Elementare Stochastik

Ehrhard Behrends

Elementare Stochastik Ein Lernbuch – von Studierenden mitentwickelt

Prof. Dr. Ehrhard Behrends Freie Universität Berlin Deutschland

ISBN 978-3-8348-1939-0 DOI 10.1007/978-3-8348-2331-1

ISBN 978-3-8348-2331-1 (eBook)

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Vorwort In diesem Buch geht es um die Mathematik des Zufalls. Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich zu sein, denn wie soll man mit so einer exakten Wissenschaft das Ungewisse beschreiben? Wirklich hat es sehr lange gedauert, bis f¨ ur die Wahrscheinlichkeitsrechnung eine mathematisch exakte Grundlage geschaffen wurde. Das ist noch nicht einmal hundert Jahre her, und damit ist das Gebiet viel j¨ unger als andere Bereiche wie etwa die Geometrie oder die Algebra, die auf eine Geschichte von mehreren tausend Jahren zur¨ uckblicken k¨onnen. Die Wahrscheinlichkeitstheorie ist inzwischen sehr weit entwickelt, und immer wieder werden neue Anwendungsbereiche erschlossen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, k¨onnen dieses faszinierendes Teilgebiet der Mathematik hier kennen lernen. Es gibt – anders als bei vielen anderen mathematischen Theorien – eine F¨ ulle von Beziehungen zur Alltagserfahrung, und die meisten der wichtigen Konzepte sind nichts weiter als eine Pr¨azisierung von Mechanismen, mit denen wir t¨aglich mit dem Zufall umgehen. Sie k¨onnen sich davon u ur das intuitive ¨berzeugen, dass uns die Evolution f¨ Erfassen von zuf¨alligen Ph¨anomenen sehr unterschiedlich vorbereitet hat. Manche – wie etwa die in Kapitel 4 zu besprechenden bedingten Wahrscheinlichkeiten – k¨onnen wir in Bruchteilen von Sekunden richtig einsch¨ atzen, bei anderen liegen wir mit unserer Beurteilung v¨ollig falsch. Deswegen gibt es in diesem Gebiet auch so viele Paradoxien: Sachverhalte, die beweisbar richtig sind, bei denen aber die meisten etwas ganz anderes erwartet h¨ atten. Zwei Besonderheiten dieses Buches sollen noch hervorgehoben werden. Erstens wird hier ein Kompromiss versucht: Alle, die das Gebiet so faszinierend finden, dass sie darin weiterarbeiten wollen, werden daf¨ ur nach dem Durcharbeiten der zw¨olf Kapitel eine belastbare Grundlage haben. Und f¨ ur diejenigen, die nur die wesentlichen Ideen kennen lernen wollen, finden sich es am Ende der Einleitung Hinweise darauf, auf welche Aspekte sie sich konzentrieren sollten. Und zweitens: Ich habe mich sehr dar¨ uber gefreut, dass eine Reihe von Studierenden, die meine Veranstaltungen in den letzten Jahren besucht haben, dazu bereit waren, mich w¨ahrend des Entstehungsprozesses des vorliegenden Buches zu beraten. So konnte der Nutzen f¨ ur zuk¨ unftigen Leser ganz bestimmt gesteigert werden, und daf¨ ur m¨ochte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Berlin, im Juni 2012 Ehrhard Behrends

Das Team: Maximilian Kollock, Adam Schienle, Ehrhard Behrends, Michael Br¨ uckner, Thomas Stollin (hinten); Kristine Kaiser, Ekkehard Schnoor, Sophie Knell (vorn).

Vorwort des studentischen Teams Wenn man ausgerechnet w¨ahrend einer Klausur vom pr¨ ufenden Dozenten angesprochen wird, l¨asst es einen schwer etwas Gutes vermuten. So ging es einigen von uns, auf die Professor Behrends w¨ahrend einer Pr¨ ufung zur Elementaren Stochastik zukam. Die Bef¨ urchtung, eines vermeintlichen Schummelversuchs bezichtigt zu werden, war jedoch unbegr¨ undet. Ganz im Gegenteil erfolgte eine Einladung zur Teilnahme an diesem Projekt, zu dem sich insgesamt sieben Studenten gefunden haben, um mit Vorschl¨agen, Ideen, aber auch Kritik und ¨ Anderungsw¨ unschen bei der Entstehung des vorliegenden Buches mitzuhelfen. Wir hoffen, dass die Arbeit daran auch anderen Studenten und den Lesern dieses Buches insgesamt zu Gute kommen wird. F¨ ur uns alle war sie eine große Freude und Bereicherung. Ziel dieses Buches ist es, nicht nur Mathematikstudenten anzusprechen, die sich im Rahmen ihres Studiums mit Elementarer Stochastik befassen und denen dieses Buch als Begleitmaterial zur Vorlesung dient, sondern es soll auch jenen Lesern einen Einblick in die Materie gew¨ ahren, die sich als Laien mit diesem Gebiet besch¨aftigen wollen. Um f¨ ur alle Leser eine gr¨oßtm¨ogliche Verst¨andlichkeit des Textes zu erreichen, hat Herr Behrends uns als seine Studenten einbezogen, um durch unsere Mitarbeit auch solche Schwierigkeiten des Stoffes nicht aus den Augen zu verlieren, derer sich Hochschulprofessoren aufgrund ihrer jahrelangen Berufserfahrung mitunter gar nicht mehr bewusst sind. Unsere Probleme und Anmerkungen wurden regelm¨ aßig und angeregt mit Herrn Behrends diskutiert und die Stellen, die uns bei unserer Lekt¨ ure als schwer verst¨andlich erschienen, sind so mit zus¨ atzlichen Erl¨ auterungen versehen worden, von denen wir hoffen, dass sie zur Lesbarkeit dieses Buches f¨ ur alle beitragen. ¨ F¨ ur einige der Ubungsaufgaben, die sich am Ende jedes Kapitels befinden, haben wir Musterl¨osungen erstellt, die auf der Homepage zum Buch zu finden sind. (Die Adresse ist in der Einleitung zu finden.) Im Bewusstsein, aus der Mitarbeit an diesem Buch selbst Vieles gelernt zu haben, bedanken wir uns hiermit bei Herrn Behrends f¨ ur viele Stunden guter, intensiver und produktiver Diskussion bei Tee und Keksen und freuen uns sehr, dieses spannende und - wie wir hoffen - f¨ ur alle Leser hilfreiche Buch mitentwickelt zu haben. Berlin, im Juni 2012 Michael Br¨ uckner, Kristine Kaiser, Sophie Knell, Maximilian Kollock, Adam Schienle, Ekkehard Schnoor, Thomas Stollin

Einleitung Es wurde schon im Vorwort bemerkt, dass viele Begriffe, mit denen man sich im Studium besch¨aftigt, mit unserer Erfahrungswelt auf den ersten Blick recht wenig zu tun haben. Wo findet man denn dort – zum Beispiel – endliche K¨orper oder konvergente Folgen? Ganz anders ist es mit dem Zufall. Jeder weiß, dass er bei Gl¨ ucksspielen wie etwa beim Lotto eine Rolle spielt und dass das Thema eine fundamentale Bedeutung hat, wenn es um Versicherungen oder Zuverl¨assigkeitsberechnungen geht. Auch ist seit fast hundert Jahren bekannt, dass die Natur nur noch in Begriffen der Wahrscheinlichkeitstheorie beschrieben werden kann, wenn es um die Mikrowelt geht. Die Vorhersagen der Quantentheorie stimmen hervorragend mit den Messungen u ¨berein. Unsere Illusion, in einer von deterministischen Naturgesetzen regierten Welt zu leben, r¨ uhrt daher, dass wir immer nur das Zusammenwirken von gigantisch vielen Elementarteilchen wahrnehmen, und dabei verschwindet das Zuf¨ allige. (Mehr dazu in Teil 3 dieses Buches: Der Zufall verschwindet im Unendlichen“.) ” ¨ Uberraschenderweise hat sich die Wahrscheinlichkeitsrechnung erst vergleichsweise sp¨at gleichberechtigt neben anderen mathematischen Gebieten etabliert. Gl¨ ucksspiele sind schon bei den ¨altesten Kulturen anzutreffen, und sicher hatten die Spieler auch ein Gef¨ uhl f¨ ur die dabei relevanten Wahrscheinlichkeiten, aber Mathematiker haben sich damit nicht besch¨aftigt. Die Aufnahme des Gebiets in die Mathematik geschah – wenn man es stark vereinfacht beschreibt – in zwei Schritten. Der erste ist auf das 17. Jahrhundert zu datieren. In dieser Zeit gab es die ersten Versuche, Gesetzm¨ aßigkeiten bei Zufallsph¨anomenen zu beschreiben. Als historischer Ausgangspunkt gilt die Frage des Adligen Antoine Gombaud de M´er´e an den Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal, wie man bei einem Spiel die Gewinnsumme aufteilen sollte, wenn aus irgendwelchen Gr¨ unden ein vorzeitiger Abbruch erforderlich ist. Pascal korrespondierte dar¨ uber mit dem Mathematiker Pierre de Fermat, und recht bald gab es die ersten allgemeinen Erkenntnisse zum Ph¨ anomen Zufall“. ” Es ging dann rasant aufw¨arts, und viele wichtige Ergebnisse wurden schon im 17. und 18. Jahrhundert gefunden. Die kl¨ ugsten K¨ opfe der Mathematikgeschichte haben Ideen beigesteuert, aber eine exakte Grundlegung des Gebietes ließ lange auf sich warten. Damit war die Wahrscheinlichkeitsrechnung in einer ahnlichen Situation wie die Analysis, in der ja auch große Fortschritte unter ¨ Verwendung des vagen Konzepts der unendlich kleinen Gr¨ oßen“ erzielt wurden, ” bis im 19. Jahrhundert die Grundlagen gekl¨art wurden. In der Theorie des Zufalls dauerte diese Kl¨arung wesentlich l¨ anger. 1933 gilt als das Geburtsjahr der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie. In diesem Jahr stellte der russischen Mathematiker Kolmogoroff ein Axiomensystem vor, das bis heute Bestand hat. Seit dieser Zeit liegt die Grundlage in der Maßtheorie, einem Gebiet, in dem es urspr¨ unglich um das Messen von Fl¨ achen und Volumina ging. Die Wissenschaft vom Zufall wird heute als Stochastik“ bezeichnet. Der ” Name ist vom giechischen στ oχαστ ικ` η τ ´χνη“ (stochastike techne) abgeleitet, ”

x das bedeutet so viel wie die Kunst des Vermutens“. (Im Lateinischen heißt ” das Gebiet genauso: ars conjectandi“.) Stochastik ist der Sammelbegriff f¨ ur ” Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, beide Teilgebiete kann man in diesem Buch kennen lernen. Die Stochastik hat eine große Bedeutung erlangt, die immer noch zunimmt. Es gibt praktisch kein Teilgebiet der Mathematik mehr, in dem nicht auch stochastische Methoden eingesetzt werden, und es werden immer neue Anwendungsbereiche erschlossen. Ein vergleichsweise junges Beispiel ist die Finanzmathematik, in der jetzt tiefliegende wahrscheinlichkeitstheoretische Ergebnisse zur Risikoberechnung und zur Bewertung von Optionen eingesetzt werden. Was erwartet die Leser in diesem Buch? In Kapitel 1 werden die wichtigsten Aspekte des Ph¨anomens Zufall“ herausgearbeitet, Ausgangspunkt ist dabei die ” Alltagserfahrung. Dadurch soll die Definition von Wahrscheinlichkeitsr¨ aumen motiviert werden. Gegen Ende des Kapitels wird es dann etwas technischer, weil wir da schon einige allgemeine Ergebnisse zusammenstellen, die in den folgenden Kapiteln eine wichtige Rolle spielen werden. (Wer m¨ ochte, kann das systematische Durcharbeiten dieser Abschnitte erst einmal vertagen.) Kapitel 2 ist dann der Vorstellung der wichtigsten Beispielklassen von Wahrscheinlichkeitsr¨aumen gewidmet. Sie haben alle eine besondere Bedeutung, einigen wird sogar ein eigenes Kapitel gewidmet sein. Danach geht es in Kapitel 3 um Informationskompression: Wie lassen sich Wahrscheinlichkeitsr¨aume vereinfachen, wenn man es gar nicht so genau wissen m¨ochte. (Zum Beispiel ist es bei einem Lottoschein nicht so wichtig, welche Zahlen darauf angekreuzt sind, sondern nur, wie viele Richtige dabei sind.) Hier werden auch kombinatorische Tatsachen wichtig, um konkrete Rechnungen durchf¨ uhren zu k¨onnen. Kapitel 4 steht dann unter dem Motto Wie ver¨ andern ” Informationen Wahrscheinlichkeiten?“. Das klingt abstrakt, es handelt sich aber um einen Vorgang, auf den uns die Evolution gut vorbereitet hat; er ist im Gehirn quasi fest verdrahtet. Der Spezialfall, dass Informationen keine Auswirkungen haben, ist dabei besonders wichtig, er f¨ uhrt zum Begriff der Unabh¨ angigkeit. In den anschließenden Kapiteln, in Kapitel 5 und in Kapitel 6 , besch¨ aftigen wir uns mit zwei besonders wichtigen Klassen von Wahrscheinlichkeitsr¨ aumen: Mit der Binomialverteilung und mit der Exponentialverteilung. Es geht dabei ¨ zum ersten Mal um die Uberlagerung“ von vielen Zufallseinfl¨ ussen und um die ” Frage, wie man beim Warten den Begriff ged¨ achtnislos“ pr¨ azisieren kann und ” welche Schlussfolgerungen dann daraus gezogen werden k¨ onnen. Danach beginnen die Untersuchungen zum Verhalten des Zufalls im Unendlichen. Kapitel 7 hat dabei vorbereitenden Charakter, dort wird pr¨ azisiert, welche Konvergenzbegriffe im Folgenden eine Rolle spielen werden. In dem recht umfangreichen Kapitel 8 stehen dann die wichtigsten S¨ atze, mit denen das Konvergenzverhalten beschrieben wird. Alle sagen aus, dass der Zufallseinfluss bei ¨ der Uberlagerung von vielen Einzelergebnissen mehr und mehr verschwindet, doch je nach Situation wird das unterschiedlich pr¨ azisiert. Eine ganz besondere Bedeutung hat dabei der zentrale Grenzwertsatz , in dem die universelle

xi Bedeutung der Gaußschen Glockenkurve bewiesen wird. Damit ist der wahrscheinlichkeitstheoretische Teil des Buches abgeschlossen, die verbleibenden vier Kapitel besch¨aftigen sich mit mathematischer Statistik . Vereinfacht kann man sagen: • In der Wahrscheinlichkeitstheorie sind die Wahrscheinlichkeitsr¨ aume gegeben, und daraus leitet man Prognosen ab. • In der Statistik ist der gerade relevante Wahrscheinlichkeitsraum unbekannt, man weiß nur, dass er zu einer speziellen Klasse geh¨ ort. Nun wird eine Stichprobe genommen, und daraus sollen R¨ uckschl¨ usse auf diesen Raum gezogen und vielleicht auch Empfehlungen f¨ ur damit zusammenh¨ angende Entscheidungen gegeben werden. Kapitel 9 hat den Charakter einer Einf¨ uhrung in die neuen Fragestellungen: Welche Daten sind interessant, wie kann man sie visualisieren, welche Gr¨ oßen ¨ gestatten einen ersten Uberblick? Etwas formaler wird es in Kapitel 10 , in dem statistische Modelle als gen¨ ugend allgemeine Definition zur Behandlung von statistischen Fragestellungen eingef¨ uhrt werden. Es wird untersucht, was gute“ ” L¨osungen auszeichnet und wie man sie in vielen wichtigen F¨ allen konkret angeben kann. Danach, in Kapitel 11 , geht es darum, statistische Methoden zur Entscheidungshilfe heranzuziehen: Sollte man dieses Medikament freigeben?“, ” Ist es gerechtfertigt zu glauben, dass diese M¨ unze fair ist?“, usw. Das wird ” pr¨azisiert, und in vielen F¨allen kann man ein bestm¨ ogliches Verfahren vorschlagen. Den Schluss bildet Kapitel 12 , in dem so genannte parameter-unabh¨ angige Verfahren studiert werden. Damit werden Probleme behandelt, bei denen es nicht prim¨ar um Zahlen geht. (Wie stellt man zum Beispiel fest, ob die vorliegenden Ergebnisse mit einem ganz bestimmten Wahrscheinlichkeitsraum erzeugt wurden?) Damit sind wir noch nicht am Ende dieses Buches angelangt, es gibt noch einen Anhang. Er besteht aus mehreren Teilen, in denen an Sachverhalte aus anderen Bereichen der Mathematik erinnert wird, die in diesem Buch verwendet werden. Auch gibt es Tabellen, mit denen man – ohne erst mit Google-Hilfe im Internet suchen zu m¨ ussen – die hier entwickelten Methoden gleich an konkreten Beispielen behandeln kann. Manche werden in diesem Buch eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema Zufall“ vermissen. Die ist bewusst ausgespart worden. Erstens gibt ” es bis heute keine allgemein akzeptierte Antwort auf die Frage, was denn Zu” fall“ oder Wahrscheinlichkeit“ eigentlich sind, wenn man es ganz genau nimmt. ” Und zweitens ist eine solche Antwort f¨ ur das erfolgreiche Modellieren stochastischer Aspekte der Welt gar nicht erforderlich. Wichtig ist, dass die Voraussagen erfolgreich genutzt werden k¨onnen, und das wird von allen – von der Lottogesellschaft u ¨ber die Spielbankbetreiber bis zu den Versicherungsunternehmen und vielen anderen Anwendern – best¨atigt werden.

xii Was sollte man schon wissen, wenn man dieses Buch liest? Den meisten Untersuchungen wird man folgen k¨onnen, wenn man mit der in allen mathematischen Theorien verwendeten Sprache vertraut ist: Was sind Mengen, Teilmengen, Mengensysteme und so weiter? Elementare analytische Kenntnisse sind jedoch schon ab Kapitel 2 erforderlich: Wie differenziert man? Wie ist das Inteb gral a f (x) dx f¨ ur stetige Funktionen f definiert? ... Das wird u ¨blicher Weise in den letzten Jahren der Schule und den ersten Semestern der Universit¨ at behandelt, es wird hier vorausgesetzt. An wenigen Stellen werden auch weitergehende Begriffe und Resulate aus der Analysis wichtig: Supremum und Infimum, Feinheiten der Reihenrechnung, der Transformationssatz f¨ ur Gebietsintegrale. Das Wichtigste dazu ist im Anhang zusammengestellt. Eine entsprechende Bemerkung ist zu weiteren Voraussetzungen zu machen: Es ist eher von Vorteil, wenn man sich in Maß- und Integrationstheorie und bei euklidischen R¨aumen auskennt. Zwingend notwendig ist es nicht, und die wichtigsten Tatsachen sind im Anhang zu finden. Die Internetseite zum Buch. Unter der Adresse http://www.springer-spektrum.de/Buch/978-3-8348-1939-0/Elementare-Stochastik.html

wird eine Internetseite zu diesem Buch verf¨ ugbar sein. Dort findet man erg¨ anzende Materialien: ¨ • Die L¨osungen ausgew¨ahlter Ubungsaufgaben. • Ein Computerprogramm, mit dem sich einige der hier behandelten R¨ aume und Tatsachen visualisieren lassen (s.u.). • Einige weitere Erg¨anzungen, zum Beispiel Filme zur Illustration der winzigen Wahrscheinlichkeiten, sechs Richtige im Lotto zu haben. → Homepage!

→ Programm!

Im Buch sind diejenigen Stellen, zu denen es erg¨ anzendes Material gibt, am Rand wie nebenstehend gekennzeichnet. ¨ Das Computerprogramm zum Buch. Ich bin der festen Uberzeugung, dass man abstrakt definierte Wahrscheinlichkeitsr¨ aume und theoretische Ergebnisse durch Simulationen illustrieren sollte, um sie besser zu verstehen. Deswegen wird auf der oben angegebenen Internetseite ein Computerprogramm zum Buch zur Verf¨ ugung gestellt. (Mehr dazu im Anhang auf Seite 369). An den entsprechenden Stellen in den zw¨ olf Kapiteln findet man Hinweise, ob es zum gerade behandelten Thema eine Erg¨ anzung durch Simulation und Visualisierung gibt. Am Rand findet man dann jeweils (so wie hier) eine entsprechende Notiz. Besonderheiten Wie bei anderen B¨ uchern, die in ein mathematisches Teilgebiet einf¨ uhren, werden Kenner auch hier kaum etwas f¨ ur sie Neues finden. Wichtig waren mir eine ausf¨ uhrliche Motivation der grundlegenden Ideen sowie eine mathematisch belastbare und gleichzeitig verst¨andliche Herleitung der wichtigsten Resultate. Die Diskussionen mit meinem studentischen Team waren bei der Umsetzung dieser Idee eine große Hilfe.

xiii Ich m¨ochte zwei Ergebnisse hervorheben, die man in anderen Lehrb¨ uchern zur elementaren Stochastik nicht findet. Erstens enth¨ alt das Buch einen neuen Beweis zu einem u ¨berraschenden Ergebnis u ¨ber σ-Algebren (siehe Anhang, Seite 354), und zweitens zeigen wir, dass das zweite Lemma von Borel-Cantelli schon unter der Voraussetzung der paarweisen Unabh¨ angigkeit der betrachteten Ereignisse richtig ist (Abschnitt 8.6): Das ist u ¨berraschend, denn im Standard” beweis“ spielt die Unabh¨angigkeit der gesamten Familie eine wichtige Rolle. Wie sollten Sie dieses Buch lesen? Es richtet sich an verschiedene Zielgruppen: • An interessierente Nicht-Mathematiker (Obersch¨ uler; Wissenschaftler aus Bereichen, f¨ ur die Mathematik ein wichtiges Hilfsmittel darstellt; Mathematik-affine Laien.) • Studierende, die die wichtigsten Ideen der Stochastik kennen lernen wollen. • Studierende, die es ganz genau wissen wollen. Zum Beispiel deswegen, weil sie das Gebiet faszinierend finden und sich weiter darin vertiefen wollen. Oder deswegen, weil sie die stochastischen Aspekte ihres Lieblingsgebiets besser verstehen m¨ochten. Alles gleichzeitig kann ein einziger Text sicher nicht leisten. Ich habe versucht, den Anspr¨ uchen der verschiedenen Zielgruppen dadurch gerecht zu werden, dass an verschiedenen Stellen Hinweise dazu gegeben werden, welche Teile man sp¨ater lesen oder ganz weglassen kann. Die dritte Gruppe wird sicher alles systematisch durcharbeiten wollen, wobei es der pers¨ onlichen Vorliebe u ¨berlassen bleibt, ob man sich die eher technischen Abschnitte (zum Beispiel 1.4 bis 1.6) gleich zumutet oder erst dann, wenn die entsprechenden Ergebnisse gebraucht werden. Alle anderen sollten sich die einzelnen Abschnitte bis zu ihrer pers¨ onlichen Belastbarkeitsgrenze vornehmen, rechtzeitig vor Frustrationsbeginn zum n¨achsten Abschnitt u oglichst ¨bergehen, bei Bedarf das Fehlende nachlesen und m¨ ¨ viele Ubungsaufgaben selbstst¨andig l¨osen. Ich w¨ unsche allen viel Erfolg beim Einarbeiten in die Geheimnisse der Stochastik! Ehrhard Behrends Berlin, im Juni 2012

INHALTSVERZEICHNIS

xvi

4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 4.1 Bedingte Wahrscheinlichkeiten: die Idee . . 4.2 Der Satz von Bayes . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Unabh¨angigkeit f¨ ur mehr als zwei Ereignisse 4.4 Unabh¨angigkeit f¨ ur Zufallsvariable . . . . . 4.5 Der Klonsatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . ” 4.6 Folgerungen aus der Unabh¨angigkeit . . . . 4.7 Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 4.8 Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . .

III

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Binomial- und Exponentialverteilung

115 116 122 128 134 141 146 156 157

163

5 Die 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Binomialverteilung Binomialverteilung: Definition . . . . . . . . . . Hypergeometrische Verteilung: Approximation Approximation durch die Poissonverteilung . . Der Satz von de Moivre-Laplace . . . . . . . . Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .

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165 166 169 171 175 185 186

6 Die 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Exponentialverteilung Ged¨achtnislose Wartezeiten . . . . . . . . . Kombinationen ged¨achtnisloser Wartezeiten Diskrete ged¨achtnislose Wartezeiten . . . . Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . .

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189 189 194 200 203 204

IV

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Der Zufall verschwindet im Unendlichen

7 Konvergenz von Zufallsvariablen 7.1 Konvergenz in Wahrscheinlichkeit . 7.2 Fast sicher punktweise Konvergenz 7.3 Konvergenz in Verteilung . . . . . 7.4 Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . ¨ 7.5 Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . 8 Die 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8

207

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209 210 211 213 219 220

Gesetze der großen Zahlen Die Lemmata von Borel-Cantelli . . . . Das schwache Gesetz der großen Zahlen Das starke Gesetz der großen Zahlen . . Der zentrale Grenzwertsatz . . . . . . . Der Satz vom iterierten Logarithmus . . Erg¨anzungen . . . . . . . . . . . . . . . Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . ¨ Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . .

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223 224 230 237 244 255 260 263 265

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INHALTSVERZEICHNIS

V

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Grundlagen der Statistik

267

9 Beschreibende Statistik 9.1 Statistische Daten . . . . . . . . . . . . . 9.2 Visualisierung von statistischen Daten . . 9.3 Stichprobenmittel und Stichprobenvarianz 9.4 Korrelation und Regression . . . . . . . . 9.5 Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . . ¨ 9.6 Ubungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . .

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271 271 272 275 279 284 285

10 Sch¨ atzen 10.1 Das statistische Modell, Sch¨atzfunktionen 10.2 G¨ uteeigenschaften f¨ ur Sch¨atzer . . . . . . 10.3 Beispiele f¨ ur Punktsch¨atzer . . . . . . . . 10.4 Konfidenzbereiche . . . . . . . . . . . . . 10.5 Konfidenzintervalle: Normalverteilung . . 10.6 Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . . . . . . ¨ . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Ubungsaufgaben

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289 290 293 300 304 307 314 315

11 Entscheiden 11.1 Hypothesen . . . . . . . . 11.2 Testfunktionen . . . . . . 11.3 Neyman-Pearson-Theorie 11.4 Verst¨andnisfragen . . . . . ¨ 11.5 Ubungsaufgaben . . . . .

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317 317 320 326 333 334

12 Nichtparametrische Statistik 12.1 Der χ2 -Anpassungstest . . . . . . 12.2 Der χ2 -Test auf Unabh¨angigkeit 12.3 Rangtests . . . . . . . . . . . . . 12.4 Der Kolmogoroff-Smirnoff-Test . 12.5 Verst¨andnisfragen . . . . . . . . . ¨ 12.6 Ubungsaufgaben . . . . . . . . .

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337 338 341 342 346 349 350

Anh¨ ange Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . Vereinigungen von σ-Algebren . . . . Maßtheorie . . . . . . . . . . . . . . Das Skalarprodukt auf dem R n . . . Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Computerprogramme zum Buch Literatur . . . . . . . . . . . . . . .

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353 353 354 356 359 359 362 369 370

Register

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371