Fischaufstiegsanlage an der polnischen Wasserkraftanlage Prysieka

Bauhaus-Universität Weimar Institut für Wasserwesen Umweltgerechte Wasserkraftnutzung in Polen und Deutschland am Beispiel des Oderzuflusses Lausitze...
Author: Julia Waltz
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Bauhaus-Universität Weimar Institut für Wasserwesen

Umweltgerechte Wasserkraftnutzung in Polen und Deutschland am Beispiel des Oderzuflusses Lausitzer Neiße – Wissenstransfer auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft

Fischaufstiegsanlage an der polnischen Wasserkraftanlage Prysieka

Das Projekt wurde unter dem Az: 24550/11-24/0 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert

Bearbeiter:

Dipl.-Biol. Maria Schmalz Dr. rer. nat. Magdalena Klich Dr. Ing. Konrad Thürmer

Bewilligungsempfänger:

Bauhaus-Universität Weimar

Kooperationspartner:

Hydrolabor Schleusingen, IWSÖ GmbH

Projektleitung:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Peter Hack (Bauhaus-Universität Weimar)

Schleusingen, Juni 2013

IWSÖ GmbH

Sie können diese Publikation beziehen bei:

IWSÖ GmbH Hydrolabor Schleusingen Themarer Str. 16 c 98553 Schleusingen

Tel: 036841-530910 Fax: 036841-530914

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

06/02

Projektkennblatt der

Deutschen Bundesstiftung Umwelt Az

24550/11

Antragstitel

Stichworte Laufzeit Monate Bewilligungsempfänger

Referat

24/0

Fördersumme

96.000

Umweltgerechte Wasserkraftnutzung in Polen und Deutschland am Beispiel des Oderzuflusses Lausitzer Neiße – Wissenstransfer auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft Durchgängigkeit, Lausitzer Neiße Fischaufstieg, Fischabstieg, Wasserkraftanlage, Projektbeginn Projektende Projektphase(n) 16.3.2009

31.3.2013

Bauhaus-Universität Weimar Institut für Wasserwesen Marienstr. 13D 99423 Weimar

1 Tel 03643-584480 Fax 03643-584484 Projektleitung Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Hack

Bearbeiter Dipl.-Biol. Maria Schmalz Dr. rer. nat. Magdalena Klich

Kooperationspartner

Institut für Wasserwirtschaft, Siedlungswasserbau und Ökologie GmbH (IWSÖ) Hydrolabor Schleusingen Themarer Str. 16 c 98553 Schleusingen Dr. –Ing. Konrad Thürmer

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens Anlass des Vorhabens ist die Forderung der EU-WRRL nach der Durchgängigkeit der Gewässer als einem wichtigen Qualitätskriterium für den guten ökologischen Zustand der Fließgewässer. Die Lausitzer Neiße ist ein stark zerschnittenes Gewässer, dessen Funktion als Grenzfluss zu besonderen Herausforderungen in der Wiederherstellung der Durchgängigkeit führt. Erstes Ziel des Projektes war die Darstellung des Ist-Zustandes unter Bündelung der bisher vorhandenen Daten sowie die Erstellung eines Grobkonzeptes für die Durchgängigkeit des Gewässers. Außerdem war die Erstellung eines zweisprachigen Handbuchs geplant. Das zweite Ziel des Projektes bestand in der Sensibilisierung aller in die Thematik involvierten Einrichtungen. Dazu zählen Universitäten, Behörden, Organisationen und Betreiber von WKA. Wissentransfer und gemeinsame Planungen sollten das Ergebnis dieser Bemühungen sein.

Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden Da das Projekt aus mehreren Teilaspekten besteht, wurde es in mehrere Arbeitspakte gegliedert. Arbeitspaket 1: Fachlicher Inhalt Dieses Arbeitspaket beinhaltet die Bündelung bereits vorhandene Daten. Hierfür wurden Anfragen an alle relevanten Einrichtungen gestellt und eine Besichtigung aller Standorte vorgenommen Zur Erstellung eines Durchgängigkeitskonzeptes wurde die Methode nach [Flo11] genutzt. Arbeitspaket 2: Organisatorischer Inhalt Im AP2 erfolgte die Kontaktaufnahme und Gespräche mit zuständigen Behörden, Forschungseinrichtungen und Organisationen. Geplant waren weiterhin Workshops und Arbeitstreffen sowie eine Expertenrunde mit polnischen Experten in Deutschland. Für die Erreichung des langfristigen Zieles sollte in diesem Rahmen auch die Initiierung von weiterführenden Vorhaben erfolgen. Arbeitspaket 3: Öffentlichkeitsarbeit und Umweltkommunikation Hier werden alle Vorhaben gebündelt, die über das Arbeitspaket 2 hinausgehen. Dies betrifft insbesondere die Teilnahme an Tagungen, Seminaren und Messen, aber auch das Verfassen z. B. von Pressemitteilungen, Geplant waren zudem Veranstaltungen für die Öffentlichkeit, die die Hintergründe evtl. zustande kommender konkreter Projekte erläutern sollten. Deutsche Bundesstiftung Umwelt  An der Bornau 2  49090 Osnabrück  Tel 0541/9633-0  Fax 0541/9633-190  http://www.dbu.de

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Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Ergebnisse und Diskussion An der Neiße befinden sich im betrachteten Flussabschnitt 37 Standorte mit Querverbauungen. 21 dieser Standorte sind mehr oder weniger durchgängig. Die Durchgängigkeit wird durch Sohlgleiten oder durch Fischaufstiegsanlagen gewährleistet. Insgesamt sind die Bedingungen für die Ansiedlung anadromer Fischarten derzeit im Ist-Zustand sehr schlecht. Es wurde ein Grobkonzept inklusive kartografischer Darstellung für den Fischaufstieg an allen nicht durchgängigen Standorten erarbeitet. Das Ziel der Bündelung vorhandener Daten konnte erfüllt werden. Durch das Zusammentragen deutscher und polnischer Angaben und dem Einpflegen eine zweisprachige Präsentation ist ein schnelles Nachschlagen für jedes Querbauwerk an der Neiße möglich. Die Bewertung der Durchgängigkeit und die Erstellung eines Grobkonzeptes konnte durch die Nutzung des Modellprojektes Ilm [Flo11] ebenfalls zufriedenstellend gelöst werden. Da das für das Handbuch maßgebliche DWA-Merkblatt M509 bisher noch nicht erschien, wurde von der Erstellung abgesehen. Eine Darstellung veralteter Standards wäre nicht zielführend gewesen. Durch die zahlreiche Gespräche mit Behörden (z. B. RZGW Wrocław, IMGW, SMUL, MUGV), wissenschaftlichen Mitarbeitern der Naturwissenschaftlichen Universitäten in Poznań und in Wrocław, der Universität Zielona Góra und des Binnenfischerei Institutes in Olsztyn, die an der Lausitzer Neiße tätig sind, WKA-Betreibern und –Mitarbeitern sowie mit Mitarbeitern der IKSO-Kommission konnte das übergeordnete Ziel des Projektes (Durchgängigkeit an der Lausitzer Neiße) angesprochen und damit die Ansprechpartner sensibilisiert werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Organisation von Workshops und Arbeitstreffen häufig kaum möglich war. Deshalb wurde im Verlauf des Projektes zunehmend von der Möglichkeit der direkten Gespräche Gebrauch gemacht. Besonders hilfreich waren dabei häufig die Besuche von Messen und großen Tagungen. Das Ziel, konkrete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit auf den Weg zu bringen, konnte bisher nicht erreicht werden. Da in den kommenden Jahren jedoch weiter an der Umsetzung der Durchgängigkeit auch an der Neiße gearbeitet werden muss, werden sich mit Sicherheit Folgeprojekte ergeben. Es ist sehr gut absehbar, dass sich verschiedene, durch das Projekt geknüpfte Kontakte, vor allem im wissenschaftlichen Bereich (z. B. Universität Wrocław) weiter intensivieren werden. Es sind bereits mehrere Projektideen vor allem mit polnischen Institutionen in der Diskussion. Insbesondere wurden im Laufe des Projektes aktive Partner an der Naturwissenschaftlichen Universität Wrocław und an der Universität Zielona Góra gewonnen, mit denen eine weitere Zusammenarbeit angestrebt ist.

Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation Die Kommunikation und Veröffentlichung des Projektes auf Tagungen, Konferenzen und Messen konnte in einem ausreichenden Maße durchgeführt werden. Wichtig waren auch hier wiederum die sich am Rande der Treffen ergebenden Gespräche. Die Information der Öffentlichkeit durch Pressearbeit und Bürgerterminen konnte hingegen nicht zum Zuge kommen. Dieser Teil war für den Fall von konkreten Umsetzungsprojekten geplant, die evtl. Bedenken in der Öffentlichkeit bzw. bei verschiedenen Zielgruppen (Angler, Kanuten, Anwohner) hervorgerufen hätten. Für den September 2013 ist ein binationaler Workshop zum Thema Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanlagen geplant.

Fazit Im Verlauf des Projektes zeigte sich, dass vor allem die Zusammenführung verschiedenster Interessen und fachlicher Meinungen eine große Herausforderung darstellt. Auch der in Deutschland und Polen noch sehr unterschiedliche Umgang mit der Umsetzung der WRRL, mit Standards für die Herstellung der Durchgängigkeit und den unterschiedlichen Förderinstrumenten führte dazu, dass ein mit allen Partnern abgestimmtes gemeinsames Vorgehen nur in eingeschränktem Maß möglich war. Durch die intensive Kontaktpflege ist jedoch die weitere Zusammenarbeit garantiert und für konkrete Projekte bereits verwirklicht. Deutsche Bundesstiftung Umwelt  An der Bornau 2  49090 Osnabrück  Tel 0541/9633-0  Fax 0541/9633-190  http://www.dbu.de

AI

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Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis von Abbildungen, Tabellen und Fotos ........................................................................ IV Tabellenverzeichnis ............................................................................................................................ IV Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................ IV Verzeichnis von Begriffen und Definitionen ................................................................................... V Zusammenfassung....................................................................................................................... VI 1 Einleitung ............................................................................................................................. 1 1.1 Die Durchgängigkeit der Fließgewässer .................................................................................. 1

2

3

1.2

Die Durchgängigkeit der Lausitzer Neiße ................................................................................ 2

1.3

Ziele des Projektes................................................................................................................... 2

1.4

Konkrete Aufgabenstellung ..................................................................................................... 3

1.4.1

Arbeitspaket 1: Fachlicher Inhalt hinsichtlich Durchgängigkeit .......................................... 3

1.4.2

Arbeitspaket 2: Organisatorischer Inhalt ............................................................................ 3

1.4.3

Arbeitspaket 3: Öffentlichkeitsarbeit und Umweltkommunikation.................................... 3

Untersuchungsgebiet ............................................................................................................ 5 2.1 Die Fischfauna der Lausitzer Neiße ......................................................................................... 6 2.1.1

Verhältnisse in Sachsen ....................................................................................................... 6

2.1.2

Verhältnisse in Brandenburg ............................................................................................... 6

Ergebnisse ............................................................................................................................ 7 3.1 Fachliche Aspekte zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit (Arbeitspaket 1) .................. 7 3.1.1

Methodik ............................................................................................................................. 7

3.1.1.1

Erfassung von Daten .................................................................................................... 7

3.1.1.2

Bewertung des Fischaufstieges ................................................................................... 8

3.1.1.3

Bewertung des Fischabstieges .................................................................................. 11

3.1.2

Durchgängigkeitskonzept .................................................................................................. 11

3.1.2.1

Beurteilung des Ist-Zustandes ................................................................................... 13

3.1.2.2

Plan-Zustand .............................................................................................................. 18

3.1.2.3

Fischabstieg ............................................................................................................... 21

3.1.2.4

Sonstige weiterführende Aktivitäten ........................................................................ 22

3.1.3

Erstellen eines zweisprachigen Handbuches..................................................................... 22 II

IWSÖ GmbH 3.1.4 3.2

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Kritische Zusammenfassung des Arbeitspaketes 1 ........................................................... 24 Organisatorische Aspekte (Arbeitspaket 2)........................................................................... 25

3.2.1

Chronologischer Ablauf der durchgeführten Aktionen ..................................................... 26

3.2.2

Zusammenfassung wichtiger an der Neiße arbeitender Organisationen ......................... 30

3.2.2.1

Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigungen (IKSO) . 30

3.2.2.2

Deutsch-Polnische Grenzgewässerkommission ........................................................ 31

3.2.2.3

Euroregion Neiße....................................................................................................... 32

3.2.2.4

NEYMO – Lausitzer Neiße/Nysa Luzycka – Klimatische und hydrologische

Modellierung, Analyse und Prognose ........................................................................................ 32 3.2.3

Zusammenfassung

von

Rahmenbedingungen

für

die

Wiederherstellung

der

Durchgängigkeit an der Neiße........................................................................................................ 33 3.2.3.1

Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Wasserrecht. ............................. 33

3.2.3.2

Fördermöglichkeiten für die Herstellung er Durchgängigkeit ................................... 33

3.2.4

Weiterführende Aktivitäten .............................................................................................. 34

3.2.5

Kritische Zusammenfassung des Arbeitspaketes 2 ........................................................... 36

3.3

4 5 6

Arbeitspaket 3: Öffentlichkeitsarbeit .................................................................................... 37

3.3.1

Chronologischer Ablauf der durchgeführten Öffentlichkeitsarbeit .................................. 37

3.3.2

Kritische Zusammenfassung des Arbeitspaketes 3 ........................................................... 38

Fazit und Ausblick ............................................................................................................... 39 Literatur ............................................................................................................................. 40 Anhang ............................................................................................................................... 43 6.1 Ist-Zustand Durchgängigkeit Lausitzer Neiße ........................................................................ 45 6.2

Plan-Zustand Durchgängigkeit Lausitzer Neiße ..................................................................... 47

6.3

Grobkonzepte für Fischaufstiegsanlagen an der Lausitzer Neiße ......................................... 48

6.4

Konzeption für einen internationalen Workshop ................................................................. 61

III

IWSÖ GmbH

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Verzeichnis von Abbildungen, Tabellen und Fotos Tabellenverzeichnis Tab. 1: Gewässerkundliche Daten des Einzugsgebietes der Lausitzer Neiße aus [SMU07] .................... 6 Tab. 2: Ausprägung der kleinräumigen Auffindbarkeit aus [Flo11] ........................................................ 9 Tab. 3 Ausprägung der Passierbarkeit bei einem Querbauwerk ohne gesonderte Fischaufstiegsanlage aus [Flo11] ............................................................................................................................................. 10 Tab. 4: Ausprägung der Passierbarkeit bei einem Querbauwerk mit gesonderter Fischaufstiegsanlage aus [Flo11] ............................................................................................................................................. 10 Tab. 5. Bewertung der Aufstiegsraten .................................................................................................. 11

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Präsentationsblatt für die WKA Zasieki .................................................................................... 12 Abb. 2: Besichtigung der WKA Bremenwerk zusammen mit Herrn Kasper (Mitarbeiter des WKABetreibers) ............................................................................................................................................. 13 Abb. 3: Standorte mit Querverbauung an der Lausitzer Neiße. Ist-Zustand. Bewertung siehe Tab.5.. 14 Abb. 4: Bewertung der Aufstiegsrate der Querbauwerk-Standorte an der Lausitzer Neiße im IstZustand .................................................................................................................................................. 15 Abb. 5: Darstellung der Aufstiegsraten für jeden Standort an der Lausitzer Neiße im Ist-Zustand sowie die kumulierte Erreichbarkeitsrate für aus der Oder aufsteigende anadrome Wanderfischarten. ..... 16 Abb. 6: Beispiel für die gelungene Wiederherstellung der Durchgängigkeit durch Umbau eines Wehres in eine Sohlgleite (ehem. Walzenwehr Zittau LN36) ............................................................... 18 Abb. 7: Standorte mit Querverbauung an der Lausitzer Neiße. Plan-Zustand. Bewertung siehe Tab.519 Abb. 8: Darstellung der Aufstiegsraten für jeden Standort an der Lausitzer Neiße im Plan-Zustand sowie die kumulierte Erreichbarkeitsrate für aus der Oder aufsteigende anadrome Wanderfischarten ............................................................................................................................................................... 21 Abb. 9: Gespräche mit polnischen Experten im Hydrolabor Schleusingen (2.2.2011, Foto IWSÖ) ...... 27 Abb. 10: Dr. Klich und Dr. Thürmer bei Gesprächen auf der POLEKO 2012.......................................... 30

IV

IWSÖ GmbH

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Verzeichnis von Begriffen und Definitionen Adult: erwachsen bzw. geschlechtsreif Anadrom: Fischarten, die zur Eiablage aus dem Meer in Fließgewässer ziehen (z. B. Lachs, Flussneunauge) Ausleitungskraftwerk: Kraftwerk, welches über einen Mühlgraben Wasser zur Energieerzeugung ausleitet Ausleitungsstrecke: auch Mutterbett; ehemaliges Gewässerbett, dem Wasser über einen Mühlgraben entzogen wird Epipotamal: Barbenregion FAA: Fischaufstiegsanlage Freischuss bzw. Freischusskanal: Kanal im unmittelbaren Bereich vor der WKA, über welchen der Stauraum mittels Öffnen des Schützes abgelassen werden kann – wird auch im Hochwasserfall zur zusätzlichen Entlastung geöffnet. Habitat: Lebensraum einer Art bzw. eines Organismus Juvenil: nicht geschlechtsreif Katadrom: Fischarten, die zur Eiablage ins das Meer, ziehen und zum Aufwachsen in den Flüssen aufstiegen (Aal) Laichhabitat: Lebensraum, der zur Eiablage aufgesucht wird Migration: mehr oder weniger gerichtete Wanderung MHQ: mittlerer Hochwasserabfluss; mittlerer oberer Grenzwert der Abflüsse, arithmetisches Mittel der oberen Grenzwerte mehrerer gleichartiger Zeitabschnitte MNQ: mittlerer Niedrigwasserabfluss; mittlerer unterer Grenzwert der Abflüsse, arithmetisches Mittel der unteren Grenzwerte in mehreren gleichartigen Zeitabschnitten MQ: mittlerer Abfluss, arithmetisches Mittel der Abflüsse im betrachteten Zeitraum Mühlgraben: über den Mühlgraben wird Wasser zur WKA zur Energiegewinnung ausgeleitet Mutterbett: siehe Ausleitungsstrecke Oberwasser: Teil des Gewässers, der sich oberhalb eines Querbauwerkes (z. B. Wehr) befindet Potamodrom: Fischarten, die Ihr gesamtes Leben im Süßwasser verbringen, aber auch hier beträchtliche Wanderungen unternehmen können Restwassermenge: auch Mindestwassermenge; Wassermenge, die über das Wehr abgegeben wird und nicht zur Energieerzeugung genutzt werden kann Reproduktion: Vermehrung Schütz: Konstruktionselement zum Absperren und Aufstauen von Wasser in Wehranlagen, Talsperren und Wasserkraftanlagen, bestehend aus Stautafeln, die in seitlichen Führungsnuten gelagert sind Triebwerkskanal: siehe Mühlgraben Turbinenkanal: Kanal, der das Wasser von den Turbinen kommend flussabwärts abführt Unterwasser: Teil des Gewässers, der sich unterhalb eines Querbauwerkes (z. B. Wehr) befindet WKA: Wasserkraftanlage

V

IWSÖ GmbH

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Zusammenfassung Die Durchgängigkeit der Fließgewässer für die aquatische Fauna ist eine der wichtigsten Faktoren für den guten ökologischen Zustand. Dieser Faktor muss immer für das gesamte Gewässer betrachtet werden.

Aktionen

und

Maßnahmen

sollten

dabei

einem

Gesamtkonzept

folgen

Die

Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Lausitzer Neiße als Grenzfluss zwischen Polen und Deutschland ist deshalb eine besondere Herausforderung. Ziel des Projektes war eine Bündelung der bisher gesammelten Daten und Aktivitäten und die Erstellung eines Rahmenkonzeptes für die Herstellung der Durchgängigkeit unter Betrachtung des gesamten Flusslaufes (ab dem Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland flussabwärts). Weiterhin sollte eine verstärkte Sensibilisierung der mit der Thematik beschäftigten Aktionäre und ein Wissensaustausch zwischen polnischen und deutschen Experten, Institutionen, Behörden und Organisationen erfolgen. Die Daten für die Beurteilung der Standorte an der Neiße wurden aus verschiedenen Quellen wie der Sächsischen Wehrdatenbank, Befragungen von WKA-Betreibern und Anfragen an Behörden gewonnen. Es wurde eine Besichtigung aller Standorte vorgenommen. An der Neiße befinden sich im betrachteten Flussabschnitt 37 Standorte mit Querverbauungen. 21 dieser Standorte sind mehr oder weniger durchgängig. Die Durchgängigkeit wird durch Sohlgleiten oder durch Fischaufstiegsanlagen gewährleistet. Insgesamt sind die Bedingungen für die Ansiedlung anadromer Fischarten derzeit im Ist-Zustand sehr schlecht. Es wurde ein Grobkonzept für den Fischaufstieg an allen nicht durchgängigen Standorten erarbeitet. Der Fischabstieg wurde nur überblicksartig betrachtet, da er bisher in der Neiße noch keine Beachtung bei ökologischen Maßnahmen fand. Für die Zusammenführung der Aktivitäten wurden zahlreiche Gespräche in Deutschland und Polen geführt. Die Gesprächspartner waren vor allem Behörden (z. B. Umweltministerien in Sachsen und Brandenburg, RZGW Wrocław, IMGW Wrocław), Universitäten (Universitäten Wrocław, Zielona Góra, Cottbus, Poznan), Organisationen (IKSO, Grenzgewässerkommission)

und Betreiber von

Wasserkraftanlagen an der Neiße (z. B. Dychow-Werke). Die Ergebnisse der Gespräche sind als positiv zu bewerten. Es gelang, eine verstärkte Sensibilisierung für die Thematik zu erreichen. Allerdings konnten trotz mehrerer Versuche keine konkreten Umsetzungsprojekte verwirklicht werden.

Allerdings

wurden

weiterführende

Projektideen

entwickelt,

die

bspw.

das

Sedimentmanagement in der Neiße betreffen. Die geknüpften Kontakte werden mit Sicherheit zu Folge-Aktivitäten führen. Insbesondere im universitären Bereich wird die Zusammenarbeit intensiviert werden. Auf vielen Tagungen und Messen wurde das Projekt vorgestellt und intensiv diskutiert. Die im vorliegenden Bericht vorgestellte Zusammenfassung und Bündelung der an der Lausitzer Neiße durchgeführten Aktionen und die notwendigen Maßnahmen werden allen involvierten Partnern zur Verfügung gestellt. VI

IWSÖ GmbH

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

VII

IWSÖ GmbH

1 1.1

Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Einleitung Die Durchgängigkeit der Fließgewässer

Die Durchgängigkeit der Fließgewässer für wandernde Tiere, insbesondere Fische ist aktuell Gegenstand

vieler

Forschungsprojekte

und

Umsetzungsaufgaben.

Die

Bedeutung

einer

ungehinderten Migration für Fischarten wurde bereits vor vielen Jahrzehnten erkannt, als insbesondere die Populationen anadromer Fischarten immer stärker zurückgingen. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts wurde zunehmend begonnen, zumindest die flussaufwärts gerichtete Durchgängigkeit der Fließgewässer durch den Bau von mehr oder weniger funktionstüchtigen Fischwechseleinrichtungen wieder her zu stellen. Jedoch werden wirklich funktionsfähige Anlagen, die den Fischwechsel für alle Fischarten an Querbauwerken gewährleisten können, erst seit ca. 20 Jahren errichtet. Eine Unterbrechung der longitudinalen Durchgängigkeit wird am häufigsten durch Querbauwerke verursacht,

die

verschiedene

Zwecke

haben.

Sie

dienen

der

Sohlstabilisierung,

dem

Hochwasserschutz, der Entnahme von Wasser oder auch der Schifffahrt. Derzeit steht sehr häufig die Nutzung der Gewässer zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft im Mittelpunkt des Interesses. Diese Nutzungsform erfordert im Allgemeinen den Aufstau der Gewässer. Dabei ist nicht nur das Querbauwerk an sich problematisch, sondern ebenso der Stauraum und ggfs. die Ausleitung von Wasser aus dem eigentlichen Flussbett. Die Fischschäden durch die Passage von Turbinen spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Durch die Einführung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) [EU00] gewann der Aspekt der Durchwanderbarkeit der Gewässer als wichtiges strukturelles Merkmal neues Gewicht. Derzeit ist die fehlende Durchgängigkeit eines der am häufigsten genannten Defizite, welche den guten ökologischen Zustand der Fließgewässer verhindern. Ebenso häufig werden Anstrengungen unternommen, eben diese Defizite durch den Bau verschiedenster Fischwechseleinrichtungen zu beheben. Dabei wird derzeit noch eher Wert auf den Fischaufstieg gelegt. Ebenso wichtig sind aber auch

Einrichtungen,

welche

die

flussabwärts

gerichtete

Wanderung,

vor

allem

an

Wasserkraftanlagen, gewährleisten können. In Deutschland gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren Standards für den Bau von Fischaufstiegsanlagen [DVW96, Flo05], welche immer wieder überarbeitet und dabei neue Erkenntnisse berücksichtigt wurden. Auch die einzelnen Bundesländer Deutschlands haben häufig eigene Regelwerke und Vorgaben herausgegeben, die aber meist auf den allgemein akzeptierten Standards beruhen [TLU11, LUB07, Flo05, BLU12]. Für die Gewährleistung des Fischabstiegs fehlen geeignete Standards. Dies liegt zum einen daran, dass dieser Aspekt erst in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus von Forschung und Anwendung 1

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gerückt ist, zum anderen ist der biologische Charakter der Fischabwanderung in weiten Teilen noch kaum verstanden. Dies erschwert die Festlegung von allgemeingültigen Regeln. Bisher gibt es eine bereits schon ältere Zusammenfassung des Standes der Technik [ATV04] und eine aktuelle umfangreiche Zusammenstellung zum Stand der Forschung und der neueren Technik [Ebe13]. Die WRRL bezieht sich auf Flussgebietseinheiten. Im Zusammenhang mit der Durchgängigkeit wird dabei sehr deutlich, dass man einzelne Standorte oder Gewässerabschnitte nicht isoliert voneinander betrachten darf. Vor allem in dem linearen Ökosystem der Fließgewässer lässt sich eine kumulative Wirkung von Beeinträchtigungen im Gewässerverlauf aufzeigen. Daher gehört zur Betrachtung der Durchgängigkeit immer die Betrachtung des Gesamtsystems.

1.2

Die Durchgängigkeit der Lausitzer Neiße

Die oben angesprochene Problematik soll im vorgestellten Projekt modellhaft am Beispiel der Lausitzer Neiße behandelt werden. Der Fluss Lausitzer Neiße entspringt in der Tschechischen Republik und bildet im weiteren Verlauf mit dem überwiegenden Teil seiner Lauflänge die Grenze zwischen Polen und Deutschland. Mit dem EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 hat auch hier die EU-WRRL Gültigkeit. Der Fluss ist durch eine Vielzahl an Querbauwerken zerschnitten, von denen ein großer Teil durch Wasserkraftanlagen genutzt wird. Bisher sind noch nicht viele dieser Querbauwerke durchgängig gestaltet. Der Fluss hat eine hohe Bedeutung für anadrome Wanderfischarten und auch für potamodrome, weit wandernde Arten (z. B. Nase und Zährte) [ZSB10]. Derzeit sind außer dem Flussneunauge im Unterlauf keine anadromen Arten mehr nachweisbar [ZSB10]. Die Lausitzer Neiße weist dennoch auf weiten Strecken eine gute Strukturgüte zwischen gering und mäßig beeinträchtigt auf [SMU07]. Sie stellt damit ein potenzielles Laichhabitat für kieslaichende Fischarten dar.

1.3

Ziele des Projektes

Langfristiges Ziel der Bemühungen sollte es sein, den Flusslauf der Neiße möglichst komplett wieder für Fische, insbesondere Langdistanzwanderer durchgängig zu gestalten. Das hier behandelte Projekt soll einen Baustein dazu beitragen und sich dabei vor allem den fachlichen Grundlagen sowie der internationalen Zusammenarbeit in erster Linie zwischen Polen und Deutschland sowie dem Wissenstransfer widmen. Dabei ist es unerheblich, ob für die Zielerreichung ungenutzte oder genutzte Querbauwerke umgestaltet werden müssen. Fischauf- und-abstieg sollten gleichermaßen betrachtet werden. Die Querbauwerke

der

Neiße

sind

sehr

heterogen

hinsichtlich

ihres

Zustandes:

genutzte

Wasserkraftanlagen (WKA), Querbauwerke, an denen sich derzeit stillgelegte WKA befinden oder 2

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Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Wanderhindernisse, die nicht zur Stromerzeugung genutzt wurden. Die aktiven WKA sind teils in polnischem, teils in deutschem Besitz. Für mehrere Standorte sind Aktivierungen geplant. Neben dem vordergründigen Anliegen, den Fluss wieder ökologisch durchgängig zu gestalten, ist das zweite wichtige Ziel die Intensivierung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Umsetzung der EU-WRRL zu nennen. Ziel des vorliegenden Projektes sollte ein tragfähiges Gesamtkonzept für die Umsetzung der Durchgängigkeit an der Lausitzer Neiße sein. Dabei wird allerdings der tschechische Teil ausgegliedert. Alle folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Lausitzer Neiße ab dem Dreiländereck Tschechien, Polen, Deutschland flussabwärts.

1.4

Konkrete Aufgabenstellung

Da das Projekt aus mehreren Teilaspekten besteht, wurde es in mehrere Arbeitspakte gegliedert. Diese hatten die im Folgenden benannten Aufgabenstellungen. 1.4.1

Arbeitspaket 1: Fachlicher Inhalt hinsichtlich Durchgängigkeit

Dieses Arbeitspaket soll die fachlichen Grundlagen zur Beurteilung der Durchgängigkeit und zur Erstellung von Maßnahmenvorschlägen erarbeiten. Dabei sollen bisher bereits vorhandene Daten gebündelt werden und Datenlücken soweit als möglich ergänzt werden. Darauf basierend wird ein Grobkonzept für die Herstellung der Durchgängigkeit an den einzelnen Standorten vorgestellt und die Auswirkungen auf den gesamten Flusslauf dargestellt. Weiterhin soll ein praxisorientiertes, zweisprachiges Handbuch für die Konzeption und Planung von Fischauf- und –abstiegsanlagen erstellt werden. Grundlage dieses Handbuches sollen vor allem die deutschen Standards sein unter Einbeziehung spezieller polnischer Erfahrungen. 1.4.2

Arbeitspaket 2: Organisatorischer Inhalt

Im Arbeitspaket 2 sind alle organisatorischen Aspekte des Projektes enthalten. Dies sind vor allem Kontaktaufnahme und Gespräche mit zuständigen Behörden, Forschungseinrichtungen und Organisationen. Geplant waren weiterhin Workshops und Arbeitstreffen sowie eine Expertenrunde mit polnischen Experten in Deutschland. Für die Erreichung des langfristigen Zieles sollte in diesem Rahmen auch die Initiierung von weiterführenden Vorhaben erfolgen. 1.4.3

Arbeitspaket 3: Öffentlichkeitsarbeit und Umweltkommunikation

Hier werden alle Vorhaben gebündelt, die über das Arbeitspaket 2 hinausgehen. Dies betrifft insbesondere die Teilnahme an Tagungen, Seminaren und Messen, aber auch das Verfassen z. B. von

3

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Abschlussbericht Az 24550/11-24/0

Pressemitteilungen, Geplant waren zudem Veranstaltungen für die Öffentlichkeit, die die Hintergründe evtl. zustande kommender konkreter Projekte erläutern sollten. Die Arbeitspakete sollten gleichzeitig abgearbeitet werden.

4

IWSÖ GmbH

2

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Untersuchungsgebiet

Die Lausitzer Neiße als ein wichtiger Nebenfluss der Oder besitzt eine Lauflänge von 254 km. Sie entspringt mit ihren Quellflüssen (Weiße und Schwarze Neiße, Galonzer und Wiesentaler Neiße) im Isergebirge in der Tschechischen Republik. Auf einer Läge von 197,7 km bildet sie die Grenze zwischen Polen und Deutschland Wichtige Nebengewässer sind auf tschechischem Gebiet die Černá Nisa und die Jeřic, auf deutschem Gebiet die Mandau, die Pließnitz, der Malxe-Neiße-Kanal und das Schwarze Fließ sowie auf polnischem Gebiet die Miedzianka, die Witka, die Skroda, die Wodra und die Lubsza. Zwischen der Mündung der Pließnitz und Lausitzer Neiße südlich von Görlitz liegt der Restsee Berzdorf. Der Berzdorfer See besitzt zwei Flutungsbauwerke. Es gab eine Wasserüberleitung von der Pließnitz bis max. 2,5 m3/s, von der Lausitzer Neiße wurden max. 10 m3/s zur Flutung des Sees abgeleitet. Die Flutung des Sees wurde Anfang 2013 beendet. Das Einzugsgebiet der Lausitzer Neiße beträgt 4395 km2. 16 % des Einzugsgebietes liegen dabei auf dem Territorium der Tschechischen Republik, 51 % auf dem der Republik Polen und 33 % auf der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Die Neiße weist trotz der Beeinträchtigungen durch Querverbauung auf weiten Strecken eine gute Strukturgüte zwischen gering und mäßig beeinträchtigt auf [SMU07]. Die Gewässergüte erreicht die Stufe 2-3 (kritisch belastet). Im Hinblick auf die Wasserrahmenrichtlinie wurde durch die Bundesländer Brandenburg und Sachsen eingeschätzt, dass für die Neiße eine Zielerreichung bis 2015 unwahrscheinlich ist [SMU07]. Insbesondere auf sächsischem Gebiet wurde ein Teil des Gewässers als erheblich verändert ausgewiesen, was sich in einer sehr geringen Priorität für die Umsetzung von Maßnahmen niederschlägt [SMU07]. Die schlechte Einschätzung wird insbesondere mit ökologischen und hydromorphologischen Defiziten begründet. Laut Bericht der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder [IKS19] werden für die Lausitzer Neiße (und Nebengewässer) insgesamt 114 Oberwasserkörper angegeben. Mit Hilfe von 16 Übersichtsmessstellen und 205 operativen Überwachungsstellen wird der ökologische Zustand der Wasserkörper überwacht. Für 75 OWK wird die Einschätzung des ökologischen Zustandes angegeben. Dabei ist der weit überwiegende Teil der OWK in einem unbefriedigenden und schlechten Zustand (77 %). Ein Teil der OWK wurden als erheblich verändert ausgewiesen. Davon erreichen 83 % nur ein unbefriedigendes oder schlechtes ökologisches Potenzial. Eine der deutlichsten Limitationen für die Zielerreichung ist die eingeschränkte Durchgängigkeit des Gewässers. Allein in der Gewässerstrecke, die an Sachsen grenzt, befinden sich 25 Querbauwerke. Dies bedeutet auf dieser Gewässerstrecke ca. alle 5 km ein Querbauwerk [WDB]. In Brandenburg sind 8 Wehre und mehrere Sohlschwellen zu finden. Fischaufstiegsanlagen sind bisher noch nicht überall

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installiert, Angaben zum Fischabstieg fehlen völlig. Bei Ausleitungskraftwerken wird manchmal nur eine sehr geringe Restwassermenge abgegeben. Die hydrologischen Verhältnisse an der Neiße werden durch eine Anzahl an deutschen und polnischen Pegeln charaktersisiert. Eine Übersicht über ausgewählte Pegel gibt Tab. 1. Tab. 1: Gewässerkundliche Daten des Einzugsgebietes der Lausitzer Neiße aus [SMU07]

2.1 2.1.1

Die Fischfauna der Lausitzer Neiße Verhältnisse in Sachsen

In Sachsen wird die Neiße auf der gesamten Länge als Barbenregion eigestuft, mit den Ausprägungen des Hyporhithrals bis zum Epipotamal [Duß09]. Um die typische Besiedlung mit Fischen darzustellen, wurden in Sachsen für alle Gewässer so genannte Fischzönotische Grundausprägungen erarbeitet. Die Lausitzer Neiße bildet dabei einen eigenen Typ. Demnach sollten in der Neiße die dominierenden Leitfischarten Barbe, Döbel und Gründling sein. Als weitere Arten mit hohen Abundanzen müssten Plötze, Hasel, Nase, Ukelei, Flussbarsch, Schmerle und Elritze vorkommen. Auch Aal, Aland und Äsche gehören zu den typischen Arten im Ober- und Mittellauf. Die Groppe wird nach neueren Erkenntnissen nicht mehr als typische Art der Neiße angegeben [Duß09]. Auf anadrome Wanderfische fokussiert das System der fischzönotischen Grundausprägung nicht, jedoch wird für die Neiße angegeben, dass die vorkommenden Arten einen hohen Migrationsbedarf haben. Demzufolge ist an die Durchgängigkeit eine erhöhte Anforderung zu stellen. Für den Landkreis Görlitz wurden in der Neiße aktuell 37 Fischarten nachgewiesen [LaR10]. Darunter sind viele typische Arten wie Barbe, Döbel, Gründling und Plötze, aber auch Äsche, Hecht und Bachneunauge sowie der Blei werden aufgeführt. 2.1.2

Verhältnisse in Brandenburg

Das Bundesland Brandenburg hat die Neiße als regionales Vorranggewässer für die Herstellung der Durchgängigkeit ausgewiesen [ZSB10]. Demnach sind die überregionalen Zielarten Aal, Lachs, 6

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Meerforelle. Fluss- und Meerneunauge sowie der Stör, welcher historisch belegt bis Guben aufgestiegen ist. Von diesen Arten kommt nur das Flussneunauge rezent vor. Als regionale Zielarten werden die aktuell nicht vorkommenden Arten Zährte und Nase sowie die mehr oder weniger häufig anzutreffenden Arten Barbe, Döbel, Aland, Hasel, Äsche, Gründling, Rapfen, Quappe, Bachneunauge, Elritze und evtl. Schneider benannt [ZSB10]. Es gibt weiterhin Bemühungen, den Ostseelachs, eine Unterart des Atlantischen Lachses, und die Meerforelle

wieder

anzusiedeln.

Hierzu

laufen

im

Einzugsgebiet

der

Oder

bereits

Wiederansiedlungsprojekte in Polen [ZT11].

3

Ergebnisse

3.1

Fachliche Aspekte zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit (Arbeitspaket 1)

Die fachlichen Aspekte zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit betreffen drei wesentliche Schritte. In einem ersten Schritt wurden alle erhältlichen Informationen zum Ist-Zustand der Querverbauung gebündelt. Daraufhin erfolgte die Beurteilung der Durchgängigkeit des jeweiligen Standortes sowie der kumulativen Wirkung aller Querbauwerke. In einem letzten Schritt wurde für jeden Standort ein Grobkonzept entwickelt, wie die Durchgängigkeit hergestellt werden könnte. Dieser Plan-Zustand wurde ebenfalls hinsichtlich der kumulativen Wirkung beurteilt. 3.1.1 3.1.1.1

Methodik Erfassung von Daten

Über die Querbauwerke in der Lausitzer Neiße existieren bereits umfangreiche Datensammlungen. Hier ist vor allem die sächsische Wehrdatenbank [WDB] zu nennen, die für jedes Querbauwerk der Neiße, welches an sächsisches Gebiet grenzt, einen Datensatz bereitstellt. Dieser enthält Angaben zur Querverbauung an sich, zur Nutzung, ggfs. zu Wasserkraftanlagen und zur Situation des Fischaufund –abstieges. Darüber hinaus wurden Anfragen an folgende Institutionen gerichtet, betreffs weiterführender Studien und Gutachten bspw. zu Funktionskontrollen an Fischwegen. 

Dychow Werke (polnischer Betreiber mehrerer WKA an der Neiße)



Technische Universität Dresden, Fakultät Bauingenieurwesen, Institut für Wasserbau



Technische Universität Dresden, Fakultät Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften, Fachrichtung Wasserwesen



Alwin Eppler, Beratende Ingenieure GbR



Technische Universität Berlin, Institut Bauingenieurwesen, Fachgebiet Wasserwirtschaft und Hydrosystemmodellierung 7

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Technische Universität Braunschweig, Leichtweiß-Institut für Wasserbau, Abteilung Wasserbau



Universität Karlsruhe (TH), Institut für Wasser und Gewässerentwicklung, Bereich Wasserwirtschaft und Kulturtechnik



Technische Universität München, Institut für Wasser und Umwelt, Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft



Universität Kassel, Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen, Fachgebiet Geohydraulik und Ingenieurhydrologie



Landesamt für Umwelt, Gesundheit, und Verbraucherschutz Brandenburg, Referat Wasserbau, Hochwasserschutz, Baudienststelle



IDUS Biologisch Analytisches Umweltlabor GmbH

Weiterhin wurden alle Querbauwerke während verschiedener Exkursionen (19.11.09, 15.8.20, 17.2.12) aufgesucht und eine Fotos bzw. Videodokumentation angefertigt. Insbesondere erfolgte, wenn möglich eine Besichtigung der Fischwege. Bis auf wenige Ausnahmen war der Zutritt überall möglich. Im Vorfeld waren dazu Terminvereinbarungen mit den WKA-Betreibern getroffen worden. 3.1.1.2

Bewertung des Fischaufstieges

Für die Beurteilung der Durchgängigkeit eines Standortes wurde die Methodik nach [Flo11] herangezogen. Dieses Werk wurde im Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie erstellt und ist als Modellprojekt für die Gesamtbewertung der Durchgängigkeit von Fließgewässern konzipiert worden. Für den Fischaufstieg an einem Querbauwerk sind demnach folgende Parameter von Bedeutung: 

Art der evtl. vorhandenen Wasserentnahme



Großräumige Auffindbarkeit potenzieller Wanderwege (Richtung Wehr oder Richtung ggfs. vorhandener WKA)



Kleinräumige Auffindbarkeit potenzieller Wanderwege (z. B. Beurteilung der Einordnung von Fischaufstiegsanlagen)



Passierbarkeit von Wanderhindernissen (z. B. Eignung einer Fischaufstiegsanlage)

Die großräumige Auffindbarkeit gibt an, in welchem Maß wanderwillige Fische sich in eine bestimmte Fließrichtung orientieren. Teilt sich das Gewässer in zwei oder mehrere Arme entspricht die großräumige Auffindbarkeit der prozentualen Aufteilung der Wasserströme bei MQ. Bei hohen Entnahmemengen, bei dem das Verhältnis Entnahmemenge zu MQ größer als 0,9 ist, wird davon ausgegangen, dass dennoch nicht mehr als 90 % der Fische in diese Richtung wandern. Es unterstellt, 8

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dass im Jahresverlauf ca. 10 % der Fische in die Richtung der Restwasserstrecke abwandern. Gibt es keine Aufteilung (z. B. an einem Flusskraftwerk) erhält die großräumige Auffindbarkeit den Wert 1.

Die kleinräumige Auffindbarkeit gibt an, in welchem Maß der Fischweg im unmittelbaren Umfeld des Wanderhindernisses auffindbar ist. Dafür entscheidend sind die Lage des Einstieges und die Strömungsverhältnisse. Die Bewertung erfolgt nach[Flo11] gemäß folgender Tab. 2: Ausprägung der kleinräumigen Auffindbarkeit aus [Flo11] AuffindbarkeitsRate q Affb,kl *

Fischökologische Definition Unbeeinträchtigte Auffindbarkeit

1

0,975

Die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage ist nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt: Die Hauptströmung führt alle aufwandernden Fische an mindestens 300 Tagen im Jahr zum Einstieg einer Fischaufstiegsanlage.

Die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage ist mäßig beeinträchtigt oder nur an mindestens 240 Tagen sichergestellt 0,85

0,60

Durch falsche Positionierung ist die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage erheblich beeinträchtigt.

Fischaufstiegsanlage ist nicht auffindbar. 0

Einzelkriterien für kleinräumige Auffindbarkeit eines Wanderwegs Querbauwerk, Ausleitungskraftwerk, Flusskraftw erk Es ist kein Querbauwerk vorhanden ODER das Querbauwerk ist ein gewässerbreites Raugerinne. Kleinräumige Auffindbarkeit ist gegeben bei: Fischaufstiegsanlage am Querbauwerk UND/ ODER am Kraftwerk mit Positionierung nach [TLU09] Anhang A.5. Fischaufstiegsanlage uferseitig neben dem Wasserkraftwerk; Einstieg nicht ins Unterwasser vorgebaut. Leitströmung tritt parallel zur Hauptströmung aus und wird von schwankenden Unterwasserständen nicht beeinträchtigt. Kleinräumige Auffindbarkeit ist mäßig beeinträchtigt, wenn: Fischaufstiegsanlage am Querbauwerk, deren Positionierung und Leitströmung geringfügig von Anforderungen nach [TLU09], Anhang A.5 abweicht. Fischaufstiegsanlage uferseitig neben dem Wasserkraftwerk. Positionierung und Leitströmung weichen mäßig vom Stand der Technik (Anhang A.4) ab. Kleinräumige Auffindbarkeit ist erheblich beeinträchtigt, wenn: Fischaufstiegsanlage am Querbauwerk. Einstieg weit unterhalb, keine wahrnehmbare Leitströmung Fischaufstiegsanlage am Ufer, das dem Kraftwerk gegenüberliegt. Positionierung entspricht ansonsten den Kriterien in Stufe B. Kleinräumige Auffindbarkeit ist nicht gegeben wenn: Aufstiegsanlage nicht sicher auffindbar ist, da vollkommen falsch positioniert. ODER Es existiert keine Fischaufstiegsanlage

Das Maß, mit dem ein Fischwanderweg flussaufwärts überwindbar ist, wird durch die Passierbarkeit angegeben. Dabei wird unterschieden, ob es sich um ein Querbauwerk ohne gesonderte Fischaufstiegsanlage (z. B. Sohlrampe oder Absturz) oder um ein Querbauwerk mit einem 9

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gesonderten Fischweg handelt. Die Bewertung erfolgt nach [Flo11] gemäß folgenden Tabellen (Tab. 3, Tab. 4). Tab. 3 Ausprägung der Passierbarkeit bei einem Querbauwerk ohne gesonderte Fischaufstiegsanlage aus [Flo11] Passierbark eitsrate q Pass * 1 0,975

0,85

0,60

Fischökologische Definition

Einzelkriterien Querbauwerk ohne Fischaufstiegsanlage

Unbeeinträchtigte Aufwanderung Passierbarkeit des Standortes ist nur geringfügig beeinträchtigt und an mindestens 300 Tagen/Jahr gegeben.

Es ist kein Querbauwerk vorhanden Das Querbauwerk ist flach geneigt, mit rauer Oberfläche und ausreichender Wassertiefe im Wanderkorridor, so dass es ebenso leicht passierbar ist wie eine natürliche Rausche. Am Querbauwerk weichen die hydraulischen Bedingungen auch bei höherem Rückstau nur mäßig von den Grenzwerten nach Tab. [TLU09], Anhang A) ab. Das Querbauwerk ist so steil und hoch, dass auch bei höherem Rückstau die hydraulischen Grenzwerte nach Tab. 3 [TLU09], Anhang A) erheblich abweichen. Das Querbauwerk wird bei Hochwasser nicht überstaut und die hydraulischen Grenzwerte nach Tab. 3 [TLU09], Anhang A) weichen gravierend ab.

Passierbarkeit des Standortes ist an mindestens 240 Tagen und/oder für einzelne Arten und/oder Größen nur eingeschränkt gegeben. Der Standort ist nur von erheblich eingeschränktem Arten- und Größenspektrum überwindbar. Der Standort ist auch bei Hochwasser nicht passierbar.

0

Tab. 4: Ausprägung der Passierbarkeit bei einem Querbauwerk mit gesonderter Fischaufstiegsanlage aus [Flo11] Passierbarkeitsrate q Pass * 1

0,975

0,85

0,60

0

Fischökologische Definition

Einzelkriterien Querbauwerk mit Fischaufstiegsanlage

Unbeeinträchtigte Aufwanderung Passierbarkeit des Standortes ist nur geringfügig beeinträchtigt und an mindestens 300 Tagen/Jahr gegeben.

Es ist kein Querbauwerk vorhanden Aufstiegsanlage entspricht dem Stand der Technik (vgl. Tab. 3 und 4 in [TLU09], Anhang A) sowohl für die größten als auch die leistungsschwächsten Arten und Entwicklungsstadien. Mäßige Abweichungen von den Grenzwerten nach Tab. 3 und 4 ([TLU09], Anhang A) bezüglich Strömungsgeschwindigkeit, Energieeintrag, Dimensionen etc..

Passierbarkeit des Standortes ist an mindestens 240 Tagen UND/ ODER für einzelne Arten UND/ ODER Größen nur eingeschränkt gegeben. Der Standort ist nur von erheblich eingeschränktem Arten- und Größenspektrum überwindbar. Der Standort ist auch bei Hochwasser nicht passierbar.

Erhebliche Abweichungen von den Grenzwerten nach Tab. 3 und 4 ([TLU09],, Anhang A). Gravierende Abweichungen von den Grenzwerten nach Tab. 3 und 4 [TLU09], Anhang A).

Die Bewertung der jeweiligen Wanderwege (Turbinenkanal, Restwasserstrecke) erfolgt in einem ersten Schritt einzeln. Dabei werden die Parameter großräumige und kleinräumige Auffindbarkeit 10

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sowie Passierbarkeit multipliziert. Aus der Addition der Bewertungen der einzelnen Wege ergibt sich dann die Gesamtbewertung des Standortes. Dies entspricht der Aufstiegsrate, mit der Fische den Gesamtstandort passieren können. Dabei wird den jeweiligen Aufstiegsraten folgende Bewertung zugeordnet (Tab. 5): Tab. 5. Bewertung der Aufstiegsraten 1 Keine Beeinträchtigung

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