahlen der Steigerungsrate kommen durch die geringe Zahl des vorherigen Fahrzeugs- und Computerbestandes zustande. 226

Der deutliche Anstieg der Umweltschutzaktivitäten in Folge der UNCED seit Mitte der 90er Jahre wäre ohne die finanzielle Unterstützung bi- und multilateraler Geberorganisationen in diesem Maße nicht denkbar gewesen. Sie unterstützten auch den intraorganisatorischen Ressourcenausbau der staatlichen, semi- und nichtstaatlichen Träger von Umweltbelangen in Jordanien. Gleichzeitig kam es zur verstärkten Integration von Umweltaspekten in die Arbeit anderer Ressorts und der Zielgruppen von Umweltpolitik durch die Einrichtung von Umweltabteilungen in Ministerien, Geberorganisationen, Unternehmen und Interessenvertretungen der Wirtschaft.

4.1.6.2 Umweltpolitische Strategien Im Folgenden sollen nun die Strategien der umweltpolitischen Akteure in Jordanien aufgezeigt und analysiert werden. Es wird danach gefragt, welche Umweltprobleme vorrangig von den Trägern von Umweltbelangen bekämpft werden und inwiefern sie dabei konzeptionelle, organisatorische und finanzielle Unterstützung von außen erhalten. Als wichtige Faktoren, die Auskunft über die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen geben, sollen auch die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung jener Akteure, die sich für Umweltschutz einsetzen und ihr Zugang zu Entscheidungsträgern untersucht werden. Die Frage nach der ökologischen Bündnisfähigkeit wird anhand der Entwicklung der Kommunikation, Koordination und Kooperation der umweltpolitisch relevanten Akteure untereinander eingehender betrachtet. Dabei geht es nicht nur um Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen den staatlichen und nichtstaatlichen Trägern von Umweltbelangen, sondern auch um die Einbindung anderer politischer Ressorts und der Zielgruppen von Umweltpolitik sowie ihrer Interessenvertretungen in umweltpolitische Netzwerke.

Für die Umweltbehörde GCEP, die nichtstaatlichen Umweltorganisationen und die Umweltforschungsinstitute steht die Lösung der Wasserprobleme durch den Schutz vor Erschöpfung und Verschmutzung der knappen Wasserressourcen in Jordanien an erster Stelle. Von 88,9% der 56 befragten Organisationen wurde diese Aufgabe als sehr wichtig und von 11,1% als wichtig angesehen. Die Verminderung der städtischen Umweltprobleme wurde zwar von deutlich weniger Akteuren als sehr wichtig angesehen, aber immerhin noch von 83,4% der Befragten als sehr wichtig oder wichtig eingestuft. Dem Bodenschutz durch die Bekämpfung der Landdegradierung und der Kontamination sowie dem Schutz der Artenvielfalt haben sich jeweils 77,8% der Organisationen als sehr wichtige oder wichtige Aufgabe angenommen. Kaum kümmern sich die Träger von Umweltbelangen hingegen um den Schutz des kulturellen und natürlichen Erbes.

227

Über die Hälfte (55,6%) der befragten Akteure gaben an, dass sie dieses Problem für ihre Arbeit als weniger oder sogar nicht wichtig erachten.

Bekämpfung der Umweltprobleme durch die Träger von Umweltbelangen in Jordanien Landdegradierung und Kontamination

Wassererschöpfung und Verschmutzung nicht wichtig weniger wichtig

Rückgang der Biodiversität

wichtig sehr wichtig

Degradierung des kulturellen Erbes

Städtisch-industrielle Umweltprobleme 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 19; Eigene Erhebung 1999

Die neue Umweltbehörde GCEP und die Mehrzahl der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen und der Umweltforschungsinstitute in Jordanien haben bei ihrer Arbeit und ihrem Einsatz für den Umweltschutz im Land organisatorische und konzeptionelle Unterstützung erhalten. Die meisten der Akteure haben externe Unterstützung dieser Art zum ersten Mal im Laufe der 90er Jahre erhalten. Von den insgesamt 18 befragten Akteuren wurden fünf im Zeitraum von 1991 bis 1992 und weitere fünf Organisationen zwischen 1996 und 1999 erstmals finanziell unterstützt. Nur der RSCN und der Renewable Energy Research Centre an der RSS konnten bereits in den 70er Jahren auf externe Unterstützung zurückgreifen. Drei nichtstaatliche Umweltorganisationen haben nach eigenen Angaben keine organisatorische und konzeptionelle Unterstützung von außen erhalten.

228

Beginn der externen Unterstützung der Träger von Umweltbelangen in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000 Jahr

Abb. 20; Eigene Erhebung 1999

Auf finanzielle Unterstützung von außen sind fast alle Träger von Umweltbelangen angewiesen. Eine Ausnahme stellt die Nichtregierungsorganisation Friends of the Environment dar, die bisher noch keine finanziellen Mittel von ausländischen Geberorganisationen empfangen hat. Die wichtigsten externen Finanziers der Umweltbehörde GCEP, der Umweltforschungsinstitute und der nichtstaatlichen Umweltorganisationen sind bi- und multinationale Geberorganisationen, von denen 77,8% der befragten Träger von Umweltbelangen finanzielle Unterstützung erhalten. An zweiter Stelle folgt die nationale Regierung, die die Hälfte der Träger finanziell unterstützt. Drei nichtstaatliche Umweltorganisationen, die JES, die JSDCBD und die JREDS erhielten Spenden von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen aus dem privaten Sektor, unter anderem von der Jordan Phosphate Mines Company, der Arab Potash Company und der Jordan Cement Factories Corporation.

229

Hauptfinanziers der Träger von Umweltbelangen in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Geberorganisationen

Nationale Regierung

Privater Sektor

Abb. 21; Eigene Erhebung 1999

Die finanzielle Unterstützung von Industriebetrieben birgt die Gefahr, dass nichtstaatliche Umweltorganisationen von den Verursachern der Umweltverschmutzung „gekauft“ werden und weniger auf Konflikt als auf Kooperation aus sind, auch wenn dies sowohl von Vertretern der Umweltorganisationen als auch der Industrie bestritten wird. So stellte ein befragter Vertreter der jordanischen Energiegesellschaft Central Electricity Generating Company (CEGCO) fest: „CEGCO supports financially the environmental NGOs every year, because the company wants to avoid problems with the environmental organisations. But the NGOs are taking the money and then they attack the company.“651 Der befragte Umweltexperte der JES begründete die Unbestechlichkeit seiner Organisation damit, dass in dem von der Umweltorganisation herausgegebenen Umweltmagazin weder Werbung von Industrieunternehmen oder Firmen publiziert werden noch versucht wird, die Veröffentlichung von Artikeln zu unterbinden, die umweltschädliche Praktiken solcher Unternehmen kritisieren.652 Die Hälfte der umweltpolitischen Trägerorganisationen gab an, gegenüber anderen nichtstaatlichen und semistaatlichen umweltpolitischen Akteuren finanziell benachteiligt zu werden. Einen wichtigen Grund hierfür sehen die Vertreter der GCEP und drei der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen darin, dass ihre Institution bzw. Organisationen erst vor kurzem gegründet wurden und sich im Vergleich zu älteren Organisationen noch nicht richtig etablieren konnten. Die Vertreter von Friends of the Environment und JES sahen den besseren

651 Mustafa 652 Dr.

R. Attili, Interview am 5.10.1999.

Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999. 230

Zugang zur Regierung der anderen NRO, vor allem aber der RSCN, als Ursache für ihre finanzielle Benachteiligung. Die Vertreterin der Umweltabteilung des Higher Council for Science and Technology (HCST) meinte Geberorganisationen würden eher Ministerien als Forschungsinstitute finanziell unterstützen.

Nahezu alle Träger von Umweltbelangen und auch die im Umweltbereich aktiven Geberorganisationen (88%) versuchten ihre Aktivitäten im Umweltschutzbereich öffentlich bekannt zu machen und so Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen. Die Mehrzahl veröffentlichen Beiträge und Anzeigen in jordanischen Printmedien (80%) oder vertreiben eigene Publikationen (76%), um das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung Jordaniens zu erhöhen. Ein beliebtes Mittel zur Information der Öffentlichkeit sind auch öffentliche Auftritte und Kampagnen, auf diese Instrumente greifen 72% der Organisationen zurückgreifen. Etwas weniger, aber mit 60% immer noch viele Akteure, wenden sich darüber hinaus mit Beiträgen an Radio- oder Fernsehsender und erreichen so eine breitere Öffentlichkeit. Über die Hälfte der Organisationen (52%) hat sich auch schon das Internet zunutze gemacht. Durch den Anschluss von Universitäten und anderen Bildungsstätten ans Internet und die Einrichtung zahlreicher stark frequentierter Internetcafés vor allem in der Hauptstadt Amman hat sich Zugang und Nutzung dieses Mediums in den jüngeren gebildeten Schichten der städtischen Bevölkerung seit einigen Jahren deutlich erhöht.

Information der Öffentlichkeit über Umweltschutzaktivitäten in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in %

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Einflussnahme auf öffentliche Meinung

Print-Medien

Eigene Publikationen

Öffentliche Auftritte und Kampagnen

Radio, Fernsehen

Internet

Abb. 22; Eigene Erhebung 1999

231

Im Rahmen der von den Akteuren angewandten Strategien zur Durchsetzung der Umweltschutzinteressen ist der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern, den bis auf einen alle befragten Akteure bejahten, ein wichtiges Kriterium. Am schwierigsten scheint der Kontakt zum König, der, wenn überhaupt, meist nur auf formaler Ebene zustande kommt. Während zum König Hussein immerhin noch 42,4% Zugang hatten, blieb der Kontakt zum jetzigen König Abdullah II bisher auf 39,4% der Organisationen beschränkt. Nur die wenigsten der Organisationen hatten und haben informalen Zugang zu König Hussein (12,2% oder 4 Akteure) und zu König Abdullah II (9,1% oder 3 Akteure). Hingegen scheint der Kontakt zu Angehörigen der Königsfamilie einfacher, da immerhin 51,5% der Akteure entweder formalen oder informalen Zugang zu wichtigen Persönlichkeiten wie der Königin Noor, die sich sehr für den Umweltschutz in Jordanien einsetzt, hatten. Ganz anders sieht es mit dem Kontakt zu Parlamentsabgeordneten und Mitgliedern der Regierung aus, zu denen nahezu alle der Organisationen (97%) Zugang hatten, davon 45,5% auch informell. Ebenso hat die große Mehrheit der Akteure (93,8%) Kontakt zum Generaldirektor der GCEP, von denen 59,4% neben formalem auch informalen Zugang hatten. Zugang zu politischen Entscheidungsträgern der umweltpolitischen Akteure in Jordanien Zugang zum Generaldirektor der GCEP

Zugang zu Mitgliedern der Regierung kein Zugang formal

Zugang zum König Hussein

informal formal und informal

Zugang zum König Abdallah

Zugang zu wichtigen Persönlichkeiten -60%

-40%

-20%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl der befragten Akteure in %

Abb. 23; Eigene Erhebung 1999

Auf die Frage, ob sie in ihren umweltpolitischen Aktivitäten unterstützt oder behindert werden, gaben 81,8% der befragten nichtstaatlichen umweltpolitischen Akteure und Geberorganisationen ausdrücklich an, von politischen Entscheidungsträgern und 75,8% von Staatsbeamten unterstützt zu werden. Unterstützung von König Hussein erhielten 71,9%, von wichtigen Persönlichkeiten wie Angehörige der Königsfamilie, vor allem von Königin Noor, Prinzessin Basma Bint’Ali und 232

Prinz Hassan, werden 53,1% und von religiösen Führern immerhin noch 45,5% der Akteure aktiv unterstützt. Nur zwei Organisationen sahen sich in ihren Umweltschutzaktivitäten durch Staatsbeamte behindert.

Das Ausmaß der Kommunikation, Koordination und Kooperation der Träger von Umweltbelangen untereinander ist ein weiterer wichtiger Indikator, um die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen einzuschätzen. Besteht zwischen den einzelnen Akteuren, die sich für den Umweltschutz in Jordanien einsetzen, ein kooperatives Verhältnis, das vom gemeinsamen Austausch und Zusammenarbeit geprägt ist oder eher ein Konkurrenzverhältnis, da die für Umweltschutzaktivitäten zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen begrenzt sind? In den letzten zehn Jahren ist die Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen Trägern von Umweltbelangen und zwar sowohl zwischen Nichtregierungsorganisationen untereinander als auch zwischen nichtstaatlichen Umweltorganisationen und der staatlichen Umweltbehörde GCEP, deutlich angestiegen. Für 88,8% der Befragten ist die Kooperation mit nichtstaatlichen Umweltorganisationen angestiegen oder stark angestiegen und für 83,3% hat der Austausch und die Zusammenarbeit mit den auf Umweltfragen spezialisierten Forschungsinstituten zugenommen oder sogar stark zugenommen. Noch deutlicher zeichnet sich die starke Zunahme der Kommunikation, Koordination und Kooperation mit Geberorganisationen ab, die bei 94,4% der Träger zu verzeichnen ist. Im Vergleich hierzu gaben nur 77,8% der befragten Akteure an, dass der Austausch und die Zusammenarbeit mit staatlichen Organisationen angestiegen ist. Betrachtet man die Kooperation der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen untereinander, so stellten 56,6% der befragten Repräsentanten eine Zunahme fest und 33,3% der Befragten sprachen sogar von einer starken Zunahme.

Trotz dieser positiven Entwicklung der Kommunikation, Koordination und Kooperation der Träger von Umweltbelangen untereinander, bezeichneten 56,6% der Befragten die Zusammenarbeit mit Geberorganisationen als nicht ausreichend und ebenso viele Nichtregierungsorganisationen empfanden die Zusammenarbeit mit anderen Nichtregierungsorganisationen als nicht ausreichend und verbesserungswürdig. Nimmt man die anderen Träger von Umweltbelangen hinzu, so bezeichneten nur 38,9% von ihnen die Kooperation mit nichtstaatlichen Umweltorganisationen als unzureichend. Genau die Hälfte der Trägerorganisationen erachteten die Kooperation mit Umweltforschungszentren als ausreichend. Am zufriedenstellendsten schien für die Träger von Umweltbelangen noch die Kommunikation, Koordination und Kooperation mit staatlichen Institutionen, die immerhin von 66,7% der Befragten als ausreichend beschrieben wurde. Dennoch blieb die Koordination und Kooperation vor allem zwischen den Nichtregierungsorga233

nisationen und der GCEP lange Zeit auf ad-hoc-Treffen begrenzt und hing hauptsächlich von informellen persönlichen Kontakten ab. Mittlerweile wurde aber mit der Einrichtung des IUCNKommittees im Jahr 1995 versucht, die Kooperation zwischen den Trägern von Umweltbelangen aus dem nichtstaatlichen Bereich und der GCEP zu institutionalisieren. Dennoch wird die Koordination und Kooperation zwischen den Akteuren durch das Konkurrenzverhältnis untereinander beeinträchtigt. Dieses tritt vor allem zwischen der GCEP und den großen Umweltorganisationen auf, die wegen der Überschneidung ihrer Aktivitäten um ausländische Gelder konkurrieren. Durch die Spezialisierung der einzelnen Nichtregierungsorganisationen auf bestimmte Aufgabenbereiche des Umweltschutzes, sei es der Schutz der Artenvielfalt wie im Falle der RSCN, der Schutz der Wasserressourcen seitens JES oder der Kampf gegen die Desertifikation durch die JSDCBD, wird die Konkurrenz zwischen den nichtstaatlichen Akteuren stark abgemildert und ihr kann teilweise sogar vorgebeugt werden. Da aber alle umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen ihren Schwerpunkt auf die Umweltbewusstseinbildung und Umwelterziehung gelegt haben, kommt es dennoch in einigen Fällen zur Überschneidung der Aktivitäten und damit zum Wettstreit um finanzielle Ressourcen, vor allem zwischen der JES und der RSCN. Während die kleineren Nichtregierungsorganisationen in Jordanien es ohnehin schwer haben mit den großen zu konkurrieren.

Betrachtet man die umweltpolitisch aktiven Akteure in Jordanien insgesamt, also einschließlich anderer politischer Ressorts, Zielgruppen von Umweltpolitik und deren Interessenvertretungen, kann man ebenfalls feststellen, dass der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. So gaben 82,1% der befragten Akteure an, dass die Kommunikation, die Koordination und auch die Kooperation mit umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen zugenommen hat, wobei 33,9% sogar von einer starken Zunahme sprachen. Etwas geringer mit jeweils 76,8% fiel die Anzahl derjenigen Akteure aus, deren Kommunikation, Koordination und Kooperation mit im Umweltbereich tätigen staatlichen Organisationen angestiegen ist. Die Kooperation mit Geberorganisationen hat zwar einerseits für die Mehrzahl der Akteure (76,4%) ebenfalls zugenommen, andererseits war die Anzahl derjenigen Organisationen, deren Kooperation mit Geberorganisationen abgenommen hat oder die gar keinen Kontakt hatten mit 8,9% bzw. 5,4% vergleichsweise groß. Die Zusammenarbeit mit jordanischen Forschungsinstituten, die sich mit Umweltfragen beschäftigen, ist im Vergleich zu den anderen umweltpolitischen Akteuren am geringfügigsten angestiegen, da nur 69,6% der Befragten einen Anstieg der Kooperation konstatierten.

234

Entwicklung der Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien mit staatlichen Organisationen

mit Geberorganisationen

mit Forschungsinstituten

mit NRO -20% -10%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90% 100%

Anzahl der befragten Akteure in % kein Kontakt

abgenommen

zugenommen

stark zugenommen

Abb. 24; Eigene Erhebung 1999

Das 1999 gegründete „Jordanian Network for Environmentally Friendly Industries“ (JNEFI) ist ein gutes Beispiel für die Bildung umweltpolitischer Netzwerke, einschließlich der Einbindung der Zielgruppen von Umweltpolitik. Ziel dieses Netzwerkes ist es, den Informationsaustausch zwischen Industrieunternehmen aus dem privaten Sektor und den Anbietern umweltfreundlicher Technologien zu fördern und die Einführung von umweltfreundlichen Technologien auf betrieblicher Ebene mit finanzieller Unterstützung der Industrial Development Bank zu erleichtern. Die Nichtregierungsorganisation Friends of Environment Society hilft bei der Kontaktaufnahme zwischen der Bank und Unternehmen und ist an der Organisation von Seminaren zu Ansätzen wie „Good Housekeeping“ beteiligt.653

Trotz dieser günstigen und positiven Entwicklung in der Interaktion zwischen den umweltpolitischen Akteuren empfinden nur knapp über die Hälfte der Akteure (zwischen 53,6% und 60,7%) die Kommunikation, Koordination und Kooperation mit anderen als ausreichend.

653 Vgl.

Jordan Times 17.10.1999. „Good Housekeeping“ zielt auf die Steigerung der Produktion bei gleichzeitiger Reduzierung der Produktionskosten und der negativen Auswirkungen auf die Umwelt ab. 235

Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in % 80% 70% 60% 50% nicht ausreichend

40%

ausreichend

30% 20% 10% 0% mit NRO

mit mit Forschungsinstituten Geberorganisationen

mit staatlichen Organisationen

Abb. 25; Eigene Erhebung 1999

Für die unzureichende Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen umweltpolitischen Akteuren werden unterschiedliche Gründe angegeben. Am häufigsten gaben die Befragten (31,1%) den Personal- und Zeitmangel als Ursache an. Danach folgten fehlende institutionalisierte Kanäle für regelmäßigen Austausch und Koordination und insbesondere die Schwäche der GCEP, die eigentlich als Koordinator fungieren sollte (jeweils 13,3%). Der Mangel an finanziellen Ressourcen und der Wettbewerb bzw. die Konkurrenz um begrenzte Mittel zwischen den Akteuren wurden von jeweils 11,1% der befragten Akteure als Gründe für den Mangel an Koordination und Kooperation angegeben.

236

Gründe für unzureichende Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren in Jordanien Anzahl der befragten Akteure in % 70%

60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Personal- und Zeitmangel

Mangel an finanziellen Ressourcen

Wettbewerb zwischen Akteuren

Fehlende institutionalisierte Kanäle

Schwäche der GCEP als Koordinator

Andere Gründe

Abb. 26; Eigene Erhebung 1999

Festzuhalten bleibt, dass die positiven Entwicklungen umweltpolitischer Strategien in Jordanien ohne die konzeptionelle und vor allem finanzielle Unterstützung ausländischer Geberorganisationen nicht möglich gewesen wären. Doch auch die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung und der gute Zugang zu politischen Entscheidungsträgern seitens der nationalen Träger von Umweltbelangen sowie die Verbesserung des Informationsaustausches, der Koordination und der Zusammenarbeit zwischen allen umweltpolitisch aktiven Akteuren sorgte dafür, dass die ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit in Jordanien seit Anfang der 90er Jahre deutlich zugenommen hat. Insgesamt gesehen entstanden durch die Erhöhung des für Umweltschutzmaßnahmen eingesetzten Budgets, Personals und der materiellen Ausstattung sowie durch die verstärkte Zusammenarbeit und Netzwerkbildung zwischen allen in Jordanien aktiven umweltpolitischen Akteuren Synergieeffekte, die seit Mitte der 90er Jahre die institutionelle Kapazität im Umweltbereich im Land erheblich ansteigen ließ.

237

4.1.7

Die Rolle der umweltpolitischen Akteure bei der Entwicklung der nationalen Umweltpolitik

4.1.7.1 Die Rolle umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung der Nationalen Umweltstrategie Das Projekt der National Environment Strategy (NES) wurde 1989 unter der Aufsicht des Department of Environment im MMRAE begonnen und nach zwei Jahren am 2. Mai 1991 von der jordanischen Regierung offiziell verabschiedet. Jordanien war damit das erste Land im Nahen Osten, das eine nationale Umweltstrategie erstellt hatte. Bereits im März 1980 gehörte Jordanien zu der Gruppe der 30 Länder, die eine World Conservation Strategy mit einem eigenen nationalen Beitrag unterstützen wollte. Im Jahr 1982 wurde eine National Environmental Commission unter der Schirmherrschaft der Königin Noor gebildet. Drei Jahre später, im Februar 1985, rief der Premierminister Mitglieder aus verschiedenen Ministerien und Behörden in einem Komitee zusammen, das für die Aufnahme des Umweltthemas als eigenständigem Bereich in den Fünfjahresentwicklungsplan (1986-1990) sorgte. Entscheidender Auslöser für die Bemühungen um eine Umweltstrategie in Jordanien war die gestiegene Sensibilität gegenüber Umweltthemen auf internationaler Ebene in den 80er Jahren. Die finanziellen Ressourcen für die Vorbereitungen der Nationalen Umweltstrategie wurden von USAID zur Verfügung gestellt, während die IUCN die Jordanier fachlich beriet. Die Einrichtung eines Steuerungskomitees zur Erstellung der nationalen Umweltstrategie unter dem Vorsitz des Ministers des MMRAE erfolgte im Juni 1988 per Kabinettsbeschluss und hatte somit weder eine parlamentarische Grundlage noch einen gesetzlichen Auftrag. Die 25 Komiteemitglieder waren Generalsekretäre umweltpolitisch relevanter Ministerien sowie Repräsentanten weiterer wichtiger staatlicher Institutionen und nichtstaatlicher Organisationen und waren von der jordanischen Regierung ernannt worden. Am Formulierungsprozess der NES nahmen insgesamt 180 Spezialisten und Experten teil, die in zehn Arbeitsgruppen anhand von gesammelten und ausgewerteten Daten Strategien für die verschiedenen umweltrelevanten Sektoren und Bereiche entwarfen. Die Berichte und Vorschläge der einzelnen Arbeitsgruppen wurden in mehreren Workshops vorgestellt und diskutiert.654

Der Entstehungsprozess der Umweltstrategie zeichnet sich durch eine breite Beteiligung verschiedener staatlicher und gesellschaftlicher Akteure aus. Mit der gelungenen Einbindung aller für die Umweltpolitik relevanten Ministerien und staatlichen Behörden in den Prozess der Stra-

654 Nach

der Vorstellung der IUCN sollte die Entwicklung der Umweltstrategie mit der Unterstützung von ausländischen Kurzzeitexperten erfolgen. Doch der damalige Leiter Direktor der NES Dr. Sufyan Tell setzte durch, dass bis auf den von der IUCN gestellten Koordinator, nur jordanische Experten an der Strategieformulierung beteiligt wurden. 238

tegieformulierung konnte eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen werden, die Integration der Umweltstrategie in andere Politikfelder zu garantieren. Die am Entstehungsprozess beteiligten Vertreter aus semistaatlichen Forschungsinstituten und Universitäten sorgten so für die wissenschaftliche Fundierung der Strategie. Die Rolle der nichtstaatlichen Organisationen fiel bei der Formulierung der NES noch bescheiden aus, da es damals mit der RSCN und der JES (damals noch Jordan Society for the Control of Environmental Pollution) nur zwei Nichtregierungsorganisationen gab, die sich für den Umweltschutz in Jordanien einsetzten, und die Friends of Archeology (FoA) als weitere nichtstaatliche Organisation für den Erhalt des kulturellen und natürlichen Erbes im Land arbeiteten. In allen Komitees stellten die staatlichen Vertreter aus den Sektorministerien und staatlichen Behörden, deren vorrangiges Ziel nicht der Schutz der Umwelt ist, die Mehrzahl der Mitglieder, während des Departement of Environment (DoE), Umweltforschungsinstitute, umweltpolitische Nichtregierungsorganisationen als Träger von Umweltbelangen stets in der Unterzahl blieben. Besonders unausgewogen fiel das Verhältnis im Komitee „Landwirtschaft und Land“ aus, wo nur zwei Vertreter des DoE, 22 Vertretern staatlicher, universitärer und sonstiger Einrichtungen gegenüber standen, die sich nicht in erster Linie mit Fragen des Umweltschutzes beschäftigen. Im Komitee, das sich mit Fragen der nachhaltigen Nutzung von Oberflächen- und Grundwasser befasste, mussten zwei Vertreter von Umweltforschungsinstituten, unterstützt von zwei Mitarbeitern des DoE und jeweils einem Vertreter der RSCN und der JES ihre Umweltschutzinteressen gegenüber 19 Repräsentanten anderer staatlicher Institutionen verteidigen. Günstiger für die Träger von Umweltbelangen fiel das Verhältnis im Bereich Tier- und Pflanzenschutz aus, wo von den insgesamt zehn Komiteemitgliedern zwei von der RSCN und eines vom DoE waren. Die RSCN konnte insbesondere in dieser Arbeitsgruppe starken Einfluss ausüben und ihre Interessen weitgehend durchsetzen, wohl nicht zuletzt, weil der aus einer bekannten jordanischen Familie stammende Präsident der RSCN Anis Muasher den Vorsitz innehatte. In den Arbeitsgruppen zum Küsten- und Meeresschutz, zu Energie und mineralische Ressourcen und zu Luft und Atmosphäre standen jeweils drei Vertreter von Umweltschutzorganisationen acht bis zehn Mitgliedern gegenüber, die aus anderen Organisationen kamen.655

655 In

den übrigen Bereichen ergab sich folgende Mitgliederverteilung: Im Bereich Wohnen und Siedlungen waren es zwei Träger von Umweltbelangen (DoE, JSCEP) gegenüber 13 Vertretern anderer Organisationen. Im Komitee zu „Environmental health“ waren nur Repräsentanten staatlicher Institutionen Mitglieder. Davon war einer vom MMRAE und jeweils drei Vertreter des DoE und der FoA standen 27 Mitgliedern sonstiger Organisationen gegenüber. Im Bereich Umweltgesetzgebung bestand das Komitee insgesamt aus acht Mitgliedern, eines davon kam aus dem DoE. 239

Die personelle Unterrepräsentanz der Träger von Umweltbelangen in den Komitees zur Formulierung der Nationalen Umweltstrategie wirkte sich nicht nachteilig aus, da es erst einmal nur um die Sammlung und Aufbereitung verfügbarer Daten und Informationen zur Beschreibung des Ressourcenbestands und der Umweltprobleme in Jordanien ging und sie daher kaum gegen Widerstände bei der Durchsetzung ihrer Interessen anzukämpfen hatten. Bezeichnender Weise wurden allerdings im Rahmen der Nationalen Umweltstrategie nur in seltenen Fällen konkrete Lösungsmaßnahmen verbindlich festgeschrieben. Insbesondere das DoE, der Environment Research Center der RSS und die Umweltabteilung des Higher Council for Science and Technology (HCST), aber auch die nichtstaatlichen Organisationen RSCN und IUCN hatten nach eigener Darstellung als Berater oder Koordinatoren starken Einfluss auf die Inhalte der NES. Hingegen bezeichnete die FoA, die nur im Komitee zum Schutz des Kulturerbes vertreten war, ihren Einfluss auf die Strategie als schwach und die JES, obwohl in drei Komitees vertreten, ihren Einfluss als mittelmäßig. Die Mehrzahl der beteiligten staatlichen Akteure wie das Landwirtschaftsund das Wasserministerium schätzten ihren Einfluss auf die NES als zumindest mittelmäßig bis stark im Falle des Gesundheits- oder Planungsministeriums ein. In den unabhängigen Komitees war es jedem Ministerium möglich, für seinen eigenen Bereich eine Strategie zu erstellen, so dass Konflikte weitgehend ausblieben.656 Allerdings birgt die nationale Umweltstrategie Konfliktpotenzial für den privaten Sektor, da durch die Umsetzung der Strategie in Zukunft die industrielle Entwicklung behindert werden könnte und Industrieunternehmen mit zusätzlichen Kosten, beispielsweise durch die im NES geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung für Entwicklungsprojekte, rechnen müssen.657 Daher beteiligten sich neben den NRO auch Interessenvertretungen und Unternehmen aus dem privaten und halbstaatlichen Sektor am Diskussionsprozess. Große Industrieunternehmen wie die Jordan Petroleum Refinery Corporation, die Phosphate Mines Company und die Jordan Electricity Authority hatten jeweils einen Vertreter im Komitee, das sich mit Fragen der Energieversorgung und dem Abbau mineralischer Ressourcen beschäftigte. Die Elektrizitätsbehörde und Phosphatindustrie waren darüber hinaus zusammen mit der Arab Potash Company aufgrund ihrer Aktivitäten in der südlichen Küstenregion des Landes auch im Komitee zum Küsten- und Meeresschutz. Als nicht-ständige Mitglieder (so genannte „on-call-members“) waren die Phosphat-, Zement- und Petroliumbetriebe in der Arbeitsgruppe Luft und Atmosphäre vertreten. Interessenvertretungen wie die Farmers Union oder die Fishermen Society nahmen auch an den Komitees teil, deren Thematik ihre Arbeit betraf. Die Amman Chamber of Industry (ACI) hatte nur eine Beobachterrolle und bezeichnete wie auch

656 So

die Meinung der überwiegenden Zahl der befragten Experten.

657Ziad

Alawneh, Generaldirektor NEWS, Interview am 6.11.1999. 240

Farmers Union ihren Einfluss auf die Inhalte der Strategie als schwach. Hingegen gaben die befragten Vertreter der Jordan Phosphate Mines Company und die Arab Potash Company an, zwar keinen starken aber immerhin einen mittelmäßigen Einfluss auf die Festschreibung von Zielen und Inhalten in der Umweltstrategie gehabt zu haben.

4.1.7.2 Der Beitrag umweltpolitischer Akteure zum Umweltrahmengesetz Der Prozess der Formulierung des Umweltrahmengesetzes No. 12 erstreckte sich auf einen Zeitraum von ca. 14 Jahren, bis es schließlich im Jahr 1995 verabschiedet wurde. Nachdem das Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt (MMRAE) als verantwortliches Ministerium für Umweltschutzaktivitäten in Jordanien 1980 eine Umweltabteilung eingerichtet hatte, trieb diese bald darauf die Bemühungen zur Entwicklung eines umfassenden Umweltschutzgesetzes voran. Der erste Vorschlag für ein solches Gesetz wurde bereits im Jahre 1980 in Form eines „Environmental Council Code“ vorgelegt und beinhaltete sechs Artikel, die die Funktionen eines „Higher Environmental Council“ festlegten. Dieser Höhere Umweltrat sollte sich aus Repräsentanten der umweltrelevanten Ministerien und Behörden, aber auch aus Forschungsinstitutionen und dem nichtstaatlichen und privaten Sektor zusammensetzen. Etwa zur gleichen Zeit, Anfang der 80er Jahre wurde unter der Leitung des MMRAE ein Komitee gegründet, deren Mitglieder aus für umweltpolitische Fragen relevanten Ministerien kamen. Dieses Komitee legte im Laufe der 80er Jahre mehrere Entwürfe für ein jordanisches Umweltgesetz vor, die allen weiteren umweltrelevanten Ministerien und Behörden zur Kommentierung vorgelegt wurden, um anschließend Änderungsvorschläge entgegenzunehmen. Die Stellungnahmen der Ministerien führten zur zweifachen Überarbeitung des Gesetzesentwurfs in den Jahren 1984 und 1987. Diese Entwürfe enthielten Empfehlungen zur Etablierung einer unabhängigen Umweltabteilung im MMRAE mit weitreichenden Vollmachten in den Bereichen Aufsicht, Überwachung und Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen. Dennoch hätte nach diesem Entwurf der Minister für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt weiterhin die Macht über alle Entscheidungen im Umweltschutzbereich inne gehabt und hätte jeden, der gegen das Gesetz verstößt, vor Gericht bringen können. Der zweite überarbeitete Entwurf von 1987 sah darüber hinaus die Gründung eines „Higher Council for Environment Protection“ vor, der unter dem Vorsitz des Umweltministers 17 Mitglieder sowohl aus staatlichen Institutionen als auch aus nichtstaatlichen Organisationen umfassen sollte. Nachdem im Rahmen der Erstellung der Nationalen Umweltstrategie NES nochmals die Notwendigkeit eines integrierten Umweltrahmengesetzes betont worden war, wurde 1990 ein weiterer Entwurf für ein Umweltrahmengesetz vorgelegt, der wie die vorherigen die Gründung einer unabhängigen Umweltbehörde, 241

die einem Höheren Umweltrat unterstehen sollte, als institutionelle Neuerung empfahl. Bei diesen ersten Versionen des Umweltgesetzes erhielt der Naturschutz im Sinne des Schutzes von Flora und Fauna noch viel Beachtung. Die Strafen für Gesetzesverstöße fielen mit Geldbußen zwischen 50 und 1000 JD und bis zu sechs Monaten Gefängnis noch relativ gering aus. Allerdings wurde keiner dieser Gesetzesentwürfe verabschiedet.658

Für die Ablehnung der zwischen 1980 und 1990 vorgelegten Entwürfe für ein integriertes Umweltschutzgesetz gab es unterschiedliche Gründe. Auch wenn die Notwendigkeit eines Umweltrahmengesetzes als solches im Laufe des Prozesses immer seltener in Frage gestellt wurde, bestand vor allem Uneinigkeit darüber, welches Ministerium die Verantwortung für Umweltschutzaktivitäten übernehmen und wem die neue Umweltbehörde zugeordnet werden sollte. Selbst der Vorschlag einen nationalen Höheren Umweltrat einzurichten, hätte nichts an der Tatsache geändert, dass der Minister für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt weiterhin weitreichende Vollmachten über umweltpolitische Entscheidungen inne gehabt hätte. Konflikte zwischen den verschiedenen im Umweltrat vertretenen staatlichen Institutionen wären zwangsläufig die Folge gewesen, da in keinem der Gesetzesentwürfe Kompetenz- und Aufgabenbereiche eindeutig abgegrenzt wurden, um Doppelarbeit und die Überschneidung von Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen zu verhindern. Das Problem, dass die Umweltabteilung, das Department of Environment (DoE), Funktionen insbesondere im Bereich der Überwachung der Trinkwasserqualität und öffentliche Abwassersysteme wahrnahm, die eigentlich zum Aufgabenbereich des Gesundheitsministeriums (MoH) und der Jordanischen Wasserbehörde WAJ gehörten, wäre so nicht gelöst worden. Nach Ansicht von Saleh Fayez Al-Shariri und Hussein Ahmad Jaber hätten die vorgelegten Gesetzesentwürfe daher nicht zu einer effektiveren Umweltschutzpolitik geführt und wurden vor allem abgelehnt, weil diejenigen staatlichen Ministerien und Behörden mit wichtigen Funktionen im Umweltbereich befürchteten, in ihrem Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich beschnitten zu werden.659 Besonders deutlich wird diese Befürchtung in einem Brief von der Stadtverwaltung von Amman (Greater Amman Municipality, GAM) vom 11.2.1988 an das MMRAE, in dem sie zum Umweltgesetzesentwurf von 1987 Stellung nimmt und betont, dass es weder angemessen noch praktikabel und außerdem zu teuer wäre, alle Aufgaben und Kompetenzen im Bereich Planung, Überwachung und Kontrolle der

658 Hinsichtlich

der Datierung der einzelnen Gesetzesentwürfe gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben. Nach Al-Sharari/Jaber wurden Entwürfe für ein umfassendes Umweltgesetz 1982 und nach zweimaliger Überarbeitung 1984 und 1987 vorgelegt (vgl. Al-Sharari/Jaber, May 1992: 111ff). Hingegen gibt Trick als Daten 1981, 1987 und 1989 an. Vgl. Trick 1992: 5).

659 Vgl.

Al-Shariri/Jaber, May 1992: 113f. 242

Umwelt an das MMRAE zu übertragen, da es bereits Ministerien und Behörden mit jeweiliger Spezialisierung auf ein bestimmtes Gebiet des Umweltschutzes gebe.660 Die Angst vor Kompetenz- und Machtverlust der im Umweltbereich aktiven Ministerien und staatlichen Behörden bestätigten auch eine Reihe von Umweltexperten in den durchgeführten Interviews. Anfangs war es insbesondere das Gesundheitsministerium, später aber auch das Landwirtschaftsministerium (Ministry of Agriculture, MoA) und das Ministerium für Wasser und Bewässerung (Ministry of Water and Irrigation, MWI), die um ihren Einfluss im Umweltbereich bangten.661 Sechs der zwölf Experten sahen in den daraus resultierenden Konflikten zwischen einzelnen Ministerien einen wichtigen Grund für den langwierigen Gesetzgebungsprozess. Der Vorschlag die neue Umweltbehörde direkt dem Premier Minister zu unterstellen, um ihr so mehr Macht gegenüber den Sektorministerien zu geben und das Kompetenzgerangel zu unterbinden, wurde letztlich aus dem gleichen Grund abgelehnt. Insbesondere das MMRAE und sein Minister wehrte sich dagegen seine Macht über den Umweltbereich an den Premier Minister abzugeben, der den Vorsitz im Council for Environment Protection innehaben sollte.662

Als weitere Ursachen für die Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess wurden von sieben der zwölf interviewten Experten die vernachlässigte Stellung des Umweltschutzthemas auf der politischen Agenda in Jordanien während der 80er Jahre und die zu dieser Zeit noch weit verbreitete Ansicht Umweltschutzmaßnahmen würden Entwicklungsbemühungen untergraben, angeführt. Nach Meinung dieser Experten hatten die politischen Entscheidungsträger damals Bedenken, dass der Entwicklungsprozess Jordaniens durch eine verstärkte Umweltpolitik behindert werden könnte. Industrieunternehmen befürchteten steigende Kosten durch die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und konnten die Entscheidung über die Verabschiedung des Umweltgesetzes erfolgreich hinauszögern.663 Darüber hinaus waren Ministerien an der Erstellung des Umweltgesetzes beteiligt, wie das Ministerium für Industrie und Handel (Ministry for Industry and Trade, MIT), deren Aktivitäten der Umwelt in der Regel schaden, und andere wie das Ministerium für Wasser und Bewässerung, die die Kontrolle durch eine neue Umweltbehörde fürchteten. Einige Experten meinten, der Mangel an Umweltrechtsexperten im Land und an Umweltbewusstsein bei politischen Entscheidungsträgern wäre ebenfalls hinderlich gewesen.

660 Vgl.

Higher Council for Science and Technology 1993: 153.

661Dr.

Salah Share‘, Interview am 18.10.1999; Dr. Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999; Ahmed Qartaneh, Interview am 13.10.1999; Muhazim Muhaisin, Interview 11.10.1999.

662 Dr.

Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999; Dr. Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999; Muhazim Muhaisin, Interview am 11.10.1999.

663 Ziad

Alawneh, Interview am 6.11.1999. 243

Der für das politische System Jordaniens charakteristische häufige Wechsel von Regierungen in den 80er Jahren, die jeweils unterschiedliche Einstellungen zum Umweltschutz hatten, trug ebenfalls dazu bei, dass Gesetzesentwürfe zum Umweltschutz immer wieder abgelehnt wurden und deren Überarbeitung verlangt wurde.664

Anfang der 90er Jahre setzte sich das Gesetzeskomitee aus juristischen Beratern von den Ministerien für Tourismus, für Energie und natürliche Ressourcen, für Gesundheit und für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt zusammen. Der 1992 vorgelegte Entwurf sah wie die vorhergehenden Vorschläge als institutionelle Neuerung einen Higher Council for Environment Protection und die Aufwertung der Umweltabteilung vor. Er enthielt Verbote zur Vorbeugung der Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden und regelte die Lärmbelästigung und das Abfallmanagement. Als Sanktionen waren entsprechenden Geld- und Gefängnisstrafen vorgesehen. Ausführlich wurde auch der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt, einschließlich Jagdverbote, die Bekämpfung der Desertifikation und Regulierungen zur Nutzung des Weidelands behandelt. Darüber hinaus war der Einsatz von Inspektoren zur Überwachung der Einhaltung der Gesetzesvorgaben vorgesehen und die Lizenzvergabe sollte ausschließlich an ökologisch unbedenkliche Projekte erfolgen. Dieser Gesetzesentwurf wurde der US-amerikanischen Entwicklungsorganisation (USAID) zur Beurteilung vorgelegt, die vor allem an der nicht effektiven und verwirrenden Aufgabenverteilung der drei Hauptakteure Umweltabteilung, Umweltrat und Minister Kritik übte und vorschlug, die Mitgliederzahl des Umweltrates durch die Konzentration auf staatliche und nichtstaatliche Organisationen mit wichtigen Umweltaufgaben zu reduzieren. Nur so könnte die Koordination zwischen den Akteuren verbessert und effektive Möglichkeiten zur Konfliktlösung geboten werden. Das Gutachten der USAID kritisierte die in vielen Fällen zu allgemein gehaltenen Verbote und die Unklarheit mancher Artikel und empfahl den Gesetzesentwurf um klare Aussagen zu Genehmigungsverfahren im industriellen Bereich und im Bausektor durch die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen zu ergänzen. Darüber hinaus sollten im Umweltgesetz auch die Selbstüberwachung und Datensammlung der Industrie, eine umfassende Landnutzungsplanung, die Einschränkung der Nutzung der Grundwasseraquifere, den Erhalt der archäologischen Stätten, die Kontrolle des Pestizid- und Herbizideinsatzes sowie der Bergbauaktivitäten, der Bann von FCKW und Recyclingmaßnahmen festgeschrieben werden. Ferner sollte ein Mechanismus geschaffen werden, der die Beteiligung von Öffentlichkeit, Nichtregierungs664 Dr.

Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999; Dr. Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999; Adnan Buderi, Interview am 16.9.1999. Darüber hinaus wurden Parlamente zur Zeit des Gesetzgebungsprozesses von Stämmen und einflussreichen Clans dominiert, die sich insbesondere in der Frage der Landnutzungsplanung gegen die Einrichtung von Umweltschutzgebieten aussprachen, da sie den Verlust von Weideland befürchteten (Khaled Irani, Interview am 31.10.1999). 244

organisationen, Industrieunternehmen und Handelsverbänden an der Entwicklung von Umweltstandards und -vorschriften garantiert. Schließlich riet das Gutachten zur Einrichtung eines Umweltgerichtshofs, der die effektive Umsetzung des Gesetzes gewährleisten sollte.665 Der gesamte Entstehungsprozesses des Umweltrahmengesetzes wurde von den in den Komitees vertretenen Ministerien dominiert, die das Umweltgesetz in ihrem Sinne zurechtstutzten.666 Infolgedessen bezeichnete die Mehrzahl der Ministerien und staatlichen Behörden ihren Einfluss auf die Inhalte des Umweltrahmengesetzes als mittelmäßig bis stark. So schätzten beispielsweise das Landwirtschaftsministerium und die Jordanische Wasserbehörde WAJ ihren Einfluss schwächer ein als das Gesundheitsministerium, das Planungsministerium und die Stadtverwaltung von Amman GAM. Die Expertenbefragung ergab, dass das Umweltdepartment und die nichtstaatlichen Umweltorganisationen hingegen, als Träger von Umweltbelangen nicht alle ihre Ziele durchsetzen konnten. Acht der zwölf befragten Experten billigten vor allem den wenigen damals aktiven umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen nur geringen Einfluss auf den Inhalt des Umweltgesetzes zu, deren Rolle bei der Formulierung der Gesetzesentwürfe nicht klar definiert war. Wohingegen in der direkten Befragung die beiden großen NRO, die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) und die Jordan Environment Society (JES), aber auch die Jordanian Society for Desertification Control und Badia Development (JSDCBD) sich selbst einen starken Einfluss auf die Inhalte des Gesetzes bescheinigten. Einig sind sich Experten und Akteure insofern, dass diese drei NRO ihren Einfluss im Rahmen der Weiterentwicklung des Umweltrahmengesetzes in der Diskussion über die Inhalte der ergänzenden Statuten zu spezifischen Umweltschutzfragen steigern konnten, da sie alle Sitz und Stimmrecht im Council for Environment Protection haben, wo über diese Statute entschieden wird. Die im Umweltbereich aktiven Forschungsinstitute der University of Jordan und Yarmouk University, sowie der Higher Council for Science and Technology (HCST) und der Environment Research Centers (ERC) der Royal Scientific Society (RSS) nahmen in ihrer Rolle als wissenschaftliche Berater nach eigenen Angaben starken Einfluss auf die Inhalte des Umweltgesetzes. Die bi- und multilateralen Geberorganisationen, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP, USAID und JICA sowie die IUCN unterstützten den Prozess und setzten sich sehr für das Zustandekommen eines Umweltrahmengesetzes in Jordanien ein. Während USAID ihren Einfluss auf die gesetzlichen Ihhalte als mittelmäßig beschreibt, glaubte JICA, starken Einfluss genommen zu haben. 667 665 Vgl.

Trick 1992: 25-47.

666 Mahmoud

Al Omari, Interview am 13.10.1999.

667Akteursbefragung

von August bis Dezember 1999. Der Einfluss der Geberorganisationen wurde von Dr. Sufyan Tell (Interview am 24.10.1999) und Khaled Irani (Interview am 31.10.1999) bestätigt. Nach Ziad Alawneh (Interview am 6.11.1999) übten die Geberorganisationen sogar indirekt Druck aus. 245

4.1.7.3 Der Einfluss umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung des Nationalen Umweltaktionsplans Der Nationale Umweltaktionsplan NEAP hat wie schon die Nationale Umweltstrategie NES weder eine gesetzliche noch eine parlamentarische Grundlage und auch er erhielt seinen entscheidenden Anstoß von außen. Nicht interne Auslöser, sondern die multi- und bilateralen Geberorganisationen forcierten in Folge der 1992 auf der internationalen Umweltkonferenz UNCED getroffenen Vereinbarungen die Erstellung eines nationalen Umweltaktionsplans für Jordanien. Im Laufe des Jahres 1995 wurden zur Vorbereitung dieses Plans mehrere Workshops abgehalten, die das Planungsministerium zusammen mit dem Ministerium für ländliche und städtische Angelegenheiten und Umwelt organisierte. In fachlicher Hinsicht wurden die Jordanier bei der Planerstellung von der Weltbank unterstützt, während die japanische Entwicklungshilfsorganisation JICA finanzielle Unterstützung leistete. An der Vorbereitung des NEAP waren gemäß des partizipativen Ansatzes umweltpolitische Akteure aus dem staatlichen und nichtstaatlichen Sektor beteiligt, allerdings deutlich weniger als bei der Erarbeitung der Nationalen Umweltstrategie NES. Es wurden kleine Beraterteams mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund zusammengestellt, die Papiere über Entwicklung und Situation der einzelnen umweltpolitischen Problembereiche verfassten. In Zusammenarbeit mit den Organisatoren der Workshops und dem Weltbank-Experten fertigten diese Beraterteams anschließend eine Vorabversion des NEAP an, die an die umweltpolitisch relevanten Akteure im Land aus dem staatlichen und nichtstaatlichen Bereich zur Kommentierung vorgelegt wurde, bevor die endgültige Version des Umweltaktionsplans verabschiedet wurde. Am abschließenden Workshop nahmen dann insgesamt über fünfzig Vertreter vor allem staatlicher Institutionen, aber auch aus dem wissenschaftlichen Bereich und dem nichtstaatlichen sowie privaten Sektor teil und diskutierten über die von den Experten erstellten Papiere zu den unterschiedlichen Umweltschutzfragen in Jordanien. In Arbeitsgruppen, die sich aus Experten mit unterschiedlichem fachlichen Hintergrund und Interessen zusammensetzten, um dem integrativen Ansatz gerecht zu werden, wurden zu allen ökologischen Problembereichen Einschätzungen abgegeben. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden später im Plenum erneut diskutiert, die unterschiedlichen Umweltprobleme nach ihrer Dringlichkeit eingestuft, die kurz- und langfristigen Ziele festgelegt, Prioritäten für umweltpolitische Maßnahmen gesetzt und ein intersektoraler Rahmen zur Koordination der Implementierung des Umweltaktionsplans erstellt.

Während der Formulierung des Nationalen Umweltaktionsplans NEAP kam es zu mehr Konflikten und Auseinandersetzungen zu einzelnen Aspekten des Umweltschutzes als während der Entstehung der Nationalen Umweltstrategie NES, da es nicht wie bei der NES um eine bloße Be246

schreibung der Umweltsituation und empfohlenen Umweltschutzmaßnahmen ging, sondern klare Prioritäten zur Bekämpfung der Umweltprobleme mit konkreteren Zielen formuliert werden sollten. Im Rahmen der Formulierung des NEAP gab es zahlreiche Diskussionen mit hohem Konfliktpotenzial, nicht nur hinsichtlich technischer Fragen der Umsetzung, sondern auch in Form politischer Fragen. Die Mehrzahl der befragten Experten schilderten Konflikte, die sich vor allem an Fragen zum Wassermanagement entfachten. In technischer Hinsicht waren vor allem die Festlegung von Wasserqualitätsstandards und die Auswahl der Orte für Kläranlagen für die Abwasserbehandlung umstritten. In politischer Hinsicht ging es um die angemessene Bepreisung, die die Knappheit der Wasserressourcen widerspiegelt und die gerechte Verteilung an die verschiedenen Nutzergruppen, den Haushalten, der Landwirtschaft und der Industrie. Darüber hinaus ergaben sich Konflikte angesichts ungeklärter Kompetenz- und Zuständigkeitsbereiche, vor allem zwischen dem Umweltdepartement (DoE) und dem Planungsministerium, aber auch zwischen staatlichen und den nichtstaatlichen Umweltorganisationen. Die Angestellten des Umweltdepartements wollten sich anfangs nicht an der Erstellung des Umweltaktionsplans beteiligen, da nicht ihrem Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt, sondern dem Planungsministerium die Leitung und Koordination der Planerstellung aufgetragen wurde.668 Letztlich war das DoE dann doch immerhin mit vier Leuten im abschließenden Workshop vertreten und konnte nach Einschätzung des Befragten der neuen Umweltbehörde GCEP seinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des NEAP nachdrücklich geltend machen. Von den nichtstaatlichen Umweltorganisationen beteiligten sich die RSCN mit drei Leuten aktiv an der Formulierung des Umweltaktionsplans, die ihren Einfluss als stark einschätzten. Die JES hingegen nahm nach eigenen Angaben weniger Einfluss auf die Gestaltung des NEAP und war wie auch die umweltrelevanten Forschungsinstitutionen, die nur schwachen Einfluss nehmen konnten, im abschließenden Workshop kaum vertreten. Dennoch konnten nach Meinung von vier der zwölf befragten Experten die Träger von Umweltbelangen ihre Interessen weitgehend durchsetzen, auch wenn wie schon bei der Entstehung der Nationalen Umweltstrategie NES Repräsentanten des staatlichen Sektors den Formulierungsprozess dominierten. Nach den Angaben der Vertreter des MMRAE und des Planungsministeriums konnten wie schon beim NES ihre Ministerien Inhalte und Zielsetzungen des NEAP stark beeinflussen, während der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums dessen Einfluss als schwach einschätzte. An den Workshops zur Gestaltung des NEAP beteiligten sich nach Angaben der verantwortlichen NEAP-Koordinatorin des Planungsministeriums Nadja Juhari diesmal nicht nur die großen jor-

668 In

dem Dokument über den NEAP-Workshop vom 3.-6.9.1995 wurde von einigen Stimmen kritisch bemerkt, dass das DoE keine aktive Rolle spielte und nicht ernsthaft genug in den Prozess eingebunden wurde (vgl. Ministry of Planning/Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment/World Bank 1995). 247

danischen Industrieunternehmen Jordan Phosphate Mines Company, Arab Potash Company, Jordan Cement Factories Corporation und die Jordan Refinery Corporation, sondern mit der Amman Chamber of Industry auch eine Interessenvertretung mittelständiger und kleinerer Industrieunternehmen.669 Ihre Vertreter versuchten aber weniger als noch im Rahmen der Nationalen Umweltstrategie NES Umweltauflagen minimal zu halten, als vielmehr staatliche Hilfe in Form fachlicher und finanzieller Unterstützung bei der Umsetzung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen einzufordern. Starken Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des NEAPs konnte aber nur die Jordan Cement Factories Corporation nehmen. Eine wichtigere Rolle spielten die Geberorganisationen, die auf der Erstellung eines Nationalen Umweltaktionsplans bestanden und Druck auf die jordanische Regierung ausübten, indem sie ihn als Grundlage für Projekte einforderten. Finanziert wurde der Umweltaktionsplan von der Weltbank, aber auch Vertreter der japanischen und deutschen Entwicklungsorganisationen JICA und GTZ sowie des UN Entwicklungsprogramms UNDP nahmen am abschließenden Workshop zur Fertigstellung des Nationalen Umweltaktionsplans NEAP teil und übernahmen im Anschluss die Finanzierung einiger vorgeschlagener Umweltschutzprojekte.

4.1.7.4 Der Einfluss umweltpolitischer Akteure bei der Formulierung des Regionalen Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba Der Golf von Aqaba ist ein internationales Gewässer von wirtschaftlicher Bedeutung für alle vier Anrainerstaaten, Jordanien, Israel, Ägypten und Saudi Arabien. Insbesondere für Jordanien stellt der Hafen von Aqaba den einzigen Zugang zum Meer und Transportweg für die Schifffahrt dar und ist wichtig für die Entwicklung des Tourismus und andere industrielle Aktivitäten entlang der Küste. In den letzten zwei Jahrzehnten veränderte das wirtschaftliche Wachstum, wie bereits im Kapitel über die Umweltprobleme in Jordanien beschrieben, die jordanische Küste durch den Ausbau der Infrastruktur für Tourismus und Industrie mit negativen Folgen für die Umwelt. Da der Golf von Aqaba ein internationales Gewässer ist, wirken sich durch die Einleitung von Öl und Chemikalien ins Meer entstehende Umweltschäden grenzüberschreitend aus, und erfordern daher die Kooperation zwischen allen Anrainerstaaten, um Umweltprobleme effektiv zu bekämpfen. Jordanien sollte mit der Initiierung eines Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba als Vorbild für andere Anrainerstaaten fungieren, da sich in Aqaba einige wichtige Verschmutzungsquellen im nördlichen Golf befinden. Der jordanische Gulf of Aqaba Environ-

669 Nadja

Juhari, Interview am 2.10.1999. 248

mental Action Plan (GAEAP)670 stellte für die jordanische Regierung einen ersten Schritt zur Erreichung der in der Nationalen Umweltstrategie NES festgeschriebenen Ziele zum Umweltschutz im Küsten- und Meeresbereich im Süden des Landes dar. Es handelte sich dabei um ein kooperatives Unterfangen zwischen dem jordanischen Staat und der Weltbank, die die jordanische Regierung im November 1991 um finanzielle und fachliche Unterstützung bei der Vorbereitung des Umweltaktionsplans gebeten hatte. Die Realisierung des GAEAP war wie auch schon die Nationale Umweltstrategie NES und der Nationale Umweltaktionsplan NEAP auf finanzielle Unterstützung ausländischer Geberorganisationen angewiesen und entbehrte einer gesetzlichen oder parlamentarischen Grundlage. Die Erstellung des Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba erfolgte im Oktober 1993. Einen Monat später konnte die jordanische Regierung den GAEAP auf dem vierten Treffen der Multilateral Working Group on Environment of the Middle East Peace Process in Tokio präsentieren. Die Erstellung des Aktionsplans erfolgte in einem integrativen und partizipativen Planungsprozess, in den auch nichtstaatliche, semistaatliche und private Organisationen eingebunden wurden. Die Koordination bei der Formulierung des Plans wurde vom nationalen Planungsministerium und vor allem von der Aqaba Region Authority übernommen. Als weitere staatliche Akteure waren die Umweltabteilung des MMRAE, das Ministerium für Tourismus und Altertümer (MTA) und die jordanische Wasserbehörde WAJ vertreten. Darüber hinaus nahmen die Hafenbehörde (Aqaba Ports Corporation) und aus dem nichtstaatlichen Bereich die Umweltorganisation RSCN und Forschungseinrichtungen der Royal Scientific Society teil.

Im Hinblick auf die Implementierung des regionalen Umweltaktionsplans wurden sowohl die Marine Science Station und die Aqaba Fishermen’s Cooperative als auch die in Aqaba ansässigen Industrieunternehmen Jordan Electricity Authority, Jordan Cement Corporation und die Jordan Phosphate Mines Company in den Diskussionsprozess zur Entwicklung des Plans mit eingebunden. Diese Industrieunternehmen sorgten bei der Planerstellung für Konfliktstoff, da sie die schriftliche Fixierung der an sie gestellten Forderungen zur Reduktion der von ihnen verursachten Luftverschmutzung und die Kontamination der Wasserressourcen durch Phosphate, Sulfate, Zementstaub, Pottasche und thermische Ausflüsse minimal halten wollten. Insbesondere die Phosphate Mines Company versuchte, Umweltschutzanforderungen möglichst gering zu halten und konnte den Prozess der Planerstellung zwar verzögern, ihre Interessen aber letztendlich nicht durchsetzen. Die Industrieunternehmen mussten sich letztlich dem Druck der Welt-

670 Im

Folgenden siehe The World Bank 1993. 249

bank fügen.671 Eine weitere Konfliktlinie verlief zwischen der regionalen Behörde von Aqaba ARA und der nichtstaatlichen Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN). Anfänglich sollte die NRO als Koordinator für die Entwicklung des Umweltaktionsplans fungieren, doch die ARA setzte sich durch und wurde schließlich mit der Koordination beauftragt. Sie dominierte den Prozess der Planerstellung und hatte daher großen Einfluss auf die Inhalte und Ziele des GAEAP. Neben der ARA schätzten auch die Hafenbehörde, die Phosphat Mines Company und die Marine Science Station, ihren Einfluss auf die Inhalte des Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba als stark ein. Während die nichtstaatlichen RSCN und die Royal Scientific Society (RSS) wie auch das Planungsministerium, die jordanische Wasserbehörde und die jordanische Elektrizitätsbehörde nach eigenen Angaben ihren Einfluss auf die Ergebnisse des Aktionsplans als mittelmäßig einschätzten. Die anderen beteiligten Akteure wie das Ministerium für Tourismus und Altertümer (MTA) und die Jordan Cement Factories Corporation konnten nur wenig Einfluss auf die Inhalte des GAEAP nehmen.

4.2

Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln in Jordanien

4.2.1

Die Entwicklung des rechtlich-institutionellen Rahmens im Umweltbereich

4.2.1.1 Gesetzliche und institutionelle Grundlagen zum Schutz der Umwelt Seit den 50er Jahren sind in Jordanien eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen entstanden, die sich auf natürliche Ressourcen im Land beziehen. Eine Studie des Higher Council for Science and Technology672 aus dem Jahr 1992 stellt fest, dass es bis Anfang der 90er Jahre insgesamt 262 Artikel gab, die sich mit dem Schutz der Umwelt befassen. Die Artikel waren auf 18 Gesetze und 8 Direktiven verteilt, in denen medial auf den Schutz der Umwelt eingegangen wurde. Das Gesetz mit der größten Umweltrelevanz war das Landwirtschaftsgesetz, „Agricultural Law No. 20“, aus dem Jahr 1973 mit insgesamt 43 Artikeln, die sich mit dem Schutz natürlicher Ressourcen befassen. An zweiter Stelle kommt das Gesetz für öffentliche Gesundheit, „Public Health Law No. 21“, von 1971, das insgesamt 16 umweltrelevante Artikel enthält und schließlich greift das „Panel Law No. 16“ aus dem Jahr 1960 in 11 Artikeln Umweltschutzfragen auf. Weitere Umweltschutzbestimmungen waren auf diverse Gesetze aus den 50er, 60er und 70er Jahren verteilt. Ein umfassendes Umweltgesetz fehlte, bis 1995 das Umweltrahmengesetz No. 12 verabschiedet wurde.

671 Dr.

Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999.

672 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992. 250

Die Kontrolle der Wasserressourcen vor Verschmutzung und Schädigung wurde in mehreren Gesetzesvorschriften bzw. Statuten aus dem bürgerlichen Gesetzbuch und dem Verteidigungsgesetzbuch behandelt. Das wichtigste und weitreichendste Statut, das der Wasserverschmutzung vorbeugen soll ist das Gesetz der Wasserbehörde, „Water Authority Law No. 18“, aus dem Jahr 1988. Artikel 5 dieses Gesetzes überträgt dem Ministerium für Wasser und Bewässerung (MWI) die volle Verantwortung für das Management aller Wasser- und Abwassersysteme und verleiht ihm die Zuständigkeit für die nationale Wasserpolitik. Artikel 3 und 6 legen die Gründung der jordanischen Wasserbehörde (Water Authority of Jordan, WAJ) und ihren Verantwortungsbereich fest. Zu den wichtigsten umweltpolitischen Aufgaben der Wasserbehörde gehören die Beobachtung, Entwicklung und Qualitätssicherung der Wasserressourcen durch die Entwicklung von Standards, der Schutz vor Verschmutzung sowie die Sicherstellung der effizienten Nutzung und des sparsamen Umgangs der Oberflächen- und Grundwasserressourcen des Landes. Sie erstellt darüber hinaus Programme und Pläne zur Deckung des künftigen Wasserbedarfs, regelt Lizenzvergabe und Bohrungen öffentlicher und privater Brunnen und gibt Empfehlungen für Wassertarife und -preise. Artikel 30 des Gesetzes der Wasserbehörde legt ein Strafmaß von nicht weniger als sechs Monaten bis zu zwei Jahren und/oder ein Bußgeld zwischen 1000 und 2000 Jordanische Dinar (JD) bei Schädigung, illegaler Abwassereinleitung oder Verschmutzung von Wasserressourcen fest. Für die illegale Nutzung von Wasser oder Arbeiten ohne lizenzierte Erlaubnis oder Lizenz fallen die Sanktionen geringer aus. Zwar enthält das Gesetz noch keine spezifischen Verschmutzungsgrenzen oder Vorschriften zur Abwasserbehandlung, aber es gibt der Wasserbehörde ausreichende Vollmacht zur Entwicklung, Implementierung und Durchsetzung von Wasserqualitäts- und Abwasserstandards. Lücken bestehen vor allem in Bezug auf Richtlinien zur Vorbeugung der Wasserverschmutzung durch landwirtschaftliche Aktivitäten vor allem durch Pestizide und zum effektiven Schutz der Grundwasserressourcen.673 Neben der jordanischen Wasserbehörde ist als zweite wichtige Behörde die Jordantal Behörde (Jordan Valley Authority, JAV) dem Wasserministerium unterstellt, deren Gründung und Abgrenzung des Aufgabenbereichs mit dem Gesetz der Jordantalbehörde, „Jordan Valley Authority Law No. 19“, von 1988, abgesteckt wurde. Das Gesetz beauftragt die JVA mit Entwicklung und Management der Wasserressourcen im Jordantal zur Nutzbarmachung für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft und für Haushalte, sowie ihren Schutz vor Verschmutzung und ihre Bewahrung.674 Der Schutz des Trinkwassers und die Sicherstellung seiner Qualität soll mit dem Gesetz zur öffentlichen Gesundheit, „Public Health Law No. 21“, aus dem Jahr 1971 gewährleistet

673 Vgl.

Trick 1992: 9f.

674 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 11f. 251

werden. Verursachte Gesundheitsgefährdungen werden nach Artikel 30 und 79 mit Gefängnisstrafen von einer Woche bis einem Jahr und/oder Geldstrafen zwischen 10 und 200 JD sanktioniert. Das Gesetz gesteht dem Gesundheitsministerium weitreichende Kompetenzen zu, indem dieses jegliche baulichen Aktivitäten in Wasser- und Abwassernetzwerken bewilligen muss und als einzige Institution das Recht hat, die Tauglichkeit von Wasser als Trinkwasser festzustellen. Die Machtbefugnis des Ministeriums geht sogar soweit, dass es Industrieanlagen schließen kann, unter der Auflage an Fabrikbesitzer Missstände, die zur Verunreinigung der Wasserressourcen führen, innerhalb einer Woche zu beseitigen.675

Weder zur Kontrolle der Luftverschmutzung noch der Lärmbelästigung gab es bis Anfang der 90er Jahre ein Gesetz. Zwar befasste sich bereits das Bergbaugesetz, „Mining Law No. 131“, von 1966 mit dem Problem der Luftverschmutzung, aber lediglich das Gesetz zur Verkehrskontrolle, „Traffic Control Law No. 14“, von 1984 und das Gesetz zur öffentlichen Gesundheit, „Public Health Law No. 21“, aus dem Jahr 1971 sahen Sanktionen und Bestrafung bei Zuwiderhandlung vor. Das Gesetz zur Verkehrskontrolle verbot das Fahren von Fahrzeugen, die die Luft verschmutzen und sah bei Zuwiderhandlung eine Geldstrafe zwischen 10 und 50 JD vor. Das Gesetz zur öffentlichen Gesundheit sah höhere Strafen vor, um Umweltbeeinträchtigungen vorzubeugen und zu reduzieren. Verursachern von Rauch und Staub oder anderen emittierten Substanzen, die die Gesundheit der Menschen gefährden, drohte eine Gefängnisstrafe von mindestens einer Woche und höchstens einem Jahr und/oder eine Geldstrafe zwischen 10 und 200 JD. Im Falle des Lärmschutzes sind es ebenfalls in erster Linie das Gesetz zur Verkehrskontrolle und das Gesetz zur öffentlichen Gesundheit, die bei Lärmbelästigung Geldstrafen androhen.676 Darüber hinaus fehlte es bis Anfang der 90er Jahre an einem Gesetz, das die angemessene Entsorgung von festen und gefährlichen Abfällen regelte. Managementerfordernisse in diesem Bereich wurden teilweise durch vorhandene Gesetze zum Schutz von Wasserressourcen, aber vor allem durch Gesundheitsgesetze abgedeckt. Das Gesetz zur öffentlichen Gesundheit sieht bei Gesundheitsgefährdung durch unsachgemäße Entsorgung von Abfällen Haft- und Geldstrafen vor. Ein vom Premierminister 1987 eingesetztes „Cleaning Committee“ sollte eine umfassende Politik inklusive Gesetzgebung zum Abfallmanagement entwickeln und empfahl die Einrichtung einer hierfür zuständigen Behörde.677

675 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 8-16.

676 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 6-8.

677 Vgl.

Trick 1992: 13. 252

Bis heute fehlt in Jordanien eine umfassende gesetzliche Regelung und Planung für die Landnutzung. Die von der Umweltabteilung (Department of Environment, DoE) im Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt (MMRAE) in den 80er Jahren durchgeführten Landnutzungsstudien und die Lizenzierungspolitik konnten sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Die fehlende Einteilung in für bestimmte Aktivitäten vorgesehene Zonen führt zu erhöhter Konkurrenz und teilweise sogar zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen und zu unangepassten nicht nachhaltigen Nutzungsformen des kultivierbaren Landes.678 Das weitestgehende Mandat in diesem Bereich wird dem Ministerium für Landwirtschaft mit dem Landwirtschaftsgesetz No. 20 von 1973, das 1999 überarbeitet wurde, eingeräumt. Dieses Gesetz enthält Regelungen zum Wald- und Pflanzenschutz, zur Registrierung von Anbauflächen und von Pestiziden, zu Obstplantagen und Baumschulen, zum Schutz und Erhalt der Böden sowie zur Verwaltung des Landes für Viehhaltung. Allerdings fehlt dem Ministerium das Mandat die prioritäre Nutzung des Landes zu bestimmen. Andererseits kann es das unerlaubte Fällen, das Abbrennen und den Abtransport des Baumbestands in öffentlichen und privaten Waldgebieten verbieten. Eine weitere Gesetzesvorschrift deklariert Land, das weniger als 200 mm Niederschlag erhält, als Weideflächen, deren Entwicklung und Schutz ebenfalls durch vom Ministerium erlassene Regelungen festgelegt werden kann.679 Ein weiteres wichtiges Gesetz in diesem Zusammenhang ist das „Administration of State Property Law No. 17“ für das Jahr 1974. Es legt Richtlinien für die Abtretung und Verpachtung von Land im staatlichen Besitz fest. Im Hinblick auf den Einsatz von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln wird das Landwirtschaftsministerium durch das Landwirtschaftsgesetz No. 30 aus dem Jahr 1973 ermächtigt festzulegen, unter welchen Bedingungen Pestizide und Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt, gehandelt und importiert werden dürfen. Bei Gesetzesverstoß sind Geldstrafen zwischen 30 und 100 JD vorgesehen.680 Der Bergbau wird in Jordanien durch das „Organzation of Natural Resources Affairs Law No. 12“ von 1968 geregelt. Die Artikel 44 und 32 des Gesetzes äußern sich zum Umweltschutz insofern, dass die unerlaubte Aneignung von Wasserressourcen ebenso verboten ist wie Bergbauaktivitäten bei archäologischen Stätten, in Waldgebieten, auf Eisenbahnstrecken oder in städtischen Gebieten ohne Genehmigung der betroffenen Behörden. Im Bereich des Tierschutzes enthält das Landwirtschaftsgesetz No. 20 einige Vorschriften zu Jagdaktivitäten in Jordanien. Danach ist die Jagd auf wilde Tiere und Vögel ohne Erlaubnis ver-

678 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 20.

679 Vgl.

Trick 1992: 17f.

680 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 16-18 und 32-34. 253

boten und es sind Listen von Vogelarten enthalten, die generell nicht gejagt werden dürfen. Der Landwirtschaftsminister legt fest, wann und wo gejagt werden darf. Auf illegale Jagdaktivitäten sind je nach Tierart unterschiedlich hohe Geldstrafen angesetzt.681 Im Bereich Küstenmanagement gibt es ebenfalls nur einzelne Statute, die der Degradierung der Küstengebiete entgegenwirken sollten. Es existieren Gesetze, die bestimmte Aspekte der Verschmutzung durch die Schifffahrt betreffen, wie zum Beispiel das „Shipping Law No. 51“ aus dem Jahr 1961 und das „Aqaba Port Services Fee Law No. 49“ von 1976. Das „Shipping Law“ verbietet u.a. die Entsorgung von Schmutz, Steinen, Sand, Abfall, schädlichen Abwässern und Chemikalien auf dem Land oder ins Meer. Im Landwirtschaftsgesetz No. 10 von 1973 wird der Fischfang ortsgebunden, die Fangmenge und die Netzgröße begrenzt und an eine Lizenz gebunden sowie die Beschädigung von Korallenriffen verboten. Bei Zuwiderhandlung sieht das Gesetz geringe Geldstrafen von nicht mehr als 50 JD vor. Im Wassergesetz, „Water Law No. 18“, ist die Kontrolle industrieller Abwassereinleitung ins Meer vorgesehen.682 Der Behörde für Altertümer werden durch das „Antiquities Law No. 21“ von 1988 relativ weiträumige Vollmachten zugesprochen. Die Behörde ist verantwortlich für die Ausführung archäologischer Politik in Jordanien und hat die Aufgabe, Altertümer des Landes zu beaufsichtigen, zu schützen und zu erhalten, sie auszugraben bzw. hierfür Lizenzen zu vergeben, ihre Bedeutung einzuschätzen und sie in Museen zu organisieren. Das Gesetz gibt dem Staat ausschließliches Eigentumsrecht der Altertümer und verbietet unter Androhung von Gefängnis- und Geldstrafen (bis zu 3 Jahren und bis zu 200 JD) deren Handel, illegale Ausgrabungen, Zerstörung, Beschädigung oder Entwendung.683

Die Schilderung der Gesetzeslage bestätigt die zuvor bereits geschilderte Zersplitterung der institutionellen Verantwortung im Umweltbereich in den 80er Jahren, die dazu führte, dass lange diskutiert wurde in welchem Ministerium die neue Umweltabteilung eingerichtet werden sollte. Das Department of Environment (DoE) wurde schließlich am 1. Juli 1980 gegründet und unter die Verantwortung des Ministeriums für städtische und ländliche Angelegenheiten gestellt, das seither Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt (MMRAE) heißt.684 Der Aufgabenbereich der neuen Umweltabteilung umfasste im Wesentlichen die Erstel-

681 Vgl.

Trick 1992: 19-21; Ausführlichere Informationen zum Schutz der Artenvielfalt siehe auch bei AlSharari/Jaber 1992: 27-29.

682 Vgl.

Trick 1992: 22; Al-Sharari/Jaber 1992: 30f.

683 Vgl.

Trick 1992: 23; ausführliche Aufzählung einzelner Artikel siehe hierzu Al-Sharari/Jaber 1992: 35-40.

684 Vgl.

Tell/Sarah 1989: 275. 254

lung von Umweltprogrammen und -studien, Kriterien und Qualitätsstandards sowie deren Überwachung und Implementierung. Ihm fehlte allerdings das gesetzliche Mandat, das ihm die umfassende Vollmacht im Umweltbereich gesichert hätte, und mit der es im Stande gewesen wäre, effektive Umweltschutzinitiativen zu entwickeln und durchzusetzen. Vielmehr blieb die Verantwortung für die Durchführung von Umweltschutzaktivitäten auf verschiedene Ministerien verteilt. So erfüllten das Landwirtschaftsministerium (MoA), Gesundheitsministerium (MoH), das Ministerium für Energie und Ressourcen (MoER), das Ministerium für Industrie und Handel (MoIT), das Ministerium für Tourismus und Altertümer (MoTA) und vor allem das Ministerium für Wasser und Bewässerung (MoWI) rechtlich abgesichert ebenfalls wichtige Aufgaben bei der Entwicklung und Implementierung von Umweltprogrammen in Jordanien. Innerhalb dieser Ministerien waren es dann wiederum einzelne Abteilungen oder untergeordnete Behörden, wie zum Beispiel die Behörde für Natürliche Ressourcen (Natural Resources Authority, NRA), die jordanische Wasserbehörde (Water Authority of Jordan, WAJ), die Jordantalbehörde (Jordan Valley Authority, JVA) oder die Forstabteilung, die Abteilung für umweltbedingte Gesundheitsfragen (Department of Environmental Health, DoEH) die Schlüsselrollen im Umweltbereich innehatten.685 Auf subnationaler Ebene sind es die Regionalbehörde von Aqaba (Aqaba Region Authority, ARA) und die Stadtverwaltung von Groß-Amman (Greater Amman Municipality, GAM), die wichtige Funktionen vor allem im Bereich des städtisch-industriellen Umweltschutzes ausüben.

4.2.1.2 Kritik an Gesetzeslage und institutioneller Verantwortung Da die meisten Gesetze in den 50er bis 70er Jahren entstanden sind, waren sie bald aufgrund der für den Umweltschutz wichtigen Entwicklungen in Industrie und Landwirtschaft nicht mehr angemessen. So wurden Gesetzeslücken deutlich und die Artikel, die sich mit Umweltbelangen befassten, erwiesen sich als unvollständig oder zu ungenau, als dass sie der Umweltdegradierung effektiv entgegenwirken hätten können. Zum Schutz der Luft, des Trinkwassers und vor Lärm fehlte es vor allem an exakt definierten Mess- und Grenzwerten, während es zum Schutz des Bodens und zur Regelung des Abfallmanagements überhaupt an Vorschriften mangelte. Neben der Unterregulierung gab es aber auch Bereiche, wie zum Beispiel der Umgang mit Wasserressourcen, die überreguliert waren, so dass es zu Überschneidungen von Gesetzestexten kam.686 Angesichts dieser mangelhaften Gesetzeslage konnten bestehende Umweltprobleme nicht effektiv bekämpft und weiterer Umweltbelastung nicht effektiv vorgebeugt werden. Verwaltungsdi-

685 Vgl.

z.B. Trick 1992: 3f.

686 Vgl.

Al-Omari 1994: 131. 255

rektiven, die in Form administrativer Beschlüsse einzelner Behörden zum Schutz der Umwelt verabschiedet worden waren und sich auf das Verteidigungsgesetz stützten, überschritten in der Regel die Vollmacht der jeweiligen Behörde und wurden oft vom Höheren Gerichtshof (Higher Court of Justice) wieder aufgehoben.687 In vielen Fällen war das Strafmaß für Gesetzesverstöße im Umweltbereich nicht angemessen, weil sich das Strafmaß bzw. die Höhe des Bußgeldes an den Einkommensverhältnissen zur Zeit als die Gesetze entstanden orientierten und sich Jahre später als zu niedrig erwiesen, als dass sie vor Zuwiderhandlung abschrecken konnten.688 Als weiteres Hindernis, das einer effektiven Durchsetzung der Gesetzgebung im Umweltbereich entgegenstand, stellte sich die gesetzliche Bevollmächtigung vieler staatlicher Ministerien und Behörden sich mit Umweltfragen zu befassen, die unklare Abgrenzung ihrer Verantwortungsbereiche und die Überschneidung der Aufgabenbereiche heraus. Dies führte oft zur ineffizienten Doppelarbeit und Kompetenzkonflikten. Vor allem im Bereich Wassermanagement überschnitten sich die Zuständigkeitsbereiche und es kam öfters zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen einzelnen staatlichen Institutionen, insbesondere bei der Überwachung und Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen.689 In anderen Bereichen hingegen herrschte Unsicherheit, welches Ministerium oder welche Behörde die Verantwortung für den Umweltschutz übernehmen und Maßnahmen durchführen sollte. So im Falle des Abfallmanagements, das meist ohne eindeutige Regelung den Gemeinden überlassen wurde, die aber personell und finanziell unzureichend ausgestattet waren und den Aufgaben nicht gerecht werden konnten.690

Angesichts dieser defizitären gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen im Umweltbereich wurde in Jordanien seit Ende der 70er Jahre über ein integriertes Umweltgesetz nachgedacht, um so die formal-rechtliche Institutionalisierung der Umweltpolitik voranzutreiben. Die bestehende Gesetzgebung lediglich zu überarbeiten und zu modifizieren wäre zu zeitaufwändig und mühevoll gewesen, da die umweltrelevanten Bestimmungen auf viele Gesetze und die zahlreichen Vorschriften verteilt und Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten zwischen einzelnen Experten zu erwarten waren. Viele Experten waren zudem der Ansicht, dass der Umweltschutz eine wichtige Aufgabe des Staates sei, dem man nur mit einem separaten umfassenden Umweltgesetz gerecht werden kann. Die Umweltabteilung im Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment (MMRAE) wurde Anfang der 80er Jahre mit der Koordination für die Entwicklung eines neuen Umweltgesetzes beauftragt. Das oberste Ziel des neuen 687 Zu

den Defiziten der Gesetzeslage bei einzelnen Medien siehe Al-Sharari/Jaber 1992: 72-83 und 106-108.

688 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 103; Al-Omari 1994: 131.

689 Vgl.

Trick 1992: 3f; Hamza 1993: 198; ausführlich für die einzelnen Medien bei Al-Sharari/Jaber 1992: 85-108.

690 Vgl.

Al-Omari 1994: 132. 256

Umweltgesetzes sollte der Ausgleich bestehender Mängel in der umweltbezogenen Gesetzgebung sein. Hierzu gehörte die Zusammenfassung bestehender Gesetzesinhalte, um inhaltliche Überschneidungen zu vermeiden und die klare Festlegung der Kompetenzen einzelner staatlicher Institutionen, um Kompetenzüberschneidungen, Doppelarbeit und Konflikte zwischen ihnen zu beenden. Bestehende Gesetzeslücken sollten gefüllt und neue wissenschaftliche Standards zur Beobachtung der Umweltverschmutzung geschaffen werden.691

4.2.1.3

Das Umweltrahmengesetz und seine Statute

Das Gesetz zum Schutz der Umwelt Nr. 12 von 1995 umfasst 36 Artikel, die sich mit organisatorisch-institutionellen Aspekten, wissenschaftlichen Fragen und Sanktionen und Bestrafung bei Verstößen befassen.692 Als organisatorisch-institutionelle Neuerungen sieht das Gesetz vor, die General Corporation on Environment Protection (GCEP) als neue Umweltbehörde einem nationalen Umweltschutzrat, dem Council of Environment Protection (CEP), zu unterstellen und einen Umweltfonds einzurichten. Die GCEP sollte als administrativ und finanziell unabhängige Behörde weiterhin an das Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt angegliedert sein. Laut Gesetz soll die neue Umweltbehörde für die Entwicklung einer generellen Umweltpolitik und entsprechender Umweltschutzstrategien verantwortlich sein, Forschungs- und Beratungsdienste leisten und in Kooperation mit anderen umweltpolitisch relevanten Ministerien und Behörden Aktivitäten zum Schutz der Umwelt in Jordanien koordinieren (Art. 3, 4 und 5).693 Die Zusammensetzung des nationalen Umweltschutzrates CEP wird ebenfalls vom Gesetz vorgeschrieben. Die insgesamt 23 Mitglieder des Rates sollen sowohl Generalsekretäre unterschiedlicher umweltrelevanter Ministerien und staatlicher Behörden als auch Vertreter aus dem semistaatlichen und nichtstaatlichen Sektor umfassen. Der Vorsitz des CEP wurde dem Minister für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt übertragen. Als Stellvertreter ist der Generaldirektor der Umweltbehörde GCEP vorgesehen. Das Aufgabengebiet des Umweltschutzrates soll sich vor allem auf Resolutionen zur allgemeinen Umweltpolitik, Umweltstrategien, Messungen und Standards, zum Budget und Jahresbericht der GCEP und zur Durchsetzung des Umweltrahmengesetzes erstrecken (Art. 6, 7 und 8). Die finanziellen Ressourcen des Umweltschutzfonds sollen der GCEP helfen, ihre Aktivitäten zum Schutz der Umwelt auszuweiten und die im Umweltgesetz festgeschriebenen Ziele zu erreichen (Art. 13). Da-

691 Vgl.

Al-Sharari/Jaber 1992: 116f.

692 Vgl.

General Corporation for Environment Protection/Al-Gabâry, o.J.: 3.

693 Zur

Umweltbehörde GCEP und ihren Aufgaben siehe ausführlicher in Kapitel 4.1.5.3. 257

rüber hinaus soll die Umweltbehörde die notwendige Grundlage und Vorgehensweise für eine Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten erarbeiten (Art. 14).

Im zweiten Teil des Umweltrahmengesetzes wird die Verlagerung des Schwerpunktes gegenüber den Gesetzesentwürfen in den 80er Jahren deutlich. Im Gegensatz zu diesen Entwürfen findet der Naturschutz deutlich weniger Beachtung - die Einrichtung von Naturreservaten und der Schutz von Flora und Fauna werden nur kurz erwähnt -, während der Schutz von Luft, Boden und Wasser vor Verschmutzung eindeutig im Vordergrund steht. So soll die Umweltbehörde GCEP die Qualität der Luft, des Bodens und der Wasserressourcen überwachen, Verschmutzungsquellen identifizieren und kontrollieren sowie Standards und Grenzwerte festlegen, die vom Umweltschutzrat CEP ratifiziert werden müssen. Vorgesehen sind darüber hinaus ein Importverbot und eine verbesserte Entsorgung gefährlicher Abfälle und deren Klassifizierung nach Gefährlichkeitsgrad. Schließlich werden neben einer Definition der Bedingungen zur Einrichtung von Naturreservaten und Nationalparks, die Identifizierung von Lärmquellen, die Festlegung von Grenzwerten und die Verringerung der Lärmbelästigung verlangt (Art. 17-20 und 27A).

Nach dem Gesetz hat der Generaldirektor der Umweltbehörde auf der Grundlage einer schriftlichen Genehmigung das Recht, industrielle, kommerzielle und bauliche Anlagen und Einrichtungen auf ihre Übereinstimmung mit Umweltstandards hin zu prüfen und die Behebung eventueller Mängel zu verlangen. Bei Nichtbefolgung kann der Generaldirektor in ernsten Fällen sogar über die Einschaltung eines Gerichts erster Instanz die vorübergehende Schließung von Industrieanlagen oder anderer Einrichtungen veranlassen. Bei einem Versäumnis der Behebung der Mängel können Geldstrafen zwischen 50 und 100 JD pro Tag, bei wiederholten Gesetzesverstößen zwischen 300 und 500 JD oder eine Gefängnisstrafe von 30 Tagen bis zu drei Monaten verhängt werden (Art. 27). Zum Küsten- und Meeresschutz werden im Falle von Verschmutzungen vom Land aus oder von Schiffen sowie bei der Beschädigung von Korallen oder Muscheln hohe Geld- und Gefängnisstrafen bis zu 25000 JD oder/und einem Jahr Gefängnis angedroht (Art. 2325). Das Einleiten oder Abladen von umweltschädigenden Substanzen in Wasserquellen werden mit Geldstrafen von bis zu 10000 JD oder/und bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet. Damit ist im Umweltschutzgesetz von 1995 eine deutliche Erhöhung des Strafmaßes gegenüber den vorgesehenen Sanktionen in den Entwürfen der 80er Jahre und auch vorher bestehender Gesetze festzustellen. Ebenso werden die Verursacher von Lärmbelästigung und Luftverschmutzung mit Geldstrafen von zwischen 100 und 500 JD und Gefängnisstrafen bis zu einem Monat belangt. Die Besitzer von Industrieanlagen und Kraftfahrzeugen werden bei erhöhter Strafandrohung bei 258

wiederholten Gesetzesverstößen aufgefordert, Emissionen zu kontrollieren und zu reduzieren, damit diese die noch vom CEP festzulegenden Grenzwerte nicht überschreiten (Art. 28). In Artikel 33 wird auf die Möglichkeit, Regelungen zur Durchführung des Umweltgesetzes durch das Ministerkabinett zu verabschieden, hingewiesen. In Artikel 35 werden abschließend alle anderen Inhalte in anderen Gesetzen, die dem Text des Umweltgesetzes widersprechen, für nichtig erklärt.

Das umfassende Umweltrahmengesetz Nr. 12 von 1995 wird von einer Reihe von Autoren und befragten Experten als Erfolg für den Umweltschutz in Jordanien gewertet, wenn auch nur als erster Schritt angesehen, dem weitere Maßnahmen folgen müssen. Dennoch wurde es von fünf der zwölf befragten Experten als schwaches Gesetz bezeichnet. Mängel werden in erster Linie im institutionellen Bereich gesehen. So wird nicht nur die Tatsache kritisiert, dass das Gesetz es versäumt, die Einrichtung eines unabhängigen Umweltgerichts vorzuschreiben und es keinen Mechanismus für Verbandsklagen vorsieht, sondern auch das Fehlen ökonomischer Instrumente wie steuerliche Anreize, um die Eigeninitiative der privaten Unternehmen zu fördern. Der Umweltbehörde GCEP wurde nach Meinung einiger Autoren und Experten nicht genügend Macht und Autorität bei der Strafverfolgung von Gesetzesverstößen eingeräumt. Das Umweltgesetz versäumt es in diesem Zusammenhang den Einsatz von Inspektoren, die Proben entnehmen und Anzeige erstatten dürfen, festzuschreiben.694

Einige der interviewten Experten sahen in der Tatsache, dass die Umweltbehörde GCEP immer noch dem MMRAE untersteht anstatt direkt dem Premier Minister einen Nachteil, andere betonten hingegen die finanzielle und administrative Unabhängigkeit der neuen Umweltbehörde. Die Forderung, die neue Umweltbehörde direkt dem Premier Minister zu unterstellen, der im nationalen Umweltschutzrat, dem „Council for Environment Protection“ (CEP), den Vorsitz übernehmen sollte und dessen Mitglieder die Minister anstatt nur die Generalsekretäre sein sollten, konnten Umweltschutzaktivisten bei Verhandlungen um das Umweltrahmengesetz nicht durchsetzen. Da aber das MMRAE einem anderen Minister keine Vorschriften machen kann, bleibt das Durchsetzungsvermögen der Umweltbehörde gegenüber Sektorministerien sehr schwach. Zudem wäre versäumt worden, wichtige Aufgabenbereiche der Umweltbehörde zu benennen und festzuschreiben. Nach Ahmed Hamza gehören zu diesen versäumten Aufgaben die Erstellung eines jährlichen Berichts zur Umweltsituation, die Förderung des Umweltbewusstseins in der Bevölkerung, die Einrichtung einer Abteilung für technische Fragen, Messungen und Kon-

694 Vgl.

General Corporation for Environment Protection/Al-Gabâry, o.J.: 11; Al-Omary 1994: 133f. 259

trolle der Umweltqualität sowie zur Bewertung negativer Umwelteffekte.695 Die Reduzierung der Anzahl der Mitglieder des nationalen Umweltschutzrates von 30, wie noch im Gesetzesentwurf vom Oktober 1992 vorgesehen, auf 23 Mitglieder ging auf Kosten der Beteiligung des privaten Sektors. Im Entwurf von 1992 waren als Mitglieder des Rates noch Repräsentanten der Interessenvertretungen aus Industrie und Landwirtschaft, z.B. der Jordan Engineer’s Association, Agricultural Engineer’s Association, Amman Chamber of Industry, vorgesehen.696 Durch den Ausschluss dieser privatwirtschaftlichen Akteure konnten zwar einerseits potenzielle Konflikte vermindert und die Koordination im Umweltschutzrat vereinfacht werden, andererseits wäre die Akzeptanz und zügige Umsetzung umweltpolitischer Entscheidungen und Maßnahmen seitens des privaten Sektors sicherlich höher, wenn auch seine Vertreter Mitbestimmungsrecht hätten. So wurde der Forderung nach öffentlicher Partizipation in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen nur zum Teil durch die Mitgliedschaft zweier nichtstaatlicher Umweltorganisationen und drei alle zwei Jahre wechselnden Individuen Rechnung getragen. Darüber hinaus wurden internationale Umweltabkommen nicht als Bestandteil in das Gesetz mit aufgenommen. Außerdem seien die vorgesehenen Strafen bei Gesetzesverstößen in einigen Bereichen nicht effektiv genug.697

Der langwierige Prozess bis zur Verabschiedung des Umweltrahmengesetzes wirkte sich nach Meinung einiger Experten eher negativ auf den Inhalt des Gesetzes aus. So wurde im Laufe der Gesetzesformulierung die ursprüngliche Fassung stark gekürzt, indem alles das herausgenommen wurde, was den Interessen der einzelnen Ministerien entgegen stand.698 Darüber hinaus wurden nach Meinung zweier Experten wichtige Umweltbereiche wie Naturschutzgebiete und der Schutz von Flora und Fauna, insbesondere die wenigen Wälder in Jordanien nicht ausreichend oder gar nicht berücksichtigt.699 So sind im Falle der Schädigung von Naturreservaten Strafmaßnahmen nicht eindeutig festgelegt. Ebenso wenig wurden die Empfehlungen von USAID nach der Festschreibung einer Landnutzungsplanung, einer ökologischen Kontrolle des Pestizids- und Herbizideinsatzes und der Bergbauaktivitäten sowie der Schutz archäologischer Stätten in das Gesetz aufgenommen. Die Mehrzahl der befragten Experten sind sich einig darüber, dass das Umweltrahmengesetz noch durch Statute („by-laws“) ergänzt und konkretisiert werden muss, um wirkungsvoll implementiert werden zu können.

695 Vgl.

Hamza 1993: 199f.

696 Vgl.

Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment 1992: 8f.

697 Vgl.

General Corporation for Environment Protection/Al-Gabâry, o.J.: 11.

698 Mahmoud 699 Adnan

Al-Omari, Interview am 13.10.1999.

Buderi, Interview am 16.9.1999; Khaled Irani, Interview am 31.10.1999. 260

Im Rahmen der Weiterentwicklung zum Umweltrahmengesetz waren bis 1999 vier Statute als rechtliche Ergänzungen offiziell verabschiedet worden und sechs weitere in Diskussion. Zu letzteren zählen die Statute zum Meeresschutz, zu Naturreservaten und Nationalparks, zum Management von festen Abfällen, zur Umweltverträglichkeitsprüfung, zur Kontrolle der Luftverschmutzung durch stationäre Quellen und zum administrativen und finanziellen Management von Umweltprojekten. Verabschiedet waren bereits die Vorschriften zur Begrenzung und Prävention von Lärm, die auf Artikel 27 des Umweltrahmengesetzes von 1995 basieren. Sie sollten für eine Lärmbegrenzung vor allem am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr und auf öffentlichen Plätzen sorgen. In Kraft getreten war auch das Statut zum Management schädlicher Substanzen und gefährlicher Abfälle, basierend auf Artikel 5, Paragraph g des Umweltrahmengesetzes. Es beinhaltet Vorschriften zur Behandlung und Beseitigung gefährlicher Substanzen und Abfälle, das Verbot diese zu importieren oder zu exportieren und die Einrichtung eines Kontrollkomitees innerhalb von GCEP. Das Statut zur Organisation und Verwaltung der GCEP legt den Verwaltungsaufbau der Umweltbehörde fest. Schließlich wurden spezifische Vorschriften zur Einrichtung eines Umweltschutzfonds, basierend auf Artikel 13 und 14 des Umweltgesetzes verabschiedet, dessen Finanzierung durch Spenden, Schenkungen, Bußgelder, Renditen und weiteren vom Council for Environment Protection genehmigten Einnahmen erfolgen soll.

4.2.1.4 Der Nationale Umweltschutzrat Durch das Umweltrahmengesetz von 1995 wurde neben der Umweltbehörde GCEP ein nationaler Umweltschutzrat, der Council for Environment Protection (CEP), als höchste Entscheidungsinstanz der nationalen Umweltpolitik in Jordanien offiziell etabliert. Neben den vierzehn Repräsentanten staatlicher Institutionen, darunter die Generalsekretäre wichtiger umweltrelevanter Ministerien sowie Generaldirektoren nationaler, regionaler und lokaler Behörden700, den Präsidenten der drei großen nichtstaatlichen Organisationen RSCN, JES und JSDCBD sowie des Forschungsinstituts Royal Scientific Society haben auch Vertreter aus dem semi- und nichtstaatlichen Sektor einen ständigen Sitz im nationalen Umweltschutzrat. Als weitere Mitglieder sind zwei Umweltexperten aus universitären Einrichtungen und ein Repräsentant des privaten Sek-

700 Zu

den ständigen Mitgliedern des Nationalen Umweltrates aus dem staatlichen Sektor zählen neben dem Minister des Ministeriums für ländliche und städtische Angelegenheiten und Umwelt und dem Generaldirektor der Umweltbehörde GCEP die Generalsekretäre des Gesundheits-, Landwirtschafts-, Planungs-, Arbeits-, Innenund Erziehungsministeriums, des Ministeriums für Wasser und Bewässerung, des Ministeriums für Industrie und Handel, des Ministeriums für Energie und Rohstoffe sowie die Generaldirektoren der Stadtverwaltung Amman (GAM), der Aqaba Regionalbehörde (ARA), des Civil Defense Directorate und der General Corporation of Housing and Urban Development. 261

tors vertreten, die alle zwei Jahre vom Minister neu ernannt werden. Nicht stimmberechtigte beratende Experten können zu den Sitzungen des Umweltrates eingeladen werden.

Council for Environment Protection MMRAE

GCEP

Ministerium B

Ministerium A

Umweltabteilung

Umweltabteilung

RSS

GAM

ARA

Umweltabteilung

Umweltabteilung

NRO A

Lokaler Zweig

NRO B

Privater Sektor

Lokaler Zweig

Abb. 27: Akteure im Nationalen Umweltschutzrat Jordaniens

Die Sitzungen des Umweltschutztrats sollen laut Umweltrahmengesetz von 1995 alle zwei Monate regelmäßig abgehalten werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Mitglieder des Rates jederzeit zu außerordentlichen Sitzungen auf Anfrage des Vorsitzenden zusammenzurufen. Der Aufgabenbereich des CEP erstreckt sich laut Umweltgesetz auf folgende Funktionen: –

Das Abfassen von Beschlüssen zur generellen Umweltschutzpolitik sowie zu nationalen Strategien, Plänen und Programmen;



Entscheidungen bezüglich der Festlegung von Umweltqualitätsstandards;



Verabschiedung des jährlichen Haushaltsplans und des Rechenschaftsberichts der Umweltbehörde GCEP;



Entwürfe von Gesetzen und Regelungen im Umweltbereich und Beschlüsse zu deren Umsetzung;



Annahme von Notfallplänen im Falle von Umweltkatastrophen;



Herausgabe von Vorschriften zur Festlegung der von der GCEP erhobenen Kosten für Dienstleistungen zum Schutz der Umwelt;



Untersuchung zu den die Umwelt betreffenden Fragen, die vom Minister des MMRAE oder dem Generaldirektor von GCEP an den Umweltrat heran getragen werden.701

701 Vgl.

General Corporation for Environment Protection (GCEP) 1995: 7. 262

Bisher hat sich der Umweltschutzrat allerdings nahezu ausschließlich mit der Präzisierung der gesetzlichen Lage beschäftigt, indem er über die Annahme von Statuten zur Ergänzung des Umweltrahmengesetzes diskutiert und Entscheidungen über deren Verabschiedung getroffen hat. Insgesamt wurden bis 1999, wie bereits vorher erwähnt, vier Statute erlassen, die Vorschriften zur Begrenzung und Prävention von Lärm, zum Management schädlicher Substanzen und gefährlicher Abfälle, zur Administration und Verwaltungsaufbau der GCEP und zum Umweltschutzfonds enthalten. Die Verabschiedung von Resolutionen erfolgt im Umweltschutzrat durch einfache Mehrheitsentscheidungen der anwesenden Mitglieder und nur im Falle gleichen Stimmenanteils soll laut Umweltrahmengesetz die Stimme des Vorsitzenden entscheiden. Bisher wurde stets ein Konsens unter den stimmberechtigten Ratsmitgliedern angestrebt. In vielen Fällen wurde dieser bisher auch erreicht und Beschlüsse gegen den Willen des vorsitzenden Ministers des MMRAE waren äußerst selten. Bei der Entscheidungsfindung im Umweltschutzrat ergeben sich nach Meinung der Mehrzahl der befragten Experten wie schon während des langwierigen Prozesses zur Formulierung des Umweltrahmengesetzes Konflikte vor allem in Folge der unklaren Abgrenzung und überlappenden Zuständigkeitsbereiche einzelner staatlicher Akteure702, aber auch angesichts des Konkurrenzverhältnisses zwischen einigen staatlichen und nichtstaatlichen umweltpolitischen Akteuren. Insbesondere die mangelnde Anerkennung des Kompetenzbereiches der Umweltbehörde GCEP und ihrer Abhängigkeit vom Ministerium, die u.a. zu Unstimmigkeit bezüglich Personalfragen führten, sind Anlass für konfliktäre Auseinandersetzungen innerhalb des Umweltschutzrates. Entscheidungen wurden aber auch angesichts unterschiedlicher Ansichten hinsichtlich konkreter fachlicher Fragen zum Management der Wasserressourcen und gefährlicher Abfälle blockiert und die Verabschiedung gesetzlicher Regelungen verzögert.

Trotz der schwachen Stellung der GCEP und ihrer faktischen Abhängigkeit vom Ministerium, dessen Entscheidungen und Aktivitäten nicht selten dem Schutz der Umwelt entgegenstehen, konnte die neue Umweltbehörde zusammen mit anderen semi- und nichtstaatlichen Trägern von Umweltbelangen, obwohl diese im Umweltschutzrat in der Minderzahl sind, Einfluss auf die dort getroffenen Entscheidungen nehmen. Die Sektorministerien konnten allerdings bisher umweltpolitische Entscheidungsprozesse immer wieder verzögern und der entscheidende Einfluss im Umweltschutzrat liegt immer noch beim Minister für städtische und ländliche Angelegenhei-

702 Dr.

Riyad Musa, Interview am 29.9.1999; Nadja Juhari, Interview am 2.10.1999; Ahmed Qartaneh, Interview am 10.9.1999; Mahmoud Al-Omari, Interview am 13.10.1999. Nach Angaben von Mahmoud Al-Omari gab es Konflikte beispielsweise zwischen dem Wasserministerium und dem Gesundheitsministerium hinsichtlich der Zuständigkeit für die Kontrolle der Wasserqualität (Al-Omari, Interview am 13.10.1999). 263

ten und Umwelt. Er setzt in der Regel seine Interessen durch, die nicht immer mit dem Umweltschutz konform gehen.703 Die Rolle des MMRAE wird von einigen Experten sehr kritisch gesehen. So stellt Adnan Buderi fest: „It is not a specialized ministry, it is not a ministry of environment, it is a Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment. It is like putting the sheep with the wolf to protect it. Because municipalities and rural affairs are one of the impacts on the environment, developing expansion of rural areas. Most of the decisions are taken there against the environment.“704 Auch Iyad Abumoghli stellt Zielkonflikte innerhalb des Aufgabenbereichs des Ministeriums fest: „It is obvious, because the MMRAE would push for the development of the local communities and villages, construction of roads, schools and hospitals and so on. There is a real conflict between the environmental protection and the role of the ministry and because of that, environmentalists are pushing now to have GCEP within another ministry or within the Prime Minister’s office or a separate ministry.“705 Das Durchsetzungsvermögen der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen hing bisher vor allem von der Möglichkeit zur Einflussnahme einzelner Persönlichkeiten ab. In der Vergangenheit konnte der Präsident des RSCN Anis Muasher angesichts seines gesellschaftlichen Ansehens und guten Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern lange Zeit starken Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungen nehmen.706 Dennoch schätzte die RSCN ihren Einfluss im Umweltschutzrat CEP als nur mittelmäßig ein, während die anderen beiden vertretenen Nichtregierungsorganisationen, JES und JSDCBD, das Umweltforschungszentrum der RSS und die GCEP angaben, starken Einfluss zu nehmen. Ein unabhängiger Umweltschutzrat, dessen Vorsitz nicht vom Minister, sondern vom Premier Minister begleitet wird und die finanzielle und personelle Stärkung der Umweltbehörde GCEP würden nach Expertenmeinung Entscheidungen für den Umweltschutz fördern.

703 Ziad

Alawneh, Interview am 6.11.1999; Dr. Salah Share‘, Interview am 18.10.1999; Dr. Sufyan Tell, Interview am 24.10.1999.

704 Adnan 705 Dr.

Buderi, Interview am 16.9.1999.

Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999.

706 Nadja

Juhari, Interview am 2.10.1999. 264

4.2.2

Die Integration von Umweltaspekten in Entwicklungspläne, andere Politikfelder und zwischenstaatliche Abkommen

In diesem Kapitel soll der Frage nach der Integration umweltpolitischer Aspekte in übergeordnete Rechtsnormen nachgegangen werden. In der heute gültigen jordanischen Verfassung von 1952 wird nicht auf den Schutz der Umwelt eingegangen. Diese Lücke wurde 1990 durch die bereits erwähnte „National Charter“ gefüllt, die sich als zukunftsorientiertes Dokument auch mit Fragen des Umweltschutzes auseinandersetzt, allerdings nicht rechtsverbindlich ist. Im Sinne der Nationalcharta sollen die natürlichen Ressourcen des Landes entwickelt, gleichzeitig aber die Umwelt vor schädlichen Eingriffen und Verschmutzung geschützt werden und das ökologische Gleichgewicht gewahrt bleiben.707 Eine saubere und intakte Umwelt sei Menschenrecht, und es läge in nationaler Verantwortung sie auch für künftige Generationen zu erhalten. „There must be close cooperation and coordination between government bodies and specialized social institutions in the ecological field, as all citizens have the right to a clean and balanced environment. Protection of the environment from pollution is a national responsibility towards present and future generations. Awareness must be disseminated to ensure an environmentally sensitive public outlook and a high level of public understanding of pollution problems. Measures must be taken to achieve a balance between environmental needs and the development imperative. Criteria must be set and legislation enacted to deal with the negative ecological impact of certain types of development projects.“708 Im Sinne dieses Postulats werden eine nachhaltige Entwicklung und das Gleichgewicht zwischen Umweltschutz und Entwicklungserfordernissen angestrebt, wobei insbesondere negativen ökologischen Folgen durch Entwicklungsprojekte vorgebeugt werden soll. Lebib Qamhawy sieht darüber hinaus in anderen Artikeln der Nationalcharta, die Demokratie, soziale Partnerschaft, aber auch den Respekt vor der nationalen Kultur und den Schutz der Familie als Erziehungsinstanz einfordern, wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung von Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und für verantwortungsvolles kooperatives Verhalten bei der Durchsetzung umweltschützender Maßnahmen.709

707 Vgl.

The National Charter 1990, Kapitel 6, Paragraph 3, Art. 6: 39.

708 The

National Charter 1990, Kapitel 4, Art. 18: 32.

709 Vgl.

Qamhawy 1993: 32-34. 265

4.2.2.1 Umweltaspekte in Entwicklungsplänen Die Integration umweltpolitischer Fragen in andere Politikfelder kann an der schriftlich fixierten Einbindung dieser Fragen in Sektorprogramme und in allgemeine Entwicklungspläne festgestellt werden. Da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, alle relevanten Sektorpläne auf diese Frage hin zu analysieren, wurden nur die Fünfjahrespläne für ökonomische und soziale Entwicklung in Jordanien für die Jahre 1981 bis 1985, 1986 bis 1990 und 1993 bis 1997 zur Untersuchung herangezogen, um festzustellen, welcher Raum dem Umweltschutz eingeräumt wird und inwiefern Umweltaspekte in einzelnen Sektoren berücksichtigt werden. Insbesondere wurde dabei auf den eventuellen Wandel in der Darstellung einzelner Umweltprobleme, Schwerpunktverlagerungen in der Umweltpolitik und mögliche Veränderungen bei der Berücksichtigung von Umweltfragen in einzelnen Sektoren geachtet. Als weiterer Indikator für die Integration umweltpolitischer Fragen in andere Politikfelder kann die intersektorale Institutionalisierung des Umweltschutzes im staatlichen Sektor durch die Einrichtung von Umweltabteilungen in Ministerien und Behörden angeführt werden. Darüber hinaus soll in diesem Kapitel der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Institutionalisierung in gesellschaftliche Organisationsbereiche hineinreicht und Umweltaspekte in die Arbeit wissenschaftlicher Institutionen, nichtstaatlicher Organisationen, Interessenvertretungen und Parteien einfließen, deren primäres Ziel nicht der Schutz der Umwelt ist.

Im Fünfjahresplan von 1981 bis 1985 wird erstmals schriftlich festgehalten, dass in Jordanien bisher dem Umwelt- und dem Landnutzungsmanagement zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Der Umweltschutz wird daher erstmals als integriertes Element des sozioökonomischen Entwicklungsprozesses und der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erachtet. Die unkontrollierte urbane Expansion absorbiert landwirtschaftlich nutzbares Land, und die Folge der exzessiven Bewirtschaftung von Weideland ist Desertifikation. Als weitere ökologische Probleme nennt der Plan die Bodenerosion und die Verschmutzung des Wassers auch durch unzureichende Abwasserbehandlung. Ebenso wirkt sich der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft negativ auf Umwelt und menschliche Gesundheit aus. Darüber hinaus kommt der Fünfjahresplan zu dem Schluss, dass die jordanische Gesetzgebung keinen angemessenen institutionellen Rahmen für ein effektives Umweltmanagement darstellt und es versäumt, Aufgabenund Kompetenzbereiche der einzelnen staatlichen Institutionen klar zu definieren. Hinzukommt ein Mangel an Standards und Kriterien zur Kontrolle des Umweltschutzes und an Koordination zwischen den einzelnen Behörden, die mit Umweltfragen beschäftigt sind. Basierend auf dieser Problemanalyse werden ausschließlich umweltrelevante entwicklungspolitische Ziele aufgezeigt. Insbesondere sollen die Entwicklung der verfügbaren potenziellen Wasserressourcen und 266

deren optimale Nutzung, die Verbesserung der Lebensumwelt durch die Bekämpfung von Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung, die Entwicklung von nationalen Parks und Wäldern sowie der Schutz von archäologischen Stätten verfolgt werden. Diese Ziele sollen vor allem durch die Festsetzung von Standards und Grenzwerten zum Schutz der Umweltmedien durch die Bekämpfung der Bodenerosion und der Wüstenausbreitung sowie durch eine verbesserte Regulierung der Landnutzung und die Beschränkung der urbanen Expansion auf landwirtschaftlich nutzbaren Flächen erreicht werden. Damit diese Strategien erfolgreich durchgeführt werden können, ist die Entwicklung einheimischer Umweltmanagementkapazitäten, die Planung und Implementierung von Umweltprogrammen innerhalb eines progressiven institutionellen Rahmens vorgesehen.710 Als konkrete Umweltschutzmaßnahmen sind nationale Aufforstungsprojekte und Projekte zur Einrichtung von Messstationen für die Überwachung der Luft- und Wasserverschmutzung sowie die Einrichtung von Reservaten zum Schutz von Tieren und Pflanzen vorgesehen. Darüber hinaus werden die Anhebung des Umweltbewusstseins in der jordanischen Bevölkerung mit Hilfe angemessener Umweltinformations- und Erziehungsprogrammen angestrebt.711 In diesem Entwicklungsplan werden umweltpolitische Fragen nur ansatzweise in die Sektoren Landwirtschaft, Wassermanagement und Energie integriert. In der Landwirtschaft sollen Aufforstungsprojekte und Projekte zum Wasser- und Bodenschutz, die dem Erhalt der Boden- und Wasserressourcen und der natürlichen Vegetation dienen, implementiert werden. Im Wasser- und Abwasserbereich zwingen die natürlich bedingte Wasserknappheit und der steigende Wasserbedarf für Entwicklungsmaßnahmen zu radikalen Veränderungen der Konsummuster. Projekte zur effizienteren Wassernutzung und verbesserten Abwasserentsorgung sind geplant.712 Aufgrund der Abhängigkeit Jordaniens vom Rohölimport, wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, um bei der Energiegewinnung stärker auf einheimische Ressourcen zurückgreifen zu können. So sieht der Entwicklungsplan vor, den Ausbau und die Nutzung alternativer Energiequellen wie Solar- und Windenergie voranzutreiben.

Im darauf folgenden Fünfjahresplan für die soziale und ökonomische Entwicklung, der die Jahre von 1986 bis 1990 umfasst, wird Umweltschutzfragen mehr Raum gegeben. Im Rahmen wirtschaftlicher und sozialer Politikinhalte wird dem Umweltschutz mit der Entwicklung verschiedener Produktionssektoren steigende Bedeutung zugebilligt. Der Entwicklungsplan sollte so 710 Vgl.

Five Year Plan for Economic and Social Development 1981-1985: 15ff.

711 Zu

Umweltproblemen, Zielen und Projekten siehe Five Year Plan for Economic and Social Development 19811985: 332-347.

712 Zu

den ökologischen Problemen, Zielen und Projekten in der Landwirtschaft siehe Five Year Plan for Economic and Social Development 1981-1985: 68-83; Zu den ökologischen Problemen, Zielen und Projekten im Wasserund Bewässerungsbereich siehe Five Year Plan for Economic and Social Development 1981-1985: 90-113. 267

konzipiert sein, dass negative Verschmutzungseffekte für Umwelt und menschliche Gesundheit begrenzt werden, wobei allerdings wirtschaftliche und soziale Prioritäten beachtet und die Kosten für die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen auf keinen Fall das Wachstum und die Entwicklung der nationalen Industrie behindern sollten. Im Gegensatz zum vorherigen Fünfjahresplan wird diesmal der Umweltbereich als übergreifender Sektor betrachtet, bisher Erreichtes aufgeführt, konkreter auf die einzelnen Umweltprobleme eingegangen, mehr Ziele ins Auge gefasst und sich ausführlicher mit organisatorischen und Managementfragen auseinandergesetzt. Darüber hinaus werden Erfolge bisheriger Umweltpolitik aufgezeigt. Im Bereich des Natur- und Artenschutzes werden diese in erster Linie auf das Engagement der nichtstaatlichen Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN) zurückgeführt. Hervorzuheben ist der Beitrag der Organisation zur Bildung des öffentlichen Umweltbewusstseins, ihre Studien über den Naturschutz und die Gründung von zwei Naturreservaten, in denen die Ansiedlung und Vermehrung von bedrohten Tier- und Pflanzenarten gelang. Die RSCN setzte sich in Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden auch für den Schutz der Korallenriffe in Aqaba ein und startete ein nationales Aufforstungsprogramm, an dem sich in nationaler Verantwortung öffentliche und private Institutionen, Schulen und Unternehmen beteiligten. Die 1980 eingerichtete Umweltabteilung (Department of Environment, DoE) im Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt übernahm die offizielle Verantwortung für den Umweltschutz, legte Gesetzesentwürfe für ein Umweltschutzgesetz vor, führte Studien und einige Maßnahmen zum Schutz von Land und Wasser, zur Reduzierung der Luftverschmutzung, zur Verbesserung des Abfallmanagements und zur Koordinierung der Lizenzvergabe und Standortfestlegung von Industrien durch. Ferner wird das Engagement anderer staatlicher Institutionen im Plan erwähnt, die bisher ebenfalls eine wichtige Rolle im Umweltschutz spielten. So kontrollierte die Jordanische Wasserbehörde die Wasserqualität, die Nutzung des Wassers und versucht, der Verschmutzung vorzubeugen. Das Landwirtschaftsministerium führte Maßnahmen zum Schutz der Böden und der Wälder sowie zur Aufforstung durch und konnte so 1984 die künstlich bewaldete Fläche vergrößern. In Zusammenarbeit mit den Universitäten hatte das Erziehungsministerium die Umwelterziehung bis 1990 in die Lehrpläne eingeführt und der Gründung von Naturschutzclubs in Schulen zugestimmt. Nicht zuletzt spielt das Gesundheitsministerium eine entscheidende Rolle im Bereich Umweltschutz, wenn es um die Sicherung der menschlichen Gesundheit geht.713

713 Vgl.

Five Year Plan for Economic and Social Development 1986-1990: 153-155. 268

Trotz der ausgewiesenen Erfolge werden der Verlust an landwirtschaftlicher Fläche und Vegetation sowie Bodenerosion als Folge der Urbanisierung, Überweidung und unangemessene Bearbeitung der Landressourcen einerseits und die Erschöpfung, Versalzung und Verschmutzung der Wasserressourcen durch unangemessene Übernutzung andererseits beklagt. Als „neue“ Umweltprobleme werden der drohende Verlust der Artenvielfalt durch illegale Jagdaktivitäten, die unsachgemäße Abfallentsorgung sowie die steigende punktuelle Luftverschmutzung durch Industrieanlagen, Bergbauaktivitäten und Müllverbrennung erstmals benannt. Im institutionell-rechtlichen Bereich wird weiterhin das Fehlen eines umfassenden Umweltschutzgesetzes sowie einer staatlichen Behörde, die mit ausreichender Vollmacht ausgestattet ist, um effektiv Umweltveränderungen zu überwachen und die Umwelt vor Verschmutzung und Degradierung zu schützen, beanstandet. Als Ziele und politische Maßnahmen wurden ein verstärkter Schutz der Land- und Wasserressourcen vor Verschmutzung und Bodenerosion, Erhalt der Artenvielfalt, Bekämpfung der Ursachen von Luftverschmutzung und Lärmbelästigung, angemessenes Abfallmanagement, insbesondere gefährlicher Substanzen, und die Eindämmung der ökologischen Probleme, die die Bergbau- und Steinbrucharbeit mit sich bringen, festgelegt. Im organisatorischen Bereich werden die Einrichtung einer Umweltforschungsabteilung in der Royal Scientific Society, die den Import von schädlichen chemischen, pharmazeutischen und industriellen Produkten überwacht und ggf. bannt, die Erstellung eines Landnutzungsplans, um den optimalen Umgang mit Landressourcen zu garantieren, sowie die Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor bei Aufforstungsmaßnahmen angestrebt. Weitere Naturreservate sollen eingerichtet, die Umweltbewusstseinsbildung und die Verabschiedung des jordanischen Umweltgesetzes vorangetrieben werden. Entsprechende Projekte sollen in erster Linie von der Umweltbehörde und der RSCN, aber auch von anderen Trägern wie dem Landwirtschaftsministerium und der Wasserbehörde durchgeführt werden.714

Im Vergleich zum vorhergehenden Fünfjahresplan wird im Entwicklungsplan von 1986 bis 1990 nun auch in den Kapiteln zu den einzelnen Sektoren ausführlicher auf Fragen des Umweltschutzes eingegangen und entsprechende Maßnahmen lanciert. Im Kapitel zum Tourismus wird auf den Erhalt archäologischer Stätten und den Schutz der Natur vor negativen baulichen Eingriffen hingewiesen.715 Auch in den Sektoren Energie, Wasser und Landwirtschaft werden Umweltfragen berücksichtigt. Im Energiesektor führte die Royal Scientific Society (RSS) bereits in der Zeit von 1981 bis 1985 Studien und Pilotprojekte zum Einsatz von Windenergie und Solarzellen-

714 Vgl.

Five Year Plan for Economic and Social Development 1986-1990: 155-164.

715 Vgl.

Five Year Plan for Economic and Social Development 1986-1990: 358ff. 269

technologie für Wasserpumpen in ländlichen Gebieten durch. Innerhalb der Gesellschaft wurde ein Zentrum für Solarenergie (Solar Energy Research Center) mit gut ausgerüsteten Laboratorien eingerichtet, das Studien zur Einschränkung des Energieverbrauchs in Industrie- und im Transportsektor durchführt. Die Nutzung und Verbreitung erneuerbarer Energiequellen soll ermutigt werden und ein nationales Programm zur Energierationalisierung in allen Wirtschaftszweigen erstellt und implementiert werden. Geplant wurden Pilotanlagen für die potenzielle Nutzung von Wind-, Sonnen- und Biomasse-Energie zur Stromerzeugung sowie ein Projekt zur Energieeinsparung durch die Reduzierung des Brennstoffverbrauchs und die Verminderung der Verschmutzung durch Abwasser in der Petroleumraffinerie. Im Wassersektor wurde bis dahin die Verbesserung und Ausweitung des Abwassernetzes als erfolgreiche Umweltschutzaktivität hervorgehoben. Dennoch verhindern zu hohe Kosten in bestimmten Gebieten eine angemessene und ökologisch verträgliche Abwasserentsorgung, die zur Minderung der Wasserqualität in Grundwasserbecken beiträgt. Schutz und effizientere Nutzung der Wasserressourcen sollen durch strengere Gesetze und effektiveres Management der Wassernutzung erreicht werden. Als umweltschützende Projekte waren in diesem Bereich in erster Linie die Verbesserung und Ausweitung der Abwassernetze sowie der Bau und Erweiterung von Kläranlagen in verschiedenen Städten und Regionen des Landes geplant. Schließlich wurde im Landwirtschaftssektor auf Probleme wie der Verschlechterung landwirtschaftlicher Ressourcen Boden, Wasser und Vegetation sowie die Erschöpfung und Versalzung von Grundwasserressourcen hingewiesen. Projekte zum Erhalt der Boden- und Wasserqualität sowie zum Schutz des Wälder und des Weidelands sowie Aufforstungsmaßnahmen sollten initiiert werden.716

Mit Beginn der Wirtschaftskrise Ende der 80er Jahre gab es während der Einführung des wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogramms in der Zeit von 1989 bis 1993 eine vierjährige Unterbrechung in der Entwicklungsplanung Jordaniens. Der soziale und ökonomische Entwicklungsplan von 1993 bis 1997 ist kein Plan im herkömmlichen Sinn, sondern zeichnet sich durch neue Herangehensweisen und Ziele aus. Als oberstes Ziel wird weiterhin ökonomisches Wachstum angestrebt, auch wenn es in diesem Plan mit dem neuen Begriff „sustainable growth“ beschrieben wird. Im Gegensatz zu vorherigen Plänen werden keine Projekte und Investmentprogramme unter der Kontrolle des Staates entworfen, sondern integrierte wirtschaftliche und soziale Politikinhalte vorgestellt. Dabei wird dem privaten Sektor eine größere Rolle zugedacht.717 Der Umweltschutz wird wie im vorherigen Plan als übergreifender Sektor und Querschnittsauf-

716 Vgl.

Five Year Plan for Economic and Social Development 1986-1990: 482ff.

717 Vgl.

Economic and Social Development Plan 1993-1997: 1f. 270

gabe betrachtet. Der beträchtliche Anstieg des Umweltbewusstseins in den letzten zehn Jahren wird auf die Zunahme der Umweltprobleme, die gestiegene individuelle Betroffenheit und die Beteiligung Jordaniens an internationalen Bemühungen die Umwelt zu schützen, zurückgeführt. Im Vergleich zu den vorherigen Entwicklungsplänen wird auf die bestehenden Umweltprobleme relativ kurz eingegangen, bevor ausführlich auf die Unzulänglichkeiten des institutionellen und gesetzlichen Rahmens eingegangen wird. Kritisiert werden institutionelle Defizite, die bereits im Fünfjahresplan 1981 bis 1985 bemängelt wurden. Hierzu zählen die Kompetenzüberschneidung, der im Umweltbereich tätigen Institutionen und das Fehlen von Umweltschutzgesetzen. Erstmals wird der Mangel an Überwachungssystemen zur Kontrolle chemischer Konzentrationen in Abwasser, Boden und Luft, an Koordination zwischen Laboratorien sowie an umwelttechnischer Ausrüstung in der Industrie und Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Projekten festgestellt.718 Demzufolge werden neben konkreten Umweltschutzzielen wie die Reduzierung der Schadstoffemissionen, die Behebung des Wasserdefizits, die Anwendung ökologisch verträglicher landwirtschaftlicher Methoden zur Verhinderung der Bodenerosion und die Gründung neuer Naturreservate, ausführlicher denn je auf politisch-institutionelle Veränderungen gedrängt, um das gesamte Umweltmanagement in Jordanien zu verbessern. Als konkrete Maßnahmen sind die Einrichtung einer unabhängigen Umweltbehörde, eines Umweltüberwachungszentrums und eines Umweltinformationssystems sowie die Verabschiedung eines Umweltrahmengesetzes und von Umweltprogrammen vorgesehen. Medienprogramme sollten zur Umweltbewusstseinsbildung der jordanischen Bevölkerung beitragen.719

In den einzelnen Sektoren werden ökologische Fragen wieder einmal nahezu ausschließlich im Landwirtschafts-, Energie- und Wassersektor berücksichtigt. Außerdem wird im Kapitel zur Besiedlung auf das Problem des Verlustes landwirtschaftlicher Flächen durch urbane Expansion hingewiesen und eine Politik zur Verhinderung der willkürlichen Besiedlung in städtischen Randgebieten empfohlen. Im Landwirtschaftssektor werden als Probleme begrenzte Wasserressourcen und der Missbrauch von Weideland genannt und als Gegenmaßnahmen der Anbau von Agrarprodukten mit dem geringsten Wasserverbrauch bei höchst möglichem Ertrag sowie der Schutz des Weidelands durch Wiedereinführung von Reservaten empfohlen. Im Energiesektor wird der hohe Energieverbrauch angesichts unangemessener Preispolitik problematisiert, der durch steuerliche Anreize und Gesetzesänderungen mit dem Ziel der Energieeinsparung und Rationalisierung des Energieverbrauchs reduziert werden soll. Hingegen sind zur Beseitigung

718 Vgl.

Economic and Social Development Plan 1993-1997: 93f.

719 Vgl.

Economic and Social Development Plan 1993-1997: 147 und 192f. 271

des Defizits an gesetzlichen Grundlagen und lokalen Expertisen sowie zur Unterstützung von Investitionen im Bereich erneuerbarer Energie explizit keine Maßnahmen ins Auge gefasst. Im Wassersektor wird auf Probleme der Erschöpfung und Qualitätsminderung einiger Grundwasseraquifere durch Übernutzung hingewiesen und die Implementierung von Wasserprojekten ohne ausreichende Berücksichtigung der ökologischen Aspekte kritisiert. Politisch werden daher die optimale Nutzung und der effizientere Umgang mit den knappen Wasserressourcen durch Schutz vor Verschmutzung, Einsparung und verbesserte Aufbereitung von Abwässern angestrebt.720

Es bleibt festzuhalten, dass alle drei untersuchten Fünfjahrespläne sich mit Umweltfragen im Entwicklungsprozess beschäftigen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. In gesonderten Kapiteln wird auf die Umweltthematik nur in den beiden Plänen für die Jahre 1986 bis 1990 und von 1993 bis 1997 ausführlich eingegangen. Seit Mitte der 80er Jahre nimmt der Umweltschutz nicht nur mehr Raum in den Entwicklungsplänen ein, sondern es fand im Laufe der Zeit auch eine Schwerpunktverlagerung statt. Während im Plan von 1981 bis 1985 lediglich Umweltprobleme und einzelne Managementprobleme aufgezählt und Projekte als Lösungsansätze benannt werden, setzen sich die folgenden Fünfjahrespläne seit 1986 verstärkt mit institutionellen Anforderungen für eine effektive Umweltpolitik auseinander. Zudem werden Umweltschutzfragen stärker in den Sektoren Energie-, Wasser- und Landwirtschaft berücksichtigt. Dennoch werden sie nach wie vor in anderen Sektoren, deren Aktivitäten ebenso von hoher Umweltrelevanz sind, wie Bergbau, Industrie und Transport, nicht erörtert. In der derzeitigen Diskussion über den Fünfjahresplan für soziale und wirtschaftliche Entwicklung 1997 bis 2003 wird nun versucht, neben einem Kapitel zur Umweltpolitik, im Sinne von „sustainable development“ Umweltaspekte auch in alle anderen Kapitel zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Sektoren zu integrieren.721

Somit scheinen die entwicklungspolitischen Planer in Jordanien das Ziel anzustreben, Umweltschutzfragen einen festen Platz in der Entwicklungsplanung Jordaniens einzuräumen und sie als Querschnittsaufgabe auch in andere Bereiche zu integrieren. Ob dies allerdings tatsächlich zu einem Wandel hin zu einer umweltverträglicheren Entwicklung im Lande führt, hängt letztlich nicht nur von einer schriftlichen Fixierung entsprechender Ziele in den Entwicklungsplänen ab, sondern davon, ob diese effektiv umgesetzt werden. Vergangene Studien aus Entwicklungslän720 Vgl.

Economic and Social Development Plan 1993-1997: 62ff.

721 Dies

wurde in einem Gespräch am 18.8.1999 mit der hierfür verantwortlichen Mitarbeiterin im Planungsministerium Nadja Juhari erläutert. 272

dern zeigten jedoch, dass es in der Regel große Diskrepanzen zwischen den in den Plänen deklarierten Zielen und den umgesetzten Planungsergebnissen gab. Trotz dieses Implementierungsdefizits kann Planung aber durchaus sinnvoll sein, da sie zum einen ein Element rationaler Überlegung darstellt, staatliche Bürokratien zu koordiniertem Handeln anhält und somit das weitere Vordringen kurzfristiger interessengebundener politischer Aktion zurückhält und zum anderen einen Mentalitätswandel in Richtung auf Übernahme entwicklungsfördernder Werte bewirken kann.722 Ein solcher Mentalitätswandel löste auch in Jordanien Lernprozesse in Richtung eines bewussteren Umgangs mit der Umwelt im Land aus und führte zur systematischen Einbindung von Umweltfragen in die Entwicklungsplanung.

4.2.2.2 Umweltaspekte in anderen Politikfeldern und Parteiprogrammen Als das Umweltthema in Jordanien aufkam, waren schon viele Ministerien und staatliche Behörden im Bereich des Umwelt- und Ressourcenmanagements aktiv. Die Institutionalisierung der Integration von Umweltfragen in andere Politikbereiche durch die Einrichtung speziell verantwortlicher Abteilungen fand jedoch in den meisten staatlichen Institutionen erst in den 90er Jahren statt. So wurden zum Beispiel im Ministerium für Industrie- und Handel 1991, im Ministerium für Wasser- und Bewässerung 1997, im Landwirtschaftsministerium 1998 oder in der Nationalen Ressourcenbehörde (Natural Resources Authority) ebenfalls 1998 Umweltabteilungen etabliert. Auf regionaler Ebene wurden im Jahr 1993 in der Aqaba Regionalbehörde (Aqaba Regional Authority, ARA) und auf lokaler Ebene in der Stadtverwaltung Groß-Amman Umweltabteilungen institutionalisiert. Zweifellos ist die Integration von Umweltfragen in andere Politikfelder seit Mitte der 90er Jahre angestiegen, auch wenn sie nach Meinung von Experten noch nicht das erwünschte Ausmaß erreicht hat. So haben eine Reihe von Ministerien Umweltschutz nur auf dem Papier in ihre Arbeit und Ziele integriert - auch weil es Geberorganisationen verlangt haben - aber bei der Implementierung von Projekten werden Umweltaspekte dann doch vernachlässigt oder gar nicht berücksichtigt. Nicht zuletzt weil es noch keine gesetzliche Regelung gibt, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung verbindlich vorschreibt.723

In den semistaatlichen Forschungseinrichtungen der Royal Scientific Society (RSS) und den Universitäten in Jordanien zeugen eingerichtete Umweltabteilungen von einer Integration umwelt-

722 Zur

Kritik an der Planung in Entwicklungsländern siehe Wolff 1977: 165ff.

723 Interviews

mit Ziad Alawneh, Generaldirektor NEWS, 6.11.1999; Khaled Irani, Generaldirektor der RSCN, 31.10.1999; Mahmoud Al Omari, Generaldirektor von JES, 13.10.1999; Dr. Salah Share‘, ehemaliger Generaldirektor der GCEP, 18.10.1999. 273

politischer Fragen in den Wissenschafts- und Forschungsbetrieb. Innerhalb der RSS wurde 1989 das Zentrum für Umweltforschung gegründet, das heute über Laboratorien verfügt, die auf Kontrolle und Messung von Luft- und Wasserqualität sowie die Schädlichkeit von Insektiziden ausgerichtet sind. Während die Yarmouk University eine Abteilung für Erd- und Umweltwissenschaften eingerichtet hat und man Umweltwissenschaften seit 1989 im Nebenfach studieren kann, verfügt die University of Jordan bereits seit 1982 über ein eigenes Forschungsinstitut für Wasserfragen, das seit 1992 Forschungszentrum für Wasser und Umwelt genannt wird und damit auf den verstärkten Einbezug von Umweltschutzfragen in seine Forschungsaktivitäten verweist. Diese beiden großen jordanischen Universitäten integrierten damit als erste Umweltfragen in ihren Wissenschaftsbetrieb, bald hatten aber auch kleinere und private Universitäten den Umweltschutz als neues Forschungsgebiet entdeckt und ihre Institute entsprechend erweitert oder sogar neu eingerichtet. Zu nennen ist hier vor allem die Jordan University of Science and Technology (JUST), die seit 1996 ein eigenes Zentrum für Umweltwissenschaften und Technologie besitzt.

Seit Mitte der 90er Jahre nahmen im Rahmen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auch Nichtegierungsorganisationen, die sich eigentlich für Ziele im wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereich einsetzen, Umweltschutzmaßnahmen in ihre Aktivitäten mit auf und integrierten Umweltaspekte in ihre Zielkataloge. Dies bestätigt eine Studie über jordanische Frauenorganisationen, die insgesamt 77 NRO untersuchte, von denen immerhin zwölf Organisationen als eine ihrer Hauptaktivitäten Umweltschutzmaßnahmen angaben.724 Allerdings zeigt die Studie auch, dass viele Organisationen ihre Programme nicht angemessen umsetzen können, da es ihnen an personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen fehlt. Die Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, sind alle außerhalb Ammans aktiv und gerade bei diesen sind die institutionellen Strukturen weniger stabil.725 Darüber hinaus beschäftigten sich auch zunehmend Berufsverbände mit Umweltfragen und richteten zum Teil sogar Umweltforen ein, wie zum Beispiel der Verband der Ingenieure. Interessenvertretungen im industriellen Sektor wie die Industriekammer von Amman (Amman Chamber of Industry) und einzelne große Industrieunternehmen wie die Arab Potash Corporation und die Jordan Cement Factory in Fuheis trugen durch Einrichtung von Umweltabteilungen oder zumindest die Ernennung eines Umweltschutzbeauftragten der Integration von Umweltfragen in ihren Aktivitäten Rechnung.

724 Dabei

handelte es sich um NRO, die nicht im Raum Amman, sondern in anderen Regionen des Landes tätig sind wie die Wadi Musa Ladies Social Development Society, die Al-Mazar Al-Shamali Ladies Society in Irbid oder die Arab Women‘s Voluntary Society in Mafraq.

725 Vgl.

Hammad 1999: 82f und Tabelle: 91-109. 274

In einer 1993 durchgeführten Untersuchung kam Kamal Al-Qaîssy726 zu dem Ergebnis, dass Umweltfragen in einigen Programmen jordanischer Parteien behandelt werden. Beispiele hierfür sind die Muslimbrüder, die aus dem Koran die Verpflichtung zum Schutz der Umwelt ableiten, die „Future Party“, die in ihrem Programm viele Erfordernisse für eine effektive nationale Umweltpolitik auflistet, oder die „Jordanian People’s Democratic Party“ (Haschd), die die Verhinderung der Gefahren der Umweltverschmutzung, die Sicherstellung der Wasserressourcen und die Umweltsanierung als umweltpolitische Ziele explizit anführt. In den Programmen der meisten Parteien wird allerdings nicht gesondert auf das Umweltthema eingegangen. Vielmehr wird der Umweltschutz als Teil gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fragen und Aufgaben angesehen. Im Rahmen schriftlicher und mündlicher Stellungnahmen zeugen die Aussagen vieler Parteifunktionäre von einem wachsenden Umweltbewusstsein, da diese oft über gute Kenntnisse der nationalen und internationalen Umweltproblematik verfügen. Ein nicht zu übersehender Tatbestand, wenn man bedenkt, dass sich zum einen viele Parteien zur Zeit der Untersuchung noch in der Gründungsphase befanden und Parteiprogramme und -prinzipien in Jordanien keine große Rolle spielten; zum anderen persönliche Kontakte und informelle Informationsweitergabe innerhalb der meist kleinen Parteien mit nur wenigen Mitgliedern sehr wichtig sind. Im Jahr 1999 wurde nach Angaben von Zeitungsberichten727 eine neue Umweltpartei gegründet, die sich als Pendant zu den europäischen Parteien der „Grünen“ verstand, die „New Generations Party“. Doch das Parteiprogramm nimmt so gut wie keine Stellung zur Umweltpolitik.728

4.2.2.3 Umweltaspekte in zwischenstaatlichen Abkommen Die Umsetzung jordanischer Verpflichtungen im Rahmen des internationalen Umweltrechts erfordert in den meisten Fällen nicht nur die Anpassung und Weiterentwicklung nationaler Gesetzgebung, sondern auch die Verbesserung institutioneller Strukturen, um die Umsetzung internationaler Vereinbarungen auf nationaler Ebene zu garantieren. Jordanien hat nahezu alle wichtigen globalen Umweltabkommen und Verträge ratifiziert; sowohl die bereits in den 70er Jahren entstandenen Konventionen zum Meeres-, Natur- und Artenschutz sowie Abkommen zum Bann biologischer und nuklearer Waffen als auch die Konventionen zum Schutz der Biodiversität und der Atmosphäre, die in den 80er und 90er Jahren verabschiedet wurden. Angesichts finanzieller

726 Vgl.

hierzu Al-Qaîssy 1993.

727 Vgl.

The Star 4.11.1999 und Jordan Times 24.11.1999.

728

Hizb Al-Agîal al-Urduny, 1999. 275

und personeller Engpässe wird eine effektive Implementierung internationaler Konventionen in Jordanien allerdings behindert.729

Die Umsetzung von umweltpolitischen Maßnahmen auf regionaler Ebene, wie sie im Rahmen des Friedensvertrags zwischen Israel und Jordanien vom 26. Oktober 1994 fest geschrieben wurden, wird in erster Linie angesichts der brisanten politischen Lage in der Region erschwert. Der israelisch-jordanische Friedensvertrag verlangt nicht nur im Rahmen des Wassermanagements den Schutz der Wasserressourcen durch Vorbeugung von Kontamination. Vielmehr wird in einem speziellen Artikel zur Umwelt (Artikel 18) auch die Wichtigkeit der zwischenstaatlichen Kooperation zur Bewahrung der Natur und zur Vorbeugung vor allgemeiner Verschmutzung in der Region betont. „Jordan and Israel acknowledge the importance of the ecology of the region, its high environmental sensitivity and the need to protect the environment and prevent danger and risks for the health and well-being of the region’s population. They both recognize the need for conservation of natural resources, protection of biodiversity and the imperative of attaining economic growth based on sustainable development.“730 In einem gesonderten Abkommen vom 7. September 1995 vereinbaren beide Staaten die Kooperation im Bereich Umwelt- und Naturschutz, um gemeinsam oder einzeln konkrete Maßnahmen zu unternehmen die Umwelt zu schützen und Risiken vor allem von der Bevölkerung abzuwenden. Als Instrumente sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Durchsetzung von Umweltgesetzen, ökologische Überwachungs- und Frühwarnsysteme sowie Forschung, Informationsaustausch und Erziehungsprogramme im Umweltbereich zum Einsatz kommen. Ebenso wird die Harmonisierung von Umweltgesetzen, Regulierungen und Standards der beiden Staaten soweit wie möglich angestrebt. Dabei geht es insbesondere um den Schutz der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität, die Kontrolle der Luftqualität, das Management der Meeres- und Küstenumwelt, Abfallmanagement, Schädlingsbekämpfung, Verminderung und Kontrolle der Ver729 Zu

den wichtigsten von Jordanien ratifizierten internationalen Umweltschutzverträgen gehören folgende Konventionen: das „Treaty Banning Nuclear Weapon Tests in the Atmosphere, in Outer Space, and under Water (Moscow 1963), die „Convention on Wetlands of International Importance Especially as Waterfowl Habitat (Ramsar 1971), die „Convention Concerning the Protection of World Cultural and Natural Heritage (Paris, 1972), die „Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter“ (London 1972), die „Convention on the Prohibition of the Development, Production, and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapon and on their Destruction“ (London 1972), die „Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (Washington 1973), die „Convention for the Protection of the Ozone Layer“ (Vienna 1985 samt Montrealer Protokoll von 1987) sowie die 1992 in Rio de Janeiro und New York verabschiedeten Konventionen zum Schutz der Biodiversität und zum Klimaschutz (vgl. Kefaya 1996: 101).

730 The

Jordan – Israel Peace Treaty, 26 October 1994: Annex IV. 276

schmutzung der Umwelt, Desertifikationsbekämpfung und Lärmschutz. Darüber hinaus ist die Entwicklung gemeinsamer Umweltprojekte entlang der gemeinsamen Grenze zum Küstenmanagement am Golf von Aqaba, zum Management des Jordantals, des Jordans, des Toten Meeres und des Wadi Araba vorgesehen. Neben regelmäßigen Treffen, Konferenzen und dem Austausch professioneller Delegationen soll vor allem die Einrichtung eines „Joint Committee on Environmental Protection and Natural Resources Conservation“ die Kooperation zwischen Israel und Jordanien zur Umsetzung des Abkommens fördern.731 Die Etablierung dieses bilateralen Umweltkomitees wurde allerdings aus politischen und technischen Gründen lange Zeit hinausgezögert und erst durch ein weiteres israelisch-jordanisches Abkommen im Jahr 2000 eingerichtet.732

4.2.3

Die umweltpolitischen Programme

4.2.3.1 Die Nationale Umweltstrategie Die nationale Umweltstrategie NES733 aus dem Jahr 1991 gibt einen umfassenden Überblick über die Umweltsituation in Jordanien, indem sie die wichtigsten technischen Daten und Informationen über den Zustand der nicht erneuerbaren und erneuerbaren Ressourcen, die Umweltprobleme und ihre Ursachen zusammenfassend darstellt und Lösungsansätze zur Problembewältigung aufzeigt. In den einzelnen Kapiteln zu Landwirtschaft und Land, Oberflächen- und Grundwasser, Atmosphäre und Luftqualität, Tier- und Pflanzenwelt und Lebensräumen, Küstenund Meeresumwelt, Energie und mineralische Ressourcen, Altertümern und kulturelles Erbe wird zu Beginn stets erst einmal ein Überblick über die spezifischen ökologischen Probleme gegeben, bevor der Zustand der natürlichen Ressourcen, seien es Land, Wasser, Luft oder Rohstoffe beschrieben wird. Nach einer eingehenden Ursachen- und Problemanalyse werden dann abschließend konkrete Lösungsmaßnahmen vorgeschlagen. Potenzielle Hindernisse und Restriktionen bei der Durchsetzung dieser Maßnahmen werden nur in wenigen Fällen berücksichtigt. Jedes Kapitel enthält einen Anhang mit Angaben zu Informationsquellen, Hinweisen zur Literatur und zu Institutionen in Jordanien, die über sektorspezifische Expertisen verfügen. In gesonderten Kapiteln werden sektor- und medienübergreifend die Ursachen der Umweltprobleme in 731 Vgl.

hierzu Agreement on Cooperation in Environment Protection and Nature Conservation between the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan and the Government of the State of Israel, 7.9.1995.

732 Vgl.

Jordan Times 11.2.2000. Diesem Artikel zufolge hat sich die einflussreiche israelische Umweltbewegung immer wieder kritisch gegenüber zwei gemeinsamen israelisch-jordanischen Projekten, der Industriezone in Nordjordanien und dem Flughafen Eilat/Aqaba, geäußert und auf die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten und die Einrichtung des zwischenstaatlichen Umweltkomitees gedrängt.

733

Im Folgenden siehe Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environmnet/Department of Environment 1991. 277

Jordanien auf das schnelle Bevölkerungswachstum und die unkontrollierte Expansion menschlicher Siedlungen zurückgeführt, auf den Zusammenhang zwischen Umwelt und Gesundheit verwiesen und der bestehende rechtlich-institutionelle Rahmen behandelt.

Die nationale Umweltstrategie ignoriert weder wichtige Umweltprobleme noch verschweigt sie deren schwierige oder konfliktträchtige Ursachen. Insgesamt werden 400 umweltpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Die entscheidende strategische Forderung der NES ist die Schaffung eines angemessenen rechtlichen Rahmens durch ein Umweltrahmengesetz, die Stärkung staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, die für Umweltschutzaktivitäten verantwortlich sind, die Ausweitung der Naturschutzgebiete und die verstärkte Umweltbewusstseinsbildung in der jordanischen Bevölkerung. Von diesen generellen Zielen abgesehen, werden konkrete Zielvorgaben zum Schutz einzelner Umweltmedien nur in den seltensten Fällen formuliert. Stattdessen werden in der Regel Maßnahmen zur Bekämpfung spezifischer Umweltprobleme sehr allgemein gehalten. Für die Bereiche Landwirtschaft und Land, Energie und mineralische Ressourcen, Wohnen und Siedlungen, Küste und Meer, Umwelt und Gesundheit und kulturelles Erbe werden nur mehr oder weniger allgemein gehaltene Aktivitäten vorgeschlagen, die nicht einmal qualitative Zielvorgaben enthalten. Im Kapitel zur Bevölkerungsentwicklung wird lediglich auf die notwendige Begrenzung des Bevölkerungswachstums hingewiesen, ohne dieses Ziel zu quantifizieren und eine Frist zur Zielerreichung zu setzen. Lediglich im Kapital über den Schutz der Wasserressourcen werden mit dem Vorschlag zur Entwicklung einer nationalen Wasserstrategie für das Jahr 2005 konkretere Ziele formuliert. Ebenso werden im Bereich Atmosphäre und Luftqualität zumindest qualitative Ziele und notwendige Maßnahmen zur Festlegung von Standards und zur Beobachtung und Kontrolle der Luftqualität vorgegeben, ohne allerdings quantitative Reduktionsziele für Emissionen aufzustellen. Für die Umsetzung der Maßnahmen werden ein zeitlicher Rahmen abgesteckt und die verantwortlichen Ministerien und Behörden benannt. Noch konkreter werden die Ziele im Bereich Tier- und Pflanzenschutz angegeben, indem konkrete Projekte mit Projektzielen, entsprechenden Maßnahmen und sogar Kostenabschätzungen vorgestellt werden. Teilweise werden die Zielvorgaben sogar quantifiziert, indem die Zahl der einzurichtenden Naturreservate und die Anzahl der anzusiedelnden Tiere angegeben werden.

Die unterschiedlichen Ergebnisse im Hinblick auf die Konkretisierung der Ziel- und Maßnahmenformulierung in den einzelnen Umweltbereichen findet interessanterweise ihre Entsprechung in der Repräsentanz der Träger von Umweltbelangen in den jeweiligen Arbeitsgruppen. Dort wo die Ziele eher allgemein gehalten sind und dies wird besonders deutlich bei der Arbeitsgruppe zu Land- und landwirtschaftlichen Fragen, gab es eine klare Unterrepräsentanz an 278

umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, Umweltforschungsinstituten und Vertretern des Department of Environment gegenüber anderen Akteuren. Sind Ziele und Maßnahmen konkret formuliert oder gar quantifiziert, ist dies auf die bessere Repräsentanz und stärkere Beteiligung der Träger von Umweltbelangen zurückzuführen. So im Falle der Arbeitsgruppe zu Tierund Pflanzenschutz, deren konkrete Ergebnisse zweifellos auf die große Einflussnahme der RSCN und das Durchsetzungsvermögen ihres Präsidenten Anis Muasher, der die kleine Arbeitsgruppe leitete und als angesehene Persönlichkeit auch über informelle persönliche Kontakte die Ziele und Maßnahmen in diesem Bereich durch Projektvorschläge konkretisieren konnte. Hindernisse, die einer nachhaltigen Entwicklung im Wege stehen könnten, werden nur bezüglich der Nutzung der Wasserressourcen, der Tier- und pflanzlichen Ressourcen, der Begrenzung des Bevölkerungswachstums, für ein gesundes Wohnen und im Bereich Umweltgesundheit genannt. In einzelnen Fällen werden auch Restriktionen wie die unzureichende Gesetzeslage, der Mangel an Institutionen, personellen und finanziellen Ressourcen aufgezeigt, die einen effektiven Umweltschutz behindern. In den meisten Fällen fehlt es allerdings an einer realistischen Einschätzung der Implementierungsmöglichkeiten, die vorhandene Kapazitäten und Widerstandspotenzial der Zielgruppen berücksichtigt.

Die Kritik an der jordanischen Umweltstrategie richtet sich aber nicht nur gegen ihre mangelnde Zielgenauigkeit, sondern vor allem gegen die fehlende sektorale und innersektorale Prioritätensetzung für die Umsetzung der 400 Maßnahmen.734 In den meisten Fällen werden zudem weder die Kosten der Umweltschutzaktivitäten abgeschätzt noch ein adäquater institutioneller Rahmen vorgegeben. Finanzielle Zwänge und wirtschaftliche Prioritäten des Landes bleiben unberücksichtigt, die Beziehung zu Sektorpolitiken und -strategien bleibt unklar und auch die Frage woher die benötigten finanziellen Mittel zur Umsetzung der Strategie kommen sollen, wird nicht näher erörtert. Damit bleibt die NES ein theoretisches Dokument, das in der praktischen Umsetzung versagt. Nach Omar Noman war das unrealistische Implementierungsdesign der Grund dafür, dass das Planungsministerium die Nationale Umweltstrategie als Grundlage für das Kapitel über den Umweltbereich im Fünfjahresentwicklungsplan ablehnte. Von anderen staatlichen Behörden und nichtstaatlichen Organisationen wird die NES ebenfalls als unrealistisch und nutzlos bewertet. Das anfängliche Interesse der Regierung an der Strategie war wohl an die Erwartung eines zusätzlichen Finanzflusses für das bei ausländischen Geberorganisationen beliebte Thema „Umweltschutz und Management natürlicher Ressourcen“ geknüpft. Die Geberorganisa-

734 Fünf

der zwölf befragten Umweltexperten führten die fehlende Prioritätensetzung bezüglich Umweltschutzmaßnahmen als wichtigen Kritikpunkt an. 279

tionen hingegen führen nach Verabschiedung der NES ihre momentanen und geplanten Aktivitäten weiter, ohne dass dabei die Umweltstrategie ernsthafte Berücksichtigung findet.735 Ähnlich wie Noman sieht auch die Mehrzahl der befragten Experten die Nationale Umweltstrategie zwar als ersten wichtigen Schritt zur Etablierung einer Umweltpolitik in Jordanien. Doch sie kritisieren das mangelnde Interesse insbesondere der Regierung an einer tatsächlichen Implementierung der Strategie. So sind im Dokument weder regelmäßige Berichtspflichten noch Evaluierungen über den Fortschritt der Umsetzung der Umweltstrategie vorgesehen. Die jordanische Regierung stellte nur begrenzt finanzielle Mittel für die große Bandbreite der vorgeschlagenen Umweltschutzinitiativen zur Verfügung. Bisher wurde als einzige Empfehlung der NES das Umweltrahmengesetz 1995 verabschiedet und im gleichen Jahr die unabhängige Umweltbehörde GCEP etabliert.

4.2.3.2 Der Nationale Umweltaktionsplan Aufbauend auf der Nationalen Umweltstrategie NES sollte der Nationale Umweltaktionsplan NEAP736, der 1995 erstellt wurde, eine klare Prioritätensetzung der Umweltprobleme und ihrer Bekämpfung vornehmen, um konkrete Umweltschutzaktivitäten in die Wege leiten zu können. Der NEAP fasst nochmals die Umweltprobleme Jordaniens in vier Kategorien zusammen: Die Bedrohung der Wasserressourcen durch Erschöpfung und Verschmutzung, die Bedrohung der Landressourcen durch Degradierung und Kontamination, städtische Umweltprobleme in Form von Abfällen, Luftverschmutzung und als Folge der unkontrollierten urbanen Expansion sowie die Degradierung des kulturellen Erbes und der natürlichen Lebensräume. Bevor sich diesen Umweltproblemen im Einzelnen zugewandt wird, gibt der NEAP einen knappen Überblick über die natürliche Ressourcenbasis in Jordanien und ihre Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Anschließend erfolgt eine kurze Darstellung der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. In der Analyse des NEAP wird der Druck auf die natürlichen Ressourcen und deren Degradierung in erster Linie auf das in den letzten zwei Jahrzehnten sehr rasche Bevölkerungswachstum und das wirtschaftliche Wachstum, vor allem auf steigende Transportaktivitäten mit signifikantem Energieverbrauch und das industrielle Wachstum als Ursachen für Emissionsanstieg und Abfallprobleme, zurückgeführt. Die steigende Arbeitslosigkeit und die Anzahl der Menschen die unterhalb der Armutsgrenze leben werden als Problemverstärker angesehen. Nach dieser allgemeinen Ursachenanalyse wird detailliert auf die einzelnen ökologischen Problembe-

735 Vgl. 736 Im

Noman 1996: 321ff.

Folgenden siehe Ministry of Planning 1996. 280

reiche eingegangen, indem die Umweltprobleme nach ihrer Wichtigkeit geordnet werden, Ursachen identifiziert und die institutionellen Schwächen in den einzelnen Bereichen erörtert werden. Im Falle der Bewahrung der Landressourcen und natürlichen Lebensräume werden beispielsweise Konflikte zwischen Institutionen aufgrund Kompetenzzersplitterung, fehlender Landnutzungspläne und gesetzlicher Regelungen als wichtige institutionelle Probleme benannt, während es im Abfallbereich an Spezialisten und trainiertem Personal mangelt. Die Prioritätensetzung der Umweltprobleme erfolgt anhand mehrerer primärer und sekundärer Kriterien. Zu denen die Dringlichkeit des Umweltproblems, dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sowie dessen Irreversibilität zählen. Es werden aber auch die Anzahl der von Umweltproblemen Betroffenen sowie deren Auswirkungen auf die ökonomische Produktivität und die arme Bevölkerung als sekundäre Kriterien berücksichtigt. Eine Ist-Analyse des bestehenden rechtlichen und institutionellen Rahmens und des umweltpolitischen Engagements ausländischer Geberorganisationen mit einer Auflistung der sich in der Durchführung befindenden und geplanten Umweltprojekte im Anhang runden die Darstellung ab.

Das Hauptziel des Nationalen Umweltaktionsplans ist die Unterstützung der jordanischen Regierung in ihrer Umweltpolitik und ihrer Investitionsentscheidungen im Umweltbereich durch die Erstellung von Programmen zur Umsetzung dieser Entscheidungen. Die Aktivitäten zur Bekämpfung der Umweltprobleme in Jordanien werden in sechs Kategorien umweltpolitischer Instrumente eingeteilt. Im Gegensatz zur Nationalen Umweltstrategie NES werden im Rahmen des NEAP nicht nur die staatliche Steuerung durch Politik und direkte gesetzliche Regulierung über Umweltqualitätsstandards vorgeschlagen, sondern erstmals auch die indirekte Regulierung über positive und negative ökonomische Anreize, basierend auf dem Verursacherprinzip, angestrebt. Zudem sollen staatliche und private Investitionen im Umweltbereich getätigt werden. Die umweltpolitische Kapazitätenbildung, die klare Abgrenzung institutioneller Verantwortlichkeiten und die verbesserte Koordination zwischen umweltpolitischen Akteuren und vor allem zwischen staatlichen Institutionen werden als wichtige Aufgabe im institutionellen Bereich genannt. In Konfliktsituationen soll als neues Instrument die Mediation Auseinandersetzungen strukturieren und Lösungen herbeiführen. Darüber hinaus soll die umweltrelevante Forschung die Überwachung der Umweltmedien sicherstellen und der Informationsaustausch sowie Umwelterziehung und Umweltbewusstseinsbildung vorangetrieben werden. Doch bei diesen allgemeinen Aussagen zum Einsatz umweltpolitischer Instrumente bleibt es nicht. Vielmehr werden konkretere Maßnahmen in den einzelnen Umweltbereichen in einen langfristigen Aktionsplan eingebunden. Da das rasche Bevölkerungswachstum als wichtige Ursache für die Umweltprobleme in Jordanien erkannt wurde, wird auch im NEAP auf die Annahme und Umsetzung der nationalen 281

Bevölkerungsstrategie („National Population Strategy“) gedrängt. Im Vergleich zu anderen Bereichen werden die notwendigen Maßnahmen zum nachhaltigen Wassermanagement und Naturschutz am deutlichsten benannt, da in diesen beiden Bereichen konkrete Projektvorschläge mit Kostenabschätzungen vorliegen. Doch auch für die anderen Bereiche Landressourcen, Kulturressourcen und städtisch-industrieller Umweltschutz werden prioritäre ökologische Probleme aufgezeigt und die jeweils einzusetzenden Instrumente präzisiert. Vorrangige Priorität haben nach dem NEAP in Jordanien der Aufbau von Kapazitäten im Bereich Umweltmanagement sowie die Querschnittsaufgaben Umweltbewusstseinsbildung, die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Durchsetzung vorhandener Umweltgesetze und die Schaffung notwendiger neuer Gesetze. In einem weiteren Schritt werden für die erste Phase der Umsetzung des Umweltaktionsplans für alle ökologischen Problembereiche prioritäre Aktivitäten, Oberziele, spezifische qualitative Ziele, der erwartete Output und die für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlichen Institutionen tabellarisch aufgeführt. In vielen Fällen werden die Implementierungskosten abgeschätzt. Im NEAP ist die Zielqualität viel genauer als im NES, in der eher allgemeine Maßnahmen anstatt konkrete Ziele und Aktivitäten vorgeschlagen wurden. Doch auch im Umweltaktionsplan sind nur in seltenen Fällen wie bei der Steigerung der nationalen Wasserbereitstellung und der Einrichtung von Naturreservaten quantitative Zielvorgaben vorzufinden. Insgesamt werden 37 konkrete Projektaktivitäten vorgeschlagen zu Gesamtkosten von rund 50 Millionen US$.737 Indem auf die institutionellen Begebenheiten in den einzelnen Umweltbereichen eingegangen wird und diesbezügliche Probleme und Defizite aufgezeigt werden, werden stärker als zuvor in der NES Restriktionen aufgrund begrenzter politischer Kapazitäten berücksichtigt. Widerstände bei Zielgruppen, die einer effektiven Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen im Wege stehen könnten, werden aber auch im NEAP nicht erwähnt. Als weiterer Schwachpunkt sind wie schon beim NES auch im NEAP weder regelmäßige Überprüfungen noch Evaluierungen der Implementierungsfortschritte vorgesehen.

Der Nationale Umweltaktionsplan wird mit seiner Prioritätensetzung und konkreten Angaben zu Zielen und Maßnahmen von den meisten Experten als wertvoller Beitrag und nach der Nationalen Umweltstrategie als wichtiger weiterer Schritt zur Aufwertung der Umweltpolitik und Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen in Jordanien bewertet. Nur zwei Experten kritisierten das Dokument, das angesichts der kurzen Entwicklungsphase von einigen Monaten versäumte, wichtige Akteure von Anfang an mit einzubeziehen. Einzelne Experten verwiesen auf konkrete inhaltliche Mängel des Aktionsplans. Wichtige Umweltaspekte wie die Fragen zum Wasser-

737 Vgl.

Ministry of Planning 1996: 37ff. 282

haushalt für das Fortbestehen der Biodiversität und der Schutz der Wälder würden im NEAP vernachlässigt und auch diesmal sei eine klare Abgrenzung der Kompetenzen und Zuständigkeitsbereiche der einzelnen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure nicht erreicht worden. Das Hauptproblem lege allerdings darin, dass der Nationale Umweltaktionsplan von der jordanischen Regierung nicht offiziell angenommen und damit nicht veröffentlicht wurde. Seine Verbreitung ist dementsprechend eingeschränkt.

4.2.3.3

Der Regionale Umweltaktionsplan für den Golf von Aqaba

Das wichtigste Ziel des regionalen Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba GAEAP738, der im Jahr 1993 erstellt wurde, ist es, durch präventiven Umweltschutz die weitere Degradierung der Ökosysteme der Küste, der Riffe und des Meeres zu verhindern und wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig zu gestalten. Der Plan stellt ein umfassendes gesetzliches und institutionelles Rahmenwerk für das Management des Küstengebietes in Jordanien auf, entwickelt Überwachungs- und Vorsorgesysteme zum Schutz vor Luft-, Land- und Wasserverschmutzung sowie für den Erhalt natürlicher Ressourcen und bereitet integrierte Investitionsprogramme für eine ausgeglichene wirtschaftliche Entwicklung in der Region mit Umweltschutzvorkehrungen vor. Nachdem die Ziele festgelegt sind, wird auf die einzelnen Umweltprobleme und die ökologische Bedrohung durch Boden-, Luft- und Meeresverschmutzung eingegangen, die vorrangig auf das wirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen gestiegenen industriellen und Transportaktivitäten zurückzuführen sind. Sie wurden durch die wachsende Zahl der Bevölkerung und der Touristen sowie durch unzureichendes Wasser-, Abwasser- und Abfallmanagement verstärkt. Der Bau von Straßen, Hotels, Hafen und Lagerstätten für Rohstoffe, die Aktivitäten zur Elektrizitätsgewinnung und Düngemittelproduktion, sowie die steigende Beanspruchung und Degradierung fragiler Ökosysteme der Wüste, Küsten- und Riffgebiete durch Touristen und Fischer wirkte sich negativ auf die natürliche Umwelt der Wüstenlandschaft und Korallenriffe aus. Die industrielle Umweltverschmutzung rührt von der Düngemittelfabrik, dem Kraftwerk zur Elektrizitätsgewinnung, den Verladestätten von Phosphaten, Pottasche und Zement sowie von Transportaktivitäten zu Land und zu Wasser, die mit dem Hafen in Aqaba verbunden sind. Zur Verschmutzung des Meerwassers kam es seit den 80er Jahren vor allem aufgrund mangelnder Kapazitäten zur Kontrolle von Tankerunfällen, die zum Auslaufen von Öl führten. Nach Schilderung der Umweltprobleme und ihrer Ursachen wird anschließend auf die institutionellen Verantwortlichkeiten für die Entwicklungsaktivitäten am Golf von Aqaba eingegangen, die bei der

738

Im Folgenden siehe World Bank 1993. 283

Aqaba Region Authority (ARA) liegen. Die ARA hatte bereits vor der Erstellung des Aktionsplans ein Umweltkomitee eingerichtet, allerdings ohne speziell für Umweltaufgaben ausgebildetes Personal eingestellt zu haben. Als weitere Akteure spielen verschiedene Ministerien, die Hafenbehörde, das Forschungszentrum der Marine Science Station und die RSCN eine wichtige Rolle im Management der natürlichen Ressourcen in der Region. Zur Zeit der Planerstellung waren die vorhandenen gesetzlichen Regelungen zur Kontrolle von Abwassereinleitungen, des Fischfangs sowie der Hafen- und Schifffahrtsaktivitäten nicht umfassend genug und wurden darüber hinaus selten durchgesetzt, nicht zuletzt, weil es an einer effektiven Koordination und Kooperation zwischen den unterschiedlichen umweltpolitischen Akteuren fehlte.

Das eigentliche Umweltaktionsprogramm für den Golf von Aqaba umfasst insgesamt 23 Aktionen, die in sechs Kategorien mit unterschiedlichen Maßnahmen eingeteilt werden. Die Erweiterung des gesetzlichen Regelwerkes soll vor allem Standards für die Luft- und Wasserqualität entwickeln, den Küstenbereich in Zonen für bestimmte Aktivitäten wie Tourismus und Fischerei einteilen und ein System zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen etablieren. Unter Anwendung des Verursacherprinzips sollen Tarife und Steuern für die Umweltnutzung festgelegt werden und finanzielle Anreize zum Umweltschutz ermutigen. Die zweite Kategorie umfasst Maßnahmen im Bereich Stärkung der umweltpolitisch aktiven Institutionen und Entwicklung ihrer personellen Ressourcen. In diesem Zusammenhang soll die Einrichtung einer Umweltabteilung innerhalb der ARA zur Stärkung der umweltpolitischen Kapazitäten beitragen. Diese wird direkt dem Generalsekretär unterstellt sein und für die Festlegung umweltpolitischer Ziele, die Durchsetzung von Umweltgesetzen, die Koordination zwischen umweltpolitischen Akteuren und die Implementierung des Umweltaktionsplans unter Einbezug der Öffentlichkeit verantwortlich sein. In technischer Hinsicht sollen Investitionen erfolgen, die zur Kontrolle industrieller Emissionen durch Filtereinbau und Umweltaudits beitragen und ein Plan zur Bekämpfung der Verschmutzung des Meeres durch Öl erstellt werden. Ebenso sollen Maßnahmen für ein verbessertes Wasser- und Abwasser- und Abfallmanagement ergriffen werden und ein Lizenzsystem den Fischfang regulieren.

Der Umweltaktionsplan sieht darüber hinaus die Einrichtung zweier Naturschutzgebiete vor, ein Meeresreservat zum Schutz der Korallenriffe und das Wadi Rum Reservat zum Schutz des Wüstenökosystems, sowie Überwachungsprogramme zur Kontrolle der Luft- und Meereswasserqualität. Durch Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbewusstseinsbildung soll die Beteiligung der einheimischen Bevölkerung, der Touristen und unterschiedlicher Interessengruppen wie die der Fischer und der Umweltschutzorganisationen sichergestellt werden. Abschließend werden alle 284

Aktivitäten übersichtlich in einer Tabelle mit jeweiliger Kostenabschätzung und Benennung der staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen, die für die Implementierung der einzelnen Maßnahmen verantwortlich sind, aufgeführt. Die Gesamtkosten für die Implementierung des jordanischen Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba werden auf rund 41 Millionen US$ geschätzt. Wie schon im Nationalen Umweltaktionsplan NEAP werden auch im GAEAP die angegebenen Ziele weitgehend allgemein gehalten und kaum quantitative Angaben gemacht oder Fristen zur Zielerreichung vorgegeben. Allerdings wird die zeitliche Abfolge der Umsetzung stärker reglementiert, indem elf Aktivitäten als Maßnahmen erster Priorität eingestuft werden, die dringend umgesetzt werden sollen, während die Implementierung der übrigen zwölf Aktivitäten mittelfristig erfolgen sollen. Restriktionen, die einer effektiven Umsetzung des Umweltaktionsplans entgegen stehen könnten, werden insofern berücksichtigt, als dass der Stärkung der bisher begrenzten institutionellen Kapazitäten und der Etablierung eines gesetzlichen Rahmens zur Umsetzung kurativer und präventiver Umweltschutzmaßnahmen höchste Priorität eingeräumt werden. Der Prozess der Entwicklung und Implementierung des GAEAP wurde von allen drei Experten, die sich zum GAEAP äußerten, als gut und erfolgreich bezeichnet.

4.2.4

Die Implementierung umweltpolitischer Gesetze und Aktionspläne

Seit Mitte der 90er Jahre ist die Anzahl der implementierten Umweltschutzprojekte stark gestiegen. Dies wird nicht nur durch die eigene Untersuchung, sondern auch durch die befragten Experten bestätigt. Letztere führen den Anstieg an Umweltschutzaktivitäten in erster Linie auf die seit 1992 in Folge der UNCED einsetzende verstärkte fachliche und finanzielle Unterstützung der bi- und multinationalen Geberorganisationen zurück, aber weisen gleichzeitig auf die verstärkte Förderung auf nationaler Ebene durch König Hussein, der sich vor allem für den Naturschutz einsetzte, hin. Dennoch gestaltet sich die Durchsetzung der im Umweltrahmengesetz von 1995 festgeschriebenen Vorschriften schwierig. Die Mehrzahl der befragten Experten sah in den noch fehlenden Statuten zur Regulierung spezifischer Umweltbereiche einen wichtigen Grund für die mangelnde Umsetzung des Gesetzes. Einige Experten hielten den im Umweltschutzgesetz vorgeschriebenen Sanktionsmechanismus für zu schwach und das Strafmaß zu niedrig, um Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften tatsächlich verhindern zu können. Fünf der zwölf Experten waren der Meinung, dass die schwache Umweltbehörde GCEP angesichts ihres Mangels an Kapazitäten und qualifiziertem Personal die Umweltschutzregelungen nicht effektiv durchsetzen kann, da sie keine Inspektoren einsetzt, die die Einhaltung der Umweltstandards überwachen und kontrollieren. Die unzureichende Verbreitung des Umweltgesetzes in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern einerseits und der unzureichende Einbezug 285

von Richtern, Rechtsanwälten und der Polizei sowie der Mangel an Koordination und Kooperation zwischen nichtstaatlichen und staatlichen umweltpolitischen Akteuren bei der Durchsetzung des Gesetzes andererseits, wurden von fünf Experten als weiteres Hindernis genannt. Weniger Experten behaupteten, die schlechte ökonomische Lage Jordaniens, der Mangel an finanziellen Ressourcen und die Tatsache, dass wirtschaftliche Probleme als dringlicher eingestuft werden als Umweltprobleme, wirke sich negativ auf die Umsetzung des Gesetzes aus. Auch scheinen kulturelle Faktoren, die den landesweit verbreiteten Tribalismus und dem „Wastahsystem“ eigen sind, eine effektive Durchsetzung umweltrechtlicher Vorschriften zu behindern. Beklagt wird in diesem Zusammenhang vor allem, dass für die bisherigen Minister des Ministeriums für ländliche und städtische Angelegenheiten und Umwelt, die nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern aufgrund von Clan- und Stammeszugehörigkeit ihre Posten erhielten, der Umweltschutz keine Priorität hat. Darüber hinaus scheint es schwierig, in dem kleinen Land Jordanien Regulierungen und Sanktionen wirksam durchzusetzen739, da die Solidarität des erweiterten Familien- und Clanverbands besondere Formen der informalen Konfliktlösung hervorgebracht hat.

Bei der Umsetzung von Umweltschutzaktivitäten gibt es erhebliche Unterschiede sowohl hinsichtlich der Implementierungsfortschritte der untersuchten Umweltaktionsprogramme als auch bezüglich der Erfolge in unterschiedlichen Sektoren. Die Umsetzung der Nationalen Umweltstrategie NES wurde durch die versäumte Einstufung der Umweltprobleme nach ihrer Dringlichkeit und die mangelnde Klarheit in der Ziel- und Prioritätensetzung stark eingeschränkt. Dennoch konnten mit der Einrichtung der neuen Umweltbehörde GCEP und der Gründung des Nationalen Umweltschutzrats CEP zwei wichtige Ziele des NES erreicht werden. Der Nationale Umweltaktionsplan NEAP hingegen konzentrierte sich auf bestimmte Aktivitäten und setzte eindeutige Prioritäten, um so die Umsetzung vorgegebener Umweltschutzmaßnahmen effektiver vorantreiben zu können. Allerdings gestaltet sich die Implementierung dieses Aktionsplans ebenfalls schwierig und geht sehr langsam voran. Bisher befinden sich lediglich ein Teil der im NEAP geforderten Umweltschutzprojekte in der Durchführung. Dies bestätigte die Mehrzahl der Experten, die in der schwachen Position der Umweltbehörde GCEP mit ihren unzureichenden finanziellen Mitteln und ihrem Mangel an qualifiziertem Personal und effizienten Managementqualitäten, ein wichtiges Hindernis für die effektive Implementierung des NEAP sehen. An der Implementierung des nationalen Umweltaktionsplans sind weitere jordanische Akteure und Geberorganisationen beteiligt. Die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit ist eine der wenigen Geberorganisationen, die sich in ihrer Projektarbeit explizit auf den NEAP bezie-

739 Ziad

Alawneh, Interview am 6.11.1999. 286

hen, indem sie sich im Rahmen eines Programms zur Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten im Land dessen Implementierung zur Hauptaufgabe gemacht hat. Der Mangel an Koordination und Kooperation zwischen den einzelnen umweltpolitischen Akteuren, vor allem zwischen den staatlichen Institutionen und den Nichtregierungsorganisationen ist ein wichtiger Grund für die defizitäre Umsetzung. Die Grundlage für diesen Mangel wurde bereits bei der Planerstellung gelegt. Im Gegensatz zur Nationalen Umweltstrategie NES wurde der NEAP innerhalb weniger Wochen erstellt mit einer viel geringeren Zahl an Teilnehmern. Insbesondere die GCEP hielten sich mit ihren Beiträgen zum NEAP sehr zurück, da nicht ihr, sondern dem Planungsministerium die Leitung der Koordination der Erstellung des Aktionsplans zugesprochen wurde. Negativ wirken sich auch fehlende Überprüfungen, Evaluierungen und Fortschrittskontrollen aus, die notwendig wären, um entsprechende Überarbeitungen vornehmen zu können und den Plan an Entwicklungen anzupassen. Erschwert wird die Umsetzung des Aktionsplans dadurch, dass dieser kein offizielles Dokument ist und kaum verbreitet ist. Der Leiter des Umwelt- und Ressourcenprogramms von UNDP Dr. Iyad Abumoghli führt dies auf folgende Probleme zurück: „One of the main reasons is that it (the NEAP) was produced in English and they (the Jordan government) wanted an Arabic version. UNDP translated it in 1997 and it was send to the government, but probably it was too late. Because the NEAP listed a number of priorities for Jordan and by the time it was translated a number of these proposals were already implemented, so the document became obsolete for the government, because some of the projects proposed, have actually been implemented or funded by donors. So it has to be reviewed and there has to be a process. GCEP has to have an annual revision of the NEAP, because it is a ‚living‘ document. But it was not ratified. Some donors and some researchers they use it as their base.“740 So fehlen vielen Beamten, die für unterschiedliche staatliche Institutionen im Umweltbereich tätig sind, die notwendigen Informationen über den Aktionsplan, und sie ziehen ihn daher nicht als Grundlage für ihre Arbeit heran.

Die Implementierung des Gulf of Aqaba Environmental Action Plan schreitet im Vergleich zur Umsetzung des National Environmental Action Plan deutlich schneller voran. Dies ist nach Expertenmeinung auf die Beschränkung der Aktivitäten auf die Region Aqaba und der somit begrenzten Zahl der in die Implementierung involvierten Akteure, vor allem der staatlichen Akteure, zurückzuführen. Die Aqaba Region Authority kann als autonome und einzige verantwortliche staatliche Organisation mit der finanziellen Unterstützung der Geberorganisationen die Umset-

740 Dr.

Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999. 287

zung des regionalen Umweltaktionsplans GAEAP selbstbestimmt vorantreiben, während bei der Implementierung des NEAP die mangelnde Koordination und Kooperation zwischen vielen konkurrierenden staatlichen, aber auch nichtstaatlichen Akteuren zu deutlichen Verzögerungen im Implementierungsprozess führen.741 In Aqaba befinden sich eine Reihe von Maßnahmen in der Durchführung und einige Ziele sind sogar schon erreicht, auch wenn es im Falle des GAEAP ebenfalls Implementierungsdefizite gibt, die die befragten Experten in erster Linie auf den Mangel an finanziellen Ressourcen zurückführten. Als erster Schritt regionaler Kooperation zwischen Israel, Ägypten und Jordanien wurde mit der finanziellen Unterstützung der EU und der JICA im Rahmen der Implementierung des GAEAP ein Plan zum Schutz des Meeres vor Ölpesten erstellt. Auf jordanischer Seite finanzierte die jordanische Hafenbehörde die Installation von Filteranlagen im Hafen von Aqaba zur Reduzierung der Luftverschmutzung, die durch die Verladung und Verschiffung von Phosphat hervorgerufen wird. Als entscheidende Maßnahme zur Umsetzung des Umweltaktionsplans zum Schutz des Golfes von Aqaba in Jordanien wurde 1996 ein von der Global Environmental Facility (GEF) Projekt initiiert. Die Projektkosten belaufen sich auf schätzungsweise 12,67 Millionen US$ und werden anteilig von der jordanischen Regierung, der GEF und bilateralen Trägern übernommen. Mit Hilfe dieses Projektes soll Jordanien eine führende Rolle bei der Etablierung einer regionalen Zusammenarbeit zum Schutz der Küsten- und Meeresumwelt im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung gegeben werden. Das vorrangige Projektziel ist es, angemessene institutionelle und gesetzliche Rahmenbedingungen zum effektiven Schutz des Golfs von Aqaba und zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung zu schaffen. Insgesamt sieht das Projekt zwölf Aktivitäten vor, von denen sich bereits einige in der Umsetzung befinden. Im Vordergrund steht dabei die Stärkung der institutionellen Kapazitäten und die Qualifizierung des Personals der Aqaba Region Authority (ARA) und ihrer Umweltabteilung.742 Die regionale Behörde soll in die Lage versetzt werden, umweltrelevante Entwicklungen in der Region besser beobachten und kontrollieren und notwendige Umweltschutzmaßnahmen effektiver durchsetzen zu können. Mit der Entwicklung von Richtlinien für Umweltverträglichkeitsprüfungen und Umweltaudits im industriellen Sektor und ihrer gesetzlichen Verankerung wurde bereits begonnen. Die Regionalbehörde von Aqaba ARA erhält regelmäßig Berichte mit Daten zu Emissionen und Abwässern der in Aqaba ansässigen Industriebetriebe. Fortschritte wurden auch bei der Etablierung eines sieben Kilometer langen und 400 Meter breiten (100 m Strand und 300 m im Meer) Marinen Friedensparks („Marine Peace Park“) zum Schutz der Korallenriffe entlang der jordanischen Küste im Rahmen eines

741 Dr.

Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999; Khaled Irani, Interview am 31.10.1999.

742 Das

„capacity building“ der ARA wird von der GTZ finanziell und fachlich unterstützt. 288

umweltverträglichen Tourismus erzielt. Bisher wurde mit finanzieller Unterstützung von USAID und der EU der Plan für ein Besucherzentrum fertig gestellt, Barrieren errichtet, damit die Autos nicht zum Strand fahren, die Küstenwache ausgebildet und ausgerüstet sowie gesetzliche Statute entworfen, um der Küstenwache eine Handhabe zur Durchsetzung der Umweltschutzvorschriften zu geben. Andere im Rahmen des Projektes vorgesehene Maßnahmen zur Entwicklung von Richtlinien für ein nachhaltiges Management der Küstenzone, zur Kontrolle der Umweltverschmutzung durch Schiffe, zum Schutz regionaler Grundwasserressourcen und zur Wiederverwendung von Abwässern sowie zur Entwicklung einer zwischenstaatlichen Strategie eines verbesserten Abfallmanagements waren 1999 noch nicht in Angriff genommen worden.743

Probleme bei der Implementierung des Umweltaktionsplans ergeben sich durch Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen. Auf regionaler zwischenstaatlicher Ebene erwies sich angesichts der schwierigen politischen Lage in der Region die vertraglich festgehaltene Kooperation zwischen Israel und Jordanien im Bereich des Umweltschutzes de facto als schwer umsetzbar, obwohl internationale Geberorganisationen versuchten, die Kooperation zwischen den beiden Anrainerstaaten mit Hilfe finanzieller Unterstützung zu stärken. Die Idee einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Israel und Jordanien wurde bald aufgegeben, da die Israelis, die im Vergleich zu den Jordaniern im Bereich der wissenschaftlichen Forschung zu Umweltfragen weiter fortgeschritten sind, versuchten, gemeinsame Aktivitäten wie Workshops und Studien zu dominieren, während sich die Jordanier dagegen wehrten und teilweise versuchten, Verhandlungsprozesse zu blockieren, indem sie die Teilnahme an umweltpolitischen Verhandlungen verweigerten. So wurden letztlich anstatt der ursprünglich vorgesehenen Verbindung zwischen den Marinen Friedensparks in Jordanien und Israel nur voneinander getrennte Zonen etabliert. Auf nationaler Ebene haben Investoren und Vertreter von Industrieunternehmen im Laufe der Zeit gute Kenntnisse über die Umweltprobleme vor Ort erworben und haben sich die wichtigsten Umweltstichworte zu eigen gemacht, so dass sie bei Verhandlungen besser argumentieren und die Implementierung von Umweltschutzmaßnahmen verzögern oder sogar blockieren können. So wurde beispielsweise in allen drei Masterplänen für den Marinen Friedenspark auf jordanischer Seite keine Beschränkung des Hotelbaus in Erwägung gezogen.744 Dennoch scheinen die Konflikte mit

743 Vgl.

hierzu World Bank/Global Environmental Facility 1996: 5ff. Zu den Projektfortschritten gab in einem Gespräch am 20.11.1999 der damalige jordanische Projektmanager Bilal Bashir Auskunft. Siehe hierzu auch den Fortschrittsbericht zur Umsetzung des Gulf of Aqaba Environmental Action Plan für September 1997 bis März 1998 in Aqaba Region Authority/Environment Department 1998.

744 Sharif

Al-Saifi, Gespräch am 20.11.1999. 289

den Zielgruppen der Umweltpolitik wie Hoteliers und Industrieunternehmen weniger ausschlaggebend für Verzögerungen bei der Umsetzung des Umweltaktionsplans als projektimmanente Schwierigkeiten. Umsetzungsprobleme ergeben sich hauptsächlich aufgrund personeller Fragen. Bisher wirkte sich sowohl der häufige Personalwechsel auf der obersten Managementebene der ARA, wo zur Vorbeugung des Amtsmissbrauchs der Austausch von Generaldirektoren in regelmäßig kurzen Abständen erfolgt, als auch innerhalb des GEF-Projekts, mit dessen Leitung 1999 bereits der dritte Manager beauftragt war, nachteilig auf die Kontinuität der Projektimplementierung aus. Diese wird vor allem dadurch beeinträchtigt, dass jeder Manager seine eigenen Vorstellungen durchsetzen will und die vorherigen Pläne zur Umsetzung des Umweltaktionsplans verwirft, abgesehen von den Monaten, in denen das Projekt ganz ohne Manager war. Zudem sollte eigentlich das Personal des GEF-Projekts langfristig von der Umweltabteilung der ARA übernommen werden, wo es bisher noch an klaren Stellen- und Aufgabenbeschreibungen fehlt745, um dort fehlendes fachlich qualifiziertes Personal auszugleichen. Die Übernahme des Personals ist allerdings eher unwahrscheinlich, da die Weltbank ihrem Projektpersonal zu hohe Gehälter zahlt, als dass dieses sich mit dem geringen Gehalt, das die ARA zufolge administrativer Bestimmungen den Angestellten ihrer Umweltabteilung zahlen kann, zufrieden geben würden. Darüber hinaus besteht ein außerordentlicher Mangel an Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen dem Personal des GEF-Projekts und jenem der ARA, vor allem aufgrund persönlicher materieller Interessen. Insbesondere die Einbindung der Mitarbeiter der Umweltabteilung der Behörde im Zuge des von der Weltbank praktizierten partizipativen Ansatzes in die Projektarbeit erwies sich als schwierig. Die Projektmitarbeiter werden angesichts ihres deutlich höheren Verdienstes als Experten angesehen, von denen erwartet wird, dass sie alles wissen, während Fragen zu stellen als Unwissen gedeutet und als Schwäche ausgelegt wird. Informationen werden nur ungern weitergegeben, da ihre Verfügbarkeit als Machtfaktor begriffen wird. Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitern findet nur in begrenztem Maße statt, worunter wiederum die Zusammenarbeit leidet. Das Ziel des Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba, die umweltpolitischen Kapazitäten innerhalb der Aqaba Region Authority zu stärken und auf eine Systematisierung diesbezüglicher Verwaltungs- und Entscheidungsabläufe hinzuwirken, wurde bisher nicht erreicht. Stattdessen werden die meisten umweltpolitischen Entscheidungen weiterhin auf einer ad-hoc Basis getroffen und Umwelt745 Die

schriftliche Fixierung von Stellen- und Aufgabenbeschreibungen wird vermieden, da sonst Verantwortungsbereiche eindeutig zugewiesen werden könnten und so die Kontrolle der Angestellten möglich wäre. Bei Zuwiderhandlung oder Nichterfüllung der Aufgaben müssten dann entsprechende Konsequenzen gezogen werden. In der tribalistisch geprägten jordanischen Gesellschaft stehen aber immer noch Solidarität und Loyalität gegenüber dem Stamm und der Großfamilie an erster Stelle. Solche traditionellen Werte lassen sich schwer

290

schutzaktivitäten bleiben vom Engagement einzelner Personen und persönlicher Beziehungen abhängig.

Unterschiedliche Fortschritte und Erfolge in der Implementierung von Umweltschutzaktivitäten sind aber nicht nur im Rahmen der verschiedenen Umweltaktionspläne festzustellen, sondern auch hinsichtlich der einzelnen Umweltschutzbereiche. So ergab die Expertenbefragung, dass die größten Fortschritte bisher in den Bereichen Schutz der Biodiversität und der Wasserressourcen zu verzeichnen sind.746 Der erfolgreiche Schutz der Artenvielfalt wird in erster Linie auf die professionelle langjährige Erfahrung und die vielen Aktivitäten der RSCN und ihre starke Rolle zurückgeführt, die vor allem seit der UNCED viel ausländische Unterstützung erhielt. Zudem ist die GCEP im Bereich der Biodiversität als einziger staatlicher Akteur aktiv, im Gegensatz zum Wassersektor, wo durch die Einbindung vieler staatlicher Akteure Koordinationsprobleme entstehen und die Umsetzung von Umweltschutzaktivitäten sich schwieriger gestaltet. Probleme bei der Implementierung des Artenschutzes ergeben sich dadurch, dass der Artenschutz keine Priorität auf der nationalen Agenda hat und es weder Landnutzungsplanung noch ein Gesetz zum Schutz der Biodiversität in Jordanien gibt. Des Weiteren fehlt es an finanziellen und personellen Ressourcen zum Management von Naturschutzreservaten.

Im Gegensatz zum Schutz der Artenvielfalt wird in das Management der Wasserressourcen viel Geld investiert, da der Schwerpunkt der Geberorganisationen eindeutig in diesem Bereich liegt und darüber hinaus der Schutz und die effiziente Nutzung der Wasserressourcen nationale Priorität haben, nicht zuletzt weil die Regierung, Nichtregierungsorganisationen und die Öffentlichkeit auf die Lösung der Wasserprobleme drängen. Tatsächlich werden unterschiedliche Optionen747 zur Deckung des steigenden Wasserbedarfs im Land bereits getestet. Neben kurzfristigen Maßnahmen wie die Einsparung von Wasser durch die Erhöhung der Wassertarife, um den ProKopf-Verbrauch zu senken, und die Verringerung der hohen Wasserverluste durch undichte Leitungssysteme und ineffektive Bewässerungskanäle, gibt es mittelfristige Optionen, die die Wasserversorgung im Land für weitere 25 Jahre sicherstellen könnten. Während arabische Geberländer die teure und aufgrund ihrer Nicht-Erneuerbarkeit ökologisch bedenkliche Ausbeutung

mit einem System von Kontrolle und Bestrafung vereinbaren. Die Kontrolle der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen gestaltet sich aus dem gleichen Grund schwierig. 746 Jeweils

die Hälfte der zwölf befragten Experten war dieser Meinung. Hinsichtlich des Schutzes der Wasserressourcen gaben allerdings gleichzeitig vier Experten an, dass die bisherigen Maßnahmen weniger erfolgreich waren.

747 Zu

den im Folgenden aufgezeigten Optionen zur künftigen Deckung des Wasserbedarfs in Jordanien siehe Salameh/Bannayan 1993: 107-115; Kefaya 1992: 71-75 und Schiffler 1993: 74-77. 291

vorhandener fossiler Grundwasservorräte aus dem Disi-Aquifer zur Trinkwasserversorgung unterstützen, setzen westliche Geberorganisationen auf die effektivere Nutzung unkonventioneller Wasserressourcen. Insbesondere die Wiederverwendung von besser geklärtem Abwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft wird bereits in weiten Teilen Jordaniens betrieben. Als weitere Möglichkeiten Wasser einzusparen, werden zur Zeit erste Pilotprojekte zur Aufbereitung bzw. Entsalzung von Brackwasser, zur verstärkten Nutzung von Regenwasser durch Auffangbecken und zur verbesserten Konservierung von Flutwasser aus Wadis durchgeführt. In der Landwirtschaft wird die Ausweitung der Tröpfchenbewässerung und der Anbau von landwirtschaftlichen Produkten, die weniger Wasser benötigen favorisiert. Doch trotz dieser Bemühungen bleibt ein wichtiges Hindernis für die effiziente Wassernutzung die Tatsache, dass die jordanische Regierung das Wasser subventioniert und so den Wasserpreis künstlich niedrig hält.748 So können Landwirte im Jordantal, im südlichen Ghor und im Hochland sowie Industrielle, die ihre eigenen Grundwasserbrunnen besitzen, ungehindert Grundwasser entnehmen und die Nutzer fossiler Wasserressourcen bezahlen für die Bewässerung in Azraq, Dhuleil, Disi und anderen Gebieten nur die Kosten für das Pumpen und nicht für die Erschöpfung dieser nicht erneuerbaren Ressourcen.749 Nach Meinung einiger Experten fehlt es bisher im Wassersektor an mutigen politischen Entscheidungen und an finanziellen und personellen Ressourcen, um Umweltschutzmaßnahmen effektiver umsetzen zu können.

Erfolge in anderen Bereichen werden von den Experten kaum erwähnt. Lediglich vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass im industriellen Sektor einige Veränderungen zugunsten eines umweltverträglicheren Wirtschaftens durchgesetzt werden konnten. Große Erfolge gab es nach Meinung der Experten vor allem durch das Engagement und den Einsatz umweltpolitischer Nichtregierungsorganisationen bei der Umweltbewusstseinsbildung. Die jordanische Bevölkerung und insbesondere politische Entscheidungsträger hätten heute ein deutlich größeres Umweltbewusstsein als noch vor zehn Jahren.

4.3

Die Institutionalisierung und Implementierung der Umweltpolitik in Jordanien

Mit dem kontinuierlichen Wachstum der Wirtschaft während der 70er Jahre wurde die Industrialisierung und Urbanisierung des Landes rasch vorangetrieben. Der mit dieser Entwicklung verbundene steigende Wasser- und Energieverbrauch sowie wachsende Abfall- und Abwassermen748 Vgl.

Schiffler 1993: 76. Eine angemessene Bepreisung von Wasser fordern auch Salameh 1992: 115 und Kefaya 1992: 76.

749 Vgl.

Salameh/Bannayan 1993: 160 und 175. 292

gen erhöhte den Druck auf die natürliche Ressourcenbasis des Landes und wurde durch zunehmendes Bevölkerungswachstum angesichts einer hohen natürlichen Geburtenrate und der Immigration palästinensischer Flüchtlinge seit der Gründung des israelischen Staates 1948 sowie zahlreicher jordanischer und palästinensischer Rückkehrer aus den Golfstaaten in Folge der Golfkrise Anfang der 90er Jahre verstärkt. Im Vergleich zu anderen Umweltproblemen hat sich das Problem der Wasserknappheit während der letzten Jahrzehnte am deutlichsten verschärft und wird von nationalen und ausländischen Experten als das gravierendste Problem des Landes angesehen. Die zunehmende Konzentration der Bevölkerung in urbanen Ballungsräumen führte zur Überlastung öffentlicher Dienstleistungssysteme und verschärfte die Probleme in der Trinkwasserversorgung sowie in der Abfall- und Abwasserentsorgung. In urbanen Ballungszentren wie im Großraum Amman und Industriegebieten stieg die Luftverschmutzung an. Trotz des wirtschaftlichen Strukturwandels, bei dem der landwirtschaftliche Sektor gegenüber Industrieund Dienstleistungssektor immer mehr an Bedeutung verlor, führten der unverhältnismäßig hohe Wasserverbrauch und der verstärkte Einsatz von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft zu Wasser- und Bodenkontamination in ländlichen Gebieten. Die in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegene Umweltbelastung in Jordanien hat nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen. Insbesondere die Erschöpfung der Wasserressourcen und deren abnehmende Qualität haben zur Folge, dass der Trinkwasserbedarf der Bevölkerung, vor allem in den Sommermonaten, nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann. Zusammen mit unkontrollierter urbaner Expansion, die zum Verlust fruchtbarer und landwirtschaftlich nutzbarer Flächen führt, behindert der Wassermangel auch die effektive und effiziente Nutzung landwirtschaftlicher Flächen sowie die Tierzucht. Die Folge sind Ertragseinbußen in der Nahrungsmittelindustrie, die die Abhängigkeit des Landes von Nahrungsmittelimporten erhöht. Die Degradierung der natürlichen Lebensräume wie die Korallenriffe im Golf von Aqaba, aber auch des kulturellen Erbes der archäologisch bedeutenden Stätten wirkt sich negativ auf den Tourismus aus, bedeutender Wirtschaftszweig und wichtige Devisen-Einnahmequelle für Jordanien.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit ihren hohen Wachstumsraten bis Anfang der 80er Jahre und die dann 1982 mit dem Verfall des Ölpreises einsetzende Rezession in der gesamten Region des Mittleren Ostens, die sich in Jordanien während der 90er Jahre fortsetzte, sorgten für eine ungebrochene politische Priorität des wirtschaftlichen Wachstums im Land. Lange Zeit waren die externen Finanzmittel, die nach Jordanien flossen, relativ diversifiziert, da sie aus unterschiedlichen Quellen gespeist wurden. Doch dies änderte sich Anfang der 90er Jahre in Folge der Golfkriegs, als der Rückgang der Exporte vor allem in den Irak sowie der Entwicklungshilfe und der Migrantenüberweisungen aus den Golfstaaten die Abhängigkeit der jordani293

schen Wirtschaft von Entwicklungen in der Region und externen Finanzierungsquellen nur allzu deutlich machte. Jordanien ist seither angesichts der anhaltenden Rezession stärker denn je von externen Revenuen westlicher Geberorganisationen abhängig, die so mehr Druck ausüben konnten.

Mit der Zunahme der Umweltprobleme und dem weltweit gestiegenen Umweltbewusstsein wurde in Jordanien seit Anfang der 90er Jahre deutlich mehr Umweltforschung betrieben, bestehende Forschungsinstitute erweitert und neue spezifisch auf Umweltwissenschaften ausgerichtete Forschungsinstitute eingerichtet. Damit sind Umweltwissen und Verfügbarkeit von Informationen insbesondere über Umweltprobleme vor Ort in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich angestiegen. Moderne Kommunikationstechnologien wie das Internet, die verbesserte Kommunikation und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren und der erleichterte Zugang zu ökologischen Daten förderten den Informationsaustausch. Dennoch mangelt es weiterhin an verlässlichen Daten zur Umweltsituation in Jordanien sowie an Publikationen in arabischer Sprache. Der Zugang zu Berichten und Daten staatlicher Institutionen wird zeitweise immer noch verweigert und auch die Verfügbarkeit neuester internationaler Forschungsergebnisse ist nicht immer gegeben. Seit Ende der 80er Jahre wurde durch Ergänzung der Lehrpläne die Umwelterziehung an jordanischen Schulen und Universitäten eingeführt, wo zudem Umweltclubs gegründet und Umweltaktionstage durchgeführt werden. Der Einsatz ausländischer Geberorganisationen, internationaler und nationaler Nichtregierungsorganisationen, die Aufklärungsarbeit in den Medien und berühmter Persönlichkeiten wie König Hussein und Königin Noor sowie die Aufnahme der Umwelterziehung in die Lehrpläne jordanischer Schulen und Universitäten führte in den 90er Jahren zu einem Anstieg des Umweltbewusstseins in der jordanischen Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern.

Die für das politische System Jordaniens charakteristischen häufigen Regierungs- und Kabinettswechsel erschweren eine langfristig angelegte Politik, die für eine nachhaltige umweltpolitische Planung und effektiven Umweltschutz notwendig wäre. Zudem beschränken die weitreichenden Vollmachten des Königs und die mangelnde Institutionalisierung demokratischer Organe die Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Während der 80er Jahre gab es daher wenig Raum für aufkommende neue Interessengruppen, die Umweltschutzinteressen hätten artikulieren und umweltpolitische Maßnahmen hätten einfordern können. Dies änderte sich mit dem 1989 einsetzenden politischen Liberalisierungsprozess, der erstmals nach zwei Jahrzehnten freie Wahlen und 1992 wieder politische Parteien zuließ. Auch wenn der politische Liberalisierungsprozess und die Legalisierung 294

von Parteien das neopatrimoniale System mit seinem vorrangig personellen Charakter der Interessenvermittlung, dem auf individueller Ebene über informelle Interessenvertretungen leichter entsprochen werden kann, nicht nachhaltig verändern konnte, ließ er dennoch mehr Interessenvielfalt und die Etablierung neuer Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen zu. Seit Ende der 80er Jahre konnten so auch neue nichtstaatliche Umweltorganisationen ihre Forderung nach mehr Umweltschutz leichter artikulieren und auf die politische Agenda setzen. Ob Umweltschutzinteressen allerdings bis ins Entscheidungszentrum vordringen können, hängt nach wie vor in hohem Maße von den persönlichen Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern jener Akteure ab, die sich für den Umweltschutz im Land einsetzen.

Mit der Einrichtung der ersten Umweltabteilung, dem Department of Environment (DoE) im Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten im Jahre 1980, der die Verantwortung für die Formulierung und Implementierung der nationalen Umweltpolitik übertragen wurde, begann sich Umweltpolitik als neues Politikfeld in Jordanien zu etablieren. Doch bis Ende der 80er Jahre waren die wenigen staatlichen und nichtstaatlichen Träger von Umweltbelangen, die sich mit Umweltfragen beschäftigten, weder finanziell noch personell ausreichend ausgestattet. Damit blieben diejenigen Akteure, die sich für den Umweltschutz im Land einsetzten, in der Minderheit und konnten angesichts sehr begrenzter Ressourcen nur geringen Einfluss auf die Entwicklung der Umweltpolitik während der 80er Jahre nehmen. Erst im Vorfeld der internationalen Umweltkonferenz der Vereinten Nationen UNCED 1992 erhielt die Umweltpolitik in Jordanien einen deutlichen Aufschwung und Akteure, die sich für den Schutz der Umwelt im Land einsetzen, konnten sich in der umweltpolitischen Arena besser behaupten. Im Vergleich zum Department of Environment ist die mit dem Umweltrahmengesetz 1995 neu etablierte Umweltbehörde General Corporation of Environment Protection (GCEP), de jure nun finanziell und administrativ unabhängig und konnte mit Unterstützung bi- und multinationaler Geberorganisationen ihren Personalbestand, finanzielle und materielle Ausstattung deutlich erhöhen. Dennoch mangelt es auch der GCEP an qualifiziertem Personal, dessen Arbeitsleistung durch die fehlende Klarheit bei der Aufgabenaufteilung und bei der Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen zusätzlich behindert wird. Dies ist nicht zuletzt auf die kulturelle Eigenart des Wastahsystems mit seiner Solidarität innerhalb des erweiterten Familienverbands zurückzuführen, die eine angemessene Stellenbesetzung behindert, da Arbeitsplätze nach Clanzugehörigkeit und weniger nach Qualifikation und Eignung vergeben werden. Nicht nur im staatlichen Bereich, sondern auch im semi- und nichtstaatlichen Bereich wurden mit finanzieller und fachlicher Unterstützung ausländischer Geberorganisationen neue Träger von Umweltbelangen geschaffen, die im Laufe der 90er Jahre ihre umweltpolitischen Kapazitäten deutlich ausbauen konnten. Nicht nur die Anzahl 295

der nichtstaatlichen Umweltorganisationen, sondern auch deren Mitgliederzahlen sind deutlich angestiegen. Die beiden wichtigsten und mitgliederstärksten Umweltorganisationen, die RSCN und die JES, haben sogar landesweit lokale Zweigstellen etabliert und verfügen heute über eine solide finanzielle, materielle und personelle Ressourcenbasis sowie über gute professionelle Kompetenz. Im Vergleich zu anderen arabischen Staaten in der Region spielen in Jordanien die nichtstaatlichen Umweltorganisationen eine wichtige Rolle bei der Umweltbewusstseinsbildung und der Motivation der Bevölkerung sich an Umweltschutzaktivitäten zu beteiligen. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich im Forschungsbereich ab. Neue Institute, die sich mit ökologischen Fragen beschäftigen, wurden vor allem an privaten Universitäten gegründet. Während bestehende Institute verstärkt Umweltschutzaspekte in ihre Forschungsarbeit integrierten und einen Anstieg an Personal und Budgets verzeichnen konnten.750 Die staatliche Umweltbehörde GCEP, nichtstaatliche Umweltorganisationen und Umweltforschungsinstitute nehmen überwiegend Einfluss auf die öffentliche Meinung via Medien, Internet, Kampagnen und eigener Publikationen. Die meisten der Träger von Umweltbelangen haben Zugang zu politischen Entscheidungsträgern, wobei es schwieriger ist, bis zur Königsfamilie oder gar zum König vorzudringen. Die wenigsten stoßen auf Widerstand seitens Politikern oder Staatsbeamten, sondern erfahren Unterstützung bei ihren Aktivitäten zum Schutz der Umwelt.

Die Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den in Jordanien umweltpolitisch aktiven Akteuren hat in den beiden letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Insbesondere der Kontakt zu Geberorganisationen und zwischen nichtstaatlichen Umweltorganisationen intensivierte sich. Die Mehrzahl der jordanischen umweltpolitischen Akteure erhielten organisatorische, konzeptionelle und vor allem finanzielle Unterstützung von bi- und multinationalen Geberorganisationen, aber auch von der nationalen Regierung und einige Nichtregierungsorganisationen sogar von Industrieunternehmen. Zudem konnte die Konkurrenz im Kampf um begrenzte finanzielle Mittel durch die Spezialisierung der einzelnen nichtstaatlichen Organisationen auf unterschiedliche Umweltproblembereiche bzw. bestimmte Gebiete des Landes abgemildert und so Konflikten vorgebeugt werden. Wenn der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit dennoch von vielen Akteuren als nicht ausreichend bezeichnet wird, liegt dies in erster Linie an Zeit- und Personalmangel, an den fehlenden institutionalisierten Kanälen, die einen reibungslosen Informationsfluss garantieren könnten und nicht zuletzt an der Schwäche der GCEP, die 750

Mit Ausnahme des Water and Environment Research and Study Centers an der University of Jordan, der seine Kapazitäten aufgrund der Zunahme der im Umweltbereich aktiven Forschungseinrichtungen an staatlichen und privaten Universitäten in den 90er Jahren und der steigenden Konkurrenz um knappe finanzielle Ressourcen sowie mangelnder Kooperation, im Vergleich zu den 80er Jahren nicht im gewünschten Maße ausbauen konnte (Dr. Iyad Abumoghli, Interview am 14.11.1999). 296

angesichts ihrer schwachen Stellung gegenüber anderen Ministerien und ihrer Abhängigkeit vom Ministerium für städtische und ländliche Entwicklung und Umwelt ihrer Koordinationsfunktion nicht immer gerecht werden kann.

Mit der Integration von Umweltschutzaspekten in die jordanische Entwicklungsplanung wurde bereits während der 80er Jahre begonnen, indem sie in die Fünfjahrespläne zur ökonomischen und sozialen Entwicklung mit einbezogen wurden. Die meisten Forschungsinstitute, Nichtregierungsorganisationen und politischen Parteien berücksichtigen Umweltfragen aber erst seit Mitte der 90er Jahre. Allerdings fehlen oft die finanziellen und personellen Ressourcen, um ihre effektive Beachtung zu garantieren. Anfang der 90er Jahre wurde mit der Einrichtung von Umweltabteilungen in Ministerien und Behörden auf provinzieller und lokaler Ebene sowie in Interessenvertretungen der Industrie und großen Industrieunternehmen die Integration von Umweltschutzaspekten in andere Politikfelder vorangetrieben. Sie hatte eine Erhöhung finanzieller und personeller Ressourcen, die bei Umweltaktivitäten zum Einsatz kommen, und die Stärkung der umweltpolitischen Kompetenz dieser Akteure zur Folge. Die gestiegene Bedeutung des Umweltschutzes in anderen Sektoren ist in erster Linie auf den externen Druck ausländischer Geberorganisationen zurückzuführen, die im Vergleich zu den jordanischen Akteuren Umweltaspekte bereits seit Anfang bis Mitte der 80er Jahre in ihre Projekte vor Ort integriert hatten. Eine Interessenverschiebung ist vor allem im industriellen Sektor zu konstatieren, die zu einer umweltfreundlicheren Ausrichtung von Produktionsprozessen großer Industrieunternehmen geführt hat. Als Auslöser für das gestiegene Interesse an Umweltschutzfragen im industriellen Sektor werden neben den von ausländischen Geberorganisationen gebotenen finanziellen Anreizen751 vor allem zwei Gründe genannt. Zum einen wirkt die Sanktionsandrohung bis hin zur Schließung von Fabriken bei Nichterfüllung von Umweltschutzstandards durch die staatliche Umweltbehörde GCEP abschreckend. Zum anderen wird die Öffnung der jordanischen Wirtschaft für internationale Märkte mit dem Eintritt in internationale Handelsorganisationen und dem Abschluss bilateraler Freihandelsabkommen von einigen Unternehmern mit der Befürchtung verbunden,

751 Der

jordanische Staat gibt bisher als finanziellen Anreiz für Umweltschutzausrüstung in Form eines Steuernachlasses auf den Import von Umweltschutzausrüstungen. Im Rahmen eines Umweltprogrammes zur Unterstützung lokaler Industriebetriebe leistet die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufabau (KfW) seit 1996 in Zusammenarbeit mit der Industrial Development Bank mit der Vergabe von Darlehen zu günstigen Konditionen finanzielle Unterstützung und Beratung für kleine und mittelständische Unternehmen. Ziel ist es, durch die Modernisierung und technische Aufrüstung der Industrieanlagen die Energieeffizienz zu steigern und umweltschädliche Emissionen sowie Abfälle zu reduzieren. Damit die Risiken für Mensch und Umwelt verringert werden. 297

dass jordanische Exportprodukte den strikteren Umweltstandards von Handelspartnern nicht genügen könnten. Das gestiegene Interesse für den Umweltschutz auf betrieblicher Ebene ist zum Teil aber auch auf die Einsicht zurückzuführen, dass Unternehmen langfristig durch rationelleren und effizienteren Ressourceneinsatz und neue Technologien die Umwelt schonen und gleichzeitig wirtschaftlich davon profitieren können.

Gesetzliche Regelungen zum Schutz natürlicher Ressourcen gab es in Jordanien bereits seit den 50er Jahren. Allerdings waren sie als einzelne Artikel auf unterschiedliche Gesetze verteilt und sorgten im Wasserbereich durch zahlreiche Gesetze für eine regelrechte Überregulierung. Andere Bereiche wie das Abfallmanagement, die Kontrolle der Luftverschmutzung und der Landressourcen waren unterreguliert. Vereinzelt wurden seit den 70er Jahren Umweltschutzmaßnahmen im Rahmen von Entwicklungsprojekten durchgeführt. Das 1980 eingerichtete Department of Environment (DoE) im Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten konnte mangels finanzieller und personeller Ressourcen und angesichts des fehlenden gesetzlichen Mandats die Umsetzung von Umweltschutzaktivitäten während der 80er Jahre weder effektiv koordinieren noch kontrollieren. Erschwerend kam hinzu, dass das in Gesetzen festgelegte Strafmaß zur Sanktionierung von Umweltschädigung oft zu niedrig angesetzt war und nicht abschreckend genug wirkte. Lediglich durch persönliche Kontakte zwischen dem Direktor des Umweltdepartments und Fabrikbesitzern konnten in Einzelfällen Umweltschäden abgemildert oder behoben werden. Erst ein Jahrzehnt nach seiner Gründung konnte das Umweltdepartment mit dem ersten wichtigen umweltpolitischen Erfolg aufwarten. Mit der fachlichen und finanziellen Unterstützung ausländischer Organisationen wurde die Nationale Umweltstrategie NES in den Jahren zwischen 1989 und 1991 erstellt. In den Arbeitsgruppen, die in der Regel von Sektorministerien und Behörden dominiert wurden, blieben das DoE, die beiden einzigen nichtstaatlichen Umweltorganisationen (RSCN und JES) und Umweltforschungseinrichtungen als Träger von Umweltbelangen meist in der Unterzahl. Durch die sektorale Aufteilung arbeiteten relativ homogene Gruppen zu klar abgegrenzten Umweltbereichen. Konflikten wurde so vorgebeugt und jedes Ministerium konnte letztlich seine sektorale Strategie zum Umweltschutz erstellen und durchsetzen. Widerstand seitens Verursachern von Umweltproblemen, einige große Industrieunternehmen waren ebenfalls in einigen Arbeitsgruppen vertreten, gab es kaum. Wohl nicht zuletzt, weil die Umweltstrategie von Anfang an auf eine rein deskriptive Darstellung der Umweltprobleme und ihre Ursachen in Jordanien und nicht auf die Verabschiedung verbindlicher Umweltschutzmaßnahmen ausgerichtet war. Tatsächlich zeichnet sich die Strategie, abgesehen vom Artenschutz, wo der RSCN durch den Vorsitz in der Arbeitsgruppe starken Einfluss auf deren Ergebnisse nehmen konnte und so die Anzahl der einzurichtenden Naturreservate und anzusie298

delnden Tiere quantifiziert wurde, weitgehend durch rein qualitative Zielbestimmungen und allgemein gehaltene Empfehlungen für Umweltschutzaktivitäten aus. Dennoch ist die potenzielle Wirkungsbreite der Umweltstrategie relativ groß, da die Bekämpfung aller wichtigen Umweltprobleme aufgenommen wurde und mit der Teilnahme von 180 Experten aus dem staatlichen, semi- und nichtstaatlichen und sogar aus dem privaten Sektor alle wichtigen umweltpolitischen Akteursgruppen Jordaniens an der Entwicklung der Strategie beteiligt waren. Die potenzielle Wirkungstiefe hingegen kann nur als mittelmäßig bezeichnet werden, da der nachsorgende Umweltschutz nahezu ausschließlich mit Hilfe staatlicher Regulierung durchgesetzt werden soll. Auch wenn die Nationale Umweltstrategie mit ihrer Forderung nach einem integrierenden Umweltrahmengesetz und einer unabhängigen Umweltbehörde als ein erster wichtiger Schritt zur Institutionalisierung von Umweltpolitik in Jordanien angesehen wird. Letztlich blieb die Umweltstrategie mangels glaubwürdigem Implementierungsdesign, das für die Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen Prioritäten setzt, Kosten abschätzt und einen Zeitrahmen vorgibt, sowie angesichts begrenzter finanzieller Mittel und fehlender Fortschrittskontrollen in ihrer ökologischen Wirkung weitgehend ineffektiv.

Die Folge des Bedeutungsanstiegs der Umweltpolitik auf internationaler Ebene und der Institutionalisierung nationaler Umweltpolitik im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich in Jordanien war ein Aktivitätsschub, der seit Mitte der 90er Jahre zu einem erhöhten Output an umweltpolitischen Programmen und zur Implementierung von deutlich mehr Umweltschutzprojekten als noch in den 80er Jahren führte. Den ersten Höhepunkt fand diese Entwicklung in der nach jahrelangen Verhandlungen endgültigen Verabschiedung des Umweltrahmengesetzes im Jahr 1995. Zu Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess kam es aus unterschiedlichen Gründen. Die für das politische System in Jordanien typischen häufigen Regierungs- und Kabinettswechsel führten dazu, dass nahezu jede neue Regierung, der ein Gesetzesentwurf vorgelegt wurde, dessen Überarbeitung verlangte. Der wichtigste Grund für den langwierigen Prozess waren aber die Konflikte zwischen Ministerien, die den Verlust an Zuständigkeiten und Verantwortung im Umweltbereich an die in den Gesetzesentwürfen vorgesehene neue Umweltbehörde befürchteten. Insbesondere das Ministerium für städtische und ländliche Angelegenheiten und Umwelt wehrte sich gegen eine zu große Selbständigkeit der neuen Umweltbehörde. Erst 1995 waren das Department of Environment und nichtstaatliche Umweltorganisationen unterstützt von Geberorganisationen in der Lage, ihre Umweltschutzinteressen zugunsten eines umfassenden Umweltrahmengesetzes durchzusetzen. Das Gesetz verfügt potenziell zwar über eine große Wirkungsbreite, da im wesentlichen alle Umweltbereiche abgedeckt werden, die potenzielle Wirkungstiefe hingegen bleibt durch den einseitigen Einsatz sanktionsgebundener Ge- und Verbote im Rahmen 299

staatlicher Regulierung, die in erster Linie einem kurativen Umweltschutz dienen, auf mittlerem Niveau. Auch wenn das Gesetz mit dem Auftrag, neue umweltpolitische Institutionen zu schaffen, nach politischen Strukturveränderungen verlangt und mit der Forderung nach Prüfung von Wirtschaftsaktivitäten auf ihre Umweltverträglichkeit auch präventive Elemente enthält. Das Umweltrahmengesetz gab der neuen nationalen Umweltbehörde GCEP ihr gesetzliches Mandat, die so bei der Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen nicht mehr nur auf persönliche Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern oder Fabrikbesitzern angewiesen ist. Im gleichen Jahr seiner Verabschiedung wurde der Nationale Umweltschutzrat CEP als höchstes umweltpolitisches Organ des Landes eingerichtet. In ihm sind die wichtigsten im Umweltbereich aktiven staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Umweltorganisationen Jordaniens vertreten. Da die klare Mehrheit aber Vertreter aus Ministerien und Behörden stellen, deren vorrangiges Ziel nicht der Umweltschutz ist, setzen sich die Kompetenzkonflikte zwischen den staatlichen Akteuren, aber auch zwischen Ministerien und nichtstaatlichen Umweltorganisationen fort.

Neben dem Umweltrahmengesetz und den dazugehörigen Statuten wurden auch zwei wichtige Umweltprogramme auf nationaler und regionaler Ebene Anfang der 90er Jahre verabschiedet. An der Vorbereitung und Formulierung des Nationalen Umweltaktionsplans (NEAP) waren deutlich weniger Akteure beteiligt als an der Entwicklung der Nationalen Umweltstrategie NES. In kleinen Beraterteams mit starker Beteiligung von Vertretern unterschiedlicher fachlicher Ausrichtung aus Ministerien und staatlichen Behörden, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen, aber auch aus dem privaten Sektor wurde über Umweltschutzstrategien in unterschiedlichen Umweltbereichen diskutiert. Anders als bei der Nationalen Umweltstrategie NES sollten im Nationalen Umweltaktionsplan NEAP Prioritäten und konkrete Ziele bezüglich Umweltschutzaktivitäten festgelegt werden. Damit stiegen Konfliktpotenzial und Auseinandersetzungen hinsichtlich technischer und politischer Fragen vor allem im Bereich des Wassermanagements an. Mit der Unterstützung ausländischer Geberorganisationen, die den NEAP als Grundlage für ihre Projekte einforderten, konnten die Träger von Umweltbelangen ihre Umweltschutzinteressen weitgehend durchsetzen. Der NEAP, der im Jahr 1995 erstellt wurde, geht daher über die bloße Beschreibung von Umweltproblemen in Jordanien und die vage Forderung nach entsprechenden Gegenmaßnahmen hinaus. Neben der Einführung neuer umweltpolitischer Instrumente, die mit ökonomischen Anreizen arbeiten, werden die Stärkung umweltpolitischer Kapazitäten und eine klarere Abgrenzung institutioneller Verantwortlichkeit verlangt. Nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf regionaler Ebene sollte mit dem von der Weltbank finanzierten jordanischen Part eines Umweltaktionsplans für den Golf von Aqaba (GEAEP) ein weiterer Schritt zur Erreichung der in der Nationalen Umweltstrategie festgeschriebenen Ziele im Bereich Küsten- und 300

Meeresschutz unternommen werden. Auf regionaler Ebene dominierten ebenfalls staatliche Akteure, aber auch industrielle und kommerzielle Unternehmen und ihre Interessenvertretungen vor Ort wurden in die Entwicklung des regionalen Umweltaktionsplans mit einbezogen. Dies sorgte für Konfliktstoff, da Unternehmen und Interessenvertretungen versuchten, die Fertigstellung des Umweltaktionsplans zu verzögern, sich aber letztlich dem Druck der Weltbank beugen mussten. So konnten die Träger von Umweltbelangen abermals mit Hilfe externer Unterstützung ihre Umweltschutzinteressen auch auf Provinzebene durchsetzen. Dies zeigen die relativ präzisen Ergebnisse des GAEAP, die konkrete Aktivitäten im legislativen und institutionellen Bereich sowie zur Bekämpfung und Vorbeugung von Umweltproblemen im Küsten- und Meeresbereich in der Region Aqaba vorsehen. Im Vergleich zur vorher formulierten Nationalen Umweltstrategie NES enthielten die Mitte der 90er Jahre erstellten Umweltaktionspläne NEAP und GAEAP konkretere Ziele und Zeitrahmen sowie eindeutige Prioritätensetzung und machten somit auch die Umsetzung von Umweltschutzaktivitäten wahrscheinlicher. Am präzisesten wurden Ziele, Prioritäten und Aktivitäten im Bereich Wassermanagement und Naturschutz formuliert, wo sogar quantitative Zielvorgaben gegeben und konkrete Projekte inklusive Kostenabschätzungen vorgeschlagen wurden. Da alle wichtigen Umweltbereiche auf nationaler und sub-nationaler Ebene abgedeckt werden, ist die potenzielle Wirkungsbreite der beiden Pläne groß. Auch die potenzielle Wirkungstiefe ist größer als bei der NES, da der Aktionsplan mit kurativen und präventiven Elementen zumindest ansatzweise auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturveränderungen abzielt.

Die Implementierung der beiden Umweltaktionspläne gestaltet sich je nach Programm und je nach Sektor unterschiedlich. Während die Umsetzung der Ziele des Umweltaktionsplans NEAP auf nationaler Ebene langsam voran geht, wurden bei der Umsetzung des Golf von Aqaba Umweltaktionsplans GAEAP auf Provinzebene bisher bessere Resultate erzielt. Dass die Implementierung des NEAP nicht im gewünschten Maße voranschreitet, liegt vor allem daran, dass er weder als offizielles Dokument von der Regierung verabschiedet wurde noch ausreichend verbreitet ist. Darüber hinaus mangelt es auch an Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren, vor allem zwischen den einzelnen Ministerien, aber auch zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Durch die schwache Position der GCEP gegenüber anderen Ministerien, ihren begrenzten finanziellen Mitteln und dem Mangel an qualifiziertem Personal wird eine zügige Implementierung des Umweltaktionsplans ebenfalls behindert. Da regelmäßige Fortschrittskontrollen weder vorgesehen sind noch durchgeführt werden, wird die Überwachung der Umsetzung der im Plan vorgesehenen Maßnahmen erschwert. Die Implementierung des Golf von Aqaba Umweltaktionsplans GEAEP hingegen verläuft erfolgreicher. Dies liegt in ers301

ter Linie in der Beschränkung auf eine bestimmte Region des Landes und der begrenzten Zahl staatlicher und anderer Akteure, die an der Formulierung und Umsetzung des Umweltaktionsplans beteiligt sind. Konflikte hinsichtlich Zuständigkeiten können so weitgehend vermieden werden. Dennoch kommt es auch bei der Umsetzung dieses Plans zu Verzögerungen. Auf regionaler Ebene wiegen die Konflikte mit Zielgruppen umweltpolitischer Maßnahmen wie Industrieunternehmen und Hoteliers weniger schwer als projektimmanente Probleme. Unterschiedlich gestaltet sich auch die Umsetzung von Umweltschutzprojekten in den verschiedenen Umweltbereichen.

In erster Linie konzentrieren sich umweltpolitische Aktivitäten in Jordanien auf den Schutz der Wasserressourcen und deren nachhaltige Nutzung. In diesem Bereich wird zwar viel Geld investiert, da die Förderung eines nachhaltigen Wassermanagements bei Geberorganisationen, der jordanischen Regierung und der unter Wasserknappheit leidenden Bevölkerung Priorität hat. Dennoch ist bisher ein durchschlagender Erfolg mangels Koordination und Kooperation zwischen der Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, die in diesem Bereich aktiv sind, sowie Konflikten zwischen Nutzergruppen bisher ausgeblieben. Danach folgen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt in urbanen und ländlichen Gebieten sowie im industriellen Bereich durch verbessertes Abfall- und Abwassermanagement, Bekämpfung der Luftverschmutzung sowie Projekte, die Landdegradierung und Bodenkontamination verhindern sollen. Die weitreichendsten Erfolge wurden bisher beim Artenschutz und beim Erhalt des kulturellen und natürlichen Erbes erzielt. Diese sind in erster Linie sicherlich auf die langjährige Erfahrung und Professionalität der königlichen Umweltorganisation RSCN zurückzuführen, aber auch darauf, dass die Umweltbehörde GCEP der einzige staatliche Akteur in diesem Bereich ist und so Konflikte über Zuständigkeiten innerhalb des politisch-administrativen Systems vermieden werden. Mit der steigenden Anzahl an Umweltschutzprojekten sind auch die Ausgaben für Umweltschutzaktivitäten in Jordanien in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich angestiegen. Das in Institutionen, Organisationen und Unternehmen hierfür bereitgestellte Budget für Aktivitäten im Umweltbereich wurde erhöht. Nur wenige Ministerien, Behörden, Interessenvertretungen und Unternehmen, die im Umweltbereich aktiv sind, verfügten Ende der 90er Jahre über kein spezielles Budget für Umweltschutzmaßnahmen. Bei der Mehrzahl der jordanischen Akteure lag der Anteil der Ausgaben für den Umweltschutz verglichen zum Gesamtbudget allerdings unter zehn Prozent, während der Anteil der Ausgaben für Umwelt- und Wasserprojekte bei bi- und multinationalen Geberorganisationen zwischen dreißig und achtzig Prozent lag.

302

5.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Wahrnehmung der Umweltbelastung als grenzüberschreitendes Problem und später als globales Problem, rief umweltpolitischen Handlungsbedarf auf internationaler Ebene hervor, der zuerst von westlichen entwickelten Ländern eingefordert wurde. Die Erkenntnis, dass potenziell jedes lokale Umweltproblem sich langfristig grenzüberschreitend oder gar global auswirken kann, ließ die Industrieländer darauf bestehen, Entwicklungsländer in umweltpolitische Verhandlungen auf internationaler Ebene mit einzubeziehen. Diese aber waren vorerst an solchen Verhandlungen nicht interessiert, da sie die steigende Umweltbelastung als ein Problem der Industrieländer ansahen. Erst durch die Verknüpfung des Umweltthemas mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen kam es zu einer Annäherung beider Ländergruppen und internationale Verhandlungen konnten aufgenommen werden. Trotz bestehender Interessendifferenzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern konnten sich die Vertreter der Staaten während der beiden Umweltkonferenzen der Vereinten Nationen von 1972 in Stockholm und 1992 in Rio de Janeiro auf die Verabschiedung von weltweiten umweltpolitischen Deklarationen und Aktionsplänen einigen. Auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung UNCED kam es 1992 sogar zur Unterzeichnung verbindlicher Konventionen zum weltweiten Klima- und Artenschutz. In der Folgezeit wurden weitere internationale Vereinbarungen in unterschiedlichen Bereichen zum Schutz der Umwelt und nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen getroffen. Solche Umweltabkommen werden zwar auf internationaler Ebene beschlossen, ihre Umsetzung jedoch muss auf Länderebene erfolgen. In der Regel sehen sie daher die finanzielle, technologische und fachliche Unterstützung der Entwicklungsländer vor, um auch in diesen Ländern gezieltes umweltpolitisches Handeln zu ermöglichen.

Die zentrale Fragestellung lautete daher, unter welchen Voraussetzungen sich Umweltpolitik als Politikfeld in Entwicklungsländern institutionalisiert und umweltpolitische Gesetze und Programme mit möglichst konkreten Zielvorgaben verabschiedet werden, damit die Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen wahrscheinlicher wird. Im Kern der Untersuchung ging es darum, herauszufinden, welche Faktoren einen Strukturwandel umweltpolitischer Interessenvermittlung herbeiführen, der die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen als Folge verstärkter Einflussnahme auf umweltpolitische Entscheidungsprozesse jener Akteure, die sich für mehr Umweltschutz einsetzen, erhöht. Zur Klärung dieser Fragen wurde zuerst einmal der theoretische Rahmen abgesteckt. Als Analyseraster bot sich die Politikfeldanalyse an, da sie die Politikdimensionen, die die inhaltlichen Aspekte von Politik als zielorientiertes Handeln (policy), den ungesteuerten soziopolitischen Prozess der politischen Willensbildung (politics) und die struktu303

rellen Aspekte in Form von politisch-institutionellen Rahmenbedingungen (polity) miteinander verbindet. Das Fehlen einer einheitlichen Theorie in der Politikfeldanalyse ließ eine Verbindung mit Ansätzen aus der traditionellen Politikwissenschaft sinnvoll erscheinen. Der politischinstitutionelle Ansatz wurde gewählt, weil er sowohl im Hinblick auf Restriktionen und Ressourcen, die in der sozioökonomischen Theorie hervorgehoben werden, als auch bezüglich kollektiver Akteure, die bei Ansätzen gesellschaftlicher Interessen und Machtverteilung eine entscheidende Rolle spielen, gut ausbaufähig ist. Er geht davon aus, dass Politikergebnisse auf die strategische Interaktion zwischen den am politischen Prozess beteiligten Akteuren, deren interessengeleitetes Handeln durch institutionelle Arrangements determiniert wird, zurückzuführen sind. Institutionen determinieren wer, wann, welche Interessen durchsetzt und bilden gleichzeitig die Struktur gesellschaftlicher Interessenvermittlung. Veränderungen in dieser Struktur können zum einen die Folge von Strukturveränderungen der Interessenlagen, zum Beispiel ausgelöst durch die perzipierte globale Umweltkrise sein. Zum anderen können vor dem Hintergrund veränderter politisch-institutioneller Systemstrukturen, durch Demokratisierung neue Kanäle zur Artikulation von Umweltschutzinteressen geöffnet werden und so entsprechenden Interessengruppen mehr Handlungschancen für die Einflussnahme auf politische Prozesse geben. Damit diese Handlungschancen auch genutzt werden, müssen aber gleichzeitig latent vorhandene Ressourcen sowohl intraorganisatorisch als auch interorganisatorisch durch die Aktivierung und den Ausbau des Kooperationspotenzials zwischen umweltpolitischen Akteuren mobilisiert werden. Strukturveränderungen in der gesellschaftlichen Interessenvermittlung können in der Weiterentwicklung neokorporatistischer Aushandlungssysteme zu so genannten Policy-Netzwerken führen. Sie formieren sich in einem bestimmten Politikfeld und beziehen neben dem Staat und Interessenverbänden auch weitere Akteure, vor allem nichtstaatliche Organisationen, in den Austausch von Informationen und Ressourcen mit ein, um kollektive Entscheidungen zu treffen.

In der Politikwissenschaft wird die Entstehung von Umweltpolitik auf die Wahrnehmung des ökologischen Problemdrucks und die Schaffung umweltpolitischer Handlungskapazitäten als Voraussetzung zur Problembewältigung zurückgeführt. Wird Umweltpolitik als zielorientiertes Handeln des Staates unter Mitwirkung gesellschaftlicher Akteure zur wirksamen Bekämpfung von Umweltproblemen begriffen, kann man zwischen unterschiedlichen umweltpolitischen Handlungstypen, die sich hinsichtlich Zielbestimmung, Mitteleinsatz in Form umweltpolitischer Instrumente, an Entscheidungsprozessen beteiligten Akteuren und letztlich auch in ihrer Wirkung unterscheiden. Allerdings vollzieht sich zielorientiertes umweltpolitisches Handeln stets in einem Spannungsfeld unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen, das die schnelle und wirksame Umsetzung festgelegter umweltpolitischer Ziele erschwert. Umweltpolitik wird daher auch 304

als soziopolitischer Prozess begriffen, bei dem sich das interessengeleitete Handeln unterschiedlicher Akteure unter bestimmten sozioökonomischen, informationell-kognitiven und politischinstitutionellen Handlungsbedingungen vollzieht. Interessenkonflikte ergeben sich aus unterschiedlicher Problemwahrnehmung der Umweltbelastung, dem daraus subjektiv abgeleiteten umweltpolitischen Handlungsbedarf und der sich angesichts Internalisierungskosten ergebenden Verteilungskonflikten zwischen den Akteuren. Vereinfacht lassen sich derartige Interessenkonstellationen in einem umweltpolitischen Interessendreieck darstellen, das sich aus den drei grundlegenden Interessentypen, Betroffenen-, Verursacher- und Helferinteressen, zusammensetzt. Je nach dem wie betroffen Akteure von der Umweltbelastung sind oder in welchem Maße sie sie verursacht haben, überwiegen bei ihnen Betroffenen- oder Verursacherinteressen. Können Akteure Profit aus Beobachtung, Messung oder Beseitigung des Umweltproblems ziehen, stehen die so genannten Helferinteressen im Vordergrund. Die sich aus spezifischen Akteurskonfigurationen ergebenden situativen Interessenkonstellationen sind veränderlich. Den Wandel solcher Interessenkonstellationen beschreibt das Modell der umweltpolitischen Interessenspirale, das die Bildung und den Zerfall des Interessendreiecks wiedergibt und das Zustandekommen zielorientierter Umweltpolitik erklären will. Danach ist gezieltes umweltpolitisches Handeln eine Folge des Erstarkens der Helferinteressen, das wiederum auf die Herausbildung umweltpolitischer Handlungskapazitäten zurückzuführen ist. In Verbindung mit Betroffeneninteressen können Helferinteressen Verursacherinteressen relativieren und die Lösung des Umweltproblems vorantreiben.

In Folge der Wahrnehmung der globalen Umweltproblematik und in Anlehnung an Erfahrungen in westlichen Industrieländern mit umweltpolitischen Ansätzen und Instrumenten integrierten westliche Geberländer und internationale Organisationen seit den 80er Jahren im Rahmen neuer Entwicklungskonzepte zur „Öko-Entwicklung“ und später zur nachhaltigen Entwicklung unter Anwendung einer Strategie der ökologischen Modernisierung Umweltaspekte in ihre Entwicklungszusammenarbeit vor Ort. Doch Institutionalisierung und Umsetzung von Umweltpolitik im Sinne gezielten umweltpolitischen Handelns erweist sich in Entwicklungsländern als schwierig. Auch wenn die Entwicklungsländer keine homogene Gruppe darstellen, weisen sie in vielen Fällen große Ähnlichkeiten hinsichtlich umweltpolitisch relevanter Rahmenbedingungen auf, die sich in der Regel eher ungünstig auf umweltpolitisches Handeln auswirken. Auf sozioökonomischer und technologischer Ebene können in diesen Ländern aufgrund schwacher Wirtschaftsleistung und des fehlenden Strukturwandels weder finanzielle Ressourcen für den Umweltschutz freigesetzt noch die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch vorangetrieben werden. Der Mangel an zuverlässigen Daten zur Umweltsituation vor Ort und das fehlende 305

Wissen über komplexe ökologische Zusammenhänge bedingt im Vergleich zu vielen entwickelten Staaten die meist schwächere Ausprägung des Umweltbewusstseins, erschwert die Problemidentifikation und die Festlegung wissenschaftlich fundierter verbindlicher Umweltschutzziele bei der umweltpolitischen Programmformulierung. In kultureller Hinsicht hat sich Umweltqualität in den Entwicklungsländern noch nicht als postmaterialistischer Wert durchsetzen können und wird in ihrer Wohlfahrtsfunktion wesentlich niedriger eingestuft als wirtschaftliches Wachstum, das weiterhin entwicklungspolitische Priorität hat. Zudem sind staatliches Steuerungsvermögen und besonders das Durchsetzungsvermögen der meist noch jungen Umweltbehörden in vielen Entwicklungsländern oft stark eingeschränkt. Auch die umweltpolitische Gesetzgebung ist in diesen Ländern nicht nur inhaltlich defizitär, sondern mangels gut funktionierender Kontroll- und Überwachungsmechanismen vor allem in ihrer Umsetzung ineffektiv.

Nicht nur die umweltpolitischen Handlungsbedingungen in Form von sozioökonomischen, informationell-kognitiven und politisch-institutionellen Rahmenbedingungen, sondern auch die umweltpolitischen Akteurskonfigurationen und Interessenkonstellationen weisen in vielen Entwicklungsländern Ähnlichkeiten auf. Sie unterscheiden sich von jenen in den entwickelten Ländern insbesondere durch die Rolle der externen Akteure, die auf die jeweilige nationale Umweltpolitik zumindest indirekt Einfluss nehmen. Neben internationalen Umweltorganisationen sind dies vor allem bi- und multilaterale Geberorganisationen. Die hinter diesen Organisationen stehenden Geberländer haben in der Regel nicht nur Verursacherinteressen - nicht wenige Entwicklungsprojekte wirken umweltschädigend -, sondern aufgrund potenzieller globaler Folgen lokaler Umweltprobleme auch Betroffeneninteressen. Darüber hinaus haben Geberländer aber auch Helferinteressen, da sie technisches und fachliches „know how“ zur Vorbeugung und Beseitigung von Umweltbelastungen in Entwicklungsländer vermitteln und transferieren wollen. Die typischen Verursacher von Umweltbelastungen in Entwicklungsländern sind in der Regel Eigentümer von Industrieanlagen oder Landwirte, die durch ihre industriellen Aktivitäten oder durch unangepasste Landnutzung die Umwelt und die natürliche Ressourcenbasis schädigen. Besonders betroffen von Umweltproblemen sind aufgrund ihrer größeren Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen oft ärmere Bevölkerungsschichten und indigene Völker, die sich vielerorts zwar zu lokalen Initiativen zusammengeschlossen haben, aber selten die notwendigen Ressourcen zur Artikulierung ihrer Interessen mobilisieren können. In vielen Entwicklungsländern sind es daher eher Angehörige der städtischen Mittelschicht, die umweltpolitisch aktiv werden und sich zu Protestbewegungen zusammenschließen, um politischen Druck zugunsten von mehr Umweltschutz auszuüben und entsprechendes Handeln vom Staat einfordern. So sind auch in Entwicklungsländern immer mehr nichtstaatliche Umweltorganisationen entstanden, die sich im 306

Laufe der Zeit zu Dienstleistungseinrichtungen entwickeln, die von ihrem Kampf gegen Umweltprobleme auch finanziell profitieren und daher Helferinteressen ausbilden. Im staatlichen Bereich werden mit der Einrichtung von Umweltbehörden und Umweltministerien weitere Träger von Umweltbelangen mit starken Helferinteressen geschaffen. In vielen Entwicklungsländern blieben allerdings bisher sowohl der Einfluss nichtstaatlicher Umweltorganisationen auf politische Entscheidungen als auch die Funktionsfähigkeit von Umweltbehörden beschränkt. Die Gründe hierfür liegen in begrenzten umweltpolitischen Handlungskapazitäten in Form finanzieller, personeller und materieller Ressourcen der nationalen Träger von Umweltbelangen sowie im Mangel an Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen umweltpolitischen Akteuren innerhalb und außerhalb des politisch-administrativen Systems.

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen wurden Hypothesen zur Erklärung gezielten umweltpolitischen Handelns in Entwicklungsländern aufgestellt. Die Grundannahme basiert auf der Erkenntnis, dass Umweltpolitik als neues Politikfeld in Entwicklungsländern erst dann institutionalisiert und implementiert werden kann, wenn sich die Strukturen umweltpolitischer Interessenvermittlung auf internationaler und nationaler Ebene derart ändern, dass Umweltschutzinteressen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen durchgesetzt werden können. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Institutionalisierung und Ausmaß der Umweltpolitik in Entwicklungsländern entscheidend von der Problemwahrnehmung, umweltpolitischen Handlungskapazitäten und Ressourcenmobilisierung in entwicklungspolitisch aktiven Industrieländern abhängt. Die Einseitigkeit der (wirtschaftlichen) Außenabhängigkeit des Entwicklungslandes von Geberländern, die für mehr Umweltschutz vor Ort eintreten, wird zum wichtigen Anreiz für nationale Akteure ebenfalls umweltpolitisch aktiv zu werden, da diese sich davon finanzielle Unterstützung erhoffen. Gleichzeitig muss das politische System des Entwicklungslandes die Möglichkeit zur politischen Partizipation geben, damit nationale Akteure Umweltschutzinteressen artikulieren und auf die politische Agenda setzen können. Sobald diese Voraussetzungen erfüllt sind und nationale Akteure für den Umweltschutz im Land aktiv werden, sind sie bestrebt, ihre umweltpolitischen Kapazitäten und Kompetenzen auszubauen. Dies geschieht sowohl bei den staatlichen, semi- und nichtstaatlichen Trägern von Umweltbelangen, deren vorrangiges Ziel der Umweltschutz ist, als auch durch die Integration von Umweltaspekten in die Arbeit anderer politischer Ressorts und der Zielgruppen von Umweltpolitik. Letztere können dann eher in umweltpolitische Netzwerke eingebunden werden, so dass anstelle umweltpolitischer Lethargie Aushandlungsprozesse treten. Durch verbesserte Kooperation zwischen den Trägern von Umweltbelangen steigt die ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit. Sobald andere politische Ressorts weniger den Verlust von Zuständigkeiten und Kompetenzbereichen 307

befürchten und Zielgruppen von Umweltpolitik die Angst vor hohen Umweltschutzkosten genommen wird, lässt ihr Widerstand gegenüber Umweltpolitik nach. Dies führt dazu, dass umweltpolitische Entscheidungsprozesse weniger blockiert werden und gemeinsames Problemlösen möglich wird. Gewinnen die Träger von Umweltbelangen in diesen Entscheidungsprozessen an Einfluss, können sie eher ihre Umweltschutzinteressen durchsetzen und Ziele und Zeitrahmen für umweltpolitische Maßnahmen werden konkreter formuliert. Damit wird letztlich auch die Umsetzung von umweltpolitischen Maßnahmen im Entwicklungsland wahrscheinlicher.

Diese Ausgangshypothesen wurden anhand einer Fallstudie, die zum einen den Vorteil einer ganzheitlichen Betrachtung des Forschungsgegenstands bot und zum anderen durch die Kombination von Dokumentenanalyse und Befragung zur maximalen Datenausbeutung führte, überprüft. Sie konnten am Fall des Entwicklungslandes Jordanien weitgehend bestätigt werden. Der Policy-Wandel in der nationalen Umweltpolitik Jordaniens wurde durch einen Strukturwandel in der umweltpolitischen Interessenvermittlung ausgelöst. Dieser Strukturwandel wurde in erster Linie durch externe Ereignisse, Internationalisierung der Umweltpolitik, Ausbau umweltpolitischer Kapazitäten in westlichen Industrieländern und den Export von Umweltwissen, Umweltschutztechnologien und Umweltpolitik in Entwicklungsländer angestoßen und durch günstige interne Entwicklungen der umweltrelevanten Rahmenbedingungen und Ausbau institutioneller Kapazitäten im Umweltbereich im Land selbst verstärkt. Der durch die Umweltprobleme vor Ort ausgelöste Problemdruck im Entwicklungsland selbst erschien für umweltpolitisches Handeln auf nationaler Ebene weniger wichtig als die Außenabhängigkeit von Geberländern, die sich für Umweltschutz in Jordanien einsetzten.

Der mit der raschen Industrialisierung und Urbanisierung während der 70er und 80er Jahre verbundene steigende Wasser- und Energieverbrauch sowie wachsende Abfall- und Abwassermengen erhöhte den Druck auf die natürliche Ressourcenbasis des Landes und wurde durch starkes Bevölkerungswachstum noch verschärft. Die in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegene Umweltbelastung in Jordanien hat nicht nur ökologische Folgen, sondern auch Konsequenzen für Wirtschaft und Bevölkerung. Vor allem angesichts der fortschreitenden Erschöpfung und Verschmutzung der ohnehin knappen Wasserressourcen im Land können der Trinkwasserbedarf der Bevölkerung, insbesondere in den Sommermonaten, nicht mehr ausreichend gedeckt und landwirtschaftliche Flächen nicht mehr effizient zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Neue Erkenntnisse über derartige Problemzusammenhänge rückten Umweltprobleme während der 80er Jahre langsam ins Bewusstsein der Bevölkerung und nationaler Entscheidungsträger. Folglich erzeugten Umweltprobleme vor Ort immer mehr Betroffeneninteressen, die allerdings 308

trotz der Schaffung von staatlichen und nichtstaatlichen Trägern von Umweltbelangen im Laufe der 80er Jahre mangels politischer Partizipationsmöglichkeiten nur bedingt artikuliert werden konnten. Einige bi- und multinationale Geberorganisationen berücksichtigten bereits seit Anfang der 80er Jahre Umweltaspekte in ihrer Projektarbeit in Jordanien und unterstützten den Ausbau umweltpolitischer Handlungskapazitäten, so dass sich auch Helferinteressen langsam auszubilden begannen. Dennoch wirkten sich die umweltpolitischen Akteurskonfigurationen und Interessenkonstellationen in Jordanien bis Ende der 80er Jahre eher hemmend auf die Durchsetzung von Umweltschutzinteressen aus, da angesichts wirtschaftspolitischer Priorität Verursacherinteressen vorherrschten. Die Zahl der jordanischen Akteure, die sich für den Umweltschutz vor Ort einsetzten, und ihre umweltpolitischen Kapazitäten in Form finanzieller, materieller und personeller Ressourcen waren während der 80er Jahre sehr begrenzt. Die wenigen nichtstaatlichen Umweltorganisationen blieben auf ihre Rolle, zur Umweltbewusstseinsbildung beizutragen, beschränkt und von umweltpolitischen Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen. Während die Ministerien und Behörden jener Sektoren, die vorrangig für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung eintraten und daher hauptsächlich Verursacherinteressen hatten, vorerst die Hauptverantwortung in den jeweiligen Umweltbereichen behielten und umweltpolitische Entscheidungsprozesse dominierten, ohne Umweltaspekte systematisch in ihre Arbeit zu integrieren. Ebenso berücksichtigten bis Ende der 80er Jahre die wenigsten Zielgruppen von Umweltpolitik und ihre Interessenvertretungen Umweltfragen in Produktionsprozessen und Aktivitäten.

Diese in Bezug auf Umweltfragen schwach ausgeprägte organisatorische Kapazität und die angesichts mangelnder Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den wenigen Trägern von Umweltbelangen geringe ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit sorgte bis Anfang der 90er Jahre für eine schwache institutionelle Kapazität im Umweltbereich in Jordanien. So blieb der Einfluss der Träger von Umweltbelangen in umweltpolitischen Entscheidungsprozessen gering. Die Verhandlungen über ein umfassendes Umweltrahmengesetz, das einen weiteren wichtigen Schritt zur Institutionalisierung einer nationalen Umweltpolitik bedeutet hätte, gingen während der 80er Jahre sehr schleppend voran. Ministerien anderer politischer Ressorts und Zielgruppen von Umweltpolitik blockierten erfolgreich diesbezügliche Entscheidungsprozesse, so dass staatliche und nichtstaatliche Träger von Umweltbelangen mit ihrer Forderung nach einem Umweltrahmengesetz als gesetzlichen Rückhalt einer starken unabhängigen Umweltbehörde sich erst einmal nicht durchsetzen konnten. Bei der Erstellung der erst Ende der 80er Jahre formulierten nationalen Umweltstrategie, hingegen, konnten die Träger von Umweltbelangen ihre Interessen obwohl sie in der Mehrzahl der Arbeitsgruppen in der Minderheit waren, dennoch geltend machen. Dabei stießen sie auf wenig Widerstand, da Ziele und Maßnah309

men der Strategie sehr allgemein gehalten waren und unverbindlich blieben. Die Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen erfolgte während der 80er Jahre daher nur in wenigen Fällen. Lediglich durch den informellen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und persönliche Kontakte des Leiters des Umweltdepartments zum Innenminister und zu Fabrikbesitzern konnte leichter Druck auf die Verursacher von Umweltbelastung ausgeübt werden und vereinzelt Umweltschutzmaßnahmen durchgesetzt werden.

Dies änderte sich Anfang der 90er Jahre mit zunehmendem Umweltwissen und -bewusstsein, gestiegener Abhängigkeit von westlichen Geberländern und politischer Liberalisierung. Westliche Geberorganisationen, die ihre Entwicklungshilfe zunehmend mit der Auflage verbanden, Umweltschutzaspekte stärker in die Projektarbeit vor Ort zu integrieren, ermöglichte nicht nur die Mobilisierung externer finanzieller Ressourcen für den Umweltschutz, die angesichts der schlechten Wirtschaftslage im Land selbst fehlten, sondern bot auch nationalen Akteuren einen Anreiz, für den Umweltschutz im Land aktiv zu werden. Der 1989 einsetzende politische Liberalisierungsprozess schaffte neue politische Partizipationsmöglichkeiten und die Gelegenheit für gesellschaftliche Akteure, sich für den Umweltschutz im Land einzusetzen. Dieser Einsatz ging einher mit dem Ausbau organisatorischer Kapazitäten und umweltpolitischer Kompetenzen der Träger von Umweltbelangen und ließ somit vermehrt Helferinteressen im Land entstehen. Die neu gegründete Umweltbehörde GCEP erhielt de jure deutlich mehr Verantwortung und Eigenständigkeit als ihre Vorgängerorganisation, auch wenn sie de facto in administrativen, personellen und finanziellen Fragen weiterhin vom Ministerium für ländliche und städtische Angelegenheiten und Umwelt abhängig bleibt. Im semi- und nichtstaatlichen Bereich kam es zur Gründung neuer Forschungsinstitute und Umweltorganisationen, deren Mitgliederzahl sich ebenfalls deutlich erhöhte. Die Folge war ein deutlicher Zuwachs an staatlichen, semi- und nichtstaatlichen Trägern von Umweltbelangen, die mit der Unterstützung ausländischer Geberorganisationen im Laufe der 90er Jahre ihre umweltpolitischen Kompetenzen in Form von Umweltwissen und ihre organisatorischen Kapazitäten in Form finanzieller, personeller und materieller Ressourcen deutlich ausbauen konnten. Gleichfalls hatte sich die ökologische Bündnis- und Strategiefähigkeit durch die verstärkte Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den Trägern von Umweltbelangen erhöht. Geschickte Aufgabenaufteilung insbesondere zwischen den drei großen nichtstaatlichen Umweltorganisationen (RSCN, JES, JSDCBD) und ihre Spezialisierung auf bestimmte Umweltproblembereiche hielt die Konkurrenz um knappe finanzielle Mittel in Grenzen. Die Mehrzahl der staatlichen und nichtstaatlichen Träger von Umweltbelangen nahm über Printmedien und mit eigenen Publikationen und Kampagnen Einfluss auf die öffentliche Meinung und hatte zumindest formell Zugang zu politischen Entscheidungsträgern, vor allem zu 310

Abgeordneten, aber auch zu Mitgliedern der Königsfamilie und sogar zum König selbst. Durch Vertretung der staatlichen Umweltbehörde GCEP und der drei größten nichtstaatlichen Umweltorganisationen im Nationalen Umweltschutzrat CEP, der 1995 als höchstes umweltpolitisches Organ Jordaniens eingerichtet wurde, ist die Beteiligung der wichtigsten Träger von Umweltbelangen an umweltpolitischen Entscheidungsprozessen rechtlich garantiert. Gleichzeitig schritt die Integration von Umweltaspekten in andere Politikfelder und Sektoren auf nationaler und sub-nationaler Ebene, nicht zuletzt aufgrund externen Drucks, unterstützt durch finanzielle Anreize seitens bi- und multilateraler Geberorganisationen, im staatlichen und nichtstaatlichen Bereich, voran. Im Laufe der 90er Jahre wurden umweltpolitische Zuständigkeitsbereiche klarer abgesteckt und gesetzlich geregelt und in Ministerien anderer politischer Ressorts und Behörden neue Umweltabteilungen geschaffen, die seither weniger Kompetenz- und Machtverlust befürchten. Darüber hinaus berücksichtigten auch im sozialen Bereich aktive Nichtregierungsorganisationen, Parteien, Interessenvertretungen und Industrieunternehmen mehr und mehr Umweltfragen bei ihrer Arbeit. Durch die Einrichtung von Umweltabteilungen seit Anfang der 90er Jahre entwickelten eine Reihe von Ministerien, Behörden, privaten Interessenvertretungen und Industrieunternehmen umweltpolitische Kompetenz und bauten in vielen Fällen mit externer Unterstützung ihre umweltpolitischen Kapazitäten aus. So wurden zusätzliche Träger von Umweltbelangen geschaffen, die die Verursacherinteressen dieser Akteure relativierten. Dies führte dazu, dass der Widerstand gegen umweltpolitische Maßnahmen nachließ und ermöglichte eine verstärkte Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den Trägern von Umweltbelangen und anderen politischen Ressorts sowie den Zielgruppen von Umweltpolitik, die nun in umweltpolitische Netzwerke eingebunden werden konnten. Damit haben sich neue komplexere Formen gesellschaftlicher Interessenvermittlung herausgebildet, die eine größere Bandbreite gesellschaftlicher Akteure in umweltpolitische Prozesse mit einbezieht.

Mit dem Zuwachs an organisatorischen Kapazitäten und Kompetenzen der Träger von Umweltbelangen, der Stärkung der ökologischen Bündnisfähigkeit und der Integration von Umweltaspekten in die Arbeit der Zielgruppen von Umweltpolitik sowie deren verstärkte Einbindung in umweltpolitische Netzwerke erhöhte sich die institutionelle Kapazität im Umweltbereich deutlich. Mit der Entstehung neuer Träger von Umweltbelangen veränderten sich Akteurskonfigurationen und die Interessenkonstellationen im Land, bei denen umweltpolitische Helferinteressen deutlich an Gewicht gewannen und in Verbindung mit den vorhandenen Betroffeneninteressen die Blockadesituation zwischen Verursacher- und Betroffeneninteressen aufbrachen, so dass konstruktivere Formen der politischen Auseinandersetzung möglich wurden. Die umweltpolitische Interessenspirale setzte sich fort und anstelle der bis Anfang der 80er Jahre vorherrschen311

den umweltpolitischen Lethargie, dem dann einsetzenden Kampf um Zutritt zur politischen Arena, waren Ende der 80er Jahre Aushandlungsprozesse zwischen umweltpolitischen Akteuren getreten. Mit der verstärkten Beteiligung der Träger von Umweltbelangen an umweltpolitischen Verhandlungen, die mit der Vertretung im Nationalen Umweltschutzrat institutionalisiert wurde, konnten diese seit Anfang der 90er Jahre mehr Einfluss auf umweltpolitische Entscheidungsprozesse nehmen. Ihr Ziel durch die Verabschiedung wichtiger Umweltgesetze und die Schaffung einer unabhängigeren staatlichen Umweltbehörde institutionelle Veränderungen herbeizuführen, konnten sie schließlich durchsetzen. Bei gleichzeitig nachlassendem Widerstand seitens anderer politischer Ressorts und Zielgruppen stieg die Durchsetzungsfähigkeit von Umweltschutzinteressen. Damit wurden seit Beginn der 90er Jahre umweltpolitische Entscheidungsprozesse in Jordanien immer weniger blockiert und konsensuale Problemlösungsansätze ermöglicht, die zur Verabschiedung von Umweltgesetzen und Programmen mit konkreten Umweltschutzzielen führten, deren Implementierung damit wahrscheinlicher wurde.

Gezieltes umweltpolitisches Handeln wurde so erst im Laufe der 90er Jahre möglich. Tatsächlich werden seither deutlich mehr Umweltschutzprojekte implementiert als noch während der 80er Jahre. Die Umsetzung dieser Projekte ist allerdings weiterhin zum großen Teil von der finanziellen Unterstützung bi- und multilateraler Geberorganisationen abhängig. Defizite bei Durchsetzung der im Umweltrahmengesetz festgelegten Vorschriften sind auf noch fehlende Statute, aber auch auf die weiterhin bestehende Schwäche der nationalen Umweltbehörde GCEP zurückzuführen, die mangels qualifiziertem Personal und der zeitweise schwachen Koordination mit anderen staatlichen Akteuren mit der Überwachung und Kontrolle der Einhaltung umweltpolitischer Auflagen überfordert ist. Hinzukommen die ungebrochene Priorität wirtschaftlichen Wachstums, die unzureichende Verbreitung und Kenntnis des Umweltrahmengesetzes und die teilweise zu schwachen Sanktionsmechanismen. Sowohl eine angemessene Stellenbesetzung in der Umweltbehörde als auch die effektive Durchsetzung von Umweltgesetzen wird durch die kulturelle Eigenheit des Wastahsystems, das der Solidarität innerhalb des Familienclans stets Vorrang gibt, erschwert. Die Umsetzung der einzelnen Umweltaktionspläne und von Umweltschutzprojekten in den verschiedenen Sektoren geht in unterschiedlichem Tempo voran. Dies ist in erster Linie auf unterschiedliche Akteurs- und Interessenkonstellationen auf nationaler und regionaler Ebene sowie in unterschiedlichen Umweltbereichen zurückzuführen. Je weniger staatliche und nichtstaatliche Akteure beteiligt sind und je klarer die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche desto geringer ist die Konfliktwahrscheinlichkeit und desto eher kommt es zur Umsetzung der in den Umweltaktionsplänen und Umweltschutzprojekten festgelegten Ziele und Maßnahmen. 312

6.

Abkürzungsverzeichnis

ACI ARA

Amman Chamber of Industry Aqaba Region Authority

BIP BSP Ca CEGCO

Bruttoinlandsprodukt Bruttosozialprodukt Kalzium Central Electricity Generating Company

CEP CIDA CITES

Council for Environment Protection Canadian International Development Agency Convention on International Trade in Endagered Species of Wild Fauna and Flora

Cl CO CO2 DAC DDT

Chloride Kohlenmonoxid Kohlendioxid Development Assistance Committee Dichlorodiphenyltrichloroethane

DoE EC ERC EIA

Department of Environment Elektrische Leitfähigkeit Environment Research Center Environmental Impact Assessment

ERC EU FCKW Fe

Environment Research Center European Union Flourchlorkohlenwasserstoffe Eisen

FoA FoE GAEAP GAM

Friends of Archeology Friends of Environment Gulf of Aqaba Environmental Action Plan Greater Amman Municipality

GCEP GEF

General Corporation for Environment Protection Global Envionmental Facility

GTZ Gwh HCST HCO3 IMF

Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Gigawattstunde Higher Council for Science and Technology Hydrokarbonat International Monetary Fund

ISO IUCN JD

International Organization for Standardization International Union for the Conservation of Nature Jordanische Dinar

JEA

Jordan Engineer’s Association 313

JES JICA JFPPA

Jordan Environment Society Japan International Co-operation Agency Jordan Family Planning and Protection Association

JREDS JSCDBD JSDS JUST

Jordan Royal Ecologic Diving Society Jordanian Society for Desertification Control and Badia Development Jordan Sustainable Development Society Jordan University of Science and Technology

JVA K KfW MoA

Jordan Valley Authority Kalium Kreditanstalt für Wiederaufbau Ministry of Agriculture

MEM MIT meq/l Mg

Ministry of Energy and Mineral Resources Ministry of Industry and Trade Mol äquivalent pro Liter Magnesium

mg/l MMRAE

Milligramm pro Liter Ministry of Municipal and Rural Affairs and the Environment

MoH MTA MWI Na

Ministry of Heath Ministry of Tourism and Antiquities Ministry of Water and Irrigation Natrium

NAFTA NEAP NES NEWS NH4 NMVOC

North American Free Trade Agreement National Environmental Action Plan National Environment Strategy National Environment and Wildlife Society Ammonium Nicht-Methan-flüchtige Kohlenwasserstoffe

NO2 NO3 NOX

Stickstoffdioxid Nitrate Stickstoffoxide

NRA NRO/NGO OECD PLO RiNGO

Natural Resource Authority Nichtregierungsorganisation/ Non-governmental Organization Organization for Economic Co-operation and Development Palastine Liberation Organisation Royal Non-governmental Organization

RSCN RSS SO4

Royal Society for the Conservation of Nature Royal Scientific Society Sulfate

UN UNCED

United Nations United Nations Conference on Environment and Development 314

UNCHE UNESCO UNDP

United Nations Conference on the Human Environment United Nations Education, Scientific and Cultural Organization United Nations Development Programme

UNEP USAID US$ UNIDO

United Nations Environment Programme United States Agency for International Development U.S. Dollar United Nations Industrial Development Organization

UVP/EIA WAJ WHO WTO

Umweltverträglichkeitsprüfung/ Environment Impact Assessment Water Authority of Jordan World Health Organization World Trade Organization

µs/cm

Micro Sievert pro Zentimeter

315

7.

Literaturverzeichnis

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Jordanische Zeitungen Jordan Times, Daily Newspaper, Amman The Star, Weekly Newspaper, Amman

336

8.

Anhang

8.1

Verzeichnis der Interviews

8.1.1

Interviewte Experten (Leitfadeninterviews)

-

Dr. Iyad Abumoghli, Senior Programme Officer Environment and Natural Resources, United Nations Development Programme (UNDP), Interview am 14.11.1999

-

Ziad Alawneh, General Director, National Environment and Wildlife Society (NEWS), Interview am 6.11.1999

-

Mahmoud Al-Omari, General Director, Jordan Environment Society (JES), Interview am 13.10.1999

-

Adnan Buderi, Head of Middle East Division, Birdlife international, Interview am 16.9.1999

-

Khaled Irani, General Director, Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN), Interview am 31.10.1999

-

Nadja Juhari, Director, Environment Division, Department of Water, Tourism and Environment, Ministry of Planning (MoP), Interview am 2.10.1999

-

Muhazim Muhaisin, Director General, Vocational Training Corporation, ehemaliger Generalsekretär der Aqaba Region Authority, Interview am 11.10.1999

-

Dr. Riyad Musa, Project Manager Jordan Agenda-21-Project, UNDP/General Corporation for the Environment Protection (GCEP), Interview am 29.9.1999

-

Dr. Salah Share’, ehemaliger Generaldirektor der GCEP, Interview am 18.10.1999

-

Dr. Sufyan Tell, ehemaliger Direktor des „Department of Environment“ (DoE), Interview am 24.10.1999

-

Dr. Harry Meyer-Steinbrenner, Advisor for Environmental and Resource Management of the GTZ, Jordanian/German Project Assistance for the Implementation and Adaptation of the National Environmental Action Plan (NEAP), Interview am 13.10.1999

-

Ahmed Quartaneh, Researcher, Environmental Impact Assessment Division, GCEP, Interview am 13.10.1999

8.1.2

Interviews in Organisationen (Fragebogen)

Nichtregierungsorganisationen: -

Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN)

-

Friends of the Environment Society (FoES)

-

National Environment and Wildlife Society (NEWS)

-

Jordan Sustainable Development Society (JSDS)

-

Jordanian Society for Desertification Control and Badia Development (JSDCBD)

-

Jordan Environment Society (JES)

-

Jordan Royal Ecological Diving Society (JREDS)

-

Jordan Branch of the International Union for the Coservation of Nature and Natural Resources (IUCN)

-

Friends of Archaeology (FoA) 337

Semistaatliche Forschungsinstitute: -

Environment Section of the General Secretariat within the Higher Council for Science and Technology

-

Water and Environment Reserach and Study Center at the University of Jordan

-

Environment Research Center of the Royal Scientific Society

-

Renewable Energy Research Center of the Royal Scientific Society

-

Center for Environment Sciences and Technology at the Jordan University of Science and Technology

-

Environment and Earth Science Department at the Yarmouk University

-

Regional Center of Environmental Health Activities (CEHA), World Health Organization (WHO)

-

Marine Science Station (MSS)

Ministerien und Behörden: -

General Corporation for the Envrionment Protection (GCEP)

-

Ministry of Municipal and Rural Affairs and Environment

-

Industrial Development Directorate, Industrial Licencing and Environment Section, Ministry of Industry and Trade

-

Deparment of Rural Development and Environment, Ministry of Agrculture

-

Department of Forestry amd Range Administration, Ministry of Agriculture

-

Plant Protection Department, Ministry of Agriculture

-

Education and Educational Activities, Ministry of Education

-

Renewable Energy Department, Ministry of Enery and Mineral Resources

-

Natural Resources Authority, Ministry of Energy and Mineral Resources

-

Environmental Health Directorate, Ministry of Health

-

Occupational Safety and Halth Department, Ministry of Labour

-

Directorate for Development of Archaeological and Touristic Sites and Eco-Tourism, Ministry of Tourism and Antiquities

-

Department of Water, Tourism and Environment, Ministry of Planning

-

Environmental Protection Directorate, Ministry of Water and Irrigation

-

Water Authority of Jordan

-

Directorate for Sewerage Projects, Water Authority of Jordan

-

Waste Water Operation Directorate, Water Authority of Jordan

-

Water Laboratories and Quality Directorate, Water Authority of Jordan

-

Environment and Lab Department, Jordan Valley Authority

-

Civil Defense Directorate

-

Housing and Urban Development Corporation

-

Greater Amman Municipality 338

-

Enviornment Department, Aqaba Region Authority

-

Public Safety Department, Ports Corporation Aqaba

Unternehmen und Interessenvertretungen: -

Central Electricity Generating Company

-

Jordan Phosphate Mines Company

-

Arab Potash Company

-

Jordan Cement Factories Corporation

-

Industrial Development Bank

-

Environment Department, Amman Chamber of Industry

-

Farmers Union

-

Jordan Engineer Association

Bi- und multilaterale Geberorganisationen: -

Japan International Cooperation Agency (JICA)

-

European Union, Delegation of the European Commission

-

United States Agency for International Development (USAID)

-

Canadian International Development Agency (CIDA)

-

United Nations Development Programme (UNDP)

-

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)

-

Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)

8.1.3

Sonstige Gespräche

-

Mustafa R. Attili, Quality, Environment & Safety Dept. Manager, General Electricity Generating Co., Interview am 5.10.1999

-

Sharif Al-Saifi, Mitarbeiter im Projekt zur Umsetzung des Gulf of Aqaba Environmental Action Plan der Global Environmental Facility, verantwortlich für den „Marine Peace Park“, 20.11.1999

-

Bilal Bashir, leitender Projektmanager im Projekt zur Umsetzung des Gulf of Aqaba Environmental Action Plan der Global Environmental Facility, Gespräch am 20.11.1999

-

Ahmed Qartaneh, Researcher, Environmental Impact Assessment Division, GCEP, Interview am 13.10.1999

-

Dr. Harry Meyer-Steinbrenner, Advisor for Environmental and Resource Management of the GTZ, Jordanian/German Project Assistance for the Implementation and Adaptation of the National Environmental Action Plan (NEAP), Interview am 2.9.1999

339

8.2

Fragebogen

Name of organization: Name of respondent: Position of respondent: Date of interview:

When was your organization founded/ or since when is your organization active in Jordan?

1)

Policy und objectives

1.1)

Are there any policy-documents of your organization? □

general policy papers



annual plans



project documents



budget documents

Could I have a copy of these policy-documents?

1.2)

Which are the main priorities of your organization? - research:

very important □

- policy formulation:

very important □

- implementation:

very important □

- awareness raising:

very important □

- coordination:

very important □

important less important □



important less important □



important less important □



important less important □



important less important □



not important □ not important □ not important □ not important □ not important □

- other:

1.3)

Could you describe the activities of your organization in a few words:

340

1.4)

Which environmental issues are important for your organization? - land degradation and contamination:

very important □

important less important □

not important





- water depletion and pollution:

very important □

important less important □

not important





- degradation of biodiversity:

very important □

important less important □

not important





- degradation of cultural heritage:

very important □

important less important □

not important





- urban-industrial environmental issues: very important □

important less important □

not important





- other:

1.5)

Which are the most important projects your organization did/does implement? name

duration

funder

objective

a) b) c) d)

1.6)

Did/does your organization use external organizational and conceptional support for project planning? (not for donors) □ Yes □ No If yes, when and from whom?

341

2)

Function and influence within the formulation of environmental policy

2.1)

What was/is the function of your organization within the formulation of environmental policy? - Please attach: (1) no

a) Environmental Protection Law of 1995

(2) observer

b) National Environmental Strategy (NES)

(3) adviser

c)

(4) right to vote

d) Gulf Environmental Action Plan (GEAP)

National Environmental Action Plan (NEAP)

(5) co-ordination

2.2)

(member of steering-committee)

e) Council for Environment Protection (CEP)

(6) chairmanship

f)

other environmental programmes:

How do you assess the influence of your organization on important decisions related to environmental policy? □ on the Environmental Protection Law:

strong □

□ within the NES:

strong □

□ within the NEAP:

strong □

□ within the GEAP:

strong □

□ in the CEP:

strong □

medium

weak

no







medium

weak

no







medium

weak

no







medium

weak

no







medium

weak

no







□ other environmental programmes:

2.3)

Has the influence of your organization on important decisions related to the environmental policy been changed during the last 20 years (since its foundation)? increased □

remain the same □

reduced □

If yes, why did the influence of your organization change in this way?

342

2.4)

Did the democratization-process in Jordan increase the opportunities for your organization to take influence on decisions related to environmental policy? (only for NGOs) □ yes □ no

3)

Strategies

3.1)

Does your organization take influence on the public opinion? □ No □ Yes

3.1.1) If yes, which instruments do you use to inform the public? □ radio, television □ print-media □ Internet □ own publications □ public events (like campaigns) □ other:

3.2)

Does your organization have access to important decision-makers? □ no □ yes If yes, to whom? - Director General of the GCEP:

mainly formal □

- members of the government:

mainly formal □

- The King:

mainly formal □

mainly informal □ mainly informal □ mainly informal □

equally □ equally □ equally □

- others:

343

3.3)

Is your organization supported or obstructed by: - political decision-makers:

supported

obstructed

□ - civil servants:

supported



supported

supported

neither





obstructed

□ - The King:



obstructed

□ - religious leaders:

neither

neither





obstructed



neither





- other important personalities:

3.4)

With which organizations in the field of environmental policy do you have contacts? - communication (exchange of information): mainly formal

mainly informal

equally formal and informal

- coordination (harmonizing of activities/policies): mainly formal

mainly informal

equally formal and informal

- cooperation (working together, sharing costs, manpower, information, funds): mainly formal

3.5)

mainly informal

equally formal and informal

How have the dimensions of communication, coordination and cooperation with other organizations been changed during the last 20 years (since the foundation of your organization)? - with NGOs: strongly increased

increased





remain the same

reduced





remain the same

reduced





remain the same

reduced





remain the same

reduced





- with research institutes: strongly increased

increased





- with donor organizations: strongly increased □

increased □

- with governmental organizations: strongly increased □

increased □

344

3.6)

Do you consider the communication, coordination and cooperation with other organizations sufficient? - with NGOs:

□ yes

□ no

- with donor organizations:

□ yes

□ no

- with governmental organizations:

□ yes

□ no

- with research institutes:

□ yes

□ no

If not, which are the main problems?

4)

Resources: manpower, information, budget and equipment

4.1)

Manpower

4.1.1) How has the number of the members of your organization been changed during the last 20 years (since its foundation)? (only for NGOs) - Number of members: increased

remain the same



reduced



Number in the year .....:

□ Number in 1998:

4.1.2) How has the number of employees involved in environmental activities in your organization been changed during the last 20 years (since its foundation)? - Number of employees as a whole: increased

remain the same



reduced



Number in the year .....:

□ Number in 1998:

- Number of full-time and part-time employees: increased

remain the same





Number in the year.....:

reduced □ Number in 1998:

- Number of voluntary employees: increased

remain the same

□ Number in the year .....:



reduced □ Number in 1998:

345

4.1.3) What are the manpower shortages in the field of environmental activities your organization is facing?

4.1.4) What is the education of your full-time employees involved in environmental activities? field and level of education

environmental training

a) b) c)

4.1.5) Do you consider the level of education and experience of your staff involved in environmental activities sufficient to perform its tasks? □ yes □ no

4.1.6) Does your organization conduct environmental training? □ yes □ no If yes, only for your own staff or for others, too?

4.1.7) Do you send your staff involved in environmental duties to external training? □ yes □ no If yes, where?

4.2)

Access to information

4.2.1) What types of information on environmental issues does your organization use regularly? □ literature of libaries (which?) □ official governmental reports by... □ own research □ research documents by... □ Internet □ informal contacts □ other:

346

4.2.2) Which are the information shortages your organization is facing for policy design and implementation?

4.2.3) Which are the main reasons for the information shortages?

4.2.4) How has the availability of information about environmental issues been changed during the last 20 years (since the foundation of your organization)? strongly increased □

increased

remain the same



reduced





Could you give reasons for this development:

4.3)

Budget and equipment

4.3.1) What is the number of vehicles available in your organization? What is the number of vehicles exclusively for environmental purposes? Has the number of vehicles been changed during the last years? □ Yes

□ No

If yes: □ Whole number increased, how many: □ Number for environmental purposes increased, how many: □ Whole number reduced, how many: □ Number for environmental purposes reduced, how many:

4.3.2) What is the number of computer-working-places in your organization? What is the number of computer-working-places exclusively for environmental purposes? Has the number of computer-working places been changed during the last years? □ Yes

□ No

If yes: □ Whole number increased, how many: □ Number for environmental purposes increased, how many: □ Whole number reduced, how many: □ Number for environmental purposes reduced, how many:

347

4.3.3) Which special equipment do you have and use for environmental purposes?

4.3.3.1) How has the availability of such equipment been changed during the last years? increased

remain the same

reduced







4.3.4) How has the budgetpower of your organization been developed since you started with environmental activities? - general funding (whole budget): increased

remain the same





reduced □

- Budget in 1998: - environmental project funding. increased

remain the same





reduced □

- Budget in 1998: - Percentage exclusively for environmental purposes: increased

remain the same





reduced □

- Percentage exclusively for environmental purposes in 1998:

4.3.5) Does your organization get external financial support for environmental activities? □ no □ yes If yes, who are your main funders? □ government □ donor organizations □ others:

348

4.3.6) How has the external financial support for environmental activities developed since you started with these activities? - by government: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- by donor organizations: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- by others:

4.3.7) Are the financial resources for environmental actitivities guaranteed for the coming years? □ yes □ no

4.3.8) Which changes are expected? more funding

less funding





Why are these changes expected? □ withdrawal of donors □ new contributions by donors □ reduced priority by government □ increased priority by government □ other:

4.4)

If you compare your organization's budget to the budget of other organizations, would you consider your organization financially underprivileged? □ yes □ no If so, why do you get less?

349

5)

Framework conditions

5.1)

Pressure caused by environmental issues

5.1.1) In your opinion how serious are the following environmental issues? - land degradation and contamination:

very serious

serious

less serious

not serious







very serious

serious

less serious







very serious

serious

less serious







very serious

serious

less serious









serious

less serious

not serious









- water depletion and pollution:

not serious □

- degradation of biodiversity:

not serious □

- degradation of cultural heritage:

not serious

- urban-industrial environmental issues: very serious □ - other:

5.1.2) Has the seriousness of these environmental issues been changed during the last 20 years? - land degradation and contamination: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- water depletion and pollution: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- degradation of biodiversity: strongly increased □

increased □

remain the same □

reduced □

- degradation of cultural heritage: strongly increased □

increased □

remain the same □

reduced □

350

- urban-industrial environmental issues: strongly increased □

increased

remain the same



reduced





- other issues:

5.2)

Environmental awareness

5.2.1) How do you assess the environmental arwareness in Jordan? - of political decision-makers:

- of the people:

high

medium

low

very low









high

medium

low

very low









medium

low

very low







- of special target-groups (industrial companies or farmers): high □

5.2.2) How has the environmental awareness developed during the last 20 years? - of political decision-makers: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- of the people: strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

- of special target-groups (industrial companies or farmers): strongly increased

increased





remain the same □

reduced □

If the environmental awareness did increase, please give reasons for this (please do a ranking of your answers): □ external influence by international NGOs, donor organisations □ influence by national environmental NGOs □ influence of political decision makers (who?) □ influence by media (which?) □ influence of important personalities (who?) □ other: 351

Zusatzfragen für andere politische Ressorts, Zielgruppen von Umweltpolitik und ihre Interessenvertretungen

1)

Policy and objectives

1.1)

Do you think there is a conflict between the objectives of your ministry/company/ organization and environmental protection? □ yes □ no If yes, why do you think so?

1.2)

Do environmental issues play a role within the objectives and activities of your ministry/company/organization? □ yes □ no If yes, since when?

1.3)

Has the attitude of your ministry/company/organization towards environmental issues been changed during the last 20 years (since its foundation)? □ no □ yes If yes, how did it change? □ Today environmental issues are more important than in the past □ Today environmental issues are less important than in the past

When and why did it change?

Did this change have any organizational consequences? □ yes □ no If yes, which (e.g. Foundation of an Environment section)?

1.4)

Does your ministry/company/organization implement projects, dealing with environmental issues? □ yes □ no 352

If yes: name

duration

funder

objective

a) b) c) Could I have a copy of the project documents?

1.5)

Which attitude have the members of your organization towards environmental protection? (only for the private sector) Environmental protection is: necessary

less necessary

not necessary

I don`t know









1.6)

Has the attitude of your members towards the necessity of environmental protection been changed during the last 20 years? (only for the private sector) The necessity of environmental protection has been: increased

remain the same

□ 1.7)



reduced

I don`t know





Are there any voluntary commitments of your members to introduce environmentally benificial production procedures and products? (only for the private sector) □ yes □ no If yes, since when?

Which incentives are/were there for your members to do so? □ financial incentives □ other:

Who gives/gave these incentives? □ government □ donor organizations □ other:

Could you give examples for voluntary commitments

353

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