Gentechnik im Kochtopf

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Wissenswertes für Konsumenten

Die kann was.

GENTECHNIK IM KOCHTOPF Informationsbroschüre für KonsumentInnen

AutorInnen: Petra Lehner Michael Eckerstorfer

1. Auflage April 2006

Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Prinz-Eugen-Straße 20–22 1040 Wien Tel: 01/50165-0 www.arbeiterkammer.at

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Ziel dieser Broschüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Vom Gen zur Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.1 Verwandt und doch verschieden – Biotechnologie und Gentechnik . . . . 9 3.2 Gentechnik – Veränderung mit Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4 Rote, grüne und weiße Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.1 Gentechnik in der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.2 Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion . . . . . . . 11 4.2.1 Transgene Nahrungspflanzen der ersten Generation . . . . . . . . . . 12 4.2.2 Transgene Nahrungspflanzen der zweiten und dritten Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4.2.3 Ausblick transgene Nutzpflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 4.2.4 Transgene Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.2.5 Transgene Mikroorganismen zur direkten Anwendung im Lebensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.2.6 Gentechnisch hergestellte Lebensmittelinhaltsstoffe und Hilfsstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 5 Weltweite Marktsituation bei gentechnisch veränderten Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 5.1 Stetige Ausweitung der globalen Anbaufläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6 Sicher ist sicher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6.1 Der Weg vom Labor auf das Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 6.2 Versuchsanbau in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 6.3 Kommerzieller Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 7 Alles was Recht ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7.1 EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7.1.1 System-Richtinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7.1.2 Freisetzungs-Richtinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7.1.3 Lebens- und Futtermittel-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 7.1.4 Rückverfolgbarkeits-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 7.2 Österreichisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.1 Gentechnikgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.2 Systemverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.3 Freisetzungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.4 Anhörungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.5 Kennzeichnungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3

7.2.6 Saatgut-Gentechnik-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 7.2.7 Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7.2.8 Landesgesetze zur Regelung der Co-Existenz . . . . . . . . . . . . . . . 30 7.2.8.1 Gentechnikfreie Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7.3 Internationale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 8 Von der Theorie zur Praxis – was gibt’s am Markt und am Acker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 8.1 Lebensmittelzulassungen in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 8.1.1 Was ist in der Pipeline? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 8.1.2 Anbau-Zulassungen in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 8.1.2.1 Nationale Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 9 Gentechnik und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9.1 Öffentliche Information und Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9.1.1 Zulassungen – immer am aktuellen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9.1.2 Transparenz über Regeln und Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9.1.3 Mitsprache und Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 9.2 Gentechnik am Lebensmitteletikett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 9.2.1 Was ist zu kennzeichnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 9.2.2 Verunreinigungstoleranz 0,9% je Zutat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 9.2.3 Was muss wo wie stehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 9.2.4 Was ist mit unverpackten Produkten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 9.2.5 Was muss nicht gekennzeichnet werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 9.3 Kennzeichnung andersrum: freiwillige Auslobung „gentechnikfrei“ . . . . 39 9.4 Bioprodukte sind „gentechnikfrei“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 9.5 Österreich ist „kennzeichnungsfrei“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 10 Einkaufen ohne Gentechnik, geht das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 12 Quellen und weiterführende Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Abbildungen Abbildung 1: Universalität des genetischen Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Abbildung 2: Anbaufläche GVP weltweit 1996–2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Abbildung 3: Anträge Versuchsfreisetzungen in der EU 1990–2004 . . . . . . . . . . 24 Tabellen Tabelle 1: Übersicht transgene Nutzpflanzen – Zuchtziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Tabelle 2: Haupteinsatzgebiete von Enzymen bei Lebensmitteln . . . . . . . . . . . . 17 Tabelle 3: weltweiter Anbau – Länderranking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Tabelle 4: Kommerzieller Bt-Mais-Anbau in der EU 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Tabelle 5: Überblick über die in der EU zugelassenen GVO für Lebensmittelzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4

Abkürzungsverzeichnis EFSA EU GPV GTG GVO gv HR IR LM RL m.S. VO WTO

European Food Safety Agengy – Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Europäische Union Genetisch veränderte Pflanze Gentechnikgesetz Genetisch veränderter Organismus genetisch veränderte/genetisch veränderter/genetisch verändertes Herbizidresistenz Insektenresistenz Lebensmittel Richtlinie männliche Sterilität Verordnung World Trade Organisation – Welthandelsorganisation

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1 Einleitung Seit gut 10 Jahren begegnen KonsumentInnen in Österreich der Gentechnik im Lebensmittelbereich mit einer beachtlichen Portion Misstrauen. Während vorher die Verwendung gentechnischer Verfahren in der Lebensmittelproduktion weitgehend ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit vor sich ging, brachte die 1996 anstehende EU-weite Zulassung der ersten gentechnisch veränderten Pflanzen (Mais, Soja) eine Wende. Die Einstellung gegenüber „Gen-Lebensmitteln“ verschlechterte sich nicht nur in Österreich, auch in anderen EU- Ländern stieg die Skepsis. In Österreich fand sie aber vielleicht den dramatischsten Ausdruck: Im April 1997 unterzeichneten 1,255.790 ÖsterreicherInnen das Gentechnikvolksbegehren und sprachen sich damit gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln aus. An einer generellen Technikfeindlichkeit der ÖsterreicherInnen liegt das nicht, denn andere neue Hochtechnologien wie Telekommunikationoder Informationstechniken genießen hohes Vertrauen. Die Gentechnik aber findet sich weit abgeschlagen am vorletzten Platz. Nur die Kernenergie hat ein noch schlechteres Image.1 Die Gründe für die geringe Akzeptanz der Gentechnik im Lebensmittelbereich sind vielfältig und haben nicht nur mit vermuteten Risiken zu tun. Auch andere Technologien bergen Risiken, allerdings wird deren unmittelbarer Nutzen als positiv wahrgenommen und die Technologie daher eher akzeptiert (z.B. Mobiltelefonie). So wird auch die Gentechnik in der Medizin, wo kranken Menschen geholfen werden soll, viel positiver gesehen als im Lebensmittelbereich, wo es bisher keinerlei direkte Vorteile für KonsumentInnen gibt. Auch die Lebensmittelskandale der letzten Jahre, besonders das Auftreten der Rinderseuche BSE, stärkten die Ablehnung. Gentechnik wird als weiterer Schritt zur hochindustrialisierten Landwirtschaft gesehen, die für viele ein Grund für solche Fehlentwicklungen ist. Hinzu kommt das Gefühl, nicht adäquat informiert zu sein. Das traditionelle Bildungssystem ist zu langsam, um die Bevölkerung am aktuellen Stand des Wissens zu halten. Meldungen in Medien sind selten ausgewogen – je nach Meldung und Medium sind sie entweder zu risikolastig oder zu nutzenbetont, häufig unvollständig und damit manchmal falsch oder zu komplex und damit unverständlich. Dazu kommt, dass es in den Supermarktregalen keine gekennzeichneten Produkte gibt, obwohl der weltweite Anbau von „Gen-Pflanzen“ jährlich steigt. All das schafft Verunsicherung und schärft den Blick auf mögliche Risiken, die von solchen Produkten ausgehen können. 1

Ergebnisse regelmäßiger europaweiter Umfragen (EUROBAROMETER)

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Vor diesem Hintergrund gerät auch die Politik in ein Dilemma. Einerseits möchte sie die Gentechnik als eine der modernen Schlüsseltechnologien aus wirtschaftlichen Gründen fördern, andererseits müssen verbindliche Standards in Form gesetzlicher Auflagen geschaffen werden, um eine sichere und transparente Anwendung der Gentechnik zu etablieren. Politiker wollen wiedergewählt werden – und angesichts der großen Skepsis gegenüber der Gentechnik sind Handlungen und Maßnahmen, die einen sorgsamen, vorsorge- und konsumentenorientierten Umgang mit der Gentechnik gewährleisten sollen, nicht nur bei grünen Politikern „en vogue“. Und dann stellt sich auch noch die Frage, welche gentechnischen Anwendungen gezielt unterstützt werden sollen, um einen optimalen volkswirtschaftlichen Nutzen zu erzielen.

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2 Ziel dieser Broschüre Diese Broschüre soll eine Orientierungshilfe bieten, damit KonsumentInnen selbstbewusst und ohne Angst ihre Lebensmittelwahl treffen können. Ein Überblick über das Wesen der Technik, die derzeitigen und zukünftigen Produkte und wie sie für VerbraucherInnen zu erkennen sind, kann bei der Kaufentscheidung helfen und davor schützen, zum Spielball anderer Interessen zu werden.

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3 Vom Gen zur Gentechnik 3.1 Verwandt und doch verschieden – Biotechnologie und Gentechnik Gentechnik wird vielfach auch als „moderne Biotechnologie“ bezeichnet, um ihre Verwandtschaft mit dieser seit rund 4000 Jahren genutzten Technologie zu unterstreichen. Unter Biotechnologie versteht man die Verwendung lebender Mikroorganismen (z.B. Bakterien, Pilze, Hefen) und/oder deren Stoffwechselprodukte zur Herstellung von so gängigen Lebensmitteln wie z.B. Brot, Joghurt, Käse, Wurst, Sauerkraut, Essig, Bier, Wein etc. Gentechnik hingegen ist ein Überbegriff für Methoden, um Erbmaterial aus Organismen zu isolieren, zu analysieren, zu vermehren, zu verändern und wieder in Organismen einzubringen. Sie wurden während der letzten 40 Jahre entwickelt. Die Grundlage dafür bildete das zunehmende Wissen um die Natur und Funktion des Erbmaterials aller Lebewesen: der Desoxyribonukleinsäure (DNS bzw. englisch DNA). Die DNS besteht bei allen Lebewesen, egal ob Mensch, Maus, Fliege oder Virus, aus den gleichen vier Bausteinen, die sich an ihren Enden unterscheiden (4 verschiedene Basen – Adenin, Guanin, Thymin, Cytosin). Drei Basen (Triplett) codieren für eine Aminosäure. Jedes Protein besteht aus Aminosäuren. Wie diese Aminosäuren in einem Protein zusammengestellt sind, bestimmt dessen Form, Eigenschaften und Funktionen. Jegliche Erbinformation ist also in der Abfolge der Bausteine der DNS verschlüsselt. Diese Information wird abgelesen und in Proteine übersetzt. Teilstücke der DNS, welche die Information für spezifische Merkmale enthalten, nennt man Gene. Durch die Weitergabe von Eltern-Genen an die nächste Generation werden Merkmale vererbt. Abbildung 1: Universalität des genetischen Codes

T

N

G

A

2 0

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v e r s c h i e d e n e A m i n o s ä u r e n

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B u c h s t a b e n - z i g t a u s e n d v e r s c h i e d e n e P r o t e i n e

3.2 Gentechnik – Veränderung mit Methode Die Erkenntnis, dass Erbinformation bei allen Lebewesen in der gleichen Weise verschlüsselt ist, bildet die Grundlage der universellen Anwendbarkeit 9

der Gentechnik. Mit Gentechnik kann man Erbmaterial in gewünschter Weise neu kombinieren und technisch nutzbar machen. Wesentliche Meilensteine in der Entwicklung der Gentechnik bildeten die Entdeckung biochemischer Hilfsmittel (zumeist Enzyme), die zur Neukombination gebraucht werden und die Entwicklung von Methoden, um DNS in lebende Zellen einzuschleusen. So konnten erstmals Lebewesen erzeugt werden, die „artfremde“ Gene enthalten. Das Überspringen der Artgrenzen, z.B. vom Menschen auf Bakterien oder von Bakterien auf Pflanzen, ist im Normalfall nicht möglich. Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten somit Gene, die Eigenschaften bringen, die sie sonst nicht haben. Die letzten 25 Jahre haben eine erhebliche Beschleunigung der Entwicklung gebracht. Meilensteine der Gentechnik-Entwicklung (verändert nach vzbv, 2003) 1865 Entwicklung der Vererbungs-Gesetze durch Gregor Mendel 1869 Entdeckung der Desoxyribonukleinsäure (DNS) 1909 Bezeichnung der Mendelschen Erbfaktoren als „Gene“ 1944 Nachweis, dass die DNS Träger der Erbinformation ist 1953 James Watson und Francis Crick entdecken die DNS-Struktur: die berühmte „Doppelhelix“ 1965 Entdeckung molekularer Scheren („Restriktionsenzyme“) durch Werner Arber. 1965 Entschlüsselung des „genetische Codes“ 1973 Erstes gentechnisch verändertes Bakterium 1977 Gene aus menschlichen Zellen werden erstmals in Bakterien eingeschleust 1982 Vermarktung des ersten gentechnisch hergestellten Medikaments (Insulin) (USA) 1986 Erster Freilandversuch mit genetisch veränderten Tabak-Pflanzen (USA) 1990 Vermarktung gentechnisch veränderter Backhefe (Großbritannien) 1990 Gesetzliche Regelung des Anbaus und Inverkehrbringens von GVO in EU 1994 Gesetzliche Regelung des Anbaus und Inverkehrbringens von GVO in Österreich 1996 Entzifferung des gesamten Genoms eines höheren Organismus (Bierhefe) 1996 Erste Zulassung von transgenen Pflanzen in der EU (auch für Lebensmittelzwecke) 1997 Gesetzliche Regelung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln (EUNovel-Food-VO) 2003 Neue gesetzliche Regelung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln (EU-VO über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel) 10

4 Rote, grüne und weiße Gentechnik Die Gentechnik wird grob in vier Felder eingeteilt – rote, grüne, weiße und graue Gentechnik.2 Auf letztere wird in dieser Broschüre nicht eingegangen. Unter „roter Gentechnik“ werden die Anwendung der Gentechnik im medizinischen Bereich verstanden, unter „grüner Gentechnik“ jene im Landwirtschaft- und Lebensmittelbereich. Eine Untergruppe der „grünen Gentechnik“ bildet die „weiße Gentechnik“. Darunter versteht man die gentechnische Herstellung von Lebens- und Futtermittelinhaltsstoffen, Zusatzstoffen, Aromen und Hilfsstoffen in geschlossenen Systemen.

4.1 Gentechnik in der Medizin3 Gentechnik wird in der Medizin zur Grundlagenforschung und zur Entwicklung von diagnostischen Verfahren (Genanalyse) eingesetzt. Beispiele sind die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts oder Testverfahren für Krankheiten. Daneben kommt Gentechnik in der Entwicklung von therapeutischen Methoden (Gentherapie) zum Einsatz z.B. in der Krebsforschung und beim Versuch, Erbkrankheiten zu behandeln. Ein drittes Einsatzgebiet ist die Entwicklung und Produktion von Medikamenten und Impfstoffen. Problematisch sind diese Anwendungen dort, wo Daten durch Gen-Analysen ermittelt werden, die missbräuchlich bzw. gegen die Interessen der untersuchten Person verwendet werden könnten (z.B. von Versicherungen oder Arbeitgebern), wo es zwar Testverfahren für bestimmte Krankheiten gibt, aber keine Behandlung und wo für Patienten gefährliche Techniken benutzt werden (müssen), z.B. bei riskanten Gentherapien.

4.2 Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion Gentechnik soll hier vor allem Züchtungs- und Produktionsverfahren verbessern, beschleunigen und im Umfang erweitern, sei es bei Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren. Praktische Relevanz haben derzeit v.a. gentechnisch veränderte Pflanzen. Bei gentechnisch veränderten Tieren ist die Marktreife noch nicht erreicht. Bei gentechnisch veränderten Mikroorganismen zum direkten Einsatz im Lebensmittel ist das Spektrum noch relativ überschaubar und es erfolgt (noch) keine kommerzielle Anwendung. Mit Hilfe von gentechnisch veränderte Mikroorganismen werden allerdings bereits viele Stoffe hergestellt, die in Lebensmitteln eingesetzt werden (z.B. Zusatzstoffe, Aromen). 2

Einsatz von gentechnischen Methoden zur industriellen Produkten von Non-Food-Produkten für z.B. Feinchemikalien oder Enyzmen für Waschmittelerzeugung oder Einsatz von GVO oder deren Produkte in der Umweltsanierung.

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Auf medizinische Anwendungen wird in dieser Broschüre nur kurz eingegangen

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4.2.1 Transgene Nahrungspflanzen der ersten Generation Gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) der ersten Generation sollen in der landwirtschaftlichen Praxis durch weniger Arbeits- und/oder Spritzmitteleinsatz Vorteile bieten. Die häufigste Veränderung ist der Einbau von Genen, die gegen Unkrautvernichtungsmittel unempfindlich machen. Das Mittel kann dann angewendet werden, ohne der Nutzpflanze zu schaden. Die zweithäufigste Veränderung ist der Einbau von Genen, die in der Pflanze ein Gift erzeugen, das bestimmte Schädlinge von der Pflanze fern hält. So können chemische Schädlingsvernichtungsmittel eingespart werden. Diese zwei Veränderungen sind weltweit die hauptsächlich anzutreffenden gentechnischen Veränderungen. In wesentlich geringeren Ausmaß findet man auch noch virus- und/oder bakterienresistente Pflanzen. Beispiel Herbizidresistente Pflanzen (Soja, Mais, Raps, Reis) Kommerziell verbreitet sind Pflanzen mit Resistenzen gegen Roundup® (Wirkstoff: Glyphosat) und BASTA® (Wirkstoff: Glufosinat), beide Totalherbizide. Totalherbizide blockieren die Photosynthese – alles „Grüne“ stirbt, nur resistente Pflanzen überleben. Die Unkrautbekämpfung wird vereinfacht, die Bodenbearbeitung kann reduziert werden. Für Landwirte kann sich eine Kosten- und Arbeitsersparnis ergeben. Für VerbraucherInnen gibt’s keine Vorteile und jene, die gentechnikfrei konsumieren wollen, erwartet möglicherweise mittelfristig eine Verschlechterung, da es durch vermehrten Einsatz transgener Pflanzen aufwändiger und somit teurer werden kann, gentechnikfrei zu erzeugen. Auch können Resistenzgene auf verwandte Unkräuter überspringen, wenn Vorsichtsmaßnahmen nicht eingehalten werden. Diesen Unkräutern kann das Spritzmittel dann nichts mehr anhaben, zusätzliche Herbizide sind notwendig. In Österreich beispielsweise hat Raps einige wilde Verwandte. Beispiel Insektenresistente Pflanzen (Bt-Mais, Bt-Baumwolle) Derzeit werden v.a. die insektiziden Eigenschaften des Bt-Toxins aus dem Bakterium Bazillus thuringeniensis genutzt. Bt-Gifte sind gegen eine Reihe von Fraßinsekten wirksam. Das bekannteste Beispiel ist wohl Mais, der sich selbst gegen den Maiszünsler schützt. Diese Schmetterlingsart ist speziell in Monokulturen ein schwer bekämpfbarer Schädling. Idealerweise können so chemisch-synthetische Insektizide eingespart werden und der Ernteverlust, der unter ungünstigen Bedingungen bis zu 30% ausmacht, kann verringert werden. Problematisch ist allerdings eine massive und längere Nutzung, weil die bekämpften Insekten so recht schnell widerstandsfähig gegen das Gift werden können. Zudem können Bt-Toxine auch Insekten zu schädigen, die keine Schädlinge sind. 12

Für Herbizid- und Insektenresistente Pflanzen gilt: Spezielle, regional angepasste landwirtschaftliche „Managementsysteme“ müssen implementiert werden und können die Vereinfachung in der Handhabung für Landwirte durch den vermehrten Abstimmungs- und Schutzaufwand letztlich wieder zunichte machen.

4.2.2 Transgene Nahrungspflanzen der zweiten und dritten Generation GVP der zweiten und dritten Generation sollen auch unter widrigen Umweltbedingungen wachsen (nährstoffarme Böden, Dürregebiete) bzw. für VerbraucherInnen positive Eigenschaften aufweisen (bessere Ernährungsqualität, Ausschalten von Allergenen). Anbaugebiete könnten ausgeweitet und der Bewirtschaftungsaufwand (Dünger, Bewässerung etc.) reduziert werden bzw. die Qualität der landwirtschaftlichen Rohprodukte für ihre spätere Verwertung optimiert werden. Marktreife Produkte gibt es hier weltweit (noch) nicht. Auf diese GVP hoffen auch die Entwicklerfirmen, da sie sich durch sie eine Image-Verbesserung der grünen Gentechnik erwarten.

Beispiel Golden Rice (Reis mit ß-Karotin) Reis enthält weder Vitamin A noch die Vorläufersubstanz ß-Karotin. In Gegenden, wo sich Menschen überwiegend von Reis ernähren müssen, treten Mangelerscheinungen wie Schleimhautschäden und damit eine hohe Infektanfälligkeit bzw. im schlimmsten Fall Erblindung auf. Besonders Kinder sind gefährdet. Im „Golden Rice“ wurde ein Stoffwechselweg nachgebaut, mit dem ß-Karotin gebildet wird. Einen Haken hat die grundsätzlich gute Idee aber: Ohne ausreichend Fett kann ß-Karotin nur schlecht aufgenommen werden, bei schlechter Eiweißversorgung bleibt die Infektanfälligkeit bestehen. Das zusätzliche ß-Karotin ohne generelle Verbesserung der Ernährungssituation ist somit wenig wert, ein vollwertigeres Nahrungsangebot löst aber auch das Vitamin-A-Mangelproblem. Auch ist die Menge ß-Karotin im „Golden Rice“ bei weitem nicht bedarfsdeckend. Ein Kind müsste mehrere Kilo Reis essen, um seinen Bedarf zu decken. Beispiel Ausschaltung von Allergenen in Lebensmitteln Hier sind die Ergebnisse noch nicht befriedigend. In gentechnisch veränderten, weniger allergenen Reissorten oder glutenfreiem Weizen ist noch genug allergieauslösendes Material enthalten, sodass ein sicherer Verzehr durch AllergikerInnen nicht garantiert werden kann. 13

4.2.3 Ausblick transgene Nutzpflanzen Die meisten verfügbaren oder kurz vor der Marktreife stehenden GVP sind tolerant gegenüber Unkrautvernichtungsmittel oder resistent gegen Schädlinge. Andere Eigenschaften sind auch in der Entwicklungspipeline von untergeordneter Bedeutung, wohl auch weil sie schwieriger herzustellen sind und im Anbau als auch im späteren Vertriebs- und Vermarktungssystem höhere Anforderungen stellen – es wären zusätzliche und strengere Vorsichtsmaßnahmen auf allen Produktionsstufen einzuhalten. Entgegen der Ankündigungen, dass KonsumentInnen bald mehr direkten Nutzen aus gentechnisch veränderten Pflanzen und daraus hergestellten Lebensmitteln ziehen können, sind diese auch in absehbarer Zukunft nicht in Sicht. Die Zahl der Freisetzungen von GVO mit anderen Eigenschaften als Herbizid- und/oder Insektentoleranz, insbesondere solche mit geänderten Produkteigenschaften, ist in den letzten Jahren nämlich gesunken. Tabelle 1: Übersicht transgene Nutzpflanzen – Zuchtziele Verbesserung agronomischer Eigenschaften INPUT-Eigenschaften

Verbesserung der Produkteigenschaften OUTPUT-Eigenschaften

Herbizidresistenz

Farbe

Schädlingsresistenz

Verlängerte Haltbarkeit

Virusresistenz

Nährstoffzusammensetzung

Bakterienresistenz

Reifeverzögerung

Fadenwurmresistenz

Fettsäurenstoffwechsel

Pilzresistenz

Stärkemetabolismus

Hybridzüchtung

Verarbeitungseigenschaften

Kälte-/Hitzetoleranz

Eliminierung unerwünschter Inhaltsstoffe

Salztoleranz/Trockentoleranz

Herstellung therapeutisch wirksamer Substanzen

Schwermetalltoleranz

Herstellung industrieller Enzyme

Verbesserte Stickstoffaufnahme

Herstellung von erneuerbaren Rohmaterialien

Rot: 1. Generation (Marktreife); Schwarz: 2. Generation (in Erprobung); Blau: 3. Generation (in Entwicklung) (Quelle: Vogel und Potthof, 2003)

4.2.4 Transgene Tiere Gentechnik kann eingesetzt werden, um Tiere mit geänderten Eigenschaften zu züchten. Die Entwicklung speziell bei Säugetieren (Kühe, Schweine, Rinder) ist aber noch nicht weit fortgeschritten. Geforscht wird an verbesserter Futterverwertung, einer Verhältnisänderung von Fleisch und Fettanteil und 14

einer Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten. Transgene Fische sind der Marktreife näher. Hier wird an der Steigerung der Kältetoleranz, der Beschleunigung des Wachstums und der Anpassung an verunreinigte Gewässer gearbeitet. Als die weltweit ersten transgenen Tiere wurden leuchtende Zebrafische für den kommerziellen Vertrieb zugelassen. Ursprünglich wurden sie für Zwecke der Grundlagenforschung hergestellt, werden aber seit Mitte 2003 in Taiwan auch an Aquarienhalter verkauft. Seit Anfang 2004 gibt es auch in den USA Zebrafische zu kaufen, die ein Gen der Seeanemone enthalten, das sie bei Lichteinfall zum Leuchten bringt. Ganz schön groß – Gentechnisch veränderte Lachse Vor allem in den USA, Kanada, Großbritannien, Norwegen und Japan sind bisher 35 verschiedene Fischarten in Fischfarmen versuchsweise gentechnisch verändert worden. Besondere Bedeutung hat dabei der atlantische Lachs, der wichtigste kommerzielle Fisch aus Fischfarmen, mit welchem bereits eindruckvolle Erfolge erzielt wurden (rascherer Wachstum, größere Fische). Die Frage hier ist, wie sich solche „Turbo-Fische“ verhalten, wenn sie aus den Fischfarmen in die freie Wildbahn entkommen. Sie könnten dramatische ökologische Folgen durch die Störung der natürlichen Nahrungsketten auslösen. Als überdimensionale Räuber ist eine fatale Übernutzung der Nahrungsquellen zu befürchten bzw. können auch nachteilige Folgen für Wildlachsbestände durch Paarung mit gentechnisch veränderten Fische nicht ausgeschlossen werden. Dabei könnte sich eine geringere Überlebensrate der Nachkommen ergeben und der Wildlachs mittelfristig aussterben. Wegen dieser Risiken sind gentechnisch veränderte Fische noch nirgends zugelassen. 4.2.5 Transgene Mikroorganismen zur direkten Anwendung im Lebensmittel Mikroorganismen, wie Milchsäurebakterien, Hefen oder Schimmelpilze, werden in der Produktion von vielen Lebensmitteln schon lange eingesetzt. Die Methoden, solche Mikroorganismen gentechnisch zu verändern, sind weit entwickelt und lange erprobt. Mit ihnen können Gärprozesse optimiert und beschleunigt, Störungen bei der Herstellung vorgebeugt und/oder Produkte hygienisch verbessert werden. Anwendbar wären sie bei einer ganzen Palette von Lebensmitteln: Von Getränken (Bier, Wein, Kefir), Joghurt, Sauermilchprodukten, Butter, Käse, Salami und anderen Rohwürsten, Essig, Sojasauce oder Sauerkraut bis hin zum Brot. Da gentechnisch veränderte Mikroben, vielfach noch lebendig, in den Produkten enthalten sind, werden derzeit aus Vorsichts- und wohl auch Imagegründen noch keine derartigen Organismen verwendet. 15

Brot und Bier im Visier Weit fortgeschritten sind Entwicklungen bei gentechnisch veränderten Back- und Brauhefen. Ein abgeschlossenes Projekt beschäftigte sich z.B. mit der Beschleunigung des Gärprozesses beim „Gehen“ von Brotteigen. Durch eine Vervielfältigung der entsprechenden Gene in einer speziellen Backhefesorte konnte eine für die Massenbroterzeugung günstige Verkürzung der Gehzeit und eine Vergrößerung des Brotvolumens erzielt werden. Obwohl seit 1990 in Großbritannien eine Zulassung besteht, wurde diese „Gen-Backhefe“ bisher nicht in der Praxis verwendet. Ebenfalls trotz EUZulassung noch nicht in der Praxis angewendet werden gentechnisch veränderte Hefen beim Bierbrauen. Vor allem alkoholfreies Bier lässt sich mit solchen Hefen kostengünstiger herstellen. Und weil die „Gen-Hefen“ Glycerin erzeugen, schmeckt das so hergestellte alkoholfreie Bier vollmundiger, ohne Zugabe von geschmacksverbessernden Zusätzen (die speziell nach dem deutschen Reinheitsgebot nicht erlaubt sind). Dass aber jedenfalls Vorsicht angebracht ist, beweist ein unerwartetes Ergebnis mit Hefen, die durch gentechnische Veränderung effizienter Alkohol bilden können. Diese Hefen bildeten auch bis zu 30 mal mehr Methylglyoxal, ein giftiges Nebenprodukt der Alkoholfermentation. 4.2.6 Gentechnisch hergestellte Lebensmittelinhaltsstoffe und Hilfsstoffe Dieser Spezialbereich der Anwendung von GVO im Lebensmittelkontext wird häufig auch „weiße Gentechnik“ genannt. Inhaltsstoffe von Lebensmitteln (z.B. Eiweißstoffe, Vitamine, Aromen, Zusatzstoffe etc.) oder Enzyme für die Lebensmittelproduktion werden dabei im Labor erzeugt. Gentechnisch veränderten Mikroorganismen stellen in geschlossenen Systemen (z.B. in Bottichen, Fässern etc.) in großer Menge eine gewünschte Zielsubstanz her. Diese wird dann isoliert, aufgereinigt bzw. aufbereitet und gelangt als Reinsubstanz an Lebensmittelproduzenten. Zwischen einer so hergestellten und dem chemisch-synthetisch erzeugten Pendant besteht kein Unterschied. In manchen Fällen wurde erst durch die gentechnische Herstellung eine Erzeugung möglich bzw. rentabel. Neben lebensmitteltechnologisch wichtigen Enzymen können viele andere häufig in Lebensmittel verwendete Stoffe gentechnisch erzeugt werden: Vitamine (z.B. Vitamin C, B12, B6), Genuss-Säuren (z.B. Milchsäure), Aminosäuren (z.B. Lysin), Aromen (z.B. Butteraroma Diacetyl), Süßstoffe (z.B. Thaumatin, Aspartam), Geschmacksverstärker (z.B. Glutamat), Farbstoffe (z.B. Zuckercouleur) und viele andere Zusatz- und Hilfsstoffe. In diesem Bereich sind auch in Zukunft die meisten Innovationen zu erwarten. Enzyme – Heinzelmännchen der Lebensmitteltechnologen Enzyme werden in vielfältiger Weise bei der Lebensmittelherstellung einge16

setzt und heutzutage häufig gentechnisch hergestellt. Die Kenntnisse über biochemische Prozesse in Lebensmitteln und während der Verarbeitung sind gut erforscht, die gentechnische Produktion von Enzymen hat deren Preis verringert und letztlich können gentechnisch maßgeschneiderte Enzyme hergestellt werden, die den Spielraum der Lebensmitteltechnik stark erweitern. Wenn ein Enzym intakt im Endlebensmittel verbleibt, ist das allergene Potential des Enzyms risikorelevant. Dies gilt allerdings auch für herkömmlich hergestellte Enzyme. Meist ist im fertigen Lebensmittel kein bzw. kein intaktes Enzym mehr enthalten, weil die Produkte entweder nur vorübergehend im Kontakt mit dem Enzym waren bzw. durch die Weiterverarbeitung (Erhitzen, Säuern) die Enzyme inaktiviert werden. Problematisch sind allergene Wirkungen vor allem an Arbeitsplätzen, wo Kontakt mit enzymhaltigem Staub besteht. Tabelle 2: Haupteinsatzgebiete von Enzymen bei Lebensmitteln Süsswaren

Umwandlung von Stärke in Zucker (Glucose/Fructose-Sirup)

Brot und Backwaren

Einfachere, schnellere Teigverarbeitung; bessere Haltbarkeit/Tiefkühlfähigkeit

Käse- und Milchprodukte

Milchgerinnung durch gentechnisch erzeugtes Chymosin; Milchzuckeraufschluss

Wurst und Fleischprodukten

Fleischreifung (Zartheit, Aroma); Verhindern des „Zusammenklebens“

Obst- /Gemüse

Erleichtertes Schälen, Entbitterung; leichtere Herstellung von Konzentraten

Säfte, Bier und Wein

Höhere Ausbeute; Qualitätsverbesserung; bessere Klärung/Filtration;

Veränderung von Lebensmittelzutaten

modifizierte Fette (z.B. streichfähiger) oder Stärken (z.B. Fettaustauschstoffe); Eiweißverarbeitung (z.B. Milchimitate)

Produktion von Zusatzstoffen, Süßstoffen und Aromen

Glutamat, Aspartam, Zitronensäure, Käse-/Butteraroma, Eiweißaromen (Würze, Bratenaroma), Zitrusaroma aus Schalen etc.

Süßes ohne Ende? Aus gleich mehreren Gründen ist Süßes ein Gentechnik-Thema: Zum einen stammt Stärke als Rohstoff für die großtechnische Süßungsmittelerzeugung teilweise aus gentechnisch verändertem Mais. Zum anderen stammen die meisten Enzyme der Stärkeverzuckerung aus gentechnischer Produktion. Erst mit ihrer Hilfe war die großtechnische Zuckerproduktion aus Stärke wirtschaftlich interessant. Außerdem können so Zuckersirupe mit verschiedenen Eigenschaften hergestellt werden z.B. für SoftDrinks. In den USA hat Fruktosesirup Rüben- oder Rohrzucker für SoftDrinks weitgehend verdrängt. Drittens können auch Zuckerersatzstoffe 17

wie z.B. der Süßstoff Aspartam mittels gentechnisch veränderter Mikroorganismen billiger erzeugt werden. Vegetarischer Käse Schon länger wird speziell in den USA und Großbritannien gentechnisch erzeugtes Chymosin bei der Produktion von Hartkäsen als Ersatz Labferment aus Kälbermägen bzw. Labaustauschstoffe aus Pflanzen verwendet. Einige solche Chymosinprodukte (z.B. ChyMax, Maxiren) sind auch in West- und Osteuropa, mit Ausnahme von Österreich und Frankreich, zugelassen. Für VegetarierInnen bietet so erzeugter Käse den Vorteil, dass er ohne Kälber-Lab erzeugt wird.

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5 Weltweite Marktsituation bei gentechnisch veränderten Pflanzen 5.1 Stetige Ausweitung der globalen Anbaufläche Global hat die kommerzielle Verwendung von GVP in den letzten 10 Jahren massiv zugenommen. 2005 betrug die Anbaufläche ca. 90 Millionen Hektar, überwiegend auf vier Nutzpflanzenarten verteilt – Soja, Mais, Raps und Baumwolle. Neu hinzugekommen ist schädlingsresistenter Reis, der 2005 erstmals im Iran angebaut wurde. Zudem werden in den USA nunmehr auch gentechnisch veränderte Zucchini und Papayas genutzt. In nunmehr 21 Ländern bewirtschaften Landwirte ihre Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen, mengenmäßig nennenswert vor allem in den USA, Argentinien, Brasilien, Kanada und China. Den stärksten Zuwachs gab es 2005 in Brasilien. Dort vergrößerten sich die Anbauflächen für transgene Sojabohnen von 5 auf 9,4 Millionen Hektar. Mehr als 71% des weltweiten Anbaus entfiel 2005 auf herbizidresistente Pflanzen, gute 18% auf Bt-Pflanzen und 11% auf sogenannte „stacked genes“ (mehrere Veränderungen in einer Pflanze). Letztere Gruppe ist die am raschesten wachsende Gruppe, mit einem Zuwachs von +49% (im Vergleich im Jahr davor: +9%). Abbildung 2: Anbaufläche GVP weltweit 1996–2005 Nutzpflanze

gv-Soja gv-Mais gv-Baumwolle gv-Raps

Weltweite Anbaufläche 2005 (in Mio ha) 54,5 21,1 9,8 4,6

Anteil an der Gesamtfläche für diese GVP 60 % 24 % 11 % 5%

(Quelle: ISAAA)

(Quelle: www.transgen.de)

Die Anbauzahlen für GVP werden jährlich vom internationalen Agro-Biotechnologie-Verband ISAAA ermittelt. Nach ISAAA-Angaben nutzten im vergangenen Jahr weltweit 8,5 Millionen Landwirte GVP. Die ISAAA veröffentlicht die Berichte auf ihrer Homepage (http://www.isaaa.org/).

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Tabelle 3: weltweiter Anbau – Länderranking Land

Millionen Hektar

USA

49,8

Soja, Mais, Baumwolle, Raps, Zucchini, Papaya

Argentinien

17,1

Soja, Mais, Baumwolle

Gentechnisch veränderte Pflanzen

Brasilien

9,4

Soja

Kanada

5,8

Raps, Mais, Soja

China

3,3

Baumwolle

Paraguay

1,8

Soja

Indien

1,3

Baumwolle

Südafrika

0,5

Mais, Soja, Baumwolle

Uruguay

0,3

Soja, Mais

Australien

0,3

Baumwolle

Mexiko

0,1

Baumwolle, Soja

Rumänien

0,1

Soja

Philippinen

0,1

Mais

Spanien

0,1

Mais

Kolumbien