FISCHE (V a) ALLGEMEINE BEMERKUNGEN ZU ASTRONOMIE, MYTHOLOGIE UND AUFBAU

FISCHE ( V . 5 3 9 - 5 6 0 a ) ALLGEMEINE BEMERKUNGEN ZU ASTRONOMIE, MYTHOLOGIE UND AUFBAU Mit dem Sternbild der Fische wendet sich Avien nach der B...
Author: Gerrit Holzmann
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FISCHE ( V . 5 3 9 - 5 6 0 a )

ALLGEMEINE BEMERKUNGEN ZU ASTRONOMIE, MYTHOLOGIE UND AUFBAU

Mit dem Sternbild der Fische wendet sich Avien nach der Beschreibung von Widder und Dreieck wieder dem Tierkreis zu. Die Griechen bezeichneten die Konstellation als ίχθύες 2 1 5 oder ί χ θ ύ ε ς αμφότεροι 2 1 6 ; entsprechend heißt das Sternbild im Lateinischen Pisces217 oder gemini / gemelli Pisces21". Da das Sternbild aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, war es nötig, diese auch terminologisch zu differenzieren. Deshalb nannte z.B. Ptolemaeus den nördlicheren Fisch ό επόμενος ι χ θ ύ ς (Alm. 8,1), den südlicheren ό προηγούμενος ι χ θ ύ ς (ebd.)219. Zwischen den beiden verläuft ein (Doppel-) Band, das im Griechischen als λ ί ν ο ς (auch Plural λίνοι 2 2 0 ) oder δεσμοί 2 2 1

215 Vgl. u.a. Eudox. frg. 34 (= Hipparch. 1,2,13) u.ö.; Arat. 240, 246 (Singular für den nördlicheren der beiden Fische), 282, 362, 548, 700, 701, 707; Hipparch. passim; Gem. 1,2.16; 2,2.7.16 u.ö.; Emp. Sphaer. 29, 72, 74, 163; Vett. Val. passim; Ptolem. Alm. 8,1; Tetr. passim. 2,6 Vgl. u.a. Arat. 357. 217 Vgl. u.a. Cie. Arat. 12, 19 (Singular), 56, 143, 151, 169, 328, 480; Prop. 4,1,85; Ον. met. 10,78; trist. 4,7,2 (Singular); Manil. passim; Vitr. 9,3,3; 9,5,3; 9,8,14; Germ. 181, 241, 284, 361, 369, 379, 563, 567, 699, 700, 702, 704; frg. 3,19; 4,21.43.72.109.136.163 (in V. 246 gebraucht Germanicus den Singular Piscis für den nördlichen der beiden Fische); Sen. Thy. 866; Colum. 11,2,20.24.63.65; Lucan. 9,535; Petron. 35,4; Plin. nat. 2,65.77; 18,237 (aquilonius Piscis - vgl. Vitr. 9,4,3 aquilonalis Piscis)·, 18,311; Hyg. astr. 1,8; 2 prooem.; 2,30; 3,10.17.29; 4,5.10; Ampel. 2,12; bei Avien V. 543, 547, 645, 646, 774, 1050, 1271, 1280, ferner im Singular in V. 557 (vgl. Germ. 246; Ov. met. 10,165 steht der Singular für die gesamte Konstellation mit dem Epitheton aquosus wie Verg. georg. 4,234. Dort ist aller Wahrscheinlichkeit nach indes der südliche Fisch gemeint, vgl. u.a. LE BCEUFFLE 1977, S. 151 [Note 3], 182; LE BCEUFFLE 1989, S. 90 mit Note 7; anders noch GUNDEL in RE XX 1780,10ff. s.v. Pisces). Vgl. im übrigen SPOTH in TLL X,1 2210,54ff. s.v. piscis. - Die Angabe bei GEORGES „piscis maior, anderes Gestirn am südlichen Himmel, Avien. Arat. 106" (s.v. piscis, Sp. 1718) ist fehlerhaft. - Die Fische behandelt auch Ovid in seinen fasti (2,458ff). BÖMER 1958 behauptet zur Stelle irrtümlicherweise, es gehe dabei um die „großen (südlichen) [...] Fische" (S. 115). Doch die angegebenen Parallelen zeigen gerade, daß die Rede vom Tierkreisbild ist. Dies legt vor allem auch Ovids weitere Darstellung nahe (2,459f.): te memorant fratremque tuum (nam iuneta micatis \ signa) - miteinander verbunden sind nämlich nur die beiden nördlichen Fische. Daran ändert auch nichts, daß bei Eratosth. Cat. 38 der Mythos in Zusammenhang mit dem südlichen Fisch referiert wird. - Die Ausführungen GUNDELS in RE XX 1775,42ff. s.v. Pisces decken sich in der Regel mit denen von BOLL-GUNDEL bei ROSCHER VI 978ff. Es werden daher im folgenden lediglich Abweichungen oder Ergänzenswertes notiert. 2,8 Vgl. u.a. Ov. fast. 2,471; 3,400; bei Avien V. 802; ferner SCHERER, S. 173. Zur Bezeichnung der Zweizahl vgl. LE BCEUFFLE 1977, S. 181. 219 Zu den Benennungen im Lateinischen vgl. u.a. LE BCEUFFLE 1977, S. 182. 220 Vgl. u.a. Hipparch. 2,6,1b; 3,3,9; Gem. 3,7 οί δε άπό των ο υ ρ α ί ω ν μέρων των 'Ιχθύων κατά το έξης κ ε ί μ ε ν ο ι αστέρες Λ ί ν ο ι προσαγορεύονται; Ptolem. Alm. 8,1; Tetr. 1,595.597. 221 Arat. 242 (δεσμά), 362 (δεσμοί ... ο υ ρ ά ν ι ο ι ) ; vgl. Schol. Arat. 242 α μ φ ο τ έ ρ ω ν δε έκ των ο υ ρ α ί ω ν δεσμός τ ι ς α π ο τ ε ί ν ε τ α ι . Das Band ist auf dem Globus des Atlas Farnese nicht

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Avien - Phainomena (Fische)

bezeichnet wurde, im Lateinischen nicht selten als uincula (vgl. bei Avien V. 554, 802). Diese δεσμοί oder uincula vereinigen sich in einem Knoten (σύνδεσμος oder nodus [caelestis])222. Erstmals erwähnt werden die Fische im Kalender des Demokrit (vgl. VS 68 Β 14 DLELS-KRANZ; GUNDEL in RE XX 1776,33ff. s.v. Pisces). Der Ursprung der Konstellation liegt allerdings ziemlich im Dunkeln. THIELE geht davon aus, „dass unser Tierkreis notdürftig aus bereits vorhandenen Sternbildern zusammengestellt [sei], um die Ekliptik auszufüllen, und die Zusammenstellung von Fischen und Wassermann [bestätige] dies" ( S . 13f.). SCHERER verwirft die gelegentlich begegnende Ansicht, bei der Ausbildung könne ägyptischer Einfluß eine Rolle gespielt haben223, da die Fische der ägyptischen Himmelsordnung von den Tierkreis-Fischen der griechisch-römischen Sphaera zu weit entfernt seien - die übereinstimmende Zweizahl beweise nichts. Bemerkenswert sei hingegen, daß die babylonische Astronomie in dieser Himmelsregion zwar keine Fische kenne, wohl aber an deren Stelle zwei Gestalten, die ein Band miteinander verknüpfe224. In diesem Zusammenhang ist zudem von einigem Interesse, daß die beiden Gestalten als ^ S I M . M A H (= „größte Schwalbe") oder auch MULanunitum (= „Gestirn der Göttin Anunitum" 225 ) bezeichnet werden, das Band im Akkadischen riksu sa M L J L S I M . M A H (= „Band der größten Schwalbe") oder riksu sa MULanunitum (= „Band des Anunitumgestirns") heißt. SCHERER leitet daraus ab, das griechische Sternbild finde hier seinen Ursprung. Eine davon vermutlich unabhängige babylonische Bezeichnung des Sternbildes als MULzibbäti (= „Schwänze") veranlaßt ihn weiter anzunehmen,

korrekt dargestellt (THIELE, S. 29, 40), so wenig wie auf dem Mainzer Miniaturglobus, auf dem es von einem Fischmaul zum anderen verläuft (KÜNZL, S. 30, 31). 222 Vgl. u.a. Arat. 245; Eratosth. Cat. 21 ε χ ο υ σ ι δε σ ύ ν δ ε σ μ ο ν εως τοϋ έ μ π ρ ο σ 9 ί ο υ ποδός τ ο ϋ Κ ρ ι ο ϋ (vgl. Schol. Arat. 239); Hipparch. 1,11,20; 3,1,1b; Gem. 3,7 ό δε έ ν ά κ ρ ω τω λ ί ν φ κ ε ί μ ε ν ο ς λ α μ π ρ ό ς ά σ τ ή ρ Σ ύ ν δ ε σ μ ο ς π ρ ο σ α γ ο ρ ε ύ ε τ α ι (dazu AUJAC, S. 19 [Note 3]); Emp. Sphaer. 74; Hyg. astr. 3,29; Ptolem. Alm. 8,1; Tetr. l,598f. Im übrigen ist in diesem Bereich die Terminologie uneinheitlich: Für das Band begegnen im Lateinischen u.a. die Begriffe uinc(u)lum (Cie. Arat. 150) und alligamentum oder linea (Schol. Germ. Bas. 22 S. 81). Singular ist die Notiz Vitr. 9,5,3 a cuius (sc. Ceti) crista ordinate utrisque Piscibus disposita est tenuis fiisio stellarum, quae Graece uocitantur harpedonae; magnoque interuallo introrsus pressus nodus serpentium attingit summam Ceti cristam (vgl. SOUBIRAN ad loc., S. 193f. Auffällig ist bei dem lateinischen ά π α ξ λ ε γ ό μ ε ν ο ν harpedonae die Verwendung des verbum intensivum uocitare. Merkwürdig ist zudem Hesychs Erklärung des Wortes ά ρ π ε δ ό ν α ι als των ά μ α υ ρ ώ ν ά σ τ ρ ω ν σ ύ γ χ υ σ ι ς . SOUBIRAN erwägt unmittelbare Übersetzung der Vitruvischen Wendung tenuis fusio stellarum durch den Lexikographen; denkbar ist indes ebenso, daß die Bezeichnung bis auf Demokrit zurückzufuhren ist - vgl. oben). Cicero nennt das Band einmal catenae (Arat. 14), und Plinius spricht von der commissura Piscium (18,311; vgl. Hyg. astr. 3,29). Vgl. auch SCHERER, S. 1 7 3 ; LEBCEUFFLE 1 9 7 7 , S. 182f. 223

Überholte Ansicht GUNDELS in RE XX 1776,37ff. s.v. Pisces·, vgl. auch LE BCEUFFLE 1977,

S. 181. 224

Für babylonischen Ursprung trat im übrigen schon BOLL ein (1903, S. 196f.). BEZOLD (bei BOLL 1916, S. 135) übersetzt den Begriff als „Fisch". Zu einem entsprechenden Ergebnis kommen daher BOLL-GUNDEL bei ROSCHER VI 979,1 Off. 225

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V. 539-560a

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dieser Name habe den griechischen Astronomen als Muster für die Umdeutung gedient 226 . Unter rein astronomischen Gesichtspunkten analysiert VAN DER W A E R D E N ausfuhrlich die Lage (1968, S. 66ff.). So erweist sich die Konstellation SlM.MAH als eine Verbindung des Sternbildes Pisces mit einem Teil des Pegasus. Trotz der Übereinstimmungen mit der griechisch-römischen Sphaera hebt er an anderer Stelle hervor (1968, S. 68), daß Anumtu und SlM.MAH „viel grösser und eindrücklicher als unsere zwei kleinen Fische" gewesen seien 227 . Verbindungen zu orientalischen (ursprünglich möglicherweise sogar kretischen) Vorstellungen liegen auch Aviens zweimaliger Charakterisierung der (südlichen und nördlichen) Fische als Bambycii zugrunde (vgl. zu V. 541b-542a, 645-646a). Möglicherweise rührt auch die bizarre Verknüpfung von Fischkörper und Schwalbenkopf in den Arat-Scholien von dort her: Man geht kaum fehl, wenn man hierin ein Echo der genannten orientalischen Konstellation erblickt 228 . Die Fische sind ein eher unscheinbares Tierkreissternbild, wenngleich sie sich über eine Fläche von 889,42 Quadratgrad erstrecken 229 . Von den insgesamt 46 Sonnen mit einer Helligkeit über 5,5 mag 230 ist η Piscium mit nur 3,62 mag der hellste Stern. Gleichwohl gilt α Piscium (= Knoten des Bandes) nach wie vor als der erste Stern der Konstellation 231 . Die Sonne tritt heute zu Frühlingsbeginn in das Tierkreiszwölftel der Fische ein232. Den σ υ ν α ν α τ ο λ α ί der Fische wendet sich Avien in V. 1269-1283 gesondert zu.

AUFBAU

Die Schilderung der Astrothesie ist detailreich und wird in sechs Schritten vollzogen. Sie wird jedoch gleich zu Beginn durchbrochen von der gelehrten Anspielung auf ein α ί τ ι ο ν .

226

Vgl. SCHERER, S. 173f.

227

Vgl. VAN DER WAERDEN 1968, S. 66ff. Dort finden sich anschauliche Skizzen und Aufschlüsselungen (vgl. ferner S. 77, 257f., 294, 296). 228 Vgl. Schol. Arat. 242 τούτον τοίνυν τον βορειότερον Ίχ&ύν χελιδόνος εχειν την κεφαλήν φασιν. δν Χαλδαΐοι καλοϋσι χελιδονίαν 'Ιχ9ύν; ferner BOLL 1950, S. 22 mit Note 3 (dort finden sich weitere Angaben); LEBCEUFFLE 1989, S. 90 (Note 7); BOLL 1950, S. 21 f., 27f. 229

Vgl. SLA WIK/ REICHERT, S. 173.

230

Vgl. SLAWIK / REICHERT, S. 173. Die Angaben zur Sternanzahl schwanken in der Antike beträchtlich; s. dazu GUNDEL in RE XX 1776,3ff. s.v. Pisces (Ptolem. Alm. 8,1 zählt beispielsweise 34 Sterne zur Konstellation und nennt 4 weitere αμόρφωτοι). 231 Genau genommen liegt hier ein Doppelsternsystem vor (vgl. SAUERMOST II, S. 106 s.v. Pisces). Nach den Angaben von SLAWIK / REICHERT mißt α Piscium lediglich 4,3 mag (S. 174). 232

SAUERMOST II, S. 127f. s.v. Präzession.

Vgl. SLAWIK / REICHERT, S. 174; ferner u.a.

Manil. 2,192f. duo tempora Pisces \ bina dicant: hiemem hic claudit, uer incohat alter, 2,267 uer Piscibus incipit esse; vgl. aber auch 4,358 gemini Pisces, qui sidera claudunt (d.h. die Fische beschließen die Reihe der Tierkreisbilder, die mit dem Widder beginnt: ebenso Germ. frg. 4,43).

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V. 539-541a V. 541b-543a V. 543b-547

V. 548-549a V. 549b-551 V. 552-556 V. 557-560a

Avien - Phainomena (Fische)

Astrothesie (I): Lage der Fische vom Norden des Himmels in südlicher Richtung betrachtet; Mythologische Anspielung auf α ί τ ι ο ν und καταστερισμός; Astrothesie (II): Lage der Fische in Relation (1) zum Roß sowie (2) zu Widder und Stier (d.h. die Fische gehören zum Tierkreis); Astrothesie (III): der nördlichere der beiden Fische; Astrothesie (IV): der südlichere Fisch; Astrothesie (V): das Band zwischen den zwei Fischen und der zugehörige „himmlische Knoten"; Astrothesie (VI): Lage des nördlicheren Fisches in Relation zur Andromeda.

KOMMENTAR

Zu V. 539-542a: V. 539-541 a = Arat. 239f. In seiner Überleitung zu den Fischen nimmt Avien Begriffe aus der vorausgehenden Textpartie wieder auf (V. 539 uicinus, 540 Notus). Dadurch werden die beiden Teile enger miteinander verknüpft. Auch später wird Avien auf die Astrothesie des Dreiecks zurückgreifen: Die Erwähnung des Widders in V. 545 erinnert an V. 534ff. Avien lenkt den Blick des Betrachters zunächst allmählich (V. 540 sensim) von Norden in südlicher Richtung, indem er von einem Fisch zum nächsten fortschreitet. Die sich anschließenden Verse 541-547 sind eine Erweiterung Aviens (möglicherweise nach einem verlorenen Scholion oder unter dem Einfluß bildlicher Darstellung vgl. IHLEMANN, S. 24; ähnlich SOUBIRAN, S. 206 [Note 6f.]). Darin eingefügt findet sich eine knappe aitiologische Anspielung, für die sich kaum sprachliche Parallelen finden lassen. Immerhin sind die Grundzüge des Mythos nicht gänzlich unbekannt (vgl. u.a. Eratosth. Cat. 21, 38; Schol. Arat. 239; Hyg. astr. 2,30). 539-541a Vgl. Arat. 239f. οι δ' ά ρ ' ετι προτέρω, ετι δ' έν προμολησι νότοιο I Ίχθύες; Cie. Arat. 1 Off. Mit KlDD ist προτέρω dort im Sinne von "to the west" zu verstehen (S. 268). Avien nennt zwar die Richtung nicht; da indes in der unmittelbaren Umgebung des Dreiecks bereits alle Sternbilder beschrieben sind (Pegasus, Andromeda, Widder), bleibt nur der Blick abwärts (V. 540f.), in Richtung Südwesten. Die Scholien zu Arat haben ihre Not mit der Erklärung von Arat. 239f. Die Angaben sind fehlerhaft und können hier vernachlässigt werden. - Die Verse 539ff. sind eine Art pleonastischer Parallelismus (vgl. IHLEMANN, S. 56). 539 Hinc si uicino flectaris lumina uisu: Vgl. u.a. V. 169ff. si lumen abusque Dracone \ in conuexa feras, oculosque in proximo mundi | declines, 448 rursum

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V. 539-560a

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decliui si uisum tramite uergas, 540f. Avien wendet sich mit einer lehrhaften Anweisung unmittelbar an den Leser, um seine Aufmerksamkeit für das nächste Sternbild zu wecken. Weitere vergleichbare Junkturen bei Avien sind z.B oculos flectere (V. 291) und oculos tendere (V. 1575; vgl. 1036). Daß die vorliegende Junktur als variatio zu Verg. Aen. 4,369 num lumina flexit? zu verstehen wäre (DAIGL, S. 22), ist kaum glaubhaft. Vielmehr ist medio-passivisches flecti mit acc. gr. lumina wie im folgenden inclinari oculos (vgl. zu V. 540-54la) gemeint (variatio). - Hinc wird in V. 547 wiederaufgenommen. S40-541a inque Notum sensim Boreali ab cardine doctus | inclinere oculos: Wenngleich die Verwendung des Verbs inclinare eine Imitation von Cie. Arat. 11 inclinatior ist (IHLEMANN, S. 62), darf man an entfernten Einfluß von Arat. 241 κατιόντος denken - trotz eines grundlegend anderen Sinnes an der dortigen Stelle. Zu medio-passivischem inclinari vgl. REHM in TLL VII, 1 943,5ff. s.v. inclino; zur Verbindung von Mediopassiva mit einem accusativus Graecus bei Avien s. KÜHNE, S. 39 (analoges gilt für V. 539 flectaris lumina). Ähnlich V. 553, 633b-634a, 642b643a (vgl. zur Stelle). - Das Adjektiv borealis ist eine Neubildung Aviens (vgl. BANNIER in TLL II 2130,53ff. s.v.). Er verwendet es in vergleichbarem Kontext auch in V. 1510 (Borealis uerticis altum) und orb. terr. 878 (borealis cardine caeli). - Doctus: Der Leser empfängt durch das Lehrgedicht die Weisungen, die ihn zum rechten Verständnis der Kosmologie fuhren. Zur Rolle des poeta docens vgl. u.a. Hör. ars 333ff. 541b-542a proles tibi tertia Piscis | surget Bambycii: Vgl. Eratosth. Cat. 21 und v.a. 38; Schol. Arat. 239 ούτοί ε ί σ ι μεγάλου εγγονοί ... ούτοι δε ε ί σ ι ν οί τοϋ μεγάλου 'Ιχθύος εκγονοι; Schol. Germ. Bas. 22, 38 S. 81, 98f.; femer Schol. Arat. 386 τρίτον δέ λέγουσι και τους β' ι χ θ ύ ο ς , έκγόνους ε ί ν α ι (versteht man τρίτον im Sinne von „zum dritten Male" [vgl. KG I, S. 314f.], ist das Komma zu tilgen). Die beiden letzten Stellen führen zum richtigen Verständnis der Junktur proles tertia (vgl. SOUBIRAN 1977a, S. 102ff.): Nicht die Nachkommen in erster Generation sind damit charakterisiert, wie GUNDEL meint (in RE XX 1778,23ff. s.v. Pisces und 1792,5ff. s.v. Piscis); vielmehr ist die « 'Descendance ä la troisieme genöration' [...], si l'on compte ä la fois le point de depart et le point d'arrivde » bezeichnet (SOUBIRAN 1977a, S. 103f.; vgl. außerdem SOUBIRAN ad loc., S. 205f. [Note 5]). SOUBIRANS Ausführungen ist lediglich hinzuzufügen, daß derartige Verwendung von Ordinalzahlen im Lateinischen nicht nur bei Datumsangaben, sondern überhaupt bei Formulierungen wie quinto quoque anno die Regel ist (KS 11,1 S. 646f.). Mit der Erwähnung des Piscis Bambycius (= südlicher Fisch; in V. 646 heißen die beiden Tierkreis-Fische selbst Pisces Bambycii) spielt Avien auf Mythen um die Dea Syria an. Die verschiedenen Sagenvarianten zu dieser Tierkreiskonstellation werden ausführlich u.a. von GUNDEL (in RE XX 1778,5ff. s.v. Pisces

und bei ROSCHER VI 980,15ff.) und CUMONT abgehandelt (in RE IV

2241,16ff. s.v. Dea Syria). Zur kultischen Verehrung der Dea Syria und dem damit verbundenen Tabu, Fische zu verzehren (u.a. Luc. Syr. 14) vgl. CUMONT 1914, S. 135f. und Note 36 (S. 282f.). Hinzuweisen ist darüber hinaus auf die 'Ιχθύς-

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Avien - Phainomena (Fische)

Symbolik des frühen Christentums (vgl. CUMONT 1914, S. 283f. [Note 37]), die nicht ohne Auswirkung auf die astrologische (Um-) Deutung des Sternbildes blieb. Vgl. auch — mutatis Ytiutayidis (vgl. oben Note 217) — BÖMER 1958 zu Ov. fast. 2,458, S. 115; FAUTH in KIP I 1402,3 Iff. s.v. Dea Syria. Zur Verwendung von proles s. zu V. 370-371, 580-582a; ferner FOUCHER in TLL X,2 1819,51ff., v.a. Z. 73: „vox propria est poesis grandioris". - Tibi: Der Leser wird weiterhin einbezogen, die Epistrophe mit einem dativus ethicus fortgesetzt. - Zu dem seltenen Adjektiv Bambycius vgl. JACOBSOHN in TLL II 1714,4ff. s . w . Bambyce und Bambycius, femer BENZINGER in RE II 2843,6Iff. s.v. Bambyke. Lage und Bedeutung der Stadt Bambyke beschreibt u.a. Strabo: ύ π έ ρ κ ε ι τ α ι δε τοϋ ποταμού (sc. τοϋ Ε ύ φ ρ ά τ ο υ ) . . . ή Βαμβύκη, ή ν κ α ι Έ δ ε σ σ α ν [unzutreffend!] και. Ί ε ρ ά ν π ό λ ι ν κ α λ ο ϋ σ ι ν , έν ή τ ι μ ώ σ ι την Σ υ ρ ί α ν θ ε ό ν την Ά τ α ρ γ ά τ ι ν (16,1,27; vgl. auch Plin. nat. 5,81; ferner Plut. Anton. 37,1). Vgl. im übrigen Germ. 563f. annua concludunt, Syriae duo numina, Pisces \ tempora. Wenn Avien den gewöhnlichen Namen Syria meidet und an dessen Stelle ein seltenes Adjektiv setzt, so gewinnt die Stelle geheimnisvolle Bedeutung, die dem Charakter der Dea Syria durchaus angemessen ist. - Surget: Sphäre in Bewegung (vgl. zu V. 429b-43 la). Zu V. 542b-551: V. 548-549a = Arat. 240f. Die unscheinbaren Fische erkennt der Betrachter an deutlichen Zeichen: Den Weg weisen das Dreieck (V. 539 hinc), der (unsichtbare!) himmlische Äquator / Tierkreis (V. 543f.), die linke Flügelspitze des Rosses (V. 544f.), die Brustpartie des Widders (V. 545f.) und der Stier (V. 546f.). Die drei Bilder Roß, Widder und Stier grenzen die Konstellation auf den Bereich um den Himmelsäquator ein. Indem Avien auch den Stier nennt, verleiht er V. 543f. eine gewisse Zweideutigkeit, denn der Stier liegt zum größten Teil in der nördlichen Hemisphäre. Weist Avien also den Fischen ihren Platz inmitten dieser Zeichen zu, so kann der Äquator nicht die südliche Grenze des Sternbildes sein, zumal der südlichere der beiden Fische seinen Platz mitsamt Band und Knoten südlich des Äquators, aber innerhalb des Tierkreises hat, der bei Arat den Himmel in zwei Hemisphären scheidet (vgl. u.a. MARTIN 1998 zu Arat. 239-240, S. 255; Schol. Arat. 239 ενσι δε έν άμφοτέροις τοις η μ ι σ φ α ί ρ ι ο ις). Die Begriffe orbis ingens und circulus benennen also auch hier nicht einen eindeutig bestimmbaren Kreis, sind vielmehr ambivalent wie schon zuvor in V. 459f. und 526 (vgl. auch V. 521 ingens balteus). Da überdies keiner der Großkreise bisher eigens besprochen wurde, erschließt sich dem Leser der volle Gehalt der Aussage erst viel später (V. 930ff.). Was die sprachliche Form betrifft, ist festzuhalten, daß Avien bis V. 551 kaum Begriffe aus dem Wortfeld „Licht" verwendet (nur lumina in V. 539, doch gerade hier heißt es „Augen"; V. 543 aethram, 547 sidere). Selbst im folgenden begegnen nur noch die Begriffe stellae (V. 552) und rutilus ignis (V. 555). Dies fällt umso mehr auf, als Avien gewöhnlich einer breiteren Darstellung nicht abgeneigt ist. Der Grund liegt im Streben nach variatio\ sie besteht hier darin, solche Begriffe zu vermeiden. Der Leser vergißt daher beinahe, daß von Sternbildern die Rede ist.

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Die Verse 549-551 sind eine Erweiterung Aviens, in welcher er der Schilderung des Wassermanns vorgreift: Er nennt Details, die streng genommen zu dessen Charakteristik gehören. Dadurch entlastet er die betreffende Textpartie (vgl. V. 645ff.). Durch diese Straffung der Komposition gelingt es ihm, einen längeren Exkurs vorzubereiten und ihm größeres Gewicht zu verleihen (vgl. dazu unten). 542b-544a sedes data quippe duobus | Piscibus, ingenti qua celsam circulus aethram | orbe secat: Zu sedes u.ä. vgl. V. 634 u.ö., ferner V. 270, 537 locus, 522 statione locatus. Die hier gemachte Aussage wird in V. 547 variiert. Überhaupt schöpft Avien aus einem reichen Schatz an Junkturen, um die Astrothesie zu beschreiben. Der Ausdruck sedem dare spielt indes zugleich auf den κ α τ α σ τ ε ρ ι σ μ ό ς und den Umstand an, daß die Sterne ihren Wohnsitz bei den Göttern haben, d.h. Manifestationen der Allgottheit sind (vgl. u.a. V. 189f. Iuppiter harte speciem ... | reddidit et talem cerni permisit Olympo, darüber hinaus die Wendungen reddere caelo [V. 371], donare polo [V. 442]). Vgl. auch zu V. 447 / 442-443a und 590b592a. - Eine ähnliche Periphrase für den circulus astriger (vgl. V. 275; irrtümlicherweise übersetzen FISCHER / KÖPPNER an der vorliegenden Stelle mit „Wendekreis" [S. 19]) findet sich u.a. bei Seneca: Thy. 844ff. hie qui sacris peruius astris | secat obliquo tramite zonas, \flectens longos signifer annos | ... (vgl. auch V. 508-511). Zur Schiefe von Ekliptik und Tierkreis s. V. 718-719a. - Zur Verwendung von Zahlwörtern in der Dichtung vgl. V. 530. Avien meidet duo an der vorliegenden Stelle aus Gründen der variatio gerade deswegen nicht, weil er das verbum proprium in V. 530 und 533 durch geminus ersetzt hat. Auch schreibt Germanicus an der parallelen Stelle gemini Pisces (V. 241; vgl. außerdem Manil. 2,162 duos per sidera Pisces; 2,192.661). - Celsam aethram: vgl. V. 545 mundo ... alto. - Zur Wendung ingens orbis s. V. 460b-461a (vgl. außerdem den Exkurs zur Andromeda). - Zu secat: vgl. V. 525b-526. 543 / 544 / 545 qua ... qua ... qua ...: Durch die Anapher mit Inversion werden jeweils die Begriffe hervorgehoben, die dem Relativum vorausgehen (vgl. MAURACH 1 9 9 5 , S . 3 2 ) .

544b-545a tendit qua pinnai extrema sinistrae | ales E^uus: Avien ergänzt das Sternbild Pegasus an dieser Stelle um das Detail der Schwingen, die bei der Beschreibung selbst (V. 470ff.) unerwähnt blieben. Unklar ist, welche Sterne dieser Partie zuzurechnen sein sollen: Ptolemaeus erwähnt zwar einen Flügel des Pegasus (Alm. 7,5), weist diesem aber keinen bestimmten Stern zu. Zur Astrothesie vgl. auch Hyg. astr. 3,17 (Piscis) qui supra tergum eius (sc. Equi) est fictus\ 3,29 alter ... est in zodiaco circulo extremo sub scapulis Equi non longe ab aequinoctiali circulo collocatus, spectans ad occasum. SOUBIRAN nennt als mögliche literarische Muster für die Vorstellung des geflügelten Rosses Ον. fast. 3,454.457f., Germ. 207, 223 und Manil. 5,24.633, erinnert aber ausdrücklich an den Globus Farnese, auf dem ein geflügeltes Roß zu sehen ist (S. 206 [Note 7]; vgl. auch KÜNZL, S. 29, 31: Der Mainzer Globus zeigt ein auf dem Rücken liegendes Roß mit zwei Schwingen). Es ist also nicht weniger vom Einfluß bildlicher Darstellungen auszugehen. Die Junktur ales Equus ist bei Catull vorgeprägt (66,54 möglicherweise Bezeichnung für den

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Avien - Phainomena (Fische)

Vogel Strauß: KROLL ad loc., S. 207; anders SYNDIKUS II, S. 212ff.), und bereits Ovid verwendet das Epitheton für Pegasos (am. 3,12,24 uictor Abantiades alite fertur equo; vgl. auch BANNIER in TLL I 1525,15ff. s.v. ales). Vgl. im übrigen die Ausführungen zum Sternbild Pegasus. 54Sb-546a mundo qua pectora Laniger alto | urget: Vgl. Cie. Arat. lOf. inferior paulo est Aries et flamen ad Austri \ inclinatior. Bei Avien ist die Funktion des Widders innerhalb der Astrothesie anders gefaßt als bei Cicero, der nur die relative Lage betrachtet. An der vorliegenden Stelle definiert der Widder den orbis ingens (= Tierkreis) näher. Cicero folgt mithin Arat, während sich Avien von seinen Vorlagen löst, dadurch den Augenschein aber auch genauer als diese charakterisiert. Mundus ist hier Synonym fur caelum (vgl. u.a. Germ. 232 medii ... mundv, V. KAMPTZ in TLL VIII 1635,Iff. s.v. mundus). - Zu Laniger vgl. V. 515-516a. In V. 773 begegnet derselbe Versschluß (Laniger altö) in ähnlichem Kontext. 546b-547a auerso surgentem corpore Taurum | respicit: Vgl. u.a. Manil. 1,263 respicit... auersum surgere Taurum (2,366f. auersaque Tauri \ sidera\ 2,549; 3,403; vgl. außerdem Verg. georg. 1,218 aduerso ... astro [v.l. auerso, ERREN 1985 in app. crit. ad loc.] und Ov. met. 2,80 aduersi ... Tauri [BÖMER ad loc., S. 261]). Mit dem Verb surgere entwickelt Avien das Bild des knienden Stieres weiter (V. 424 flexo iacet illic crure), verleiht der Darstellung erneut Lebendigkeit. Vorderhand ist jedoch an den Aufgang des Sternbildes gedacht, wodurch sich eine fast burleske Szene ergibt: Der Widder blickt, bereits über dem Horizont, nach hinten auf den Stier, der rückwärts aufgeht und dem überdies der hintere Teil fehlt. 547b Hinc medio signantur sidere Pisces: Hinc: Vgl. V. 539. Zur Formulierung der Astrothesie vgl. V. 634 media est Lyra sede dicata. - Signantur sidere: Alliterierend. Auch hier spielt Avien mit den Bedeutungen der Begriffe. Das Verbum signare läßt an signum im Sinne von „Tierkreisbild" denken (vgl. LE BCEUFFLE 1977, S. 25f., 29), wenn auch eine Nuance im Sinne von locare oder notare deutlich im Vordergrund steht. Prägnant ist sidus verwendet. Zu erwägen ist nämlich, ob Avien nicht an eine volksetymologische Definition des Ausdrucks dachte (vgl. LE BCEUFFLE 1977, S. 13f.), die bei Varro begegnet: sidera quae quasi insidunt (ling. 7,14); denn gemeint ist mit medio sidere soviel wie media sede ohne daß freilich die eigentliche Bedeutung von sidus dabei verlorenginge, welches sich mit signare eng verbindet. Vgl. auch V. 816f. longa istas denique signant \ interualla faces. 548-551 Zur Wiederherstellung des Textes vgl. SOUBIRAN 1977a, S. 104ff. 548 / 549 alius ... | ... alter: Vgl. Arat. 240 ετερος ... άλλου. Die Korrelativa alius und alter verwendet Avien auch in V. 1654f. für den Gegensatz zwischen nördlichem und südlichem Esel an der Krippe (quorum alius septem uicina trioni \ astra adolet, tepidum proeul alter spectat in Austrum; vgl. Arat. 897 εις μεν παρ βορέαο, νότω δ' έπικέκλιται άλλος). Obwohl dieser Gebrauch hauptsächlich

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durch Arats Vorbild bedingt ist (bei zwei einander genau entsprechenden Darstellungen erscheint alius ohnehin unangebracht), spiegelt sich darin zugleich die allmähliche Entwicklung des Lateinischen hin zur Romania (d.h. Ersetzung von alius durch alter, vgl. frz. « autre », ital. "altro", span, "otro"; ÖAIGL, S. 16; KÜHNE, S. 23). 548-S49a quorum alius rigida consurgit in aera forma | celsior et Borean propior sw^it: Vgl. Arat. 240f. α λ λ ' α ί ε ί προφερέστερος άλλου, | καΐ μάλλον βορέαο νέον κατιόντος ακούει; Cie. Arat. 12f.; Germ. 242 Threicium borean petit alter. Vgl. ferner V. 557f.: Dort wird das Epitheton rigidus jedoch auf axis übertragen (Paronomasie). FISCHER / KÖPPNER haben das Adjektiv nicht überzeugend gedeutet: „mit frostigem Leib" (S. 19) kann allenfalls mittelbar gemeint sein. Denn der nördliche Fisch ist gegen Norden aufgerichtet (= rigida forma233; vgl. V. 227 rigidos artus, 766 rigido tenus ... malo, 1007 genua hic rigidi uibrant Ophiuchi\ femer V. 428 aetherii rigor ignis). Da er jedoch im frostigen Norden steht, ist Zweideutigkeit nicht auszuschließen (im Rahmen einer Anspielung auf das Bild vom Wind, der aus dem Norden herniederfährt: Arat. 241; Germ. 242f.; vgl. auch zu V. 401-402a / 402b-403a). Vgl. im übrigen MARTIN 1998, S. 255f. zu Arat. 240 προφερέστερος - dem bei Avien celsior entspricht - , v.a. S. 256: « Le Poisson du nord est plus facile ä voir [...], et ceci non pas ä cause de l'öclat de ses ötoiles [...], mais ä cause de sa situation ». Zuflucht zur Helligkeit nehmen aus Verlegenheit die Scholien zu Arat (240). Eine solche Deutung von προφερέστερος verbietet sich indes, da die beiden Fische sich kaum an Helligkeit unterscheiden und die Konstellation insgesamt nur lichtschwache Sterne enthält (vgl. oben). Cicero hatte den Begriff προφερέστερος fehlgedeutet (Arat. 12 quorum alter paulo praelabitur ante\ vgl. Hyg. astr. 3,29 quorum inferior ante occidere et exoriri uidetur). Auf Grund von MARTINS Erklärung erübrigt sich auch ERRENS Annahme, Arat habe die beiden Fische verwechselt (1967, S. 92 [mit Note 1], 186, 305; 1971, S. 77 [Note 21]; ebenso MAURACH 1978, S. 180). Daß der Text aber Schwierigkeiten bereitete, belegt auch die Version des Germanicus: Er läßt dieses Detail beiseite, verlagert den Akzent seiner Darstellung (vgl. MAURACH 1978, S. 181 f.), vermeidet dadurch eine mißverständliche Aussage und korrigiert gleichsam ex negativo Arats Aussage (anders MAURACH 1978, S. 182). - Das Nebeneinander der Begriffe rigidus und consurgere / subire bewirkt einen Gegensatz zwischen Statik und Bewegung. Zur Verwendung von subire vgl. u.a. V. 700 subit inter sidera Delphis, 1470f. (von Cynthia) und, ohne das Moment tatsächlicher Bewegung, orb. terr. 461 f. boream subit altior agro | Moesus, außerdem orb. terr. 1357 subit aetheris auras (sc. Colis arx) und ora 517 subibat auras (sc. Callipolis). 549b-SSl alter aquarum | Troicus aurata quas fundit ephebus ab urna | pone auidus iacet in Notialia nubila pronus: Vgl. Germ. 241 f. {Pisces) quorum alter in austrum \ tendit, 285 dextra manus, latices qua fundit Aquarius, 387 nec proeul hinc dextra defundit Aquarius undas\ Manil. 1,272f. defundit Aquarius urna \

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Die Junktur rigida forma verwendet in übertragenem Sinn Zeno 1,36,18.

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Avien - Phainomena (Fische)

Piscibus assuetas auide subeuntibus undas (ferner u.a. 2,248 fundens ... Aquarius undas] 2,492.525). - Troicus ephebus: s. auch zu V. 646b-647 (vgl. außerdem V. 832ff. und V. 838 Phrygium ... subter ephebum). Mit dieser Wendung bezeichnet Avien Ganymed nicht als „Sohn des [dardanischen] Königs Tros" (VON GEISAU in KIP II 695,11) - eine Tradition, die in der Tat belegt ist (vgl. Apollod. 3,140f.) - , sondern allgemein als Abkömmling des troischen Geschlechtes. Ähnliche Umschreibungen sind puer Idaeus (Ov. fast. 2,145; vgl. BÖMER 1958 ad loc., S. 92) und Troiades puer (Anth. 619,6). Das vom Wassermann ausgegossene Naß fängt in der Regel der südliche Fisch auf (vgl. Eratosth. Cat. 38 ούτος έστιν ό μέγας καλούμενος Ιχθύς, δν κάπτειν λέγουσι τό ΰδωρ της τοϋ Ύδροχόου έκχύσεως; Hyg. astr. 2,41 hie uidetur ore aquam excipere a signo Aquarii, 3,28 effusio aquae peruenit ad eum Piscem qui solitarius figuratur, de quo posterius dicemus, 3,40 Piscis ... qui notius dicitur ... ore excipiens aquam quae funditur ab Aquario\ Vitr. 9,5,3). Vorbild für Aviens Bezeichnung des südlichen der beiden Fische als aquarum auidus ist effuso gaudentes aequore Pisces bei Manilius (2,225). An beiden Stellen geht es darum, daß die Fische dem ihnen gemäßen Element gleichsam zustreben. - Auffällig ist an der vorliegenden Stelle das Hyperbaton aquarum | ... | ... auidus, das mehr als einen ganzen Vers umspannt. Zur Bezeichnung des Wassers in dieser Konstellation vgl. LE BCEUFFLE 1977, S. 180. Zu fundere vgl. ders. 1987, S. 141 s.v. - Der Krug des Wassermannes, lateinisch gewöhnlich urna (u.a. Germ. 562; Manil. 2,542 [Konjektur]; 2,561; Lucan. 9,537; Sen. Thy. 865), wird im Griechischen κάλπις (Hipparch. 2,6,5; 3,1,9; 3,3,11; 3,4,8; Gem. 3,6 οί δε έν άκρα τη δεξιά χ ε ι ρ ι κείμενοι τοϋ Ύδροχόου δ' αστέρες Κάλπις καλούνται; Ptolem. Tetr. 3,1029; 4,330) oder κάλπη genannt (Vett. Val. 1,2,77; v.l. Gem. 3,6; v.l. Ptolem. Tetr. 3,1029). Dieser Teil der Konstellation wird von den Sternen η, ζ und γ Aquarii gebildet (SOUBIRAN, S. 206 [Note 1]). Hygin nennt den Wasserkrug aqualis (astr. 3,28), vermutlich nach Schol. Arat. 391 ό Ύδροχόος εχει ώσπερ ύδρεϊον από αστέρων. Vgl. im übrigen LE BCEUFFLE 1977, S. 180; 1987, S. 276f. s.v. urna. - Den Ennianismus pone (vgl. LEUMANN, S. 133; MAURACH 1995, S. 86f.) verwendet Avien ausschließlich in den „Phainomena", dort aber immerhin an fünf weiteren Stellen (V. 487, 764, 1269, 1481, 1600). - Das Adjektiv notialis ist eine Neubildung Aviens, vergleichbar den Neologismen Camenalis (DAIGL, S. 9; vgl. V. 496), Borealis (V. 540, 951, 1510) und astralis (V. 609). Zur Sache vgl. u.a. V. 1724 si Notus humentis Libyco trahit aethere nubes. So stellt Avien hier Altes (pone) und Neues (Notialis) nebeneinander und fuhrt die Aratische Tradition bewahrend und erneuernd weiter. Ähnliche Formulierung in V. 535f.: Auch die Junktur pluuius Notus bezeichnet einfach die Südrichtung. Vgl. außerdem V. 824 cardinis immersi qua sunt australia flabra (die Rede ist vom südlichen Fisch!). - Zur Emendation von V. 550 - sie fand allgemeinen Beifall (vgl. ERREN 1984, S. 102; GOODYEAR, S. 207; KNECHT, S. 430)

- s. SOUBIRAN 1977a, S. 104ff. und ders. zur vorliegenden Stelle, S. 206 (Note 1). Zu aurata ... ab urna vgl. V. 1049 auratam protendit (vgl. hierzu auch V. 687b-688) Aquarius urnam (vgl. Ov. fast. 2,457 iam leuis obliqua subsedit Aquarius urna; Manil. 4,259f. ille quoque, inflexa fontem quiproicit urna \ ... iuuenalis Aquarius). - Dem Sternbild Wassermann am nächsten liegen die Sterne β, γ, θ, ι, 19 (nicht χ,

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V. 539-560a

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wie SOUBIRAN, S. 206 [Note 1] bemerkt; der Stern χ gehört zum nördlichen der beiden Fische), λ und κ Piscium (vgl. S l a w i k / REICHERT, S. 172). - Das Adjektiv pronus gebraucht Avien mit der Präposition in und Akkusativ auch in V. 411 und 915, in V. 41 lf. zudem in Verbindung mit dem Verb iacere (vgl. zur Stelle). Zu V. 552-560a: V. 552-554a = Arat. 242f.; V. 554b-555 = Arat. 244; V. 556 = Arat. 245; V. 557560a = Arat. 246f. Die beiden Fische am Firmament sind durch eine Reihe von Sternen miteinander verknüpft, ein Band, das in einem Knoten zusammenläuft. Nach der Schilderung des himmlischen Bandes kehrt Avien zum nördlicheren der beiden Fische zurück: Ihn zu finden, bereitet dem Betrachter keine Schwierigkeiten; das benachbarte Sternbild der Andromeda leitet ihn. Zugleich vervollständigt sich die Gruppe der Konstellationen um Andromeda allmählich. An sie knüpft auch die Astrothesie der Fische an. Die Verben, die Avien verwendet, charakterisieren den Himmel auf der einen Seite als statisches Gebilde (confixa, tenentur). Andererseits erscheint das Firmament in unablässiger Bewegung und Veränderung: Obgleich die Verben nicht den Himmel selbst beschreiben, so erinnern doch die verba actionis (trahi, necti, coire) an eine rastlose, belebte Sphäre. 552/556

Vgl. V. 802 fusaque quae geminos adstringunt uincula Pisces.

552-554a Sed tarnen hi late stellis ex ordine fusis | nectuntur caudas et lenta trahuntur utraque | uincula per caelum: Vgl. Arat. 242f. αμφοτέρων δέ σφεων αποτείνεται ήύτε δ ε σ μ ά | ουραίων; Schol. Arat. 244; Cie. Arat. 14f. atque horum e caudis duplices uelut esse catenas \ dices, quae diu diuersae per lumina serpunt, 150f. proceraque uincla uidebis \ quae retinent Pisces caudarum α parte locata\ Germ. 244f., 369f. - Zu stellis ex ordine fusis vgl. Arat. 243 έ π ι σ χ ε ρ ώ (MARTIN, S. 256); Vitr. 9,5,3 ordinate utrisque Piscibus disposita est tenuis fusio stellarum. Bei fundere ist die sonst nicht selten belegte Metapher des Lichtgießens nur mittelbar zu erkennen; vgl. vielmehr u.a. V. 412 fusoque ... corpore. - Nectuntur caudas: vgl. zu V. 540-54la. - Die Wendung lenta uincula begegnet in anderem Kontext schon Colum. 4,31 (lentissimum est uinculum). Die Konnotation der trägen Fixsternbewegung ist hier freilich nicht berührt (φ tardus, piger - so z.B. Lucan. 9,535 aut Astraea iubet lentos descendere Pisces). Vielmehr bezeichnet das Epitheton die Biegsamkeit des sich dahinschlängelnden Bandes. - Vtraque: Arat. 243 έκάτερθεν; Cie. Arat. 15 diuersae. - Aufteilung der Sterne im Band: s. SOUBIRAN, S. 206 (Note 2). 554-556 Vgl. Arat. 244f. 554b-555 coeunt quae cingula rursum | et rutilo confixa quasi super igne tenentur: Vgl. Arat. 244 και τά μεν εις άστήρ επέχει καλός τε μέγας τε (= Arat. 176); bei Avien V. 437f. una pedem Aurigae dextrum cornumque sinistrum | Stella tenet pecoris, 475 simul hos lux indiscreta retentat. - Cingula ... \ ... rutilo

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Avien - Phainomena (Fische)

confixa quasi ... igne: Germ. 246 Nodum Stella premit. Zum Topos der sich hinter rutilus ignis verbirgt vgl. u.a. V. 447 / 442-443a, 570b-571a, 572 und 708b-710. Das vergleichende Adverb quasi ist unpoetisch (AXELSON, S. 88f.), begegnet daher nicht ebenso häufig wie der Ennianismus ceu (vgl. u.a. V. 78, 108, 139). Avien gebraucht quasi stets in iambischer Prosodie (ÖAIGL, S. 30). - Die Stellung der Präposition super ist vergilischem Muster verpflichtet (DAIGL, S. 15). - In V. 554 überliefern alle drei Textzeugen einhellig cingula, wofür BUHLE - vgl. dazu Germ. 244f. sed uincula cauda | singula utrumque tenent uno coeuntia nodo - singula vorschlug (vgl. SOUBIRAN in app. crit.: fort, recte). GOODYEAR bezeichnete den tradierten Text als "odd" und trat vorsichtig fur cingula ein (S. 208f.). Avien selbst schreibt in vergleichbarem Kontext einmal flamma caudarum cingula figit (V. 806) und wenig zuvor fusaque quae geminos adstringunt uincula Pisces (V. 802). Beide Stellen zeigen deutliche Anklänge an den vorliegenden Passus. Aus den parallel überlieferten Texten (zu den bereits genannten kommt noch Cie. Arat. 150f. proceraque uincla uidebis | quae retinent Pisces caudarum α parte locata) läßt sich indes nichts Sicheres gewinnen. Betrachtet man jedoch den Gang der Darstellung bei Avien, so ergibt sich folgendes: An die Fischschwänze fügen sich Stemreihen an (1). Diese ziehen sich über den Himmel hin (2). Als weiterer Punkt wird ein Stern genannt, an dem etwas befestigt ist. Das aber können nur die uincula sein, von denen zuvor die Rede war. Daher fugt sich cingula in die Weiterführung des Gedankens treffend ein: Die Verwendung des Wortes entspricht ganz Aviens Streben nach variatio. Die Darstellung wäre somit ohne Fehl. Bleibt GOODYEARS fast gleichbedeutender Vorschlag -que cingula (eine Art Haplographie). Da gleichwohl der überlieferte Text ohne jeden Eingriff gehalten werden kann, ist von einer Änderung abzusehen, zumal diese die Alliteration caelum, coeunt quae cingula empfindlich stören würde. 556 Caelestem memorat quem sollers Graecia Nodum: Cie. Arat. 17 quem ueteres soliti Caelestem dicere Nodum (vgl. 243 uinetos inter se [sc. magnos Orbis] et nodis caelestibus aptos\ die Ähnlichkeit beschränkt sich in diesem Fall auf die Junktur nodi caelestes); Germ. 245f., 370. Der himmlische Knoten (= α Piscium) erfüllte zu Arats Zeit eine bedeutende astronomische Funktion: Er markierte den Frühlingspunkt. Vgl. hierzu Hyg. astr. 3,29 horum coniunctionem, quae a pede Arietis primo notatur, Aratus Graece σύνδεσμον ύπουράνιον, Cicero nodum caelestem dicit; qui utrique uolunt significare eum nodum non solum Piscium, sed etiam totius sphaerae esse; quo enim loco circulus ab Arietis pede μ ε σ η μ β ρ ι ν ό ς dicitur qui meridiem signißeet et quo loco is circulus μ ε σ η μ β ρ ι ν ό ς coniungitur et transit aequinoctialem circulum in ipsa coniunctione circulorum nodus Piscium significatur; quare eum non modo Piscium, sed etiam caelestem nodum uerum appellauerunf, ferner MARTIN 1998, S. 258. - Die Wendung sollers Graecia (vgl. auch V. 1653 Graecia docta) ist totum pro parte und meint in erster Linie Arat. Zudem erinnert das Epitheton sollers an das alexandrinische Ideal der λεπτότης insofern, als die sollertia ein π ο ί η μ α λεπτόν hervorzubringen imstande ist (vgl. das Akrostichon λεπτή bei Arat selbst [V. 783ff.] in Verbindung mit derselben Form zu Beginn von V. 783; ferner u.a. Leonidas in AP 9,25,1 γ ρ ά μ μ α τόδ'

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V. 539-560a

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'Αρήτοιο δαήμονος und Callimachus in 9,507,3f· χαίρετε, λεπται | ρήσιες, Άρήτου σύμβολον άγρυπνίης; MARTIN 1 9 9 8 , S. 47If.). Die Junktur sollers Graecia ist geradezu eine Umkehrung der Apostrophe Graecia fallax bei Valerius Flaccus (8,275). S. auch zu V. 717 dicere Romuleo conitor carmine sollers. - Zum Gebrauch des Verbums memorare an der vorliegenden Stelle vgl. u.a. V. 576. 557-560a Vgl. Arat. 246f. - Diese Verse werden von den drei Textzeugen V, A und Ε zu Perseus gestellt. Eine genaue Zuweisung ist indes unmöglich, da der Abschnitt thematisch sowohl zu den Fischen als auch zu Perseus gehört (vgl. die verschiedenen Ausgaben und SOUBIRAN ad loc. in app. crit.). 557-5S9a Ex umero Andromedae laeuo quoque noscere Piscem | qui rigidum celsi suspectat cardinis axem | perfacile est: Zu V. 557 vgl. u.a. Eudox. frg. 34 ή Ανδρομέδα τον μεν άριστερόν ώμον έχουσα των Ιχθύων ύπέρ τοϋ προς ßoppäv; Arat. 246f. Άνδρομέδης δέ τον ώμος αριστερός Ιχθύος εστω | σ ή μ α βορειοτέρου; Schol. Arat. 239 ό γαρ ετερος ... έπιψαύει τοϋ ώμου της 'Ανδρομέδας, 242; Cie. Arat. 18f. (v.a. Andromedae laeuo ex umero ... \ ... poteris ... cognoscere Piscem; vgl. IHLEMANN, S. 62); Germ. 246f. Piscis qui respicit auras | Threicias astra Andromedae cernantur ad ulnam. - Die Schulter der Andromeda ist bezeichnet durch die Sterne δ und ε Andromedae (vgl. u.a. MARTIN 1998, S. 258; SOUBIRAN, S. 206 [Note 3]; KLDD beschränkt die Schulter auf den Stern δ Andromedae [S. 257, 271]). - Zu rigidum celsi... cardinis axem vgl. V. 121 teretem prope cardinis axem; ferner u.a. zu V. 510b-511 celsum ... aera, 543 celsam ... aethram, 545 mundo ... alto\ vgl. auch V. 60f. altο | cardine. In V. 722 steht bei der Junktur celsus cardo der Begriff cardo erstmals metonymisch für „Himmel"; vgl. BANNIER in TLL III 443,80ff. s.v. cardo. - Zur Vorstellung von qui rigidum celsi suspectat cardinis axem vgl. u.a. KLDD zu Arat. 245, S. 271: "ύπουράνιον makes good sense, [...] the prefix expressing the idea that the stars are attached to the under-surface of the sky". Manil. 3,357 gelidus rigidis fulcit compagibus axis (sc. uerticem caeli). Zur Verwendung von rigidus vgl. V. 548-549a; darüber hinaus V. 93f. Oceano pars \ sublime erigitur, 96 horriferis Aquilonibus illa rigescunt. - Die Beschreibung in V. 558 zeigt deutliche Anklänge an V. 548f. Die Periphrase der Nordrichtung ist indes an der vorliegenden Stelle weniger bestimmt als zuvor. V. 558 belegt erneut Aviens Vorliebe für barocke Fülle, gibt doch der ganze Vers ein einziges Wort bei Arat wieder (V. 247 βορειοτέρου), ohne daß das verbum proprium genannt würde (variation vgl. V. 540 Boreali ab cardine, 549 Boreari). Den Gedanken beschließt am Versanfang und betont vor der Zäsur (Trithemimeres) die überraschende Wendung perfacile est. Der folgenden Erklärung steht jedoch wiederum der Augenschein entgegen: Andromeda kann, da selbst unauffällig, nur dem geübten Betrachter als Anhaltspunkt für ein kaum erkennbares Sternbild dienen. - Eine von perfacile abhängige Infinitivkonstruktion findet sich seit Lukrez (2,381; vgl. SCHMITZ in TLLX,1 1348,24ff. s.\. perfacilis). 559b-560a ulnae nam proximus iste sinistrae | caerulus erigitur: Vgl. Cie. Arat. 19 adpositum poteris ... cognoscere Piscem (zur Bedeutung von adpositum s.

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Avien - Phainomena (Fische)

S. 203 [Note 5]); Germ. 246f.; Vitr. 9,4,3 manus Andromedae ... laeua aquilonalem Piscem (vgl. ebd. item Pisces supra Andromeda est und SOUBIRAN ad loc., S. 156f., 158); Hyg. astr. 3,10; 3,29 alter (sc. Pise is) ... sub Andromedae brachio collocatus et arcticum polum spectans constituitur. Vgl. darüber hinaus u.a. Aviens Schilderung der συνανατολαί der Fische, zu denen auch Andromeda gehört (V. 1277ff.). - Das Epitheton caerulus ist entweder dem Einfluß bildlicher Darstellungen zuzuschreiben (vgl. u.a. V. 1031 caeruleo ... Cancro\ THIELE, S. 110: „Der blaue Bauch hebt sich nur schlecht von dem blauen Himmel ab") oder im Rahmen einer enallage adiectivi auf den dunklen Nachthimmel zu beziehen (vgl. u.a. V. 609 nox ... caerula; 675 caerula tegmina noctis als dichterische Periphrase für triviales noctw, außerdem - vom strahlenden Taghimmel - V. 397 caerulei ... caloris). Vgl. ferner V. 396b-397 und 420. Die Übersetzung von FISCHER / KOPPNER („meerfarben", S. 20) bringt einen weiteren Gesichtspunkt ins Spiel, den unmittelbaren Einfluß der Wirklichkeit. Die Farbe der einzelnen Sterne ist an dieser Stelle nicht bezeichnet (anders V. 1376 caeruleo ... astro vom Sirius). - Zur Astrothesie vgl. SOUBIRAN, S. 206 (Note 3): Dem linken Arm Andromedas (ζ und η Andromedae) am nächsten (proximus) kommen die Sterne υ, τ und ς Piscium (vgl. auch SLA WIK / REICHERT, S. 172). - Das Prädikat erigitur nimmt V. 548f. rigida consurgit in aera forma wieder auf und ruft nochmals die Paronomasie von V. 558 rigidum ... axem in Erinnerung. SOUBIRAN,

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