ELZ-Arbeitszeitmodell gescheitert

ELZ-Arbeitszeitmodell gescheitert In Folge der „Evaluation BMo“ führt die Behördenleitung der Polizei Berlin im Bereich der Abschnitte seit Beginn de...
Author: Anton Michel
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ELZ-Arbeitszeitmodell gescheitert

In Folge der „Evaluation BMo“ führt die Behördenleitung der Polizei Berlin im Bereich der Abschnitte seit Beginn des Jahres 2014 einen Probelauf durch, der zwei wesentliche Veränderungen beinhaltet:

 Abschnittsstruktur (zentralisierte Vorgangsbearbeitung durch ein Abschnittskommissariat)

 Arbeitszeit (Einführung eines neuen Tourenplans „ELZ-Modell“ für die Basisdienste)

Im Rahmen des Probelaufs wird für jedes Quartal ein Controllingbericht durch das behördliche Begleitgremium erarbeitet. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen die Quartalsberichte für das erste und das zweite Quartal 2014 vor.

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Controllingberichte, zahlreicher schriftlicher und mündlicher Berichte betroffener Kolleginnen und Kollegen sowie einer Mitarbeiterbefragung des Gesamtpersonalrates (GPR) nimmt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zum „Probelauf Abschnitte“ Stellung.

Eigendruck im Selbstverlag/ Impressum (verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes – v.i.S.d.P.): Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Berlin, Vorsitzende: Kerstin Philipp Kurfürstenstr. 112, 10787 Berlin, Tel.: 21 00 04 - 0, Fax: - 29, mail: [email protected], web: www.gdp-berlin.de

Allgemeine Problemerörterungen:

Grundsätzlich unterliegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 37 Berliner Abschnitte einer enormen Arbeitsbelastung. Die Arbeitsbelastung der Abschnitte unterscheidet sich nicht von anderen Dienstbereichen der Polizei Berlin. Zusätzlich zu den Abschnittsaufgaben werden die Kolleginnen und Kollegen der Abschnitte für Alarm- und Sonderdienste zur Unterstützung anderer Dienstbereiche herangezogen. Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden in 61 Fällen Alarmhundertschaften, die von Abschnittsbeamtinnen und –beamten zu stellen sind, zur Unterstützung der Einsatzhundertschaften aufgestellt. Darüber hinaus übernehmen die Abschnittskolleginnen und -kollegen seit August 2013 Objektschutzmaßnahmen täglich rund um die Uhr, da die eigentlich zuständigen Tarifbeschäftigten 2013 den Abbau von Überstunden gerichtlich erstritten hatten. So trugen die Abschnitte mit dazu bei, dass dieser Überstundenberg der Tarifbeschäftigten des Zentralen Objektschutzes innerhalb eines Jahres von 363.240 Stunden (30.06.2013) auf 170.196 Stunden (30.06.2014) reduziert werden konnte. Zum 1. Juli 2014 wurden noch 20 der 702 Objektschutzpositionen (hiervon 643 mobile und 59 stationäre Objektschutzmaßnahmen) von den Abschnitten übernommen. Weitere Problemfelder sind die Altersstruktur sowie die Verwendungseinschränkungen. Bei 26 von 37 Abschnitten sind zwischen 30 und 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter älter als 50 Jahre. Beim A 61 sind 49 % der Kolleginnen und Kollegen älter als 50 Jahre, beim A 14 sind es sogar 50 Prozent. Bei den übrigen 11 Abschnitten liegt der Anteil der Ü50-jährigen Kolleginnen und Kollegen zwischen 24 und 29 Prozent. 25 Prozent aller Abschnittsbeamtinnen und –beamten sind entweder dauerkrank oder verwendungseingeschränkt, wobei unter dem Terminus „verwendungseingeschränkt“ auch solche Kolleginnen und Kollegen erfasst werden, die aus familiären Gründen zur Angehörigenpflege und/ oder Kinderbetreuung starken zeitlichen Zwängen unterworfen sind. Den höchsten Wert an Verwendungseingeschränkten weist mit 40,5 Prozent der A 35 auf. Den höchsten Wert an Dauerkranken hat der A 43 mit 7,1 Prozent.

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Abschnittsstruktur:

Die auf zwölf Probeabschnitten eingeführten Abschnittskommissariate (jeweils zwei Probeabschnitte pro Direktion) müssen trotz eines signifikanten Anstiegs an Ermittlungsvorgängen (bis zu 30 Prozent mehr Vorgangsaufkommen als prognostiziert) eine teils widersprüchliche Gemengelage an Zielvorstellungen erfüllen. Zum einen soll die auf dem Abschnitt zentralisierte Vorgangsbearbeitung, die mit Einführung des Berliner Modells noch abgeschafft wurde, die Qualität der Ermittlungsarbeit erhöhen. Zum anderen soll jedoch die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Vorgang auf drei Stunden sinken. Auch soll die Hälfte der Arbeitsplätze eines Abschnittskommissariats den Ü50-jährigen sowie verwendungseingeschränkten Kolleginnen und Kollegen vorbehalten sein. Die Integrierung des Zentralen Servicedienstes (ZSD) in das Abschnittskommissariat hatte bereits im Vorfeld zu heftiger Kritik geführt. Die Praxis bestätigt diese Kritik. Auch der Wegfall des SB K (Sachbearbeiter Kriminalitätsbekämpfung) wird von acht der zwölf Probeabschnitte kritisch gesehen, da die Abschnitte nunmehr mit qualitativ schlechteren Kriminalitätslagebildern arbeiten müssen. Die Fülle der Aufgaben des Abschnittskommissariats (AK) sowie deren personelle Größe machen eine dritte Kraft für die AK-Leitung in jedem Falle erforderlich. Sieben der zwölf AK arbeiten in der BMo-Arbeitszeit. Die übrigen fünf AK arbeiten in der Arbeitszeit „DV Flex“, die auch in der Sachbearbeitung der Kriminalpolizei Anwendung findet. Die Controllingberichte formulieren mehr und mehr Kritik an der „DV Flex“ und fordern für die AK ein Dienstzeitmodell, mit dem alle Aufgaben ohne Entstehung von Mehrarbeit wahrgenommen werden können. Bei den AK mit „DV Flex“ würde jedoch regelmäßig Mehrarbeit entstehen. Die GdP hält das Controlling im Bereich der AK-Arbeitszeit für unseriös und nicht transparent. Die zwölf Abschnittskommissariate arbeiten unter vollkommen verschiedenen Voraussetzungen hinsichtlich ihrer zusätzlichen Aufgabenfelder neben der eigentlichen Vorgangsbearbeitung. Ein Vergleich verbietet sich. Zudem wird in den Controllingberichten nicht dargestellt, ob die Mehrarbeit für AK-eigene oder AK-fremde Aufgaben anfällt. Solange diese Werte nicht erhoben werden, fehlt es den Controllingberichten an der notwendigen Grundlage, später ein fundiertes Urteil über das geeignete Arbeitszeitmodell der AK zu fällen. Die starre Regelung der Besetzung des W1N (Wachhabender Nachtdienst) durch einen Angehörigen der Dienstgruppenleitung hat auf den AK-Abschnitten negative Konsequenzen für die Leitung der Dienstgruppen sowie notwendige Besprechungen und Einsatzvorbereitungen erbracht. Zudem ist es eine Herabwürdigung der bis dahin verwendeten „Stamm-W1“, die grundsätzlich in die zweite Position verdrängt werden. Hier ist ein flexibler, den individuellen Abschnittsgegebenheiten angepasste Besetzung des W1N erforderlich.

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Arbeitszeit:

Der ELZ-basierte Tourenplan findet bei einer deutlichen Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen auf den zwölf Probeabschnitten (jeweils zwei in jeder Direktion) keine Akzeptanz. Die Mitarbeiterbefragung des GPR hat ergeben, dass sich rund 80 Prozent der Beamtinnen und Beamten der ELZ-Probelauf-Abschnitte für eine Rückkehr in die Arbeitszeit BMo aussprechen. Die strukturellen Schwächen des ELZ-Modells können den negativen Aspekt des BMo-Modells („kurzer Wechsel“) nicht aufwiegen. Der auf acht aufeinanderfolgende Tage abgestimmte ELZ-Tourenplan führt dazu, dass die 12,5-Stunden-Dienste sich nicht wie bisher auf das Wochenende konzentrieren, sondern rollierend jeden Wochentag treffen. Damit ignoriert der ELZ-Tourenplan das besonders hohe Einsatzaufkommen an Werktagen und belastet die Kolleginnen und Kollegen werktags mit 12,5-Stunden-Diensten, was von diesen in der GPR-Mitarbeiterbefragung deutlich kritisiert wurde. Denn die in der Arbeitszeit BMo implementierte Konzentration von 12,5-StundenDiensten auf die Wochenendtage wird von den Dienstkräften als familienpolitischer Vorteil gewertet. Statt wie im BMo-Modell zwei Dienstgruppen müssen nun im ELZ-basierten Tourenplan an Wochenendtagen drei Dienstgruppen zum Dienst erscheinen. Der Anteil von 12,5-Stunden-Diensten, der von der Behördenleitung irrtümlicherweise als rechtlich unhaltbar dargestellt wird, erhöht sich im neuen Tourenplan sogar noch im Vergleich zum BMo-Modell. Die Ablösezeit für den Spätdienst um 22 Uhr ist ein nicht lösbares Problem, da sich bei einer Vorverlegung auf 20 Uhr der erste Nachtdienst der Doppelnachtschicht noch verlängern würde. Die Doppelnachtschicht belastet die Kolleginnen und Kollegen in ihrer Gesundheit in nicht hinnehmbarer Weise. Rund 70 Prozent der Beamtinnen und Beamten der ELZ-Abschnitte beklagen hieraus resultierende gesundheitliche Probleme. Auch ist der ELZ-basierte Tourenplan auf den Abschnitten mit weiteren wichtigen Aufgabenbereichen, so beispielsweise dem Dienstunterricht, Dienstgruppeneinsätzen und dem Einsatztraining, nicht kompatibel. So weisen im Bereich der Fortbildung und des Einsatztrainings die Probelaufabschnitte des ELZ-basierten Tourenplans einen Anteil von unter 2,5 Prozent an allen Einsatzkräftestunden auf. Bei den BMo-Abschnitten hingegen beträgt dieser Anteil rund 3,5 Prozent.

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Fazit:

Die neue Abschnittsstruktur bedarf einer Weiterentwicklung. Die W1N-Regelung ist zu überarbeiten. Die Personalausstattung der Abschnittskommissariate ist zu überprüfen. Der Zentrale Servicedienst (ZSD) ist wieder eigenständig zu organisieren. Hinsichtlich der Arbeitszeit in den Abschnittskommissariaten spricht sich die Gewerkschaft der Polizei für individuelle Lösungen, orientiert am Aufgabenbereich und den Wünschen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aus. Das ELZ-Modell ist auf den Abschnitten gescheitert! Die strukturellen Schwächen des ELZ-basierten Tourenplans können nach Auffassung der Gewerkschaft der Polizei auch nicht durch Modifikationen aufgelöst werden. Ziel eines neuen Arbeitszeitmodells war es, die Problematik des „kurzen Wechsels“ im BMo-Modell zu beheben. An dieser Zielstellung ist das ELZ-Modell gescheitert. Stattdessen hat es mit der Doppelnachtschicht und der starren Tourenfolge neue Probleme geschaffen. Da es mit den verschiedenen Variationen des BMo-Modells (beispielsweise dem Flexmodell) bereits fundierte, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit hohen Zustimmungswerten mitgetragene Lösungsansätze für den „kurzen Wechsel“ gibt, ist ein sachlicher Grund, das ELZModell in neuen Variationen zu erproben, nicht ersichtlich. Zudem werden weitere Experimente mit der ELZ-basierten Arbeitszeit von knapp 80 Prozent der Beamtinnen und Beamten der ELZ-Abschnitte abgelehnt. In Anbetracht der Erfahrungen mit den Flexibilisierungen, die den Beschäftigten bei VB I und Lagediensten (LD) im Probelauf eingeräumt und nach Beendigung des Probelaufs nunmehr gegen den Willen der Beschäftigten wieder zurückgenommen wurden, ruft die Gewerkschaft der Polizei ihre Personalräte auf, Veränderungen am ELZ-basierten Tourenplan innerhalb des Probelaufs KEINE Zustimmung zu erteilen. Wie zuvor bei VB I und LD müssen wir damit rechnen, dass individuelle Flexibilisierungen zum Wohle der Kolleginnen und Kollegen letztlich nicht erhalten bleiben. Verhandlungen über die Arbeitszeit der Abschnitte sehen wir daher auch im Kontext mit neuen Verhandlungen zur Arbeitszeitregelung bei VB I und LD. Der Behördenleitung ist vorzuwerfen, dass die von Beginn an geplante Mitarbeiterbefragung nicht zeit- und sachgerecht vorbereitet wurde, weshalb deren Durchführung mittlerweile auf April 2015 verschoben werden musste. Hieraus resultieren auch die ausgereizte Geduld der Kolleginnen und Kollegen sowie des Gesamtpersonalrates (GPR) und dessen eigene Mitarbeiterbefragung im Dezember 2014. Im Übrigen fordert die Gewerkschaft der Polizei die Behördenleitung auf, eine Mitarbeiterbefragung auch auf den BMo-Abschnitten durchzuführen, um die Mitarbeiterzufriedenheit in beiden Modellen zum selbigen Zeitpunkt vergleichen zu können.

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Die Gewerkschaft der Polizei ruft die Behördenleitung auf: 1. unverzüglich auf allen Abschnitten eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen. 2. den Probelauf hinsichtlich einer neuen Arbeitszeit abzubrechen und auf allen Abschnitten in das BMo-Modell zurückzukehren. 3. den Abschnitten im BMo-Modell hinsichtlich der Tourenpläne individuelle Anpassungen zu ermöglichen. 4. nach Auswertung des Probelaufs mit den Personalräten in neue Verhandlungen zum Thema Arbeitszeit für die Abschnitte zu treten. Die Gewerkschaft der Polizei spricht sich – in Anbetracht der unterschiedlichen Gegebenheiten in Bezug auf Einsatzaufkommen sowie Bevölkerungsstruktur und städtebauliche Struktur der 37 Berliner Abschnitte – dafür aus, mehrere Arbeitszeitmodelle in differierenden Varianten zuzulassen. Über das jeweilige Arbeitszeitmodell eines Abschnitts sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden. In einer Zeit, in der die Kolleginnen und Kollegen extrem hohen Belastungen ausgesetzt sind und ihnen keine durchschlagenden Entwicklungs-, Besoldungs- und Beförderungsperspektiven geboten werden können, ist die Arbeitszeit die letzte motivationsstützende Säule. Den Beschäftigten ein von ihnen selbst gewähltes, den arbeitsrechtlichen und arbeitsmedizinischen Bestimmungen angepasstes Arbeitszeitmodell zu verwehren, welches die individuellen Anforderungen eines Abschnitts bestmöglich abzudecken vermag, wird massive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Berliner Polizei haben.

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