„Vom Ende des Glaubens.“ Theologische Woche//14. März 2017//Tobias Faix

Geplanter Ablauf: 1. Vom Ende des Glaubens: Präsentation der wichtigsten Ergebnisse der Studie „Warum ich nicht mehr glaube“ 2. Rückfragen & Diskussionen 3. Religionspädagogische & gemeindepädagogische Impulse & Lernprozesse

Warum ich nicht mehr glaube. ¡ „Vielleicht gibt es gar keinen Gott ... Vielleicht habe ich am Ende meinen Glauben und mein Leben auf einer menschlichen Erfindung gegründet?“ (Patrick) ¡ „Sie reden irgendwie von Freiheit. Gott und Glaube machen frei, aber gleichzeitig stellen sie so viele Regeln und Gesetze auf, die man alle einhalten muss, weil man sonst nicht mehr bei Gott ist.“ (Claudia)

Die Vorgehensweise ¡Theorie (populäre & wissenschaftliche Welt) ¡Vorstudie (Onlinebefragung, 259 TN) ¡Interviews (15 Interviews) ¡Analyse & Auswertung ¡Interpretation und Folgerungen

Dekonversion: Merkmale ¡ intellektueller Zweifel bzw. Infragestellung von Wahrheitsaussagen oder -systemen ¡ moralische Kritik an rel. Gruppe (deren Lebensstil) ¡ emotionales Leiden ¡ Ausstieg aus rel. Gruppe/ Gemeinschaft ¡ Verlust rel. Erfahrungen

Daten aus USA/ PEW Forum ¡44% aller Befragten gehören nicht mehr der rel. Gruppierung ihrer Kindheit an ¡ Religionswechsel vor 24. Lebensjahr ¡ 79% (ehem. kath.); 85% (ehem. evang.)

¡ Religionswechsel vor 35. Lebensjahr ¡ 97% (ehem. kath.); 96% (ehem. evang.)

Barna: „Church Leaver“ ¡in Jugendzeit aktive Mitglieder einer christl. Gemeinde, die in jungem Erwachsenenalter die Kirche verlassen und Glaube meist ablegen ¡zwischen 60% und 80%

Daten aus Deutschland ¡Anteil der rel. Aussteiger an Bevölkerung ¡ 1982: 6,6% ¡ 2002: 10,6%

¡„Glaube nicht mehr an einen Gott.“ ¡ 25% (alt. Bundesländer); 17% (neue Bundesländer)

Bielefelder Dekonversionsstudie ¡ Dekonversion in 90% aller Fälle als langsamer und schrittweiser Prozess erlebt ¡ Dekonversion bedeutet nicht zwangsläufig Religionsverlust ¡ 37% innerhalb des rel. Feldes ¡ 24% in private Religiösität ¡ 29% säkulares Weltbild

¡ „mehr spirituell als religiös“ ¡ 64% (USA) bzw. 37% (D)

Warum ich nicht mehr glaube: Die Onlinestudie. ¡ 91% waren Mitglied einer Kirche ¡ 47,6% wurden christlich erzogen, 33,7% teils/teils ¡ 60% haben regelmäßig in einer Gemeinde mitgearbeitet ¡ davon 95% ehrenamtlich, 5% hauptamtlich

¡ im Durchschnitt gehörten sie 23 Jahre einer Kirche an

Warum ich nicht mehr glaube: Die Onlinestudie.

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/ neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Zweifel an der Lehre, der Bibel/ neuer Atheismus ¡ „Gott schafft uns mit einem offensichtlichen Hang zum schlechten bzw. zur Sünde und rettet uns dann ganz großartig da heraus, indem er seinen Sohn schlachten lässt.“ (Reinhard) ¡ „Je mehr ich in der Bibel gelesen habe, desto weniger konnte ich die Inhalte und erst recht die Dogmen der Kirchen glauben.“ (Willi)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Mündigkeit und Emanzipation ¡„Verbote haben meinen Glauben bestimmt und wurden emotional vermittelt. Der Glaube hat nicht frei gemacht.“ (Lukas) ¡„Es gab zu viel Schwarz-Weiß – aber die Welt ist bunt.“ (Wiebke)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Negative Erfahrung mit Christen ¡ „Menschen in christlichen Kreisen leben häufig sehr gesetzlich und heucheln ein heiliges Leben, obwohl sie selbst oft die schlimmsten sind.“ (Gudrun) ¡ „Ich glaube nicht mehr, weil ich persönlich erleben musste, wie viel Schlimmes sich Christen gegenseitig antun. Gemeindesysteme verletzen Menschen. Ich will nicht mehr Teil dieses Systems sein.“ (Dirk)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Negative Erfahrung mit Gemeinden ¡„Es ist zwecklos. Ich empfand dort keinerlei Hingabe.“ (Sabine) ¡Christliche Einrichtungen und sehr viele Christen selbst sind von den christlichen Idealen weit abgerückt und es gibt zu viele Widersprüche im Handeln und Reden der Kirche.“ (Sabine)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Erkenntnis der Zufälligkeit ¡ „Ich habe in all den Jahren nichts erlebt, was ich nicht im Nachhinein auf Autosuggestion und ähnliche psychologische Effekte zurückführen kann.“ (Elisabeth) ¡ „Wäre ich in eine andere Kultur geboren, wäre ich anders erzogen, würde ich andere Wahrheiten für richtig halten. Also wäre der Glaube kulturbedingt. Wahr macht es ihn deshalb nicht.“ (Isabelle)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Negative Auswirkung des Glaubens ¡ „Glaube ist gefährlich, da er sich leicht manipulieren lässt.“ (Cedric) ¡ „Ich glaube nicht mehr, weil es schwer ist, in solchen Strukturen jemand zu sein, der an Stärke glaubt und sie für etwas Gutes hält. Wo sogar die angeblich Schwachen ihre Stärken haben. Stattdessen suhlt man sich lieber in seinen Schwächen und im Selbstmitleid, und verachtet seine Stärken und noch mehr die der anderen.“ (Manuel)

Ich glaube nicht mehr, weil: 1. Zweifel an der Lehre, der Bibel/neuer Atheismus 2. Mündigkeit und Emanzipation 3. Negative Erfahrung mit Christen 4. Negative Erfahrung mit Gemeinden 5. Erkenntnis der Zufälligkeit 6. Negative Auswirkung des Glaubens 7. Keine Auswirkung des Glaubens

Keine Auswirkung des Glaubens ¡„Ich habe erlebt, dass ich ohne Glauben genauso gut bzw. besser durchs Leben komme“ (Mike) ¡ „Ich habe trotz absoluter Hingabe von den biblischen Verheißungen für unser Leben nichts erlebt“ (Milena)

Warum ich nicht mehr glaube: Die Interviews. Leitmotive 1. Moral: Die Eingeengten und Verletzten. 2. Intellekt: Die Zweifelnden und Grübelnden. 3. Identität: Die Entwachsenen und Zerrissenen. 4. Gottesbeziehung: Die Enttäuschten und Geplagten.

Glaube und Glaubensgenese ¡ Notwendigkeit sich den Glauben zu eigen zu machen ¡ schrittweises Hineinwachsen vs. bewusste Entscheidung/Bekehrung

¡ Bewertung der christl. Sozialisation oft positiv ¡ Glaube oft geprägt durch das Wechselspiel des (Nicht-)Glaubens von Vater und Mutter ¡ Bedeutung der Mütter, Extreme bei Vätern

Erfahrungen mit Gemeinschaft ¡ viele positive Erlebnisse ¡ Gemeinschaft selbst ¡ erlernte Fähigkeiten ¡ bes. Aktivitäten

¡ viele negative Erlebnisse ¡ Verhaltenskodex/ (Anpassungs-)Druck ¡ schlechter Umgang/ Heuchelei ¡ Gottesdienst

Nachgeschichte ¡langer Prozess mit tiefen Auswirkungen auf Persönlichkeit und Umfeld ¡von Befreiung/Erleichterung über unspektakulärer Prozess bis Vakuum ¡Spannungen im Beziehungsnetz

Weitere Ergebnisse: ¡Risikophase Übergänge/ Änderungen des Umfelds ¡Umgang mit Homosexualität ¡Selbstverurteilung bei Frauen

Dekonversionsprozesse ¡ Patrick: Der glauben wollte, aber nicht konnte. ¡ Magdalena: Die glauben konnte, aber nicht mehr wollte. ¡ Ines: Die sich krank glaubte. ¡ Nicolo: Der merkte, dass sein Glaube von früher für heute nicht reicht. ¡ Frank: Der fragt, wer er sei, wenn er nicht mehr glaubt? ¡ Gregor, der fragte: Hab ich jemals geglaubt? ¡ Und Martina, die über die Christen und ihren Glauben sagt: Die Christen sind nicht was sie singen.

Beispielgeschichte

Warum ich nicht mehr glaube: Die Denkanstöße. Für Christen und Gemeinden: 1. Der Zusammenhang von Glaube, Zweifel und Identität 2. Offenheit für die Vielfalt des Glaubens 3. Macht & Missbrauch vermeiden 4. Mündigen Glauben fördern und stärken

Warum ich nicht mehr glaube: Die Denkanstöße. Für Christen und Gemeinden: 1. Der Zusammenhang von Glaube, Zweifel und Identität. ¡

Verantwortung für die eigene Entscheidungen

¡

Vom Zweifeln & Verzweifeln

¡

Zweifel & der neue Atheismus

Warum ich nicht mehr glaube: Die Denkanstöße. Für Christen und Gemeinden: 2. Offenheit für die Vielfalt des Glaubens. ¡ Keine Vorverurteilung ¡ Angemessener Umgang mit Andersgläubigen ¡ Formalismus überwinden

Warum ich nicht mehr glaube: Die Denkanstöße. Für Christen und Gemeinden: 3. Macht & Missbrauch vermeiden. ¡ Geistlicher Missbrauch in der Erziehung ¡ Geistlicher Missbrauch durch einseitige Theologie ¡ Geistlicher Missbrauch durch Strukturen ¡ Geistlicher Missbrauch durch moralischen Druck

Warum ich nicht mehr glaube: Die Denkanstöße. Für Christen und Gemeinden: 4. Mündigen Glauben fördern und stärken. ¡ Resilienten Glaube fördern ¡ Die zweite Naivität finden ¡ Aspekte gesund machenden Glaubens

¡ Ergebnisse der Studie ¡ Acht Portraits ¡ erste Überlegungen, was dies für Gemeinden heißt

Religionspädagogische Einordnung: ¡ Kritische Phasen nach Fowler (Stufen des Glaubens): ¡ Synthetisch-konventioneller Glaube (ab Pubertät) ¡ Kritische Phase: individuell reflektierender Glaube (junge Erwachsenen) ¡ Kritische Reflexion über Identität, Religion und Weltanschauungen ¡ Risikophase Übergänge/ Änderungen des Umfelds

Religiöse Lebenswelten von jungen Erwachsenen 1. Patchworkglaube „Ich bin gerne evangelisch, da es eine Konfession der Freiheit ist, in der sich Yin und Yang das Gleichgewicht halten.“ Janine, 15 Jahre

2. religiöse Touristen

„Sie tauchen kurz und sporadisch in religiöse oder quasireligiöse Kontexte ein und nehmen die Angebote mit, die ihnen derzeit bei der Lebensbewältigung am nützlichsten erscheinen“

3. „Gott immer weniger Person – immer mehr Beziehung“

Resilienter Glaube? Stark im eigenen Glauben werden ¡psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen. Das Wort stammt ursprünglich aus der Materialkunde und bedeutet wörtlich Elastizität, Spannkraft, Strapazierfähigkeit. ¡Risiko- und Schutzfaktoren identifizieren. Wie sehen diese aber aus? ¡Drei Beispiele von Risiko- und Schutzfaktoren sollen skizziert werden

1. Über den Zusammenhang zwischen Zweifeln & Glauben. ¡ Selbstsicherheit als Götzendienst ¡ Schon Luther erkannte das und nannte es die securitas: Gott wird dazu benutzt, um Sicherheit, Halt und Orientierung zu erlangen, und so wird die berechtigte Suche nach Gewissheit zu einem Götzen

Über den Zusammenhang zwischen Zweifeln & Glauben. ¡Zweifel zwischen Scham & Isolation ¡Zweifel zwischen Apologetik & Beziehung ¡Zweifel als Zwillingsbruder des Glaubens ¡Sicherer Raum für Zweifel ¡Zweifel als Zeichen der Entwicklung ¡Zweifel schützt vor Hochmut & Arroganz

2. Einheit und Vielfalt im Glauben ¡ Der Zusammenhang von Glaube, Zweifel und Identität. ¡ Verantwortung für die eigene Entscheidungen ¡ Suchen nach der zweiten Naivität

2. Einheit und Vielfalt im Glauben ¡„Im Notwendigen herrsche Einmütigkeit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem aber Nächstenliebe.“ ¡Markantun de Dominis

3. Mündiger Glauben ¡Glauben und Identität nicht zu trennen ¡Mit Persönlichkeit entwickelt sich Glaube ¡Nicht nur Ausdruckform ändert sich ¡Mündigkeit als Ziel ¡Bedeutung von Kritik

3. Mündiger Glauben ¡„Freiheit des Glaubens bedeutet, dass ich in einem Prozess lebenslanger Entwicklung, Veränderung und Reifung der werde, der ich in den Augen Gottes bin.“ ¡ Roger Mielke

Gemeindepädagogische Überlegungen: ¡Reflexion des eigenen Referenzrahmens ¡Spirituelle Authentizität (eigener Lebenswandel) ¡Das Verstehen der eigenen Religiosität ¡Ethische Konsequenzen im eigenen Leben (eigene Überzeugungen leben) ¡Kommunikationsfähigkeit und der Austausch mit Anderen

Gemeindepädagogische Umsetzungen: ¡Mentoring als sicherer Raum ¡Menschen mit Perspektivwechsel ¡Vorbilder ¡Raum für Zweifel ¡Kritische Auseinandersetzung mit der Bibel ¡Kritische Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Urteilen

Vom Verlust der ersten Naivität ¡Erste Naivität: „Die Welt ist gut, wie sie ist, und mir kann darin nichts passieren“ (kindliches Grundvertrauen) ¡Entwicklung des kritischen Denkens, durch widersprüchliche Erfahrungen und aufkommende Zweifel ¡Folge: Verlust der ersten Naivität

Vom Gewinn der zweiten Naivität ¡Ricoeur: Über die Entwicklung der 2. Naivität, die die Wirklichkeit des Alltags mit aller Skepsis, allem Realismus und allen Erfahrungen als auch die Wirklichkeit des Glaubens mit der Erlösung in Christus Jesus vereint. ¡Symbole als Puffer zwischen „Glauben wollen“ und „Zweifeln müssen“: „Als-ObPerspektive“

Vom Gewinn der zweiten Naivität ¡Entstehung eines neuen Raums, der Zweifel und Bibel zusammenbringt ¡„Für-wahr-Nehmen“ des Textes bietet sich jetzt ein neuer Weg für den Zweifelnden, um dem biblischen Text zu begegnen. ¡Die zweite Naivität ist also eine mündige Naivität – wo Vernunft mit Glauben, Selbstständigkeit mit vollem Vertrauen auf Gott vereinigt wird.

¡ Antwortbuch auf die Ergebnisse der Dekonversionsstudie ¡ Alle wichtigen Fragen der Dekonversionsstudie wurden aufgenommen und von 20 Expertinnen und Experten beantwortet ¡ Wie können wir Glauben heute leben?