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Author: Jakob Pfeiffer
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Dr. Karl Leopold Schubert:

Q O ETHE U N D DIE N A T U R Im G o e th e ja h r 1949 ist es w ohl am- P latz, die G ru n d lag e n und G ru n d le h re n von G oethes n atu rw issen sch aftlich er W e lt­ anschauung einm al k la rz u le g e n ; dies w ird in dem folgenden A u f­ satz in a lle r gebotenen K ürze versucht. (Anm. d er Schriftleitung.)

G oethes V erhältnis zur N atu r fußt, w ie man allgem ein erkannt hat, auf S p i n o z a s L ehre und System . AVas lehrt nun Spinoza über die N atur? Seine H aupt- und G rundlehre ist die G leichsetzung von N atur, Sub­ stanz und G ott (deus sive substantia siv e natura); es gibt nach Spinoza überhaupt nichts außer der g ö ttlich en N atur-Substanz. G ott ist die schaf­ fende N atur selbst (natura naturans), die W elt aber d ie geschaffene N atur (natura naturata); diese ist gew isserm aßen nur ein Ausschnitt aus jen er unci w ir unterscheiden demnach eine N atur im w eiteren und im engeren Sinn, oder anders ausgedrückt, eine göttliche und eine m enschliche N atur. D en n nach Spinoza b e s t e h t die göttliche N atur-Substanz aus unendlich vielen A ttribu ten (constat infinitis attributes); aus diesen unzähligen A t­ tributen oder E rscheinungsw eisen der Substanz greift nun der menschliche In tellek t zw ei heraus, näm lich A usdehnun g (extensio) uncl D en k en (cogitatio): D er Mensch sieht G o t t a l s N a t u r (im engeren, m enschlichen Sinn); die N atur, d ie W elt in Raum und Zeit, ist ein A usschnitt oder Bruch­ teil Gottes. D as muß m an w issen , um G oethes S tellu n g versteh en zu können. Tin ..Faust“ gibt der W eltgeist, T räger der natura naturans, der im Zeichen des M akrokosm us angerufen w ird, überhaupt kein e A ntw ort; und bloß der Erdgeist, der T räger des M ikrokosm us, steht F austen R ede; doch selbst da w indet sich dieser vor clem riesigen G eist der Erde w ie „ein furchtsam w eggekrüm m ter W urm “. F austs tatsächliche E rfahrungsw elt ist ja w ied er nur ein k lein er A usschnitt aus der a llseitigen , um fassenden Erfahrung des Erdgeistes selbst, ein A usschnitt aus dem A usschnitt gew isserm aßen: d ir W elt des M enschen gleichsam nur ein Zipfl von G ottes lebendigem KleicL So steh t also ü b e r dem M enschen, über cler „N atur des M enschen“ im m er noch die unendlich w e ite r e „Natur G ottes”, die ihm letzten Endes und streng' genom m en ew ig unabsehbare, unabgehbare, unbetretbare ,,G o t t - N a t u r in all ihrer erhabenen Größe, W eite und T iefe, F ü lle uncl G renzenlosigkeit. Und dam it scheint cler „P antheism us“ Spinozas und G oethes — eigentlich also ein P ankosm ism us, ein „höflicher Atheism us", w ie Schopenhauer sagt! — trotz seiner m onistischen E in g leisig k eit doch w ied eru m d em „Theism us (G ott-W elt-D u alism us), w ie er in dem zw e ig leisig e n dualistischen System eines Im m anuel K ant zum sublim sten Ausdruck kom m t, zum indest an ge­ nähert. So k önnen w ir versteh en, daß schon H erder in seiner Schrift „Gott, ein ige Gespräche über Spinozas S ystem “ sich bem üht hat, clen Spinozism us als ein e A rt T heism us zu deuten; denn vom „P an-T heism us“ sei ja das „Pan“ (das A ll) tatsächlich eb en n ie ganz zu fassen! Und so laufe eben das G anze w ied er auf ein W ortgefecht hinaus. „G ott“ b leib t für den M enschen so oder so unfaßbar, unnahbar, ein ew iges R ätsel. D iese Erkenntnis ist nun höchst w ichtig, ja a u s s c h la g g e b e n d für G oethes S tellu n g zum Problem : N a ­ tur uncl Gott. D en n nie artet sein Pantheism us, sein „G ott-N atur"-G laube 154

download in A theism us uncl M aterialism us,unterinwww.biologiezentrum.at G o ttlosigk eit und das heißt in G eist­ losigk eit und reine Stoff Verehrung aus. Immer und ü b erall b leib t für G oethes Naturforschen ein letzter, irrationaler R estbestand, ist und b leib t in oder über allem N aturalism us ein gottgerichteter H um anism us und dam it echte und tiefe R elig io sitä t — Ehrfurcht und Schw eigen. „Gott w ird ihnen, beson­ ders denen, die ihn täglich im M unde führen, zu einer Phrase, zu einem bloßen N am en, w o b ei sie sich auch gar nichts m ehr denken. W ären sie aber durchdrungen von sein er G röße, sie w ürden verstum m en uncl ihn vor V er­ ehrung nicht nennen m ögen.1' D esh a lb heißt es schon im U rfaust (1773 bis 1775) im R eligion sgesp räch : „G efühl ist alles, N am e Schall und Rauch, um ­ nebelnd H im m els G lu t.“ U nd in der M arienbader E legie (1823) hat der Dichter es in die unsterblichen W orte gefaßt: ..In u n seres B usens R eine w ogt ein Streben, Sich einem höhern, reinern U nb ekannten Aus D a n k b a rk eit fr e iw illig hinzugeben, E nträtselnd sich den ew ig U ngenannten: W ir h eiß en ’s: f r o m m s e i n . “ So erst w ird es verständlich, w as der angebliche „große H e id e “ einm al zum K anzler M üller gevsagt hat: „W er ist denn noch heu tzu tage ein, Christ, w ie Christus ihn haben w o llte? Ich a llein vielleicht, ob ihr mich gleich für einen H eid en h a lte t!“ G oethe spricht hier von seinem T at-C hristentum und echten M enschentum ! U nd er m eint geradezu: „W ir sin d in folge unserer fortschreitenden K ultur fähig gew orden, zur Q u elle zurückzukehren und das C h r i s t e n t u m i n s e i n e r Re i n h e i t zu fassen.“ Nicht F aust, sondern M ephisto schlägt ja, „vorm K reuz die A ugen n ied er“ unfl selbst b ei diesem ist es nur ,,ein V orurteil" (Urfaust, Szene „L andstraße“). D ies muß imm er w ied er klar und offen gesagt sein, um M ißverständnissen vorzubeugen. Und erst so gerüstet w erd en w ir nun auch G oethes S tellu n g zur N atur in ihrer ganzen B reite und T iefe richtig erfassen können.

„G eradezu erschütternd“ findet der L iterarhistoriker Eduard E ngel in seinem Buch: „G oethe, der Mann und das W erk “ jen e E intragung schon des Z w an zigjäh rigen in sein Straßburger Tagebuch: „W ir erkennen G ott nur durch d ie N atur. A lles, w as ist, gehört n otw en d ig zum W esen G ottes, da G ott das ein zig S eien de ist. Von vornh erein ist also a l l e N a t u r f o r s c h u n g’ G o e t h e s u n d i m G e i s t e G o e t h e s r e l i g i ö s g e s t i m m t ! So sucht er „das G öttliche in herbis et lap id ib u s“, in den P flanzen und S tei­ nen (an Jacobi 9. Juni 1785). D ie Erde m it ihrer E ntw icklung ist ihm die aufgeschlagene Schöpfungs-B ibel. E ntw icklung — dies ist ja der Sinn der „Schöpfungstage1'! E n t w i c k l u n g ist alles. D as hat G oethe m it dem A u ge des Sehers, v ie le Jahre vor D arw in , geschaut, gew u ß t und gelehrt. So heißt es in sein en „V orträgen über eine allgem ein e E in leitu n g in die v e r ­ gleichende A n atom ie“ (1796): „D ies also hätten w ir gew onnen, un-,gescheut behaupten zu dürfen, daß alle vollkom m enen organischen N aturen, w orunter w ir Fische, A m phibien, V ögel, S äu getiere un d an del* Spitze der letzten den Menschen sehen, a lle nach einem U r b i 1 d e geform t seie n . “ und in den A phorism en aus dem Jahre 1807 steht der Satz: „D ie N atur k an n zu allem , w as sie machen w ill, nur in einer F o lg e gelangen: sie macht k ein e Sprünge. Sie könnte z. B. k ein P ferd machen, w en n nicht a lle ü b rigen T iere vorausgingen, auf d en en sie w ie auf einer L eiter bis zur Struktur des P ferdes herau fsteigt.“ So schreibt G oethe zw ei Jahre vor D arw in s G eburt! A ls G oethe im Jahre 1790 im Sande des U d o s von V enedig den Schaf155

download unter www.biologiezentrum.at schädel fand, da sah er seine E ntdeckung desi Z w ischenkieferknochens beim M enschen aus dem Jahre 1784, des In term axillar- oder „G oetheknochens“, en d gü ltig bestätigt; da leg te er m it seiner W irb elth eorie den G rund zur m odernen Schädelforschung. E in tiefer Blick in die N atur w ar seinem Seh er­ auge geglückt, m it der E rkenntnis, daß, w ie Virchow selber sagt, „die k n ö­ cherne K apsel, w elche das G ehirn um schließt, nach d em selb en G rundtypus zu sam m engesetzt und auf gebaut ist w ie die knöcherne Röhre, w elche das R ückenm ark um lagert, so daß je n e K apsel, der Schädel, eine höhere E n t­ faltu ng d ieser Röhre, des Rückgrates oder d er W irbelsäule, darstellt, gleich­ w ie das G ehirn selb st als eine höh ere und vollkom m enere E ntfaltung des R ückenm arkes zu betrachten ist.“ Ja selbst \ir c h o w s Z ellenlehre hat G oethe vorw eggen om m en ; in der E in leitu n g zur M orphologie (Bildung und U m ­ b ild u n g organischer N aturen, aus dem Jahre 1807) steh t der ahnungsvolle Satz: „Jedes L eben dige ist k ein E inzelnes, sondern eine M ehrheit: selbst insofern es uns als Individuu m erscheint, b leib t es doch ein e V ersam m lung von leb en d igen , selbstän d igen AVesen, die der Idee, der A nlage nach gleich sin d . .“ Sehr richtig bem erkt h iezu E duard E ngel: „H ätte G oethe schon dam als ein vervollk om m n etes M ikroskop gehabt, so h ätte er geschaut, w as er nur ahnen konnte, und hätte Virchows Entdeckung um m ehr als ein halbes Jahrhundert beschleunigt.“ Im Jahre 1786, im botanischen G arten zu P adua w ird G oethes „denken­ des Schauen“ (das er so auffallen d m it K ant gem ein hat! Kants „K ritik der reinen V ern un ft“ erschien 1781) und dann w ied eru m im öffentlichen G arten zu P alerm o am 17. A p ril 1787 se in e „alte G r ille “ einer Entdeckung der U rp f L a n z e zur inneren, schöpferischen Tat: „D er G arten des A lkinoos (N ausikaa: F ragm ent!) w ar verschw unden, ein W e l t g a r t e n hatte sieb au fgetan “ „H ier in dieser neu m ir en tgegen treten d en M annig­ fa ltig k eit w ird jen er G edanke im m er leb en d iger, daß man sich alle P fla n zen g esta lten v ielleich t aus e i n e r en tw ick eln könne “ D ie M e t a ­ m o r p h o s e d e r P f l a n z e n ! 1790 w ird sie endgültig festgelegt. H eute \st sie, als R ichtgedanke, G em eingut a ller G eb ild eten . K ein G eringerer als H elm holtz sagt darüber: „Auch diese A nschauungsw eise G oethes ist geg en ­ w ä rtig in der W issenschaft vollstän d ig eingebürgert und erfreut sich der a llg em ein en Zustim m ung der B otaniker, w en n auch über ein zeln e D e u tu n ­ gen g estritten w ird, z. B. ob der Sam en ein B latt oder ein Z w eig sei U nverkennbar stützt sich D arw in s T heorie von der U m bildung der organi­ schen F orm en vorzu g sw eise auf d ieselb en A n alogien und H om ologien im B a u e der T iere und Pflanzen, w elche der D ichter, als der erste Entdecker, zunächst nur in der Form ahnender Anschauung sein en ungläubigen Z eit­ genossen d arzu legen versucht h atte.“ Und so steigt denn w ahrhaftig die W u rzel und K rone unserer gesam ten m odernen Naturforschung und G ottN atur-V erehrun g aus jen em G edicht G oethes empor, in w elch em er sein e F orsch un gen poetisch zusam m engefaßt und der F reundin und L ebens­ gefährtin C hristian e vorgetragen hat (1798), in der E leg ie „D ie M etam or­ p h ose der P fla n ze“ : „Dich v erw irret, G eliebte, die tau sen d fältige Mischung D ie se s B lum engew ü h ls über dem G arten umher: V iele N am en hörest du an, und im m er verdränget M it barbarischem K lang einer den ändern im Ohr. A lle G estalten sind ähnlich, und k ein e gleichet der ändern; U nd so deutet das Chor auf ein g e h e i m e s G e s e t z , Auf ei n h e i l i g e s R ä t s e l

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Uncl das eben ist es, wdownload as w unter ir www.biologiezentrum.at von G oethes V erhältnis zur N atur, aus sein er stets r e l i g i ö s b e t o n t e n N a t u r f o r s c h u n g lern en w o llen : A l l e W i s s e n s c h a f t — e i n S t u d i u m G o t t e s , w ie ein anderer w ah lverw a n d ter N aturforscher uncl Z eitgenosse, cler E ngländer Thom as P a i n e (1738 bis 1809), dies geleh rt uncl g eleb t hat. D ie N aturgesetze — G ottes G esetz! D as k lin g t für ein geschultes philosophisches Ohr vielleich t dilettantisch, trifft aber doch den N agel auf’ den Kopf. D en n was heißt „N atur“ und „G esetz“ ? A lle N atur und jed es G esetz, dies hat uns Kant gelehrt, stam m t aus dem M enschengeist, als O rdnungsprinzip ien des End­ lichen im U nendlichen; aber aller G eist und je d e O rdnung stam m t von Gott, ist Gott selbst, denn „Gott ist G eist“ (das Jesusw ort!), A ll-G eist, A ll-L iebe, w ie uns G oethe lehrt. „Natur! W ir sin d von ihr um geben uncl um schlungen — unverm ögend, aus ihr herauszu treten U ngebeten und ungew arnt nim m t sie uns in d en K reislau f ihres T anzes auf . Ihr Schauspiel ist immer neu, w e il sie im m er neue Zuschauer schafft. L eben ist ihre schönste Erfindung und cler T od ist ihr K unstgriff, v ie l L eben zu haben . Ihre K rone ist L i e b e . N ur durch sie kom m t m an ihr nahe . . “ A lles in der N atur, w ie G oethe es sieht, m it A u gen geschaut hat (ein W ort des blin d eil Sehers H om er!), strebt vom N iederen zum H öheren auf, vom Stoff zur Form, vom Leib zur S eele, von K raft zum G eist — von Haß zur Liebe, vom Tier zum Menschen, vom M enschen zur M enschheit; als Idee und höchstes Ideal: „D ie h e ilig e L iebe Strebt zu cler höchsten Frucht gleich er G esinnungen auf, G leicher A nsicht der D in ge, dam it in harm onischem Anschaun Sich verb in d e das Paar, finde d ie höhere W elt.“ Einer Sache w o llen w ir noch gedenken, die von entscheidender B ed eu ­ tung für G oethes naturw issenschaftliche W eltanschauung ist: seine S tellu n g­ nahm e im K am pf der beiden großen N aturforscher und -philosophen sein er Zeit Jean L a m a r c k uncl G eorge C u v i e r . G oethe steh t entschieden auf der S eite d es ersteren . Lamarck ist E volu tion ist, d er B egründer des b io lo ­ gischen T ransform ism us; schon 1802 h a tte er in seinen „Betrachtungen über die leb en d en N a tu rk örp er“ die bahnbrechenden Ideen über die U nbestän­ d igk eit uncl U m bildung der A rten ausgesprochen, die er dann 1809 in den beid en B änden sein er „P hilosop hie zoologique" ein geh en d begründete. C u­ vier dagegen ist R evolu tion ist; er h ielt fest an Linnes Lehre („System a naturae" 1735) von der absoluten B estän d igk eit der A rten uncl erklärte sich die verschiedenen aufeinander folgenden T ierb evölk eru n gen durch die A n­ nahm e einer R eih e von K atastrophen m it w ied erh o lten N euschöpfungen. D ie se K atastrophentheorie b lieb trotz der absurdesten F olgeru n gen bis auf D arw in (1859 „E ntstehung der A rten “) herrschend. G oethe hat auch noch die berühm ten K äm pfe m iterlebt, die Lamarcks K ollege uncl G esinnungs­ genosse E tienne G eoffroy de S ain t-H ilaire im Schöße cler Pariser A kadem ie m it C uvier 18-30 zu bestehen hatte. In den „G esprächen mit G oeth e“ schil­ dert Eckermann unter dem 2. A ugust 1830 auf das leb en d igste die W irkung jen er K äm pfe auf den M eister: „D ie Nachrichten von der begonnenen Juli­ revolution gela n g ten h eu te nach W eim ar uncl setzten alles in A ufregung. Ich ging im L aufe des Nachm ittags zu G oethe. „N un?“ rief er mir entgegen, „was denken Sie von d ieser großen B egeben heit? D er V ulkan ist zum A u s­ bruch gekom m en; alles steht in F lam m en E ine furchtbare Geschichte! erw id erte ich. A ber w as ließ sich bei d en b ek an n ten Zuständen und bei 157

unter www.biologiezentrum.at einem solchen M inisterium download anderes erw arten, als daß m an mit cler Ver­ treib u n g der b ish erigen königlichen F a m ilie en d igen w ürde. „W ir scheinen uns nicht zu verstehen, m ein A lle r b e ste r “ erw id erte G oethe. „Ich rede gar nicht von jen en L euten; es h an d elt sich b ei m ir um ganz andere D in ge! Ich rede von dem in der A k a d em ie zum öffentlichen Ausbruch gekom m enen, für die W issenschaft iso höchst b edeutend en Streit zw ischen C uvier uncl Geo ffro y de Sain t-H ilaire!'1 So hoch ste llt G oethe d ie W issenschaft über clie P o litik . So w ar G oethe auch ein V ertreter des N e p t u n i s m u s g eg en ­ über dem V u l k a n i s m u s ; in den großartigen Szenen clerklassischen W alpurgisnacht hat er d en R ep räsen tanten jen er beiden R ichtungen, T haies und A naxagoras, ein unsterbliches D en k m al gesetzt: A naxagoras: D urch F eu erd u n st ist dieser F els zu H änden. T haies: Im Feuchten ist L ebendiges erstanden. A naxagoras: H ast clu, o T haies, je in E iner Nacht Solch ein en Berg aus Schlamm hervorgebracht? Thaies: N ie w ar N atur und ihr leb en d iges F ließ en Auf T ag und Nacht und Stunden an gew iesen. Sie b ild et regelnd jegliche G estalt. Uncl selb st im G roßen ist es nicht G ew a lt.1'

Dr. Franz Waldner:

G o e th e als H ö h len fo rsch e r W enn w ir G oethes W esen u n d W irk e n anläßlich seines 200. G e b u rtsta g e s ü b e r ­ blicken, d an n ist es vielleicht w eniger die G röße seiner ein zeln en F äh ig k e ite n , als die H arm onie aller, w as ih n so e in ­ zig artig macht. W ill m an diesen großen D ichter rich­ tig b eu rte ile n , m uß m an n e b e n d er V iel­ se itig k e it seines poetischen Schaffens in ihm auch den großen W issenschaftler sehen ,der m it seinen g en ialen K rä fte n R ichtlinien zu finden w ußte, die bis h e u te n eue W ege w eisend geblieben sind. B esonders die R eiseschilderungen G oethes geben uns, cler d a n k b a re n N ach­ w elt, aus seinem fein g estim m ten G eiste geschöpft, nicht n u r v iel Schönes und G utes, sondern auch U n te rh a ltu n g , B e­ le h ru n g und W issen in u nerm eßlicher F ülle. E r k o n n te fü r seine In te re sse n im m er w ied er Seltsam es au f sp ü ren u n d w ußte es in das herrlich e G ew and u n se re r Sprache zu kleiden; so w ar er auch ein er cler E rsten gew esen, die sich von den hem m enden, abergläubischen, p h a n ta s ti­ schen V orstellungen freim ach ten uncl in das In n e re cler B erge v o rd ra n g en , um d o rt in den N atu rh ö h le n eine neue, u n ­ b e k a n n te W elt zu entdecken. G oethe w ar ein H öhlenforscher gew orden. Im A lter von 28 Ja h re n besuchte cler Dichter* der vom G ast des E rb p rin z e n K arl A ugust von S achsen-W eim ar bis

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zum hohen B eam ten des ju n g e n H e r­ zogs aufg erü ck t w ar, zum e rste n Male die im D eutschen M ittelg eb irg e stolz au frag e n d e B astei des H arzes uncl w id ­ m ete, durch seine v o rb e re ite n d e n S tu ­ dien au fm e rk sam gem acht, sein b eso n ­ d eres In teresse d er B au m an n sh ö h le bei R übeland. D iese ist die ä lte ste b e k a n n te H arzhöhle, die schon im J a h re 1565 von dem deutschen P lin iu s, dem P o ly h isto r K on rad G esner, u n te r dem p la ttd e u t­ schen N am en B au m an n s H ol festg e h alten w u rd e un d von w elcher d er P ro b st des K losters M arienberg, H e rm a n n von der H ard t, ein en G ru n d riß veröffentlichte. D urch das E inschneiden d e r m äan d ricre n d e n Bode in d ie oberdevonischen K alke des B ielsteines, b ei R ü b e la n d w u r­ den die u rsp rü n g lich zu sam m en h än g en ­ den H öhlen, von d en en inzw ischen 18 R äum e b ek a n n tg e w o rd en sind, g etren n t, die sich als R estg eb ild e a n e in a n d e rg e ­ reih t, an die G ro ß räu m e d er B ielshöhle (720 m S treckenlänge), H erm an n sh ö h le (680 m S treckenlänge), B aum annshöhle (642 m Streckenlänge) in verschiedenen H ö h enlagen ü b e r dem h eu tig en V o rflu t­ niv eau an schmiegen. G oethe ist am M ontag, d en 1. D ezem ­ b e r 1777, von Ilfeld ab g e ritte n . G egen M ittag ist er b e re its in E lb in g ero d e und bricht noch an d em selben T age nach R ü ­ b elan d auf. D er E indruck, d en die Höhle auf ihn gem acht hat. ist so sta rk , daß er