Einfluss des Klassizismus und der Romantik auf die Architektur Arolsens

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Author: Kristian Hummel
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Elke Riemer-Buddecke

Einfluss des Klassizismus und der Romantik auf die Architektur Arolsens

Wissenschaftlicher Aufsatz

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Elke Riemer-Buddecke

Einfluss des Klassizismus und der Romantik auf die Architektur Arolsens Begriffe Klassizismus und Romantik in der Architektur sind eigentlich problematische Begriffe. Keinesfalls zeitlich aufeinanderfolgende Kunstepochen, sondern gleichzeitig zuerst in England und dann auch auf dem Kontinent auftauchende, rückwärtsgewandte Kunststile, geboren aus der Sehnsucht nach einer anderen als der gegenwärtigen, nach einer verklärten vergangenen Zeit. Die englischen Begriffe von Classical Revival (Wiederentdeckung der Antike) und Gothic Revival (Wiederentdeckung der Gotik) verdeutlichen dies mehr als die deutschen Begriffe Klassizismus und Romantik. Letztlich sind beides Phänomene, denen eine romantische Haltung vorausgeht, die stets ein Ausdruck der Sehnsucht, d.h. einer Ablehnung der Gegenwart ist.1 Abgelehnt wird vieles: das Überladene des Barock, das Frivole des Rokoko, das phantasielos Nüchterne der Aufklärung, die schönheitsfeindliche Epoche der Industrialisierung und Kommerzialisierung.2 Nikolaus Pevsner sprach deshalb sogar von einem romantisch-klassizistischen Zeitalter, das in der griechischen Antike wie im gotischen Mittelalter den Ausweg und das Heilmittel gegen die Oberflächlichkeit, die Frivolität und Dekadenz des achtzehnten Jahrhunderts3 sah. Gotik- und Antikenbegeisterung gab es also gleichzeitig! Klaus Lankheit problematisierte beide Begriffe: Klassizismus müsste sich von Klassik ableiten, doch unter Klassik verstehe die Kunstgeschichte etwas anderes als die Literatur. Klassik als literarischer Begriff sei auf die Blütezeit deutscher Literatur bezogen, in der so namhafte Dichter wie Goethe, Schiller, Wieland; Herder, Hölderlin, Kleist, Moritz etc. wirkten. Klassik im kunstgeschichtlichen Sinne meine dagegen die Phase der Antike vom 6./5. Jahrhundert vor Christus, das Zeitalter des Perikles, als zentrale Bauten der Akropolis entstanden. Ihr Formengut habe jedoch nie zu wirken aufgehört, eigentlich in keiner nachfolgenden Epoche, wenn auch modifiziert, also erweitert und verändert. Insofern seien viele spätere Kunstwerke, in Malerei, Bildhauerei und Architektur gleichwohl, eigentlich klassizistisch. Die Endung ismus sei prinzipiell als Anlehnung bzw. Nachahmung bereits vorangegangenen Formengutes zu verstehen, bei Klassizismus an das der griechischen Klassik. Man nennt jeden Stil klassizistisch, der die Klassik zum Dogma erhebt, bemerkte Lankheit.4 Er verwies zu Recht darauf, dass es in der abendländischen Kunst zahlreiche Klassizismen gibt.5 Längst sei man z.B. dazu übergegangen, die römische Kunst, die das griechische Formengut, vor allem in Skulptur und Architektur, kopierte und so die griechische Kunst weithin bekannt machte, trotz ihrer innovativen Ingenieursleistungen und ihres eher realpolitischen Zugriffs auf die Kunst auch als Klassizismus zu bezeichnen (als Augusteischen Klassizismus). Schon unter Hadrian habe sich 1

Nikolaus Pevsner: Europäische Architektur, Prestel-Verlag München 1967, S. 386. Ebd. 3 Ebd., S. 399. 4 Klaus Lankheit: Revolution und Restauration 1785-1855, Kapitel Die Phasen, Dumont Taschenbücher, Köln 1965, S. 16. 5 Ebd. 2

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anschließend eine Art Neo-Klassizismus entwickelt. Das Mittelalter habe nie aufgehört, sich der Formen der römischen Antike zu bedienen, sehr deutlich die karolingische Epoche, die Hochromanik auch in Bogen- und Säulenkonstruktionen und selbst in der Gotik gab es noch Klassizismen. Die Renaissance, übersetzt: Wiedergeburt der Antike, griff umfassend und programmatisch auf die antike Formensprache zurück, allerdings in dem Irrtum, dass sie damit die griechische Antike wiederbelebe. In Wahrheit kannte sie diese nur aus der römischen Kopie. Selbst das Barockzeitalter war in vielem klassizistisch, so widersprüchlich dies auch klingen mag. Absolutistische Großmachtansprüche wurden in klassizistischer Formensprache ausgedrückt.6 Wenn man z.B. von französischer Klassik statt von französischem Barock spricht, ist das historisch eigentlich nicht korrekt, obwohl es sich so eingebürgert hat. Gemeint ist, dass die Franzosen mehr als die Italiener oder Deutschen nie antike Maße und Formen aus den Augen verloren. Aber auch so gilt: kein barockes Schloss ohne Anleihen an die Antike, selbst wenn dessen prunkvolle, unruhige, dynamische Gestaltung weitgehend von deren klarer, harmonischer und funktioneller Tektonik abweicht. Offizielle Architektur und Bildkunst in der ganzen Welt blieben, so Klaus Lankheit, bis ins 20. Jahrhundert klassizistisch.7 Durch Andrea Palladio (1508-1580, eigentlich Andrea di Piero della Gondola), den berühmtesten Hochrenaissance-Architekten, dessen theoretische Schriften sich bis in die USA verbreiteten, wurde die antike Baukunst zum absoluten Vorbild und führenden Stilprinzip; der nach ihm benannte Palladianismus beeinflusste immens die dem Klassizismus verpflichtete Architektur in West- und Nordeuropa, Großbritannien und in den USA, selbst Russland, sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein, betrachtet man die monumentalen, von Größenwahn getriebenen Machtbauten und Projekte des Nationalsozialismus und Sozialismus sowjetischer Prägung im Neo-Klassizismus, Ausdruck von Megalomanie. Entdeckt wurde die Eignung klassizistischen Formengutes für die große Politik, für Machtdemonstration, für revolutionäre, restaurative, demokratische, diktatorische und imperialistische Zwecke gleichwohl. Dennoch gibt es einen speziellen Klassizismus, einen Klassizismus im engeren Sinne, vor allem in der Skulptur und in der Architektur, der in angelsächsischen und romanischen Ländern Neoklassizismus (Classical Revival) genannt wird8 und zuerst in England aufblühte. Er wurde wesentlich vom Gedankengut der Aufklärung und der Klassik bestimmt und prägte das späte 18. und 19. Jahrhundert, getragen von einer mit der eigenen Zeit hadernden Sehnsucht nach südlicher Klarheit und Schönheit, nach der Harmonie von Kunst, Mensch und Natur, wie man sie in Italien und Griechenland als lebendiges Erbe der Antike vorzufinden wähnte. Italien wurde das Land der Sehnsucht schlechthin, für Literaten, Künstler und Architekten gleichwohl. Kein Roman ohne nach Italien wandernde Zentralfiguren. Kein Künstler, den es nicht nach Italien zog. Arolsens klassizistischen Bildhauer Christian Daniel Rauch z.B., Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ebenfalls. Auch den Waldecker Fürsten Carl August Friedrich und insbesondere seinen Sohn Prinz Christian August (1744-1798), letzteren sogar fünfmal und ausgedehnt. Er ließ sich wie seine Eltern, unter denen Bildung und Kultur 6

Vgl. Lankheit, S. 17. Ebd. 8 Ebd. 7

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aufblühten und aufklärerisches Gedankengut nach Waldeck gelangte9, und seine Brüder Friedrich Carl August und Georg von dem Antiken-Bazillus anstecken10, lebte für die Antike und ihre Ideale, besuchte die antiken Ausgrabungsstätten am Golf von Neapel mehrfach,11 sammelte antike Preziosen12, klassizistische Gemälde, las antike Romane und Philosophen, das Altertum idealisierende Schriften und Chroniken, erwarb wissenschaftliche Fundberichte zu antiken Ruinen und Ausgrabungsstätten. Archäologie wurde zur Modewissenschaft, Pompeji und das Herculaneum wurden ausgegraben und Antikes wurde so im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar.13 Christian hatte nur ständig Geldprobleme, auch Schulden, die nach seinem Tod von seiner Familie durch Versteigerung seiner Besitztümer beglichen werden mussten. Zum Glück blieb dabei aber seine Antikensammlung fast unversehrt und gelangte so nach Arolsen.14 Seine Bronze-Statuetten wurden sogar im Schloss aufgestellt, anderes wurde in der Hofbibliothek aufbewahrt und ist dort teils heute noch zu bewundern. Die Sammlung wurde berühmt, etliche Museen in Deutschland ließen sich sogar Kopien anfertigen. 1787 begegnete Prinz Christian Goethe und dem Maler Wilhelm Heinrich Tischbein (1751-1829) in Rom, reiste mit beiden eine Zeit lang zusammen nach Neapel zu den Ausgrabungsstätten, beauftragte den mit ihm befreundeten Bildhauer Alexander Trippel, eine Büste von Goethe anzufertigen (1789), die man noch heute im Schloss bewundern kann und die als eine Art Bestseller vielfach kopiert wurde.15 Goethe hat sich durch Trippels Idealisierung geschmeichelt gefühlt, Herder, selbst 1790 porträtiert von Trippel16, reagierte dagegen pikiert auf die viel zu schöne Goethe-Darstellung, Goethe sehe wie ein junger Apollo aus und seine eigene Büste zeige ihn als trockenen Alten.17 Angelika Kaufmann, die einzige weibliche Malerin des Klassizismus, gehörte ebenfalls zu Prinz Christians Freundeskreis. Goethe überschrieb seine Italienische Reise, die er zwischen 1786-1788 unternahm, aber erst zwischen 1813 und 1817 in Form eines Reisetagebuches verewigte, mit: Et in Arcadia ego (Auch ich war in Arkadien). In Rom hatte er fast nur den Blick für Zeugnisse der Antike, in 9

Seine Mutter Christiane zu Waldeck und Pyrmont war eine hochgebildete und belesene Frau, der die Ausbildung ihrer Kinder am Herzen lag und die dafür hochqualifizierte Erzieher engagierte. Vgl. Sandra Brinker-von der Heyde/Annekatrin Inder/Marie Isabelle Vogel, Jürgen Wolf: Frühneuzeitliche Bibliotheken als Zentrum des europäischen Kulturtransfers, Hirzel , 10 Vgl. Claudia Scholtz, in: Antikes Leben. Ideal und Wirklichkeit, Einleitung, Imhof Verlag Petersberg 2009, S. 7. 11 Vgl. Birgit Kümmel: Zur Geschichte der ‚gesammelten Antike‘ des Prinzen Christian August von Waldeck und Pyrmont, in: Antikes Leben, S. 234. 12 Statuetten, Votivhände, Himmelsglobus, Vasen, Kandelaber etc., dazu zeitgenössische Gemälde von Jacob Philipp Hackert, Angelica Kaufmann, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein etc., s. Birgit Kümmel: Zur Geschichte der ‚gesammelten Antike‘ des Prinzen Christian August von Waldeck und Pyrmont, in: Antikes Leben, S. 233-258. 13 Vgl. Jürgen Wolf: Die Antike als ‚historische Gegenwart‘ in Geschichtswerken der Hofbibliothek aus dem 13. bis 19. Jahrhundert, in: Antikes Leben. Ideal und Wirklichkeit, Petersberg 2009, S. 34. Prinz Christian ließ sich aber auch Fälschungen andrehen (s. Jürgen Wolf: Die Suche nach ‚edlem Altertum‘. Auf den Spuren von Johann Wolfgang von Goethe und Prinz Christian von Waldeck, S. 130, in: Waldeckischer Landeskalender 2009, S. 123131). 14 Vgl. Jürgen Wolf, Die Suche nach edlem Altertum…, S. 129. 15 Abgebildet auf Seite 203 in: Antikes Leben…, 1789, Bad Arolsen, Stiftung des Fürstlichen Hauses Waldeck und Pyrmont. 16 Abgebildet auf Seite 204 in: Antikes Leben…. Die Büste befindet sich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, Klassik Stiftung Weimar. 17 Vgl. ebd., S. 128.

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ihnen sah er die vollkommene Identität von Natur- und Kunst. Johann Wilhelm Heinrich Tischbein, wie seine in Arolsen tätigen Cousins Spross der berühmten Künstlerfamilie Tischbein, begleitete und malte ihn.18 In seinem berühmten Bildungs-und Entwicklungsroman Wilhelm Meister ließ er die geheimnisvolle Mignon singen: Nur wer die Sehnsucht kennt,/Weiß, was ich leide, allein und abgetrennt/Von aller Freude…19 Gemeint war Italien, das Land, wo die Zitronen blühn, wo im dunklen Laub die Goldorangen glühn, die Dächer der Häuser auf Säulen ruhen und Marmorbilder in den Gärten stehen.20 Eine Liebeserklärung an ein Land, das die antike Tradition wahrte. Aber nicht nur Italien war das Sehnsuchtsziel deutscher Künstler und Schriftsteller, auch Griechenland wurde es zunehmend. Prinz Christian hatte sogar eine längere Griechenlandreise geplant und versuchte vergeblich, Goethe dazu zu überreden. Ähnlich empfand Friedrich Hölderlin (1770-1848), der hochbegabte unglückliche Dichter, der klassisches und romantisches Gedankengut wie kaum ein anderer verknüpft, aber 30 Jahre als geistig Verwirrter in einem Tübinger Turm vor der Welt weggesperrt wurde. Er hat an seiner Zeit, dem beginnenden industriellen Zeitalter, und Deutschland zutiefst gelitten. Er lässt seinen Helden Hyperion in seinem gleichnamigen Roman Hyperion (1797-99) im kalten Norden fast erfrieren und sich nach den Hellenen, nach Griechenland sehnen; Hyperion nennt in einem Brief (der Roman ist wie Goethes Werther ein Briefroman) die Deutschen Barbaren…dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes, deren Dichter und Künstler als Bettler und Fremdlinge im eigenen Hause auf mit Salz besätem Boden, der nimmer einen Grashalm treibe, lebten. Kein Volk also, das das Schöne liebe, bei dem nichts gedeihe, weil die göttliche Natur nicht geachtet werde, das Leben schal und sorgenvoll und übervoll von kalter stummer Zwietracht sei, die den Genius verschmähe und alle Götter fliehen lasse. Deshalb wolle er, Hyperion, aus Deutschland wieder fort, denn er suche unter diesem Volke nichts mehr, er sei genug gekränkt, von unerbittlichen Beleidigungen, wolle nicht, dass seine Seele vollends unter solchen Menschen verblute.21 Bezeichnend ist Hölderlins Verklärung Griechenlands als Ursprungsland antiker Kunst, die sich im sogenannten Dorismus oder Greek Revival, der Vorliebe für das Dorische als schlichteste antike Tempelordnung (Parthenon auf der Akropolis z.B., ohne Säulenbasis und mit ganz schlichtem Kapitell aus Abakus und Echinus), niederschlagen wird. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) stellte in seinem epochemachenden Werk von 1755 Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst sein Schönheitsideal von der stillen Einfalt und edlen Größe, das er in der griechischen Antike verkörpert sah, dem Überladenen des Barock und Rokoko gegenüber. Er betonte die Einmaligkeit und Überlegenheit der 18

Gemälde: Goethe in der römischen Campagna, Rom 1787, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut).

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Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, Artemis-Verlag, Zürich 1962, S. 258. Ebd., S. 155. 21 Friedrich Hölderlin: Hyperion, 2. Band, 2.Buch, S. 636 f, in: Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke, hg. von Friedrich Beißner, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/Main, Wien, Zürich 1965. 20

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griechischen Kunst und forderte deren kompromisslose Nachahmung (was Hölderlin zu weit ging). Zwar kannte Winckelmann in Wahrheit nur die römischen Kopien der griechischen Kunst, aber er bewirkte mit seiner Begeisterung für die griechische Antike und die perikleische Demokratie, die in seinen Augen dem römischen Kaiser-Despotismus überlegen war, dass sich ein Klassizismus entwickelte, der die griechische Antike gegenüber der römischen bevorzugte. So erfasste ab der Wende zum 19. Jahrhundert das puristische Greek Revival alle Bereiche des Bauens. Man wollte eine Architektur schaffen, die dem Ideal des Archaischen, der reinen, ursprünglichen Form entsprach, und baute betont schlicht, auf Kuben reduziert. Wenig später lief jedoch wieder alles auf eine Mischung der Stile hinaus, auch bezeichnet als eklektischer Spätklassizismus (1830-1850). Winckelmann hat allerdings nicht vorausgesehen, dass weder das griechische noch das römische Erbe in der Baukunst authentisch in nördlichen Ländern Fuß fassen konnte und trotz aller Nachahmungsabsichten eigene Wege in der Architektur beschritten wurden, weil die Bedingungen in den nördlichen Ländern, z.B. die Klimaverhältnisse, andere waren. Auch nicht, mit welchen zeitlichen Verschiebungen der Klassizismus in der Baukunst in deutschen Städten und Regionen ankam, wie weitgehend er sich im 19. Jahrhundert mit anderen Stilen der Renaissance und des Barock mischte und schließlich landesweit in einen Stilpluralismus mündete, den man Historismus, im späten 19. Jahrhundert auch Gründerzeitstil nennt. Man bediente sich aus damals weit verbreiteten Architekturbüchern schließlich fast beliebig diverser vorangegangener Stile für alle Bauten, sakrale und profane des öffentlichen Lebens gleichwohl, für Kirchen (überwiegend neugotisch, eine wahre Flut!), Denkmäler (sehr beliebt im 19. Jahrhundert!), für Museen, Gerichts-, Post- und Verwaltungsgebäude, Rathäuser, Schlösser, Gartenpagoden, Privathäuser (bürgerliche Villen), Hotels, für Wassertürme, Bahnhöfe, ja selbst für Grabstelen. Die Stile, ihrer ursprünglichen tektonischen Funktion beraubt, verkamen nicht selten zum Dekor, oft an der Grenze schlechten Geschmackes, und die Herausforderungen des Industriellen Zeitalters mit seinen unerhörten technischen Innovationen fanden höchstens in der fabrikmäßigen Produktion der Baustoffe und Bauteile und der ausgefeilten modernen Technik (typisch für die Schlösser von Ludwig II. wie Neuschwanstein und Herrenchiemsee) ihren Niederschlag, nicht aber in einem neuen Stil. Das gelang erst dem Jugendstil und später dem Bauhaus. Und so wird in Bad Arolsen und im Waldecker Land alles mit etwas Verspätung ankommen: Früher Klassizismus im Innenraum der Stadtkirche, bei den Südflügeln des Schreiberschen Hauses, beim Goldenen Hochzeitshaus, eklektischer Neoklassizismus beim Neuen Schloss, dem alten Fürstenhof, dem Amtsgericht etc. und Romantik, meist neogotisch (neugotisch), bei der katholischen Kirche, beim früheren Krankenhaus sowie beim Waldeckschen Diakonissenhaus, selbst bei den Kasernenbauten, Neorenaissance beim ehemaligen Hotel Fürst Friedrich etc..22 Die Arolser Bauten des 19. Jahrhunderts würde man vor allem als Zeugnisse des 22

Das ehemalige Rathaus in Arolsen-Landau an der Westseite des Marktplatzes wurde schon 1752 unter Forstsekretär Hen. Chr. Rothe erbaut. (Vgl. Robert Wetekam: Landau. Die Geschichte einer Waldeckischen Festungsstadt, 1964, Selbstverlag der Stadt Landau, S. 123 und 153). Man könnte es als erstes Beispiel frühklassizistischen Einflusses werten, in jedem Fall als Zeugnis des Übergangs vom Barock/Rokoko zum Klassizismus.

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