Endlich! Die Schweiz wedelt und carvt. Skilehrer

 Skilehrer Migros-Magazin 3, 14. Januar 2008 Ski geil! Er war in den Siebzigerjahren der schönste und berühmteste Skilehrer der Schweiz. «Gigi vo...
Author: Gundi Kästner
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Skilehrer

Migros-Magazin 3, 14. Januar 2008

Ski geil!

Er war in den Siebzigerjahren der schönste und berühmteste Skilehrer der Schweiz. «Gigi vo Arosa» hiess der Schlager, der den Bündner Skicasanova verherrlichte. Gigi gibts leibhaftig: Er heisst Daniel Meisser, ist 61, verheiratet und «springt den Röcken nicht mehr hinterher, sondern schaut nur noch».

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ndlich! Die Schweiz wedelt und carvt wieder meisterhaft den Hang hinunter. Eine Skination meldet sich aus dem Tiefschlaf zurück. Lange Jahre sumpfte das einst so stolze Land von Russi, Zurbriggen, Vreni Schneider und Co. im Schneepflotsch herum, doch jetzt stiebt wieder der Pulverschnee! Wir sind wieder wer: Am Idiotenhügel, auf Buckelpisten, bei Weltcuprennen und beim Après-Ski – die Schweiz fährt wieder Ski. Und die Allerbesten und Allerschönsten auf den Pisten werden als die neuen Helden verehrt – die Skilehrer. «Die Schweiz hat die attraktivsten und begehrtesten Skilehrer der Schweiz», trompetet auch Schweiz Tourismus und lockt mit braungebrannten, muskulösen Skigöttern in Plakatgrösse – und lässt das Volk sogar im Internet abstimmen: «Wählen Sie den schönsten Skilehrer!» Unzählige knackige junge Männer lassen sich per Mausklick taxieren, die schönsten Zehn stehen jetzt im Final. Dabei haben sie gar keine Chance, der Titel wurde längst vergeben, vor 33 Jahren schon. An den berühmtesten, schönsten Skilehrer der Schweiz. Er kommt aus Arosa – der Gigi.

Der Gigi musste sehr, sehr ledig sein Jetzt kann er es ja zugeben. Drei Jahrzehnte hat er dichtgehalten, hat den Vorzeige-Skilehrer gemimt, den Pulverschnee-Kennedy und Skihäschendompteur, «dabei habe ich den Winter gar nicht mal so gern – immer diese kalten Füsse!». Sagt ausgerechnet er, der legendärste Skilehrer aller Zeiten – der «Gigi vo Arosa», dieser Schwerenöter auf Brettern, verewigt in einem Schlager, der 1975 die Hitparade eroberte. Damals sang Schauspielerin Ines Torelli vom Aroser Alpenadonis, der die Damen tags auf der Skipiste in Vor- und nachts im Hotelzimmer in Rücklage brachte, oder wie es im Lied etwas blumiger heisst «er bricht im März pro Stund es Härz».

Wunderbare Berg- und Körperwelten. Mit einem knackigen Skilehrer in Plakatgrösse wirbt Schweiz Tourismus für «romantische Winterorte, verschneite Berglandschaften und die schönsten Skilehrer».

«Skilehrer zu sein war damals einfach wunderbar», sagt der Gigi, der eigentlich gar nicht Gigi heisst, sondern Daniel Meisser. Oh ja, ja, doch, doch, den Gigi von der Schallplatte gibts leibhaftig! 61 Jahre alt ist er mittlerweile und Inhaber eines Architekturbüros in Arosa. Und er lacht noch immer so charmant und zwinkert so gekonnt, dass man sofort versteht, warum die Damenherzen damals schmolzen wie Neuschnee bei Föhneinbruch. Ursprünglich war der Gigi reine Fiktion, eine Erfindung der Schlagertexter. Dann kam man auf die Idee, Gigi-Sängerin Ines Torelli doch noch eine nette Dekoration mit auf die Bühne zu stellen. Einen waschechten Skilehrer orderte man also bei der Schweizer Skischule Arosa. Und der Vorstand schickte seinen

Aktuar, den 27-jährigen Meisser Dani. Er war jung, schön, charmant und vor allem sehr, sehr ledig! «Also gut, einverstanden», habe er den Skilehrerbossen damals gesagt, erzählt Meisser heute, «aber wenn ich A sage, dann auch B, wenn ihr einen sexy Skilehrer und Playboy wollt, dann ziehe ich das durch. Und ich will dann keine blöden Sprüche hören!» Dann stieg er in seinen weissen VW und fuhr los, ins Unterland, nach Zürich, wo im «Mascotte» die Plattentaufe stattfinden sollte. Der 29. Januar 1975 wars, das weiss Meisser noch genau. Und auch Sängerin Ines Torelli (76), die heute in Kanada lebt, erinnert sich sehr gut «an diesen gut aussehenden, jungen Mann, der plötzlich dastand, sich als Gigi vorstellte und den das Berühmtsein nicht störte».

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Die Skilehreruniform passt noch immer: Der schöne Gigi heisst richtig Daniel Meisser und ist heute 61 Jahre alt. Zusammen mit Ines Torelli trat er Mitte der Siebzigerjahre als «Gigi vo Arosa» auf. «Zwischen uns lief aber nie etwas. Ines ist 15 Jahre älter.»



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Im Gegenteil: Daniel genoss es, plötzlich im Scheinwerferlicht zu stehen und mit all den Bündner Salsiz- und Schweizer Servelat­promis Cüpli zu süffeln.

Der Bündner Neid Das Gigi-Lied wurde ein Bombenhit, die Bühnenshow war kult: Hier die singende Ulknudel Ines Torelli, daneben der braungebrannte, ranke-schlanke Skilehrer mit den modischen Riesenkoteletten, der zur Hitmelodie neckisch mit den Hüften wackelte, als wedle er um Slalomstangen. Jaaaa, das kam an! Damit betörte er die Fräuleins, regte Damenfantasien an und machte vor allem eines: Bombenwerbung für den Skiort Arosa. Nur hat es ihm Arosa nie wirklich gedankt: «Der älteste Bündner heisst Neid», sagt Meisser nur. Und auch Ines Torelli wundert sich noch heute: Obwohl das Lied ja nun wirklich pure Reklame für dieses Dorf war, wäre es nett gewesen, die Liedautoren oder sie als Interpretin hätten irgendwann mal eine kleine Anerkennung erleben dürfen, «und wenn es bloss ein Kafi Schnaps im Aroser Amtshaus gewesen wäre». Anzeige

Aber wie war das nun mit dem Gigi und den Frauen? Jetzt mal Hand aufs Skilehrer­ abzeichen, Herr Meisser, was lief da wirklich ab? Kann der Mann spitzbübisch lachen! Dann legt er die Playboy-Fakten auf den Tisch: «Ja, es war eine wilde Zeit. Natürlich war ich einer, der nichts anbrennen liess. Aber ich habe mich sicher nicht auffälliger verhalten als meine 160 Aroser Skilehrerkollegen.» Damals hätten die Leute ihren Skilehrer eben nicht nur stundenweise, sondern gleich für eine ganze Woche gebucht. Und wenns draussen hudelte, kümmerte man sich halt in der Hotelbar um die Kundinnen oder ging mit ihnen spazieren oder zum Shopping nach Chur. Es gab Damen, erzählt Meisser, die ihn einen ganzen Monat lang mieteten. Dass so die eine oder andere Liebelei entflammte, erstaunt nicht. Nur seine Mutter habe nach der 25. Freundin gejammert: «Jämmers Bub, das Mädchen letzte Woche war doch so eine nette, und jetzt kommst du schon wieder mit einer anderen?» Und heute? Der Playboy Gigi ist Schnee von gestern: Daniel Meisser ist seit Jahrzehnten mit einer Zugerin verheiratet und hat zwei



«Ich wollte nicht immer nur stumm neben Ines Torelli auf der Bühne stehen.» Darum dichtete Gigi später selber zwei Lieder und trat als Sänger auf.

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Gigis Nachfolger – wer ist der schönste Skilehrer? Schweiz Tourismus sucht den schönsten Schneesportlehrer der Schweiz. Hier sind die zehn Finalisten. Wählen Sie Ihren Liebling auf www.myswitzerland.com. Oder machen Sie mit bei den Vorwahlen des Migros-Magazins auf www.migrosmagazin.ch.

Schaut gern zurück. Gigi Daniel Meisser auf dem Sessellift. Er hat viel zu tun: «Diese Saison bin ich drum noch gar nie zum Skifahren gekommen.»

1. Ob er gerade vom letzten Pistenflirt träumt? Thierry Wenger (25) aus Gstaad findet man oft beim Apero im Pasa Tiempo.

6. Die Skidamen schwärmen von seiner Frisur. Manuel Utiger ist 23 und gibt Unterricht auf der Bettmeralp.

2. Was für ein Lächeln! Hubert Kälin (21) arbeitet im Zentralschweizer Skiort Ybrig. Sein Lieblingslokal: «das Skischulbüro».

7. Der Traum aller Schwiegermütter. Andreas Belser (27) findet man auf Adelbodens Skipisten – und in der Chüeierstube.

3. Strahlender Naturbursche! Stefan Schnyder (35) aus Saas-Fee. Seine Lieblingsbeizen: Nesti Bar, Poison, Alpen Pub.

8. Ein Berg von einem Mann. Der 23-jährige Luca de Marchi unterrichtet in Splügen und prostet den Girls in der Gada Bar zu.

4. Passen Sie auf Ihre Tochter auf! Auf Brigels Pisten trifft man Fabian Hunger (24). In der Disco «Go in» tobt er sich gern aus.

9. Der Brad Pitt der schwarzen Pisten. Wer ein Date will, trifft Mirco Negrini (21) am Corvatsch oder im Stübli oder dem Vivai.

5. Er erweicht die Herzen der Splüger Skihasen: Marco Larghi, 21 Jahre alt, kann man in der Gada Bar kennenlernen.

10. Der Charme des Schüchternen. Fabio Omini (27) verdreht den Girls in St. Moritz den Kopf. Lieblingsbeiz: Bar Finale.

Töchter. Und statt schmelzende Frauenherzen sammelt der 61-Jährige heute Briefmarken und Kaffeerahmdeckeli.

Gigis Spuren in Arosa Grad vorgestern, so erzählt Daniel, habe ihn auf der Strasse eine Aroserin mit leicht erröteten Wangen «Ciao Gigi» gegrüsst. Sonst aber zeugt im Dorf nichts mehr vom berühmten Skisohn. «Und meine Ski von damals kann man heute im Dorfmuseum bewundern, sonst gibts in Arosa keine Gigi-Erinnerungen mehr.» Meint er! In der Pizzeria Grottino aber, in der Nähe des Bahnhofs, findet man eine Spur auf der Speisekarte: Menü Nummer 21 für Fr. 24.90.–. «Pizza Gigi» mit Tomaten, Knoblauch (aha, Anspielung auf den scharfen Gigi), Mozarella (sein südländisches Flair) und Schweinsfilet (hä?). Die Nachfrage beim Kellner ist dann aber ernüchternd: «Was Gigi von Arosa? Nein, nein, die Pizza ist nach unserem Pizzaiolo benannt – der heisst Luigi.» Nie mehr Skilehrer sein Nein, den Skilehrerjob würde er heute nicht mehr machen, sagt Meisser. «Das ist einfach nicht mehr das Gleiche wie früher, alles ist zu professionell, zu distanziert und emotionslos.» Seine 18-jährige Tochter Livia liebäugle derzeit mit dem Skilehrerberuf. «Ich habe ihr abgeraten.» Ein Kollege von ihm habe es letzthin auf den Punkt gebracht: «Die Jungen heute bringen es gar noch fertig, den schlechten Ruf der Skilehrer zu ‹versiechen›!» Text Marcel Huwyler, Bilder Tanja Demarmels