Gewerkschaftliche Interessenvertretung und Organisierung in der Leiharbeit
Tobias Wölfle, Uni Jena
Gewerkschaftliche Interessenvertretung und Organisierung in der Leiharbeit Tagung „Interessen und Interessenvertretung von ju...
Gewerkschaftliche Interessenvertretung und Organisierung in der Leiharbeit Tagung „Interessen und Interessenvertretung von jungen Prekären“ Am 1.4.2009 in Berlin Hans-Böckler-Stiftung / DGB Jugend 1
Interessenvertretung und Organisierung in der Branche
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Nur wenige Betriebsräte – keine soziale Einheit Betrieb, hohe Fluktuation – Repression der Arbeitgeber – Bestehende BR werden häufig von Internen (Organisierungsvorteil) dominiert
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Niedriger Organisationsgrad – BR hat wenig Kontakt zu Beschäftigten
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Keine Arbeitskampffähigkeit
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Interessenvertretung und Mitgliedergewinnung in den Entleihbetrieben •
Grundsätzlich bessere Möglichkeiten der Interessenvertretung und Werbung – Kontrolle der Leiharbeit – Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit
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In der Regel kaum genutzt – Es wird keine Zuständigkeit gesehen (Randbelegschaft) – Leiharbeiter werden als Puffer für die Stammbelegschaft instrumentalisiert – Leiharbeiter werden als Schmutzkonkurrenz gemieden – Unwissenheit im Umgang mit Leiharbeit
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Ansatz: außerbetriebliche Vernetzung • Informationsangebote im Internet – Aktuelle Nachrichten zur Leiharbeit – Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Musterarbeitsverträge – Handlungshilfen für Leiharbeiter und Entleihbetriebsräte
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Vernetzung – Foren zum Austausch über Leiharbeit – Zoom-Workshops zum Austausch der Aktiven – Plattform für die Präsentation der lokalen AK MIZ
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AK MIZ (Arbeitskreis Menschen in Zeitarbeit) • •
Lokale Gruppen von LAN und BR`s aus Ent- und Verleihbetrieben Ziele: – Sensibilisierung innerhalb und außerhalb der Organisation für die Probleme der Leiharbeiter – Entwicklung von know how im Umgang mit Leiharbeit
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Arbeitsschwerpunkte: – Organisierung regelmäßiger Treffen von LAN und Betriebsräten aus Ent- und Verleihbetrieben – Organisierung von Seminaren, Infoständen usw.
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Leiharbeitskampagnen in den Bezirken:
BZL BBS: „Zeitarbeit menschlich“
BZL NRW „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“
• Ansatz: Regulierung und Werbung über die Entleihbetriebe – Ermöglicht Nutzung der Organisationsmacht und Kontaktmöglichkeiten in den Entleihbetrieben 6
Arbeitsschwerpunkte der regionalen Kampagnen: • Fachtagungen, Workshops und Seminare zu Leiharbeit – Sensibilisierung und Informierung über Leiharbeit
• Organisierung der Betreuung von LAN in den Entleihbetrieben – BBS: Zeitarbeitsbeauftragte
• Unterstützung betrieblicher Kampagnen – Ziel Begrenzung des Leiharbeitereinsatzes, Besserstellungen – Beratung, Bereitstellung von Materialien
• Skandalisierung der Situation in der Leiharbeit – BBS: Sozialreport Zeitarbeit
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Leipziger Appell/ Bundesweite Kampagne Ziele: – Gesetzliche Regulierung der Leiharbeit – 400 Besserregelungen; 10.000 neue Mitglieder
Unterstützung betrieblicher Kampagnen (Materialien, Konzept) – Konfliktorientiert: Durchsetzung der Regelungen in einem offenen Konflikt (Öffentlichkeitsorientiert) – Beteiligungsorientiert: Einbeziehung der Stamm- und Leiharbeiter (Aktionen, Information) – Mitgliederorientiert: Ansprache und Werbung der Leiharbeiter 8
Interessenvertretung von Leiharbeitern in der Krise
Gewerkschaftliche Handlungsoptionen: • Skandalisierung der Massenentlassung von Leiharbeitern • Briefe an organisierte LAN mit Hilfsangebot bei Kündigung – Problem: ZAF versprechen den LAN Wiedereinstellung bei Aufschwung, LAN verzichten daher häufig auf Kündigungsschutzklage
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Kurzarbeit für LAN (Bsp. Adecco-IGM Köln)
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Forcierung betrieblicher Regelungen mit Blick auf die nächste Konjunkturbelebung
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Fazit I: Leiharbeiter brauchen Unterstützung
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Leiharbeiter kaum in der Lage Organisationsmacht herzustellen – strukturelles Organisations- und Machtdefizit
zwei Ansatzpunkte für Unterstützung: 1. Solidarität der Stammbeschäftigten Ansatzpunkt für Solidarität: – Prekarität betrifft alle! Leiharbeiter und Festangestellte
2. Einbeziehung der Öffentlichkeit – Skandalisierung der Zustände; Öffentlicher Druck auf Verantwortliche
Einbeziehung der Leiharbeitnehmer und Stammbeschäftigten – Z.B. über Gründung von betrieblichen Tarifkommissionen
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Beteiligung führt zu Identifizierung mit der Gewerkschaft Spiegelt sich in höheren Organisationsgrad
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Fazit III: Prekarisierung als einen politischer Prozess verstehen •
Arbeitgeber nutzen Leiharbeit nicht nur zur Flexibilisierung (also für kurzzeitige Personalengpässe), sondern offen zur Umgehung erreichter Standards – strategischer Einsatz von Leiharbeit als zweite Belegschaft (Lohndumping, Umgehung von Entlassungskosten (Abfindungen, Sozialplan), Bsp. Nokia, BMW) – Firmeninterne Leiharbeitsfirmen (Bsp. Autovision) – Leiharbeit als Mittel zum Streikbruch (Bsp. Telekom, Handel)
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Leiharbeit als Mittel zur Produktion „gefügiger Arbeitskräfte“ (Boltanski/Chiapello 2003) – Betrifft auch die Stammbelegschaft