Erfahrungsbericht Tobias Riegel

Praktisches Jahr in einer öffentlichen Apotheke in den Niederlanden: LLOYDS Apotheek Hillegom und LLOYDS Apotheek Elsbroek, beide in 2181 Hillegom, Niederlande

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Zuerst möchte ich vorausschicken, dass es sich für mich persönlich sehr gelohnt hat, ein halbes Jahr in zwei öffentlichen Apotheken in den Niederlanden zu arbeiten. Vor allem deshalb, weil ich nächstes Jahr in eine der beiden als Apotheker zurückkehren werde, aber auch deshalb, weil ich in diesem halben sehr viel gelernt habe, was vor allem am niederländischen Apothekensystem liegt. Dazu aber später mehr. Zunächst einige Bemerkungen zu den Vorbereitungen.

Vorbereitungen:

Neun Monate vor Beginn meines ersten halben praktischen Jahres entschloss ich mich während eines Urlaubs in den Niederlanden, mir hier einen Praktikumsplatz zu suchen. Sprachlich war ich noch nicht so gut, hatte mir allerdings während des Urlaubs und in der Freizeit schon einige Grundkenntnisse in der niederländischen Sprache erworben. Von Deutschland aus habe ich mich dann per Mail sowohl in Krankenhausapotheken als auch in öffentlichen Apotheken beworben. Von den meisten Apotheken und Krankenhäusern bekam ich Antwort, allerdings waren nur wenige von positiver Art. Schließlich antwortete die niederländische Apothekenkette LLOYDS, eine Tochterfirma der deutschen CELESIO AG in Stuttgart, deren öffentliche Apotheke im südholländischen Hillegom ich angeschrieben hatte. Daraus ging hervor, dass die Kette grundsätzlich für ausländische Praktikanten offensteht. Zudem hatte ich das Glück, dass in Hillegom zwei öffentliche Apotheken dieser Kette angesiedelt sind, so dass ich recht schnell nach Zuschicken eines Lebenslaufes die Zusage bekam. Schon kurze Zeit später sah ich mir die beiden Apotheken an und hatte auf Anhieb einen guten Draht sowohl zu den Apotheken als auch zu den Niederländern, den ich aber schon vorher hatte, da ich schon ab dem Kleinkindalter in den Niederlanden Urlaub mit meinen Eltern machte. Schließlich schloss ich dann endgültig drei Monate vor Praktikumsbeginn den Vertrag ab. Kein Problem gab es mit der Vergütung in Höhe von 610 €, wie sie bei uns im ersten praktischen Jahr üblich ist. Ein bisschen schwieriger war es mit der Gewährung des (bezahlten) Urlaubs sowie der Freistellung für den Unterricht, aber auch das ging letztendlich in Ordnung. Weitaus problematischer als die formellen Angelegenheiten gestaltete sich die Suche nach einer Wohnung für nur ein halbes Jahr. Dies kostete viel Mühe und beinahe wäre daran das ganze Projekt gescheitert. Kaum vorstellbar, wenn man nun die gesamte Entwicklung sieht und die Tatsache, dass ich nächstes Jahr in die Niederlanden zurückkehren werde. Dies war deshalb so essentiell, weil man in Holland eine sogenannte „BSN“ bzw. „Burgerservicenummer“ braucht, ohne die man nicht arbeiten darf und diese Identitätsnummer nur bekommt, wenn man beweisen kann, dass man in Holland wohnt. Erst dann darf man in Holland mit Geldeinkommen arbeiten. Zudem musste ich noch eine Krankenversicherung in Holland abschließen. Auch dies gestaltete sich für mich recht schwierig, da ich zu der Zeit noch nicht so gut holländisch konnte, um zu telefonieren und ich alles schriftlich erledigen musste. Das ging dann nach einigen Missverständnissen schließlich auch gut, allerdings erst, als ich dann schon in Holland war, dann aber doch in kurzer Zeit.

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Inhalt des Praktikums:

Zunächst gehe ich auf das Apothekensystem in Holland ein. In Holland gibt es etwa halb so viele Apotheken wie in Deutschland. Dies liegt vermutlich daran, dass man viele freiverkäufliche Artikel auch in Drogeriemärkten kaufen kann. In Hillegom wohnen etwa 20.000 Menschen und werden von drei Apotheken versorgt (zwei davon gehören der Apothekenkette LLOYDS an und in denen arbeitete ich). Prinzipiell ist es so, dass in den Niederlanden die Patienten eine „feste“ Hausapotheke haben. Über ein Computersystem, das bekannteste und am meisten und auch in den beiden Apotheken verwendete heißt „PHARMACOM“, sind die Arztpraxen mit den Apotheken verbunden. Wenn die Patienten die Arztpraxis verlassen, wird das Rezept digital an die Apotheke versandt. Das bedeutet aber nicht, dass die Kunden bei Unzufriedenheit die Apotheke nicht wechseln können. Sie können dem Arzt schon sagen, dass sie lieber in eine andere Apotheke gehen wollen. Somit werden circa 80% der Rezepte digital versandt. Es gibt allerdings wie bei uns in Deutschland auch handgeschriebene Rezepte und Rezepte, die die Patienten selber vom Arzt mitnehmen und direkt an der „Balie“ (= Kasse) dem Apotheker oder den Assistenten geben. Alle Rezepte, ob digital oder handschriftlich, müssen im PHARMACOM-System eingeführt werden, die Niederländer nennen das „inboeken“ oder „anschrijven“. Wenn dies geschehen ist, werden eine Reihe Etiketten zum Einen für das Rezept, für die Arzneimittelpackungen und zum Anderen auch für die Interaktionen mit anderen Arzneimitteln, die der Kunde gebraucht, ausgedruckt. Meiner Meinung nach herrscht durch dieses System eine sehr gute Organisation und vor allem ist dadurch die Überprüfung des Arzneimittelgebrauchs eines jeden Kunden sehr gut möglich. Vor allem die Interaktionen werden sehr gut beobachtet und untersucht und ich habe in diesem Bereich bei der Bearbeitung sehr viel gelernt. Nun sind ja in Deutschland keine Apothekenketten zugelassen, in Holland allerdings schon. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das tägliche Arbeiten an sich zwischen einer Kettenapotheke und einer selbständigen Apotheke in Holland keine wesentlichen Unterschiede hat, da durch das oben erläuterte allgemeine System die Arbeitsabläufe bzw. die grundsätzliche Idee ähnlich sind. Die Medikationsbewachung bzw. die Patientenbetreuung leiden in den Niederlanden keinesfalls in den Kettenapotheken. Beide Apotheken bestanden früher unter einem selbständigen Apotheker schon und sind keine „Kunstprodukte“ einer Firma. Manche Assistenten, die schon seit 30 Jahren in den Apotheken arbeiten haben noch unter den selbständigen Inhabern gearbeitet. Zu Beginn meines Praktikums wurde ich vor allem von den beiden leitenden Apothekern der beiden Apotheken sowohl sehr nett begrüßt als auch behandelt. Natürlich war es für alle Assistenten der beiden Apotheken, zusammen sind das 20, eine ganz neue Erfahrung. Einen deutschen Praktikanten gab es in beiden Apotheken noch nie. Am Anfang hatte ich natürlich noch nicht so viel Sprachkenntnisse, so dass die Kommunikation nicht immer einfach war. Allerdings ging es bereits schon während der ersten paar Tage erstaunlich gut mit dem Verständnis. Ich musste natürlich alles „von der Pieke auf“ lernen: zum ersten Mal überhaupt richtig in einer Apotheke, dann noch in Holland und dazu noch ein neues Computersystem! Aber mir wurde, und das fand ich sehr schön, auch genügend Zeit dazu eingeräumt. Erfahrungsbericht Tobias Riegel   

 

  



Ich fing also bei den ganz einfachen Dingen an. In Holland ist es so, dass auf jedes Arzneimittel ein vom PC ausgedrucktes Etikett mit Indikation, der vom Arzt vorgeschriebenen Dosierung sowie wichtigen Hinweisen wie „kein Auto fahren“ oder „keinen Grapefruitsaft gebrauchen“ geklebt wird. Für mich war das sehr gut am Anfang, weil ich sowohl sprachliches aber auch inhaltlich pharmakologisches immer wieder las und das somit „in Fleisch und Blut“ überging. Nach einiger Zeit wurde ich dann schließlich auch mit PHARMACOM immer vertrauter und der Sprache immer vertrauter, sodass ich nach einigen Wochen meine ersten Schritte in der Kundenberatung an der „Balie“ (= Kasse) machen durfte. Auch das ging schon am ersten Tag erstaunlich gut, natürlich wie in Deutschland auch mit Anlaufschwierigkeiten und immer wieder mal Hilfe der Assistenten. Mich persönlich hat das sehr beflügelt zu sehen, wie die Kunden einen annehmen und vor allem verstehen. Nach einiger Zeit war es selbstverständlich, dass ich jeden Tag in der Kundenbetreuung mitarbeitete. Nach ca. 2 Monaten verlagerte sich dann ein wenig mein Arbeitsschwerpunkt. Ich arbeitete öfters mehrere Stunden beim Chefapotheker mit. Das bedeutete, dass ich z. B. alle Rezepte „überprüfte“: In Holland ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Rezepte innerhalb von 24 Stunden nach Abgabe der Medikamente an den Kunden von einem Apotheker unterschrieben sein müssen. Des Weiteren überprüfte ich die Interaktionen zwischen den einzelnen Arzneimitteln. PHARMACOM druckt dabei eine sogenannte „Interactielijst“ aus, wobei alle wichtigen Interaktionen der Rezepte aufgelistet sind. Bei dieser Arbeit habe ich sehr viel Pharmakologie und Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen gelernt, was ja auch der Sinn des praktischen Jahres ist. Zu Hilfe nahm ich hier oft das „INFORMATORIUM MEDICAMENTORUM“ (die holländische Version der Roten Liste) sowie die „COMMENTAREN MEDICATIEBEWAKING“ , das Begleitbuch zu PHARMACOM, in welchen alle aufgeführten Kontraindikationen und Interaktionen ausführlich beschrieben werden. Das „ INFORMATORIUM MEDICAMENTORUM“ wird von der KNMP (Koninklijke Nederlandse Maatschappij ter bevordering der Pharmacie) herausgegeben. KNMP ist so eine Art Apothekerkammer der holländischen Apotheker. Im Internet gibt es auch die sogenannte KNMP Kennisbank, einer Internetdatenbank mit allen möglichen Informationen für Apotheker und Pharmazeuten. Dann führte ich ein Complianceprojekt im Auftrag der Apothekenkette durch, wobei ich den ordnungsgemäßen Gebrauch von Aerosolen bei Asthma und COPD untersuchte. Auch hierbei erweist sich PHARMACOM als hilfreich, da man im Prinzip die gesamte Medikation eines Patienten der letzten 10 Jahre betrachten kann. Dabei wurden Fragebögen an die Patienten verschickt, die Angaben über den ordnungsgemäßen Gebrauch von Dosiergasaerosolen machten und Fragen dazu beantworteten. Des Weiteren konnte ich an mehreren Gesprächsrunden zwischen Ärzten und Apothekern („FTO“ = farmacotherapeutisch overleg) teilnehmen. Auch das fand ich sehr interessant. Eine Besonderheit in der Rezeptur und Defektur stellt die Herstellung von sogenannten „Morphincassetten“ dar, die unter sterilen Bedingungen unter einem laminar air flow hergestellt werden. Dabei werden Morphinampullen in eine „Cassette“ gefüllt, die dann dem Patienten unter Abgabekinetik nullter Ordnung infusiert werden. Ich fand das insofern interessant, weil ich hier auch die Kenntnisse aus dem Technologiesemester bei der Herstellung steriler Arzneimittel anwenden konnte. Erfahrungsbericht Tobias Riegel   

 

  



Fazit: Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich während des Praktikums derart viel inhaltliches an Pharmakologie, Selbstmedikation und vor allem an Interaktionen lerne und kann dies nur weiterempfehlen. Es war auch sinnvoll, dass ich im ersten praktischen Jahr in den Niederlanden war, weil ich hier die Zeit bekommen habe, Wissenslücken zu schließen und dies auch sicher in meinem zweiten halben Jahr in Deutschland in der Apotheke gut gebrauchen kann.

Rahmenprogramm:

Da ich schon als Kind und Jugendlicher öfters in den Niederlanden im Urlaub war, habe ich dort in meiner Freizeit nicht bei „null“ begonnen, was überhaupt für das gesamte Praktikum ein großer Vorteil war. Trotzdem habe ich natürlich auch neue Sachen kennengelernt und vor allem durch persönliche Kontakte noch viel mehr als früher mich mit der niederländischen Kultur und Mentalität auseinandergesetzt. Ich wohnte in Zandvoort aan Zee und habe natürlich im Sommer die Nähe zum Meer ausgenutzt und am kilometerweiten Strand mit seinen vielen Pavillons des Öfteren meine Freizeit verbracht. Gleich zu Beginn konnte ich kurz nach meiner Anreise am 30. April den „Koniginnendag“ miterleben, eigentlich DER nationale Feiertag in den Niederlanden zu Ehren der Königin. Die Holländer sind sehr stolz auf ihre Monarchie. Ich habe die Niederländer als sehr offenes und lockeres Volk kennengelernt. Auch in der Apotheke bei den Kunden habe ich gemerkt, dass es kein Problem war, dass ich Deutscher bin. Für die Niederländer ist geselliges Beisammensein ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Auch in der Apotheke war es unverzichtbar, jeden Tag eine gemeinsame Kaffeepause zu haben. Die „urholländische“ Kultur konnte ich in Zaanse Schans betrachten, einem Freilandmuseum, wo Menschen noch so leben wie zu alter Zeit und z. B. noch in den Windmühlen gearbeitet wird. Natürlich habe ich einige Städte wie z. B. Amsterdam, Alkmaar, Hilversum oder Haarlem besucht und dort die jeweils bekannten Sehenswürdigkeiten etc. besucht. Auch auf der Ferieninsel Texel oder der Stadt des Regierungssitzes Den Haag inklusive seinem berühmten Strandbad Scheveningen war ich und habe dabei auch ein Konzert des Rockstars Bon Jovi am Strand miterlebt. Ebenfalls sehr schön fand ich Volendam, eine Stadt am Ijsselmeer, einem sehr großen Binnenlandsee in Nordholland, mit einem idyllischen Hafen und noch urtümlichen holländischen Häusern. Vor allem Amsterdam ist eine Stadt, die man nicht nur einmal besuchen darf, sondern die Möglichkeiten für mehrere Aufenthalte nutzen muss, wie zum Beispiel die obligatorische Grachtenrundfahrt, Museumsbesuche, Besichtigung der Kirchen, des Zoos oder die Möglichkeit zu ausführlichem Einkaufsbummel. Beeindruckend finde ich die kulturelle Vielfalt in Amsterdam. Wenn man über den Bahnhofsplatz vor dem Hauptbahnhof („Centraal Station“) läuft, sieht man Menschen aus nahezu allen Nationen. Obwohl Amsterdam gar keine Millionenstadt ist, merkt man auf den ersten Blick an dem unglaublich lebhaften Menschenverkehr in der Stadt, dass es sich um eine Weltstadt handelt. Was eigentlich nichts mit Holland zu tun hat, aber lustigerweise ausgerechnet in meine Praktikumszeit fiel, war die Fussballweltmeisterschaft in Südafrika. Das war natürlich dann auch ein Thema in der Apotheke und im Alltag und hat zu manchem lustigem Gespräch geführt. Zum Glück ging es dann „neutral“ mit Spanien als Erfahrungsbericht Tobias Riegel   

 

  



Weltmeister zu Ende. Mit dem zweiten Platz für Holland und dem dritten Platz für Deutschland konnten alle leben . Insgesamt kann ich nur sagen, und das kommt hoffentlich in meinem Bericht zum Ausdruck, dass es eine fantastische Erfahrung war, die ich sicher nicht mehr vergessen werde. Sicherlich ist die Vorbereitung des Praktikums oft lästig und man denkt vielleicht das eine oder andere Mal „ist es das wert?“, aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ja  Hiermit erkläre ich mein Einverständnis, dass sich Interessenten für gleichartige Projekte mit Fragen unter folgender Kontaktadresse an mich wenden können.

26.11.2010 Datum

gez. Tobias Riegel Unterschrift

[email protected] E-Mail-Adresse

Kontaktdaten LLOYDS Apotheken, Amalialaan 126F, 3743 KJ Baarn LLOYDS Apotheek Hillegom, Henri Dunantplein 27, 2181 EM Hillegom LLOYDS Apotheek Elsbroek, Abellalaan 80, 2182 TZ Hillegom

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