Heft 3: Architektur auf dem Papier = L'architecture sur le papier = Architecture on paper

Schwankende Höhen Autor(en): Ullmann, Gerhard Objekttyp: Article Zeitschrift: Werk, Bauen + Wohnen Band (Jahr): 76 (1989) Heft 3: Architektur ...
Author: Mona Klein
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Schwankende Höhen

Autor(en):

Ullmann, Gerhard

Objekttyp:

Article

Zeitschrift:

Werk, Bauen + Wohnen

Band (Jahr): 76 (1989) Heft 3:

Architektur auf dem Papier = L'architecture sur le papier = Architecture on paper

PDF erstellt am:

30.08.2017

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-57525

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Schwankende Höhen Zusammen mit dem Bau¬ haus-Archiv hat die Technische Uni¬ versität Berlin ein Kapitel der Archi¬ tekturgeschichte aufgearbeitet. In Form einer Ausstellung und eines Kataloges (Argon Verlag. Berlin) wurde «Der Schrei nach dem Turm¬ haus » mit wissenschaftlicher Akribie erforscht. Das kulturpolitische Lehr¬ stückdreht sich um drei Wettbewerbe für Turmhäuser zwischen 1921 und 1929. Bekannt ist das Projekt "Wabe- von Mies van der Rohe (Wettbewerb am Bahnhof Friedrich¬ strasse 192111922), unbekannt wa¬ ren bisher die genaueren Umstände der Turmhauswettbewerbe. etwa die früheren Versionen einer «Corpo¬ rate Identity», die Vernetzung von Selbstdarstel¬ unternehmerischer lung und Jury urteil. «Der Wolkenkratzer ist das Haus des Jahrhunderts, weil er das ausdrückt, was das Jahrhundert zu dem macht, was es ist. Das Hochhaus heute ist ein paradoxes Ding: stan¬ dardisierte, unpersönliche, charak¬ terlose Räume verwandeln sich in Monumente, die Persönlichkeit ha¬ ben und Schicksal. Ob es uns gefällt oder nicht: Sie sind der Massstab, der höchste Punkt, die Verherrlichung der Konsum- und Kapitalgesell¬ schaft. Kein anderer Bautyp verkör¬ pert so viele Kräfte der modernen Welt, kein anderer reagiert empfind¬ licher auf Veränderungen in Ge¬ schmack und Gesinnung.» Die Ein¬ schätzung der amerikanischen Ar¬ chitekturjournalistin Ada Louise Huxtable mag in einigen Punkten übertrieben sein, doch verrät sie et¬ was von der Faszination, die wir dem Hochhaus entgegenbringen: Bewun¬ derung der Technik und städtebau¬

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liche Kritik, formale Meisterschaft und soziale Anonymität stehen sich als unversöhnliche Gegensätze ge¬ genüber. Das Hochhaus ist noch immer ein unbewältigtes Problem inmitten städtischer Ballungsgebie¬ te, für dessen Rechtfertigung weder wirtschaftliche noch ästhetische Kri¬ terien ausreichend sind. Nicht nur seine hohen Investitionskosten, auch der massive Eingriff in die Infra¬ struktur der Stadt zwingen, über das singulare Bauwerk hinauszusehen und die Auswirkungen auf Umge¬ bung und Stadt zu überdenken. Die Belastungen sind oftmals grösser als das wetterwendische Image, die kli¬ matischen Veränderungen weitrei¬ chender als seine propagierte Wirt¬ schaftlichkeit, die Steuerung des wachsenden Verkehrs ungleich schwieriger zu lösen als die baupoli¬

zeilichen Auflagen. So sind proportional zur Hö¬ henentwicklung auch die städtebau¬ lichen Probleme gewachsen, die Dis¬ krepanz zwischen technischem Stan¬ dard und sozialer Akzeptanz ist noch grösser geworden. Wie flink man heute Trends mit Imagepflege ver¬ bindet, wie fliegend der Wechsel von der Kultur zum Kommerz inzwi¬ schen ist. beweist Deutschlands agil¬ ster Architekturpromoter Heinrich Klotz mit einem herausfordernden Vergleich: In Frankfurt wie in Chica¬ go, so Heinrich Klotz, habe man den Mut gehabt, die City bedingungslos den Wolkenkratzern zu öffnen. Die¬ sem Mut verdanke Frankfurt seine neue Identität. Verständlich: Nach einer kurzen Liaison zwischen Kom¬ merz und Kultur, aus der attraktive Museumsbauten hervorgegangen sind, kann man nun wieder ohne Ein¬ haltung einer sozialen Schamfrist offen über die weitere Kommerziali¬ sierung der Finanzmetropole spre-

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Ideenwettbewerb Hochhaus am Bahnhof Friedrichstrasse. Berlin. 1921/1922

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Hugo Häring. «Funktionale Form»

Ludwig Mies van der Rohe. «Wabe»

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chen. Das neue Messesignet O.M. Ungers Torhaus auf dem Messege¬ lände hat sich gegenüber allen ar¬ chitekturkritischen Einwänden als werbewirksames Symbol durchge¬ setzt und damit den hohen Grad der Kommerzialisierung bestätigt, der in Frankfurt und in Chicago, in New York und in London Banken und Versicherungen als potente Bau¬

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träger immer wieder ermuntert, auf eine extreme Ausnutzung der Grund¬ stücke zu setzen. Vor diesem Hintergrund ist die Ausstellung im Berliner Bau¬ haus-Archiv mit dem expressiven Titel «Der Schrei nach dem Turm¬ haus» mehr als nur eine nüchterne Dokumentation dreier Wettbewerbe: 1921/22 Berlin, Turmhaus AG 1922 Chicago Tribune 1929 Berlin, BVG. Den Mittelpunkt der Ausstel¬ lung bildet ein von der Turmhaus AG 1921/22 für die unmittelbare Umge¬ bung des Bahnhofs Friedrichstrasse ausgelobter Hochhauswettbewerb. Die Dokumentation dieser Entwürfe ist ein kulturpolitisches Lehrstück, das daran erinnert, wie vernetzt Wirt¬ schaftsinteressen und Juryurteile oft¬ mals sind. Die Chance, das Ausstel¬ lungsthema zu aktualisieren, läge in einem Zeitvergleich. Doch Aus¬ schreibungen und Verfahrenswei¬ sen, Urteilsbegründungen und Pres¬ sereaktionen münden in eine neue wissenschaftliche Unübersichtlich¬ keit. Mies van der Rohes Ausspruch «weniger ist mehr» wird durch ein Übermass an Kommentaren ins Ge¬ genteil verkehrt. Die Idee zu diesem Hoch¬ hausthema entwickelte sich aus einer Lehrveranstaltung der TU; anwach¬

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sende Materialfülle und das rege In¬ teresse der Studenten führten zu einer

Kooperation mit dem Bauhaus-Ar¬ chiv. Diese kopflastige Vorarbeit prägt die Ausstellung. Sie gleicht einem aufgefächerten Katalog, die Aufklärung mit den Mitteln der Wandzeitung bestreitet. Die 40 Wett¬ bewerbsarbeiten sind in einem Oval Ludwig Hilberseimer, nichteingereichter Wettbewerbsbeitrag für Chicago Tribu¬ ne, 1922

Ludwig Mies van der Rohe, Entwurf für ein Hochhaus, ca. 1922 Walter Gropius/Adolf Meyer, Wettbe¬ werbsvorentwurf für Chicago Tribune, 1922

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zusammengefasst, die Kommentie¬ rung der einzelnen Arbeiten ist bis ins Detail vorgenommen. Mag auch der Fleiss der Kommentatoren wissen¬ schaftlich respektabel sein, zu einer einsichtigen Gliederung gelangen die Ausstellungsmacher nicht. Durch Fussnoten tief in die Historie ver¬ strickt, wird eine mögliche Aktuali¬ sierung eingeschränkt und die not¬ wendige Klärung dem Besucher

überlassen. Die Ausstellungsgestal¬ ter, die mit der Präsentation der drei Wettbewerbe auch Unterschiede zwischen den deutschen Architekten und ihren amerikanischen Kollegen zeigen wollen, demonstrieren dies am Beispiel der Ausschreibung der Chicago Tribune, die ein halbes Jahr nach dem Berliner Wettbewerb den Neubau eines Redaktionsgebäudes auslobte. Die Preisvergabe, die aus der Sicht der deutschen Teilnehmer enttäuschte, war nicht allein das Er¬ gebnis einer konservativen Jury, sie verdeutlichte auch die Unterschiede, die zwischen dem funktionalen Prag¬ matismus der Amerikaner und der um baukünstlerische Formen rin¬ genden deutschen Architektenschaft bestanden, die den historischen Fas¬ sadenschmuck ihrer amerikanischen Kollegen ablehnten. Den deutsch¬ amerikanischen Dissens kommen¬ tierte die «Bauwelt» 1923: «Die künstlerisch ernstzunehmenden Ar¬ beiten aus Deutschland immerhin sind entweder eine ganze Reihe überhaupt nicht genannt oder haben eine ehrenvolle Erwähnung gefun¬ den. Dem amerikanischen Ge¬ schmack aber entspricht offenbar al¬ lein eine gewisse glatte und ge¬ schickte, aber völlig geistlose An¬ bringung europäischer Schmuckfor¬ men in einem im übrigen gleichgülti¬ gen Baukörper.» Weitblick und wissenschaft¬ liche Akribie: Dass trotz gestalteri¬ scher und didaktischer Mängel die Ausstellung sich nicht im Dickicht von Details verirrt, verdankt sie den überragenden Beiträgen des ersten Wettbewerbes: den Arbeiten von Mies van der Rohe, Erich Mendel¬ sohn, Hans Scharoun, Hugo Häring und denen der Luckhardt Brüder, die sich durch Denkschärfe, Ortsbezug, aber auch durch formale Sicherheit gegenüber den noch in monumenta¬ len Grossformen denkenden Konser¬ vativen deutlich abheben. Es ist be¬ zeichnend für den Geist der Jury, dass ausser einem Ankauf Scharouns keiner der prominenten Architekten einen Preis erhielt. Stärker noch als in den Entwurfsskizzen tritt der Gegen¬ satz zwischen Moderne und Tradi¬ tion in den vier nachgebauten Model¬ len in Erscheinung: In einer Zeit¬ spanne von etwa acht Jahren hatten die sich Ausgangsbedingungen grundlegend verändert. Anhaltende gerichtliche Auseinandersetzungen zwangen den Auslober des Jahres

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