Gender und Gender Mainstreaming in der Entwick lungszusammen

docupoint Magdeburg Druckerei und Verlag www.docupoint-­md.de info@docupoint-­md.de Trainingshandbuch Das Handbuch ersetzt weder Erfahrungen in der ...
Author: Rolf Egger
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docupoint Magdeburg Druckerei und Verlag www.docupoint-­md.de info@docupoint-­md.de

Trainingshandbuch

Das Handbuch ersetzt weder Erfahrungen in der Moderation von Trainings noch die weitergehende Befassung mit dem Genderdiskurs. Auch ist es nicht als Rezeptbuch für die Durchführung von Gender Trainings zu verstehen. Allerdings setzt es Standards durch eine theoretische Fundierung und ermutigt zur Reflexion von Gender als Strukturkategorie und soziale Institution.

Regina Frey. Gender und Gender Mainstreaming in der EZA

Das Handbuch gibt theoretische Impulse und praktische Hinweise für die Gestaltung von Gender Tainings im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Es entstand aus einer Trainingsreihe, die vom WIDE-­Netzwerk in Österreich organisiert und von der Autorin moderiert wurde. Hinweise zu Anforderungen an Trainerinnen und Trainer geben den Beteiligten Orientierung für eine erfolgreiche Durchführung von Trainings. Durch eine Einführung in Grundkonzepte und Strategien für Geschlechtergerechtigkeit wird eine Wissensbasis für TrainerInnen gelegt. Die „Toolbox“ mit praktischen Übungen kann als Grundlage für die Konzeption von Gender Trainings dienen. Was eine durchgängige Berücksichtigung von Genderdimensionen und Genderwissen im Sinne der Strategie Gender Mainstreaming heißen kann, wird durch den Ansatz der Verankerung auf struktureller, personeller und inhaltlicher Ebene von Organisationen (SPI) verdeutlicht.

WIDE-­Netzwerk & genderbüro Berlin

Trainingshandbuch Gender und Gender Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit

Regina Frey

Gender und Gender Mainstreaming in der Entwicklungs-­ zusammenarbeit Impulse für eine genderreflektierte und an Geschlechtergerechtigkeit orientierte Arbeit von Nichtregierungs-­ organisationen

Hrsg.: WIDE-­Netzwerk Women in Development Europe genderbüro Berlin

Regina Frey

TRAININGSHANDBUCH

Gender und Gender Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit Impulse für eine genderreflektierte und an Geschlechtergerechtigkeit orientierte Arbeit von Nichtregierungsorganisationen

WIDE – Netzwerk Women in Development Europe & genderbüro Berlin (Hrsg.)

docupoint Verlag Magdeburg 2007

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Zur Autorin Regina Frey ist Politikwissenschaftlerin und leitet das genderbüro in Berlin. Sie arbeitet als Gender-­ beraterin und -­trainerin für Verwaltungen, Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie Forschungseinrichtungen und lehrt im Bereich Genderkompetenz. Ihr besonderes Interesse gilt der Schnittstelle zwischen Gendertheorien und praktischer Geschlechterpolitik. Sie ist Mitverfasserin des Gender-­Manifests und hat vielfach zu den Themen Gender Mainstreaming, Gender Budgeting und Gender Training veröffentlicht. Weitere Informationen unter www.gender.de Zu WIDE –– Netzwerk Women in Development Europe Das Netzwerk wurde 1992 gegründet und ist ein Zusammenschluss entwicklungspolitischer NROs in Österreich, vertreten durch Expertinnen in den Bereichen Projekt-­, Bildungs-­ und Anwaltschaftsarbeit sowie Wissenschaftlerinnen und Einzelfrauen. Weitere Informationen unter www.oneworld.at/wide

Gefördert von

Regina Frey Trainingshandbuch Gender und Gender Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit. Impulse für eine genderreflektierte und an Gendergerechtigkeit orientierte Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. ISBN 978-­3-­939665-­66-­5 1. Auflage, 2007 © docupoint Verlag •• Maxim-­Gorki-­Straße 10, 39108 Magdeburg http://www.docupoint-­md.de Satz und Layout: Irene Weichselbaumer Umschlagentwurf und Gestaltung: Irene Weichselbaumer Herstellung: docupoint GmbH, Magdeburg Printed in Germany 2

Inhalt

Inhalt 1. Einleitung: Zum Gebrauch eines Trainingshandbuches ............................................. 5 2. Rahmenbedingungen ................................................................................................. 8 2.1 Anforderungen an Gender Trainings und Gender TrainerInnen in der EZA ............ 8 2.1.1 Genderkompetenz von Gender TrainerInnen und BeraterInnen .................... 9 2.1.2 Theoretische Verortung der Trainerin/ des Trainers .................................... 13 2.1.3 Vernetzung ................................................................................................ 14 2.2 Institutionelle Einbettung von Gender Training und Vorbereitung ....................... 15 3. Grundkonzepte: Gender und Gender Mainstreaming ............................................. 3.1 Gender als multidimensionales Konzept .............................................................. 3.2 Gender Mainstreaming und Gender Training ....................................................... 3.2.1 Gender Mainstreaming als Strategie .......................................................... 3.2.2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Strategien zur Gleichstellung ...... 3.2.3 Zur Geschichte des Gender Mainstreaming ................................................ 3.2.4 Gender Training – ein Instrument des Gender Mainstreaming? ..................

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4. Toolbox –– Genderkompetenz ................................................................................... 4.1 Ebene: Personalkompetenz ................................................................................. 4.1.1 Soziometrische Aufstellungen .................................................................... 4.1.2 Reflexion von Geschlechterverhältnissen in Berufslaufbahnen .................... 4.1.3 Typische Gesten ......................................................................................... 4.1.4 Unser Genderkörper .................................................................................. 4.1.5 Rollenspiel: Genderkonflikt ........................................................................ 4.1.6 Frauen sind …??? Männer sind …??? ......................................................... 4.1.7 Liniendiskussion .........................................................................................

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Inhalt

4.1.8 Eine Gendergeschichte ............................................................................... 63 4.1.9 Gender-­Quiz .............................................................................................. 68 4.2 Ebene: Organisationsstrukturen .......................................................................... 73 4.2.1 Die Genderarchäologie von Organisationen nach Anne Marie Goetz ......... 75 4.2.2 Organisationsdiagnose nach SPI ................................................................ 82 4.2.3 Annäherung an Gender Budgeting ............................................................ 88 4.2.4 Integration von Genderaspekten ins Qualitätsmanagement (QM) .............. 92 4.3 Ebene: Programme und Projekte ......................................................................... 96 4.3.1 Genderanalysen: Ebene der Zielgruppen .................................................... 99 4.3.2 Genderaspekte in Programmen und Projekten ......................................... 119 5. Literatur .................................................................................................................. 5.1 Zitierte und weiterführende Literatur ................................................................ 5.2 Literatur zu Gender in Organisationen................................................................ 5.3 Literatur zu Gender Budgeting ........................................................................... 5.4 Literatur zu Instrumenten des Gender Planning ................................................. 5.5 Auswahl an Handbüchern für Gender Training .................................................. 5.6 Gender im Internet ............................................................................................

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Danksagung ................................................................................................................ 143

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Einleitung

1. Einleitung: Zum Gebrauch eines Trainingshandbuches Das vorliegende Handbuch entstand aus einem Projekt, das das WIDE-­Netzwerk in Öster-­ reich im Jahr 2007 durchführte: In fünf Bausteinen fand ein „Gender Training of Trainers“ für Mitarbeitende aus entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen (NROs) statt. Hier wurden Konzepte diskutiert, Übungen erprobt und dokumentiert. Dabei war die Baustein-­ reihe ähnlich strukturiert wie das nun daraus entstandene Handbuch: Zunächst ging es um eine Einführung in Grundkonzepte, darauf aufbauend wurde auf den drei Ebenen „Personal“, „Organisation“ sowie „Programme und Projekte“ an Beispielen der beteiligten NROs gearbei-­ tet. Insofern ist ein Großteil der hier vorgestellten Übungen bereits in Bezug auf NRO-­Arbeit erprobt. Dies könnte dazu verführen, das vorliegende Handbuch als Gebrauchsanweisung für ein Gender Training zu sehen. Eines muss jedoch gleich vorweg gesagt werden: Das Handbuch versteht sich zwar als eine Art „Werkzeugkasten“, in dem die Instrumente zu finden sind, die gebraucht werden, um ein Gender Training zu gestalten. Jedoch ist das Vorhandensein eines Werkzeugkastens noch lange keine Garantie, dass daraus auch ein gutes und solides Möbel-­ stück entsteht. Das Handwerkszeug kann ein Handbuch nur bedingt vermitteln, es erfordert Fortbildung und Erfahrung. Das heißt, für ein gelungenes Training gibt es Voraussetzungen, die an den/die Trainer/in zu stellen sind sowie Rahmenbedingungen hinsichtlich der beteiligten Organisation(en). Ent-­ scheidend ist zum Beispiel, inwiefern ein Gender Training in laufende Prozesse des Gender Mainstreaming und/oder der Organisationsentwicklung eingebunden ist. TrainerInnen müssen in besonderem Maß über theoretische und praktische Genderkompetenz verfügen. Auf diese Aspekte wird zunächst in Kapitel zwei eingegangen. Aber auch die Frage der Anwendung von Instrumenten ist mit einem Handbuch noch nicht geklärt: Welches Werk-­ zeug brauche ich, um zum Beispiel Diskussion zu Geschlechterfragen anzuregen? Welches Instrument ist für eine bestimmte Gruppe geeignet? Muss das Instrument nicht vielleicht vor Beginn der Arbeit dem Zweck angepasst werden? Kapitel drei befasst sich mit Grundkonzepten der genderreflektierten und gleichstellungsori-­ entierten Arbeit. Da „Gender“ weitaus mehr als „die Frauen“ und „die Männer“ umfasst, wird 5

Einleitung

hier in die verschiedenen Dimensionen des Konzeptes eingeführt, neuere Debatten der Gender Studies dürfen dabei nicht fehlen. So ist der Titel des Handbuchs „Impulse für eine genderre-­ flektierte und gleichstellungsorientierte Arbeit von Nichtregierungsorganisationen“ Ausdruck des aktuellen Erkenntnisstandes um das Konzept Gender: es kann nicht alleine um Gleichstel-­ lung im Sinne gleicher Chancen und Möglichkeiten von Frauen und Männern gehen. Es geht darüber hinaus um die Reflexion von „Gender“ als gesellschaftliche Struktur. Dazu gehört zum Beispiel auch, eigene Projektionen hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse in fremdkulturellen Kontexten zu reflektieren. Dieser Impuls kam über die postkoloniale Kritik in den Genderdis-­ kurs und ist in ganz besonderer Weise für entwicklungspolitisches Denken und Handeln von Bedeutung. Ausdrücklich sei dabei auf die weiterführenden Quellen verwiesen: Trainerinnen und Trainer sollten sich ausführlich mit Gender als voraussetzungsvollem Konzept und den ent-­ sprechenden theoretischen Debatten befassen, das Kapitel 3.1 gibt hier erste Impulse. Auch Gender Mainstreaming ist voraussetzungsvoll und wird von BefürworterInnen und Geg-­ nerInnen der Strategie kritisch diskutiert. In Kapitel 3.2 wird ein Vorschlag für ein Grundver-­ ständnis von Gender Mainstreaming gemacht. Stärken und Schwächen der Strategie werden gegenübergestellt. Ein Kernstück des Handbuchs bildet Kapitel vier: Hier sind die verschiedenen Übungen ange-­ führt, und nach den drei Ebenen „Personal“ (4.1), „Organisation“ (4.2) sowie „Programme und Projekte“ (4.3) strukturiert. Teilweise stammen die Übungen von der Autorin selbst, andere wurden von Kolleginnen und Kollegen konzipiert, andere aus Handbüchern aus dem interna-­ tionalen Raum übernommen – hierauf wird natürlich jeweils verwiesen. Die Übungen werden nicht nur einfach dargestellt, sondern auch in einen Kontext einge-­ bettet: Es geht zunächst um die Frage, was das Ziel der Übung sein kann. Eine theoretische Verortung wird vorgenommen, wobei vor allem auf Kapitel 3.1 (Gender) rückverwiesen wird. Ein weiterer Punkt ist die Frage, wo in einem Training die Übung einen Platz finden kann: Ist es z. B. eine gute Einstiegsübung oder setzt die Übung bereits eine vollzogene Gruppenbildung voraus? Auch die Zielgruppe ist wichtig: Ist die Übung eher geeignet für MitarbeiterInnen, die mit Programmen zu tun haben oder mit Projektarbeit vor Ort? Oder sind hier insbesondere MitarbeiterInnen mit Personalverantwortung angesprochen? Daneben werden Informationen 6

Einleitung

zu den technischen Notwendigkeiten gegeben, die ungefähre Dauer, die minimale und maxi-­ male Zahl der TeilnehmerInnen sowie das benötigte Material. Zuletzt werden die einzelnen Arbeitsschritte beschrieben und hierbei auch ggf. benötigte Ar-­ beitsblätter, Tabellen usw. vorgestellt. Natürlich sind die hier beschriebenen Übungen nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was inner-­ halb des Feldes der Gender Trainings existiert und was möglich ist. An dieser Stelle sei explizit zur Erweiterung des Instrumentenkoffers sowie zur Weiterentwicklung der hier vorgestellten Übungen aufgerufen. Hierzu gibt auch die umfangreiche Ressourcensammlung in Kapitel fünf Gelegenheit. Hier sind Quellen zu Gendertheorien, zu Gender Mainstreaming und Gender Budgeting, zu Genderaspekten in verschiedenen Themenbereichen sowie weitere Handbücher aufgeführt. Das Internet bietet heute eine Flut an genderrelevanten Informationen an. Wesent-­ liche Websites sind ebenso aufgeführt – ohne dass hier nur der leiseste Anspruch auf Vollstän-­ digkeit besteht. Wir wünschen bereits an dieser Stelle viel Spaß beim Weiterlesen und Weiter-­ denken. Kein Gender Training läuft nach einem vorgegebenen Schema ab: Es gibt verschiedene Ziele und Schwerpunkte eines Trainings, unterschiedliche Gruppen, verschiedenste fachliche und organisatorische Zusammenhänge. Dies alles muss in ein Training eingebettet werden. Wesentlich dabei ist auch, ob eine Organisation die Strategie Gender Mainstreaming umsetzt und ein Gender Training in diesen Prozess eingebettet ist. Denn klar muss sein: Die Durchfüh-­ rung von Trainings alleine entspricht nicht der Umsetzung der Organisationsstrategie Gender Mainstreaming. Das Handbuch unterstützt Trainerinnen und Trainer zwar dabei, das richtige Design für ein Gender Training zu finden und gezielt Übungen einzusetzen. Die Ziele eines Trai-­ nings mit der Auftrag gebenden Institution abzustecken, das Training in die Organisationsziele einer NRO einzubetten, ist jedoch Teil der Auftragsklärung und Vorbereitung und wesentliche Voraussetzung eines gelungenen Trainings – ein Handbuch kann dies nicht leisten. Das Ziel des vorliegenden Handbuches ist es, Impulse für eine theoretisch inspirierte und re-­ flektierte Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit in entwicklungspolitischen Nichtregierungsor-­ ganisationen zu geben. Insbesondere eine theoretische Einbettung von Übungen ist uns hier-­ bei ein Anliegen und wir hoffen, dass uns die schwierige Gratwanderung zwischen Theorie und Praxis halbwegs gelungen ist. 7

Rahmenbedingungen

2. Rahmenbedingungen Gender Trainings haben sich zu einem blühenden Markt entwickelt, auf dem verschiedenste Ansätze und Standards konkurrieren (vgl. Buchinger/Gschwandtner 2006). Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Anforderungen und auch Standards diesem Handbuch zugrunde gelegt werden, um Qualität zu sichern und Trainerinnen und Trainern eine Orientierung über wesentliche Kompetenzfelder zu geben, die sie abdecken sollten, um ein „gutes“ Gender Training durchführen zu können (siehe 2.1). Dabei ist zu betonen, dass es nicht alleine vom Trainer oder der Trainerin abhängt, ob ein Gender Training gelingt, sondern dass eine Reihe von Rahmenbedingungen den Erfolg beträchtlich beeinflussen (siehe 2.2).

2.1 Anforderungen an Gender Trainings und Gender TrainerInnen in der EZA Der „Beruf“ Gender Trainer/in und Berater/in ist ungeschützt, und das wachsende Angebot an Beratung und Coachings kommt bisher ohne eine standardisierte Ausbildung aus. Dies führt zu einer Marktlage, die nicht nur für die Anbieterinnen und Anbieter unübersichtlich geworden ist, sondern auch für potentielle Kunden und Kundinnen die Auswahl von Trainings „risikoreich“ macht. Gleichzeitig bestehen einige Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Standards zu definieren.1 Auch weiterhin ist ein öffentlicher „BeraterInnen-­ und Praxisdiskurs“ (Seifert 2005) unentbehrlich, der bestehende Schwierigkeiten ausweist und in einer „Vernet-­ zungsstruktur“ (Buchinger/Gschwandtner 2006) allen Interessierten zugänglich ist. In diesem Kapitel geht es darum, welche dieser Standards für ein theoretisch und fachlich fundiertes Training wichtig sind und was es insbesondere für den entwicklungspolitischen Kontext zu berücksichtigen gilt. Siehe zum Beispiel: EQUAL Entwicklungspartnerschaft „„Qualitätsentwicklung Gender Mainstreaming““ (http://qe-­gm.at/ http://qe-­gm.at/) und GenderKompetenzZentrum an der Humboldt Universität zu Berlin (http://www.genderkompetenz.info http://www.genderkompetenz.info). 1

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Rahmenbedingungen

2.1.1 Genderkompetenz von Gender TrainerInnen und BeraterInnen Die Vermittlung von Genderkompetenz an TeilnehmerInnen ist das Ziel jedes Gender Trai-­ nings. Das heißt automatisch, dass Trainerinnen und Trainer diese Genderkompetenz mit-­ bringen und darüber hinaus weitere Kompetenzen notwendig sind, um Wissen adäquat (also auch: gendersensibel) zu vermitteln und ein genderorientiertes Handeln mit den Teil-­ nehmerInnen „einüben“ zu können. Fuxjäger (2007, S. 48) definiert Genderkompetenz für Beratung und Training wie folgt: -­ „„Gender Kompetenz ist sowohl Fachwissen als auch Querschnitt in anderen Kompetenz-­ bereichen. Sie umfasst Wissen über Hintergründe und Auswirkungen von verwendeten geschlechtertheoretischen Annahmen und über Geschlechterverhältnisse in spezifischen Fachbereichen. Sie verlangt die Integration von genderspezifischen Aspekten in persona-­ le, soziale und methodische Kompetenzen und in die gesamten Handlungen, (...). Hand-­ lungskompetenz vereinigt alle relevanten Kompetenzen und befähigt zu stringenten Be-­ ratungs-­ und Trainingstätigkeiten (……). -­ Gender Kompetenz ist abhängig vom Kontext der Tätigkeit sowie von der Rolle der AkteurIn (……). -­ Gender Kompetenz allein ist nicht ausreichend für qualitätsvolle Beratungsprozesse und Trainings: Dafür sind spezifisches Beratungs-­ und Trainings-­Know-­How und die Fähigkeit notwendig, alle Kompetenzen zu vereinen.““ Diese Dimensionen der Genderkompetenz sind insbesondere für den entwicklungspoliti-­ schen Raum mit interkultureller Kompetenz zu verbinden. Hierfür spielen Erkenntnisse post-­ kolonialer Theorien eine bedeutende Rolle: Interkulturelle Genderkompetenz würde somit bedeuten, keinen prinzipiellen Gleichstellungsvorsprung in den Ländern des Nordens anzu-­ nehmen, da dies als dualistische Projektion der eigenen Kultur als eher emanzipativ und der anderen Kulturen als eher von Unterdrückungsverhältnissen gegen „die Frauen“ geprägt zu bewerten wäre. Hier gilt es, vorsichtig mit den hierin eingelagerten Stereotypen umzuge-­ hen und Geschlechterverhältnisse im jeweiligen Kontext genau zu betrachten (siehe auch Genderanalysen in Kapitel 4.3). 9

Rahmenbedingungen

Genderfachkompetenz

Um Genderkompetenz bestmöglich auf das jeweilige Arbeits-­ und Wirkungsfeld anwen-­ den zu können, ist es unabdingbar, dass Trainer und Trainerinnen die entsprechenden Fachkompetenzen mitbringen. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) heißt dies, einen Überblick zu haben über den entwicklungspolitischen Diskurs im Allgemeinen, Projekt-­ und Programmplanung, Durchführung und Evaluation sowie über aktuelle Debat-­ ten wie zum Beispiel jene um Wirkungsmonitoring. Dies gilt es in Bezug setzen zu können zu den jeweiligen Genderaspekten. Im Besonderen geht es aber auch um die Frage, wie das Konzept Gender in den entwicklungspolitischen Diskurs Eingang fand und verhandelt wurde: Ein Verständnis des Diskurses von „Women in Development“ zu „Gender and De-­ velopment“ (siehe Kapitel 3.2.3) ist unabdingbar, um der Geschichte des Engagements für eine geschlechtergerechte Entwicklungszusammenarbeit gerecht zu werden (vgl. auch Frey 2003a, 2004). Darüber hinaus sollten auch die Inhalte des jeweiligen Sektors bekannt sein, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Trainings sich bewegen. Zum Beispiel sind jeweils Genderaspekte zu berücksichtigen, wenn es um die Themen Konfliktbearbeitung, Wasser-­ versorgung, Ländliche Entwicklung etc. geht. Gendersensible Didaktik

Karin Derichs-­Kunstmann definiert „geschlechtergerechte Didaktik“ (GGD), als: „„(……) eine Didaktik, in der weder Frauen noch Männer bevorzugt werden, eine Didaktik, die statt dessen ein Lernarrangement hervorbringt, in dem weder Frauen noch Männer in der Entfaltung ihrer Lernbedürfnisse beeinträchtigt werden dürfen und die damit einen Beitrag zur Demokratisierung des Geschlechterverhältnisses leistet.““ (Derichs-­Kunstmann 1999, S. 185, zit. nach Kaschuba 2006, S. 6) Nach Gerrit Kaschuba sind Genderaspekte in fünf Dimensionen der Didaktik zu berück-­ sichtigen:2 Die an dieser Stelle angeführten fünf Dimensionen von Genderaspekten entstammen dem hilfrei-­ chen Leitfaden der Autorin zur geschlechtergerechten Didaktik (Kaschuba 2006, S. 12-­14). 2

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Rahmenbedingungen

1. 2. 3. 4. 5.

In den Inhalten eines Bildungsangebots, in der methodischen Gestaltung, hinsichtlich der Leitung, hinsichtlich der TeilnehmerInnen und hinsichtlich der Rahmenbedingungen (vgl. Kaschuba 2006).

Die erste Dimension spielt für Gender Trainings weniger eine Rolle, da ja der Inhalt ohnehin auf die Vermittlung von Genderkompetenz ausgerichtet ist. Allerdings gilt es (natürlich) auch für Gender Trainings, dass Themen und Bereiche immer auch in ihrer Genderdimension und nicht geschlechtsneutral dargestellt werden sollten. Auch gilt es, die Inhalte auf die Erfah-­ rungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern gleichermaßen auszurichten. Die vier weiteren Dimensionen, die Gerrit Kaschuba aufführt, sind für Gender Trainings be-­ sonders relevant und werden hier zusammenfassend wiedergegeben. Methoden

In die Methoden sollten inhaltliche und methodische Interessen der TeilnehmerInnen in ihrer (Geschlechter-­) Vielfalt einfließen. Die Methodenwahl kann transparent gemacht und mit der Gruppe reflektiert werden. Die Wahl der Sozialform sollte an den Potentialen und Erfah-­ rungen der teilnehmenden Frauen und Männer anknüpfen, dies kann z. B. bei der Kleingrup-­ penbildung berücksichtigt werden. Darüber hinaus wären Regeln und Verabredungen für das gemeinsame Arbeiten zu treffen. Materialien können auf verschiedene Aspekte über-­ prüft werden, z. B. auf das Vorkommen unterschiedlicher Lebenswelten, die Repräsenta-­ tion der Geschlechterverhältnisse und die Verwendung geschlechtergerechter Sprache. Als Planungs-­ und Evaluationsinstrument können Befragungen vor, während oder am Ende der Fortbildung sinnvoll sein sowie die Selbstevaluierung und Reflexion im Leitungsteam – wo-­ bei die Ergebnisse nach Geschlechtertrends hin zu überprüfen wären. Leitung

Gerade in einem Gender Training sollte sich die Leitung (ob als Team oder Einzelperson) 11

Rahmenbedingungen

vergegenwärtigen, dass es/sie/er eine Vorbildfunktion hinsichtlich der gezeigten Gender-­ muster innehat. Voraussetzung für einen professionellen Umgang mit dieser Rolle ist eine geschlechterbezogene Selbstreflexion, die ebenso zur erforderlichen Genderkompetenz zählt wie die Kenntnis theoretischer Genderansätze und das geschlechterbezogene fach-­ liche bzw. thematische Wissen (siehe oben). Wenn ein Training von einem Team durchge-­ führt wird, sollte es an die Zusammensetzung der Zielgruppe und an das Thema angepasst sein. Die jeweiligen Rollen im Team sollten insbesondere bei einer Frau-­Mann-­Konstellation geklärt und flexibel gestaltbar sein. Die Kommunikation, der Umgang miteinander und die Arbeits-­ und Rollenaufteilung sollte geschlechtergerecht sein. TeilnehmerInnen

Hinsichtlich der TeilnehmerInnen ist zunächst die Zusammensetzung der Gruppe zu beach-­ ten. Dabei soll diese neben dem Lebenshintergrund auf Lebenserfahrung, Kompetenz und genderbezogene Vorkenntnisse eingeschätzt werden. Die Zugänge zu weiteren Zielgruppen können in die Betrachtung einfließen sowie die Berücksichtigung von Alter und Herkunft. Die Rollenverteilungen innerhalb der Gruppe und das Kommunikationsverhalten wären zu reflektieren. Die Möglichkeit, Bedürfnisse und Interessen wertfrei zu äußern, muss ebenso vorhanden sein wie die Möglichkeit, die eigene Betroffenheit und Zuschreibungen aufgrund von Geschlecht zu thematisieren. Es sollte ein Klima geschaffen werden, in dem das jewei-­ lige geschlechterbezogene Selbstverständnis und die Grenzen der/des Einzelnen respektiert werden. Gegebenenfalls kann ein geschlechterstereotypes Gruppenverhalten auch zum An-­ lass genommen werden, Gendermuster zu verdeutlichen. Rahmenbedingungen

Zu den Rahmenbedingungen gehört die Ausstattung und Ausgestaltung der sozialen Lern-­ räume, deren Verfügbarkeit sowie deren Zugangsbedingungen. Die Anbindung an den öf-­ fentlichen Nahverkehr oder an Zubringerdienste sollte gewährleistet sein und Angsträume wie uneinsehbare Parkplätze oder dunkle Gänge vermieden werden. Bei den Zeiten ist auf unterschiedliche Lebenslagen der TeilnehmerInnen zu achten, das Angebot der Kinder-­ 12

Rahmenbedingungen

betreuung sollte überprüft werden. Ebenso sollten Ausschreibungen für die Fortbildung auf die Art der Zielgruppe und eine geschlechtergerechte Sprache hin überprüft werden. Ein möglicher Teilnahmebetrag sollte den finanziellen Hintergrund der TeilnehmerInnen berücksichtigen.

2.1.2 Theoretische Verortung der Trainerin/des Trainers Die Kenntnis verschiedener theoretischer Ansätze im Genderdiskurs ist Voraussetzung dafür, als Trainer oder Trainerin überzeugend zu sein. Dabei geht es nicht darum, die TeilnehmerInnen eines Trainings von den eigenen Ideen zu überzeugen – vielmehr wird ein offensives Vertreten eines bestimmten Standpunktes schnell als zu ideologisch ge-­ steuert empfunden. Deutlich muss sein, dass verschiedene Haltungen zum Thema Ge-­ schlechterverhältnisse möglich sind. Dabei gibt es Grenzen, die der Menschenrechts-­ und Antidiskriminierungsdiskurs steckt;; allerdings sind „Gleichstellung“ oder „Geschlechter-­ gerechtigkeit“ dehnbare Begriffe mit verschiedenen Deutungsmustern. Diese werden in einem Gender Training entweder offen oder versteckt mitverhandelt. Hier ist eine Position des Trainers oder der Trainerin zielführend, die die eigene Haltung klar darstellt: Was selbst als Geschlechtergerechtigkeit verstanden wird, kann offen gemacht werden und ein Angebot werden. Dies zu berücksichtigen, hat auch mit einem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Position als Trainer/in zu tun: Der Raum, der durch ein Gender Training geschaffen wird, kann genutzt werden, um eigene Standpunkte und Thesen als allgemein gültig darzustellen – dabei sind diese aber immer partiell und relativ. Die eigene Haltung transparent zu machen und aufzuzeigen, welche Position (unter vielen anderen) die Trainerin oder/und der Trainer vertritt, ist auch deswegen im Sinne einer partizipativen Didaktik zielführend, da nur auf diese Weise deutlich werden kann, welche Themen und Ansätze wann zur Geltung kommen – und welche vielleicht auch nicht bedient werden und warum. Dabei kann es auch sein, dass ein mehrköpfiges Team unterschiedliche Posi-­ tionen bezieht und diese auch im Training vertritt. 13

Rahmenbedingungen

Ein Beispiel für eine unterschiedliche theoretische Verortung von Trainingsansätzen zeigt sich bereits in der Begriffswahl für Trainings: Nach Ansicht von Blickhäuser und von Bar-­ gen (2006) sollten Gender Trainings beispielsweise grundsätzlich durch so genannte „Gen-­ der Teams“ durchgeführt werden. Gemeint ist damit ein Zweierteam bestehend aus einer Frau und einem Mann als Trainer und Trainerin. Das Gender-­Manifest sieht hierin eine Zementierung des „Doing Gender“. Es heißt hierzu: „„Wird Gender als kritische Kategorie ernst genommen, kann damit nie ausschließlich ein Mann-­Frau-­Team gemeint sein, dessen Zusammensetzung allein auf das biologische Geschlecht (Sex) gegründet ist. Gender als Idee markiert ja gerade die Ablösung eines Denkens in biologisierender Dualität und schematische Mann-­Frau-­Differenz““ (Frey et al., 2006, S. 3). Darüber hinaus führt die Regelung des zweigeschlechtlichen Teams zu einer Verzerrung auf dem „Gendermarkt“: Da wesentlich mehr Frauen als Männer sich innerhalb dieses Kompetenzfeldes professionalisiert haben, führt das Konzept des so genannten „Gender Teams“ zu einer Bevorzugung von Männern, die auch nicht mit einer Quotenregelung für Frauen zu vergleichen ist. Hier werden Frauen „bei gleicher Qualifikation“ bevorzugt, im Rahmen der Idee des Gender Teams werden Männer qua biologischem Geschlecht eingesetzt, die Kenntnisse und Fertigkeiten des Trainers spielen hier zunächst keine Rolle (vgl. hierzu Huesmann 2004). Ein solch paradoxer Effekt im Rahmen der Praxis des auf Gleichstellung abzielenden Genderfeldes ist zumindest fraglich und nicht zuletzt aus einer rechtlichen Perspektive der Diskriminierungsfreiheit auf dem (Gender-­) Arbeitsmarkt zu hinterfragen.

2.1.3 Vernetzung Ein wichtiger Baustein der Kompetenzentwicklung ist ein regelmäßiger Austausch und die Reflexion der eigenen Praxis, vor allem vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung theo-­ retischer Debatten. Ein solch institutionalisierter Raum der Qualitätsreflexion und -­entwick-­ 14

Rahmenbedingungen

lung kann zur Kompetenzentwicklung der einzelnen Trainerinnen und Trainer im Feld bei-­ tragen, er kann und soll darüber hinaus das gesamte Feld „Gender Training und Beratung“ bereichern.3

2.2 Institutionelle Einbettung von Gender Training und Vorbereitung Ein wichtiger Aspekt ist das genaue Erkennen und das Kommunizieren der Ziele der Auftrag gebenden Institution, die nicht unbedingt mit denen der TeilnehmerInnen identisch sein müs-­ sen. Vorsicht ist zum Beispiel dort geboten, wo die Durchführung von Gender Trainings mit der Umsetzung von Gender Mainstreaming gleichgesetzt wird, oder wenn leitendes Personal sich in den Prozess nicht einbringt. Manchmal kommt es zu einer Delegation der Aufgaben, die im Rahmen der Umsetzung von Gender Mainstreaming vor allem für Leitungskräfte anfallen: Die Strategie wird dann nicht als Steuerungsprozess angesehen, in dem das Leitungspersonal eine Verantwortung übernimmt, sondern allein die MitarbeiterInnen sind gefordert. Hier besteht auch die Gefahr, dass nach außen zwar kommuniziert wird, eine Organisation setze Gender Mainstreaming um, konkret jedoch intern zu wenig geschieht, um Gleichstellungsorientierung wirklich abzusichern (siehe auch die Ausführungen zu Gender Mainstreaming in Kapitel 3.2.1). Zu berücksichtigen sind deswegen die konkreten Strukturen der Organisation, welche Akti-­ vitäten hinsichtlich Gleichstellung bereits unternommen wurden oder werden, das Verhältnis der Leitungsebene zum Thema, die Frage der Verantwortung und vor allem das mit einem Training angestrebte Ziel. Des Weiteren sind die Rahmenbedingungen eines Trainings entscheidend. Veranstaltungsorte, Zeiten und Ausstattung müssen vorab geklärt werden, um den Erfolg zu sichern. Die Frage der Vorabinformation bzw. der Ankündigung des Trainings ist ebenso von Interesse wie die Ent-­ Das Netzwerk Gender Training in Deutschland ist ein Beispiel für den regelmäßigen institutionalisier-­ ten Austausch von Trainerinnen. Siehe http://www.gender-­netzwerk.de und die Veröffentlichung des Netzwerks (2004): „„Geschlechterverhältnisse bewegen. Erfahrungen mit Gender Training““. 3

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Rahmenbedingungen

scheidung über Größe und Zusammensetzung der Gruppe. Eine Liste der Namen der Teilneh-­ merInnen mit Arbeitsbereichen ist eine Minimalinformation, die zur gründlichen Planung eines Trainings gehört. Auch muss deutlich sein, wer konkret als Ansprechperson für inhaltliche und organisatorische Fragen fungiert. All diese Informationen sind entscheidend, um ein maßgeschneidertes Training zu konzipie-­ ren: Dauer, Gruppengröße, Dramaturgie, Auswahl einzelner Übungen und Vortragsinhalte müssen zur Zielgruppe passen. Zusammen mit der Auftragsklärung mit der Auftrag geben-­ den Institution nimmt dies einige Zeitressourcen in Anspruch. Eine Grundregel ist deswegen: Die Planung dauert mindestens so lange wie das Training selbst!

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Grundkonzepte

3. Grundkonzepte: Gender und Gender Mainstreaming Die Praxis der Gender Trainings ist eingebettet in Diskussionen darüber, wie Geschlechter-­ verhältnisse verändert werden können (vgl. Netzwerk Gender Training 2004). Das folgen-­ de Kapitel geht auf diese Debatten ein und stellt gleichzeitig eine Folie für die in Kapitel vier beschriebenen Übungen dar. Besonders wichtig ist dabei das Verständnis des Konzepts Gender. In der Theorie werden verschiedene Dimensionen von Gender diskutiert, die in der Praxis der Gender Trainings zum Tragen kommen. So werden die einzelnen Übungen in Kapitel vier auch daraufhin untersucht, welches Verständnis von Geschlechterverhältnissen ihnen jeweils zugrunde liegt und welche Fallen sich hieraus ergeben können. Für die Durch-­ führung eines Gender Trainings heißt das, mit möglichen Fallen auch bewusst umzugehen, mögliche Stereotypenbildungen, die im Prozess einer Übung entstehen können, als solche zu benennen oder im Rahmen der Genderanalyse weitere Differenzkategorien aufzuzeigen. Das theoretische Rüstzeug hierfür wird im Kapitel 3.1 beschrieben, ohne jedoch erschöp-­ fend zu sein. Für Gender Trainerinnen und Gender Trainer empfiehlt sich hier auf jeden Fall eine weitergehende Lektüre gendertheoretischer Literatur. In Kapitel 3.2 geht es um das Verhältnis von Gender Mainstreaming und Gender Training. Dabei wird zunächst Gender Mainstreaming (GM) als Strategie eingeführt. Gleichzeitig spie-­ gelt sich die hier entwickelte Struktur, nämlich die drei Dimensionen des Gender Mainstrea-­ ming, im Aufbau von Kapitel 4: Gender Mainstreaming sollte in einer Organisation auf einer strukturellen, personellen und inhaltlichen Ebene umgesetzt werden;; nur die Bearbeitung aller drei Ebenen kann den Anspruch eines „Mainstreaming“ erfüllen. Entsprechend sind die Übungen in Kapitel vier unterteilt: Es geht um a) Übungen, die sich mit der Struktur einer Organisation befassen, b) Übungen, die auf der Ebene der Personen wirken und c) Übungen, die die Arbeitsergebnisse und die Inhalte der Arbeit (bei entwicklungspolitischen Organisationen sind dies vornehmlich Programme und Projekte) behandeln. 17

Grundkonzepte

Dieser Blick auf Strukturen, Personen und Inhalte (SPI) ist der erste Schritt für einen Organi-­ sationsentwicklungsprozess im Sinne des Gender Mainstreaming.

3.1 Gender als multidimensionales Konzept Der Begriff Gender ist multidimensional: In der Frauen-­ und Geschlechterforschung und der Männlichkeitsforschung bzw. den Gender Studies wurde in den letzten Jahrzehnten viel darüber diskutiert, was unter Gender verstanden werden kann und welche Möglich-­ keiten und Grenzen das Konzept mit sich bringt. Eine Einteilung in Merkmalsdimensionen von „Gender“ als Konzept unterstützt Trainerinnen und Trainer, aber auch die Teilnehme-­ rInnen dabei, Klarheit darüber zu entwickeln, was jeweils mit Gender gemeint sein kann. Dabei sind bestimmte Konzepte von Gender durchaus kritisch zu hinterfragen, wenn sie zum Beispiel stark einen Dualismus bedienen. In Texten wird der Terminus Gender in der Regel gebraucht, ohne zu erläutern, was hierunter verstanden wird, obwohl es oft einer Erklärung bedürfte. Die folgenden Merkmalsdimensionen von „Gender“ sollten deswegen in Gender Trainings eingeführt werden4. a) Implizit – explizit

In einigen Texten wird Gender nicht definiert, da angenommen wird, der Begriff erkläre sich selbst. Aus einem Text lässt sich jedoch oft ersehen, dass es bei Gender lediglich um die Unterscheidung zwischen ‚den‘ Frauen und ‚den‘ Männern geht, Gender fungiert als Unterscheidungskategorie bzw. analytisches Werkzeug, dies allerdings ohne weitere Erklä-­ rung, also implizit. Andere – erkenntnistheoretischer ausgerichtete – Texte greifen Gender als Untersuchungsgegenstand selbst auf, sie gehen explizit darauf ein, dass Gender zu pro-­ blematisieren ist, da der Begriff vor dem Hintergrund verschiedener theoretischer Ansätze und mit unterschiedlichen Intentionen gebraucht wird. Diese Arbeiten sind im Bereich der 4

Für die folgenden Ausführungen über Merkmalsdimensionen von Gender vgl. Frey 2003, S. 25ff.

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Grundkonzepte

Gendertheorien anzusiedeln. Es wird hier also zunächst die grundsätzliche Unterscheidung von expliziten und impliziten Genderkonzepten eingeführt. b) Offen – geschlossen

Ein Großteil feministischer Ansätze kreist ausschließlich um Gender, ohne weitere gesell-­ schaftliche Strukturkategorien und Unterdrückungsverhältnisse zu thematisieren. Theo-­ retische Ansätze aus den 1980er und 1990er Jahren brachten eine neue Anforderung in den Genderdiskurs: die Verschränkung der Kategorie Gender mit anderen Kategorien zu berücksichtigen, heute auch als Intersektionalität bekannt (vgl. Klinger/Knapp 2005, Knapp 2005). Aus dieser Diskussionslinie ergibt sich ein Denken von Gender als offenem Konzept gegenüber anderen Ausgrenzungs-­ oder Differenzierungsachsen. Es kann hier von einem geschlossen und einem offenen Genderkonzept, bezogen auf weitere Kate-­ gorien wie beispielsweise Klasse, ethnische Herkunft („race”) und sexuelle Orientierung, gesprochen werden. c) Statisch – dynamisch

Weiters gilt eine Unterscheidung für die Prozesshaftigkeit des jeweiligen Genderkonzepts, die Frage ist hier: Wie flexibel wird Gender gedacht? In vielen Ansätzen fungiert Gender als Strukturkategorie, Gender ist hier eine stabile Größe – also statisch. Unterschiede zwischen Frauen und Männern z. B. hinsichtlich Status und Einkommen statistisch zu beschreiben, ist ein entsprechendes Vorgehen. Dies ist dann auch auf die verschiedensten gesellschaftlichen Zusammenhänge und Kulturen als Folie anwendbar und übertragbar (z. B. Gender Deve-­ lopment Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen). Vor allem sozialkons-­ truktivistische feministische Ansätze betonen dagegen, dass Gender ein in permanenter Wandlung befindliches Konzept ist, sie fokussieren eher die Mikroebene eines permanenten „Doing Gender“ – als dynamischer Prozess. Gender wird hier zum Kontinuum, das steter Wandlung unterliegt und somit auch nicht mehr ohne weiteres als stabile Analysekategorie gebraucht werden kann. Hier kann also zwischen einem eher statischen und einem eher dynamischen Genderkonzept unterschieden werden. 19

Grundkonzepte

d) Separativ – transitiv / dual – multipel

Weitere Dimensionen von Gender zeigen sich, betrachtet man das Verhältnis zur Kategorie des biologischen Geschlechts („Sex“). Viele Genderkonzepte orientieren sich an einem du-­ alen und biologisch fundierten „Frau-­Mann”-­Schema. Gender ist dann entweder männlich oder weiblich. Somit kann von einem separativen Genderkonzept gesprochen werden, da für dieses Verständnis von Gender zwei Pole die Grundlage bilden, die sich quasi gegen-­ über stehen. Die prinzipielle Trennung zwischen „männlich” und „weiblich” wurde jedoch zunächst durch die interne Differenzierung der Geschlechtskategorien (siehe Punkt c, oben) aufgeweicht und durch eine Betonung der sozialen Konstruktion relativiert: Auch Männer können „weiblich” sein und Frauen „männlich”. Eine „Gendergrenze” wird dann durchlässig, obwohl sich „männlich” und „weiblich” noch gegenüberstehen. Ansätze, die dies fokussie-­ ren, können als transitive Genderkonzepte bezeichnet werden, da eine Verbindung bzw. ein Kontinuum zwischen den beiden Polen weiblich-­männlich hergestellt wird. Aber auch die Polarität bzw. der Dualismus von Gendermodellen wurde angegriffen. Eine Vorstellung von Gender, die sich konsequent von „Sex“ verabschiedet, kann sich in der Folge kaum noch an einer dualistischen „Mann-­Frau”-­Logik orientieren: Wenn Gender wirklich sozial konstruiert wird, dann ließe dieses Konzept (theoretisch) alle Möglichkeiten offen, „Frau” oder „Mann” im jeweiligen Kontext zu füllen. Dies entspricht einer Vorstellung von Gender als multiplem Konzept, jenseits einer separativen und auch transitiven Ordnung. Ein solches Konzept stellt gleichzeitig eine Strategie gegen das Korsett von Rollenzuweisungen dar. Es ist eine Öffnung von Geschlecht als Ordnung, die separativ strukturiert ist. Ein solcher (eher utopischer) Ent-­ wurf möchte eher ohne Gender auskommen. Wichtig für den entwicklungspolitischen Diskurs bzw. für ein kulturell sensibles Training ist insbesondere die Debatte innerhalb der Genderforschung, wie sich Gender zu anderen „Achsen der Differenz“, also auch kultureller Herkunft, sexueller Orientierung, Alter u. a. verhält. Deswegen wird auf diese genauer eingegangen. Anlass der Debatte war die Kritik von Frauen, die sich außerhalb der „Dominanzkultur“ (Rom-­ melspacher 1998) verorteten (z. B. Frauen in Ländern des Südens), und sich deshalb gegen 20

Grundkonzepte

die Homogenisierung von Frauen (weltweit) wendeten: Wenn von den Frauen gesprochen werde, seien Frauen unterschiedlicher Herkunft oft mitgemeint, obwohl sie andere Erfahrun-­ gen machten und mit anderen Problemlagen konfrontiert seien als zum Beispiel bürgerliche weiße Frauen – die damals in den internationalen Frauenbewegungen dominierten und damit durchaus auch Macht über andere Frauen ausübten –, so die Kritik (vgl. z. B. hooks 1989). Ei-­ nen anderen und neuen Umgang mit Differenzen forderten in den 1980er und 1990er Jahren postkoloniale Kritikerinnen. Sie wiesen nach, dass weiße bürgerliche Frauen die „Anderen“ – also z. B. Frauen afrikanischer Herkunft – nicht selten pauschal als Opfer patriarchaler Zu-­ stände darstellten. Eine solch generell viktimisierende Darstellung von Frauen aus dem Glo-­ balen Süden habe den Effekt, dass weiße Frauen sich als emanzipiert und gleichberechtigt darstellen – eine Selbstaussage, die nur im Kontext kolonialer Deutungsmuster funktionieren kann. Hier würden unter dem Vorzeichen eines gut gemeinten „Helferinnentums“ bzw. einer „Frauensolidarität“ Machtverhältnisse ausgeblendet und dadurch stabilisiert, so die Kritik (vgl. Mohanty 1991, Kerner 1999). Die Befassung mit expliziten und impliziten Ausgrenzungen, die durch Normierungen und das „Sprechen für andere“ entstehen, führt zu einem verstärkten Fokussieren auf die vielschichtigen Positionierungen von Frauen. Eine Ausweitung des Feldes von Gender als Konzept ist die Folge: Gender wirkt nicht ausschließlich auf einer Achse von männlich-­weiblich, sondern auch über die verschiedenen Binnendifferenzierungen innerhalb der Gruppe „Frauen“: also Gender wirkt auch innerhalb einer Gruppe von „Gleichgeschlecht-­ lichen“. Heute wird dieser Theoriestrang innerhalb der transdisziplinären Gender Studies vor allem unter dem Begriff der Konstruktion von Weiß-­Sein weitergeführt (vgl. z. B. Jungwirth 2004 und Tißberger/Dietze/Hrzán 2006, Kerner 2006). Insgesamt brachten diese Überlegungen und Auseinandersetzungen eine neue Anforderung in den Genderdiskurs: die Verschränkung der Kategorie Gender mit anderen Kategorien zu berücksichtigen. Auch die Idee der „Intersektionalität“ (vgl. Klinger/Knapp 2005, Knapp 2005) steht für diese Anforderung. Aus dieser Diskussionslinie ergibt sich ein Denken von Gender als offenem Konzept gegenüber anderen Ausgrenzungs-­ oder Differenzierungsach-­ sen. Eine angemessene Übersetzung für Gender wäre dann: Gesellschaftliche Geschlechter-­ verhältnisse in ihrer Vielfalt. 21

Grundkonzepte

Diese theoretischen Überlegungen in die konkrete Praxis des entwicklungspolitischen Han-­ delns einfließen zu lassen, ist keine leichte Aufgabe. Es kann allgemein von einer Lücke zwischen theoretischen Anfordernissen und praktischer Umsetzung ausgegangen werden, die immer darauf angewiesen ist, komplexe Geschlechterverhältnisse zu reduzieren, um zu planen und zu handeln. Theorien können somit nie ein Rezept dafür geben, wie zum Beispiel eine konkrete Genderanalyse oder Sensibilisierungsübungen durchzuführen sind. Sie kön-­ nen allerdings Impulse geben und produktiv irritieren. In der vorliegenden Veröffentlichung wird der Versuch gemacht, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, indem im Rahmen der Vorstellung von Übungen und Analyse jeweils der Bezug zu einem theore-­ tischen Subtext hergestellt und beschrieben wird, wie hiermit umgegangen werden kann. Dabei steht insbesondere eine Vermeidung der „Dramatisierung“ von Gender als Struktur im Vordergrund.

3.2

Gender Mainstreaming und Gender Training

3.2.1 Gender Mainstreaming als Strategie In den Leitlinien der Österreichischen Entwicklungs-­ und Ostzusammenarbeit wird Gender Mainstreaming als „Strategie zur Umsetzung des Ziels Geschlechtergleichstellung und des Empowerments von Frauen“ bezeichnet. Sie wird dort mit Hilfe einer Definition des Europa-­ rats von 1998 erklärt, die heute sehr häufig herangezogen wird. „„Gender Mainstreaming besteht in der (Re-­)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen Ent-­ scheidungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen.““ (Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten 2006, S. 3) Gender Mainstreaming kann somit als Strategie verstanden werden, die das interne und nach außen gerichtete Handeln einer Organisation verändert. Gender Mainstreaming ist 22

Grundkonzepte

in diesem Sinne eine Strategie der Organisationsentwicklung. Regelungen, Verfahren und Prozesse sollen so gestaltet werden, dass das Ziel der Gleichstellung in den Arbeitsprozes-­ sen und in den Arbeitsergebnissen erreicht wird. Es können dabei drei Ebenen von Gender Mainstreaming in Bezug auf Organisationshandeln unterschieden werden: 1. die strukturelle Ebene, 2. die personelle Ebene, 3. die inhaltliche Ebene. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht, welche Einzelaspekte diese drei Dimensionen ei-­ ner strukturellen Verankerung von „Gender“ haben können.

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