Hypatia von Alexandria 355 (370?) – 415 Die angesehene Mathematikerin, Astronomin und Philosophin wurde von einer christlichen Meute in Stücke gerissen. Von Hypatia ist kein annähernd zeitgenössisches Porträt erhalten. In der Montage wird das sogenannte Sappho-Fresko aus Pompeji verwendet.

Viele Jahrhunderte war Alexandria das Zentrum antiker Wissenschaft. Die Stadt war kosmopolitisch wie keine andere der Antike, Schmelztiegel von Völkern und Religionen. Im Museion mit der Großen Bibliothek trafen sich Philosophen und Forscher aus vielen Ländern. Mathematik und Astronomie standen in besonderer Blüte: Eratosthenes und Euklid arbeiteten hier. In den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende trat ein allmählicher Verfall ein. Wann und wie die Große Bibliothek unterging, ist unbekannt. Am Ende des 4. Jahrhunderts bestand mit Sicherheit noch das Serapeion, eine Tempelbibliothek mit immerhin 43000 Schriftrollen. Als letzter namentlich bekannter Wissenschaftler und Leiter der Bibliothek wirkte im Museion der Mathematiker und Astronom Theon (335-405). Privat unterrichtete er seine Tochter Hypatia, die sich als außerordentlich intelligent erwies. Nach ihrer Ausbildung in Alexandria setzte sie, so heißt es, in Athen ihr Studium fort, wurde dort für ihre hervorragenden Leistungen mit einem Lorbeerkranz geehrt. Zurück in Alexandria unterstützte sie ihren Vater bei dessen Arbeiten, insbesondere bei der Kommentierung des „Almagest“ von Ptolemaios und der „Elemente“ des Euklid. (Theon erwähnt es). Sie arbeitete selbst auf dem Gebiet der Mathematik und Astronomie. Sie soll das Astrolabium (Gerät zur Winkelmessung in der Astronomie) erfunden haben, ebenso soll das Hydrometer, ein Gerät zur Messung der Dichte von Flüssigkeiten, auf sie zurückgehen. Sie verfasste ein großes Werk zur „Aritmetica“ des Diophant, und ein mehrbändiges Werk zu den Kegelschnitten des Apollonius von Perga. Aber von allen diesen ihren eigenen Werken ist nichts erhalten.

Daneben begann Hypatia als Philiosophielehrerin zu wirken, und das in einer zumindest für Frauen damals sehr ungewöhnlichen Form. Dazu schrieb um 450 der von der Forschung als sehr sachlich eingeschätzte Socrates Scholasticus: “Es gab eine Frau in Alexandria namens Hypatia, Tochter des Philosophen Theon, die solche Leistungen in Literatur und Philosophie hervorbrachte, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit bei weitem übertraf. Der Schule von Plato und Plotin nachfolgend erklärte sie die Prinzipien der Philosophie ihren Zuhörern, von denen viele von weither kamen um ihre Anleitungen zu empfangen. Aufgrund ihrer Selbstbeherrschung und ihres offenen Umgangs, die sie infolge der Entwicklung ihres Geistes erlangt hatte, erschien sie nicht selten in der Öffentlichkeit in Gegenwart von hohen Beamten. Auch fühlte sie sich nicht gehemmt in eine Versammlung von Männern zu kommen. Denn alle Männer bewunderten sie umso mehr wegen ihrer außerordentlichen Würde und ihrer Tugend.“ (Kirchengeschichte VII.15)

Masolino de Panicale: Die Philosophen von Alexandria (1425)

Hypatia war für ihre ungewöhnliche Schönheit berühmt und wurde von ihren Schülern angebetet. Im Sinne neuplatonischer Philosophie aber schätzte sie den Körper und körperliche Bedürfnisse gering, blieb wahrscheinlich zeitlebens jungfräulich. Einem verliebten Schüler hielt sie ein mit Menstruationsblut beflecktes Tuch entgegen, um auf die Unreinheit der Welt und die Fragwürdigkeit sexuellen Begehrens hinzuweisen. Sie liebte es offenbar zu schockieren, was als kynisches Element ihrer Philosophie interpretiert wird.

„Schönheit“ im Wandel der Zeit – Phantasiebildnisse von Hypatia. V.l.n.r. Raffael 1483 – 1520 , Ausschnitt aus der „Schule von Athen“ – John Toland 1720 – Maurice Gaspard 1852-1917 – Raquel Weisz im Film „Agora“ 2009 Es war eine sehr unruhige Zeit. 324 hatte Konstantin der Große die zerstrittenen Christen auf dem Konzil von Nicäa zu einer einheitlichen Haltung gezwungen und das Christentum zur Staatsreligion gemacht, doch die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Richtungen waren damit nicht zu Ende. Alexandria war seit Arius das Epizentrum solcher Konflikte. Andererseits hatten hier auch nichtchristliche Kulte noch einen starken Halt, und die Philosophen des Museion versuchten sich im Neuplatonismus an einer Synthese der verschiedenen philosophischen Richtungen (nur Epikur blieb ausgeschlossen). Die Konflikte in Alexandria verschärften sich als Theophilos Bischof und Patriarch wurde (385 – 512). Kaiser Theodosius I verbot in 391 alle nichtchristlichen Kulte - Theophilos schritt sogleich zur

Tat. Heidnische Tempel ließ er schließen oder profanisieren. Dabei ging es nicht nur um die falschen Götter: auch Wissenschaft wurde verteufelt, mit Magie gleichgesetzt – das „dunkle Mittelalter“ kündigte sich an. Eine Gruppe von Männern verschanzte sich im Serapeion, es kam zu blutigen Auseinandersetzungen, Theophilos setzte sich durch. Er legte das Serapeion in Schutt und Asche und ließ gleich auch noch alle anderen heidnischen Tempel der Stadt zerstören. In den Straßen tobte der Mob. Hypatia kam offenbar unbehelligt davon; man vermutet dass Synesius (370-412), ehemaliger Schüler Hypatias und ab 411 Bischof von Ptolemais in der Cyrenaika, den Theophilos zurückhielt. Synesius versuchte eine Harmonisierung von Neuplatonismus und Christentum wie vor ihm Clemens von Alexandria und Plotin. Synesius stand in lebhaften Briefwechsel mit Hypatia, seine Briefe gehören zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen. Gewisse Formulierungen in den Briefen legen nahe, dass er zu ihren Verehrern zählte.

Theophilos – Theophilos triumphiert auf dem Serapeion - Kyrill Nach des Theophilos Tod ergriff sein Neffe Kyrill ( 412- 451) das Patriarchat. Er wollte die erste Macht in der Stadt zu werden und baute sich dazu eine private Miliz auf, die Parabolani. Mit seinem Machtstreben geriet er in Konflikt mit Orestes, dem Präfekten von Alexandria, einem ehemaligen Schüler von Hypatia und mit ihr in

regelmäßigem Kontakt stehend. Kyrill nahm eine Mordtat an Christen zum Anlass, alle Juden aus der Stadt zu vertreiben und sich ihr Vermögen anzueignen. Der Präfekt protestierte in Konstantinopel gegen diese gesetzwidrige Maßnahme, verweigerte eine Aussöhnung mit Kyrill. Jetzt tauchten in der Stadt hunderte Anachoreten auf, asketische Mönche aus der Wüste, als eine weitere Unterstützung für Kyrill. Der Mönch Ammonius verletzte den Präfekten durch einen Steinwurf am Kopf, der konnte dem Anschlag durch Eingreifen mutiger Bürger entgehen, er ließ den Mönch hinrichten. Kyrill erklärte ihn sogleich zum Märtyrer. Dass Kyrill direkt das Ende Hypatias auslöste, ist nicht gesichert. Er tat jedenfalls nichts um seine Schlägerbanden zurückzuhalten, heizte vielmehr die Atmosphäre auf. Wir zitieren wieder Socrates Scholasticus: “…… Denn alle Männer bewunderten sie umso mehr wegen ihrer außerordentliche Würde und ihrer Tugend. Doch auch sie wurde zum Opfer des politischen Neides der damals vorherrschte. Denn weil sie häufige Besprechungen mit Orestes hatte, wurde unter der christlichen Bevölkerung verleumderisch verbreitet, dass sie es war die den Statthalter daran hinderte sich mit dem Bischof zu versöhnen. Einige von ihnen, deren Anführer ein Lektor namens Peter war, zogen in wildem und frömmlerischem Eifer los, überfielen sie, als sie nach Hause zurückkehrte. Sie zerrten sie von ihrem Kutschwagen und brachten sie zu der Kirche, die Caesarion heißt. Dort zogen sie sie völlig aus und ermordeten sie dann mit Ziegelsteinen. Nachdem sie ihren Körper in Stücke gerissen hatten, brachten sie ihre verstümmelten Glieder zu dem Platz, der Cinarion heißt, und verbrannten sie dort. Diese Affäre brachte Schande über Kyrill und die ganze Kirche von Alexandria. Denn sicherlich ist nichts weiter entfernt von christlichem Geist als Massaker, Kämpfe und Vorgänge dieser Art … “ (Kirchengeschichte VII.15)

Nach anderen Versionen wurde Hypatia durch die Straßen zu Tode geschleift. An ihrer Ermordung durch den christlichen Mob besteht jedenfalls kein Zweifel. Nicht alle beurteilten das so kritisch wie Sokrates Scholasticus. Der koptische Bischof Johannes von Nikiu (7. Jahrh.) sah es so: “Und in diesen Tagen da erschien in Alexandria ein weiblicher Philosoph, eine Heidin namens Hypatia, und sie war stets der Magie hingegeben, den Astrolabien und den Musikinstrumenten, und sie verhexte viele Leute mit satanischen Schlichen. Und der Statthalter in der Stadt [Orestes] erwies ihr übermä8ig Ehre, denn sie hatte ihn mit ihrer Magie verzaubert. Er hörte auf die Kirche zu besuchen wie er es gewohnt gewesen war … Und er tat nicht nur dies, sondern zog viele Gläubige zu ihr hinüber, und er selbst empfing die Ungläubigen in seinem Haus…..Danach erhob sich eine Menge von solchen die an Gott glaubten unter der Anführung von Peter dem Magistrat – nun dieser Peter glaubte vollkommen in allen Aspekten an Jesus Christus – und sie begaben sich auf die Suche nach dieser heidnischen Frau, welche die Leute in der Stadt und den Statthalter behext hatte durch ihren Zauber. Als sie die Stelle erfuhren, wo sie sich aufhielt, da gingen sie zu ihr und fanden sie auf einem erhabenen Stuhl sitzen. Sie zwangen sie herunterzusteigen und schleppten sie mit sich, bis sie sie zu der großen Kirche brachten, die Caesarion heißt. Nun das war in den Fastentagen. Und sie rissen ihr die Kleider herunter und schleiften sie durch die Straßen der Stadt bis sie starb. Und sie trugen sie zu dem Platz der Cinaron heißt und verbrannten ihren Körper im Feuer. Und die Leute umringten den Patriarchen Kyrill und nannten ihn den ‘neuen Theophilos’, den er hatte die letzten Reste des Götzendienstes in der Stadt vernichtet.” –(The Chronicle LXXXIV.87-88, 100-103). Orestes beklagte sich beim Kaiser, Kyrill musste für einige Zeit auf seine Schlägerbande verzichten. Nach seinem Tod wurde er umgehend heiliggesprochen.

Materialquellen Montage Porträt

deeprootsmag.org, http://amazone1.twoday.net/topics/Sappho/ „Sappho“-Fresko, Pompeji

Astrolabium

Staatsbibliothek Berlin (Toledo 1029)

Cyril

http://www.traditioninaction.org/SOD/j061sdCyril2-9.htm

Pharos

http://www.weltwunder-online.de/fullsize/pharos-1.jpg

Gemälde

Ambrose Dudley: The Burning of he Library at Alexandria in 391 AD

Bilder im Text Für ihre Schönheit… v-l-n-rRaffael: John Toland

Philosophen von Athen (Ausschnitt) 1720

nach Wikipedia

Maurice Gaspard 1862-1917 Rachel Weisz

nach Wikipedia im Film Agora

Theophilos nach Catholic Online Kyrill nach Wikipedia Theophilos triumphiert auf dem Serapion nach Wikipedia Die Philosophen von A. Masolino de Panicale

nach Tattva Viveka Mag. Tattva.de

Text de.wikipedia :Hypatia www.frauen-informatik-geschichte.de : Hypatia von Alexandria www,fh-kiel.de : Lehre für Alle – Hypatia von Alexandria www.smithsonianmag.com : Hypatia, Ancient Alexandrias Great Female Scholar deeprootsmag.org : Hypatia. A Brief History www.tattva.de : Hypatia aus Alexandria – Ein Sterbegesang auf die Ganzheitlichkeit antiker Philosophie www.scinnex.mobi/dossier

Hypatia – Tod für die Wissenschaft