Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel

Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel Inaugural- Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert- Ludwigs...
Author: Sophie Albert
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Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel

Inaugural- Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert- Ludwigs- Universität zu Freiburg i. Br.

vorgelegt von Tanja Reinhardt

aus Mannheim

Erstgutachter/in: Prof. Dr. Dieter Mertens

Zweitgutachter/in: ggf. Drittgutachter/in: Prof. Dr. Dr. Volker Schupp

Vorsitzende/r des Promotionsausschusses des Gemeinsamen Ausschusses der Philosophischen Fakultäten I-IV: Prof. Dr. Heinrich Anz

Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 8. 2. 2002

Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel 1 EINLEITUNG...................................................................................................................................................... 2 1.1 TEXTCORPUS...................................................................................................................................................... 2 1.2 FORSCHUNGSSTAND............................................................................................................................................. 3 1.3 METHODISCHE VORÜBERLEGUNGEN....................................................................................................................... 6 1.4 DER ERKENNTNISHORIZONT EINER ANALYSE DER FÜRSTLICHEN CHRONIK................................................................. 10 1.4.1 Der Erkenntnishorizont einer Analyse des habsburgischen Heiligenlegendars.................................. 14 1.5 VORGEHENSWEISE............................................................................................................................................. 19 2 HISTORIOGRAPHISCHE STUDIEN AM HOFE MAXIMILIANS I........................................................ 20 2.1 DIE BEDEUTUNG DER FÜRSTLICHEN CHRONIK UNTER DEN HABSBURGISCHEN GESCHICHTSWERKEN................................ 22 2.2 DAS HABSBURGISCHE LEGENDAR IN DER TRADITION VON HEILIGENLEGENDAREN ....................................................... 24 2.3 DIE AUSSAGEINTENTION DER FÜRSTLICHEN CHRONIK............................................................................................ 28 3 JAKOB MENNELS QUALIFIKATION FÜR DAS AMT DES KAISERLICHEN HOFHISTORIOGRAPHEN................................................................................................................................ 40 3.1 DAS BEZIEHUNGSNETZ DER UNIVERSITÄT TÜBINGEN..............................................................................................42 3.2 DAS BEZIEHUNGSNETZ DER UNIVERSITÄTEN BASEL UND FREIBURG IM SPÄTEN 15. UND FRÜHEN 16. JAHRHUNDERT....... 48 3.3 DIE QUALIFIKATION DES FREIBURGER STADTSCHREIBERS........................................................................................55 3.4 DAS BEZIEHUNGSNETZ DES KANZLERS DES HEITERSHEIMER JOHANNITERORDENS....................................................... 57 3.5 JAKOB MENNELS SCHRIFTEN.............................................................................................................................. 61 4 DIE QUELLEN DER HABSBURGISCHEN HEILIGENLEGENDEN DES JAKOB MENNEL............ 65 4.1 VORARBEITEN ZU DEN HABSBURGISCHEN HEILIGENLEGENDEN AM WIENER HOF......................................................... 70 4.1.1 Das geographische Werk des Ladislaus Sunthaym.............................................................................. 72 4.1.2 Die burgundischen Heiligen des Ladislaus Sunthaym......................................................................... 93 4.2 JAKOB MENNELS RECHERCHEORTE.................................................................................................................... 101 4.2.1 Recherchen in brabantischen Klöstern.............................................................................................. 101 4.2.2 Recherchen an einzelnen Kultstätten in den Niederlanden................................................................ 104 4.2.3 Recherchen im Moselgebiet/Lothringen.............................................................................................109 4.2.4 Recherchen im Breisgau und in der Ortenau..................................................................................... 112 4.3 DIE LITERARISCHEN VORLAGEN VON MENNELS HEILIGENLEGENDEN....................................................................... 117 4.3.1 Heiligenlegendare und Einzellegenden als mögliche Quelle für Mennels Heiligenlegenden........... 118 4.3.2 Werke englischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden.......................................... 124 4.3.3 Werke ungarischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden........................................ 135 4.3.4 Werke fränkischer und karolingischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden .........138 4.3.5 Herrscherbiographien und Geschlechterchroniken als Quelle für Mennels Heiligenlegenden........ 141 4.3.6 Mennels Auseinandersetzung mit Textvorlagen im Vergleich zu Johannes Naukler......................... 144 5 DIE RECHERCHEN FÜR DIE SANCTI UND BEATI DES HAUSES HABSBURG VON 1518.......... 147 5.1 DIE RECHERCHEN FÜR DIE NEUEN BEATI............................................................................................................. 148 5.2 DIE RECHERCHEN FÜR DIE NEUEN SANCTI........................................................................................................... 158 6 HERKUNFT, STIFT UND GRAB: HEILIGENKULT ALS HERRSCHAFTSSICHERUNG................161 6.1 HERKUNFT UND GRAB DER HEILIGEN FREUNDE DES HAUSES HABSBURG................................................................. 163 6.2 HERKUNFT UND GRAB DER BLUTSVERWANDTEN HABSBURGISCHEN HEILIGEN........................................................... 180 6.2.1 Die Klöster und Stifte der blutsverwandten habsburgischen Heiligen.............................................. 186 6.3 DAS VERHÄLTNIS VON PRIVILEGIUM MAIUS UND HABSBURGISCHEM LEGENDAR....................................................... 193 7 WERBEN FÜR DEN KREUZZUG: DIE LITURGIE DES ST. GEORGS-ORDENS............................. 196 7.1 DER HABSBURGISCHE HEILIGENKALENDER: REKRUTIERUNGSGEBIETE DES ST. GEORGS-ORDENS................................. 197 7.2 DER ST. GEORGS-ORDEN ALS AUSFÜHRENDES ORGAN DER KREUZZUGSPLÄNE KAISER MAXIMILIANS I...................... 203 7.2.1 Die Vorteile der Organisationsform des St. Georgs-Ordens ............................................................ 203 7.2.2 Die Aufgabe des Kreuzzugs................................................................................................................ 206 7.2.3 Die Kriegsethik der St. Georgs-Ritter................................................................................................ 208 8 SCHLUSSBETRACHTUNG.......................................................................................................................... 218 ANHANG............................................................................................................................................................ 225 DIE LEGENDENÜBERSCHRIFTEN (TITUL) DER HEILIGEN FREUNDE DES HAUSES HABSBURG VON 1514, CVP 3077 **.......... 225 DIE LEGENDENÜBERSCHRIFTEN (TITUL) DER HEILIGEN BLUTSVERWANDTEN DES HAUSES HABSBURG VON 1514, CVP 3077* .......................................................................................................................................................................... 226 DIE LEGENDENÜBERSCHRIFTEN (TITUL) DER SELIGEN DES HAUSES HABSBURG VON 1518, CVP 3076..............................228 LEGENDENÜBERSCHRIFTEN (TITUL) DER HEILIGEN DES HAUSES HABSBURG VON 1518, CVP 3077.................................. 229 BILDNACHWEISE.................................................................................................................................................. 234 LITERATURVERZEICHNIS.......................................................................................................................... 241

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Einleitung

Der Titel der vorliegenden Dissertation, „Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel“, vereinigt zwei grundlegende Fragestellungen, anhand derer das Erkenntnis der folgenden Untersuchung aufgezeigt werden soll. Zum einen steht die Frage nach der Intention des Habsburgers Maximilian I., ein eigenes Legendar mit Legenden von ‚habsburgischen Heiligen’ abfassen zu lassen, im Mittelpunkt, zum anderen soll derjenige, der dieses Legendar verfaßte, nämlich Jakob Mennel, eine neue Würdigung erfahren, indem

seine Arbeitsweise als

Hofhistoriograph des Habsburgers Maximilians I. analysiert wird. Maximilian I. hatte als Familienoberhaupt des Hauses Österreich und römisch-deutscher König das habsburgische Legendar als Teil einer Fürstlichen Chronik über das Haus Habsburg im Jahre 1505 in Auftrag gegeben.1 Die große Bedeutung, die er diesem Werk zumaß, zeigt sich darin, daß er sich daraus auf seinem Totenbett im Jahre 1519 vorlesen ließ. Es bedarf daher wohl keiner weiteren Erläuterung mehr, daß die Fürstliche Chronik für den Habsburger Maximilian I. mehr als andere Werke, die in seinem Auftrag zur Geschichte des Hauses Habsburg verfaßt worden waren, eine Sonderstellung einnahm und als eine Darstellung Habsburgischer Geschichte eine zentrale Aussage zum Selbstverständnis des Kaisers und seines Familie beinhalten mußte. Eine Analyse der Fürstlichen Chronik bedeutet somit, das Selbstverständnis des Habsburgers Maximilian I. und die darauf basierende Sicht der Geschichte seines Hauses zu erarbeiten. 2

1.1 Textcorpus Die Fürstliche Chronik liegt heute in einer handschriftlichen Fassung aus dem Jahre 1518 in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien vor. Sie teilt sich in insgesamt fünf Bücher auf, wobei das fünfte Buch das habsburgische Heiligenlegendar präsentiert. Die ersten vier Bücher dieser Fürstlichen Chronik Kaiser Maximilians haben die Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 3072*, 3073, 3074 und 3075. Das fünfte Buch, das die habsburgischen Heiligenlegenden aus dem Jahre 1518 bietet, unterteilt sich in zwei Teile, wobei der erste Teil – das Seligenbuch – die Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 3076, und der zweite Teil - der kalendarische Teil - die Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 3077 hat.

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Vgl. dazu die Abb. 1. Dargestellt ist dort in der Mitte des Bildes Jakob Mennel, zu seiner Linken Kaiser Maximilian I., zu seiner Rechten wahrscheinlich seine verwitwete Tochter Margarethe. Mennel übergibt hier Maximilian I. die fünf Bücher seiner in Auftrag gegebenen Fürstlichen Chronik. Vgl. dazu die Bildbeschreibung von Mertens, D.: Jakob Mennel übergibt die fünf Bücher seiner ‚Fürstlichen Chronik’ dem Kaiser. In: Die Zähringer, Anstoß und Wirkung, 2, hrsg. von Hans Schadek und Karl Schmid. (Veröffentlichungen zur ZähringerAusstellung II). Sigmaringen 1986, S. 311, Nr. 273. Vgl. dazu die Erläuterungen von Ders.: Jakob Mennel und Petracameister (Hans Weiditz), Gedenkblatt auf den Tod Kaiser Maximilians I. In: Die Zähringer, Anstoß und Wirkung, S. 313, Nr. 274. Siehe dazu im Anhang dieser Arbeit, S. 264, Abb. 1.

3 Das Heiligenbuch von 1518 ist dabei die zweite Fassung eines Heiligenbuches, das Jakob Mennel im Jahre 1514 als Auszug seiner Arbeiten Kaiser Maximlian I. vorlegte. Auch diese Legendarfassung von 1514 unterteilt sich in zwei Teile, deren erster Teil die Legenden der blutsverwandten habsburgischen Heiligen unter der Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 3077*, und deren zweiter Teil die ‚Freunde’ des Hauses Habsburg unter der Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 3077** bietet. Von diesen Arbeiten gab Mennel im Jahre 1519 ein ebenfalls handschriftlich verfaßtes Kompendium unter dem Titel Zaiger heraus, das sich in der Österreichischen Nationalbibliothek unter der Signatur Codex Vindobonensis Palatinus 7892 befindet. Joseph Chmel hat bereits eine detaillierte Beschreibung dieser Handschriften gegeben, die einst im Besitz der kaiserlichen Hofbibliothek des Hauses Habsburg waren.3 Ausgangspunkt der nun folgenden Untersuchung des habsburgischen Heiligenlegendars Jakob Mennels ist die ältere Fassung der Legendensammlung von 1514. Da sie die erste Legendenfassung repräsentiert, die dem Kaiser vorgelegt wurde, sollte sie auch einen repräsentativen Eindruck von Mennels Arbeit vermitteln. Zudem musste sie das Selbstverständnis des Kaisers und seiner Familie zur Zufriedenheit ihres Auftraggebers widerspiegeln. Aus diesem Grunde wurde in der vorliegenden Arbeit davon abgesehen, das ebenfalls noch vorhandene Konzept des habsburgischen Heiligenlegendars, dessen Informationen Mennel fast vollständig in die Legendarfassung von 1514 übernahm4, bei den Überlegungen zum Selbstverständnis Maximilians I. heranzuziehen. Für die folgenden Ausführungen gilt daher die Legendarfassung von 1514 als erstes Belegexemplar, das nur dann durch das habsburgische Heiligenexemplar von 1518 als Belegexemplar ersetzt wird, wenn beide Fassungen in den Legendenausführungen einzelner Heiliger divergieren. Die jeweilige Angabe der Belegstellen erfolgt in den Fußnoten mit der Abkürzung cvp für Codex Vindobonensis Palatinus und der darauffolgenden Angabe der Signaturnummer und der Folioseite.

1.2 Forschungsstand Die vorliegende Arbeit ist aus den genannten Mennel-Handschriften cvp 3072*, 3073, 3074, 3075, 3077* und 3077** erarbeitet, die ich in Kopien benutzt habe. Die Transkription der cvp 3072*, 3073, 3074, 3075 und 3077*, die Peter Kathol als Hauptteil seiner Klagenfurter Dissertation von 1999 angefertigt hat, und die als CD-ROM in der UB Klagenfurt und der in der Handschriftenabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien benutzbar ist, kam für

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Vgl. Chmel, J.: Die Handschriften der k. und k. Hofbibliothek in Wien: im Interesse der Geschichte, besonders der österreichischen, verz. und excerpiert von Joseph Chmel, Bd. 1. Wien 1840, S. 4ff. Simon Laschitzer gibt einen inhaltlichen Überblick und eine Beschreibung dieses Konzepts in seinem Aufsatz Laschitzer, S.: Die Heiligen der ‚Sipp-, Mag- und Schwägerschaft‘ des Kaisers Maximilian I.. IN: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 4 (1886). S. 70-287, hier S. 72-74.

4 meine Arbeit zu spät.5 Eine kritische Edition des

Heiligenbuches oder gar der

gesamten

Fürstlichen Chronik wurde bislang nicht unternommen. Die stiefmütterliche Behandlung der habsburgische Genealogie, Fürstlichen Chronik, hält bis in die heutige Zeit an, und das Interesse am Heiligenbuch der Fürstlichen Chronik wurde bislang auch noch nicht geweckt. Die genealogischen Handbücher lassen Jakob Mennels Werk unerwähnt.6 Arnold Angenendt (1994), der in Heilige und Reliquien den neuesten Stand der Forschung auf dem Gebiet der Heiligenforschung bietet, verweilt nur kurz bei der mittelalterlichen Hagiographie. Er verweist auf den Usus verschiedener Adelsgeschlechter, die Macht ihrer Dynastie durch den Verweis auf „hauseigene Heilige“ zu legitimieren, nennt unter den Beispielen auch die Geschlechter von den Karolingern bis zu den Grafen von Andechs, das habsburgische Legendar läßt er allerdings unerwähnt. Werner Williams-Krapp (1986) widmet in seinem Überblickswerk Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters zwei Seiten den Mennelschen Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft des Kaisers Maximilian I., allerdings nur mit dem Ziel, deren Abhängigkeit von dem beliebtesten mittelalterlichen Legendar, Der Heiligen Leben, zu zeigen. Selbst Paul Joachimsen (1910), dessen erklärtes Ziel die Darstellung des Zusammenhanges von Geschichtsschreibung und Humanismus ist, widmet zwar der Hofgeschichtsschreibung Kaiser Maximilians ein eigenes Kapitel, streift aber nur kurz die Mennelsche Chronik.7 Spezialuntersuchungen zur Fürstlichen Chronik sind rar. Erst kürzlich hat dies auch Peter Kathol (1998) bemerkt, der im Rahmen eines Klagenfurter Forschungsprojektes eine kommentierte Edition der Fürstlichen Chronik anstrebte, sich eine detaillierte Analyse des Heiligenbuches aber nicht zur Aufgabe gesetzt hat.8 Dieter Mertens (1988) hat sich in seinem Aufsatz über die Methode und das Ziel der Chronik um den Entstehungsprozeß des Werkes und die Genealogie der ersten vier Bücher verdient gemacht.9 Jan-Dirk Müller (1982), der sich in seiner Monographie über die Gedechtnus auf die Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. konzentriert, schenkt der Fürstlichen Chronik Jakob Mennels nur wenig, dem Heiligenbuch fast überhaupt keine Aufmerksamkeit.10 Einzig Gerd 5

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Kathol, P.: Haus Österreich. Genealogische Konzeptionen Maximilians I. unter besonderer Berücksichtigung der Fürstlichen Chronik Jakob Mennels. Klagenfurt, Univ., Diss. masch. , 66 Bl. und 1 CD-ROM. Isenburg läßt Mennel bei seinem Überblick über die zentralen historischen Genealogien unbeachtet. Als Vertreter der historischen Genealogie unter Kaiser Maximilian I. nennt er Ladislaus Suntheim. Vgl. Isenburg, W. v.: Historische Genealogie. München, Berlin 1940, S. 22. Joachimsen, P.: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, 6). 1. Teil. Leipzig, Berlin 1910. Kathol, P.: Alles Erdreich ist Habsburg untertan. Studien zu genealogischen Konzepten Maximilians I. unter besonderer Berücksichtigung der „Fürstlichen Chronik“ Jakob Mennels. In: MIÖG 106 (1998). S. 365-374, S. 371. Mertens, D.: Geschichte und Dynastie – zu Methode und Ziel der „Fürstlichen Chronik“ Jakob Mennels. In: Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Oberrheinische Studien, 7), hrsg. von Kurt Andermann. Sigmaringen 1988. S. 121-153. Müller, J.-D.: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur, 2). München 1982, S. 57, ferner zur allgemeinen Funktion der Heiligen zum „ewigen

5 Althoff hat sich in seinem Aufsatz Studien zur habsburgischen Merowingersage mit ausführlicheren Überlegungen dem Heiligenbuch gewidmet – doch auch dies geschieht nur im Rahmen seiner Untersuchung zur habsburgischen Genealogie.11 Das Schicksal des habsburgischen Legendars, nicht Hauptgegenstand einer eigenständigen Untersuchung zu sein, sondern sich nur mit dem Status eines „Verweisobjektes“ in der Forschung begnügen zu müssen, zeigt sich naturgemäß auch in Arno Borsts (1966) Aufsatz über den heiligen Sebald.12 Zumeist ist in der bisherigen Forschung das Augenmerk auf die Biographie des Autors Jakob Mennel gerichtet worden. Die auf diesem Gebiet maßgebliche Arbeit hat Karl Heinz Burmeister geleistet.13 Seine Aussagen über Mennel finden sich noch ungeprüft in den neuesten Lexika (198714 und 199015). Wolfgang Irtenkauf (1982) nimmt sie ebenfalls in seine Spezialuntersuchungen zu Jakob Mennel und dem habsburgische Heiligenkalender auf: Das abschätzige Urteil über Jakob Mennel bleibt unreflektiert bestehen und bietet der Polemik Raum.16 Alphons Lhotsky (1971), dessen Forschungsschwerpunkt unter anderem das Haus Österreich bildet, geht zwar auf den Autor Jakob Mennel und dessen Funktion am Hofe Maximilians I.17 ein, liefert aber auch keine Analyse der Fürstlichen Chronik.18 Bis heute sind bilden zwei Untersuchungen Simon Laschitzers aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Orientierungspunkte für die Erforschung der Fürstlichen Chronik. Die erste Untersuchung beschäftigt sich mit der Genealogie des Hauses Habsburg.19 Laschitzer gibt einen

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Gedechtnus“ siehe S. 91. Althoff, G.: Studien zur habsburgsichen Merowingersage. In: MIÖG 87 (1979). S. 71-100. Borst, A.: Die Sebaldslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs. In: JFL 26 (1966). S. 19-178. Davon widmet Borst S. 144-146 der Sebaldslegende im Habsburger Legendar. Burmeister, K. H.: Katalog der Ausstellung Geschichtsschreibung in Vorarlberg: Vorarlberger Landesmuseum, Bregenz, 1. 10. – 2. 12. 1973 (Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums, 59). Bregenz 1973. Burmeister, K. H.; Schmidt, G. F.: Art. Mennel (Manlius), Jakob. In VL, 6. Sp. 388-395. Burmeister, K. H.: Art. Mennel, Jakob auch Manlius. In: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, hrsg. von Walther Killy. Bd. 8. Sigmaringen 1990. S. 102-103. So urteilt Irtenkauf, der seine Meinung allein auf der Betrachtung von Mennels angefertigten Affterkalender gründet, über Mennels Gesamtwerk: „[...] also, so könnte vielleicht die Schlußfolgerung lauten, eine Lebensarbeit, die heute gerade noch ausreicht, um alle zehn Jahre eine Maximilian-Ausstellung mit einigen Handschriften-Exponaten anzureichern, somit aber dem wohlverdienten Dornröschenschlaf verfallen ist. Oder, um im Bild zu bleiben: der Steinklopfer, der sich wieder in sein Gehäuse verzieht, wo die Steine langsam aber sicher vergessen werden.“ Vgl. Irtenkauf, W.: Jakob Mennel, Hofgenealoge Maximilians I. In: Literatur und Bildende Kunst im Tiroler Mittelalter. Die Iwein-Fresken von Rodenegg und andere Zeugnisse der Wechselwirkung von Literatur und bildender Kunst (Innsbrucker Beiträge zur Literaturwissenschaft. Germanistische Reihe, 15). Innsbruck 1982. S. 53-66, S. 62. Sinngemäß dasselbe äußert Irtenkauf in Ders.: Der „Habsburger Kalender“ des Jakob Mennel (Urfassung). Abbildung aus dem Autograph (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart HB V 43) (Litterae, 66). Göppingen 1979. Besonders eingehend in Lhotsky, A.: Neue Studien über Leben und Werk Jakob Mennels. In: Das Haus Habsburg (Aufsätze und Vorträge, 2). München 1971. S. 312-322. Ferner Ders.: Dr. Jacob Mennel. Ein Vorarlberger im Kreise Maximilians I. In: Das Haus Habsburg (Aufsätze und Vorträge, 2). München 1971. S. 289-311. Lhotsky widmet 2 Seiten in dem kurzen Blick in die Fürstliche Chronik. Lhotsky, A.: Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergbd. 19). Graz, Köln 1963, S. 453-455. Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses. 7. (1888). 1. Teil. S. 1-201.

6 kurzen Eindruck von der möglichen Genese des Geschichtswerkes der Fürstlichen Chronik und stellt es in seinem inhaltlichen Aufbau vor. Schwerpunkt seiner Analyse ist die Gestaltung der Stammbäume des Hauses Habsburg. Die habsburgischen Heiligen finden hier keine Erläuterung. Anders in seinem zweiten, für dieses Dissertationsprojekt grundlegenden Aufsatz, der speziell die Funktion des fünften Buches in der Gesamtkonzeption der Fürstlichen Chronik thematisiert.20 Zentrum der Analyse bildet die Frage nach dem Zusammenhang der Heiligengenealogie Mennels mit der um 1515 von Hans Burgkmaier angefertigten Holzschnittfolge zu den habsburgischen Heiligen21. Simon Laschitzer begnügt sich allerdings mit einem groben Vergleich der drei Fassungen des habsburgischen Heiligenbuches und schreitet nicht weiter zu einer detaillierten Untersuchung. Andere zeitgenössische Forschungen, die ebenfalls Maximilian I. und insbesondere dessen Religiosität zum Thema haben, lassen das Heiligenbuch größtenteils unbeachtet.22 Resümierend läßt sich zwar feststellen, daß die Forschung - soweit sie überhaupt die Fürstliche Chronik, insbesondere das Heiligenbuch der Habsburger anspricht - seit über 100 Jahren eine eingehende Untersuchung des fünften Buches fordert, aber noch keine weiterreichenden Schritte auf diesem Gebiet unternommen hat.23 Diese ersten Pionierschritte will die vorliegende Dissertation gehen.

1.3 Methodische Vorüberlegungen Fragt man nach der Selbstsicht Maximilians I., so fragt man im ersten Schritt nach seinem Bewußtsein, und im zweiten nach der Präsentation dieses Bewußtseins. Beim ersten Schritt kommt Jan Assmann mit seinem Buch Das kulturelle Gedächtnis24 Mennel bedeutet das, der Einschätzung von ‚heilig’ gerecht werden zu müssen, wie sie sein Auftraggeber, Maximilan I., vertrat. Die Zusammenstellung der Heiligentypen im Habsburger-Legendar beantwortet daher begrifflich zu Hilfe: Die „Sache des Bewußtseins“, so schreibt Assmann, sei nämlich dem Begriff der „Identität“ zuzuordnen. Die Identität biete einen „Rahmen“, auf den sich eine Person beziehen könne. Sie ist nicht zwingend, sondern sie gibt die Möglichkeit zur Bezugnahme, die auch abgelehnt werden 20

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Ders.: Die Heiligen der ‚Sipp-, Mag- und Schwägerschaft‘ des Kaisers Maximilian I.. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 4 (1886). S. 70-287. Adam Bartsch hat 1799 diese Holzschnittfolge herausgegeben. Laschitzer stellt sie im Anhang seines Aufsatzes vor. Vgl. Laschitzer, S: Die Heiligen der ‚Sipp-, Mag- und Schwägerschaft‘ des Kaisers Maximilian I,S. 70 ff. So beispielsweise Ulmann, H.: Kaiser Maximilian I. Auf urkundlicher Grundlage dargestellt. 2. Bd. Stuttgart 1891. Seine Überlegungen zu dem Heiligenbuch beschränken sich auf S. 752. Zuletzt formuliert dies explizit Werner Williams-Krapp, der einen Mangel bei der Erforschung der Prosalegendare im allgemeinen ausmacht: „Trotz dieser offenkundigen und der Forschung von jeher bekannten Bedeutung der Prosalegendare für die spätmittelalterliche Frömmigkeits-, Literatur- und Kunstgeschichte blieben sie für alle beteiligten Disziplinen bis in jüngste Zeit eine ‚terra incognita‘.“ Vgl. Williams-Krapp, W.: Die deutschen und niederländischen Legendare des Mittelalters. Tübingen 1986, S. 338-340 u. S. 2. Für den folgenden Abschnitt vgl. Assman, J.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München, 1999, S. 130ff.

7 kann. Nimmt man Bezug, so geschieht das immer bewußt. Die Identität Kaiser Maximilians I. äußert sich somit in einem Akt bewußter Bezugnahme, und es kann davon ausgegangen werden, daß Maximilian die Fürstliche Chronik auch gemäß solcher Bezugnahme gestalten ließ. Assmann schreibt weiter, daß sich die Identität wiederum in eine „Wir-Identität“ und eine „IchIdentität“ unterteile, die wie das Ganze von einem Teil abhingen: „Der Teil hängt vom Ganzen ab und gewinnt seine Identität erst durch die Rolle, die er im Ganzen spielt, das Ganze aber entsteht erst aus dem Zusammenwirken der Teile“. Die „Wir-Identität“ bezeichnet Assmann als „Kollektive Identität“. Sie beschreibt das Bewußtsein einer Gruppe, die sich gewisse Regeln gibt und ein Selbstbild konstruiert, das sie dann verbindlich pflegt. Bei der „Ich-Identität“ differenziert Assmann in eine „Personale“ und eine „Individuelle Identität“. Die Personale Identität frage nach der Rolle des Einzelnen im Sozialgefüge, die Individuelle Identität dagegen nach seinen persönlichen Lebenserlebnissen und -eckdaten. Aus den theoretischen Überlegungen Assmanns zur Identität wird klar, daß die Personale Identität, das ist die Rolle Maximilians, nur mithilfe der Kollektiven Identität bestimmt werden kann. Voraussetzung dafür muß allerdings sein, daß diese Personale Identität ein Teil der untersuchten Kollektiven Identität ist. Soll nun das Selbstbild Kaiser Maximilians ermittelt werden, so muß der erste Analyseschritt vom ebengenannten Spannungsverhältnis der Identitäten ausgehen: Die Personale Identität ist stets Teil der Kollektiven Identität; daher muß die Kollektive Identität zunächst bestimmt werden, von der ausgehend die Personale Identität rekonstruiert wird. Es gilt also, die Gruppe zu bestimmen, zu der Maximilian in Bezug gesetzt werden soll. In der Forschung wurde immer wieder betont, daß die Politik mittelalterlicher Kaiser als ihr Balancieren zwischen Reichs- und Hausinteressen zu werten ist.25 Fragt man also nach kaiserlicher Politik im Mittelalter, so fragt man zugleich nach dem Verhältnis des Kaisers zum Reich und zu seiner Dynastie. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies zu entscheiden, ob das Verhältnis der Personalen Identität Maximilians I. zur Kollektiven Identität des Reiches oder des Hauses Habsburg ermittelt werden soll. Bei einer Analyse der Fürstlichen Chronik kann folglich - für den Entstehungszeitraum der Fürstlichen Chronik, die Jahre 1500 bis 1518 - aufgezeigt werden, in welches Verhältnis sich Maximilian I. zur habsburgischen Dynastie setzte. Zum zweiten ist die Fürstliche Chronik und ihr Entwurf einer kollektiven habsburgischen Identität zugleich als Reaktion Maximilians auf seine zeitgenössische Wirklichkeit zu verstehen. Maurice Halbwachs fragt nach den gesellschaftlichen Grundlagen, die das Gedächtnis, in dem Erinnerungen 25

Vgl. dazu Fichtenau, H.: Reich und Dynastie im politischen Denken Maximilians I. In: Beiträge zur Mediävistik (Ausgewählte Aufsätze, 1). Stuttgart 1975, S. 259-269. Die Forschungsdiskussion, ob Maximilian I. eher den Reichs- oder den Dynastiegedanken bei seinem politischen Handeln gepflegt habe, wird schon seit dem 19. Jahrhundert geführt. Fichtenau verweist auf Ranke, der den dynastischen Gedanken für vorrangig erklärt hatte, und auf das wilhelminische Deutschland, in dem der Reichsgedanke für vorrangig im Handeln Maximilians erklärt wurde. Fichtenau betont dagegen, daß gerade Maximilian I., ein Monarch am Anbeginn der Neuzeit, nicht zwischen privat und öffentlich unterschieden habe. Vgl. dazu ebd., S. 268.

8 abgespeichert werden, in einer Gesellschaft bedingen.26 Gedächtnis definiert er dabei als einen „Denkinhalt, der sich aus Begriffen zusammensetzt“, die als „Anhaltspunkte dienen und sich auf die Vergangenheit beziehen“27. Die „Vernunft“ 28, beziehungsweise der „Verstand“, selektiert dabei die Erinnerungen. Die Vernunft fungiert damit als ein ‚Erinnerungslieferant‘ aus dem ‚Warenlager‘ der Vergangenheit. Maurice Halbwachs betrachtet dabei die Vergangenheit als ein Konstrukt von Gegebenheiten, die „aus der Gegenwart entliehen werden“.29 Kurzum: Die Aktualisierung der Vergangenheit braucht einen Anlaß in der Gegenwart.30 Halbwachs brandmarkt diese ‚Gegenwartstauglichkeit‘ des Gedächtnisses als eine „Entstellung“31 der Vergangenheit. Nach der Theorie von Halbwachs bedeutet Maximilians Konstruktion seiner Personalen Identität als Kaiser, daß er die habsburgische Vergangenheit entstellt, um sie im ‚Kollektiv‘ seiner Gegenwart, als dessen Teil er seine Rolle als Kaiser und Abkömmling des Hauses Habsburg innehat, zu definieren und akzeptabel zu machen. Was sich hinter diesem ‚Kollektiv‘ verbirgt, hilft Halbwachs herauszuarbeiten, indem er darauf hinweist, daß Erinnerung in einzelnen Gruppen geschehe, um diese Erinnerung schließlich der Vergangenheit einer anderen Gruppe entgegenzuhalten.32 Ein solches Unterfangen hat den eindeutigen Charakter eines Wettkampfes. Solch ein Wettkampf kann nur zwischen Gruppen stattfinden, die mindestens eine Eigenschaft miteinander teilen, so daß sie sich in eben dieser Eigenschaft vergleichen können. Die gesellschaftliche Gruppe, die sich mit dem habsburgischen Geschlecht mindestens eine Eigenschaft teilt, bilden andere Herrscher- und Adelshäuser. Maximilian hat also zwei Möglichkeiten, seine Personale Identität, die aus der Fürstlichen Chronik zu ermitteln ist, zu einer Kollektiven Identität in Bezug zu setzen bzw. setzen zu lassen: erstens zum Haus Habsburg, dem er durch Verwandtschaft zugehört, und zweitens zu den anderen Herrscher- und Adelshäusern, deren Eigenschaft,

adlig zu sein, er teilt. Im Rahmen des

Spannungsverhältnisses der Personalen Identität Kaiser Maximilians I. und der Kollektiven Identität des Adels gab der Kaiser seinem Hofhistoriographen Jakob Mennel also den Auftrag, für die Fürstliche Chronik des Hauses Habsburg zu recherchieren. Michel Foucault beschreibt im ersten Kapitel seines Buches Die Ordnung der Dinge einen Maler, der sich in der gleichen Situation befindet, in der Jakob Mennel sich 1505 vorfand. Foucault 26

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31 32

Halbwachs, M.: Die gesellschaftlichen Grundlagen des Gedächtnisses. In: Ideologie. Ideologiekritik und Wissenssoziologie, hrsg. von Kurt Lenk. Frankfurt a. M., New York 1984, S. 170-174. Ebd., S. 171. Zu den folgenden Zitaten vgl. ebd., S. 170. Die Vergangenheit ist folglich ein Modell, das unter anderem auch von Hoffnungen und Zukunftsplänen entworfen wird. Wie auf diese Weise ‚erinnert‘ wird, kann auch ‚vergessen‘ werden, vgl. dazu Ritschl, D.: Gedächtnis und Antizipation. Psychologie und theologische Bemerkungen. In: Kultur und Gedächtnis, hrsg. von Jan Assmann. Frankfurt a. M. 1988, S. 50-64. Halbwachs, M.: Das kollektive Gedächtnis. Mit einem Geleitwort zur deutschen Ausgabe von Heinz Maus. Aus dem Französischen von Holde Lhoest-Offermann. Frankfurt a. M. 1985, S. 56. Ebd. Ders., Die gesellschaftlichen Grundlagen des Gedächtnisses, S. 172.

9 interpretiert dabei ein Bild des Malers Velasquez, der im Auftrag König Phillips IV. diesen selbst, dessen Frau Marianna und die Infantin Margarete darstellen sollte.33 Als Thema dieses Bildes sieht Foucault eine Überlegung von Valesquez zur „klassischen Repräsentation“, nämlich „die Repäsentation der klassischen Repräsentation“34: Es werde ein Maler gezeigt, der selbst wiederum ein Bild zeichne. Weder das Bild, das der Maler zeichne, noch sein zu malendes Modell seien für den Betrachter sichtbar. Nur in einem Spiegel sei für den Bildbetrachter das Modell, das der Maler vor Augen habe, zu erkennen: Es handle sich dabei um das Spiegelbild des Herrscherehepaares Phillip IV. und seiner Gattin Marianna. Diese Repräsentation habe – so Foucault – eine „doppelte Beziehung“35, die wiederum jeweils zwei Bezugspunkte habe: Zum einen soll sie das Modell darbieten – sie kann keinen schwarzhaarigen Mann bieten, wenn das Modell eine blondhaarige Frau ist; zugleich muß sie aber auch den Erwartungen der blondhaarigen Frau entsprechen, die ihre Repräsentation in Auftrag gegeben hat. Wenn sie folglich, ihrem Urteil entsprechend, Locken hat, so wird sie es nicht akzeptieren, wenn sie mit glatten Haaren dargestellt wird. Jede klassische Repräsentation stellt damit eine Sache so vor, wie es der Erwartungshaltung des Modells entspricht; das ist der eine Teil der Beziehung. Der andere Teil der Beziehung dreht sich um das Verhältnis des darstellenden Künstlers zum Publikum: Der Künstler sieht sein Modell aus einem Blickwinkel, den er ausgewählt hat. Die Wahl seines Blickwinkels kann beispielsweise davon abhängen, daß er Übung darin hat, aus diesem bestimmten Blickwinkel etwas darzustellen – die Wahl des Blickwinkels ist also etwas, das aus der individuellen Erfahrung des Künstlers oder aus seiner persönlichen Vorliebe resultiert. Die Wahl des Blickwinkels ist daher willkürlich und damit nur aus der Einsicht in die Biographie des Künstlers teilweise rekonstruierbar. Desweiteren darf der Winkel, aus dem dargestellt wird, das schon modifizierte Modell nicht derart verzerren, daß der Betrachter des Bildes das Modell nicht mehr erkennt. Fokussiert auf den Zusammenhang zwischen dem Autor und seiner klassischen Repräsentation im Foucaultschen Sinne gilt somit: Die klassische Repräsentation ist immer auch ein Resultat desjenigen, der sie aus seinen individuellen Erfahrungen heraus anfertigt. Das Bild der Fürstlichen Chronik wird also maßgeblich von seinem Modell, der Vergangenheit des Hauses Habsburg, bestimmt. Dieses Modell wird von Maximilian I. modifiziert, den Winkel für dessen Darstellung wählt Jakob Mennel. Auf diesem Hintergrund leuchtet ein, daß es keine Repräsentation gibt, die eine allgemeingültige, objektive Wirklichkeit abbilden kann. Es gilt folglich, die Repräsentation des Hauses Habsburg zu analysieren, um damit Maximilians Verständnis einer habsburgischen Identität und Jakob Mennels künstlerische Funktion bestimmen zu können.

33

34 35

Foucault., M.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a. M. 1971, S. 3145. Ebd., S. 45 Ebd.

10

1.4 Der Erkenntnishorizont einer Analyse der Fürstlichen Chronik Die Fürstliche Chronik gliedert sich in einen profanen und in einen Heiligenteil. Im profanen Teil werden nach genealogischem Prinzip Angehörige des habsburgischen Geschlechtes vorgestellt und in ihren Taten beschrieben. Es werden ihre Lebensdaten und Ereignisse präsentiert, die

ihr

individuelles Leben bestimmen und sie unverwechselbar machen. Die Personen des profanen Teils der Fürstlichen Chronik werden somit, um mit Assmann zu sprechen, in ihrer Individuellen Identität vorgestellt. Das genealogische Prinzip gliedert in diesem Teil der Fürstlichen Chronik die Vergangenheit unter dem spezifischen Blickwinkel der habsburgischen Verwandtschaftsverbindungen, und bietet damit nur Angehörigen des Geschlechts der Habsburger die Möglichkeit, sich mit dieser präsentierten Vergangenheit zu identifizieren, wenn sie sich in den Namen, der gesellschaftlichen Stellung und den gemeinsamen Vorfahren wiedererkennen. In diesem Augenblick erst beginnen sie, sich von anderen Adelsgeschlechtern abzugrenzen.36 Assmann sieht den Zweck eines derartigen Identifikationsangebotes, wie es Maximilian I. mit der Fürstlichen Chronik in Auftrag gab, in der „Allianz zwischen Herrschaft und Erinnerung“.37 Identifikation mit der Vergangenheit ist in diesem Fall für den Habsburger ein Mittel, sich selbst der Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft zu versichern. Auf eine knappe Formel gebracht bedeutet dies: Herrscherlegitimation durch Retrospektion.38 Die zweite Wirkungsrichtung, die von dem Identifikationsangebot der Genealogie ausgeht, nennt Jan Assmann die „prospektive Seite“ einer Genealogie. Sie kommt dem Bedürfnis des Herrschenden entgegen, die Erinnerung an seine Herrschaft auch für die Zukunft gewahrt zu sehen und sich damit ewigen Ruhm zu sichern. Abgesehen von der Fürstlichen Chronik hatte sich Maximilian I. in seinen drei autobiographischen Werken, von denen zwei vollständig überliefert sind – nämlich der Weisskunig und Theuerdank – , das dritte – Freydal – allerdings nur als Entwurf existriert39, schon intensiv mit der habsburgischen Vergangenheit befaßt und sie aus seinem Blickwinkel vorgestellt. In diesen Schriften wird über Sinn und Zweck von Historiographie, deren Ziel die Wahrung der habsburgischen gedechtnus ist, berichtet. Melchior Pfinzing, Propst zu St. Alban bei Mainz und zu St. Sebold in Nürnberg, gibt in seiner Vorrede zum Erstdruck des Theuerdanks von 151740 über die Semantik des Begriffes der 36

37 38 39

40

Identifikation bezeichnet in der Soziologie „Gleichsetzung“ und „Wiedererkennen“. Vgl. dazu Hillmann, Karl Heinz: Art. Identifikation. Wörterbuch der Soziologie. 4. überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart 1994, S. 349. Foucault., M.: Die Ordnung der Dinge, S. 71. Vgl. dazu ebd. Bei den beiden letztgenannten Werken handelt es sich um allegorisierende Versepen, die ab dem Jahre 1505 entstanden. Sie fallen also genau in das Jahr, in dem Maximilian auch die Fürstliche Chronik in Auftrag gab. Zitiert wird im folgenden nach der Ausgabe Kaiser Maximilian I.: Theuerdank. Die Geferlichkeiten und eins Teils der Geschichten des loblichen streitbaren und hochberümbten Helds und Ritters Herr Theuerdanks, hrsg. von

11 gedechtnus Auskunft. Das „adenliche menschliche Gemuet“41 sei, so glaubt er, doch begierig zu erfahren, welche „alt Geschicht und teuerlich Getaten“ vollbracht worden seien. Die Selektion der vergangenen Ereignisse orientiert er an der sozialen Stellung derjenigen, die an ihnen teilhatten: Die Taten müßten von „mechtig und hochgeborn Fürsten und Herren vollbracht“ werden – dann erst gesteht er ihnen zu, erzählt zu werden. Seiner Meinung nach hat die Erzählung dann ihren Sinn erfüllt, wenn sie die Leser, beziehungsweise die Zuhörer dazu ermuntern kann, in die Fußstapfen dieser vorbildlichen Männer zu treten, um ihnen an großen Taten gleichzukommen. Um dies tun zu können, müßten die Akteure persönliche „Sterk“ und „völliges Alter“ besitzen. Aber selbst wenn man diese Bedingungen erfüllt, kann man nach Pfinzings Verständnis nicht wahllos ‚große Taten‘ vollbringen; das Feld der Bewährung grenzt er scharf ein: In „erlichen sachen“ müsse der Einsatz erfolgen, in Dingen also, die in der Gesellschaft wahrgenommen und mit Auszeichnung – zum Beispiel Erhöhung des gesellschaftlichen Status, Vergabe eines Amtes u. s. w. – belohnt werden. Das bedeutet, daß Taten nur dann als groß gedacht werden, wenn sie konform mit allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen sind. Große Taten sind in diesem Verständnis nicht neuartig, sie sind keinesfalls revolutionär. Sie bewähren sich an den „Geferlichkeiten“, die sich zufällig dem Menschen in den Weg stellen. Es ist die Aufgabe der „Gedechtnus“, auf der einen Seite diese Geferlichkeiten zu unterbinden und auf der anderen Seite zum Beweis von Tatenkraft zu ermuntern. An diesem Punkt seiner Ausführungen schlägt Pfinzing die Brücke zu Kaiser Maximilian und dessen genealogischen Forschungen. „Aus denselben Ursachen“, so Pfinzing, habe der Kaiser „von dem teuerlichsten, eltisten und namhaftigsten Geschlecht der Christenheit“ den „Ursprung“ und das „Herkommen“ erforscht. Das macht die Gedechtnus Maximilians aus. Gepaart mit der kaiserlichen Tugendhaftigkeit und „hoflicher Geschicklichkeit“ nimmt Maximilian genau jene Position ein, die dem Anwärter auf große Taten zukommt: Der Ritter Theuerdank, der Protagonist seines gleichnamigen autobiographischen Werkes, spielt diese denkbare Zukunft des Kaisers allegorisch durch.42 Maximilian muß also den Beweis erbringen, ein Kaiser der großen Taten zu sein. Seinem Beweisgang liegen unabdingbar die Gedechtnus, Geschick in Hofkünsten und Tugendhaftigkeit zugrunde. Wie nun der rechte Weg, das heißt die Tugendhaftigkeit, zu finden sei, veranschaulicht ein Dialog43 zwischen Theuerdank und einem bösen Geist, der dem Helden in der Gestalt eines „gelerten Doktor“ begegnet. Drei Lehren des teuflischen Doktors muß der junge Held auf ihre Richtigkeit hin überprüfen: Die erste Lehre kreist um den Begriff der „Eer“. Der Böse Geist belehrt 41 42

43

Helga Unger. München 1968. Ebd., S. 5 f. Theuerdank wird eindeutig als Allegorie von Kaiser Maximilian bestimmt. Pfinzing schreibt in seinen Anmerkungen zum Werk: „Theuerdank bedeut den loblichen Fürsten K.M.E.Z.O.V.B. [Kaiser Maximilian Erzherzog zu Österreich und Burgund] und ist darumb Theuerdank genannt, daß er von Jugend auf all sein Gedanken nach teuerlichen sachen gericht, die er auch vilfeltiglich über menig ander Fürsten und Ritter, von den man geschriben findt, mit eignem Leib vollbrach hat, wie man in disem, auch sunst noch in andern zweien Büchern [Freydal und Weißkunig] klerlichen vernemen wirdet.“ Vgl. Ders.: Theuerdank, S. 303. Vgl. den Dialog zwischen dem Bösen Geist und Theuerdank, Kaiser Maximilian I.: Theuerdank, S. 26-31.

12 ihn, doch „allweg Eur Natur folgen“ zu müssen und zu „versůchen an allen Bedacht“, um schließlich Eer zu erhalten. Eer, so der Böse Geist, messe sich dann an dem Bekanntheitsgrad, den man „gar weit in manchem frembden Land“ besitzen werde. Sie ist nur auf die Gegenwart bezogen, „daß all Welt bei Euren Tagen vil Gůets von Euch wirdet sagen“. Aus der Sicht des Bösen Geistes wird Ehre nur über das Resultat einer Handlung bestimmt, der Weg hin zu diesem Ergebnis wird aber als unerheblich gewertet. Der Nutzen heiligt hier jedes Mittel. Theuerdank widerspricht dieser Anschauung von Eere. Die „Vernunft“ und die „göttlich Leer“ sind für ihn Lebensmaximen. Mit dieser Lebenssicht, so muß selbst der Böse Geist zugeben, erweise sich Theuerdank „weis“. Mit der zweiten Irrlehre versucht der Böse Geist wiederum, Theuerdank auf seine Seite zu ziehen. Diesmal geht es um die „ewig Gedechtnus“. Tollkühnheit gepaart mit Todesverachtung ist, nach der Meinung des Bösen Geistes, das Rezept, um das ewig Gedechtnus zu erhalten. Dieses Gedenken für alle Zeit spricht ihm die Gesellschaft zu. Der Indikator für das „ewig Gedechtnus“ nach dem Tod ist für den Bösen Geist die „weltliche Eer“ vor dem Tod. Wieder provoziert er mit dieser Aussage den entschiedenen Widerspruch des Ritters, für den nämlich „Gotts Gnad“ maßgeblich ist. Sie scheint für ihn auf dem Spiel zu stehen, wenn er sich unüberlegt in Todesgefahr begibt. Die Gedechtnus wird von Menschen anderen Menschen zugestanden, da sie in, beziehungsweise für die Gesellschaft anerkennenswerte große Taten vollbracht haben. Doch Theuerdank gibt sich mit diesem Verständnis von der Gedechtnus nicht zufrieden, denn er weiß, „daß Gottes Lon ist allzeit mer //Dann auf diser Erd alle Eer“. Die dritte Lehre des Bösen Geistes thematisiert die Begriffe Gewalt und Macht. Theuerdank habe die besten Voraussetzungen, die Gewalt über andere an sich zu reißen: „Ir seid stark und darzů noch jung, Reich und mechtig an allem Gut Und tragt in Euch eins Ritters Muet, Habt auch Leut zům Fechten tuglich“

„Fueg“ ist keine Kategorie für den bösen Geist, wenn es darum geht, anderen die eigene Herrschaft aufzuerlegen. Der „Eid“ dürfe gebrochen werden, wenn auf diese Weise „Guet“ erlangt werden könne. Vergeltung und Rache seien, so der Böse Geist, adäquate Maßnahmen der Herrschaftssicherung. Auch hier kann Theuerdank nicht zustimmen. Er nimmt auf die Bibel Bezug und antwortet: „Wer nit will werden vertriben Von Gott, der soll in Gerechtigkeit Leben und nit brechen sein Eid Umb kein Gůt noch weltliche Eer“

Gerechtigkeit ist also oberste Maxime im Handeln für denjenigen, der die persönlichen Anlagen und die entsprechenden „leut zům Fechten“ hat. Gott allein ist die Kontrollinstanz für gerechtes

13 Handeln und Eidestreue. Zuwiderhandlung wird mit Vertreibung geahndet. Die Orientierung an Werten, die von Gott ausdrücklich als solche gegeben wurden, garantiert ein Leben ohne „Schmerzen“ und bewahrt davor, auf die „unrechte Bahn“ zu kommen. Diese Werte sind – darauf verwies Theuerdank bei jeder seiner Antworten – in der Bibel zu finden. Die Gedechtnus verlangt, nach Theuerdanks Auffassung, die Auseinandersetzung mit Gott. Nur so kann ‚ewiger Ruhm‘ erlangt werden. Maximilian hat seinen Helden Theuerdank diese Worte noch im Jahre 1517 sprechen lassen. Aus ihnen wird klar ersichtlich, daß der Kaiser seine genealogischen Forschungen, die auch unter dem Begriff der Gedechtnus von Melchior Pfinzing zusammengefaßt wurden, nicht als alleiniges Mittel sieht, Ehre von der Gesellschaft zugesprochen zu bekommen und damit seine Herrschaft zu sichern; damit hätte er nur für die Gegenwart und seine Hochschätzung in der irdischen Gesellschaft – die ja als vergänglich gedacht wird – gesorgt. Bei der Gedechtnus geht es für Maximilian I. darum, in der Gesellschaft über den Tod hinaus nicht vergessen zu werden. In diesem Sinne steht im dritten autobiographischen Werk Maximilians, dem Weisskunig: „[...] wer ime in seinem leben kain gedachtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedechtnus und desselben menschen wird mit dem glockendon vergessen, und darumb so wird das gelt, so ich auf die gedechtnus ausgib, nit verloren“.44 Jakob Mennel denkt in seiner Vorrede zur Fürstlichen Chronik auch über die gedechtnus nach. Er weist darauf hin, daß schon vor den christlichen Herrschern die Heiden und Juden genealogische Forschungen zu ihrer jeweiligen Herkunftsfamilie angestellt hätten. Sie hätten „Zu ewiger gedechtnús“45 Bücher abgefaßt und geglaubt, auf diese Weise die Toten wieder lebendig zu machen und „weltlich eer und Ruom“46 für ihr jeweiliges Geschlecht sicherzustellen. Nach Mennel verfolgen nichtchristliche Genealogien also zwei Ziele: zum ersten die gedechtnus – oder, um mit Assmann zu sprechen, die retrospektive Seite der Genealogie; zum zweiten Ruom und eer – nach Assmanns Theorie die prospektive Seite der Genealogie. Die Anhaltspunkte in der Vergangenheit, die – nach Halbwachs – das Gedächtnis konstituieren, nennt Mennel „märkliche geschichten“, die er nun „ordenlich“ präsentieren möchte. Das dritte Ziel der Vergangenheitspräsentation sieht Mennel in der Besserung derjenigen, die von ihr erzählt bekommen; jeder, der Vernunft habe, solle schließlich in der Lage sein, „sich selbs und ander dadurch von laster zu tugenden“ zu „lauten“. Die Fürstliche Chronik als Werk zur Wahrung der habsburgischen gedechtnus ist somit nicht nur ein Instrument der Herrschaftslegitimation und der Ruhmessicherung, sondern sie hat auch eine pädagogische Zweckbestimmung. Die Fürstliche Chronik erhebt damit den Anspruch, durch das Beispiel der 44 45 46

Ders.: Weisskunig, hrsg. von H. Th. Musper. Stuttgart 1956, S. 225. Vgl. cvp 3072*, fol. 1r. Ebd.

14 Habsburger die gesellschaftliche Moral zu bessern. Die Gesellschaft meint in diesem Zusammenhang wiederum diejenige Gruppe, der sich der Habsburger Maximilian I. im Rechtfertigungszwang gegenübersieht: den zeitgenössischen europäischen Adel. Das, was Mennel also mit der Fürstlichen Chronik zur Verfügung stellen soll, ist das Wissen darum, wie der Adel sich bessern kann. Dieses Wissen zieht er aus der Betrachtung geschichtlicher Überreste und aus den Geschichtswerken der Historiographen, die schon vor ihm Vergangenheit unter ihrem jeweiligen Blickwinkel aufgearbeitet haben.47 Eine Analyse des Gesamtwerkes der Fürstlichen Chronik, die ein Beispiel der habsburgischen gedechtnus ist, läßt einen Einblick in Maximilians Verständnis von adliger Vollkommenheit erwarten. Diese Vollkommenheit und der ewige Ruhm des habsburgischen Geschlechtes liegen in der Geschichte der eigenen Dynastie begründet48. Die Beispielhaftigkeit dieses Hauses legt nahe, die Vorrangstellung des Hauses Habsburg unter den anderen existierenden Adelsgeschlechtern aufzuzeigen.

1.4.1

Der Erkenntnishorizont einer Analyse des habsburgischen Heiligenlegendars

Über die Gründe, in der vorliegenden Arbeit nicht eine Gesamtanalyse der Fürstlichen Chronik zu unternehmen, sondern die Untersuchung auf das habsburgische Heiligenlegendar zu konzentrieren, sollen

Überlegungen

zum

mittelalterlichen

Verständnis

von

Heiligkeit

und

zu

den

Erkenntnismöglichkeiten, die eine Analyse des habsburgischen Heiligenlegendars49 bieten, Auskunft geben. Der Begriff des Heiligen ist in seiner Definition problematisch. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm macht dies schon durch die Länge des Artikels „heilig“ deutlich: Es gibt also keine feste Semantik des Begriffes, die über die Jahrhunderte hinweg gleichgeblieben wäre. Heilig verwende man, so informiert das Wörterbuch, für die göttlichen Personen, Engel, die Jungfrau Maria, die Apostel, Väter und Märtyrer der Kirche, die Propheten und die Erzväter des Alten Testaments. Alles, was mit den Protagonisten der Bibel, den Verkündern und Interpreten des christlichen Glaubens zusammenhängt, erhält folglich das Prädikat heilig. Ebenfalls sind die Handlungen, die von diesen heiligen Personen ausgehen, und auch das, was nach ihrem Ableben von ihnen übrigbleibt, heilig.50 Leider erschöpft sich der Gebrauch von heilig nicht in der Heilsgeschichte. Die profane Geschichte greift ebenfalls zum Wort heilig, wenn es um die Patrone 47 48

49

50

Vgl. dazu ebd., fol. 3rff. Vgl. zu der Funktion des Mythos in der Politik Gehrke, H. J.: Mythos, Geschichte, Politik – antik und modern. In: Saeculum, 45 (1994), S. 239-264, insbes. S. 241. Über Sinn und Zweck der Legendenforschung im allgemeinen vgl. Graus, F.: Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit. Prag 1965. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 4,2, Leipzig 1877; Sp. 827-837. Heyne, M.: Heilig adj. und adv., sancte. In: Die Diskussion um das „Heilige“ (Wege der Forschung, 305). Darmstadt 1977, S. 3-26, S. 6f.

15 und Eigentümer einer geweihten Stiftung geht51. Die Heiligkeit eines Menschen ist hier konkret überprüfbar. Sie ist an das Gebäude gekoppelt, das von dem jeweiligen Heiligen gestiftet wurde. Das Adjektiv heilig wird auch Personen zugesprochen, die sich „in Denken und Tun den Vorschriften der Religion streng unterordnen, von Sünde frei und in Folge dessen verehrungswürdig sind, sowie deren Leben und Wirken.“52 Das Attribut heilig ist also nicht normativ, sondern liegt im Ermessen desjenigen, der es einer Person zuordnet. Für Mennel bedeutet das, der Einschätzung von ‚heilig’ gerecht werden zu müssen, wie sie sein Auftraggeber, Maximilan I., vertrat. Die Zusammenstellung der Heiligentypen im Habsburger-Legendar beantwortet daher die Frage nach den Wertvorstellungen Maximilans I., die er als genuin ‚habsburgisch’ betrachtete. Es muß als sicher gelten, daß Jakob Mennel Augustins Vorstellung von Heiligkeit bekannt war. Immerhin zitiert er dessen Werk De civitate Dei am Anfang seiner Ausführungen der Vorred53, in dem sich Augustinus im 22. Buch über das Wesen der Heiligkeit Gedanken macht. Darin schreibt er von einem „populus“, einem „Kader“ von Menschen, die von Gott während ihres irdischen Daseins dazu auserwählt wurden, die Bürgerschaft des Gottestaates zu erhalten. Diese seien die „Sancti“, die „Heiligen“. Gott habe ihnen eine „sancta voluntas“54 eingegeben, die sie allerdings in einen Zwiespalt kommen lasse: Sie wollten zwar vieles bewirken, letztendlich aber fehle ihnen die Kraft dazu. Da sie als Menschen den Grenzen ihres Körpers unterworfen sind, als Gotterwählte aber teil am göttlichen Willen haben, der über ihre menschlichen Grenzen hinausgeht, sind die Heiligen vor ihrem Tod folglich Menschen im steten Dilemma zwischen Körper und Geist. Mit dem Tod ist diese Grenze aufgehoben und ihr Grab wird zu einem Ort, an dem die Kraft der Heiligen sich im besonderen Maße kundtut. Dem Heiligengrab wird demnach eine wunderbare Wirkung zugesprochen: Dem Leib des Heiligen, beziehungsweise seinen Reliquien – seien es einzelne Knochen oder auch nur Kleidungsstücke – wohnt eine „moralisch gute Kraft“, die „virtus“, inne, die dem Gläubigen am Grab des Heiligen zuteil wird.55 Am Grab des jeweiligen Heiligen gedenkt man nicht vorrangig seines Lebens, sondern eher seines Todes. Auch hier bietet diese Art der Erinnerung die Möglichkeit zur Identifikation: Der Heilige oder die Heilige ist als Märtyrer/in, Jungfrau, König/in, Ritter in den Tod gegangen – der Besucher des Grabes steht unter dem Druck, das verlorene Leben des Heiligen auf seine Weise in der eigenen Gegenwart wieder einzuklagen.56 Eine Analyse der habsburgischen Heiligengräber, wie sie Mennel in den jeweiligen Legenden 51 52 53 54 55 56

Heyne, Heilig, S. 11. Ebd. S. 17. Vgl. cvp 3072*, fol. 1v. Aurelius Augustinus: De civitate Dei. Libri 11 - 22 (CCL, 48). Turnholti 1955, lib. 22, c. 2, Z. 29 f. Vgl. dazu Angenendt, A.: Heilige und Reliquien. München 1994, S. 154 ff. Reinhart Koselleck verweist in diesem Zusammenhang auf das treffenden Sprichwort: „Mortui viventes obligant“. Vgl. dazu die Überlegungen zu den Heldengräbern des Ersten Weltkrieges Koselleck, R.: Kriegerdenkmale als Identitätsstiftungen der Überlebenden. In: Identität (Poetik und Hermeneutik, 8), hrsg. von Odo Marquard und Karlheinz Stierle. München 1979, S. 255-276, S. 256.

16 angibt, würde damit Aufschluß über jene Orte geben, die Maximilian für besonders bedeutsam hält. Da diese Gräber ihre Besucher auf die vorbildlichen Heiligen des Hauses Habsburg verwiesen, waren sie folglich Orte, die beständig an die Vortrefflichkeit dieser Dynastie erinnerten und ihre führende Stellung unterstrichen. Der Heilige braucht nach Augustin zwei Dinge, um heilig sein zu können: Gottes Gnade, die ihn am göttlichen Willen teilhaben läßt, und die Kommunikation mit Gott im Gebet, um die Grenzen seines Menschseins zu überwinden. Gottes Antwort spiegelt sich in allem wider, was auf Erden geschieht, da alles nach Gottes Willen geschieht. Es entsteht ein Universum von Symbolen, deren Interpretation Gottes Willen für die Menschen erkennbar macht. Alle Symbole stehen in Beziehung zueinander. Das erste Ziel ihrer Interpretation ist es, diese Beziehungen zu erkennen. Der Heilige hat dafür die besten Voraussetzungen, da er ja teilhat am göttlichen Willen, der hinter den einzelnen Symbolen steckt. Er besitzt die Erkenntniskraft, die intelligentia, Symbole zu entschlüsseln. Der Heilige ist – nach mittelalterlichem Verständnis - ein Wissenschaftler.57 Er vermittelt durch seine Interpretation der Zeichen, die in der Welt sichtbar sind, den Mikrokosmos mit den Makrokosmos. Demnach wird dort göttlicher Wille gegenwärtig, wo Heilige ihr Leben verbracht und, wie im Falle der habsburgischen Heiligen, Stifte oder Klöster gegründet haben, wo nach ihrem Vorbild die Welt interpretiert und ihr Hilfe zuteil wird. Eine Zusammenstellung der in Mennels Legendar ausdrücklich genannten habsburgischen Stifte und Klöster würde einen Überblick über jene Orte und Regionen geben, in denen es Maximilian offensichtlich darauf ankam, seine Dynastie präsent zu halten und so ihre herausragende Stellung zu demonstrieren. Stifte sind wie Klöster geistliche Kooperationen und ihre Kirche.58 Ein Stift, das, anders als ein Mönchskloster, nicht reguliert sein mußte, konnte an jeder Kirche entstehen, die genügend Vermögen besaß, um mehrere Kleriker beziehungsweise Kanonissen zu unterhalten. Diese hatten die Aufgabe, Chorgebet und Messe gemeinsam und feierlich zu gestalten und das Gedächtnis des Gründers zu pflegen, seines Lebens und Wirkens zu gedenken und in seinem Sinne zu handeln. Die Präsenz derHeiligen und das Gebet der Kanoniker oder Kanonissen schützte wie eine spirituelle Mauer die Stadt, in der oder bei der das Stift errichtet worden war.59 An diesen knappen Informationen zeigt sich schon, daß ein Stift wie auch ein Kloster prospektiv und retrospektiv wirken. Eine christliche Gemeinschaft gedenkt des Stifters und seiner Taten – das ist die retrospektive Dimension –, und sie bewirkt durch ihr tägliches Gebet, daß ein konkreter, geographisch bestimmbarer Raum vor künftigen 57

58 59

Mißlichkeiten geschützt wird – das ist die

Foucault schreibt über den Anspruch mittelalterlicher ‚Wissenschaftler‘: „Erkennen heißt […] interpretieren: vom sichtbaren Zeichen zu dem dadurch Ausgedrückten gehen, das ohne das Zeichen stummes Wort, in den Dingen schlafend bliebe.“ Vgl. Foucault, M.: Die Ordnung der Dinge, S. 63. Vgl. Crusius, I.: Art. Stift. In: LdMa, 8. Sp. 171-173. Ebd., S. 172.

17 prospektive Dimension. Stifte und Klöster konkretisieren das Phänomen des Numinosen räumlich, wie es in der zeitlichen Dimension die Festtage tun. Es steht aus zu klären, weshalb Heilige überhaupt Wunder vollbringen müssen. Augustin sieht den Grund für diese Erweiterung des Wirkungsfeldes eines Heiligen in einem Kommunikationsdefizit zwischen Mensch und Gott. Grundsätzlich ginge es Gott darum, so Augustin, den Menschen glaubhaft zu machen, daß der irdische Leib Christi in den Himmel aufgefahren sei 60. Die Heiligen hätten dabei die Aufgabe, mit ihren eigenen Wundern dieses Wunder Christi zu bestätigen: „Nam facta esse multa miracula, quae adtestarentur illi uni grandi salubrique miraculo, quo Christus in caelum cum carne in qua resurrexit, ascendit, negare non possumus“61. Ihr Wirkungszweck ist es also, das Wunder von Christi Himmelfahrt, das sich a priori außerhalb jeglicher menschlicher Erfahrung und Logik befindet und daher zwingend von der Vernunft abgelehnt werden muß, rational faßbar zu machen: „Possem quidem dicere necessaria fuisse, priusquam crederet mundus, ad hoc ut crederet mundus“62. Da die Struktur eines Wunders sich dem verweigert – sobald sie es nicht mehr täte, würde es sich nämlich um ein erklärbares Ereignis und nicht um ein Wunder handeln –, läßt der Heilige diese Struktur unberührt und verlagert seine Energie auf ein Experiment: Er wiederholt so oft Wunder, bis sein Zuschauer gezwungen ist, an das unlogische Geschehen zu glauben. Der Heilige bewirkt dies durch einen logischen Kniff: Er überdeckt die innere Unlogik der Wunder durch eine äußere Logik, mit der er das Wunder versieht. Indem er unlogische Ereignisse immer wieder wiederholt, gibt er ihnen den Anschein, überprüfbar zu sein. Die Wunder werden zu Experimenten in stets wechselnder Versuchsanordnung, aber immer mit dem gleichen Ergebnis: Das Wunder der Himmelfahrt Christi hat sich vollzogen, da es ein Wunder ist wie alle anderen Wunder, die immer wieder bei Heiligen beobachtet werden können. Das Ergebnis ist das Vertrauen der Zuschauer von Wundern in die Richtigkeit der Aussagen der Heiligen Schrift. Auf diese Weise begründen Heilige mit ihren Wundern die „fides“63 der Christen. Es gibt also zwei Kategorien von Wundern, die Augustin beschreibt. Zur ersten Kategorie gehören all jene Wunder, von denen die Heilige Schrift, die sacra historia, berichtet, insbesondere die leibliche Auferstehung und Himmelfahrt Christi. Die andere Kategorie faßt die im Namen Jesu gewirkten Wunder der Heiligen zusammen, die den Glauben verbreiten und festigen. Sie stehen in der Nachfolge Christi sie beglaubigen die Wunder der historia sacra und sind deren gegenwärtige Symbole. Die Heiligen und deren Lebensbeschreibungen verbinden also grundsätzlich die Geschichte ihrer Zeit mit der historia sacra. Die Analyse des habsburgischen Heiligenlegendars läßt darum

Maximilians

Interpretation der Geschichte seines Hauses auf der symbolhaften Ebene der Wundererzählungen 60 61 62 63

Aurelius Augustinus: De civitate Dei, lib. 22, c. 5, Z. 39 f. Ebd., lib. 22, c. 8, Z. 17 ff. Ebd., lib. 22, c. 8, Z. 2 f. Ebd., lib. 22, c. 8, Z. 22.

18 erkennen. Die Untersuchung des Heiligenlegendars wird sich folglich immer mit einer Analyse der gesamten Fürstlichen Chronik decken. Augustin verweilt mit seinen weiteren Überlegungen zu Eigenart und Funktion des Wunders in seiner Gegenwart. Er unterscheidet sie bezüglich des Bekanntheitsgrads (claritas, gloria64) von den Wundern der Heiligen Schrift, die überall vorgetragen würden und im Gedächtnis aller Völker hängen blieben. Genau das bieten die gegenwärtigen Wunder nicht. Zwei Umstände vereiteln ihren Weg zum Weltruhm: Zunächst würden sie kaum am Ort ihres Geschehens von den Bürgern, die dort leben, als solche wahrgenommen werden. Und wenn sie dann schließlich doch noch von wenigen wahrgenommen würden, versäumten diese es, das Geschehene anderen weiterzuberichten. Diese beiden Kommunikationshemmnisse sind es also, die den gegenwärtigen Wundern jegliche „Einflußmöglichkeit“, die „auctoritas“65 nehmen. Dabei ist diese auctoritas in Glaubensdingen zentral. Sie kann nämlich „Glaubenszweifel“ und „Beschwerlichkeiten“ beim Nachvollziehen der Wunder , die „dubitatio“ und „difficultas“, überwinden. Wieder wird das Scheitern der Vernunft an den Wundern durch die Wiederholung aufgefangen, diesmal aber nicht durch die Wiederholung auf der diachronen Ebene, also die zeitlich hintereinander immer wieder auftretenden Wunder, sondern durch die Wiederholung auf der synchronen Ebene, die gleichzeitige Bestätigung der Wunder aus dem Munde aller Völker. Wenn Maximilian also ein Heiligenlegendar besitzen wollte, das mehr als nur eng begrenzten Einfluß ausüben könntet, so mußte er auch solche Heilige in die Reihe der habsburgischen Heiligen aufnehmen lassen, deren Kult bereits weit unter den Völkern vertreten ist. Wollte er bei bestimmten Völkern bewirken, daß das habsburgische Legendar Autorität erlangte, so mußte er darauf achten, daß er auch jene Heiligen berücksichtigte, die bei diesen Völkern verehrt werden. Eine Analyse der Herkunft und der Hauptkultorte der Heiligen im habsburgischen Heiligenlegendar wird demnach zeigen können, welche Völker Maximilan I. durch seine Heiligen, die er dem Hause Habsburg ansippen ließ, mit dem Haus Habsburg solidarisieren wollte.

1.5 Vorgehensweise Diese Überlegungen bilden die Grundlage für die Vorgehensweise der folgenden Analyse des Legendars der habsburgischen Heiligen im Hinblick auf das Selbstverständnis Maximilians I. und dessen Repräsentation durch Jakob Mennel.

64 65

Ebd., lib. 22, c. 8, Z. 28. Ebd., lib. 22, c. 8, Z. 35.

19 Es wurde im Zusammenhang mit den Überlegungen Foucaults zur Repräsentation der klassischen Repräsentation Untersuchung

einer

in einem Bild des Maler Valesquez schon festgestellt, daß die

Chronik,

die im Auftrage eines

Herrschers

abgefaßt

wird,

ein

Herrscherverständnis bietet, das zweimal gebrochen ist: Einmal durch die Selbstsicht des Herrschers, der sein Bild und das seiner Dynastie nach rationalen Überlegungen entwirft, und ein weiteres Mal durch die Sicht des Autors, der den Auftrag nach den Vorgaben des Auftraggebers zwar entwirft, diesen Entwurf jedoch auch seinerseits wieder aufgrund eigener Erfahrungen, den Ergebnissen der Recherche und dem eigenen Könnens modifiziert. Die Rahmenbedingungen, die Mennel von Seiten Maximilians I. gestellt wurden, müssen sich folglich in der Auswahl der Heiligen widerspiegeln, da diese Auskunft darüber gibt, was Maximilian darzustellen in Auftrag gab – genauso wie Phillip V. sich mit Frau und Tochter auf einem Bild dargestellt sehen wollte – , um darin sein Verständnis des Hauses Habsburg präsentiert zu sehen. Daher richtet sich das erste Kapitel der vorliegenden Untersuchung auf den formalen Aufbau des Heiligenlegendars und dessen Interpretation. Daß die Wahl des Familienoberhauptes der Habsburger für das Abfassen der Fürstlichen Chronik gerade auf Jakob Mennel fiel, legt die Frage nach den Qualifikationen nahe, die Maximilian I. bei Mennel zur Erfüllung dieser Aufgabe gegeben sah. Ihrer Darstellung gilt ein weiteres Kapitel dieser Arbeit. Die zweite Voraussetzung, die mit der Qualifikation Jakob Mennels für das Amt des kaiserlichen Hofhistoriographen in engem Zusammenhang steht und seinen Arbeitsrahmen bestimmte, ist die Frage nach den Informationen, die ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe zur Verfügung standen. Damit stellt sich die Frage nach den Vorarbeiten, die von Maximilian I. schon vor der Indienstnahme Jakob Mennels veranlaßt wurden, und die eigenständigen Rechercheleistungen Jakob Mennels. Ein weiteres Resultat dieser Fragestellung wird eine Zusammenstellung von Quellen sein, die Mennels Legenden entweder nachweislich zugrundelagen oder deren Kenntnis aufgrund der Vorgehensweise Mennels bei der Recherche zum Legendar erschlossen werden kann. Inwiefern Jakob Mennel mit seiner Legendenfassung von 1514, die zum ersten Mal sein Verständnis von Maximilians Auftrag präsentiert, den Ansprüchen seines Auftraggebers entsprach, wird ein Vergleich dieser Legendarfassung mit der nachfolgenden Fassung von 1518 erweisen. Dieser Vergleich wird Aufschluß über Mennels Recherchearbeit zwischen 1514 und 1518 sowie über die Hauptaussageintention des habsburgischen Legendars geben. Nach diesen Betrachtungen wird eine neue Würdigung der Forschungstätigkeit Jakob Mennels möglich sein. Da sich die Analyse der vorliegenden Arbeit auf das Legendar der Habsburger- Heiligen der Fürstlichen Chronik konzentriert, bietet die Analyse von Mennels Angaben zu Herkunft und Grabstätte einzelner Heiliger einen Überblick über jene Gebiete, in denen Maximilian die Gegenwart und womöglich die Herrschaft des Hauses Habsburg demonstrieren und sichern wollte.

20 Das Heiligenlegendar bietet die Chance, über die Analyse der Todes- beziehungsweise Festangaben zu einzelnen Heiligen eine eigens für das Haus Habsburg entworfene Liturgie zu rekonstruieren. Die hier aufgeführten Heiligen werden im dazugehörigen Festkalender des Hauses Habsburg, der aus dem Jahre 1514 stammt, noch einmal in komprimierter Form vorgestellt. Dieser Heiligenkalender wurde den Rittern des St. Georgs-Ordens zugedacht, die als Ordensmitglieder eines von Maximilian I. gegründeten Ordens ihre Liturgie nach diesem Kalender ausrichteten. Damit dieser Kalender für die St. Georgs-Ritter verbindlich werden konnte, mußte Maximilian im Gegenzug die Kulte der Regionalheiligen seiner Ordensmitglieder zitieren. Im Umkehrschluß ergibt folglich eine Untersuchung der Regionalverehrung einzelner Habsburger-Heiliger, die in diesem Kalender aufgeführt werden, eine Übersicht über die Rekrutierungsregionen der St. Georgs-Ritter. Eine Aussage über die Werte, die diese Ritter pflegen sollten, wird eine inhaltliche Analyse ausgesuchter Legenden ermöglichen.66 Auf diesen Erkenntnissen basierend werden begründete Aussagen zur Intention des habsburgischen Heiligenlegendars, zur Arbeitsweise Jakob Mennels, zur Einschätzung Mennels als Historiograph, zum Selbstverständnis Maximilians I. und zu seine Vorstellungen über den St. Georgs-Orden möglich sein.

2

Historiographische Studien am Hofe Maximilians I.

Es ist immer wieder betont worden, daß Kaiser Maximilian I. sich im besonderen Maße der historiographischen Forschung zugetan fühlte.67 Besonders Ladislaus Sunthaym68, der an späterer Stelle dieser Arbeit noch ausführlich behandelt wird, war zusammen mit Johannes Cuspinian mit dieser Forschung betraut worden. Was Maximilian I. unter anderem unter historiographischem Arbeiten verstand, läßt sich einem Hinweis in seinem Gedenkbuch aus dem Jahre 1502 entnehmen, wo er folgenden Auftrag an Sunthaym festhielt: „Herr Lasla priester soll die oesterreichisch, sächsisch und bairisch chroniken zusammenstimmen.“69 Maximilian ging es nicht darum, Sunthaym 66

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69

Einen Einblick in die spätmittelalterliche Verehrung der Heiligen und deren Wertschätzung als „heiliges Unterpfand“ einer Region und Vorbild für die Tugenden der dort lebenden Menschen bietet - am Beispiel der Stadt Köln - Legner, Anton: Kölner Heilige und Heiligtümer. Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur. Köln 2003. Einen Überblick über die Heiligenverehrung in Frankreich des Spätmittelalters bietet Centre National de la Recherche Scientifique [Paris]: Hagiographique et culte des saints en France méridionale: (XIIIe-XVe siècle). Simon Laschitzer hat ausführlich in seinem noch heute grundlegenden Aufsatz über die genealogischen Forschungen am Hofe Kaiser Maximilians I. berichtet, Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., S. 12 ff. Die jüngste Arbeit über die Arbeit der Gelehrten am Hofe Maximilians I. stammt von Müller, J.-D.: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur Geschichte der älteren Deutschen Literatur, 2). München 1982. Einen Überblick über die historiographischen Werke, die unter der Regie Maximilians I. am Wiener Hof verfaßt wurden, gibt Ders.: Art. Kaiser Maximilian I. In: VL, 6. Sp. 204-236. Ladislaus Sunthaym (1440-1513), vgl. dazu die jüngste Übersicht über dessen Leben von Stelzer, W.: Art. Sunthaym, Ladislaus. In: VL, 9. Sp. 537-542. Zitiert nach Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 7 (1888), S. 3.

21 eine ‚neue Geschichte‘ schreiben zu lassen, sondern er erwartete von seinem Historiographen, daß Aussagen veschiedener Autoren, die sich bislang mit der zeitlichen Aneinanderreihung von geschichtlichen Ereignissen70 einzelner ‚gentes‘ wie der Österreicher, Sachsen und Bayern beschäftigt hatten71, aufeinander abzustimmen. Da die genannten Völker zum deutschen Reich zählten, ging es Maximilian bei den historiographischen Arbeiten wohl um die Verschmelzung der Einzelgeschichten der ‚gentes’ zu einer einheitlichen deutschen Geschichte. Nicht mehr die Person eines königlichen oder fürstlichen Herrschers, eines Bischofs oder eines Klosters stand im Mittelpunkt des historiographischen Interesses, wie es noch bei den mittelalterlichen Verfassern von Kloster- und Herrscherchroniken, die im Auftrage von Herrschern arbeiteten72, der Fall war, und die Darstellung von ‚Wahrheit‘, wie sie noch von Isidor von Sevilla mit dem Satz „Historiae sunt res verae quae factae sunt“ eingefordert wurden, hatten hier nicht mehr oberste Priorität.73 Ziel war es vielmehr, eine Vergangenheit zu konstruieren, in der verschiedene ‚gentes‘ einen Teil ihrer eigenen Geschichte wiederfinden konnten. Sie sind Teil einer Nation, die sich über eine gemeinsame Geschichte ihrer ‚gentes‘ definiert.74

2.1 Die Bedeutung der Fürstlichen Chronik unter den habsburgischen Geschichtswerken So sammelten sich gerade Humanisten am Hofe Maximilians I., die - wie die Tübinger Humanisten Heinrich Bebel und Johannes Naukler, der auch Lehrer Mennels in Tübingen gewesen war - sich in ihren historiographischen Werken über den Ursprung der Germanen, Gedanken gemacht hatten, die sie mit den Deutschen gleichsetzten. Auch Mennel hatte die Auseinandersetzungen der Humanisten, 70

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Vgl. zur mittelalterlichen Unterscheidung von ‚historia‘ und „cronica‘ die Ausführungen von Müller, M.: Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung: Überlieferung und Entwicklung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 44). Köln, Weimar, Wien 1998. S. 2 f. Grundlegend dazu Manselli, R.: Art. Chronik. In: LdMa, 2. Sp. 1960-1971. Zu der Definition von ‚cronica‘ siehe ferner Kerksen, N.: Geschichtsschreibung im Europa der ‚nationes‘. Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellung im Mittelalter. Köln, Weimar, Wien 1995. S. 2 ff. Die uns heute bekannten sächsischen, österreichischen und bayerischen Chroniken des Spätmittelalters suchten nach dem jeweiligen Ursprung der einzelnenVölker. Daher scheint die Verwendung des Begriffes ‚gens‘ gemäß der Definition Arnold Angenendts als „Volk eines einzigen Blutes“, das mit den Begriffen ‚natio‘ und ‚gens‘ bezeichnet worden sei. Vgl. dazu Angenendt, A.: Der eine Adam und die vielen Stammväter. Idee und Wirklichkeit der origo gentis im Mittelalter. In: Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation, hrsg. von Peter Wunderli (Akten des Gerda-Henkels-Kolloquiums, Düsseldorf, 13.-15. Oktober 1991. Sigmaringen 1994. S. 27-52. So verhält es sich dagegen in der karolingischen Annalistik und Chronologie. Vgl. zu der Entwicklung von Chroniken, insbesondere Bistumchroniken im Hochmittelalter Schlochtermeyer, D.: Bistumschroniken des Hochmittelalters. Die politische Instrumentalisierung von Geschichtsschreibung. Paderborn, München, Wien, Zürich 1998. Zur Funktion mittelalterlicher Fiktionen von Historiographie und ihrem Erkenntnispotential für die heutige Forschung vgl. Althoff, G.: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986. Teil 1. Kongreßdaten und Festvorträge: Literatur und Fälschung. Hannover 1088. S. 417-441. Zum Begriff von ‚Nation’ an der Wende zur Frühen Neuzeit vgl. grundlegend Münkler, H.; Grünberger, H.; Mayer, K.: Nationenbildung. Die Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller. Italien und Deutschland (Politische Ideen, 8). Berlin 1998.

22 insbesondere die Jakob Wimpfelings und Nauklers, über den Ursprung der „Deutschen“ verfolgt; er hat beide im Quellenverzeichnis der Fürstlichen Chronik angeführt und Naucler bei seinen Überlegungen zur Herkunft der Franken erwähnt.75 Der kaisernahe Schriftsteller Heinrich Bebel sprach ganz nach Manier deutscher Humanisten den Franzosen ihre trojanische Abkunft, die sie als besonders ehrwürdiges Volk ausweisen sollte, ab 76 und wies damit die Deutschen als überlegen gegenüber ihren französischen Nachbarn aus. Die zahlreichen Auflagen des Bebelschen Werkes zu diesem Thema, das 1504 in Pforzheim in der Werkstatt von Thomas Anshelm gedruckt wurde,77 sind nur ein Beispiel für das große Interesse, das gerade der Frage von Nation und Abkunft in den Jahren vor dem Beginn der historiographischen Forschungen Jakob Mennels im Jahre 1505 entgegengebracht wurde. Historiographie hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ihre Zweckbestimmung in der Darlegung von „außerweltlichen Wahrheiten“78 im Dienste der Theologie, sondern sah ihre Aufgabe in der Konstruktion einer gemeinsamen Vergangenheit, die aus humanistischer Sicht eine Nation konstituieren sollte. Wenn Maximilian allerdings eine habsburgische Herrschaft legitimieren wollte, die sich spätestens seit der spanischen Heirat nicht mehr nur auf das Reich deutscher Nation beschränkte, aber dennoch von den Deutschen mitgetragen werden sollte, so mußte er auch zu den nationalen Gedanken Stellung nehmen.79 Eine Geschichtsschreibung, die sich um 1500 der Erforschung der habsburgischen Vergangenheit verschrieben hatte, konnte daher von dieser Entwicklung nicht unberührt bleiben. Mit der Förderung der Habsburger-Forschungen betrat Maximilian historiographischen Boden, den sein Vater, Friedrich III., in groben Umrissen schon abgesteckt hatte.80 So hatte Friedrich III. dem Historiographen Thomas Ebendorfer im Jahre 1449, dem Jahr der Übernahme seiner Regierungsgeschäfte als römischer König, aufgetragen, eine lateinische Kaiserchronik, den Liber augustalis, abzufassen; wenig später, in den Jahren 1451 bis 1464, war Ebendorfer damit beschäftigt, die Cronica Austrie, die Geschichte Österreichs, zu Papier zu bringen. Friedrich III. hatte damit der Erforschung der Landesgeschichte Österreichs81, die von den österreichischen 75 76

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78

79

80

81

Vgl. cvp 3072*, fol. 35r/v. Vgl. dazu die Zusammenstellung der humanistischen Meinungen zur trojanischen Abkunftstheorie Münkler, H.; Grünberger, H.; Mayer, K.: Nationenbildung, S. 236 ff. Heinrich Bebel: Germani sunt indigenae. Pforzheim (Thomas Anshelm) 1504. Vgl. dazu im VD 16 B 1189, B 1194, B 1204, B 1225, B 1227, B 1237, B 1240, B 1242. Über die erinnernswerten Taten der Deutschen wurde im Jahre 1509 in Pforzheim ebenfalls gedruckt Ders.: De laude, antiquitate, imperio, victoriis rebusque gestis veterum Germanorum. Pforzheim (Thomas Anshelm) 1509 (VD 16, B 1230). Zur Gegenüberstellung mittelalterlicher Geschichtsauffassung und dem Historiographieverständnis der Humanisten vgl. Muhlack, U.: Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus. München 1991. S. 72. Vgl. dazu ebd., S. 47. Zur Zurückhaltung Maximilians I. gegenüber der nationalen Geschichtsschreibung und dem gleichzeitigen Druck, zum nationalen Gedanken Stellung nehmen zu müssen, vgl. Mertens, D.:‚Landesbewußtsein‘ am Oberrhein zur Zeit des Humansimus. In: Die Habsburger im deutschen Südwesten. Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs, hrsg. von Franz Quarthal u. Gerhard Faix. Stuttgart 2000. S. 199-216, bes. S. 209. Über die historiographischen Forschungen, die auch schon unter Friedrich III. betrieben wurden, vgl. Lhotsky, A.: Apis Colonna. In: Aufsätze und Vorträge, 2. München 1971. S. 7-102. Beispielsweise schrieb Jakob Unrest eine Geschichte Kärntens und eine österreichische Zeitgeschichte, die bis in das Jahr 1488 reichte. Vgl. dazu Lorenz, O.: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter: seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Graz , unveränd. fotomechan. Nachdr. der 3., umbearb. Aufl., Berlin 1886/87, S. 286.

23 Anfängen der Habsburger erzählte, und der Kaisergeschichte, in der das Haus Habsburg nach der Kaiserkröning Friedrichs III. im Jahre 1452 auch seinen Platz hatte, gefördert. Friedrich ließ Bücher sammeln und in die Wiener Hofbibliothek zusammentragen. Die Frage, ob Friedrich dabei ein „inneres Verhältnis zum Inhalte der Bücher“82 aufbaute, scheint vor dem Hintergrund der Erkenntnis, daß er damit dem späteren nachweisbaren Sammeleifer seines Sohnes eine Grundlage bot, unerheblich. Denn offensichtlich erkannte schon der Vater vor seinem Sohn, daß ein Adelsgeschlecht, das die höchste Herrschaftgewalt im Reich innehatte, grundlegende Kenntnisse von der eigenen und von der Geschichte der Amtsinhaber der höchsten weltlichen Würde in der Christenheit, der Kaiserwürde, haben muß. Während die Bibliothek Friedrichs III. ihren Schwerpunkt noch nicht auf historiographischen Werken, sondern auf erbauliche Literatur gelegt hatte83, verschob sich diese Gewichtung bei Maximilian

auf

historiographische

Werke.84

Wichtigstes

Zeugnis

von

Maximilians

historiographischen Bestrebungen geben wiederum seine Gedenkbücher, in denen er seine literarischen Projekte und Werke verzeichnen ließ, die er für zentral für die Wahrung der gedechtnus erachtete. Gedechtnus nannte er das, was das Bild der habsburgischen Dynastie aus der Perspektive Maximilians I. für die Nachwelt formen sollte. Dazu gehörten von ihm angeregte Dichtungen, Geschichtswerke, Editionen und Übersetzungen, die das Reich und das Kaisertum thematisierten.85 So ist es nicht verwunderlich, daß sein Geheimschreiber Marx Treitzsauerwein im Jahre 1512 ein Bücherprogramm des Kaisers niederschrieb, worin sowohl autobiographische Schriften Maximilians I., wie der Frydal, der Weisskunig und der Theuerdank, sowie Pläne für genealogische Arbeiten zum Hause Habsburg erwähnt wurden. Maximilians „wahrhaft kaiserliche Munificenz“86, mit der er diese Arbeiten entlohnte, belegt die hohe Wertschätzung der gedechtnus für die Zukunft des habsburgischen Geschlechts. Es ist daher plausibel, daß es Maximilian I. bei den historiographischen Forschungen darum ging, sich mit den Sammlungen zur Reichs-, Landes– und Dynastiegeschichte einen fundierten Überblick über die Möglichkeiten von Rechtsprechung und Verwaltung zu schaffen. Zweifeln und Kritik konnte er so die Tradition der Habsburger entgegenstellen.87 Der Habsburger hielt sich damit an die mittelalterliche Auffassung, daß jenes Recht, was man durch Nachforschungen in der Geschichte gefunden habe, das ‚gute Recht‘, sei. 82

83

84

85 86 87

Lhotsky, A.: Wissenschaft und Bildung in Niederösterreich. In: Europäisches Mittelalter. Das Land Österreich (Aufsätze und Vorträge, 1). München 1970. S. 315-343. Lhotsky sieht in der Bibliothek Friedrichs III. weder einen Leitgedanken, noch ein Auswahlprinzip noch ein bestimmtes Bildungsideal ausgedrückt. Seine Büchersammlung zu Fragen der Theologie und mit dem Thema der Andacht habe Friedrich auch nur ererbt. Insgesamt sieht Lhotsky in der Büchersammlung Friedrichs noch keinen „Ausdruck und Beweis intellektueller Neigung“, die ihn auch dazu bewegt haben könnten, sich intensiv mit der Reichsgeschichte auseinandergesetzt zu haben. Vgl. dazu Lhotsky, A.: Die Bibliothek Kaiser Friedrichs III. In: Das Haus Habsburg (Aufsätze und Vorträge, 2). S. 223-238, S. 236. Zu der „humanistischen Hofgeschichtsschreibung“ unter Maximilian I. vgl. Joachimsen, P.: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung ., S. 196ff. Müller, J.-D.: Art. Kaiser Maximilian I. In: VL, 6. Sp. 209. Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., S. 3. Über die Funktion der Historiographie für die Rechts- und Verwaltungspraxis am kaiserlichen Hofe vgl. Müller, J.-D.: Gedechtnus, S. 56 f.

24 Dieses ‚gute Recht‘, das weder exakt datierbar noch in einem bestimmten Buch fixiert war, konnte die Ansprüche konkurrierender Adelsgeschlechter abwehren. Stets blieb nämlich das ‚alte Recht‘ der Habsburger gegenüber dem ‚neuen Recht‘ siegreich.88 Wenn ein Historiograph also das ‚alte Recht‘ der Habsburger auf die Vorherrschaft in Europa in deren

dynastischer

Herrschaftsansprüche

Geschichte

belegte,

konkurrierender

schaltete

er

Adlesgeschlechter

durch

diese

aus.

Damit

gedechtnus wurde

etwaige

Maximilians

Regierungszeit, in der die gedechtnus als Grundlage für diese rechtliche Sicherung der habsburgischen Ansprüche gelegt wurde, zu einer „Schlüsselzeit“ in der habsburgischen Geschichte.89

2.2 Das habsburgische Legendar in der Tradition von Heiligenlegendaren Vor Maximilian I. hatte noch kein Habsburger ein Legendar in Auftrag gegeben, das alle mit dem Hause Habsburg verwandten Heiligen in sich sammeln sollte. Betrachtet man jedoch die ‚Trendliteratur‘ um 1500, so nimmt es nicht mehr wunder, daß Maximilian auch die literarische Textgattung der Legende ins Auge faßte, um darüber habsburgische gedechtnus zu sichern. Legenden sind Berichte, die Heiligen gelten und in Legendaren gesammelt werden. 90 Zu der ersten Generation der Heiligenlegendare zählen die Sammlungen lateinischsprachiger Heiligenberichte, aus deren Auswahl Ende des 13. Jahrhunderts der Dominikanermönch und Erzbischof von Genua, Jacobus de Voragine, das im Mittelalter am weitesten verbreiteste Legendar, die lateinische Legenda Aurea91, verfaßte. Ihre große Beliebtheit spiegelt die Tatsache wider, daß sie im 14. und 15. schon mehr oder weniger komplett ins Deutsche übersetzt worden war.92 Die Legenda Aurea war kalendarisch angelegt und vermittelte Lehr- und Wissensinhalte der Dogmatik, Liturgie und Moral. Auch bot sie einen kleinen Abriß der Welt- und Kirchengeschichte. 93 Da ihre Legenden nach den Festtagen der beschriebenen Heiligen angeordnet waren, begleitete sie ihren Leser ‚per circulum anni‘, durch den Lauf eines Jahres. Oft war ihrem festen Stamm von überregional verehrten Heiligen eine Appendix von Legenden regionaler und lokaler Heiliger angefügt, wodurch 88

89 90

91

92

93

Die Theorie des ‚alten Rechts‘ war äußerst heikel, da man stets jenem recht, das man haben wollte, die Eigenschaft des ehrwürdigen Alters zusprach. Vgl. dazu ausführlich und mit Beispielen Kern, F.: Recht und Verfassung im Mittelalter. Basel 1953, S. 30 ff. Mertens, D.: Geschichte und Dynastie, S. 121. Zu der Definition von ‚Legende’ vgl. Philippart, G.: Art. Legendare. In: VL, 5. Sp. 644-657. Ferner Delehaye, H.: Die hagiographischen Legenden. Kempten, München 1907, S. 2ff. Jacobus de Voragine: Legenda Aurea: Vulgo historica Lombardica dicta, rec. T. Graesse. Repr. Phototypica. 3. ed. 1890. Osnabrück 1965. Die Legenda Aurea lag als Übersetzung im 15./16. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet achtmal, im niederländischen Sprachgebiet zweimal vor. Vgl. dazu die Angaben von Williams-Krapp, W.: Die deutschen und die niederländischen Legendare, S. 47ff. Zum Aussagehorizont und der Rezeption der Legenda Aurea vgl. Rhein, R.: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Die Entfaltung von Heiligkeit in ‚Historia‘ und ‚Doctrina‘. Köln, Weimar, Wien 1995.

25 ihre Lektüre auch für den lokal begrenzten Heiligenkult von Bedeutung wurde. Da ihr lateinischer Stil einfach gehalten war, konnte sie auch von wenig belesenen Lateinkundigen verstanden werden.94 Ende des 14. Jahrhunderts entstand, wahrscheinlich in Nürnberg, das deutschsprachige Legendar Der Heiligen Leben95, das einen Großteil seiner Legenden der lateinischen Legenda Aurea verdankte. Seit 1440 wurde dieses deutschsprachige Legendar auch im Südwesten des Reiches rezipiert. Sein großer Erfolg bewog den kaisernahen Historiographen Sebastian Brant, in Straßburg die lateinische Legenda Aurea neu zu übersetzten. Das daraus entstehende Legendar Der Heiligen Leben wurde gleich dreimal, nämlich 150296, 151097 und 1513 bei Johannes Grüninger in Straßburg gedruckt. An dieser häufigen Wiederauflage von der Heiligen Leben läßt sich die enorme Beliebtheit hagiographischer deutschsprachiger Lektüre nicht nur für den Südosten des Reiches, sondern auch für den Südwesten belegen. Bis zum Druck von Brants Der Heiligen Leben war die deutschsprachige sogenannte Elsässische Legenda Aurea im süwestdeutschen Raum das am meisten rezipierte Legendar gewesen. Auch sie basierte auf der lateinischen Legenda Aurea. Dieses nur in Handschriften vorhandene Legendar zeichnete sich durch eine Appendix aus, die insbesondere die Heiligenverehrung in der Diözese Konstanz berücksichtigte. Die noch heute insgesamt sechsunddreißig überlieferten Handschriften, die von dieser Version der Legenda Aurea-Version in Straßburg angefertigt wurden, bezeugen die große Beliebtheit der Elsässischen Legenda Aurea im südwestdeutschen Raum.98 Ihre Handschriftten befanden sich in monastischem, adligem wie auch in bürgerlichem Besitz und zeigen die Elsässische Legenda Aurea als ein Legendar, das wegen seiner leichten Verständlichkeit von allen Ständen rezipiert wurde und Brants Der Heiligen Leben offensichtlich nur aufgrund der Tatsache weichen mußte, daß es nie gedruckt wurde. 99 Als Maximilian I. im Jahre 1505 Jakob Mennel auftrug, die Fürstliche Chronik des Hauses Habsburg abzufassen, deren Teil das habsburgische Legendar ist, konnte er insbesondere am Erfolg des deutschsprachigen Legendars Der Heiligen Leben die Tendenz seiner Zeit ablesen, sich liturgischen Texten zuzuwenden und dabei lokalen Kulten einen hohen Stellenwert im täglichen Leben einzuräumen – gerade für den Südwesten des deutschen Reiches, in dem sich die habsburgischen Stammlande befanden Für Maximilian, dessen zentrales Anliegen es war, die gedechtnus zu schaffen, mußte die Stunde gekommen sein, auch Hagiographie, nicht nur Historiographie, in seine Dienste zu stellen. Sie bot ihm nämlich die Möglichkeit, nicht den Intellekt derjenigen, die sie lasen, zu beeinflußen, sondern 94

95

96 97 98 99

Die Legenda Aurea bot einen Stil, der sich „simple and direct“ an seinen Leser richtete, vgl. dazu Rhein, R.: Die Legenda Aurea, S. 17. Vgl. dazu einführend Kunze, K.: Art. Der Heiligen Leben. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. VL, 3. Sp. 617-627. Vgl. Williams-Krapp, W.: Die deutschen und die niederländischen Legendare, S. 123, Nr. 365. Ebd., S. 124, Nr. 368. Ebd., S. 47. Ebd.

26 auch die Kultträger bestimmter Regionen beispielsweise durch Prozessionen, Gedenkfeste und Reliquienaltäre für habsburgische Heilige auf das Herrscherhaus hin zu orientieren.100 Abgesehen von der Beliebtheit der Legendenliteratur im endenden 15. Jahrhundert, die Maximilians Entschluß, auch ein habsburgisches Legendar schreiben zu lassen, sicherlich bedingt hat, sah sich der Habsburger hauptsächlich in Zugzwang gegenüber anderen europäischen Dynastien, mit denen es um die Vormacht im deutschen Reich konkurrierte. Ferner galt es, die habsburgische Herrscherhauses als würdigen Nachfolger vergangener europäischer Herrscherhäuser zu belegen. Sei es beispielsweise das ungarische Königshaus der Arpaden101, das sich während seiner Regierungszeit des Kultes seiner heiligen Könige Stephan, Emerich, Ladislaus, Elisabeth von Thüringen

und

deren

Nichte

Margarethe

angenommen

hatte,

oder

das

brabantische

Grafengeschlecht, das seine heiligen Vertreter genealogisch zusammenstellen ließ102 - sie alle hatten das Bedürfnis, ihre Herrschaft an der Auserwähltheit ihres Geschlechtes aufzuzeigen, was am eindrücklichsten über eine Heiligenreihe Blutsverwandter des eigenen Geschlechts geschehen konnte. Es war nichts Ungewöhnliches, den Heiligen eines Adelsgeschlechts, in dessen Herrschaftstradition man sich wähnte, in die eigene Verehrung miteinzubeziehen – bei den Habsburgern war das beispielsweise mit den Babenbergern Leopold III. und Poppo von Babenberg, der schließlich sogar zum Schutzpatron der Habsburger anvancierte, geschehen.103 Der Habsburger Maximilian war, im Vergleich mit anderen europäischen Adelsgeschlechtern, also nicht originell mit seiner Idee, jene Personen zusammenstellen zu lassen, die als mit dem Hause Habsburg verwandt galten und im Ruf der Heiligkeit standen. Zumal hatten diesen Nachweis dynastischer

Spiritualität

schon

das Burgundische Königshaus

oder

die Luxemburger

unternommen, deren Tradition das Haus Habsburg nach den ehelichen Verbindungen mit diesen Adelshäusern104 weiterpflegen mußte. Daß diese Traditionspflege dadurch zu bewerkstelligen war, deren Heilige auch zu verehrten Heiligen des Hauses Habsburg zu machen, war für Maximilian nichts Neues gewesen. Die Merowinger, Ottonen und Karolinger105 hatten diese Strategie schon 100 101 102 103

104

105

Vgl. zu der enormen Wirkung von Heilige auf die Kultpraxis einer Stadt Legner, A.: Kölner Heilige, S. 24 ff. Die Arpaden stellten den König in Ungarn von 1000-1301. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 119. Zu der Verehrung des heiligen Poppo von Babenberg bei den Habsburger vgl. Schmid, W.: Poppo von Babenberg ( 1047), Erzbischof von Trier - Förderer des hl. Simeon – Schutzpatron der Habsburger. Trier 1998. Die Eherverbindung des Hauses Habsburg beispielsweise mit Luxemburg war mit der Heirat von Albrecht V von Habsburg und Elisabeth von Luxemburg hergestellt worden. Damit hatte das Haus Habsburg die Anwartschaft auf Böhmen und Ungarn erworben. 1438 wurde Albrecht dann schließlich zum deutschen König gewählt und damit war die deutsche Königswürde wieder bei den Habsburgern. Die Verbindung mit Luxemburg ist folglich eine der wesentli chen Grundlagen für die Vormachtstellung der Habsburger im deutschen Reich gewesen, und die Aufnahme der vom Hause Luxemburg verehrten Heiligen in den Habsburger Heiligenkult für die Habsburger verpflichtend. Vgl. dazu Wiesflecker, H.: Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreiches. München 1991. Zu den einzelnen Herrschern aus diesen Geschlechtern, die das Abfassen einzelner Viten und Darstellungen von heiligen Verwandten in Auftrag gaben, vgl. den heute noch grundlegenden Aufsatz von Hauck, K.: Geblütsheiligkeit. In: Liber Floridus. Mittellateinsiche Studien. FS Paul Lehmann zum 65. Geburtstag, hrsg. von Bernhard Bischoff und Suso Brechter. St. Ottilien 1950. S. 227-240. Dieses Phänomen mit besonderer Berücksichtigung Brabants behandelt auch Althoff, G.: Studien zur habsburgischen Merowingersage, S. 90ff.

27 angewandt, und auch der habsburgische Herzog, Rudolf IV. der Stifter, hatte es für zentral erachtet106, beispielsweise den Babenberger Markgrafen Leopold III. kanonisieren zu lassen und als Hausheiligen der Habsburger zu verehren, nachdem er die Tochter des Luxemburgers Karl IV., Katharina, 1354 geehelicht hatte; allerdings erst am 6. Januar 1485 wurde unter Friedrich III. dieses Anliegen endgültig durchgesetzt. Zweifellos ging es schon Rudolf darum, das Habsburger-Haus auch über seine Heiligen als ein Adelsgeschlecht vorzustellen, das mit Recht der deutschen Königskrone würdig war. Der Wiener Neustädter Altar, der 1447 fertiggestellt wurde, reflektiert dieses Streben der Habsburger nach dem Nachweis, nicht nur ein verehrungswürdiges Haus aufgrund eines Heiligen aus dem eigenen Geschlecht zu sein, sondern dabei auch noch sämtliche Landespatrone und Heilige anderer europäischer Adelsgeschlechter im habsburgischen vereint zu wissen, um die Habsburger zu einem allumfassenden Adelsgeschlecht mit Anspruch auf die kaiserliche Würde aufzuzeigen. Daher wurde auf diesem Altar unter der Devise Friedrich III. – Austriae Est Imperare Orbi Universo - Apostel, Evangelisten, Märtyrer, heilige Königinnen und Könige in Bezug zur habsburgischen Dynastie, der unter Friedrich III. das erste Mal die kaiserliche Würde zuteil geworden war, in Bezug gesetzt. 107 Maximilians Entschluß, ein habsburgische Heiligenlegendar abfassen zu lassen, ist folglich der weitere Versuch eines Habbsurgers, die Heiligen von Adelshäusern miteinander zu vereinen, unter denen Habsburg die Vormacht für sich beanspruchte. Daß er für dieses Vorhaben die literarische Form der Legendensammlung wählte, die um 1500 zur ‚Trendliteratur‘ zählte und ihm damit geläufig war, liegt nahe.

2.3 Die Aussageintention der Fürstlichen Chronik Die Fürstliche Chronik, und mit ihr das habsburgische Legendar, hatten ihre Entstehung weniger einer originellen Idee des deutschen Königs als der traditionellen Präsentation von Adelsgeschlechtern und der Vorliebe ihrer Zeit für historiographische Überlegungen zum ‚Ursprung der Germanen‘ und Hagiographie zu verdanken. Dennoch muß der Anlaß für Maximilian I., ein weiteres Mal habsburgische Geschichte aufzuarbeiten, in einer neuen Gewichtung von Aussagen in der Fürstlichen Chronik liegen, die vorher in noch keinem Werk der Habsburger in dieser Weise formuliert wurden. Damit stellt sich die Frage nach der Neuartigkeit, 106

107

Vgl. dazu ausführlich Kovács, E.: Die Heiligen und heiligen Könige der frühen Habsburger (1273-1519). In: In: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter: Formen, Funktionen, politisch-soziale Zusammenhänge, hrsg. von Klaus Schreiner, unter Mitarb. von Elisabeth Müller-Luckner (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien, 20). München 1992. S. 99-126. Vgl. ebd., S. 100.

28 der Aussageintention der Fürstlichen Chronik. Sie soll an der Analyse des formalen Aufbaus der Fürstlichen Chronik entwickelt werden. Die Fürstliche Chronik von 1518 – die ersten vier Bücher der Fürstlichen Chronik aus dem Jahre 1514 sind leider nicht mehr erhalten – ist, wie gesagt, in insgesamt fünf Bücher unterteilt.108 Mennel schreibt in seiner Einleitung im ersten Buch der Fürstlichen Chronik über sein Verständnis von Adel, das er den Ausführungen des Gesamtwerkes, also auch des habsburgische Heiligenbuches, zugrundelegt. Troja sei ein „wolriechender würzgarten, daraus dann der recht alt adel zu Teutsch und welsch land geflossen ist“109.. Adel ist also ein Resultat verschiedener Zutaten, die nötig sind, um Dingen wie mit einem Küchenkraut (Würze) einen guten Geschmack zu geben. 110 Der Ursprung des Adels liegt in Troja, dem würzgarten. Adlig zu sein bedeutet also nicht, eine Eigenschaft zu besitzen, die sich durch die Zeiten hin entwickelt und immer wieder neu modifiziert, sondern es ist eine Konstante, die zum ersten Mal in der Geschichte Trojas zu Tage trat. Nur dieser Adel, so betont Mennel, dürfe sich „recht“ und „alt“ nennen111, und ihn besitzt nur derjenige, der seinen Ursprung auf Troja zurückleiten kann. Alle diejenigen, die ihren gemeinsamen Ursprung in Troja haben und in deren Adern trojanisches Blut fließt, besitzen also den Geblütsadel. Geographisch sind die Angehörigen dieses Adels, so lassen sich die Worte Mennels weiter interpretieren, in „Teutsch“ und in „welsch land“ zu finden. Es handelt sich dabei auf der synchronen geographischen Ebene um deutsch- und französischsprachige Gebiete, die das Deutsche Reich unter Maximilian I. vereinte. Auf der diachronen Ebene verbindet dieser Adel die Verstorbenen, die sich auf Troja zurückführen können, mit den noch Lebenden.112 Alle Adligen, die auf der diachronen und der synchronen Ebene miteinander verbunden sind, machen ein Adelsgeschlecht aus. Ihre Verbindung wird graphisch als Stammbaum, literarisch in der Form einer Genealogie113 vorgestellt. Drei Möglichkeiten bietet der Maximilianeische Genealoge auf, um den Beleg für den Geblütsadel der Habsburger an verschiedenen Stationen der Geschichte zu erbringen: Erstens die Ämterkette römischer Senatoren, von Mennel „linea Romanorum“ genannt, zweitens die christliche Sukzession, bezeichnet mit „linea Judaeorum“, und drittens die Vorahnenkette des Habsburgischen Geschlechts, „linea Graecorum“ genannt. Diese drei Möglichkeiten der Ahnenfolge werden von

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Eine inhaltliche Übersicht über die fünf Bücher der Fürstlichen Chronik von 1518 bietet Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. ,S. 12 ff. cvp 3072*, fol. 14v. würze bezeichnet im Mittelhochdeutschen ein Küchenkraut, mit dem man Speisen oder ein Gebräu Geschmack verleiht. Vgl. Kluge, F.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. New York 1999. S. 899. cvp 3072*, fol. 14v. Vgl. dazu grundlegend Werner, K. F.: Art. Adel. In: LdMa, 1. Sp. 118-126. Genealogie ist der „Geschlechterverband Verstorbener und lebender Personen“, vgl. Freise, E.: Art. Genealogie. In: LdMa, 4. Sp. 1216-1220.

29 Mennel in der graphischen Darstellung dreier Ketten im ersten Buch der Fürstlichen Chronik vorgestellt.114 Die erste, goldene Kette befindet sich auf der linken Folioseite. Sie nennt die Päpste und beginnt in ihrer Reihung bei Boos. Sie trägt den Namen „linea hebreorum“115 und beschreibt „ursprúng der hayligen vater der baepst dúrch die hebrehischen linien“116. Diese Kette ist aus Gold, da aus dem Geschlecht der Juden Christus „unser lieber herr“117 geboren worden sei. Auf der rechten Folioseite verläuft die silberne Kette. Sie zeigt den „ursprúng der römischen Kayser unnd kuenig dúrch die latinischen linien“.118 Sie nehme ihren Anfang bei dem „haidnisch geschlecht“, woraus die römischen Kaiser erwachsen seien.119 In der Mitte der Folioseite findet sich der „ursprúng der habsburgischen fuersten von osterreich durch die griechischen linien“.120 Diese Kette beschreibt Mennel als die eiserne Kette. Er begründet die Wahl des Metalls folgendermaßen: „[…] dann es ligt am tag das die zwey metall als gold unnd silber die aller obersten unnd Edelsten metalla oder geschmid sind darůmb sy gegen den sternen in den himeln nemlich das gold der Sonnen unnd das Silber dem mon vergleicht werden. So ist zwischen den selben himeln uff dem erdreich das gold dem hoechsten statt der gaystlichen und das silber dem hochsten stand der weltlichen vergleicht. So dann ist das Eysin von natur frank und mechtig mit gold und silber zebezieren, wie dann die personen in der Eysin kettin auch mit hoechsten gaystlichen und weltlichen staenden offt gewerdigt Baepst und kayser worden sind […]“.121

Die eiserne Kette, deren Glieder die Vorfahren des habsburgischen Geschlechtes ausmachen, vereint auf sie Teile der goldenen und Teile der silbernen Kette. In ihr vereinen sich auf Erden der Glanz der weltlichen und der geistlichen Würden, die Sonne und Mond zugerechnet werden und daher nicht irdischen Ursprungs sind.122 Vielleicht reagierte Mennel mit dem Entschluß, die Ahnenfolge der fränkischen Troja-Fabel mit zwei weiteren Ahnenfolgen in Beziehung zu setzen, auf die im beginnenden 16. Jahrhundert immer lauter werdende Kritik, daß allein die trojanische Abkunft eines Geschlechtes noch nicht über die Güte seines Adels entscheiden könne. Eine Fazetie aus der Feder Heinrich Bebels mag an dieser Stelle als Hinweis dienen, daß man selbst in kaisernahen Humanistenkreisen dem Nachweis einer langen Ahnenreihe noch keine große Überzeugungskraft zumaß, wenn nicht auch die Vertreter der jeweiligen Adelsfamilie persönliche Leistung erbrachten.123 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123

Vgl. cvp 3072*, fol. 44r-62v. Ebd., fol. 42v. Ebd., fol. 43v. Ebd., fol. 64r. Ebd., fol. 43v. Ebd., fol. 64r. Ebd., fol. 43v. Ebd., fol. 64r/v. Vgl. dazu die Darstellung der habsburgischen Würdenträger im Anhang dieser Arbeit, S. 265, Abb. 3. Bebel nimmt in dieser Fazetie nicht die fränkische Trojasage, sondern die römische Trojasage in die Kritik. Bebels Schwank erzählt von einem „princeps“, der gegenüber einem „doctor Nurnbergensis“ mit seiner trojanischen und römischen Abkunft prahlt. Die Antwort des Nürnberger Gelehrten gibt dem Geblütsadel (nobilitas), der sich allein

30 Wenn Mennel die Einzigartigkeit des habsburgischen Geschlechtes nicht nur auf die tönernen Säulen der fränkischen Troja-Fabel124 bauen wollte, musste er die Ahnenfolge der römischen Senatoren (linea Romanorum) und der geistlichen Würdenträger (linea Judaeorum), die in seinem Konstrukt auch Habsburger waren, mit Leistungsnachweisen garnieren. Die Fürstliche Chronik erbringt diesen Leistungsnachweis für den „angeborenen und tatkräftigen Adel“, der „nobilitas conata et operosa“125 des Hauses Habsburg.126 Mennel leitet seinen ersten Legendarteil des Jahres 1514 (1514, 1. Teil) mit folgenden Worten ein: „Das ist das ander bůch dis außzugs darinn der Legennden unnd Annales der ausserweltenn hayligen So dem offtgemelten theuren fürsten von habspúrg, kayser maximilianen, Mit natürlicher freuntschafft verwandt sind, beschryben werden, und wurt nach Sypp und Maglicher freuntschafft getaylt in zwey thayl. Also das Im ersten tayl am aller maysten Legennden und annales der hayligen/ die im ersten, auch anndern unnd drytten buch fürstlicher cronic der Syppschafft nach angezaygt sind/ Zugefürt werden, und hat xxii bom unnd lxxxv titul. so werdenn Im anndern tayl ingefürt legenden unnd Annales am aller Maysten der hayligen, die In dem vierden buch fürstlicher cronic der Mag oder Schwagerschafft nach angezaygt sind und hatt spiegel und xxxviii titul […]“.127

Das Heiligenlegendar, das als zweiter Auszug aus bisherigen Arbeiten vorgestellt wurde, sei in zwei Teile aufgeteilt: Im ersten Teil (1514, 1. Teil) befänden sich die „Annales“ und legendären Erzählungen Heiliger, die mit dem Hauses Habsburg versippt seien. Im ersten Teil des Legendars von 1514 befinden sich also nur Blutsverwandte des Hauses Habsburg. Wer zu diesen Blutsverwandten zählt, weiß Mennel schon 1507 aufzuzählen: „Das habspurg von sein eltern sey Ursprünglich gar ain Edel zwey Geboren aller tugent groß Von Frankreich Burgund unnd Provantz Austrasy Aquitani ganntz Von Brabant unnd von Lottrick Diß Sippschafft ist erwachsen dick“128

Die Adelshäuser von Frankreich, Burgund, der Provence, Austrasien, Aquitanien, Brabant und Lothringen stehen dem Haus Habsburg durch Blutsbande nahe. Die Namen ihrer Vertreter werden in den ersten drei Büchern der Fürstlichen Chronik angegeben und bilden die Grundlage für den

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durch den Nachweis seiner trojanischen und römischen Abkunft überlegen glaubt, eine eindeutige Absage: Der Trojaner Aeneas sei ein Verräter (proditor) und Romulus ein Räuber gewesen; er dagegen habe Nürnberger Blut in sich, und aus welchem Holz (quales) die Nürnerberger seien, sei wohl hinreichend bekannt. Vgl. dazu Heinrich Bebel: Facetien. Drei Bücher. Historisch-kritische Ausgabe von Gustav Bebermeyer- Hildesheim 1967. S. 123, Nr. 46. Auf diese Fazetie des Tübinger Humanisten verweist auch Brückle, W.: Noblesse oblige. Trojasage und legitime Herrschaft in der französischen Staatstheorie des späten Mittelalters. In: Genealogie als Denkform im Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Kilian Heck und Bernhard Jahn. Tübingen 2000. S. 39-65 Zur fränkischen Trojasage, in der behauptet wird, daß die Urheimat der Franken Troja und ihr erster König Priamus gewesen sei, und daß sie nach einer langen Wanderung schließlich an den Rhein gelangt seien, vgl. Grau, A.: Der Gedanke der Herkunft in der deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters (Trojasage und Verwandtes). Leipzig 1938. Zitiert nach Conze, W.: Art. Adel. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, 1. Stuttgart 1972. S. 1-48, S. 16. Über die Bedeutung der Genealogien für die Bedeutung einer Adelsfamilie vgl. grundlegend Schmid, K.: Geblüt, Herrschaft, Geschlechterbewusstsein. Grundfragen zum Vertsändnis des Adels im Mittelalter. Aus dem Nachlaß hrsg. Und eingel. Von Dieter Mertens und Thomas Zotz. Sigmaringen 1998. cvp 3077*, fol. 3r. Jakob Mennel: Cronica Habsburgensis nuper rigmatice edita. Konstanz (Johannes Schläffer) 1510, fol. Aiv.

31 ersten Teil des Heiligenlegendars von 1514.129 Im zweiten Legendarteil befinden sich dagegen diejenigen Heiligen, die sich in „mag oder Schwagerschafft“ zum Hause Habsburg stehen, das heißt angeheiratet wurden.130 Ihre Angaben basieren auf dem vierten Buch der Fürstlichen Chronik.131 Da die Heiligen des ersten Legendarteils zur Sippe der Habsburger zählen, in ihren Adern folglich das gleiche Blut fließt, sind ihrem Legendarteil auch insgesamt einundzwanzig Stammbäume vorangestellt, die ermöglichen, jeden Heiligen auf den trojanischen Ursprung zurückzuführen. Der erste Stammbaum von 1514 (1. Teil) ist auf der linken Seite des Blattes mit „Annales nach Christi geburt“132 überschrieben; darunter steht das Jahr 387 verzeichnet.133 Rechts daneben ist der Ausschnitt eines Stammbaumes dargestellt, der mit Macrominius, Herzog von Franken, beginnt und bei „Arnoaldus doda Eegemahell“ endet. Auf der rechten Seite des Blattes steht als Überschrift „Contemporales et kayser und kunig“, darunter folgen im Abstand der jeweiligen Jahreszahlen auf der linken Seite und den Namen in der Stammesmitte eine Auflistung von Namen. Unterbrochen wird die Monotonie dieser Reihungen bei „Clodoveo“, neben dessen Namen jeweils zu seiner linken und rechten Seite die Namen Leonardus und Lipardus stehen. Neben „Clodoveo“, Chlodwig, ist auf der linken Seite das Jahr 484 n. Chr. vermerkt. Auf die Stammbäume in 1514 (1. Teil) folgen die ausführlichen Viten der Heiligen. Die erste Legendenüberschrift lautet: „Der erst tail und erst titúl von Sannt Ludwigen als Clodoveo dem ersten cristen kunig in francken“134 und nimmt damit den Namen Clodoveus aus dem ersten Stammbaum wieder auf. Mennel bezeichnet in der Legendeneinleitung der Chlodwig-Vita den ersten Frankenkönig als einen „grossvater der fúrsten von habsbpúrg“, aus dessen Geschlecht viele auserwählte Heilige entsprossen seien. Chlodwig habe seinerseits Vorfahren gehabt, die „edle haylige“ gewesen und mit ihm „in Naher Sypp und Magschafft“ gestanden seien. Die Reihe dieser Vorfahren bleibt in der Legende ungenannt. Sie ist dem Stammbaum des Legendars von 1514 (1. Teil) zu entnehmen. Mit den heiligen Vorfahren Chlodwigs sind Marcomirus, Pharamundus, Clodius, Meroveus und Childericius gemeint, deren Namen im ersten Buch der Fürstlichen Chronik verzeichnet sind.135 Sie stammen nach Mennels Angaben aus dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. und führen in ihrem Mannesstamm direkt auf den trojanischen Held Hektor136, den angeblichen Urvater des habsburgischen Geblütsadels. Der erste christliche Frankenkönig und älteste habsburgische Heilige 129 130

131 132 133 134 135 136

Im folgenden im Fließtext widergegeben mit 1514 (1. Teil). Vgl. Lexer, M.: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Bd. 1-3. Stuttgart 1974, Bd. 2, Sp. 1332: ‚Swager‘ wird übersetzt mit ‚schwager, Schwiegervater, Schwiegersohn“. Ebd., Bd. 1, Sp. 2002: ‚macschafft‘ bedeutet das Verhältnis von Verwandten zueinander, Verwandtschaft, Verwandte‘. Hier ist im Gegensatz zu „sippe“ nicht die Blutsverwandtschaft erwähnt, vgl. ebd., Bd. 2, Sp. 938. Im folgenden Fließtext wird dieser Legendarteil angegeben mit 1514 (2. Teil). cvp 3077*, fol. 3v. Vgl. im Anhang Bild Nr. Vgl. zur Chlodwig-Legende in 1514, 1. Teil cvp 3077*, fol. 14r-17v. cvp 3072*, fol. 51r. Ebd., fol. 44r.

32 Chlodwig wird auf diese Weise in die Tradition des Geblütsadels gestellt, dessen Nachweis von Vertretern des Hauses Habsburg immer wieder in der pofanen Geschichte erbracht und in den ersten drei Büchern der Fürstlichen Chronik beschrieben wurde. Seine Heiligkeit wird durch die Stammbaumangaben in Bezug zu seinem Geblütsadel gebracht. Rein formal wird so der Zusammenhang von Geblüt, Adel und Heiligkeit im habsburgische Legendar vorgestellt und der Diskurs, der sich im profanen Teil der Fürstlichen Chronik um den Geblütsadel drehte, auf die sogenannte Geblütsheiligkeit137 der Habsburger übertragen. Dabei wird die Geblütsheiligkeit nicht isoliert von der profanen Ereignisgeschichte gedacht, sondern sie ist ein Phänomen, das seinen Ort in der profanen Geschichte des Hauses Habsburg hat und die ‚stirps’ des Hauses Habsburg erst zu einer ‚beata stirps’ werden läßt.138 Der zweite Teil des habsburgischen Legendars von 1514 zählt insgesamt fünfunddreißig Legenden. Die Heiligen dieses Legendarteiles verbindet, wie gesagt, ihre nahe Freundschaft zum habsburgischen Geschlecht. Sie stammen aus europäischen Adelsfamilien, mit denen sich das Haus Habsburg irgendwann einmal ehelich verbunden hat. Im folgenden wird von diesen Heiligen als heilige Freunde des Hauses Habsburg gesprochen. Die Informationen des vierten Buches der Fürstlichen Chronik waren, laut Mennel, die Grundlage für ihre Aufnahme in das Legendar. Eingeleitet wird das vierte Buch durch eine kurze Vorrede139 und eine Übersicht über seine einzelnen Buchkapitel. Es gliedert sich in fünf Teile, die durch einzelne Kapitel wiederum aufgeteilt sind. Die ersten sechs Kapitel des ersten Teiles140 erklären die Bedeutung von zwei Pfauenfiguren, die mit Wappen und Insignien geschmückt dargestellt werden. Die erste Pfauenfigur zeigt auf ihrem rechten, aufgespannten Flügel die Wappen von Königen, beziehungsweise von römischen Kaisern in folgender Reihenfolge: „Römische Kaiser – Hispania – Behem – Schotten – Engelland – Frankreich – Arragon“141. Der linke, aufgespannte Flügel des ersten Pfauen zeigt „Unger – Castilia – Sicilia – Portugal – Poland – Krachken – Tenmarckht“.142 In den vierzehn darauffolgenden „titul“ nennt Mennel namentlich zu jedem einzelnen der angegebenen Königshäuser deren Mitglieder, die einen Habsburger oder eine Habsburgerin heirateten.143 Eine zweite Pfauenfigur folgt, die – in gleicher Weise wie die erste – diesmal Herzogtümer präsentiert, die einst mit dem Hause Habsburg den Ehebund geschlossen hätten. Es sind auf dem rechten aufgespannten Pfauenflügel die Herzogtümer „Saxen – Brunswig – Bayern – Burgund – Brittani – Lynenbúrg – Schlesy – Pomern – Mayland – Wirtenberg – Cussin“. Auf dem linken aufgespannten Flügel stehen „Bergen – 137 138

139 140 141 142 143

Der Begriff stammt von Hauck, K.: Geblütsheiligkeit, S. 27. Zur Entwicklung der Habsburger von der ‚stirps regia‘ zur ‚stirps beata‘ vgl. Kovács, E.: Die Heiligen und heiligen Könige der frühen Habsburger (1273-1519), S. 99. cvp 3075, fol. 2r-3v. Ebd., fol. 4r-11v. Ebd., fol. 12v. Ebd., fol. 12v. Vgl. dazu die Angaben von Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I.S. 13. cvp 3075, fol. 14r-31v.

33 Lothringen – Saffoy – Kernten – Calabria – Jülich – Stettin – Wratislau – Mas – Seul – Venedig“ zu lesen.144 Einundzwanzig Unterkapitel nennen daraufhin die Personen aus den herzöglichen Häusern, die mit einem Mitglied des Hauses Habsburg die Ehe eingegangen sind. 145 In den einzelnen Unterkapiteln folgt immer wieder der Hinweis auf das fünfte Buch der Fürstlichen Chronik, in dem man über deren „göttliche dienste“ nachlesen könne. So habe beispielsweise Agnes, die Tochter von Graf Albrecht von Habsburg, Herzog Andreas von Venedig geehelicht, und von Agnes könne man schließlich auch im fünften Buch der Chronik, also im Heiligenlegendar, lesen.146 Den zweiten Teil des vierten Buches eröffnet die bildliche Darstellung einer Pfauenfeder, um die ringsherum verschiedene Wappen dargestellt sind. Mennel nennt diese Darstellung den „Pfauenspiegel“.147 Er zeigt die Wappen von Pfalzgrafen, Markgrafen, Landgrafen und Burggrafen, aus deren Geschlecht sich Personen mit dem Hause Habsburg verheiratet haben. In gleicher Weise wie im ersten Teil folgen zehn Titel mit den Namen der mit dem Hause Habsburg verheirateten Familienmitglieder.148 Der zweite, darauffolgende Pfauenspiegel zeigt die Wappen der Grafen und nennt in acht darauffolgenden Unterkapiteln zu jedem einzelnen Wappen die Namen der mit dem Hause

Habsburg

ehelich

verbundenen

Personen.149

In

insgesamt

vier

darauffolgenden

Pfauenspiegeln führt Mennel alle Grafengeschlechter und Herrschaften auf, die sich mit dem Hause Habsburg in gleicher Weise verbunden haben, und erläutert sie, analog zu den ersten Spiegeln, in darauffolgenden Unterkapiteln.150 Der dritte Teil, das „drit glid“151 des vierten Buches, stellt in runden Pfauenspiegeln jene Adelsgeschlechter vor, die sich zwar nach „anzaygung mengerlay schrifften und figuren mit habspúrg verheyret haben dero personen aigen namen“152 Mennel aber nicht habe ausfindig machen können.153 Der vierte Teil des vierten Buches erläutert, wie die Habsburger einst in Besitz von Österreich kamen, und leitet den Namen ‚Habsburg’ etymologisch her. Mennel listet die Namen derjenigen Adelsgeschlechter auf, die sich in den habsburgischen Stammlanden befunden haben, und handelt über den Ursprung und das Herkommen der Schweizer.154 Der fünfte Teil schließt mit Überlegungen zur Entstehung des Hauses Österreich. Sie beginnen mit der Feststellung, daß Österreich an die Herzöge von Schwaben gekommen sei, die fünf Lerchen in ihrem Schild geführt hätten. Mennel gliedert dann, analog zu den Pfauenspiegeln, jene 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154

Vgl. ebd., fol. 33r/v. cvp 3075, fol. 34r-57r. Vgl. ebd., fol. 57r. Ebd., fol. 57v. Vgl. Ebd., fol. 58r-68r. Vgl. Ebd., fol. 69r-76r. Vgl. Ebd., fol. 76v-114r. Ebd., fol. 115r. Ebd. Vgl. ebd., fol. 115r-119r. Vgl. ebd., fol. 119v-129v.

34 Adelsgeschlechter in fünf sogenannte ‚Lerchenspiegel’ auf, die nun jene Geschlechter beschreiben, die sich mit dem österreichischen Geschlecht ehelich verbunden haben. Im vierten Buch der Fürstlichen Chronik wird der Rang des habsburgischen Geschlechtes nicht mehr über die Blutsverwandtschaft, sondern über die ehelichen Verbindungen dieses Hauses mit anderen europäischen Adelsgeschlechtern nachgewiesen. Der Rang des habsburgischer Adeligkeit wird hier nicht mehr diachron, über die Altehrwürdigkeit des Geschlechtes, sondern synchron, über sein weitgespanntes Ehenetz über Europa, angezeigt. Genauso wie die profane Geschichte ist das Heiligenlegendar in der Fassung von 1514 darauf angelegt, die gedechtnus des habsburgischen Geschlechtes zu formen. Nach Mennels Meinung ist ein weitgespanntes Ehenetz nicht Menschenwerk, sondern ein Zeichen göttlichen Wohlwollens. Der Grund, weswegen Gott nämlich entschieden habe, daß das habsburgische Geschlecht zum einen durch die Geschichte hindurch und zum anderen durch die Verbindungen mit so vielen Adelsgeschlechtern immer mehr an Bedeutung erlangte, liege darin, daß das großartige Geschlecht der Habsburger der Christenheit zugute komme: „Dabey dann mit hoher vernunft war zenemen ist, wie und warumb der almächtig solichen edlen stamen durch sovil kunigreich fúrstentumb und herschafften so hoch und weit hat lassen wachsen und uffgen an zweyfel kainer andern versach, denn allain der hayligen Cristenhait zegůt alsdann solchs den vorgenden bůchern an vil ortten manigfaltigklich anzaigt und gemerckt ist.“155

Auf dieser Argumentationsgrundlage wird selbstbewußt der Pfau als Symbol Österreichs gewählt. Diese Assoziation beruhe auf der Tatsache, daß, so Mennel, die habsburgischen Fürsten von Österreich auf ihrem roten Schild einen Pfauenschwanz mit einem weißen Fittich, einem „fätschen“156, geführt hätten. Aber auch die dem Pfauen zugeschriebenen Eigenschaften hätten dazu beigetragen, in ihm das Haus Habsburg verkörpert zu sehen. Der Pfau steht als prägendes Gliederungssymbol den Stammbäumen der ersten drei Bücher gegenüber. Zuerst sind es die Spiegel des Pfauen, die eine Parallele zwischen dem Vogel und dem habsburgischen Geschlecht zu ziehen erlauben.157 Man sage nämlich, so erklärt Mennel, daß der Pfau wegen seiner schönen „Spiegel“ von Gott geschaffen worden sei. Da der Spiegel im mittelalterlichen Denken das unmanipulierte Bild zeigt, in dem Gottes Wille klar zu erkennen ist158, hat diese Reinheit – führt man den Gedankengang Mennels weiter - zur Folge, daß die „Unreinen“, 155 156 157 158

Ebd., fol. 1r. Ebd., fol. 4r. Vgl. zum folgenden Abschnitt ebd., fol. 4v. Schmid, J.: Art. Spiegel. In: LThK, 9. Sp. 964 f. Vgl, Sp. 964. Dante Alighieri schreibt dazu in der Divina Comedia: Wer sich im Spiegel betrachte, der schaue Gott. Vgl. dazu Leisegang, H.: Die Erkenntnis Gottes. In: Zeitschrift für philosophische Forschung, 1949 (4). S. 162-183.

35 wie beispielsweise Schlangen und giftige Tiere, vor seinem Anblick fliehen würden. Nun sind die „Eerentitul osterreich“ auf dem „uffgerichten pfauenspiegel“ zu sehen. „Vil grober ungestiemer menschen“ würden daher auch, genauso wie es die unreinen Tiere beim Anblick des Pfauen täten, die Wappen der einzelnen Adelsgeschlechter, die sich mit dem Hauses Habsburg ehelich verbunden haben, „weder gern sehen noch hören“. Die ehelichen Verbindungen der Adelsgeschlechter mit dem Hause Habsburg sind also keine Produkte der manipulatorischen Arbeit eines Historiographen, sondern geben unverfälscht den göttlichen Willen wieder, der das Haus Österreich als ranghöchstes Adelsgeschlecht Europas sehen möchte. Gott hat dafür die Voraussetzung gegeben, indem er es so „edel und rain“ geschaffen habe, wie er auch die Pfauen schuf. Als zweites Wesensmerkmal des Pfauen nennt Mennel sein unverwesliches Fleisch: „Desgleichen sind die pfauen mit Irer natur von got also edel und rain geschaffen, wenn ainer stirbt, das er nit leichtlich verzert wirt, sondern wie ain balsamierter leyb vor faúlnis behut in gůtten wesen beleybet. Also aúch osterreich wie vil davon gestorben ist aúch wie gar mengerley anfechtung widerwertigkait und abnaygung dieselben fúrsten gelitten haben sind sie doch von den götlichen gnaden also fúrschen das sy demnach nit allain hertzogen und ertzherzogen zu osterreich beliben sind sonder aúch das sy darzu die hochsten stůl der werlt als kaserthumb kinigreich erlangt haben [...]“. 159

Mennel greift hier auf Augustinus zurück, der im einundzwanzigsten Kapitel seines Gottestaates von einem Experiment mit Pfauenfleisch berichtet.160 Augustin leitet seine Überlegungen mit der Frage ein, ob Tod und Schmerz zwingend miteinander einhergehen müßten. Er kommt dabei zu dem Schluß, daß ein Körper auch schmerzempfindlich sein könne, obgleich er unsterblich ist. 161 Er setzt Tod und Verwesung einander gleich und beobachtet weiter, daß abgekochtes Pfauenfleisch nicht verwese. Gott müsse dem Pfauen folglich eine Kraft gegeben haben, die dessen Fleisch gegen den Tod immun mache.162 Der Pfau ist also unverweslich und damit unsterblich. Übertragen auf das Haus Österreich bedeutet dies: Die habsburgische Dynastie ist unsterblich, obgleich ihre Vertreter menschlich und daher empfänglich für Schmerz sind.163 Die Wappen des europäischen niederen Adels befinden sich auf dem Rad, die des hohen Adels auf den Flügeln des Pfauen. Hohen und niederen Adel verbindet, daß sie dem europäischen Gesamthaus der Habsburger, das durch den Pfau symbolisiert wird, angehören. Nur die Art und Weise, wie sie mit dem Pfauen in Beziehung gesetzt werden, trennt sie.

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cvp 3075, fol. 4v-5r. Vgl. auch Mertens, D.: Geschichte und Dynastie, S. 148, Anm. 120. Aurelius Augustinus: De civitate Dei, lib. 21, c. 3, Z. 36 ff: „Ipse quippe animus, cuius praesentia corpus vivit et regitur, et dolorem pati potest et mori non potest. Ecce inventa res est, quae, cum sensum doloris habeat, inmortalis est.“ Aurelius Augustinus, De civitate Dei, lib. 21, c. 4, Z. 13: „Quis enim nisi Deus creator omnium dedit carni pavonis mortui ne putesceret?“. Lhotsky, A.: Zur Geschichte des Pfauenstoßes. In: Aufsätze und Vortäge, 1. München 1970. S. 258-261.

36 Die Wappen des niederen Adels zeigt der Pfau dann, wenn er mit seiner Schönheit imponieren will und deswegen sein Rad schlägt. Die Fügel aber braucht er, wenn er fliegen will - erst dann werden die Wappen des hohen Adels sichtbar. Die Wappen des hohen euopäischen Adels sind es also, die der Pfau glaubt zeigen zu müssen, wenn es um machtvolles Handeln geht. Aber mit den Verbindungen zum niederen Adel wird er erst einzigartig in seiner Schönheit und unterscheidet sich damit von anderen Pfauen. Doch auch hoher und niederer Adels profitieren vom Pfauen: Die hohen europäischen Adelsgeschlechter können unter den ‚Fittichen‘ des Pfauen mit dessen Schutz rechnen, die niederen Adelsgeschlechter haben trotz ihrer geringen Bedeutung Teil am Glanz des habsburgischen Gesamthauses. Das gilt für die Zeit auf Erden, da das Pfauenfleisch genausowenig der Verwesung anheimfällt, wie das Haus Habsburg in seiner Macht und seinem Glanz vergeht. Damit hat das Haus Habsburg die Legitimation, als führendes europäisches Adelsgeschlecht die Geschicke eines Weltimperiums, das sich aus den Herrschaftsbereichen der im vierten Buch genannten Adelsgeschlechter zusammensetzt, in seine Hand zu nehmen. Kaiser Maximilian I. schmückte seinen Helm mit einem Pfauenfedernstoß.164 Zweifelsohne sah er sich damit in der Stellung des Pfauen, dessen äußere Zeichen für Macht und Würde drei Kronen, Szepter und Schwert sind. In seiner autobiographischen Schrift Weisskunig gibt Maximilian eine Interpretation dieser Herrscherinsignien165: Der junge Weisskunig hat sich verheiratet. Die jungen Eheleute kommen nach Rom, um dort die „höchste Kron“ aus Edelstein vom Papst zu empfangen. Der Träger der Edelsteinkrone ist zwar ein „gewaltiger furst uber alle diese welt“, muß aber dafür Sorge tragen, daß Sünden und Laster unter seiner Herrschaft gemieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit dagegen gewahrt werden. Unter dieser Voraussetzung hat er die Herrschaft „von unserem herren Jhesu Christo in gesellschaft aller seiner auserwelten heiligen“ übertragen bekommen. Nach der Krone wird dem König „das heilig swert“ überreicht. Mit dem Erhalt dieses Schwertes verpflichtet sich der Weisskunig dazu, „schutz und schirm der heiligen cristenhait“ zu sein. Das Schwert mahnt den jungen König, mit ganzem Einsatz die christliche Kirche zu schützen. Unter seinem besonderen Schutz stehen die Schwächsten der Gesellschaft: „[...]das du auch beschirmest witwen und waisen [...]“. Er handelt stellvertretend für Gott auf Erden, „in kraft des hailers aller welt, des gleichnus du tregst“. Der junge Weisskunig ist durch die Verpflichtungen von Krone und Schwert zu „sand Peters ritter worden“. Zepter und Apfel werden dem Weisskunig zuletzt übergeben. Die „gerecht Hand“ hält das Zepter, die linke Hand den Apfel. Das Zepter, so mahnt ihn der Papst, sei „das zepter der gerechtigkeit“,

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165

Ein Farbholzschnitt aus dem Jahre 1508, den Hans Burgkmair der Ältere angefertigt hatte, zeigt den Kaiser in Ritterrüstung auf einem Pferd; seinen Helm ziert ein Pfauenfedernstoß, vgl. ebd. S. 16. Vgl. Kaiser Maximilian I: Weisskunig, hrsg. von H. Th. Musper. Stuttgart 1956. Insbes. S. 213ff.

37 mit dem er „einem jeglichen damit das gleich recht“ zuspreche. Der Apfel dagegen symbolisiere seine „mayestat, damit du herschen solt uber alle diese welt, im namen der heiligen drivaltigkait“. Einleitend zum vierten Buch der Fürstlichen Chronik interpretiert Jakob Mennel die Herrscherinsignien Krone, Schwert und Szepter aufs neue. Er stellt seine Deutung in insgesamt sieben Unterkapiteln, den sogenannten ‚Titeln‘, vor. Den vierten Titel widmet er den drei Kronen, die den Pfauen zieren.166 Diese drei Kronen, so Mennel, bedeuteten die kaiserliche Würde. Sie würden sich in der Qualität ihres Materials unterscheiden. Die erste sei aus Eisen. Sie bedeute, „das der kaiser mechtig, dapffer und wie eisen stark seins gemüts sey die feind und ungehorsamen dem hayligen römischen Reich zuzwingen, deshalb wir ihn großmechtig sprechen“. Es muß also in der Macht des Kaisers stehen, äußere Gegner, den feind, und innere Gegner, die ungehorsamen, den Willen des von ihm regierten heiligen römischen Reiches aufzuzwingen. Ist er dazu imstande, so trägt er mit recht die eiserne Krone. Die „andern kron“ ist aus Silber und „bedeut den kayser lautt, Clar und usserwölt sein/ wie gesucht silber/“. Aus diesem Grunde komme dem Kaiser auch das Attribut „dúrchlaúchtig“ zu.167 Die dritte, goldene Krone symbolisiere, daß der Kaiser an Macht, Gerechtigkeit und Gnaden allen andern „künig, fúrsten und herren“ überlegen sei. Daher werde Maximilian auch mit dem Attribut des „allergnedigsten herren“ bedacht. Die Herrscherinsignien des Pfauen erläutern, welche Pflichten für das Haus Habsburg damit verbunden sind, die Vormachtstellung unter den europäischen Adelshäusern zu haben. Dafür, daß ihm die Kaiserwürde zugestanden wird, muß es außen- und innenpolitisch auf Friedenssicherung ausgerichtet sein, sich um Transparenz im Handeln bemühen und Gerechtigkeit gegenüber anderen Adligen walten lassen. Erst dadurch wird es für die anderen europäischen Adelsgeschlechter attraktiv, den Pfauen in seinem Machtstreben zu unterstützen. Die einzelnen Adelsgeschlechter können sich dann bei Konflikten mit Adelshäusern, die sich nicht mit den Habsburgern verbunden haben, als geschützt betrachten. Das Haus Habsburg wiederum profitiert von der Solidarität der europäischen Adelsgeschlechter, die das gleiche Geblüt oder friuntschafft mit ihm teilen und daher gegenüber dem Hause Habsburg in einer „hohen sozialen Binnenverpflichtung“168 stehen. Alle anderen Adelshäuser befinden sich dann automatisch in einer „natürlichen Feindschaft“169 gegenüber diesem Solidaritätsnetz. Die Fürstliche Chronik des Hauses Habsburg ist, faßt man die bisherigen Beobachtungen zusammen, konzeptionell darauf angelegt, die soziale Vorreiterrolle des habsburgischen 166 167 168 169

Vgl. für den folgenden Abschnitt vgl. cvp 3075, fol. 8r. cvp 3075, fol. 9r/v. Angenendt, A.: Der eine Adam und die vielen Stammväter, S. 30. Ebd.

38 Geschlechtes unter den europäischen Adelshäusern zu legitimieren. Dafür bedienen sich die insgesamt fünf Bücher dieser Chronik zweier „symbolic codes“170. Der erste symbolische Code wird graphisch von den Stammbäumen und dem Pfauen in den ersten vier Büchern der Fürstlichen Chronik präsentiert. Bei ihnen geht es darum, Rang und Altehrwüdigkeit des habsburgischen Adels herauszustellen. Die ersten drei Bücher bewerkstelligen dies über den Nachweis des Geblüts, das vierte Buch über die Eheverbindungen. Der zweite symbolische Code verschlüsselt in Legenden den Grad der Heiligkeit des habsburgischen Geschlechtes. Der erste Teil der Legendarfassung von 1514 will dabei – analog zu den ersten drei Büchern der Fürstlichen Chronik - die Altehrwürdigkeit der habsburgischen Geblütsheiligkeit erweisen, der zweite Teil - analog zum vierten Buch – die Überlegenheit der habsburgischen Adelsheiligen durch ihr weitgespanntes europäisches Verbindungsnetz vor allen anderen europäischen Adelshäusern. Die kalendarische Anordnung der Heiligen in der Legendarfassung von 1518 fügt dem Diskurs der Geblütsheiligeit formal den des Heiligenkultes hinzu. So sind die Heiligen des kalendarischen, 2. Teiles der Legendarfassung von 1518 nach ihren Festtagen geordnet. Ein Stammbaum erläutert vor jeder Legende die Verbindung des jeweiligen Heiligen mit dem trojanischen, und damit habsburgischen Geblüt. Der erste Teil der Legendarfassung von 1518 bietet die habsburgischen Seligen, die hier, der Übersichtlichkeit wegen, nach ihren Geschlechtern geordnet sind, jedoch noch nicht dem kalendarischen Teil des Legendars zugeordnet werden können. Um sie dort aufnehmen zu können, müsse er, so Mennel, in Erfahrung bringen, ob diese habsburgischen Seligen von Rom schon kanonisiert worden seien171. Im Legendar von 1518 sind in beiden Teilen die befreundeten Heiligen neben den blutsverwandten Heiligen zu finden, und Mennel stellt in Aussicht, daß man vielleicht den einen oder anderen „näheren freund“, der ein kanonisierter Heiliger sei, aus dem Kalender nehmen und durch einen „weitverwandten“ Heiligen, der ohne Kanonisation im Seligenbuch stehe, ersetzen könne.172 Letztlich zielt Mennel darauf ab, ein habsburgisches Legendar fertigzustellen,

das

blutsverwandte

kanonisierte

Heilige

präsentiert.

Der

Diskurs

der

Geblütsheiligkeit und des weitgespannten Beziehungsnetzes bleibt auch weiterhin vorhanden, nämlich in den Stammbäumen und den Legendenüberschriften, die von der Herkunft der Adligen berichten. Gliederungsprinzip ist hier – im Gegensatz zum Seligenbuch - die Zeit des Kirchenjahres, das von den Festen, der liturgischen memoria von Habsburgern dominiert wird. In der formalen Gestaltung der Legendenfassungen von 1514 und 1518 ist folglich eine stärkere Grenzziehung zwischen der gedechtnus des profanen Teiles der Fürstlichen Chronik und der memoria des

170

171 172

Vgl. dazu Aurell, M.: The Western nobility in the Late Middle Ages: A survey of the historiography and some prospects for new research. In: Nobles and nobility in medieval Europe. Concepts, origins, transformations, ed. by Anne J. Duggan. Woodbridge 2000. S. 263-273, S. 266. Vgl. cvp 3077, fol. 495v. Vgl. ebd., fol. 495r.

39 Heiligenlegendars zu bemerken, in dem nun die Liturgie, nicht mehr die Genealogie die Legenden ordnet. Die in der formalen Gliederung und Zuordnung der ersten vier Bücher zu den Legendarteilen enthaltenen Aussagen über den Gesamtzusammenhang von profaner Geschichte und den habsburgischen Heiligenlegenden sind hier abgemildert worden. 1518 stehen die Heiligen der Kirche im Vordergrund, die zugleich Heilige des Hauses Habsburg sind und über ihre Stammbäume in den profanen Lauf der Geschichte eingegliedert werden können.173 Doch ihre genealogische Einordnung fehlt auch am Beginn der Legende: Vielleicht war Mennel 1514 in den Augen seiner Zeitgenossen zu weit gegangen, wenn er die profane Geschichte als Rahmen von Heiligenlegenden schon im Aufbau des Legendars zum Ausdruck brachte. Vielleicht war aber auch die Tradition von Heiligenlegendaren, die in Burgund und Brabant in Auftrag von Herrscherfamilien verfasst wurden, ausschlaggebend für das Umdenken Mennels. So hatte beispielsweise der Brabanter Johannes Gielemann zwar ein Hagiologium Brabantionorum verfaßt und dort die jeweiligen Heiligen den Karolingern angesippt, verzichtete aber auf eine Verbindung der profanen Geschichte dieser Herrscherfamilie mit den Leben ihrer Heiligen.174 Da Maximilian während seiner Regierungszeit stets darum kämpfen musste, die Zugehörigkeit der Brabanter zum Reich zu unterstreichen und ihren Groll nicht durch ‚neuartige Experimente‘ unnötig zu schüren, mag ein Festhalten an hagiographischen Traditionen, wie sie eben auch in Brabant gepflegt wurden, ratsam erschienen sein.175 Im Legendar von 1518 ist damit mehr Distanz als Nähe zum trojanischen, und damit heidnischen Ursprung der habsburgischen Heiligen formal fixiert. Grundsätzlich erbringt es aber zusammen mit dem profanen Teil der Fürstlichen Chronik den Nachweis, daß das Haus Habsburg zum Herrschen prädestiniert ist: Im profanen Teil wird an den habsburgischen Heldentaten die Gerechtigkeit, ‚iustitia‘, aufgezeigt, die von der ‚Gottesfurcht‘, der ‚pietas‘ im Heiligenlegendar ergänzt wird. Und das ist notwendig, da erst ‚iustitia‘ gepaart mit ‚pietas‘ machen einen Herrscher des Lobes würdig machen176. Das Legendar von 1518 gewinnt neben der Verchristlichung des habsburgischen Stammbaumes, die Mennel schon 1514 vornahm, durch seine formale Umgestaltung noch einen weiteren Aussagewert: 1518 ist sogar die Zeit des Kirchenjahres vom Gedenken an Habsburger geprägt. Damit bleibt die 173

174 175 176

Die Genealogie ersetzt hier den Prolog oder das Inhaltsverzeichnis als Orientierung im Text. Vgl. dazu die Ausführungen von Melville, G.: Geschichte in graphischer Gestalt. Beobachtungen zu einer spätmittelalterlichen Darstellungsweise. In: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen, 31). Sigmaringen, 1987. S. 57-154. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 116 f. Über die Auseinandersetzungen mit Brabant informiert Wiesflecker, H.: Maximilian I, S. 293. Vgl. dazu Kleinschmidt, E.: Herrscherdarstellung. Zur Disposition mittelalterlichen Aussageverhaltens, untersucht an Texten über Rudolf von Habsburg (Bibliotheca Germanica, 17). Bern, München 1974. S. 53.

40 Aussage der Geblütsheiligkeit der Habsburger nicht nur auf deren Geschlecht beschränkt, sondern gewinnt auch für alle diejenigen verbindliche Relevanz, die zwar nicht diesem Geschlecht angehören, aber sich zum christlichen Glauben bekennen: Und das ist zur Zeit Maximilians I. das ganze christliche Europa der damals bekannten Welt. Maximilian I. erachtete Jakob Mennel als den geeigneten Mann, diesen hohen Anspruch literarisch zu fassen. Um Klarheit darüber zu gewinnen, woher Mennel seine Kenntnisse nahm, um Maximilians Aussageintention über die habsburgische Dynastie, eben seiner Vorstellung von gedechtnus, in ihr liturgisches Kleid, die memoria, zu setzen, ist die Rekonstruktion von Mennels Bildungshorizont ein wichtiger Schritt zu dieser Erkenntnis. Daraufhin wird es möglich sein, Maximilians Autorenwahl für dieses große, und damit für die Habsburger sensible literarische Projekt zum Ruhm ihres Hauses zu erklären. Offensichtlich zeichneten Mennel nämlich besondere Vorzüge aus, die ein Ladislaus Sunthaym oder ein Johannes Cuspinian, die bis zu Mennels Einstellung am Wiener Hof mit den historiographischen Arbeiten allein betraut waren, nicht vorweisen konnten.

3

Jakob Mennels Qualifikation für das Amt des kaiserlichen Hofhistoriographen

Was die Ausführung dieses Buchprojektes der Fürstlichen Chronik für Jakob Mennel bedeutete, zeigt eine Miniatur177, die der sogenannte Mennel-Meister im Jahre 1518 angefertigt hatte178. Auf ihr ist der kaiserliche Hofhistoriograph Jakob Mennel mit seiner Familie zu sehen. Gekleidet in einen schwarzen Nerzmantel kniet Mennel nieder. Er hält ein Buch in seinen Händen. Ihm gegenüber kniet seine Frau, zur ihrer Rechten sieben Töchter; eine Tochter davon ist in die benediktinische Nonnentracht gekleidet. Zur Linken Mennels knien elf betende Knaben – alle Kinder, mit Ausnahme der schon erwähnten Nonne, sind in rote Gewänder gekleidet; ihre Namen stehen über ihren Köpfen geschrieben. Oberhalb der Kinder schwebt zwischen Himmel und Erde Mennels Vater Jakob. Die himmlische Heerschar der Heiligen sieht von der obersten Ebene des Bildes aus auf die Mennelsche Familie hinab und preist die „aeternitas“ und „adoranda trinitas“. Offenbar versteht sich Mennel, so legt es die bildliche Darstellung nahe, als Dienstmann der Heiligen, die bei näherer Betrachtung ausnahmslos heilige Könige und Königinnen, heilige Bischöfe und adlige Klosterfrauen sind, wie es die äußeren Attribute ihrer weltlichen und 177 178

Vgl. cvp 7892, fol. 112r. Vgl. dazu im Anhang dieser Arbeit, S. 270, Abb. 6. Die neueste Abbildung der Miniatur findet sich bei Mertens, D.: Der Freiburger Humanistenkreis. In: Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers?. Die Habsburger im deutschen Südwesten, hrsg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart. Stuttgart 1999. S. 252-259,. S. 256, Abb. 6. Das Original befindet sich in Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, cvp 7892, fol. 112r.

41 geistlichen Würden Mitra, Szepter und Krone nahelegen. Es sind wohl die habsburgischen Heiligen, von denen Mennel kommentierend zu der Miniatur im Zaiger, der Kurzfassung der Fürstlichen Chronik, in seiner „Beschlussred“179 schrieb. Dort wies er darauf hin, daß sich die heiligen Verwandten des Hauses Habsburg immer gottgefällig verhalten hätten und er sie nun auf den vorangegangenen Seiten für Kaiser Maximilian I. zusammengetragen und vorgestellt habe. Nach dieser Darstellung zu urteilen scheint der Forschungszweck für Mennel darin bestanden zu haben, den Heiligen des Hauses Habsburg im Himmel, und nicht den Vertretern des Hauses Habsburg auf Erden einen Dienst zu erweisen. Dementsprechend sieht er seinen Dienstlohn nicht in irdischem Lohn, sondern in der Gunst der Heiligen. Einen konkreten Qualifikationskatalog, der Mennel für diesen Heiligendienst Maximilian I. empfehlen konnte, gab es allerdings nicht. Das erworbene akademische Wissen schien bei der gleichen Wertschätzung von gelehrten Räten, die zumeist Kleriker oder Universitätsabsolventen waren, und fürstlichen Räten, die nicht zwingend die Universität besucht haben mußten, dafür aber adlig waren, im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert eher zweitrangig gewesen zu sein.180 Die Mehrheit erwarb sich den juristischen Grad im geistlichen Recht, die Minderheit im römischen Recht oder in beiden Rechten. Obgleich die gelehrten und die fürstlichen Räte am Hofe in Konkurrenz zueinander traten und sie sich in Herkunft und Ausbildung voneinander unterschieden, verband sie doch eine Gemeinsamkeit: Beide konnten auf ein differenziertes Netz von personalen Verbindungen zurückgreifen. Den adligen Räten war diese Möglichkeit durch das Netz der adligen Familien gegeben, die gelehrten Räte hatten es sich durch ihre Ausbildung an der Universität geschaffen.181 Das, was Jakob Mennel, der nicht-adliger Herkunft war182, folglich für das Amt des kaiserlichen Rates qualifizieren mußte, war seine Rückgriffmöglichkleit auf ein besonders geartetes Personennetz. Trotzdem erstaunt, daß Mennel beispielsweise von dem Straßburger Humanisten Jakob Wimpfeling in einem Brief aus dem Jahre 1519 nicht unter den Gelehrten des Maximilianeischen Hofes aufgezählt wird. Das erstaunt umso mehr, da Mennel doch von Maximilian I. zur Arbeit an der habsburgischen Familienchronik herangezogen worden war und sich als ein Mann sah, dem selbst die habsburgischen Heiligen für sein gelehrtes Werk danken. 179 180

181 182

Vgl. dazu cvp 3077, fol. 111v. Vgl. zu der Definition von ‚Rat‘ Anfang des 16. Jahrhunderts Boockmann, H.: Zur Mentalität spätmittelalterlicher gelehrter Räte. In: Wege ins Mittelalter. Historische Aufsätze, hrsg. von Dieter Neitzert, Uwe Israel, Ernst Schubert. München 2000. S. 1-16. Ebd., S. 9. Da die biographischen Arbeiten zu Jakob Mennel über seine Kindheit schweigen, weiß man nur, daß er um das Jahr 1460 in Bregenz geboren wurde und vor dem 6.März 1526 starb. Bekannt ist, daß seine Eltern Jos und Dorothea Mennel hießen. Doch auch diese Information stammt nicht von Mennel selbst, sondern wurde aus einer Handschrift unter der Signatur HS 178 der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. konstruiert, in der sich ein Traktat befindet, in dem Jakob Mennel seinem Bruder Adam Beispiele für das korrekte Adressieren von Briefen gibt. Als Beispiel für Adressaten wählt Jakob die Namen der Eltern. Autobiographische Notizen von Mennel über seine Kindheit gibt es jedoch bislang nicht. Vgl. dazu die Angaben von Burmeister, K. H..: Neue Forschungen zu Jakob Mennel. In: Geschichtsschreibung in Vorarlberg (Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums, 59). S. 49-68, S. 49 f.

42 Aufgabe der nun folgenden Kapitel ist es, eine Vorstellung von dem Beziehungsnetz Mennels und von seinem schriftstellerischen Schaffen zu entwickeln, das seine Anstellung als Hofhistoriograph bedingt haben muß. Auf diesem Hintergrund kann dann geklärt werden, weswegen Mennel dennoch nicht in Wimpfelings Brief unter die erwähnenswerten Gelehrten des Wiener Hofes gerechnet wird.

3.1 Das Beziehungsnetz der Universität Tübingen Mennel war im vorarlbergischen Bregenz aufgewachsen, das sich im 15. Jahrhundert zu einer der zentralen Städte Vorderösterreichs183 entwickelt hatte.184 Kirchenpolitisch gehörte Bregenz zur Diözese Konstanz und hatte seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt im Bodenseeraum. Diese Schwerpunktbildung begünstigte die direkte Lage der Stadt Bregenz am südöstlichen Ufer des Bodensees und ihre unmittelbarer Nähe zu den geistigen Zentren des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts: St. Gallen, Vorarlberg und Feldkirch. Diese Nähe mag auch die Entscheidung des gebürtigen Bregenzers Mennel erklären, in Tübingen das Studium der Artes liberales aufzunehmen, da der Großteil der Studienanfänger aus dem Bodenseeraum Ende des 15. Jahrhunderts an die Universitäten Basel, Tübingen und Ingolstadt gingen.185 Mennel kann frühestens im Jahre 1477, dem Gründungsjahr der Universität, sein Studium an der Universität Tübingen begonnen haben. Obgleich der Nachweis fehlt, wann Mennel sein Studium in Tübingen aufgenommen hat, steht fest, daß er das Studium der Artes liberales am 28. Februar 1484 mit dem akademischen Grad des Magister Artium abschloß.186 Im gleichen Jahr trat Mennel seine Stelle als Lateinschullehrer in Rottenburg am Neckar an. Sieben Jahre standen Mennel somit zur Verfügung, um sein Beziehungsnetz zu den gelehrten Kreisen der Tübinger Universität und deren Umfeld aufzubauen. Der einzige Hinweis, der Rückschlüsse auf Mennels Beziehungsnetz in Tübingen erlaubt, gibt Mennel in der Fürstlichen Chronik: Johannes Naukler sei, so schreibt er, sein Lehrer gewesen.187 Es geht nun darum, ein mögliches Beziehungsnetz Mennels in Tübingen zu entwicklen, das er insbesondere mit der Hilfe seines Leheres Naukler gespannt haben kann. 183

184

185

186

187

Vorderösterreich ist eine späte Benennung für die Habsburgischen Territorien in Südwestdeutschland. Vgl. zu der Gebietsentwicklung der Habsburger Stammlande Quarthal, F.: Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands. In: Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, hrsg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart. Stuttgart 1999. S. 14-59. Ebd., S. 36 ff. Quarthal entwickelt hier in einem kurzen Überblick die Herrschaftsproblematik von Herzog Sigismund. Vgl. dazu Fugmann, J.: Humanisten und Humanismus am Bodensee in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Humanistenkreise in Konstanz und Lindau. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodenseeraums, 107 (1989). S. 107-190. Zum geistigen Werdegang Mennels vgl. Burmeister, K. H.: Neue Forschungen zu Jakob Mennel. In: Geschichtsschreibung in Vorarlberg (Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums, 59). S. 49-68. Vgl. cvp 3072*, fol. 35v: Mennel nennt Johannes Naukler „Mein altter und getreuer schulmaister zu Tuebingen“. Johannes Naukler (1425-1510) hieß mit bürgerlichem Namen Vergenhans. Von Zeitgenossen wurde alledings die griechische Übersetzung seines Namens (Nauclerus=der Ferge) bevorzugt, wie auch Mennel beweist.

43 Johannes Naukler stammte aus der aus der Nähe von Tübingen188 und hatte, wie sein Zögling Mennel in späteren Jahren, die Basler Universität besucht. Nach seinem Studium wurde Naukler der Erzieher des württembergischen Grafen Eberhard im Bart, den er spätestens bis in das Jahr 1459189 unterrichtete. Johannes Naukler hätte seinen Schüler Mennel also leicht mit den führenden Persönlichkeiten des württembergischen Hofes in Kontakt bringen können, zumal sein Bruder, Ludwig Naukler, seit 1481 das Amt des Stuttgarter Stiftspropstes innehatte und damit der oberste geistliche Repräsentant in Württemberg war. Und da die Nauklerbrüder auch im Bewußtsein Maximilians I. treue Parteigänger des habsburgischen Hauses waren190, war diese Verbindung Jakob Mennels sicherlich auch eine Empfehlung seiner Person an den Habsburger. Nach seiner Erziehungstätigkeit knüpfte Naukler Kontakte außerhalb der Reichsgrenzen. Er diskutierte mit Professoren der Pariser Universität Sorbonne und begleitete den Hirsauer Abt nach Mantua zu Papst Pius II., mit weltlichem Namen Enea Silvio Piccolomini genannt191. Enea war zu einem Vorreiter des italienischen Humanismus geworden und brachte es sogar zustande, durch seine humanistischen Forschungen „eine, wenngleich kurzfristige Brücke von Rom nach Deutschland zu schlagen“192. Enea vertrat vehement die Meinung, daß der Türkenzug die dringlichste Aufgabe „universaleuropäischer Dimension“193 für den Kaiser sei, und veranstaltete aufgrunddessen 1459 den Kongreß zu Mantua, um die europäischen Fürsten für diese Aufgabe zu gewinnen. Auf diesem Kongeß, der in seinem Anspruch für Pius erfolglos blieb, weilte somit auch Naukler. Über ihn hätte Mennel die Möglichkeit gehabt, mit Vertretern des Vatikan Kontakt aufzunehmen, zumal durch Papst Pius III., dem Neffen Eneas, weiterhin die Kontakte zwischen Rom und Deutschland – zwar im geringerem Maße als bei Pius II. – aufrecht erhalten wurde. Im Jahre 1477 machte Eberhard im Bart seinen ehemaligen Lehrer Naukler zum Rektor der neugegründeten Universität Tübingen. Naukler nahm wieder verstärkt zu den Universitäten Basel und Paris Kontakte auf, vielleicht diesmal mit der Absicht, neue Lehrkräfte zu rekrutieren.194 Die Kontakte nach Paris und Basel pflegte Naukler also auch von Tübingen aus weiter. Daß Naukler 188

189

190

191 192 193 194

Sein Name und die einzig erhaltene Urkunde, in welcher sein Vater als Lohn für treue Dienste die Jettenburg bei Tübingen von dem regierenden Graf geschenkt bekommt, läßt vermuten, daß Naukler aus einer Familie des niederen Dienstadels stammte. Vgl. dazu Haller, J.: Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537. Neudr. der Ausg. Stuttgart 1927 – 1929, Bd. 1. Aalen 1970. S. 15. Haller nimmt an, daß spätestens in dem Jahr der Mündigkeit des jungen Grafen – a. 1459 war Eberhard 14 Jahre alt – Nauklers Erziehertätigkeit beendet war. Vgl. ebd. , S. 15. Eberhard der Jüngere hatte Ludwig Naukler zum Vorwurf gemacht, 1481 das Amt des Stuttgarter Stiftspropsts ohne seine landesherrliche Zustimmung angetreten zu haben. Die Spannungen zwischen dem Landesherren und Ludwig Naukler führten schließlich so weit, daß Naukler mit Hilfe Maximilians I. auf dem Stuttgarter Landtag 1498 die Absetzung Eberhards d. J. erfolgreich forcierte. Vgl. dazu ausführlich Hofacker, H.: Kanzlei und Regiment in Württemberg im Späten Mittelalter. Tübingen 1989, S. 140. Enea Silvio Piccolomini (1458-1464), aus sienesischem Adelsgeschlecht. Meuthen, E.: Art. Pius II. In: TRE, 26. S. 649-652. Ebd., S. 650. Vgl. Haering, H.: Johannes Vergenhans genannt Nauclerus. Erster Rektor der Universität Tübingen und langjähriger Kanzler, Verfasser einer Weltchronik 1425-1510. In: Schwäbische Lebensbilder 5. Stuttgart 1959. S. 1-25, S. 5.

44 sich

nicht

aussschließlich

administrativen

Aufgaben

widmete,

sondern

auch

der

Geschichtsschreibung treu blieb, zeigt seine im Jahre 1500 vollendete Weltchronik, die in Gelehrtenkreisen gelobt wurde. Auf sie stützte sich auch Mennel in seiner Fürstlichen Chronik, beispielsweise bei den Überlegungen zum Ursprung der Franken.195 Die hohe Wertschätzung Nauklers in humanistischen Kreisen, deren historiographische Werke unter anderem der imperialen Idee Maximilians I. zuarbeiteten196, begründete der Tübinger Humanist Heinrich Bebel in einem Brief an den Augsburger Humanisten Konrad Peutinger: Von Johannes Naukler sei er nämlich gelobt worden, weil er sorgfältig und voller Eifer für das Vaterland in seinem historiographischen Werk über die Germanen gearbeitet habe. Und dieses Lob war viel wert, da es sich, so Bebel weiter, bei Naukler um einen überaus vortrefflichen, gelehrten und – aufgrund seines Alters - auch verehrungswürdigen Mann handle, der gegenwärtig am gründlichsten von jenen, die Geschichtswissenschaft betrieben, arbeite.197 Vielleicht konnte auch Nauklers Schüler Mennel Nutznießer der hohen Wertschätzung seines Lehrers in den südwestdeutschen humanistischen Kreisen sein und von diesen Unterstützung bei seinen historiographischen Arbeiten erhoffen. Bis zu seinem Tode im Jahre 1510 blieb Naukler Stadt und Universität Tübingen treu. Durch ihn konnte Mennel zumindest in den fünf Jahren zwischen seiner Berufung zum kaiserlichen Rat und Nauklers Tod die Möglichkeit nutzen, das gelehrte Gespräch in Tübingen zu suchen und über neue Werke und Forschungen insbesondere südwestdeutscher Humanisten informiert zu werden. Naukler hatte zudem als Universitätsrektor einer Institution vorgestanden, die sich gegenüber der Kirche zu verantworten hatte. Als Propstkanzler198 vertrat Naukler ab 1482 den Papst, der die höchste Aufsicht über die Universität innehatte, und mußte daher zwangsläufig in engem Kontakt mit höheren Würdenträgern der Kirche stehen. Es ist vorstellbar, daß dieses Amt Nauklers seinem Schüler die nicht leicht zu öffnenden Tore zu den Klosterbibliotheken aufschloß.

199

Damit war Mennel ein

weiterer Anknüpfungspunkt, diesmal zu kirchlichen Kreisen im Tübinger Raum, gegeben. Aber auch die Kontakte zu Humanisten wie Heinrich Bebel werden ihm dabei geholfen haben, die Büchersammlungen einzelne Klöster zu kontaktieren. So zeigt sich Bebels enge Verbundenheit mit dem Kloster Zwiefalten in folgendem Gedicht: 195

196

197

198

199

Auch der Sponheimer Abt Johannes Trithemius, den Mennel ebenfalls in seiner Liste der konsultierten Autoren aufzählt, verarbeitetdas Werk Nauklers in seinem eigenen Geschichtswerk, vgl. ebd., S. 15 f. Zum Zusammenhang des erwachten nationalen Bewußtseins in Deutschland, dem Humanismus und dem imperialen Denken Maximilians I. vgl. Lhotsky, A.: Das Zeitalter des Hauses Österreich. Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. in Österreich (1520-1527) (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichte Österreichs, 4). Wien 1971, S. 18f. Heinrich Bebel an Konrad Peutinger,: „[…] laborem meum laudavit diligentiam et studium patriae vir optimus atque doctissimus vernerabilissimaeque senectutis Ioannes nauclerus alias vergenhans historiarum nostro tempore diligentissimus“. Vgl. Heinrich Bebel: Opera Bebeliana sequentia. Pforzheim 1509, fol. 3r. Die Verschmelzung des Kanzleramtes mit der Propstei ist eine Besonderheit von Tübingen. Der Kanzler und Propst hatte das Aufsichtsrecht über die Vermögensverwaltung und die Ausgaben der Universiät, vgl. Haller, J.: Die Anfänge der Universität Tübingen, S. 76. Der Zutritt zur Klosterbibliothek Hirsau wird für Mennel jedenfalls unproblematisch gewesen sein, wo er nach Angaben zu Papst Leo IX. recherchierte, vgl. die Angaben von Mennel in cvp 3077**, fol. 94r-98v.

45 „Quod modo doctorum solatia bibliothecam Struxisti auctorum doctis variisque refertam Codicibus, semper te, abba venerande Georgi, Doctorum coetus laudabit, amabit, honorat.“200

Bebel lobt die Bibliothek des Klosters Zwiefalten, die sich durch eine gelehrte (doctus) und abwechslungsreiche (varius) Sammlung von Codices auszeichne. Diese Bibliothek habe der Abt mit dem Ziel aufgebaut, den Gelehrten (docti) Hilfsmittel an die Hand zu geben. Dafür, so Bebel, werde die gesamte Gelehrtenschaft (coetus doctorum) den Abt Georg Fischer loben (laudare), sich ihm verbunden fühlen (amare) und gesellschaftliche Anerkennung zukommen lassen (honorare). Der Abt Georg Fischer gibt den weltlichen Gelehrten die Möglichkeit zum Studium, und die weltlichen Gelehrten geben ihm dafür die Anerkennung jener Gelehrter, die nicht in die kirchliche Hierarchie mit eingebunden sind. Auch Mennel wird dieses Wechelspiel zu seinem Vorteil genutzt haben. Wenn er den Kontakt zu Klöstern nicht selbst herstellen konnte, so war es offensichtlich nichts Besonderes innerhalb der Humanistenkreise, die eigenen Beziehungen in den Dienst anderer Gelehrter, die einem empfohlen worden waren, zu stellen.201 Wer Humanisten kannte, hatte die Chance zu einem regen Gedankenaustausch und schneller Information über die Werke anderer Gelehrter. Man war gewohnt, daß der Gedankenaustauch zügig vonstatten ging, sonst hätte sich Bebel 1511 in einem Brief nicht bei Michael Hummelberg 202 beschwert, daß er lange auf dessen Brief habe warten müssen, bis der „bibliophorus“, ein ‚Bücherträger‘, Hummelbergs Brief endlich überbracht habe. Wenn Mennel wirklich auf das humanistische Beziehungsnetz in Südwestdeutschland Zugriff hatte, konnte er nicht nur leicht in Tübingen Buchbestände einsehen, sondern auch am Informationsaustausch der humanistischen Gelehrten untereinander teilhaben. Rottenburg am Neckar ist die erste Station für Jakob Mennel nach dem Studium gewesen, wo er zunächst als Lehrer, schließlich sogar als Rektor bis 1494 die Lateinschule leitete. Durch seine Tätigkeit in Rottenburg kam Mennel zum ersten Mal in einen direkten Bezug zu seiner späteren Wirkungsstätte, Freiburg im Breisgau, da Rottenburg seinen Rechtszug zu dieser landesherrlichen Stadt hatte. Außerdem gewährleistete die Nähe Rottenburgs zu Tübingen, daß Mennel das Beziehungsnetz, das er während seiner Studienzeit in Tübingen geknüpft hatte, auch weiterhin pflegen und ausbauen konnte. Fest steht, daß Mennel auch in Rottenburg darauf bedacht blieb, weitere Kontakte zu einflußreichen Personen zu knüpfen, da er auch in dieser Neckarstadt während 200 201

202

Heinrich Bebel: Commentaria epistolarum conficiendarum. Pforzheim (Thomas Anshelm) 1508. Fol. (B iiv). Eine persönliche Bekanntschaft war dafür nicht nötig. So konnte auch Heinrich Bebel Michael Hummelberg darum bitten, daß er ihn auch in die Freundschaft mit Hieronymus Aleander einbeziehe, da er von dessen Schriften begeistert sei. In einem späteren Brief schreibt Bebel, daß er sich nun bemühe, Aleander nach Tübingen zu holen, daß er ihm aber vorher noch ein „publicum stipendium“ beschaffen müsse, ohne das Aleander keine Vorlesungen abhalten könne. Dieser Brief wurde ediert von Horawitz, A.: Hummelberger, S. 35f.,

46 seines zehnjährigen Aufenthaltes mit der humanistisch gebildeten Oberschicht einen „freundschaftlichen Verkehr“203 gepflegt haben soll. In seinen zehn Rottenburger Jahren hatte Mennel also die Zeit und den Grundstock an Beziehungen über Naukler und aus seinen Tübinger Jahren, die ihm helfen konnten, die zahlreichen Klöster der Schwäbischen Alb zu besuchen und sich dort persönlich bekannt zu machen. Bei der Abfassung seiner Fürstlichen Chronik kann er jedenfalls angeben, viele Stifte in Schwaben aufgesucht zu haben; namentlich nennt er Kirchheim unter Teck und Lorch.204 Bei den Überlegungen zu Mennels Beziehungsnetz dürfen

keinesfalls die einzelnen

Druckerwerkstätten vergessen werden, die zu Umschlagplätzen begehrter Bücher und Neuerscheinunungen wurden. Auch sie wären für Mennel eine nützlich ‚Kontaktbörse‘ gewesen, wovon der Briefwechsel der Basler Buchdruckfamilie Amerbach zeugt. So war es nichts Ungewöhnliches, daß Buchrecherchen von Druckern an einzelne Klöstern in Auftrag gegeben wurden, wie der Briefwechsel des Basler Druckers Johannes Amerbach für das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert beweist.205 So sah der Mönch Alexius Blasius in seinem Heimatkloster St. Blasien die Bestände der Bibliothek auf Geheiß Amerbachs durch, um diesem ein Bild über die Bestände der im Jahre 1322 abgebrannten Klosterbibliothek, die nur noch ein „nemus atrum“ darstelle, zu vermitteln. Der Buchdrucker bemühte sich, über den aktuellen Buchmarkt informiert zu sein. Dabei kannte der Buchhandel zumindest des Basler Druckers Amerbach keine Stadtgrenzen, sondern funktionierte auch über weitere Entfernungen. Der Ulmer Johannes Krafft konnte ihn daher bitten, ihm doch ein Exemplar des Jerusalembuches 206 zuzuschicken, von dem er wisse, daß es Sebastian Brant „ante annos“ in Basel habe drucken lassen. Amerbach solle es beim Nuntius der Basler Kartause hinterlegen, er werde es ihm dann zu seinen Konditionen

abkaufen.

207

Auch

zwischen

einzelnen

Klöstern

regelte

Amerbach

den

Informationsaustauch über Bücher und deren Vermittlung. So bat ein Konventuale der elsässischen Zisterzienserabtei Maulbronn, Conrad Leontis, Johannes Amerbach darum, ihm doch das Buch der Hieronymusausgabe zukommen zu lassen, die der Prior der Freiburger Kartause208 dem Drucker geschickt habe.209 Neu in Druck gegangene Bücher konnten bei Amerbach auch über größere Distanzen hinweg angefragt werden, und die Distanz zwischen Basel und Schlettstadt oder Paris 203 204

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Burmeister, K. H.: Neue Forschungen zu Jakob Mennel, S. 50. Vgl. seine Angaben in der Auflistung der Orte, die Mennel für die Recherchen zur Fürstlichen Chronik, cvp 3072*, fol. 11v angibt. Johannes Amerbach stand nachweislich mit dem Mönch Alexius Blasius von a. 1495 bis a. 1509 in Kontakt. Vgl. dazu Hartmann, A. (Hrsg.): Die Amerbachkorrespondenz, 1. Bd.: Die Briefe aus der Zeit Johann Amerbachs 1481-1513. Basel 1942. S. 45, Brief Nr. 35 und S. 387, Brief Nr. 424. Sebastian Brant: De origine et conversatione bonorum Regum et laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem recuperandae. Basel (Johann Bergmann von Olpe) 1495. Der Brief des Johann Kraft an Johannes Amerbach ist datiert auf Ulm, 1. März 1495. Vgl. Hartmann, A. (Hrsg.): Die Amerbachkorrespondenz, 1. Bd., S. 123. Da der Brief auf das Jahr 1509 datiert ist, ist hier wohl wieder Gregor Reisch gemeint . Conrad Leontis an Johannnes Amerbach, wahrscheinlich geschrieben in Engental, 7. März 1509. Ebd., S. 375, Nr. 410.

47 hinderte ihn nicht daran, seinen Söhnen ein Exemplar der Carmina varia des Sebastian Brant210 und das Augustinische Werk De vera innocencia et sextum musice euisdem zukommen zu lassen.211 Amerbach konnte inhaltliche Fragen zu Werken beantworten und half daher dem Schlettstadter Kraft Hoffmann, der von Sebastian Brant in Erfahrung bringen wollte, welchen Autor er an einer bestimmten Stelle seines Narrenschiffes als Gewährsmann verwendet habe.212 Übertragen auf Tübinger Verhältnisse bedeutet dies, daß Mennel über Drucker ebenfalls sein Beziehungsnetz aufbauen konnte, zumal wenn sie, wie Amerbach, in Kontakt mit Humanisten standen. Es kann davon ausgegangen werden, daß auch Jakob Mennel als Gelehrter und Schüler des Johannes Naukler in Tübingen über die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, sei es durch humanistische Freundschaftsverbindungen, sei es über Drucker, eingehend informiert war und die Möglichkeit hatte, diese zu nutzen. Gerade für Tübingen und die Schwäbische Alb wird das nach seiner Studienzeit in Tübingen und seiner Lehrtätigkeit in Rottenburg am Neckar der Fall gewesen sein. Mag sein, daß ihm die Tatsache, im Dienste des Kaisers zu stehen, die Türen zu den Klosterbibliotheken geöffnet haben. Da Mennel aber auch, wie an späterer Stelle noch dargelegt werden wird, Helfer hatte, die in seinem Auftrag Informationen einholten213, mußte Mennel schon einen bekannten und geschätzten Namen unter den einzelnen Gelehrten und Klostervorstehern haben, um für seine Helfer deren mit Argus-Augen bewachte Bücherschätze zugänglich zu machen.214 Grundsätzlich konnte Maximilian I. schon bei den Kontaktmöglichkeiten, die Mennel nach seinem Studium in Tübingen wahrscheinlich zur Verfügung standen, davon ausgehen, mit Mennel einen Forscher engagiert zu haben, dem alle damaligen Wege der Informationsbeschaffung offen standen. Damit war ein schnelles Voranschreiten der Forschungsarbeiten zumindest für das Materialsammeln garantiert. Eine weitere Station Mennels waren die Universitäten Basel und Freiburg. Auch hier sollen die Überlegungen zu möglichen Bekanntschaften Mennels helfen, über die Möglichkeiten seiner Informationsbeschaffung und seinen Bekanntheitsgrad in der damaligen Gelehrtenwelt eine Vorstellung zu bekommen.

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Bruno und Basilius an ihren Vater Johannes Amerbach, Schlettstadt, 3. Januar 1499, vgl. Ebd., S. 95, Brief Nr. 89. Hartmann, A. (Hrsg.): Die Amerbachkorrespondenz. 1. Bd. Die Briefe aus der Zeit Johann Amerbachs 14811513. Basel 1942. S. 224: Bruno an seinen Vater Johannes Amerbach, Paris, 27. Oktober 1504. Kraft Hoffmann an Johannes Amerbach, Schlettstadt, 1. August 1497, vgl. ebd. S. 67. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 81. Sicher ist, daß es in jedem Fall eines Empfehlungsschreibens bedurfte, um zu den Bücherschätzen eines Klosters zu gelangen. So bezeugt der Abt Friedrich von Reichenau am 27. Februar 1437, daß der Mönch Kaspar die ausdrückliche Erlaubnis habe, „weiteren Studien“ nachzugehen. Vgl. Historischer Verein des Kantons St. Gallen (Hrsg.): Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, 5 (Jahr 1412-1442). St. Gallen 1913. S. 814, Nr. 3971. Auch Ulrich Rösch, der Pfleger des Gotteshauses St. Gallen, stellt seinem Kaplan, dem Priester und BenediktinerMönch Johannes de Wienna, am 10. August 1460 ein Leumundszeugnis aus, um bei Abt Johannes des Klosters Reichenau zu erwirken, daß der Mönch dort für eine Zeit verweilen dürfe. Sicherlich hatte Rösch auch hier nicht nur die Unterkunft im Kloster, sondern im besonderen die Benutzung der Bibliothek durch seinen Schützling im Auge. Vgl. dazu ebd., S. 701, Nr. 6447.

48

3.2 Das Beziehungsnetz der Universitäten Basel und Freiburg im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert Am 22. Juli 1493 schrieb sich Mennel als „Magister Jacobus Mennell de Brigantia“

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in die

Matrikel der Universität Freiburg ein. Mit ihm kamen eine Anzahl von eigenen Schülern, für die er um die Bereitstellung eines Hauses bat, von Rottenburg nach Freiburg.216 Gleich auf seinen Namen im Matrikelbuch der Universität Freiburg des Jahres 1493 folgen Namen der Rottenburger Aegidius Hipp, Georgius Greff und Wolfgang Keller. Als magister artium hatte Mennel durch seine Tätigkeit in Rottenburg einen guten Leumund, wie seine Schülerschar zeigt. Auch die Vertreter der Freiburger Universität konnte er derart überzeugen, daß sie ihm schließlich die Stelle des magister regens in den Artes liberales der Universität Freiburg übertrugen. In den Matrikeln der Universität Basel findet sich der „magister Jacobus Mennel de Pragancia“ im Jahre 1494/95, als Johann Ulrich Surgant das Rektorat innehatte.217 Mit ihm studierte unter anderem Jeronimus Wenninger aus St. Gallen, der nach seinem Studium bis zu seinem Tod im Jahre 1519 Helfer in St. Laurenzen zu St. Gallen war, und Johannes, der aus St. Gallen kam und ab 1500 nachweislich in Köln lebte. Sowohl Johannes Schindeli de Niderburen, der in den Jahren, als Mennel in Diensten Kaiser Maximlians I. forschte, Kaplan von Amtszell in Heiligkreuz war, als auch Georgius Búntzli konnten für Mennel Bekanntschaften aus seiner Basler Studienzeit sein. Somit bestünde die Möglichkeit, daß sie ihm bei seinen späteren Recherchearbeiten hilfreich waren. Búntzli war von 1504 bis 1529 Kaplan von St. Peter in Basel. In seinem Kommilitonen Johannes Sattler hatte er den Rektor der Universität Basel von 1513 kennengelernt218; also auch genau in jenen Jahren, in denen Mennel historisch forschte.

3.2.1.1 Sebastian Brant Ab dem Jahr seines Studienbeginns in Basel, also 1494, könnte Mennel auf Sebastian Brant219 getroffen sein. Brant hatte nämlich ab Herbst 1475 an der Universität Basel das Studium der Artes liberales aufgenommen und schließlich noch Jurisprudenz studiert. Er lehrte nach abgelegtem Baccalaureat und erworbenem Lizenziat in Basel vorrangig kanonisches Recht, etwas Zivilrecht 215

216 217 218 219

Vgl. Mayer, H. (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br. Von 1460-1656. 1. Bd.: Einleitung und Text. Freiburg i. Br. 1907, S. 110, Nr. 40. Vgl. dazu Burmeister, K. H.: Neue Forschungen zu Jakob Mennel, S. 51. Wackernagel, H. G. (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Basel. Basel 1951, S. 231. Sattler war Rektor der Universität Basel in den Jahren 1513, 1518 und 1521. Vgl. dazu ebd. Zu den biographischen Angaben vgl. Lemmer, M.: Art. Sebastian Brant. In: VL, 1. Sp. 992-1006.

49 und ab 1484 auch Poesie. Vielleicht lernte Mennel den gebürtigen Straßburger bei einer seiner Lehrveranstaltungen kennen. Ab 1500 kehrte Brant in seine Geburtsstadt Straßburg zurück, war dort zunächst als Syndikus und ab 1503 als Stadtschreiber tätig. Mit Kaiser Maximilian stand er nachweislich in Kontakt und wurde von diesem für historiographische Arbeiten herangezogen. So konnte Maximilian am 26. Mai 1504 von Dillingen aus an Herrn Peter Veltsch schreiben, er solle Sebastian Brant in Straßburg aufsuchen, damit dieser „ein puech, darinen sechs Romzueg begriffen werden, colligieren und machen“ könne.220 Im Jahre 1510 präsentierte Brant seine später so benannte Straßburger Archivchronik; in seinem Nachlaß fand sich ein Torso, betitelt mit „Chronik über Deutschland, zuvor des lands Elsaß und der löblichen Statt Straßburg“. Nach diesen Forschungen zu urteilen, die Brant schon vor Mennels Ernennung zum kaiserlichen Historiographen erhielt, konnte der Straßburger insbesondere in regionalgeschichtlichen Fragen ein guter Ratgeber für Mennel sein. Gerade auf hagiographischem Gebiet war Brant Spezialist, war er doch der Herausgeber des deutschsprachigen Legendars Der Heiligen Leben, das der Straßburger Johannes Grüninger 1510 ein zweites Mal gedruckt hatte. Bei dem gleichen Drucker hatte auch Johannes Adelphus zwei Jahre früher für Mennels Interpretation der Passio Christi221 einen Druckauftrag gegeben. So kann auch hier vermutet werden, daß Grüningers Werkstatt eine weitere der frühen Gelegenheiten für Jakob Mennel und Sebastian Brant war, sich zum gelehrten Gespräch zu treffen. Daß sie sich letztlich im Zusammenhang mit den Arbeiten zu den Heiligen ausgetauscht haben, scheint jedoch gesichert zu sein.222

3.2.1.2 Der Freiburger Humanistenkreis Nach seinem Studium der Rechtswissenschaft hatte Mennel an der Universität Freiburg ab dem Jahre 1507 bis zu seinem Lebensende eine Professur für Recht inne.223 Jakob Locher, der 1498 in Anwesenheit des Kaisers zum Dichter gekrönt worden war224, könnte mit Mennel in Kontakt gestanden haben; immerhin hatte er die Übersetzung von Brants Narrenschiff ins Deutsche in Angriff genommen. Ulrich Zasius225, Mennels Vorgänger im Stadtschreiberamt, mußte ihm als 220

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Zitiert nach Trauttmandorff-Weinsberg, F. Graf zu (Hrsg.): Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 3 (1885). S. XXIX, Nr. 2568. Vgl. zu diesem Brief ferner Knape, J.: Dichtung, Recht und Freiheit-Studien zu Leben und Werk Sebastian Brants 1457-1521. Baden-Baden 1992, S. 186f. Jakob Mennel: Das ist der Passion in Form eins Gerichtshandels darin Missiven Kauffbrieff Artelbrieff und ands gestelt sein kurzweilig unn nütz zulesen. Straßburg (Grüninger) 1508. Vgl. dazu Joachimsen, P.: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland, S. 201, Anm. 24. Im Jahre 1507 erhielt Mennel das 4. Ordinariat in Zivilrecht an der Freiburger Juristenfakultät. Vgl. dazu Burmeister, K. H.: Neue Foschungen zu Jakob Mennel, S. 56. Vgl. dazu ausführlich Mertens, D.: Universität, die Humanisten, der Hof und der Reichstag zu Freiburg 1497/98. In: Der Kaiser und seine Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498, hrsg. im Auftr. d. Stadt Freiburg i. Br. von Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998. S. 315-331, S. 316f. Zum Leben des Ulrich Zasius, insbesondere zu seiner Tätigkeit als Stadtschreiber vgl. Rowan, S.: Ulrich Zasius. A Jurist in the German Renaissance 1461-1535 (Ius commune, Sonderheft 31). Frankfurt a. M. 1987.

50 Kollege an der Freiburger Juristenfakultät begegnet sein. Und doch findet Mennel im gelehrten Schriftwechsel der süddeutschen Gelehrten keine Erwähnung. Die Gründe für diese ‚Nichtbeachtung’ sollen die nun folgenden Überlegungen erschließen. Daß Mennel seine Gesprächspartner in Freiburg finden konnte, und sich mit ihnen auch über hagiographische und insbesondere historiographische Belange unterhalten konnte, steht außer Zweifel. So hatte Jakob Locher die Übersetzung des deutschen Narrenschiffes ins Lateinische226 von Sebastian Brant in Angriff genommen,227 und wäre damit sicherlich ein adäquater Gesprächspartner in Übersetzungsfragen für Mennel gewesen. Eine zentrale Rolle in der Freiburger Gelehrtenwelt des 15. Jahrhunderts spielte der Freiburger Kartäuserprior Gregor Reisch, dessen Klosterbibliothek zeitweise den Mittelpunkt des geistigen Lebens bildete und Ort wissenschaftlicher Treffen war.228 Jakob Mennel, der bis 1505 Kanzler des Heitersheimer Johanniterordens war, muß spätestens 1504, als die Heitersheimer Johanniter mit den Freiburger Kartäusern, denen Gregor Reisch vorstand, um die Dörfer Uffhausen und Wendlingen verhandelten, mit Reisch zusammengetroffen sein.229 Auch Reischs philosophisches Werk, die Margarita Philosophica, wurde schon 1496 in Heidelberg gedruckt230 und zeugt von der Gelehrtund Belesenheit ihres Autors. Bei Reischs Erfolgswerk handelte es sich um eine „philosophische Enzyklopädie“231, in der die Grammatik, Logik, Rhetorik auf der einen Seite, und Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie und Metaphysik auf der anderen Seite behandelt wurden. Reisch bot mit seinem Werk also das Wissen der artes. Ihr Inhalt und die Tatsache, daß die Margarita die erste philosophische Enzyklopädie in Deutschland war, erklärt, daß sie auch in Basel und Freiburg begeisternder Gegenstand gelehrter Gespräche war.232 Reisch hatte, wie sich seinen zahlreichen in der Margarita zu findenden Gedichten entnehmen läßt233, intensiven Kontakt mit Humanisten, 226

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Am 1. März 1497 erschien bei Johann Bergmann von Olpe die von Brant autorisierte Übertragung des Narrenschiffes ins Lateinische. Einen Vergleich zwischen Lochers und Brants Narrenschiff unternahm Hartl, N.: Die ‚Stultifera Navis‘ – Jakob Lochers Übertragung von Sebastian Brants Narrenschiff, Bd. 1, 1 und 1, 2 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit, 1). Münster, New York, München, Berlin, 2001. Die wenigen Briefe, die noch von Sebastian Brant erhalten sind, wurden im Rahmen von Briefwechseln mit anderer Gelehrter seiner Zeit herausgegeben, vgl. dazu die Angaben von Knape, J.; Wuttke, D. (Hrsg.): Sebastian-BrantBibliographie: Forschungsliteratur von 1800-1985. Tübingen 1990, werden die edierten Briefe Sebastian Brant auf S. 51-57 zusammengestellt. Ein Briefwechsel zwischen Locher und Brant ist dort leider nicht erhalten. Vgl. dazu Mertens, D.: Der Freiburger Humanistenkreis. In: Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers. Die Habsburger im deutschen Südwesten. Stuttgart 1999. S. 253-259. Vgl. ebd., S. 253 und Rest, J.: Freiburger Bibliotheken und Buchhandlungen im 15. und 16. Jahrhundert. Freiburg i. Br. 1925, S. 37. Zu den Gebietserwerbungen der Heitersheimer Johanniter vgl. Weiss, A.: Die Auseinandersetzung der Johanniter von Heitersheim mit den Habsburgern um die Landeshoheit (Zulassungsarbeit). Freiburg, 1966. S. 23. Hain, L.: Repertitorium Bibliographicum, II, 2. Mailand 1966. S. 213, Nr. 13852. Zum Inhalt der Margarita vgl. Münzel, G.: Der Kartäuserprior Gregor Reisch und die Margarita Philosophica. Freiburg i. Br. 1937. Johann Schott druckte 1503 Gregor Reischs „Margarita philosophica“ in Freiburg. Es besteht jedoch auch die große Wahrscheinlichkeit, daß dieses Werk in Straßburg gedruckt wurde. Vgl. dazu die Angaben von Benzing, J.: Der Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 12). Wiesbaden 1982, S. 148. Dazu vgl. Münzel, G.: Der Kartäuserprior Gregor Reisch, S. 11ff. Großen Raum nimmt die Darstellung des Beziehungsnetzes Reischs ein bei Andreini, L.: Gregor Reisch e la sua Margarita Philosophica (Analecta Cartusiana, 138). Salzburg 1997.

51 insbesondere natürlich mit den Locher und Zasius. Auch Jakob Wimpfeling schätzte ihn sehr. Den Kartäuserprior Reisch muß Mennel gekannt haben, und über ihn wird er auch Kontakte zu anderen Gelehrten gefunden haben. Doch auch bei ihm, wie bei den schon aufgeführten Humanisten, findet Mennel keine Erwähnung. Gerade weil alle Tatsachen dafür sprechen, daß Jakob Mennel in der Gelehrtenwelt, zumal in der humanistischen des südwestdeutschen Raumes, kein Unbekannter war, erstaunt es, daß ihn der Vorreiter des südwestdeutschen Humanismus, Wimpfeling, nicht in der Reihe der „docti“ des kaiserlichen Hofes nennt. Am 18. Februar 1519, also wenige Tage nach Maximilians Tod, schrieb Wimpfeling an seinen Neffen Jakob Spiegel, der ebenfalls am Sterbebett Maximilians I. anwesend war, einen Brief.234 Darin zählte er Spiegel die von ihm hochgeschätzten Gelehrten und klugen Köpfe (docti et prudentes) auf, die Kaiser Maximilian I. gedient hätten.235 Er wolle damit, so Wimpfeling, dem falschen Urteil entgegenwirken, Maximilans Vertraute (familiares) seien nur Sänger, Vogelfänger, Jäger und Flötenspieler (cantores, aucupes, venatores, tibicines) gewesen. Eine Analyse derjenigen docti, die Wimpfeling in dem Brief aufzählt, soll nun Rückschlüsse darauf zulassen, welche Kriterien Jakob Mennel, zumindest in den Augen Wimpfelings, nicht erfüllte, um von ihm als ein doctus et prudens des Kaiserlichen Hofes zu Wien anerkannt zu werden. Einer, den Wimpfling einen doctus et prudens nennt, ist Konrad Stürtzel. Er hatte an den Universitäten Heidelberg und Freiburg im Breisgau studiert und schließlich der Stadt Freiburg, wo er zweimal das Amt des Universitätsrektors innehatte und auch lehrte, lebenslange Treue gehalten 236 . Als Universitätslehrer in Kanonischem Recht sammelte er einen Schülerstab um sich, der späterhin die führenden Köpfe des südwestdeutschen Humanismus stellte - dazu gehörte auch Jakob Wimpfeling. Ab 1497 bis zu seinem Tode im Jahre 1509 stand Stürtzel als Hof- und Erzkanzler in Diensten Maximilians. Ab diesem Zeitpunkt war er nicht selten derjenige, durch den sich Freiburger Universitätsangehörigen der Zugang zum kaiserlichen Hof öffnete. Der in Freiburg ansässige Humanist Jakob Locher pries Stürtzel sogar als seinen Patron am kaiserlichen Hofe, und so überrascht es nicht, daß Wimpfeling ihn, den ‚Humanistenförderer‘ und ehemaligen Lehrer, in seiner Liste nennt. 237 Ein weiterer Name in Wimpfelings Liste ist Lodovico Bruni, der Sekretär der italienischen Kanzlei Maximilians und Bischof von Acqui. Auch der Triester Bischof Petrus Bonomus, der nach Wimpfelings Angaben Schriften (scripta) verfaßte, wird von Wimpfeling genannt. Sebastian 234 235 236

237

Herding, O.; Mertens, D. (Hrsg.): Jakob Wimpfeling. Briefwechsel. München 1990. S. 833, S. 339. Ebd., S. 274, Nr. 76, Anm. 1. Stürtzel las seit 1458 an der neubegründeten Universität Freiburg lateinische Grammatik an der Artistenfakultät. Ab September 1465 hielt er auch Vorlesungen über aristotelische Schriften. Vgl. dazu Rannacher, I.: Dr. Konrad Stürtzel von Buchheim im Dienste Kaiser Maximilians I. Graz, 1976, S. 3. Vgl. dazu Mertens, D.: Universität, die Humanisten, der Hof und der Reichstag zu Freiburg 1497/98, S. 320.

52 Sperantius zeichnete sich als Rechtsgelehrter (iurisconsultus) aus und war Bischof von Brixen. Alle drei Personen waren hohe kirchliche Würdenträger, als sie im Dienste Kaiser Maximilians standen,

Ludovico

Bruni

hatte

sich

zudem

literarisch

mit

humanistischen

Themen

auseinandergesetzt. Gregor Reisch musste Wimpfeling schon nach dessen Erstdruck der schon erwähnten Margarita Philosophica im Jahre 1496 aufgefallen sein. Auch die Liste der Beiträger zu Reischs erneutem Druck des Werkes im Jahre 1504 bei dem Straßburger Drucker Johannes Schott deutet auf Reischs Vernetzung mit dem südwestdeutschen Humanismus hin und spricht für einen hohen Bekanntheitsgrad bei den südwestdeutschen Humanisten. Dort finden sich beispielsweise auch die Freiburger Humanisten Jakob Locher und Ulrich Zasius.238 Der Beichtvater Maximilians war somit, im Gegensatz zu Jakob Mennel, über sein literarisches Werk Jakob Wimpfeling als ein doctus bekannt gworden, der bei einer Auflistung der Gelehrten des Wiener Hofes nicht fehlen durfte. Konrad Peutinger ist ein weiterer Name in der Aufzählung Wimpfelings. Der Augsburger Humanist und Wimpfeling hätten leicht – wenn nicht über den humanistischen Freundeskreis, so doch über den Straßburger Drucker Johannes Prüß in persönlichen Kontakt kommen können. Prüß hatte im Jahre 1506 die Sermones convivales Peutingers in Druck gebracht und von Matthias Schürer bearbeiten lassen. Gerade bei diesem Druck war unter anderem Ulrich Zasius als Beiträger beteiligt, und Zasius tauschte sich mit Wimpfeling nachweislich ab dem Jahre 1505 über seine Quaestiones de parvulis Judaeorum baptisandis aus.239 Wenn eine Kontaktaufnahme zwischen Wimpfeling und Peutinger auch nicht persönlich stattgefunden haben mag, so liegt doch nahe, daß Wimpfeling über Zasius mit dem Augsburger Humanisten in Verbindung trat, zumindest aber über dessen Arbeiten auf dem laufenden gehalten wurde. Zumal Konrad Peutinger mit der kaiserlichen Grabmalplanung von Maximilian I. betraut war240. Da diese Planung des Grabmals mit den Forschungen zu den Vorfahren und Heiligen des Hauses Habsburg einherging, wird Wimpfeling über einen Kontakt mit Peutinger auch von Mennels Arbeiten Kenntnis erlangt haben. Nicht zu vergessen, daß auch der Freiburger

Zasius,

dessen

Nachfolger

Mennel

im

Stadtschreiberamt

war,

über

den

Maximilianeischen Hofhistoriographen informiert sein mußte. An der Nennung Konrad Peutingers wird deutlich, daß Wimpfeling Jakob Mennel zumindest über Peutinger kennen und von seiner Tätigkeit in kaiserlichen Diensten wissen mußte. Wimpflings Kriterium bei der Namensnennung der docti et prudentes war also nicht nur die eigene Kenntnis von Namen, sondern unterlag offensichtlich einem weiteren Kriterium, das Mennel nicht erfüllte. 238

239 240

Vgl. VD 16. Nr. R 1035. Daß das Freiburger Kartäuserkloster Gönner des Humanismus beherbergte, beschreibt auch Dieter Mertens in seinem Aufsatz, vgl. Mertens, D.: Der Freiburger Humanistenkreis. In: Vorderösterreich, S. 253. Vgl. dazu Herding, O.; Mertens, D. (Hrsg.): Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, S. 493 ff. Brief Nr. 248. Zur Grabmalplanung vgl. Egg, E.: Die Hofkirche in Innsbruck. Das Grabmal Kaiser Maximilians I. und die Silberne Kapelle. Innsbruck, Wien, München 1974. Vgl. ferner Schmid, K.: ‚Andacht und Stift‘. Zur Grabmalplanung Kaiser Maximilians I. (Mit einem Anhang von Dieter Mertens). In: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (Münsterische Mittelalter-Schriften, 48). München 1984. S. 750-786. S. 750 ff.

53 Bie der Suche nach diesem Kriterium hilft die Nennung von Johannes Stab weiter. Wenn Stab seine Namensnennung bei Wimpfeling nicht dem Amt des kaiserlichen Hofhistoriographen verdankte, so muß seine Krönung zum ‚Poeta laureatus‘, die Konrad Celtis im Jahre 1502 vorgenommen hatte und ihn vor anderen Humanisten auszeichnete, ausschlaggebend gewesen sein.241 Johannes Stab war also in die Humanistenkreise integriert, wie ein persönlicher Gruß von Johannes Stab im Anhang zu einem Brief Willibald Pirckheimers an Erasmus von Rotterdam belegt.242 Zudem stand Wimpfeling seinerseits mit Pirckheimer in Kontakt, was ein persönliches Kennenlernen von Stab und Wimpfeling wahrscheinlich macht. Die Tatsache, daß Konrad Peutinger und Johannes Stab im Jahre 1515 ihr historisches Gemeinschaftwerk Jordanis de rebus Gotharum herausgaben243, mag für den historisch interessierten Wimpfeling ein weiterer Grund gewesen sein, beide Namen unter den ersten des kaiserlichen Hofes zu nennen. Zieht man nach der eben gemachten Beobachtung ein Fazit, so war die Integration in das süddeutsche Netz von Humanisten wohl ein maßgebliches Kriterium für Jakob Wimpfeling, einen Gelehrten des kaiserlichen Hofes mit dem Attribut doctus et prudens zu belegen und in seinem Brief zu nennen. Offensichtlich erfüllte Mennel in den Augen Wimpfelings dieses Kriterium nicht. Der Kardinal Matthäus Lang wird ebenfalls namentlich in Wimpfelings Brief genannt. Er war ein geschätzter Diplomat Kaiser Maximilian I.244 und hatte sich als Mäzen von humanistischen Gelehrten, beispielsweise von Conrad Celtis, hervorgetan. Bei ihm bestätigt sich auch die Vermutung, daß Wimpfeling den Kardinal wegen seines Mäzenatentums gegenüber humanistischen Gelehrten als nennenswerten Gelehrten des Wiener Hofes aufzählte – doch auch als Mäzen hatte sich Mennel nicht hervorgetan. Nach diesen Betrachtungen liegt es somit nahe, daß Wimpfelings Namensliste der erwähnenswerten Gelehrten nicht Spiegel allgemein hochgeschätzter Gelehrter des Wiener Kaiserhofes ist, sondern vielmehr aus seiner persönlichen Arbeit mit Vertretern der Kirche und Humanisten des südwestdeutschen Raumes resultiert. Mennel lebte zwar im südwestdeutschen Raum und muß Wimpfeling als Stadtschreiber Freiburgs, Professor für Recht an der Universität oder auch Hofhistoriograph Kaiser Maximilians ein Begriff gewesen sein. Allein die Tatsache aber, daß Mennel in die humanistischen Kreise nicht integriert war, was das Fehlen seines Namens in den erhaltenen Briefwechseln zwischen Humanisten belegt, erklärt sein Fehlen in Wimpflings Namensliste.

241 242

243 244

Vgl. dazu Beleg zu Johannes Stab. Vgl. dazu den Brief Willibald Pirckheimers an Erasmus, datiert auf den 20. Mai 1516. Der Brief ist ediert bei Erasmus von Rotterdam: Opus epistolarum., II (1514-1517), hrsg. von P. S. Allen. Oxford 1910. S. 238, Nr. 409. Im Jahre 1515 erschien dieses Werk. Darauf geht näher ein Lhotsky, A.: Apis Colonna, S. 38f. So beispielsweise bei den Verhandlungen Kaiser Maximilians mit Ungarn, vgl. dazu Wiesflecker, H.: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, 3. München 1977, S. 333.

54 Die Vorrede zu Mennels Interpretation der Passion Christi245 mag ein letztes Mal verdeutlichen, weswegen Jakob Wimpfeling den Wahlfreiburger Mennel nicht unter die kaiserlichen Gelehrten und klugen Köpfe einreihte. 1508, als Johannes Adelphus, auf den noch an späterer Stelle eingegangen wird246, Mennels Passio Christi in Druck gab, spricht er Mennel, der zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre kaiserlicher Hofhistoriograph war, als „hochgebornen fürrtrefflichen mann herren Jacoben Mennel“, den Doktor beider Rechte und Kanzler des Johanniterordens in Deutschland an. Mennels Amt als kaiserlicher Rat bleibt völlig unerwähnt. Mennel wurde von Adelphus nur als Jurist wahrgenommen, dessen Tätigkeit allein auf die Freiburger Universität und das Kanzleramt in Heitersheim bezogen wird. Es wäre durchaus üblich gewesen, auch auf Mennels Stellung als Hofhistoriograph des Kaisers hinzuweisen, da damit Prestige verbunden war. So läßt Johannes Stab in einem Brief an Erasmus von Rotterdam nicht unerwähnt, daß er ihn als „Caesaris historiographus“ grüße.247 Stab, der zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes, im Jahre 1516, sein Werk De rebus Gothorum schon herausgegeben hatte, hatte als Historiograph schon publiziert, während Mennel bis zum Jahre 1508, in dem Adelphus seine Vorrede schrieb, nur das juristische Werk zum Schachzabelspiel 1507 in Druck gegeben hatte. Im Unterschied zu Stab hatte sich Mennel also durch kein historisches Werk hervorgetan – und das verhielt sich 1519 auch noch so, als Wimpfeling seine Namensliste der docti et prudentes des Wiener Hofes zusammenstellte. Wahrscheinlich liegt darin der Grund für Mennels Nichtbeachtung als Hofhistoriograph bei den Zeitgenossen.

3.3 Die Qualifikation des Freiburger Stadtschreibers Im Jahre 1496 trat Mennel das Stadtschreiberamt in Freiburg im Breisgau an, nachdem sein Vorgänger in diesem Amt, Ulrich Zasius248, Lateinschullehrer in Freiburg wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mennel bereits drei Jahre in der Stadt gelebt. Nach dem Ratsbeschluß von 1481 mußte jeder, der ein städtisches Amt in Freiburg innehatte, das Freiburger Bürgerrecht erwerben.249 Offensichtlich wollten die Freiburger gezielt Auswärtige dazu animieren, in Freiburg ein städtisches Amt zu übernehmen. So setzte der Rat fest, daß diejenigen, die als Auswärtige städtische Angestellte werden wollten, nur die Hälfte der sonst zu zahlenden 245

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249

Jakob Mennel: Das ist der Passion in Form eins Gerichtshandels darin Missiven Kauffbrieff Artelbrieff und ands gestelt sein kurzweilig unn nütz zulesen. Straßburg (Grüninger) 1508. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 72. Vgl. dazu den Brief Willibald Pirckheimers an Ersamus, datiert auf den 20. Mai 1516. Vgl. Erasmus von Rotterdam: Opus epistolarum, S. 238, Nr. 409. Zur Tätigkeit des Ulrich Zasius als Stadtschreiber und seiner Hinwendung zum Humanismus vgl. Rowan, S.: Ulrich Zasius. A Jurist in the German Renaissance 1461-1535 (Ius commune, Sonderheft 31). Frankfurt a. M. 1987. Zu den rechtlichen Anforderungen an die Freiburger Stadtschreiber vgl. Thiele, F.: Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg i. Br., 13). Freiburg i. Br. 1973.

55 Gebühr für das Bürgerrecht aufbringen mußten.250 Die Übernahme des Stadtschreiberamtes durch den gebürtigen Bregenzer Jakob Mennel erstaunt daher nicht. Offenbar empfahl nämlich das ‚Fremdsein’ einen Bewerber für ein städtisches Amt in Freiburg. Die auswärtigen Bewerber unterschied von den gebürtigen Freiburgern, daß sie in der Stadt bei Amtsantritt noch frei von sozialen Bindungen waren, die sie der einen oder anderen Gruppe in der Stadt verpflichtete. So konnten sie mit gutem Gewissen den städtischen Ratsherren den Eid ablegen, ihnen gegenüber loyal zu sein. Belohnt wurde ein Stadtschreiber für diese Loyalität mit der Teilhabe an den Einnahmen aus dem Gewerft der Stadt Freiburg und der Zusicherung, ihre persönlichen Einkünfte durch das Ausstellen von Urkunden verbessern zu können. Das, was Mennel folglich mit der Übernahme des Freiburger Stadtschreiberamtes bewiesen hatte, war die Bereitschaft, unabhängig von jeglichen sozialen Bindungen beispielsweise gegenüber der Herkunftsfamilie, einem Dienstherren Loyalität zu schwören. Für Maximilian war die schon erprobte Loyalität Mennels sicher ein Grund, den Freiburger Stadtschreiber mit dem Amt eines kaiserlichen Rates zu betrauen. Außerdem hatte Mennel in einer Stadt seinen Dienst geleistet, die sich als außerordentlich treu gegenüber ihrem habsburgischen Landesherren erwiesen hatte.251 Für das Haus Habsburg machte diese Haltung der Stadt einen so zentralen Punkt seines Selbstverständnisses aus, daß Mennel davon ausführlich in der Fürstlichen Chronik des Hauses Habsburg berichtete.252 Zudem erweiterte die Arbeit als Stadtschreiber auch das Beziehungsnetz des Amtsträgers. So vermittelte Mennel als Stadtschreiber zwischen Stadtrat und Stadtgemeinde. Auf der einen Seite teilte er Entscheidungen des Rates der Untertanengemeinde mit, auf der anderen Seite brachte er die Wünsche und Bedürfnisse aus der Stadtgemeinde den Ratsherren vor. Er schlichtete zwischen Freiburg und anderen Städten, zwischen vorderösterreichischer Stadt und fürstlicher Zentrale, zwischen Politik und Theologie, Predigern und Ratsherren in Rechtsstreitigkeiten.253 Mennels Beziehungsnetz mußte durch diese Vermittlungstätigkeit zwangsläufig nun auch Personen der Stadt- und Kirchenleitung, wie auch Vertreter einzelner Fürstenhöfe mit einbeziehen. Was er dabei unter Beweis stellen mußte, waren seine rhetorischen Fähigkeiten, sein Wissen um den richtigen Umgang in der Kommunikation mit hohen Würdenträgern. Daß Mennel diesen Umgang beherrschte, hatte er schon im Jahre 1494 mit seiner Ars Rethorica unter Beweis gestellt, in der er 250 251

252 253

Ebd., S. 22. Vgl. dazu Schadek, H.: Der Kaiser und seine Stadt. In: Der Kaiser und seine Stadt. Maximilian I. und der Reichstag zu Freiburg 1498, hrsg. im Auftrag der Stadt Freiburg im Breisgau von Hans Schadek. Freiburg i. Br. 1998. S. 217-273, S. 218ff. cvp 3073, fol. 67rff. Berndt Hamm nennt als Beispiel des Vermittlers im Stadtschreiberamt Lazarus Sprengel (1479-1534). Der Nürnberger half entscheidend beim Siegeszug der Reformation. Seine Parallele zu Jakob Mennel besteht in der Tatsache, daß er ebenfalls dem Ende des 15. Jahrhunderts dem aufsteigenden Typus des akademisch gebildeten Rates und Beamten aus dem Laienamt entsprach, der im Reichsgeschehen – diesmal allerdings auf reformatorischer Seite – eine zentrale Rolle spielte, wie Mennel sie schließlich am kaiserlichen Hof Maximilians I. Zur Rolle des Lazarus Sprengel vgl. Hamm, B.: Bürgertum und Glaube. Konturen der städtischen Reformation. Göttingen 1996. Insbes. S. 153 ff.

56 die verschiedenen Anreden in Briefen anhand von Beispielen vorstellte254 – vielleicht hatte diese kleine Schrift, die in Druck gelangt und damit veröffentlicht war, Mennel auch 1496 für das Amt des Freiburger Stadtschreibers empfohlen. Vielleicht kein Hauptgrund, aber doch ein Argument mag die körperliche Tüchtigkeit Mennels gewesen sein, die auch eine Voraussetzung für das Stadtschreiberamt war. Nicht selten mußte er im Auftrag der Ratsherren längere Ritte auf sich nehmen.255 Als Maximilian im Jahre 1498 auf den Freiburger Reichstag kam, lernte er Mennel folglich als einen Gelehrten kennen, der als loyal galt, sich bewandert in Diplomatie gezeigt hatte und noch so jung war, daß er auch für eine langwierige Arbeit in Dienst genommen werden konnte. Noch eine weitere Qualifikation, die das Stadtschreiberamt mit sich brachte, darf nicht vergessen werden: Das weitreichende Beziehungsnetz. Mennel hatte Freiburg als eine landesherrliche Stadt zu vertreten, die in ihrer Bedeutung zumindest im südwestdeutschen Raum über zahlreiche Reichsstädte emporragte.256 Freiburg fungierte als Oberhof, der von anderen Orten in strittigen Fällen der Rechtsprechung um eine Entscheidung in zweiter Instanz gebeten wurde.257 Die hervorragende Bedeutung des Freiburger Oberhofes für andere Städte im südwestdeutschen Raum zeigte sich schließlich in der Tatsache, daß einige der Orte, die ihren Rechtszug nach Freiburg hatten, selbst Oberhöfe für einzelne kleinere Orte waren. Ende des 15. Jahrhunderts war Freiburg das Zentrum der Rechtssprechung im südwestdeutschen Raum, dessen schriftliches ‚Gedächtnis‘ in der Hand seines Stadtschreibers, Jakob Mennels, lag. Abgesehen von Städten, die im unmittelbaren Umkreis von Freiburg lagen, wie Waldkirch, Endingen, Elzach und Kenzingen im Norden und Villingen, Neustadt, Bräunlingen im Osten, reichte Freiburgs Einfluß in der Rechtssprechung bis nach Tübingen und Kirchheim unter Teck, an der Donau entlang bis nach Ehingen, im Bodenseeraum bis nach Überlingen, am Oberrhein bis nach Rheinfelden und Rheinau.258 Maximilian konnte also davon ausgehen, daß Mennel die Pläne einer Geschichte des Hauses Habsburg, an der schon zahlreiche Historiographen an seinem Hof arbeiteten, und die der führende Kopf dieser Gruppe, Ladislaus Sunthaym, aufgrund seines Alters immer weniger zu konkretisieren vermochte259, zu Ende führen konnte. Maximilian konnte als mit Wissen über jene Städte, die Rechtszug nach Freiburg hatten, bei dem Stadtschreiber rechnen und darauf bauen, daß Mennel zu 254 255 256

257

258 259

Jakob Mennel: Rethorica minor. Freiburg i. Br. (Friedrich Riederer) 1494. Ebd., S. 24. Die verschiedenen Städtegrößen für das späte Mittelalter stellt Gerhart Burger einleitend zu seiner Monographie über Stadtschreiber im Mittelalter zusammen, um einen Eindruck davon zu geben, inwieweit der überregionale Bedeutung und der Zuständigkeitsbereich mittelalterlicher Stadtschreiber mit der Größe ihrer Städte variierte. Vgl. dazu Burger, G.: Die südwestdeutschen Städteschreiber im Mittelalter (Beiträge zur schwäbischen Geschichte, 15). Böblingen 1960. Da die Quellen für den Freiburger Oberhof erst mit dem 15. Jahrhundert einsetzen, sind Aussagen zu der Bedeutung der Freiburger Rechtsprechung vor 1400 Mutmaßung. Vgl. dazu Bastian, J.: Der Freiburger Oberhof (Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br.). Freiburg i. Br. 1934. Vgl. zu den Orten, die einen Rechtszug nach Freiburg hatten, die Karte bei ebd., S. 42ff. Im Gegensatz zu Lhotsky betont Heyd in seinem Lexikonartikel zu Ladislaus Sunthaym, daß Maximilian nicht mit dessen genealogischen Arbeiten zufrieden gewesen sei und deshalb Mennel mit der Abfassung der Fürstlichen Chronik beauftragt habe, vgl. Heyd, L.: Art: Sunthaym, Ladislaus. In: ADB, 37. Berlin 1971 (Neudruck der Aufl. von 1894). S. 161f.

57 ihnen schnell und zielgerichtet Kontakt aufnehmen konnte. Mit Loyalität, einem weit gespannten Beziehungsnetz, Erfahrung im Umgang mit Würdenträgern und dem Wissen um die Städte im südwestdeutschen Raum versehen, mußte der ehemalige Stadtschreiber Freiburgs, Jakob Mennel, geradezu prädestiniert für das Amt des kaiserlichen Hofhistoriographen erscheinen. So erhielt er 1505 den Auftrag, die Geschichte des Hauses Habsburg weiter zu erforschen und systematisch zu Papier zu bringen.

3.4 Das Beziehungsnetz des Kanzlers des Heitersheimer Johanniterordens Im Jahre 1500 übernahm Mennel die Geschäfte eines Kanzlers in der Heitersheimer Kommende des Johanniterordens. Er hatte damit die Aufgabe übernommen, die finanziellen und juristischen Angelegenheiten des Ordens zu verwalten.260 er Johanniterorden definierte sich als ein Ritterorden, dem die Kranken- und Armenfürsorge das Hauptanliegen war. Erst sehr spät nahm der Orden die militärische Tätigkeit in seine Statuten auf.261 Bei

Heitersheim

handelte

es

sich

um

eine

sogenannte

Kommende,

der

kleinsten

Organisationseinheit im Johanniterorden. Den einzelnen Häusern, Gütern und Ortschaften, die zu einer Kommende gehörten, stand ein Komtur vor. Die Kommende Heitersheim war zunächst in Abhängigkeit von der Freiburger Kommende der Johanniter gegründet und urkundlich zum ersten Mal 1335 erwähnt. Diese Neugründung war möglich gewesen, nachdem im 13. Jahrhundert Grafen, Prälaten und Ritter in der Umgebung von Freiburg durch die Anforderungen einer gestiegenen Hofhaltung in Geldnot gerieten und daher gezwungen waren, Teile ihrer Güter an den Ritterorden zu veräußern.262 So mußte beispielsweise Gottfried von Staufen 1272 seine Güter und seinen Fronhof zu Heitersheim teilweise an die Freiburger Johanniter verkaufen, teilweise ihnen seine Güter zu Lehen geben. Nachdem weitere Verkäufe von verschiedenen Seiten den Heitersheimer Besitzstand vergrößert hatten, schenkte schließlich 1276 Markgraf Heinrich von Hachberg das Dorf Heitersheim dem Orden. Nachdem im Jahre 1297 das Dorf Gündlingen in den Besitz der Johanniter übergegangen war, wurden die Johanniter zu den größten Grundbesitzern in Heitersheim, in Gündlingen und in den Ortschaften Bremgarten (1313), Grießheim (1315) und Schlatt (1371).

260

261

262

Die Aufgaben der Kanzlei im Spätmittelalter wird am Beispiel des Württembergischen Hofes unter Graf Eberhard im Bart ausführlich vorgestellt bei Hofacker, H.: Kanzlei und Regiment in Württemberg im Späten Mittelalter, S. 42ff. Waldstein-Wartenberg, B.: Die Vasallen Christi. Kulturgeschichte des Johanniterordens im Mittelalter. Wien, Köln, Graz 1988, S. 18. Zu den Gebietserwerbungen der Freiburger Johanniter vgl. Weiss, A.: Die Auseinandersetzung der Johanniter von Heitersheim, S. 19 ff.

58 Nicht weniger erfolgreich hatten im 13. Jahrhundert die Habsburger von ihren beiden Ausgangsgebieten, dem Aargau und dem Oberelsaß, ihre Herrschaft in den Breisgau hinein ausbauen können.263 Maximilian, der sich für die Recherche der habsburgischen Geschichte interessierte und deswegen auf der Suche nach neuem Quellenmaterial war, mußte im Amt des Kanzlers jenes Ordens, der im 13. Jahrhundert neben den Habsburgern zu den größten Grundbesitzern im südwestdeutschen Raum zählte und damit – neben den Habsburgern – südwestdeutsche Geschichte entscheidend mitgeprägt hatte, eine weitere Qualifikation für das Amt des Hofhistoriographen sehen. Er konnte darauf vertrauen, durch Mennel auch jenes Quellenmaterial sichten zu können, das sich im Besitz der Johanniter befand. Zudem besaßen die Kommenden Bücherschätze, die einzelne Mitglieder des Johanniterordens angesammelt hatten.264 Die 1371 in Straßburg gegründete Priesterkommende hatte eine Bibliothek vorzuweisen, die in späteren Jahren durch Ankäufe und durch Selbstanfertigung erweitert wurde. Wieviele Bücher man dort letztendlich finden konnte, ist nicht bekannt.265 Die Johanniterkommende in

Schlettstadt brachte

vierundvierzig,

es beispielsweise auf

München/Luchsee

hundertfünfzig.

zweihundertsechzehn Mennels

Tätigkeit

Bücher, als

Heimbach

Kanzler

des

Johanniterordens ließ Maximilian I. hoffen, daß er sich ohne große Schwierigkeiten über die Büchersammlungen der einzelnen Kommenden informieren und gegebenenfalls auf sie zurückgreifen konnte. Darin lag die Chance, noch nicht gesichtetes Quellenmaterial vielleicht auch zur habsburgischen Geschichte ans Tageslicht zu bringen. Auch der strukturell nicht zu unterschätzende Vorteil, daß Johanniterschulen in Universitätsstädten häufig an die Hochschule selbst angeschlossen waren, konnte als ein Argument gegolten haben, Mennel in den kaiserlichen Dienst zu nehmen. Die Kontaktaufnahme mit Vertretern von Universitäten, die Mennel noch nicht während seines Studiums kontaktiert hatte, schien damit erleichtert. Dies konnte beispielsweise in Paris der Fall sein, wo Mennel vielleicht Verbindungen über seinen Lehrer Naukler aufnehmen konnte, es ihm aber auch möglich gewesen wäre, außerhalb der Universität, ausgehend von der Schule der Johanniter, Untersuchungen anzustellen.266

263

264

265 266

Ihnen unterstanden die Städte Breisach und Kaisersberg und die Anwartschaft auf Rheinfelden und auf die Vogtei über St. Blasien. Nach der Königswahl wurden Rheinfelden, Neuenburg und Breisach als Reichsstädte anerkannt, dagegen kamen die Herrschaften Schwarzenberg und Kastelberg Ende des 13. Jahrhunderts in habsburgische Hand. Die Habsburger waren nun auch Vögte über St. Trudpert und Waldshut. Nachdem der Habsburger Leopold III. Freiburg in der Schlacht von Sempach 1386 unterworfen hatte, besaß das Haus Österreich im Breisgau die Vormacht. Über die Buchbestände der einzelnen Kommenden gibt es jedoch nur ungenaue Informationen. Sicher ist, daß bei weitem nicht jede Kommende um 1500 über Bücher verfügte. Im Jahre 1495 besaßen nur 5 von 1000 Kommenden im deutschsprachigen Großpriorat eine Bibliothek. Vgl. dazu Waldstein-Wartenberg, B.: Die Vasallen Christi, S. 345. Ebd., S. 344. Ebd., S. 349.

59 Daß Mennel auch unter den Johannitern auf wissenschaftlich kompetente Gesprächspartner treffen

konnte,

bezeugen

einzelne

Werke,

die

hauptsächlich

der

Rechts-

und

der

Geschichtswissenschaft zuzurechnen sind und die Förderung einschlägiger Studien im Rahmen des Johanniterordens belegen. Der Johanniter Nikolaus von Löwen verfaßte beispielsweise die Chronik des Klosters Altdorf, die er bis in das Jahr 1382 führte. Jakob Mennel befaßt sich ausführlich in der Fürstlichen Chronik mit den Grafen von Altdorf267 und er hätte dafür Anregungen in dieser Chronik, vielleicht sogar in weiterem Quellenmaterial, das im Orden aufbewahrt wurde, finden können. Auch der unbekannte Verfasser der Böhmischen Chronik soll im Prager Konvent der Johanniter gelebt haben.268 Da sich Mennel in seiner Fürstlichen Chronik auch auf Quellen zur böhmischen Geschichte bezog, wird er vielleicht auch im Prager Konvent der Johanniter auf weiteres Material gestoßen sein. Die Nähe Mennels zum Johanniterorden bot Maximilian als seinem Dienstherren zugleich auch die Chance, die Wissensresourcen dieses Ordens für sich zu nutzen. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Verwaltungsstruktur des Johanniterordens verändert. In diesem Zuge wurde Heitersheim zum Zentrum der Johanniter der deutschen Landen, dem sogenannten deutschen Großpriorat erklärt. Während Mennels Amtszeit war der Großprior noch nicht dazu verpflichtet, sich ständig in Heitersheim aufzuhalten, sondern konnte auch andernorts seine Amtsgeschäfte erledigen. Erst 1505, im Jahre der Ernennung Jakob Mennels zum kaiserlichen Rat, wurde Heitersheim ständiger Sitz des Großpriors. Mennel blieb Kanzler des Ordens und konnte daher seine Kontakte weiterpflegen, beziehungsweise ausbauen. Im Jahre 1495 gehörten dem Großpriorat Deutschland insgesamt 105 Ordenshäuser an.269 Zudem hatte der Großprior Deutschlands von der zentralen Ordensregierung, deren ständiger Sitz sich auf Rhodos befand, besondere Vorzüge in der Jurisdiktion erhalten, die über den Bereich des Priorats Deutschland hinausgingen. So hatte sich der deutsche Großprior um die Angelegenheiten aller Priorate der sogenannten ‚deutschen Zunge‘, nämlich Deutschland, Mähren, Böhmen, Ungarn, Polen und Dakien, zu kümmern. Überdies war ihm angetragen worden, sich der Wiedergewinnung von Ordensbesitzungen in Ungarn, Norwegen, Dänemark, den Niederlanden und der Ballei Brandenburg zu widmen. Entsprechend diesen Anforderungen, die über die politischen Grenzen des deutschen Reiches hinausgingen, oblag es dem Kanzler des Großpriorats Deutschland, die juristischen Angelegenheiten aller Länder der deutschen Zunge zu ordnen. Es versteht sich von selbst, daß Mennel zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte auf Kontakte außerhalb des deutschen Reiches angewiesen war. Für die spätere Arbeit im Dienste des Kaisers hatte gerade dieser Aspekt seiner Kanzleiarbeit den unschätzbaren Vorteil, für Forschungsarbeiten außerhalb des Reiches in 267 268 269

Vgl. dazu Mennels Ausführungen in cvp 3074, fol. 103r. Waldstein-Wartenberg, B.: Die Vasallen Christi, S. 374 ff. Vgl. zur Geschichte des Johanniterordens und seiner Aufgaben Wienand, A. (Hrsg.): Der Johanniter-Orden/Der Malteser-Orden. Der ritterliche Orden des heiligen Johannes vom Spital zu Jerusalem. Seine Aufgaben, seine Geschichte. Köln 1970. S. 327.

60 den Ländern der deutschen Zunge Ansprechpartner für Anfragen zu haben. Gerade in Ungarn, dessen Magnaten schlecht auf den Habsburger Maximilian I. zu sprechen waren270, weil dieser die ungarische Königskrone für das Haus Habsburg beansprucht hatte, konnte Mennel wohl besser an Informationen über seine Beziehungen als Kanzler kommen, als sie als kaiserlicher Hofhistorigraph des unbeliebten Habsburgers zu erfragen. Obgleich Mennel auch als kaiserlicher Hofhistoriograph Kanzler des Ordens blieb, weist die Widmung seiner Schrift De inclito atque apud Germanos rarissimo actu ecclesiastico Augustae celebrato a. D. MDXVIII, an den Johannitergroßmeister Fabricius de Carreto im Jahre 1518 darauf hin 271, daß Mennel um den Erhalt guter Beziehungen zu den führenden Köpfen des Ordens bemüht war. Das Beziehungsnetz Jakob Mennels wird zweifelsohne das Argument für Maximilian gewesen sein, den Wahlfreiburger Mennel für die Recherchen zur Geschichte des Hauses Habsburg heranzuziehen. Nicht nur durch sein Studium in Basel, Tübingen und Freiburg konnte Mennel Kontakte aufweisen, die ihm bei seiner Recherchetätigkeit hilfreich sein konnten, sondern auch sein späteres Stadtschreiberamt in Freiburg und seine Kanzlerschaft im deutschen Großpriorat des Johanniterordens in Heitersheim wird sein Beziehungsnetz über die Reichsgrenzen hinaus gespannt haben. Erst an zweiter Stelle scheint sein Studium der Rechtswissenschaften und Artes liberales Voraussetzung, aber nicht ausschlaggebend für die Karriere am kaiserlichen Hof gewesen sein, da diese Voraussetzung auch andere Gelehrte seiner Zeit besaßen. Selbst Zasius oder Sebastian Brant, die sich beide in kaiserlichen Diensten befanden und ein Stadtschreiberamt inngehabt hatten, zudem in den freien Künsten wie auch in der Jurisprudenz ausgebildet waren und nachweislich mit humanistischen Gelehrten in Kontakt standen, hatten nicht Mennels Trumpf aufzuweisen, auf das Kommunikationsnetz eines Ritterordens zurückgreifen zu können, das nicht auf das Reichsgebiet beschränkt blieb. Alle genannten Punkte ließen Mennel allerdings nicht in den Augen seiner humanistischen Zeitgenossen als ein ‚doctus et prudens‘ erscheinen, wie es in Wimpfelings Brief an seinen Neffen Jakob Spiegel zu erkennen war. Da Mennel weder Schriften publiziert hatte, die sich mit Literatur und Sprache beschäftigten, und er auch vor der Abfassung des Briefes Wimpfelings, der darin die Gelehrten des kaiserlichen Hofes vorstellte, keine historiographischen Schriften herausgegeben hatte, wurde Mennel zwar nicht explizit als Humanist genannt, seine Nähe zu den 270

271

Nach dem Tod von Matthias Corvinus hatte 1490 das Haus Habsburg im Wettstreit mit dem Jagelonischen Königshaus die ungarische Krone beansprucht, wobei der Jagelone Wladislaus, der zugleich auch böhmischer König war, schließlich zum ungarischen König gewählt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde immer mehr eine neue Haltung im ungarischen Adel spürbar, die das Volk als die letzte Quelle der Macht interpretierte und eine frühe Form von nationalem Gefühl propagierte. Nachdem im Jahre 1506 Maximilian I. mit Wladislaus vereinbart hatte, daß Maximilians Enkel Ferdinand mit der Tochter von Wladislaus, Anne, verheiratet werden sollte und auf diese Weise die Erbansprüche des Hauses Habsburg auf die ungarische Königskrone erneuerte, verbeitete sich ein „public anger“ unter der Nobilität Ungarns, die sich in einer anti-habsburgischen Haltung kundtat. Auf dem Höhepunkt dieser ‚öffentlichen Phobie‘ zeigten sich die Ungarn abweisend gegenüber allem, was ‚nichtungarisch‘ erschien, sie betrachteten „everything, that sumed strange or unusual with aversion or even hostility“, vgl. dazu Engel, P.: The realm of St. Stephan. A history of Medieval Hungary, 895-1526 (International Library of historical studies, 19). London, New York 2001, insbes. S. 351ff. Jakob Mennel: De inclito atque apud Germanos rarissimo actu ecclesiastico Augustae celebrato a. D. MDXVIII. Augsburg (Sigmund Grimm und Marx Wirsung) 1518, vgl. VD 16, Nr. 41624.

61 humanistischen Kreisen und die Hochschätzung seiner Gelehrsamkeit wurde damit aber auch nicht in Frage gestellt.

3.5 Jakob Mennels Schriften Das erste Werk Mennels war seine Rhetorica Minor, die er 1491 verfaßte. Sie wurde schließlich 1494 bei Friedrich Riederer in Freiburg gedruckt.272 Auf nicht mehr als 12 Folioseiten macht er sich Gedanken über die Kunst des Briefeschreibens und den römischen Kalender. Mennel gibt hier die Früchte seines Tübinger Studiums und der Rottenburger Lehrzeit zum besten. Die Personen, deren Namen in dieser Handschrift als Beispiele bei der Anrede von Briefpartnern hohen gesellschaftlichen Ranges genannt werden, waren zwar zu Mennels Lebzeit noch nicht verstorben, aus ihrer Namensnennung ist jedoch auch nicht abzuleiten, daß sie Mennel persönlich kannte. Mit dem Schachzabelbuch trat Jakob Mennel das erste Mal als Autor in das Gesichtsfeld Maximilians I. Er verfaßte es im Jahre 1498 und widmete es dem Kaiser. Erst nachdem Mennel in Maximilians Dienste als Hofhistoriograph trat, gelangte es 1507 in die Druckpresse.273 Das Schachzabelbuch war keine originelle Leistung Mennels, da er offensichtlich das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen als Vorlage verwendet hatte.274 Kunrat seinerseits hatte mit seinem Schachzabelbuch ebensowenig wie Mennel ein originelles Werk geschaffen. Vielmehr übersetzte er aus dem lateinischen Schachzabelbuch des Jacobus de Thessolis oder Cessolis, das dem Mönch von Mitbrüdern aus dem Welschland an den Oberrhein mitgebracht worden war. In diese Überarbeitung arbeitete Kunrat schließlich Zusätze ein, die aus seinen eigenen Studien im Kloster erwuchsen.275 In seiner Vorrede vom Schachzabelbuch schreibt Mennel im Jahre 1507, dem Druckjahr des Buches276, daß er in dem Schachzabelbuch eine Möglichkeit sehe, ein Spiel zu interpretieren, mit dem einerseits der menschliche Verstand geschärft und andererseits 272 273 274

275

276

Jakob Mennel: Rhetorica Minor. Freiburg i. Br. (Friedrich Riederer) 1494. Vgl. Burmeister, K. H.: Art. Mennel, Jakob: In: VL, 6. Berlin, New York 1987. Sp. 389-395, Sp. 390. Kunrat hat sich als Mönch und Leutpriester wahrscheinlich den Namen seines heimatlichen Hofes beigelegt. Er stammte wahrscheinlich aus einem bäuerlichen Geschlecht im Thurgau und vollendete im Jahre 1337 „als noch nicht alter Mann“ jenes Schachzabelbuch, aus dem Jakob Mennel Ende des 15. Jahrhunderts abschrieb. Kunrat war ein Mönch, der einem Benediktinerkloster am Bodensee, in Stein am Rhein, lebte und wirkte. Diese Kloster, das dem heiligen Georg geweiht war, hatte zudem das Besetzungsrecht der Leutkirche des Städtchens Stein. Vgl. Vetter, F. (Hrsg.): Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen, Mönchs und Leutpriesters zu Stein am Rhein. Nebst den Schachbüchern des Jakob von Cesole und des Jakob Mennel. Mit einem Exkurs über das mittelalterliche Schachspiel von v. Heydebrand und der Lasa. Frauenfeld 1892. S. IIff. Inhaltlich bringt er Beispiele aus den Ereignissen seiner Zeit: Die Wahlkämpfe Ludwigs des Bayern und Friedrichs von Österreich und die früheren Auseinandersetzungen zwischen Albrecht von Österreich und Adolf von Nassau. Ebenso spielt er auf die Kriegszüge König Rudolfs von Habsburg und die welschen Solddienste der eigenen Zeitgenossen an. Er macht sich Gedanken über die vermeintlich zunehmende Untreue der Schwaben, ebenfalls über die Gesellschaftsordnung und über die Frage, wie sich Landvögte gegenüber ihren armen Untertanen verhalten und die Adligen in den ritterlichen Tugenden üben sollten, vgl. dazu die Angaben zur Bibliothek des Benediktinerklosters in Stein am Rhein vgl. ebd., S. X f. Im Jahre 1507 wurde auch dieses Buch, das die Moral des Schachspieles diskutiert, bei Hans Schäffler in Konstanz unbebildert, im Jahre 1520 ein zweites Mal bei J. Köbel in Oppenheim, diesmal mit Bebilderung, gedruckt, vgl. ebd., S. XII.

62 „hofzůcht unnd tugendt“ gepflegt würden. Deswegen sei gerade Schach ein Spiel, das „allen Adelichen gemüt“ ansprechen müsse.277 Mennel betont dort, daß das Schachspiel im Gegensatz zum Würfelspiel „edel“ sei und „unns von allen laster nympt/Den eren es sich wol gezympt“.278 Mit diesem Werk bewegte sich Mennel auf juristischem Terrain, das er 1495, mit der Aufnahme seines Jurastudiums in Freiburg, offiziell betreten hatte. Mennel verfaßte seine Schrift Passion in Form eines gerichtshandels darin Missiven, Kauffbrieff, Urtelbrieff und and’s gestelt sein, kurtzweillig unn nütz zu lesen in deutscher Sprache. Das Vorwort dieses Werkes schrieb Johannes Adelphus279, der Mennels Werk bei dem Straßburger Drucker Grüninger herausgab. Er glaube, so philosophiert Adelphus, daß man beim Betrachten von Widerwärtigkeiten und dem Leid anderer das eigene Leid vergesse. Das Buch Mennels präsentiere das für den „gůten cristen“, was schon die Evangelisten gesagt hätten, in „einer nuewen trachten oder kost“. Die Verwendung der deutschen Sprache bei der Auslegung der Passion rechtfertigt Adelphus mit dem Beispiel des Geiler von Kaysersberg280, der in der Stadt Straßburg auf deutsch predige und auch die Passion Christi auslege281. Mennel nahm mit seinem Werk also eine Thematik auf, die sich gerade bei den Gelehrten seiner Zeit großer Beliebtheit erfreute. In den einleitenden Worten zu seiner Interpretation der Passio Christi gibt Mennel als Ziel an, müßigen Kirchengängern, „die nit gern zů kirchen kumenn“, und gelangweilten Predigthörern und Lesern des „betbüchlins“, über die juristische und weltliche Interpretation des Leidens Christi einen neuen Zugang zur Leidensgeschichte zu bieten.282 Jakob Mennel zeigt sich also schon in den Anfangsjahren seiner Forschungen für die Fürstliche Chronik thematisch mit der Verbindung von Heilsgeschichte und gegenwärtigem Diesseits beschäftigt. Die Rechtswissenschaft bietet ihm den argumentativen Rahmen und das Vokabular, um das Heilsgeschehen seinen zeitgenössischen Lesern nachvollziehbar zu machen. Die Tatsache, daß von der Mennelschen Passio Nachdrucke im Jahr 1520 in Landshut, und in den Jahren 1516, 1518 und 1523 in München angefertigt wurden283, spricht für die Einschätzung der Mennelschen Zeitgenossen, daß diese Schrift Relevanz besitze. Mennel trat im gleichen Jahr am Anfang seiner Tätigkeit also nicht als Historiograph auf die literarische Bühne, sondern versuchte sich, wie auch

277 278 279

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281

282

283

Ebd., S. 5. Ebd., S. 71, V. 216 f. Die von Mennel selbst erdachten Zeilen beziehen sich auf die Verse 202-218. Johannes Adelphus Muling (1480/85-1522), Von 1510 bis 1515 in Straßburg nachweisbar als Arzt, Korrektor, Editor, Übersetzer und Autor. Vgl. dazu Herding, O.; Mertens, D. (Hrsg.): Jakob Wimpfeling. Briefwechsel. 2. Teilbd. (Jacobi Wimpfelingi Opera Selecta, III, 2: Epistolae). München 1990. S. 610, Anm. 1. Johannes Geiler von Kaysersberg (1445-1510), volkstümlicher Prediger, der auch als ‚schmetternde Posaune des Straßburger Münsters‘ bekannt war. Damit ist das Passionis Christi unum ex quattuor evangelistis textum gemeint, das Geiler auf Latein verfaßt hatte und von Matthias Ringmann ins Deutsche übersetzt und als Der text des passions oder leidens Christi 1506 gedruckt wurde, vgl. dazu Kraume, H.: Art. Johannes Geiler von Kaysersberg. In: VL, 2. Berlin, New York 1980. Sp. 1141-1152. Jakob Mennel: Das ist der Passion in Form eins Gerichtshandels darin Missiven Kauffbrieff Artelbrieff und ands gestelt sein kurzweilig unn nütz zulesen. Straßburg (Grüninger) 1508, fol. A iiir. Vgl. dazu die Angaben von Burmeister, K. H.: Art. Jakob Mennel, Sp. 394.

63 schon beim Schachzabelbuch 1498, als Jurist. Diese rhetorische Übung widmete er Kaiser Maximilian. Das im Jahre 1503 auf Latein verfaßte Werk De signis portentis prodigiis284 blieb dagegen ungedruckt. Es zeigt Mennels Beschäftigung mit den göttlichen Zeichen. Er richtet sich gegen den „intellectus“ der Menschen, da er die Menschen dazu verführe, vor den göttlichen Zeichen die Augen zu verschließen und damit den sicheren Weltuntergang herbeizuführen.285 Hier sind die Töne des „humanistischen Spiritualismus“ nicht zu überhören, der die „heilige Unwissenheit“ der „raionalen Wissenschaft“ vorzog. 286 Zudem lag Mennel damit ganz auf der Linie Maximilians, der 1503 Meteore, Wunderzeichen und Erscheinungen als Aufforderung Gottes interpretierte, den „türkischen Bluthund“ 287 mit aller Macht zu bekämpfen. Der Beginn der historiographischen Tätigkeit im Dienste Maximilians trägt seine ersten Früchte in dem Werk Cronica Habsburgensis nuper rigmatice edita, die im Jahre 1507 beim gleichen Drucker, der auch das Schachzabelbuch herausgebracht hatte, Hans Schäffler in Konstanz, gedruckt wurde. Schon dieses Werk ist richtungsweisend für Mennels Stil seiner künftigen Forschungsarbeit, da hier die Genealogie des Hauses Habsburg Gegenstand seiner Arbeit ist und er sich mit Vorarbeiten zu der Geschichte des Hauses Habsburg auseinandersetzt. Die Cronica ist eine Umsetzung der lateinischen Habsburgchronik des Heinrich von Klingenberg in deutsche Reime.288 Noch scheint hier für Mennel auch die Trennung des Gebrauches der deutschen und der lateinischen Sprache auf den profanen und den heiligen Bereich von Literatur maßgebend zu sein: die weltliche Geschichte des habsburgischen Geschlechtes faßt das Deutsche in Worte, der Dialog Gottes mit den Menschen, den Mennel in den prodigia voranstellt, findet in der heiligen Sprache Latein statt.289 Auch die nun folgenden Arbeiten Mennels standen ganz im Zeichen der Forschungen zur habsbutrgischen Familiengeschichte. Zeitgleich mit seinem ersten Entwurf zu dem habsburgischen Heiligenlegendar entwarf Mennel 1513/14 den Heiligenkalender für den St. Georgsorden, den 284

285 286 287 288 289

ÖNB, Wien, cvp 4417. Zu dieser Handschrift vgl. die Angaben von Burmeister, K. H.: Art. Jakob Mennel, Sp. 391. Jakob Mennel: Tractatus de signis, prodigiis et portentis antiquiset novis. ÖNB, cvp 4417*, fol. 1r. Vgl. dazu Le Goff, J.: Die Intellektuellen im Mittelalter. München 1994, S. 148. Zitiert nach Wiesflecker, H.: Kaiser Maximilian I., Bd. 3, S. 160. Vgl. dazu die Angaben von Burmeister, K. H.: Art. Jakob Mennel, Sp. 391. Nach Dante war die erste Sprache das Latein, die edlere Sprache aber die Volkssprache. Er begründete diese Hierarchie mit seiner Beobachtung, daß jeder Mernsch von Geburt an das Sprachvermögen besitze, um die Volkssprache zu sprechen, das Latein aber mühsam erlernt werden müsse. Der Auffassung, die von Isido von Sevilla in seiner Etymologia vertreten wurde, daß Latein neben Hebräisch und Griechisch eine heilige Sprache sei, wird dadurch nicht in Zweifel gezogen. Trotz humanistischer Einflüsse, die sich auch an Dante orientierten, wird Mennel daher auch an jener Wertschätzung der lateinischen Sprache festgehalten haben. Zu der Einschätzung des Latein im Abgrenzung von der Volkssprache vgl. Eco, U.: Die Suche nach der vollkommenen Sprache. München 1995.

64 Maximilian I. zu dem Hausorden des Hauses Österreich erkoren hatte. Diesem Habsburger Kalender fügte er einen Affterkalender, der die Seligen des Hauses Hasbsurg präsentierte, und die sogenannten Begrebnusse, wo er die Gräber der Habsburger aufzählte, an.290 Die Forschungen zur Fürstlichen Chronik, von der er Maximilian erstmals 1514 Auszüge vorlegte, sowie zum habsburgischen Heiligenlegendar, das einen Teilband der Fürstlichen Chronik bildete und nur in einem Auszug dem Kaiser vorgelegt wurde, sind Resultate aus eben diesem Forschungszeitraum. Der Auszug aus der Fürstlichen Chronik ist heute nicht mehr vorhanden, der des Heiligenlegendars dagegen ist uns überliefert. Auch der genealogische Traktat für Maximilians Enkel, Karl V., der ihm die genealogischen Ansprüche auf Ungarn an die Hand geben sollte, wurde von Mennel abgefaßt. 291 Dieser Traktat, die noch folgenden Schriften Seel und Heiligenbuch Keiser Maximilians altfordern292, ebenso Keyserall und Bäpstall293, sind eine Zusammenfassung der genealogischen Forschungen Maximilians. Sein großes Lebenswerk, die Fürstliche Chronik, lag also Gelehrten wie Wimpfeling und Brant, oder auch Druckern, die mit den humanistischen Kreisen in engem Kontakt standen, nie vor. Es wird für sie – um noch einmal die Frage nach Mennels zeitgenössischer Einschätzung als Gelehrter aufzuwerfen – geradezu unmöglich gewesen sein, sich ein Bild von Mennels Arbeiten zu machen, um über diese zu einer begründeten Einschätzung des Gelehrten Mennel zu gelangen. Er nahm zu keinen Fragen, die beispielsweise einen Jakob Wimpfeling umtrieben, Stellung, und so war er wohl auch für Wimpfeling kein Gelehrter, dessen Schaffen am kaiserlichen Hof ihm bewußt war. Offensichtlich lag auch Maximilian nichts daran, seinen Hofhistoriographen mit seinen Studien zu den Habsburgern einem größerem gelehrtem Publikum als dem des kaiserlichen Hofes bekannt zu machen – zumindest die Fürstliche Chronik erscheint als ein Werk, das nur für die Habsburger zur Selbstversicherung ihrer Macht abgefaßt wurde. Nicht Mennel sollte damit Ruhmeslorbeeren ernten, sondern die Habsburger eine Zusammenstellung von Argumenten erhalten, mit denen sie ihre Vormacht in Europa legitimieren konnten. Mennel ist also nicht ein ‚doctus et prudens‘ im Sinne Wimpfelings gewesen, der sich und sein Schaffen anderen Gelehrten präsentiert und sich dadurch Anerkennung verschafft, sondern bei ihm stand das Werk und die Präsentation seines Auftraggebers im Vordergrund. Die Profilierung der eigenen Gelehrsamkeit war dabei kein Thema. Bester Beweis dieser Haltung – zumindest wie sie wohl Maximilian und auch sein Enkel Karl V. vertrat – ist die Tatsache, daß die Fürstliche Chronik nicht im Auftrag der Habsburger gedruckt wurde.

290 291 292 293

Vgl. dazu Burmeister, K. H.: Art. Jakob Mennel, Sp. 391. Heute ist dieser Traktat nur in französischer Sprache überliefert. Jakob Mennel: Seel und Heiligenbuch Keiser Maximilians altfordern. Freiburg (Johann Wöhrlin) 1522. Ders.: Keyserall und Bäpstall. Basel (Adam Petri) 1522.

65 Die literarischen Arbeiten Mennels, die Maximilian I. vor 1505 kannte, spiegelten ihren Autor als Kenner der Jurisprudenz und als geübten Berichterstatter wider. Beide Kompetenzen mußte Maximilian I. suchen, wollte er einen qualifizierten Verfasser für seine Fürstliche Chronik finden, deren formales Gerüst die Genealogie ist, die ihrererseits der juristischen Disziplin angehörte.294 Da Mennel sich darin schon bewiesen hatte und sich auch in der deutschen Volkssprache auszudrücken wußte, empfahlen ihn seine Schriften neben seinem ausgebauten Beziehungsnetz für die historiographsiche Tätigkeit im Dienste Maximilians I. Ab 1505 beginnt diese neue Schaffensära für Mennel, in der er in die Dienste Maximilian I. tritt und seine erworbenen Kompetenzen in der Jurisprudenz und den Artes liberales in der Historiographie zusammenführte.

4

Die Quellen der habsburgischen Heiligenlegenden des Jakob Mennel

Neben seinen Kompetenzen benötigte Mennel, um Geschichtsschreibung betreiben zu können, historische Quellen. In der „Vorred“ 295 zum „kayser maximilians geburt Spiegel“ gibt er über seine Schwierigkeiten bei der Quellensuche Auskunft. Es sei keineswegs ein leichtes Unterfangen gewesen, das Material für die Fürstliche Chronik zusammenzutragen. Er habe viel mit alten Handschriften gearbeitet, die allerdings oft durch Wasser „unnd ander nöten“ verdorben worden seien.296 Sie seien oft zerrissen, nicht selten sogar verschollen gewesen, bei vielen habe man Schrift und Bilder nicht mehr erkennen können, da sie durch das Alter verblichen seien. Bei der Arbeit mit alten Urkunden sei er dagegen mit der inhaltlichen Schwierigkeit konfrontiert worden, daß die Fürsten sie nur mit ihrem Vornamen und selten mit ihrem Titel und der Angabe ihrer Herkunft unterschrieben hätten. Eine „Irrung“ bei der Identifizierung von Personen mit dem gleichen Namen sei daher nicht auszuschließen gewesen. Letztendlich aber habe er versucht, „bericht“ und „luteren verstand“ überein zu bringen und in uneindeutigen Fällen die Plausibilität als Richtschnur seiner Bewertung von Quellen zu nehmen. Mennel läßt auf seine einleitenden Worte eine Auflistung von Quellen, den sogenannten „zeugen“, folgen, die er zur Abfassung seines Werkes hinzugezogen haben will. Er rechtfertigt diese Liste mit der Kultivierung eines Menschen: Wie jeder Mensch nicht in Kleidern, sondern nackt auf die Welt komme, so ist auch er am Anfang seiner Arbeit, bar jeglicher Informationen, auf Hilfsmittel angewiesen gewesen, um die Fürstliche Chronik schreiben zu können. 297 Daher wolle er angeben, „wavon unnd warus“ er seine Informationen bezogen habe, um auch anderen Gelehrten am Hofe Kaiser Maximilians I. die Möglichkeit zu geben, weitere Recherchen zur habsburgischen Geschichte gezielt anstellen zu können. Mennel faßt sein Wissen als nichts Mystisches, sondern als 294

295 296 297

Vgl. Schadt, H.: Die Darstellung der Arbores Consanguinitatis und der Arbores Affinitatis. Bildschemata in juristischen Handschriften. Tübingen 1982. cvp 3072*, fol. 1r. Ebd., fol. 3r. Ebd., fol. 8v.

66 Arbeitsresultat auf, das anderen zugänglich gemacht werden soll. Damit befindet sich Mennel im Trend der Gelehrten seiner Zeit, die ihren jeweiligen Werken, wie beispielsweise Trithemius oder der schon mehrfach erwähnte Heinrich Bebel, eine Liste der von ihnen verwendeten Autoren voranstellen. Bei den maßgeblichen Historiographen des Hochmittelalters war das noch nicht der Fall gewesen, und selbst bei Autoren, die für Friedrich III. schrieben, wie beispielsweise Thomas Ebendorfer und Jakob Unrest, sucht man vergeblich nach einer Quellenliste.298 Die Liste der genannten Quellen ist in die Rubriken Chroniken299 – Autoren300 – Kataloge und Martyrologien301 – Stifte302 unterteilt. Unter den Chroniken führt Mennel allgemeine Angaben wie „cronica austrie“, „cronica ungarie“, „cronica bohemie“ oder „cronica schwitzerorum“ an, spezifiziert diese Angaben aber nicht. Ob Mennel beispielsweise bestimmte ungarische Chroniken verwendete oder mit „cronica ungarorum“ die ungarische Geschichte im allgemeinen meint, bleibt unklar.303 Bei den von ihm aufgezählten Autoren sieht es nicht anders aus. Auch hier nennt Mennel von der Antike bis in seine Gegenwart Autoren, die unter anderem auch historiographische Werke schrieben, gibt aber nicht die dazugehörigen Werke an, die er las. Genauso zählt er bei den Katalogen und Martyrologien die Titel, aber nicht die Autoren auf, und bei den angeblich von ihm besuchten Stiften verzichtet er darauf, die Schriften anzugeben, die er dort eingesehen haben will. Es drängt sich also der Verdacht auf, daß es Mennel bei seiner Quellenauflistung nicht um eine lückenlose Nachvollziehbarkeit seiner späteren Angaben im Erzähltext der Fürstlichen Chronik ging - darin liegt nicht sein Verständnis von Transparenz. Er versteht vielmehr unter Transparenz, darauf hinzuweisen, daß er Autoritäten verwendet hat, deren Zitierung die Glaubwürdigkeit der eigenen Darlegungen unterstreicht. So stimmen beispielsweise die Autoren, die Mennel nennt, mit den genannten Autoren des Johannes Trithemius überein, die er am Anfang seiner Hirsauer Chronik vorstellt. 304 Für die Rekonstruktion der Quellen von Mennels Heiligenlegenden aber bedeutet diese Erkenntnis, daß die Quellenliste von 1518 höchstens als ein weiterer Hinweis auf Quellen verstanden werden darf, die aus expliziten Quellenhinweisen Mennels im Text der Fürstlichen Chronik erschlossen wurden. 298

299 300 301 302 303

304

Zu Unrests Umgang mit Quellen vgl. die Einleitung zu der Werkausgabe von Unrests Österreichischer Chronik, Jakob Unrest: Österreichische Chronik, hrsg. von Karl Grossmann (MGH SRG XI). Weimar 1957, insbes. S. XXVI. Auch Ebendorfer gibt keine Quellenliste an, vgl. zu Ebendorfer und seine verwendeten Quellen für die österreichische Chronik die einleitenden Worte zu Thomas Ebendorfer: Chronica Austriae, hrsg, von Alphons Lhotsky (MGH SRG XIII). Berlin, Zürich 1967. S. XXIVff. cvp 3072*, fol. 9r/v. cvp 3072*, fol. 10r-11r. cvp 3072*, fol. 11r/v. cvp 3072*, fol. 11v-12v. Auch bei Thomas Ebendorfer vermag es Alphons Lhotsky nicht zu entscheiden, ob Ebendorfer mit seinem Hinweis im Text, die „cronica ungarorum“ verwendet zu haben, den ganzen Kreis der ungarischen Chroniken meinte oder die ungarische Geschichte, vgl. dazu Thomas Ebendorfer: Cronica Austriae, S. XXXIf. Vgl. dazu die Autorenliste des Sponheimer Abtes Johannes Trithemius: Chronica Monasterii Hirsaugensis. In: Opera historica : [Repr. der Ausg.] Frankfurt 1601, Pt. 1 et 2, hrsg. von Freher. Unveränd. Nachdr. 1966. Frankfurt a. M. 1966.

67 Die Überlieferung der historischen Buchbestände in und um Freiburg erlauben es nicht, die Vielfalt von Büchersammlungen um 1500 zu rekonstruieren, die Jakob Mennel bei seiner Arbeit zur Verfügung standen. In Freiburg konnte Mennel in Männer- wie auch in Frauenklöstern reichhaltige Bibliotheken finden. In Freiburg besaß zum Beispiel das Dominikanerinnenkloster Adelhausen bis zur Reformationszeit mehrere hundert Bücher und hatte sich überdies auf die Herstellung von Büchern spezialisiert.305 Leider ist es nicht mehr möglich herauszufinden, in welche Bücher Mennel dort Einblick nehmen konnte, da eine Bücherliste dieses Kloster nicht mehr erhalten ist. Freiburg verfügte ferner über eine Reihe von Klosterbibliotheken, und die Buchbestände der Freiburger Kartause und des Dominikanerklosters306 beherbergten eine vielfältige Auswahl an Büchern, die Mennel zugänglich waren: So hatte sich Gregor Reisch, der Beichtvater Kaiser Maximilians, als Prior der Freiburger Kartause der Büchersammlung seines Kloster verschrieben307 und machte sie zum geistigen Zentrum Freiburgs, das in enger Verbindung mit der Universität stand. In der Umgebung Freiburgs gab es schließlich noch das Kloster St. Peter, an dem der habsburgische Historiograph ein besonderes Interesse haben mußte, da es nach der Auffassung mennels, der die Zähringer in die Genealogie

frt

Habsburger

integrierte,

eine

der

Grabeskirchen

von

Habsburger

Familienangehörigen war.308 Aber auch die Angaben von Rechercheorten außerhalb von Freiburg helfen nur wenig weiter. Am Beispiel von Wien soll das verdeutlicht werden. Die Stifte zu Wien und Klosterneuburg sind Orte in der Residenzstadt von Mennels Auftraggeber, die Mennel laut seiner Quellenliste zu seinen Untersuchungen konsultiert haben will. Das Schottenkloster Beatae Virginis in Wien bietet einen Bücherkatalog aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert, sowie die Vermerke von zweiundachzig Bänden aus der Bibliothek des Johannes Polczmacher, der 1449 seinen Buchbestand dem Schottenkloster vermachte.

309

Vom regulierten Chorherrenstift Klosterneuburg ist nur eine

Angabe von zwei Volumina überliefert, von der Dombibliothek St. Peter in Wien sind noch Bücherlisten von Anfang des 15. Jahrhunderts vorhanden. Dagegen gibt es vom Wiener Dominikanerkloster einen Bücherkatalog von 1513, der einen detaillierten Einblick in die Recherchemöglichkeiten Mennels in Wien – was das Dominikanerkloster betrifft - bietet. 310 An den 305

306

307 308

309

310

Adelhausenstiftung Freiburg im Breisgau (Hrsg.): 750 Jahre Dominikanerinnenkloster Adelhausen Freiburg im Breisgau. Texte von Günther Wolf (Geschichte) und Detlev Zinke (Kunst). Freiburg im Breisgau 1985. S. 28 f. Poinsignon, A.: Das Dominikaner- oder Predigerkloster zu Freiburg i. Br. In: Freiburger Diözesanarchiv 16 (1883). S. 1-48. Vgl. dazu Rest, J.: Freiburger Bibliotheken und Buchhandlungen im 15. und 16. Jahrhundert, S. 37. Da auch das Bücherverzeichnis von St. Peter uns nur über den Bücherstand der dortigen Bibliothek aus dem 11. Jahrhundert informiert, ist es hier ebenfalls nicht möglich, plausible Vermutungen der dortigen Recherchemöglichkeiten im 15. Jahrhundert zu geben. Beim Wiener Schottenstift sind Verzeichnisse der Bibliothek nicht mehr vorhanden, vgl. Gottlieb, T. (Bearb.): Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs, hrsg. von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 1. Wien 1915. S. 434ff. Es sind nur noch Bücherschenkungen aus dem 15. Jahrhundert und die Buchbestände der Schulbibliothek von St. Stephan überliefert. Erhalten ist dieser Katalog in dem Codex 260 der Wiener Dominikanerbibliothek, vgl. ebd., S. 289ff.

68 Beispielen der Buchbestände der ebengenannten Klöster wird deutlich, daß es nicht möglich ist, aus den von Mennel genannten Rechercheorten in Bibliotheken heute noch verbindliche Rückschlüsse auf die Bücher zu ziehen, die Mennel bei dem Abfassen seiner Fürstlichen Chronik zu Rate ziehen konnte. Der Versuch, ein einheitliches Bild von den Möglichkeiten zu entwerfen, die Jakob Mennel hatte, muß also scheitern. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten unüberschaubar, die Mennel in Freiburg und dem städtischen Umland nutzen konnte, um in den Besitz von Büchern zu kommen. Als Freiburger Rechtsprofessor, Stadtschreiber und Kanzler der Heitersheimer Johanniter hatte er weitgestreute Beziehungen im universitären und städtischen Bereich, die ihm den Zugang zu einzelnen Büchersammlungen erleichterten. In Freiburg selbst standen ihm als Universitätsangehörigen die Büchersammlungen in den Bursen oder der Kollegen zur Verfügung, doch auch hier fehlen über die genauen Buchbestände der Universitätsbibliothek um 1505 bis 1518 leider die Nachrichten. 311 Bei den Büchersammlungen von Professoren steht zwar fest, daß sie oft sehr reichhaltig waren – eine vollständige Titelauflistung ihres Buchschatzes ist aber leider nicht auf uns gekommen. Auch in Bibliotheken, die von den damaligen Forschern weniger frequentiert wurden, wie beispielsweise die des Münsters oder des Pfarrers Heinrich Kerer312, konnte Mennel Predigtwerke und theologische Abhandlungen finden, die ihm bei seiner Arbeit für das Legendar zwar weiterhalfen, aber von ihm in der Quellenliste nicht genannt wurden. Wenngleich Mennels Information zu den konsultierten Quellen nur auf den ersten Blick hilfreich erscheinen, versprechen seine Angaben zur Methode seiner Recherchen mehr verwertbare Informationen. Schon in der 1507 verfaßten Cronica Habsburgensis nuper rigmatice edita schreibt er, wie schon an vorheriger Stelle erwähnt, über den Ursprung der Habsburger. Mennel benutzte dabei die Chronik des Heinrich von Klingenberg, um ihn Informationen zur Habsurger Geschichte des 13. Jahrhunderts zu entnehmen.313 Er suchte also schon vor seinem Besuch Wiens im Jahre 1509314 intensiv nach Quellen zur habsburgischen Geschichte. Daß er an verschiedenen Orten nach dem Ursprung des habsburgischen Geschlechtes geforscht habe und sich nicht nur auf die ihm vorliegende Chronik Heinrich Klingenbergs stützte, ist glaubhaft. 315 So schreibt er in der „vorrede“ desselben Werkes: 311

312 313

314

Vgl. zu den Buchbeständen der Bibliotheken in Freiburg im späten Mittelalter Rest, J.: Freiburger Bibliotheken und Buchhandlungen im 15. und 16. Jahrhundert. Freiburg i. Br. 1925. Vgl. dazu ebd., S. 34f. Heinrich von Klingenberg hatte wahrscheinlich um 1300 die Habsburger Chronik als lateinsche Prosachronik verfaßt. Sie behandelte die Geschichte der Habsburger im 13. Jahrhundert und diente nach Mennels eigenen Angaben in der Konstanzer Bischofschronik von 1519 als seine Quelle. Heute gilt die Prosachronik Klingenbergs als verschollen. Heinrich von Klingenberg (1240-1306) war Konstanzer Bischof. Zur Klingenberg-Chronik grundlegend vgl. Kleinschmidt, E.: Herrscherdarstellung, S. 269ff. Ferner ders.: Art. Heinrich von Klingenberg. In: VL, 3. Sp. 759-761. Laschitzer weist Mennels Anwesenheit in Wien mit einer Note des Johannes Stab und einem Brief der Stadt Freiburg im Breisgau an Kaiser Maximilian I., in dem sie die Anwesenheit Mennels in Wien bestätigt, nach. Stab bestätigt, daß Jakob Mennel im Jahre 1509 im Auftrage des Kaisers nach Wien gerufen worden sei, „ut ipse et dominus Ladislaus Suntham canonicus Viennensis eiusdem maiestatis chronicarius genealogiam illustrissimorum principum Austrie ad integrum concluderent“, vgl. Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., S. 16, Anm. 3.

69 „So woelt ich schreiben von dem geschlecht Der Grafschaft habspurg mercken recht/ Wie ichs in alten Stifften hon Schloß Stett und sunst gefunden schon“316

Daß Mennel bei seinen Recherchen Helfer hatte, expliziert er unter der Überschrift „Datum“ in der Cronica Habspurgensis nuper rigmatice edita folgendermaßen: Der diß gedicht hat Componiert Sampt seinr mitgesellen hilff Tractiert Des Roemischen künig Cronicist Ain Doctor beider rechten ist Unnd darzů Freyer künsten schon Des namen mügt ir so verston Er haist nit Mennlin auch nit mann Das mittel sol man nemen an Darumb wer in begert erkennen Soll in gleich Jacob Mennel nennen Der hohen schůl zů Freyburg gsessen Man soll Got alle Eer zů messen Der durch die künigklich Mayestat Im den Concept bevohlen at Diß ist geschehen do man halt Fünffhundert Tausent Siben zalt Zů Constenz an dem Teütschen Meer Den frummen soll man beweisen Eer Damit so endt sich diß gedicht Gott alle ding zům besten richt“317

Der Wienaufenthalt war für Mennel also nicht der Beginn, sondern die zweite Etappe seiner Habsburgstudien. Seine Aufmerksamkeit wird Mennel in Wien darauf gerichtet haben, seine bisherigen Rechercheergebnisse mit denen des Ladislaus Sunthaym abzugleichen, der auf dem Gebiet der Historiographie Spezialist und Hauptverantwortlicher am kaiserlichen Hof war318. Diese Vermutung stimmt mit Mennels Hinweis in der Quellenliste, er habe „Collecta D. Fuchsmag ladislari unnd annder“319 seiner Fürstlichen Chronik zugrunde gelegt, überein.

4.1 Vorarbeiten zu den habsburgischen Heiligenlegenden am Wiener Hof Die Aufzeichnungen von Ladislaus Sunthaym geben eine Vorstellung von den Vorarbeiten am Wiener Hof, auf die Mennel bei seiner Arbeit zu den habsburgischen Heiligenlegenden zurückgreifen konnte. 315

316 317 318

319

In welchem Umfang sich Mennel allerdings auf die Chronik Klingenbergs stützte, ist nicht mehr nachvollziehen, vgl. dazu Kleinschmidt, E.: Herrscherdarstellung, S. 274. Jakob Mennel: Cronica Habsprurgensis nuper regmatice edita. Konstanz (Johannes Schäffler) 1510. fol. Aiv. Jakob Mennel: Cronica Habsprurgensis nuper regmatice edita. Konstanz (Johannes Schäffler) 1510. fol. [Avii]r/v. Zu den historiographischen Vorarbeiten am Wiener Hof berichtet ausführlich Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 7 (1888). S. 1-199. cvp 3072*, fol. 9v.

70 Schon im Jahre 1498 hatte Maximilian I. nachweislich mit der Förderung historiographischer Studien am Wiener Hof begonnen.320 Im gleichen Jahr berief er Sunthaym zunächst zum Kaplan, und schließlich zum Hofhistoriographen. Mit Sunthaym hatte Maximilian einen Mann in seinen Dienst genommen, der an an der Wiener Universität studiert hatte und im kirchlichen Milieu verwurzelt war: Als geweihter Priester321 hatte er zwei Meßpfründe in St. Stephan zu Wien inne, die er bis zu seinem Lebensende auch behielt.322 Der Kontakt zum kaiserlichen Hof scheint erst in den Jahren 1481/82 enger geworden zu sein, als er zum ersten Mal seinen Habsburg-Stammbaum „Des löblichen stamms und alt herkommen“, mit dessen Erstellung er im Jahre 1475 betraut worden war, überarbeitete. Zehn Jahre später wurde dieser Stammbaum in Basel gedruckt. Maximilian I. hatte nun am Wiener Hof das politische Heft in der Hand. Um das Jahr 1500 stellte er Sunthaym in seinen Dienst als Schreiber. In seinem Gedenkbuch aus dem Jahre 1502 vermerkte der Kaiser zu Sunthaym: „Herr Lasla priester soll die oesterreichisch, sächsisch und bairisch chroniken zusammenstimmen.“323 Ein Jahr später, am 30. November 1503, schrieb Sunthaym wiederum an den kaiserlichen Rat Matthäus Lang324, daß er im Begriff sei, zwei Bücher zu verfassen: In dem einen Buch schreibe er über den Adel der Könige, Fürsten und Herren, in dem andern über die Länder, Städte und Klöster.325 Dazu mußte Sunthaym Forschungsreisen unternommen haben.326 Demzufolge las Sunthaym spätenstens ab 1502 schon existierende Chroniken, harmonisierte ihre Aussagen und betrieb auf deren Hintergrund Studien zur Geschichte. Sein Schwerpunkt muß dabei auf Süddeutschland und Österreich gelegen haben, da der zweite Historiograph am Wiener Hof, Johannes Cuspinian, im Rahmen seiner Österreichischen Geschichte327 nach dem Tod Sunthayms Anfang 1513 daran ging, die Forschungsergebnisse zu Süddeutschland und Österreich, die sein Kollege hinterlassen hatte, auszubauen. Als Mennel nach Wien kam, standen ihm folglich die Ergebnisse von mindestens 7 Jahren geschichtlicher Recherche in Süddeutschland, Österreich und 320

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Simon Laschitzer weist vorsichtig darauf hin, daß ihm erst aus diesem Jahr eine Nachricht bekannt sei, die darauf hinweise, daß Maximilian sich für die Geschichte des Hauses Österreich intensiver interessierte. Maximilian habe nämlich am 5. September 1498 verordnet, daß der Züricher Conrad Trust zwölf Ellen Samt für einen Rock als Entgelt bekommen sollte, weil er ihm ein kleines Buch über die Herren von Habsburg verfaßt und geschenkt habe, vgl. dazu Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., S. 10. Sunthaym wurde aller Vermutung nach zwischen 1465 und 1473 im Bistum Konstanz zum Priester geweiht, vgl. dazu Uhde, K.: Ladislaus Sunthayms geographisches Werk und seine Rezeption durch Sebastian Münster. Teil 1 und 2. Köln 1993. S. 24. Erst in den Jahren 1516 beziehungsweise 1513 wurden diese Pfründe mit einem neuen Kaplan besetzt, vgl. ebd., S. 26/27. Zitiert nach Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., S. 3. Matthäus Lang (ca. 1468-1540) war ab 1505 Bischof von Gurk. Er hatte in Ingolstadt, Tübingen und Wien studiert, und 1490 seinen magister artium abgelegt. Vgl. zu Langs Biographie das eher negativ gezeichnete Charakterbild bei Ulmann, L.: Art. Matthäus Lang. In: ADB, 25. S. 662-664. Einen Überblick gibt Schindling, A.: Art. Matthäus Lang v. Wellenburg. In: NDB, 16. S. 394-397. Über Matthäus Langs diplomatisches Wirken am Hofe Maximilians I. ausführlich Wiesflecker, H.: Maximilian I., S. 142ff. Ferner ders.: Kaiser Maximilian I., Bd. 5, S. 484ff. Vgl. Laschitzer, S.: Die Genealogie, S. Über Mennels Itinerar wurde bislang in der Forschung nur gemutmaßt. Lhotsky meint, daß Mennel Deutschland, die Niederlande, Österreich, Oberitalien, Frankreich und die Niederlande bereist habe. Lhotsky, A.: Dr. Jacob Mennel, S. 297. Johannes Cuspinian (1473-1529), Diplomat und Gelehrter am Hofe Kaiser Maximilians I., schrieb die Austria, „ein sehr fleißiges Werk, das auch verschiedene Ansätze zur Kritik zeigt“, vgl. dazu Horawitz, A.: Art. Cuspinian. In: ADB, 4. S. 662-664. Ebenso Ankwiccz v. Kleehoven, H.: Art. Cuspinianus. In: NDB, 3. S. 450-452.

71 einer Reihe anderer Landeschroniken zur Verfügung, deren Angaben überprüft und abgeglichen worden waren. In Ladislaus Sunthaym traf er einen sehr kundigen Spezialisten der Geschichte Süddeutschlands und Österreichs, von dem er Informationen, die in noch keinem historischen Werk zu finden waren, erwarten konnte. Zwei Handschriften, die zusammen Das geographische Werk328 des Ladislaus Sunthaym bilden, geben einen Eindruck von seinen Forschungen. Die erste Handschrift329 ‚A‘ wird auf die Jahre 1502 – 1505 datiert, die zweite330 Handschrift ‚B‘ auf das Jahr 1511 und später. Beide Handschriften fallen zeitlich in den Forschungszeitraum, in dem auch Jakob Mennel an der Fürstliche Chronik arbeitete. Da Mennels Aufenthalt in Wien in das Jahr 1509 fällt, er dort nachweislich Sunthayms Recherchen zumindest zur österreichischen Geschichte studierte331 und bis zu diesem Zeitpunkt nur die in der Handschrift A enthaltenen Forschungsergebnisse Sunthayms einsehen konnte, ist sie die Grundlage der nun folgenden Analyse, inwieweit Mennel seine Heiligenlegenden auf den Forschungsergebnissen Ladislaus Sunthayms aufbauen konnte. Den Inhalt der Handschrift A definiert Sunthaym folgendermaßen: „In dises Chronikhen volgen hernach von furstenn unnd herrnn lanndten unnd leyttn irr geschichtenn unnd geslecht, Auch annder oberntewrlich sachenn et cetera“332. Sunthaym will über einzelne adlige Herrschaften informieren, deren Herrschaftsgebiet unter topographischen und ethnographischen Gesichtspunkten präsentieren und die genannten Geschlechter historisch und genealogisch einordnen. Zudem fand Mennel in Sunthaym einen Kenner des Heiligenkultes. Schon vor Mennels Amtsantritt galt der Wiener Theologe als Autorität auf dem Gebiet der Heiligenforschung, wie einem Brief an Matthäus Lang aus dem Jahre 1503 zu entnehmen ist: „Ego eciam scribam gesta regum Burgundie, sed non ex una familia, in numero bene quadraginta sex, et eciam sanctos et sanctas, qui ex antiquissima et nobilissima domo Burgundie originem traxerunt […]“333. Er habe nicht nur über die Taten der burgundischen Könige geschrieben, sondern auch über die Heiligen, die aus dem burgundischen Königshaus stammten. Über den Heiligenkult in Burgund, insbesondere um die Adelsheiligen aus dem burgundischen Königshaus, hatte sich Sunthaym somit schon vor Jakob Mennel gekümmert. 328

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332 333

Nach Uhde, K.: Ladislaus Sunthayms geographisches Werk und seine Rezeption durch Sebastian Münster. Teil 1 und 2.. Köln 1993. Karsten Uhde ediert die Handschriften A und B und faßt sie unter dem Begriff ‚geographisches Werk des Ladislaus Sunthaym‘ zusammen. WLB Stuttgart, Cod. Hist. 2° 250. WLB Stuttgart, Cod. Hist. 2° 249. Es handelt sich bei dieser Geschichte Österreichs um eine systematisch-topographische Beschreibung Österreichs. Die Handschrift der cronica Austria liegt in Wien, ÖNB, cod. 15.283. Vgl. dazu Stelzer, W.: Art. Ladislaus Sunthaym, Sp. 540. Die Tatsache, daß die Hand der Cronica Austria, die Sunthaym verfaßt hatte, identisch ist mit den Mennelcodices, zeigt, daß Mennel mit der Kopie dieser Chronik aus dem Jahren 1509/10 in Zusammenhang stehen muß. Es finden sich zahlreiche Marginalien von Mennels Hand auf Sunthayms Handschrift der Cronica Austria, vgl. Lhotsky, A.: Neue Studien über Leben und Werk Jakob Mennels, S. 315. Zitiert nach Uhde, K.: Ladislaus Sunthayms geographisches Werk, S. 197. Zimermann, H.: Urkunden, Acten und Regesten. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 5 (1887). S. CXXI, Regest Nr. 4491.

72

4.1.1

Das geographische Werk des Ladislaus Sunthaym

Doch nicht nur auf Burgund scheinen sich Sunthayms Vorarbeiten, die für Mennels Heiligenbuch wichtig sein konnten, zu beschränken. Eine Reihe von Heiligen, die in Mennels Legendar von 1514 und 1518 aufgenommen wurden und nicht aus Burgund stammen, sind ebenfalls bei Sunthaym behandelt. So gibt Sunthaym über die Insel Reichenau und das sich dort befindliche Kloster ausführliche Informationen334, das auch in Mennels Quellenliste als Rechercheort335 genannt wird. Gerade in dem Zeitraum, in dem Sunthaym auf Reichenau Nachforschungen angestellt haben mußte, also nach 1498 und vor 1503, focht das Kloster seinen letzten Kampf, um nicht in die Diözese Konstanz inkorporiert zu werden, sondern dem Kaiser unterstellt zu bleiben. Im Jahre 1508 hatte es diesen Kampf verloren. Vor diesem Hintergrund des existentiellen Kampfes entstanden eine Reihe von Kopien von Gründungsurkunden, in denen auf die Nähe der Reichsabtei zum Kaiserhaus hingewiesen wurde.336 Vielleicht sah Sunthaym diese Urkunden während der brisanten Zeit des Reichenauer Existenzkampfes ein, als er vom heiligen Pirmin und Karl Martell, dem Ahnherrn von Karl dem Großen, berichtet337, die das Benediktinerkloster gestiftet hätten.

338

Oder er las Gallus

Öhem, der seine Chronik zur Insel Reichenau um 1500 verfaßte.339 Die „Convennt-Herrn“ dieses Klosters entstammten ausschließlich dem Adel. Neben anderen Heiligen340, sei auch der römische Kaiser Karl III. im Chor der Reichenauer Klosterkirche begraben, ebenso Herzog Gerold von Schwaben, der für „salig geschetzt“341 würde. Die Gemahlin von Karl III., die schottische Königstochter und Heilige Richardis342, sei dagegen nicht auf der Insel bei ihrem Mann, sondern im Elsaß, und zwar in dem von ihr gestifteten Frauenkloster zu Andlau begraben.343 An dieser Stelle brechen die Angaben zum Kloster Andlau ab. Erst an späterer Stelle, als Sunthaym das Elsaß vorstellt, nimmt er die Beschreibung des benediktinischen Frauenkloster Andlau, wieder auf. 344 Es sei nur von adligen Frauen bewohnt und im Jahre 881 von der heiligen Richardis gestiftet worden. Dort befänden sich einer der drei Nägel des Herren und viele andere Reliquien. Diese 334 335 336

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Fol. 13v-15v , in der Edition von Uhde, K.: Das geographische Werk von Ladislaus Sunthaym ,S. 230-234 cvp 3072*, fol. Classen, P. (Hrsg.): Die Gründungsurkunden der Reichenau (Vorträge und Forschungen, 24). Sigmaringen 1977. S. 11f. Ebd., S. 231, Z. 27-29. Pirmin (+ 755), Heiliger der Insel Reichenau, Klosterbischof, seit 1575 in Innsbruck begraben. Im Jahre 724 erhielt Pirmin von Karl Martell einen Schutzbrief, der ihm die Gründung und den Ausbau des Klosters Reichenau gestattet. Vgl. Brandi, K.: Die Chronik des Gallus Öhem. Heidelberg 1898. Mennel zählt den heiligen Evangelisten Markus, den heiligen Menradt, den heiligen Januarius und seine Gesellen, die heilige Fortunata mit ihre Brüder Egristo und Karpumpo auf. Ebd., S. 232, Z. 12. Kaiserin Richardis (*840) heiratete 861/62 Karl III. Papst Leo IX erhob 1049 ihre Gebeine. Ebd., Z. 12-16. Ebd., S. 251, fol. 26r, Z. 14 ff.

73 Informationen mußten für Mennel von Bedeutung sein, da er die Legende der heiligen Richardis – allerdings erst 1518 - in das habsburgische Legendar aufnahm.345 Dort zählt Mennel die Reliquien auf, die er bei seinem Besuch im Kloster Andlau gesehen habe; unter anderem sei darunter auch der eiserne Nagel vom Kreuz Christi gewesen: „[…] Item ain Eysin nagel damit Cristus unnser behalter an das Creutz genagelt ward , den die Edel Junkfraue von Rom dahin bracht. Etlich sage man haben Ir nit gebenn, Sonnder Sy hab In sunst bekommen, dann dero gleichen sie vor mer gethon hat“.346

In der Tat hatte Richardis alles, was sie an Gut und Rechten besaß, dem Kloster vermacht, so daß sich die Benediktinerinnenabtei auf einen großen Besitz und ein umfangreiches Betätigungsfeld stützen konnte. 347 Sicherlich kann anhand von Mennels Äußerungen in der Richardislegende nicht endgültig entschieden werden, ob Mennel es bei den Informationen Sunthayms zum Kloster Andlau beließ, oder ob er weitere Recherchen in Andlau anstellte. Die Nähe Andlaus zu Freiburg und der Bekanntheitsgard dieses elsässischen Frauenklosters legt letzteres nahe. Fraglos aber scheint, daß Sunthayms Ausführungen zum Kloster Andlau für Mennel ein konkreter Anlaß sein konnten, gezielt weitere Informationen für die Legenden der heiligen Richardis im dortigen Kloster einzuholen. Ebenso ist nicht auszumachen, ob Mennel auf Sunthayms Hinweis, im Reichenauer Kloster lägen Heilige begraben, in der dortigen Klosterbibliothek weitere Nachforschungen veranlaßte. Mennels Arbeitseifer wäre dort sicherlich belohnt worden, da es in Reichenau ein lateinisches Legendar gab, das lateinische Legenden zu Adelsheiligen aus dem Augsburger Raum enthielt. Den Beweis, daß dieses Legendar auch im Bodenseeraum bekannt war, erbringt das Reichenauer Ausleihverzeichnis von 1474, in dem diese im 11./12. Jahrhundert verfaßte Handschrift als Leihgabe an das Bodenseekloster Schienen aufgeführt wird.348 Eine in dieser Handschrift vorgenommene autographe Eintragung von Johannes Cuspinian, der neben Sunthaym auch mit den Forschungen zur Geschichte des Hauses Habsburg von Maximilian I. beauftragt war, und die Tatsache, daß sich diese Handschrift nachweislich ab 1576 in der Wiener Hofbibliothek befand, lassen vermuten, daß Sunthaym diese lateinische Handschrift vor 1502 - der frühesten Datierung seiner Handschrift A mit nach Wien brachte und sie dort von Cuspinian sicher, von Mennel wahrscheinlich gelesen wurde.

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cvp 3077, fol. 335r-338v. cvp 3077, fol. 337r/v. Vgl. Wilsdorf, Ch.: Art. Andlau. In: LdMa, 1. 1999. Sp. 597. Zum Verhältnis Richardis zu Andlau vgl. Büttner, H.: Kaiserin Richardis und Andlau. In: Archives de l’église d’Alsace, 23 (1956). S. 83-91. ÖNB, Cod. 573. Weitere Informationen zu dieser Handschrift bei Mazal, O.; Irblich, E.; Németh, I.: Wissenschaft im Mittelalter. Ausstellung von Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibliothek. Prunksaal 1875. Graz 1980. S. 175 f. Gedruckt in PL 142, 1185-1203.

74 Bei den Ausführungen zur Stadt Basel beschränkt sich Sunthaym bewußt auf die wichtigsten Klöster der Stadt und des direkten Umlandes. Dazu gehören das Kartäuserkloster in der Vorstadt von Basel und das Frauenkloster „in Olsperg“, das nicht weit von Basel weg gelegen und zudem von den Grafen von Habsburg gestiftet worden sei. Auch der heilige Pantalus erfährt in seiner Eigenschaft als erster Bischof von Basel besondere Erwähnung. Dieser Pantalus sei zusammen mit der heiligen Ursula und ihren elftausend Jungfrauen von den Hunnen zu Köln gemartert worden und liege nun dort neben der heiligen Ursula begraben. Pantalus und Ursula finden beide als habsburgische Heilige einen Platz in Mennels Legendar. Ursula wird unter den heiligen Freunden in der Legendarfassung von 1514 (1514, 2. Teil) und im kalendarischen Teil der Legendarfassung von 1518 mit ihrer Vita präsentiert349, Pantalus dagegen nur in der Legendarfassung von 1518; hier folgt seine Vita direkt auf die Vita Ursulas, und sein Festtag stimmt mit dem Ursulas, der mit dem 12. Oktober von Mennel angegeben wird, überein. Zu Ursula wird Sunthaym schon Informationen bei seinen Recherchen zu Etzelburg350 gesammelt haben, wo der Hunnenkönig Etzel, der die elftausend Jungfrauen zu Köln marterte, gehaust hatte. Auch bei dem heiligen Pantalus ist es naheliegend, daß Mennel sich durch Sunthayms Recherchen veranlaßt sah, ihn zusammen mit der heiligen Ursula in die Reihe der habsburgischen Heiligen aufzunehmen. Vielleicht hinderten Mennel die fehlenden Angaben zu Pantalus‘ Herkunft daran, den Heiligen schon in der Legendarfassung von 1514 zu nennen, da zu diesem Zeitpunkt für Mennel das oberste Ordnungsprinzip noch genealogische Verknüpfung der Heiligen mit den Habsburgern war. Daß er ihm als habsburgischer Heiliger aber schon 1514 ein Begriff war, und er ihn auch gern als solchen verehrt sehen wollte, beweist der Festtag des Pantalus, den Mennel schon im Habsburger Kalender 1514 festgehalten hatte.351 Daß Mennel jedenfalls nicht über die Herkunft des Pantalus informiert war, beweisen die unbeschrifteten Felder des Stammbaumes vor der Pantaluslegende. In der Legende selbst weist Mennel darauf hin, daß er keine eigenständige Quelle zu Pantalus finden konnte, was er damit erklärt, daß Pantalus zur Gesellschaft Ursulas gezählt und demnach nicht als eigenständiger Heiliger aufgefaßt worden sei.352 Mennel gibt daher wieder, was auch schon Sunthaym zu Pantalus recherchiert hatte: Daß Pantalus die heilige Ursula mit ihren Jungfrauen nach Rom geführt habe und auf dem Rückweg in Köln zusammen mit der heiligen Ursula und den elftausend Jungfrauen von den Hunnen getötet worden sei. Die Legende des heiligen Pantalus demonstriert damit beispielhaft, daß Mennel die Vorarbeiten Sunthayms, die in dessen geographischem Werk auszugsweise präsentiert werden, als Grundlage seiner weiteren Recherchen zu einzelnen Heiligen nutzte, und 1518 schließlich dazu überging, auch jene Heiligen, zu denen weitere Recherchen zwischen 1514 und 1518 erfolglos geblieben waren, dennoch in das habsburgische Legendar aufzunehmen. Gerade im Gebiet der Eidgenossen war Mennel wohl auf die 349 350 351 352

cvp 3077**, fol. 43r-47r und cvp 3077, fol. 387r-392r. Codex A, S. 291, fol. 46r, Z. 2 f. Vgl. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 19, liegt der Festtag des Pantalus auf dem 21. Oktober. cvp 3077, fol. 393r.

75 Informationen Sunthayms angewiesen, da er sich nach eigener Aussage mit Zuständen konfrontiert sah, die seine Recherchearbeit erschwerten. 1501 hatte sich Basel den Eidgenossen angeschlossen – das waren zwei Jahre nach dem Basler Frieden353, den Maximilian I., um den Schwabenkrieg zu beenden, mit den Eidgenossen geschlossen hatte. Basel war also für kaiserliche Recherchen kein gutes Pflaster mehr gewesen, zumal, wenn es sich bei dem Recherchierenden um einen Freiburger handelte. Bei Klerikern in Basel war nämlich ‚das beten mit zertanen Armen‘, wie es die Basler nach dem Beitritt der Eidgenossenschaft zu tun pflegten, zu einem heftigen Streit entbrannt, in dem besonders der Freiburger Dominikaner Johannes Winckel und der Basler Professor Werner von Selden wortführend waren. Gerade der kaisernahe Jakob Wimpfeling354 erging sich in verbalen Attacken gegenüber den Eidgenossen.355 Aus diesem Grund muß wohl auch der kaiserliche Hofhistoriograph aus Freiburg, Mennel, im profanen Teil der Fürstlichen Chronik klagen356, daß er nicht über die Kriege Albrechts von Österreich berichten könne, da die dazu notwendigen Quellen nicht mehr einzusehen seien. Die Eidgenossen hätten nämlich Albrechts Schloß und Stadt Rappersweiler am Züricher See zerstört, ferner die Habsburg und andere Orte, in denen Informationen zu diesem Fürst vorhanden seien. So könne er nur noch aus der Schweizer Chronik, die Petermann Etterlin357 verfaßt habe, über die Kriege Albrechts berichten. Auch für die Heiligen, die im eidgenössischen Gebiet verehrt wurden, wie beispielsweise der heilige Fridolin, hatte Mennel wohl keine Quellen der dortigen Kultorte befragen können. Noch weitere wertvolle Informationen konnte Mennel auch zu den elsässischen Heiligen aus Sunthayms Vorarbeiten schöpfen.358 Straßburg widmete Sunthaym als dem Zentrum des Elsaß besondere Aufmerksamkeit. Das Elsaß sei, so Sunthaym, von der Römerherrschaft in die Herrschaft der Könige von Frankreich übergegangen. Dagobert I.359, und nach ihm die Könige des Frankenreiches, hätten dort für zweihundert Jahre residiert. Dagoberts Herrschaft war gerade für die Grafen im Breisgau und des Bodenseegebiet zentral gewesen, und Sigebert I., sein Sohn, hatte diese Förderung fortgeführt. Wahrscheinlich setzte nämlich Dagobert I. den ersten Herzog des Elsaß ein und beschenkte – das ist allerdings nachgewiesen – Straßburg, wodurch die Stadt zu einem zentralen Ort des Elsaß wurde.360 An späterer Stelle erläutert Sunthaym ein weiteres Mal die 353

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Es wurde der Kompromiß vereinbart, daß die Eidgenossen in nicht näher verpflichtender Form dem Reich angehörten. Über die kaisernahen Humanisten in Straßburg vgl. Mertens, D.: Maximilian I. und das Elsaß. In: Die Humanisten in ihrer politischen und sozialen Umwelt, hrsg. von Otto Herding und Robert Stupperich (Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung, 3). Boppard 1976. S. 177-201. Vgl. dazu Sieber-Lehmann, C.; Wilhelmi, T. (Hrsg.): In Helvetios – wider die Kuhschweizer. Freund- und Feindbilder von den Schweizern in antieidgenössischen Texten aus der Zeit von 1386 bis 1532. Bern, Straßburg, Wien 1998, dort insbes. S. 140, Nr. 18. cvp 3073, fol. 220r. Petermann Etterlin: Kronica von der loblichen Eydtgenossenschaft Ir herkomen und sust seltzam stritten und Geschichten. Basel (Michael Furterer) 1507. Ebd., S. 247-260, fol. 23v-30r Dagobert I. ‚der Große‘ beherrschte von 629 bis 638/39 das Merowingerreich. Über die Verdienste der Frankenkönige um das Bistum Straßburg vgl. Glöckler, L. G.: Geschichte des Bisthums Straßburg. Enthaltend in 2 Teilen: 1. Geschichte der Bischöfe. 2. Eine geschichtliche Skizze der Bücher. Straßburg

76 Bedeutung Straßburgs für die Merowingischen Könige. Eine Schenkung ist beispielsweise das Kloster Montier-Grandval im Sornegau. Herzog Gundoin hatte Abt Waldebert von Luxueil (629670) im oberen Birstal des Jura einen Ort für eine Klostergründung gegeben. Erster Abt der dortigen Klostergründung war Germanus, dessen Bruder Opthemanis eine dominierende Rolle am Hofe Dagoberts I. und seines Sohnes Sigibert spielte. Dieses Kloster hatte den politischen Zweck, im Jura den Übergang zur Aare zu schaffen und damit den römischen Verkehrsweg von Basel nach Wien zu erneuern.361 Straßburg und sein Umland hatten damit für die Merowinger politische Relevanz; genauso waren die Merowinger wichtig für Straßburgs Entwicklung zu einer bedeutenden Stadt. Diesen Zusammenhang zwischen den Merowingern und der Stadt Straßburg haben sowohl Sunthaym wie auch Mennel erkannt und in ihre Arbeiten eingearbeitet. Sunthaym suchte in Straßburg nach den Spuren der Merowingerzeit, Mennel nahm Dagobert I. in den habsburgischen Kult auf, indem er ihm einen Legendenplatz in seinem Legendar zugestand. Die Geschichte des Elsaß, die Sunthaym landeskundlich aufgearbeitet hatte, stellte Mennel auf der Ebene des Kultes vor. Zumal gerade das Verhältnis zwischen dem Habsburgern und der Freien Stadt Straßburg einer besonderen Pflege bedurfte. Diese Stadt war willkommene Bündnispartnerin für die Eidgenossen und sah sich immer mehr vom Kaiser unbeachtet – eine Entwicklung, die in der Armagnakenkrise gipfelte.362 Maximilian war daher mit Recht unsicher, ob er bei seinen Unternehmungen auf die Hilfe der Straßburger rechnen konnte. Immerhin hatte die Ablehnung des Hilfegesuches seines Vaters an Straßburg im Jahre 1485 vor Augen geführt, daß Straßburg den Habsburgern die großen Verluste kriegstüchtiger Männer und materieller Dinge verübelte, den sie im Kampf für Habbsurger Interessen erlitten hatten.363 Maximilian I. war in dieser Situation sicherlich daran interessiert, das Elsaß durch den Kult Dagoberts I., dem Straßburg seine Bedeutung verdankte, auf die Tugendhaftigkeit des Hauses Habsburg hinzuweisen; die Ansippung des heiligen Dagobert an das habsburgische Adelsgeschlecht kam da gerade recht. Auf diesem Hintergrund ist wohl auch Sunthayms Bemerkung zu lesen, daß Chlodwig, der erste christliche König von Frankreich, in Straßburg das Münster Zu unserer lieben Frau und die Kirche Zu dem alten Sannd Peter gestiftet habe. Die Burg „Neu Troja“ bei Kirchheim sei dagegen Dagoberts eifriger

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1889. Auf die Funktion des Bistums Straßburg während der alamannischen Angriffe im 7. Jahrhundert verweist Rapp, F.: Art. Straßburg. In: LdMa, 8. Sp. 213-218. Straßburg liegt an einem Kreuzweg von Heeresstraßen und Handelswegen. Zum einen führte ein Weg von Italien, der Schweiz und dem südlichen Frankreich über Genf oder Lyon stromabwärts zum Niederrhein und der Nordsee, eine weitere Straße verband Straßburg mit der Donau, der Seine, mit Wien und Paris. Ein enges Netz von Verkehrsverbindungen ging über den Schwarzwald/Rheintal südöstlich nach dem Bodensee, südwestlich nach Burgund, nördlich zum Main, westlich nach Lothringen und Luxemburg. Über die ‚Gunst der Lage der Stadt Straßburg‘ Willy, A.: Straßburg an der Wende zur Neuzeit. Leipzig 1940. Vgl. zu dem gespannten Verhältnis zwischen Habsburg und der Stadt Straßburg Stenzel, K.: Die Politik der Stadt Straßburg am Ausgange des Mittelalters in ihren Hauptzügen dargestellt. Straßburg 1915. Antwort der Stadt Straßburg auf das Hilfegesuch Friedrichs III.: „[…] Aber uff keyserlichen maiestat begere der hilff halb etc. do ist nit one, der stat Strasburg ist in kurtzvergangen jaren sollicher großer mergklicher schade und abegang begegent, bede an lutren und an güt, das alles von stück zu stücken zu erzalen wurde zu lange und lossent das uwer keyserlichen maiestat zu eren underwegen; […]“, zitiert nach Stenzel, K.: Die Politik der Stadt Straßburg, S. 250.

77 Bautätigkeit zu verdanken. Im Anschluß daran erzählt Sunthaym die Geschichte vom heiligen Sigibert, dem Sohn Dagoberts364. Mit Amandus hatte Mennel einen weiteren Straßburger Heiligen benannt. Im Stift Alt-St. Peter konnte man seit 1398 Amandus angeblichen Leichnam bewundern, und auch das Haupt der heiligen Brigida, die Mennel an anderer Stelle in seinem Legendar beschreibt, wurde dort verehrt. Auch die zu den Habsburgern gezählte Heilige Ursula verehrte man in der Straßburger Dominikanerkirche, und in Alt-St. Peter wurde seit 1482, also kurz vor den Recherchen Sunthayms, der heilige Wolfgang verehrt, der auch als habsburgischer Heiliger von Mennel behandelt wird.365 Der heilige Priester Amandus, so berichtet Sunthaym, sei einst nach Rom gefahren, um Ablaß zu erbitten. Zu diesem Zweck habe er die Nacht in St. Peter zugebracht, wo ihm Petrus erschienen sei und aufgetragen habe, König Dagobert für sein sündiges Leben zu bestrafen. Der heilige Amandus habe Dagobert von diesem Gesicht berichtet. Als Dagobert und seiner Frau Mechthild schließlich ein Sohn geboren worden sei, habe ihn Amandus, der dem König nun nahe stand, auf den Namen Sigibert getauft. Der Säugling habe außerordentliche Fähigkeiten gezeigt: Er antwortete auf die Fragen des heiligen Amandus und fügte ihnen jeweils ein Amen hinzu. Doch in jungen Jahren erfüllte sich die Prophezeiung des Petrus: Beim Jagen mit seinem Vater habe ein wilder Eber den Königssohn bei Ebersmünster an der Ill vom Pferd gestoßen. Das Pferd habe Sigibert zu Tode geschleift. Nachdem aber der heilige Arbogast366, Bischof von Straßburg, auf wundersame Weise den toten Sigbert wieder zum Leben erweckt habe, habe Dagobert aus Dankbarkeit dem heiligen Arbogast und dessen Nachkommen Rufach und Eissenburg zu ewigem Besitz gegeben. Sigibert aber sei König von Austrasien geworden. Auch das zweite Kind Dagoberts, Bathilda, brachte durch ihr Leid den Vater näher zu Gott. Bathilda sei nämlich blind und stumm gewesen. Der heilige Florentius, ein gebürtiger Schotte und Bischof zu Straßburg, habe es aber durch eine wundersame Heilung vermocht, sie wieder hörend und sehend zu machen. Als Dank schenkte Dagobert ihm Haslach, wo Florentius ein Kloster gestiftet habe und dort nun begraben liege. Sieben Klöster habe Dagobert gestiftet. Davon nennt Sunthaym die ehemalige Bendiktinerkirche Ebersmünster367 und das Benediktinerkloster Weißenburg368; dort könne man eine außerordentlich große Krone finden. 364 365

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Vgl. dazu ebd., S. 253, fol. 27r, Z. 5 ff. Vgl. zum Straßburger Heiligenkult Pfleger, L.: Kirchengeschichte der Stadt Straßburg im Mittelalter. Nach den Quellen dargestellt. Kolmar 1941. Zu Amandus‘ Verehrung dort S. 180. Der heilige Arbogast war Bischof und Patron des Bistums Straßburg und wurde auf dem Galgenhügel der Stadt begraben, wo heute die Kirche St. Barbara steht. Vgl. dazu Clauss, J.: Die Heiligen des Elsaß in ihrem Leben, ihrer Verehrung und der Kunst (Forschungen zur Volkskunde, Heft 18/19). Düsseldorf 1935. Codex A, S.254, fol. 27v, Z. 15. Da Sunthaym auch über den Heiligen Leodegar schreibt, dessen Reliquien – zumindest teilweise – sich in dieser Pfarrkirche befinden, ist davon auszugehen, daß Sunthaym auch diese Kirche im Zusammenhang mit seinen Forschungen zum heiligen Dagobert nannte. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 89f. Den Hinweis auf die Pfarrkirche Ebersmünster ist entnommen Clauss, J. : Die Heiligen des Elsaß, S. 164. Der Klosterchronist der Bendediktinerkirche berichtet – entgegen der Darlegung Sunthayms – , daß unter König Childerich I. ein gewisser Bischof Deodat zusammen mit dem elsässischen Herzog Atticho das Kloster Ebermünster gegründet habe, vgl. dazu Eggenberger-Billerbeck, D. : Die ehemalige Benediktinerkirche Ebersmünster. Ein Beitrag zur Vorarlberger Barockbaukunst. Hagenau 1974. Weißenburg im nördlichen Elsaß wurde das erste Mal 661 urkundlich erwähnt, dennoch steht der Zeitpunkt der Klostergründung nicht zweifelfrei fest. Vgl. dazu Ludwig, U.: Art. Weißenburg. In: LdMa, 8. Sp. 2137-2139.

78 Abgesehen von der historischen Fragwürdigkeit dieser Angabe, wird Sunhaym gerade Ebersmünster an der Ill besucht haben, da sie von den Karolingern gefördert worden war und damit über Informationen zu deren Geschichte verfügen mußte. Desweiteren hatte sich die Benediktinerabtei während der Armagnakenkrise vom habsburgischen Kaiser vernachlässigt gefühlt hatte. Nicht Friedrich III., sondern Abt Luthold von Ramstein hatte Ebersmünster und seine Einwohner vor einer Einnahme verschont369, und so erstaunt es auch nicht, daß Friedrichs Sohn jetzt darum bemüht sein mußte, das Gebiet um Ebersmünster von der Vorbildlichkeit der Habsburger zu überzeugen. Dabei half ihm sicherlich, die Benediktinerabtei als eine habsburgische Stiftung auszugeben. Die Legende Mennels erzählt das Leben und die Annäherung Dagoberts an Gott nicht unter dem Gesichtpunkt der göttlichen Strafe.370 Zwar schreibt auch Mennel von dem Traumgesicht, das dem heiligen Amandus in Rom erschienen sein soll, wechselt dann aber nicht zu den Geschicken der Königskinder Sigibert und Bathilda über, sondern verfolgt den geistlichen Werdegang des Amandus weiter. Die Legenden von Bathilda und Sigibert dagegen geben den Bericht Sunthayms von ihrer jeweiligen wundersamen Heilung in seinen Grundzügen wieder.371 Sicherlich konnte Mennel aus Sunthayms Recherchen zur Herrschaftsentwicklung des Elsaß unter den Merowingern seine Annalen zu den einzelnen Heiligen schreiben, wobei der den Schwerpunkt seiner Darlegung auf einen Heiligen legt, der kein Habsburger ist. Da aber Amandus-Reliquien in Straßburg

größte

Verehrung

erfuhren,

spannt

Mennel

innerhalb

der

habsburgischen

Heiligenlegende Dagoberts gleich zweimal die Verbindung zwischen der elsässischen Hauptstadt und dem Kaiserhaus. Mennel benutzt Sunthayms Forschungen als historischen Rahmen, der ihm angab, welche Heiligenkulte für das habsburgische Legendar interessant waren, um mit deren Legenden habsburgische Geschichte auf der kultischen Ebene neu zu schreiben. An Mennels Legenden zu Dagobert, Bathilda und Sigibert wird deutlich, daß Sunthayms Informationen – soweit sie jedenfalls für uns heute noch faßbar sind – für Mennel den Grundstock von Nachrichten über einzelne Heilige bildeten. So forschte Mennel in Straßburg über Dagobert, weil er von Sunthaym dazu den Wink erhalten hatte; dabei stieß er auf Angaben zur Vita des heiligen Amandus.372 Sunthaym legte sicherlich auch beim heiligen Etichonen Leodegar den Grundstock für weitere Arbeiten. Leodegar ist, wie auch schon die heilige Richardis, erst im kalendarischen Teil von 1518373 im habsburgischen Legendar zu finden.

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Vgl. dazu Eggenberger-Billerbeck, D. : Die ehemalige Benediktinerkirche Ebersmünster, S. 168f. Vgl. cvp 3077*, fol. 140r-146r. Vgl. dazu ebd., fol. 155r-156r (Bathilda-Legende) und ebd., fol. 146v-149v (Sigibert-Legende) Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 141. cvp 3077, fol. 350r-353v.

79 Sunthaym berichtet von Herzog Ettich, dem Vater der heiligen Odilia. Herzog Ettich habe im Jahre 685 in Straßburg residiert. Nachdem Ettich dann zum Herzog über das Elsaß gemacht worden sei, habe er sich das Schloß Hohenburg als eine von seinen insgesamt zwei Residenzen eingerichtet und es später zu einem Frauenkloster umgewandelt. Diesem Kloster habe seine Tochter Odilia als Äbtissin vorgestanden und sie sei dort auch begraben worden. Hohenburg sei nun „die heiligist stat“ im Elsaß und biete überdies einen reichen Schatz an Reliquien. Sunthaym hatte also zu den Etichonen geforscht, als er sich mit der Geschichte des Elsaß befaßte. König „Mason“ und seine Frau „Alda“ hätten, so erzählt Sunthaym, einst den Wunsch nach einem Sohn gehabt, der ihnen schließlich auch erfüllt worden sei. Durch einen unglücklichen Zufall hätten sie allerdings das Neugeborene verloren: Es sei nämlich ertrunken und von dem Fluß „Toller“ weggespült worden. Um wenigstens den toten Säugling bergen zu können, hätten die Eltern das Gelübde abgelegt, am Fundort des Kindes eine Kirche und ein Stift zu bauen. Mit Hilfe eines goldgehörnten Hirschen hätten sie das tote Kind gefunden, begraben, und als Dank die St. Johanns Kapelle erbaut. Ihre Stiftung nenne man „Maasmünster“, wo nun der heilige Leodegar Hausherr und -patron sei.374 Als Reliquien des Heiligen finde man dort sein Haupt, drei seiner Zähne, seinen Hut und seinen Kamm.375 Sunthaym zitiert zum Abschluß das Grabepitaph des hl. Leodegar. Von der von Sunthaym nur beiläufig erwähnten Odilia erzählt Mennel in seiner Legendarfassung von 1514.376 Vielleicht sah Mennel in der Straßburger Stiftkirche Alt St. Peter377, auf die Sunthaym schon hingewiesen hatte, eine ‚Genealogia’ ein, in der die Verwandtschaftsverhältnisse des elsässischen Herzogsgeschlechts vorgestellt wurden. Jedenfalls folgt auf Odilias Legende die Lebenserzählung ihrer Nichte Adela, die ebenfalls im Kanonissenstift Odilienberg - Mennel nennt noch den alten Namen Hohenburg378 - zusammen mit ihren Schwestern Eugenia und Gerlinda von Odilia in die geistliche Zucht genommen worden sei.379 Damit nimmt Mennel den Odilienkult auf, der Ende innerhalb des Reiches Ende des 15. Jahrhundters weit verbreitet war: In St. Stephan in Straßburg wurde Odilia genauso verehrt wie im bayerischen Eichstätt, wo auch ihre Nicht Eugenia neben der heiligen Schottin Brigida verehrt wurde. 1502 bis 1514, also im Zeitraum der Abfassung des habsburgischen Heiligenlegendars, wurde eine Odilia-Reliquie jeden ersten Sonntag nach Ostern im Wiener Stephansdom gezeigt.380 Die zentrale Bedeutung des Odiliakultes verdeutlicht ein Zitat des elsässischen Humanisten Matthias Ringmann (1482-1511): „Odilia in summo requiescit

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Vgl. dazu wiederum Clauss, J.: Die Heiligen des Elsaß, S. 164. In Masmünster wurde bis zur Französischen Revolution der Chormantel Leodegars aufbewahrt, Vgl. ebd. cvp 3077*, fol. 156v-160v. Vgl. dazu Wilsdorf, C.: Le monasterium Scottorum de Honau et la famille des ducs d’Alsace au VIIe siècle. Vestiges d’un cartulaire perdu. In: Eglises et religions, 1. Les abbayes. (Annuaire de la société d’Histoire et d’Archéologie du Ried-Nord, 1994). S. 15-118, S. 65. Vgl. dazu Eberl, I.: Art. Honau. In: LdMa, 5. Sp. 116. Vgl. zur Geschichte des Kanonissenstifttes Bornert, H.: Art. Odilienberg. In: LdMa, 6. Sp. 1350f. Vgl. cvp 3077*, fol. 161r-163v. Zur Verehrung der heiligen Odilia vgl. Barth, M.: Die heilige Odilia. Schutzherrin des Elsaß. Ihr Kult in Volk und Kirche, Bd. 1 u. 2. (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsaß, 5). Straßburg 1938. Barth gibt sämtliche Kultzeugnisse zur Odilienverehrung wieder.

80 vertice montis, Odilia alsatici gloria summa soli“381 – „Odilia ruht auf dem Bergesgipfel, Odilia verkörpert den größten Ruhm des elsässischen Landes“. Wenn Mennel folglich gerade Odilia, und neben ihr auch Eugenia und Gerlinda, 1518 eine eigene Legende zustand382, erinnerte er damit zumindest die elsässischen Odilienverehrer an die Verbindung ihrer Region mit dem habsburgischen Kaiserhaus, dem – wie schon erwähnt – seit der Armagnakenkrise nur wenig Vertrauen entgegengebracht wurde. Vielleicht konnte Maximilian hoffen, dadurch einen Nährboden für eine Annäherung des Elsaß an die Habsburger zu schaffen. Sunthaym bleibt mit seiner Beschreibung im Elsaß und stellt die heilige Kaiserin Adelheid, die Frau Ottos des Großen und Tochter König Rudolfs von Burgund, vor. Ihr Grab liege, so schreibt Sunthaym, in dem von ihr gestifteten Kloster Selz.383 Das Leben dieser Heiligen bietet Mennel auch in seinem Legendar.384 Die Jungfrau Adelheid sei von „Theophana“ mit ihrem Sohn Otto II. vermählt worden, wie „ettlich schreyben“385. Nach dem Tod Ottos aber habe Herzog Hermann das Erbe der heiligen Adelheid und ihrer Kinder, nachdem sie es der Kirche zu Selz übergeben hätte, geraubt. Offensichtlich blieb diese Tat ungesühnt, da erst das Jüngste Gericht die Strafe Gottes für diese Untat zeige, denn „was aber die leyden mussen, die das gotzhaus yezo gar al gethon haben, wirt sich zu seiner Zyt erfinden“386, bemerkt Mennel in Zuversicht auf Rache. Auch bei den Recherchen zum elsässischen Kloster Selz am Rhein wird Mennel seine Informationen einmal mehr den Vorarbeiten Sunthayms verdankt haben. Mennel vermerkt mit keiner Silbe, daß er selbst vor Ort gewesen sei, sondern nennt nur die Lektüre von einigen Geschichtsschreibern, die sich mit der Biographie Adelheids beschäftigt haben mochten – zu denken sei hier an die Vita des Odilo von Cluny. Auch hier ist es wahrscheinlich, ähnlich wie bei den schon behandelten elsässischen Klöstern Andlau und Honau, daß Sunthaym die Quellen schon zusammengetragen hatte, die Mennel dann schließlich seiner Vita der heiligen Adelheid zugrunde legte. Zusammenfassend bleibt für Mennels Recherchen zu den elsässischen Heiligen festzuhalten, daß er bei ihnen mit Vorinformationen von Ladislaus Sunthaym rechnen konnte. Er tat dies ielleicht mit dem Ziel, die elsässische Distanziertheit gegenüber dem habsburgischen Kaiser mit Hilfe ihres Regionalkultes zu überwinden. Sunthaym erforschte wahrscheinlich die elsässischen Heiligen. Er machte Dagobert I. dann zu einem Dreh- und Angelpunkt der habsburgischen Geschichte. Sunthayms Nachforschungen sind relevant, weil sie dem Autoren des habsburgischen Legendars die historischen Bezugspunkte bot, um das Elsaß mit dem Habsburger-Haus durch historische 381 382 383

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Zitiert nach Barth, M: Die heilige Odilia, Bd. 2, S. 177. Vgl. cvp 3076, fol. 59v-60r (Eugenia-Legende) und cvp 3077, fol. 339r-341r (Gerlinda-Legende) Adelhaid soll nach den Angaben von Odilo von Cluny im Jahre 987 das Kloster Selz gegründet haben. Vgl. dazu Reinbold, P.: L’abbaye clunisienne de Selz. In: Eglises et religions, 1. Les abbayes. (Annuaire de la société d’Histoire et d’Archéologie du Ried-Nord, 1994). S. 301-373, S. 313f. Über die Selbstdefinition des Grabklosters der Adelheid als Cluniazenserkloster vgl. Wollasch, J.: Das Grabkloster der Kaiserin Adelheid in Selz am Rhein. In: Frühmittelalterliche Studien, 2, hrsg. von Karl Hauck. Berlin 1968. S. 135-143. Vgl. cvp 3077*, fol. 188r. Ebd., fol. 191r. Ebd., fol. 192v.

81 Argumente zu verbinden. Mennel spielte sie auf der kultischen Ebene am Beispiel einzelner elsässischer Heiliger, wie Dagobert I. und Odilia, durch. Wie sehr Mennel, wie auch Sunthaym, daran lag, den engen Bezug zwischen dem Elsaß und dem Habsburger-Haus zu unterstreichen, beweist auch die Tatsache, daß Mennel insgesamt elf Heilige in sein Legendar aufnahm, die gerade im Elsaß sehr verehrt wurden: Kaiserin Adelheid387, Dagobert I.388, Eugenia389, Ferreolus390, Irmina von Oeren391, Papst Leo IX.392, Odilia393, Kaiserin Richardis394, Sigibert III.395 und König Sigismund396 von Burgund.397 Sunthayms Bedeutung für Mennels Forschungen belegt auch die Recherche zum heiligen Viehhirten Wendelin. Dieser Heilige, so erzählt Sunthaym, habe in Elsaß-Zabern geweilt und liege zu St. Wendel im „Westerreich“ begraben.398 Sein Vater sei ein schottischer König gewesen, seine Mutter eine Königin von Frankreich. Man rufe diesen Heiligen an, um das Vieh von Krankheit zu heilen und ein langes Leben zu erbitten. Mennel hatte den heiligen Wendelin unter die heiligen Freunde des Hauses Habsburg aufgenommen.399 In der Legendarfassung von 1514 befindet sich der Heilige in der Reihe der schottischen Heiligen und wird 1518 dem Monat Oktober zugeordnet 400. In Wendelins Legende schreibt Mennel, daß er über diesen Heiligen in den Büchern „der stat zu Sannt Wendel“ nachgelesen habe. Wendelin sei aber zuletzt „zu Teutschland In ain gegent genant das westerreich darinn dann gros Wald und wildnis waren“ gekommen, bis er im Kloster Tholey Abt geworden und dort auch gestorben sei. Später sei sein Leichnam von Tholey nach St. Wendel transferiert worden. Sicherlich wird Mennel schon in Freiburg, bevor er in Wien mit Sunthaym zusammentraf, über den Kult des heiligen Wendelin und dessen Lebensgeschichte unterrichtet gewesen sein. Wendelin wurde als heiliger Viehpatron vor den Toren Freiburgs in Odilias Kirche, wo ihm ein Seitenaltar geweiht war, verehrt. Und gerade zu der Zeit, als Mennel mit dem Abfassen der Fürstlichen Chronik betraut wurde, hatte am 1. Dezember 1505 der Konstanzer Weihbischof Balthasar Brennwald diese Odiliakirche geweiht.401 Dort konnte Mennel Wendelins Legende, neben der des heiligen Jos, als Fresko bewundern. Vielleicht aus Anlaß des Wendelinkultes vor seiner eigenen 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397

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Vgl. cvp 3077, fol. 454r-461r. Vgl. cvp 3077*, fol. 140r-146r. Vgl. cvp 3076, fol. 59v-60r. Vgl. cvp 3077*, fol. 20v-21r. Vgl. ebd., fol. 150r-152r. Vgl. cvp 3077**, fol. 94v-99r. Vgl. cvp 3077*, fol. 156v-160v. Vgl. ebd., fol. 134r-136v. Vgl. ebd., fol. 146v-149v. Vgl. cvp 3077, fol. 133r-137r. Zu den genannten elsässischen Heiligen und ihrer Verehrung im Elsaß vgl. Clauss, J.: Die Heiligen des Elsaß, S. 23-117. Codex A, fol. 29r, Z. 12. cvp 3077**, fol. 37v-40r. cvp 3077, fol. 383v-386v. Vgl. dazu Brommer, H. (Hrsg.): Wallfahrten im Erzbistum Freiburg. München, Zürich 1990. S. 115 ff.

82 Haustüre, vielleicht aufgrund der Tatsache, daß Maximilian 1512 das Kloster Tholey besuchte 402, mag Mennel darin bestärkt worden sein, es nicht nur bei jenen Kultangaben aus Zabern zu belassen, die Sunthaym ihm gegeben hatte. Jedenfalls ging Mennel auf weitere Recherche nach Tholey403, das 1487 in die Bursfelder Kongregation aufgenommen worden war und die Herstellung von Handschriften von nun an als ein ‚exercitium spirituale‘ betrachtete.404 Mennel konnte dort mit Recht Codices hoffen, die ihm bei seiner historiographischen Arbeit halfen. Sunthayms Konzentration auf Zabern dagegen mag mit der Tatsache zusammenhängen, daß sich dort die Reliquien des Heiligen befanden, und von dem dortigen Wendelinshospital und –kapelle, dem Zentrum der Wendelinsverehrung, der Wendelinskult Ende des 15. Jahrhunderts in das Reich getragen wurde.405 Letztendlich verläßt sich Mennel dann aber doch auf die deutsche Version der Wendelinslegende, wie sie weder im Kloster Tholey noch in Zabern, sondern „apud scriptores populi rumoris“406, in den Volkslegenden, erzählt wurde: daß Wendelin nämlich ein Viehhirte gewesen sei, der in ein Tal bei Trier gekommen sei und dort die Schafe eines reichen Mannes gehütet habe. Als Dank habe er von diesem ein Kloster erhalten, in dem er als „abbas Tholegiensis“407 bis zu seinem Tod gelebt habe. „An der Túnaw ist vil adel unnd ritterschafft gesessen, es ligen auch gut stet, slosser, closter, marckht unnd dorffer daran […]“408 – damit leitet Sunthaym seine Ausführungen zu Schwaben ein. Bei Wittislingen, einem „marckht“409, wird es für den Heiligenforscher interessant: Dort seien nämlich der heilige Ulrich und seine Mutter geboren worden, und liege Thietpurg, eine Tochter Herzog Burchardts von Schwaben, dort begraben.410 Thietpurg war die Tochter des schwäbischen Herzogs Burchard I. von Schwaben411, der aus dem Geschlecht der Hunfridinger412 stammte. Dieses Geschlecht hatte seit dem 9. Jahrhundert die Markgrafen in Rätien und die Grafen vom Thurgau gestellt. Es wurde dadurch zum führenden Adelsgeschlecht im Südwesten des ostfränkischen 402

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Selzer, A.: St. Wendelin. Leben und Verehrung eines alemannisch-fränkischen Volksheiligen. Saarbrücken 1936. Vgl. S. 71f. Benediktinerabtei im Saarland, Kreis St. Wendel. Zur Geschichte Tholeys vgl. Flesch, St.: Art: Tholey. In: LdMa, 8. Sp. 697. Flesch, St. Die monastische Schriftkultur der Saargegend im Mittelalter (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, 20). Saarbrücken 1991. Im Jahre 1471 hatte beispielsweise Bischof Ruprecht von Straßburg eine Wendelinsbotschaft verfaßt, in der er in der ganzen Straßburger Diözese zu einer Sammlung im Namen Wendelins aufrief. Die Sammelnden kamen bis Basel und machten dort den Wendelinkult populär. Vgl. dazu Selzer, A.: St. Wendelin. Leben und Verehrung eines alemannisch-fränkischen Volksheiligen. Saarbrücken 1936, S. 253, Nr. 79. Vgl. dazu die Angaben der Bollandisten in AASS, Oktober IX, S. 342-348, S. 344. Ebd. Ebd., S. 280, fol. 39v, Z. 24 f. Ebd., S. 282, fol. 40v, Z. 13. Zur verwandtschaftlichen Verbindung Ulrichs vgl. Kreuzer, G.: Art. Udalrich. In: LdMa, 8. Sp. 1173f. Herzog Burchard I. von Schwaben (917-926). Zu den folgenden Ausführungen über Burchard I. vgl. den Lexikonartikel von Zotz, T..: Art. Burchard I. In: LdMa, 2. Sp. 940f. und Ders.: Art. Hunfridinger. In: LdMa, 5. Sp. 219. Speziell zur Geschichte des Breisgaus im 10. Jahrhundert vgl. Ders.: Der Breisgau und das alemannische Herzogtum. Zur Verfassungs- und Besitzgeschichte im 10. und beginnenden 11. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen, Sonderbd. 15). Sigmaringen 1974.

83 Reiches und war als solches in die Auseinandersetzungen um die Bildung des Herzogtums Schwaben im 10. Jahrhundert involviert. Die Hunfridinger machten ihren Herrschaftsanspruch schließlich über ihren rätisch-thurgauischen Machtbereich hinaus in Ostschwaben geltend, woran maßgeblich Burchhards Verwandter, Bischof Ulrich von Augsburg, beteiligt war. Der Breisgau wurde schließlich Bestandteil des ducatus Alemanniae, die Oberrheingebiete wurden – in den Augen des ottonischen Königshauses - aus einer ‚Randzone‘ des fränkischen Reiches zu einer ‚Kernlandschaft‘ des ducatus Alemanniae.413 Aus dieser Zeit stammt auch die Klostergründung von St. Margarethen im Breisgau durch Bischof Ulrich, die Mennel ebenfalls als Rechercheort in seiner Quellenauflistung angibt.414 Grundsätzlich ist dieses Ringen der Hunfridinger um die Herzogswürde in Schwaben als ein Teil des Vorganges der Auflösung des Karolingerreiches zu werten. Der schwäbische Herzog hatte die Vormacht unter den übrigen Adelsgeschlechtern des zerfallenden Karolingerreiches und anacierte zum rex Alemannorum.415 Sunthaym, der sich auf die Spuren der Hunfridinger begab, verfolgte damit die Aufstiegsgeschichte eines Adelsgeschlechtes, das Mennel später – genauso wie er es bei den Etichonen getan hatte –genealogisch in der Fürstlichen Chronik an das Haus Habsburg anknüpfte. Auch die Heiligen aus dem Geschlecht der Etichonen dokumentierten die Beispielhaftigkeit des schwäbischen Adelsgeschlechtes, ihre Verbindung zu den Habsurgern untermauerte wiederum die Legitimation Maximilians zur Vorherrschaft seines Hauses in Europa. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Mennel den heiligen Ulrich in das habsburgische Heiligenlegendar von 1514416 und 1518417 aufnahm: Ulrich war als Bischof und Reichsfürst schon zu seinen Lebzeiten verehrt worden. Von seiner Beliebtheit zeugten verhältnismäßig viele Ulrichpatrozinien und –orte, die sich auffälligerwiese an den Reichsgrenzen befanden 418. Sunthaym beschäftigte sich mit diesem bedeutenden Heiligen, und er wird auch Mennel auf die Relevanz des Heiligen für die Geschichte des Hauses Habsburg hingewiesen haben. Informationen über Ulrichs Lebens konnten beide Historiographen über Benno von Reichenau erhalten, der von Ulrich und Afra eine Lebensbeschreibung verfaßt hatte, die sich im Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg befand. Ebenso berichtete Propst Gerhard in seinen Miracula Sanct Udalici von den Taten des Hunfridingers. In St. Ulrich und Afra, der Grabeskirche Ulrichs, konnte seine Originalhandschrift der Ulrichvita eingesehen werden; sie war Grundlage für die Kanonisation des Heiligen und damit Pflichtlektüre für den Hagiographen gewesen. Aber selbst wenn die Wiener Hofhistoriographen 413

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Thomas Zotz weist diese Entwicklung am königlichen Itinerar im 10. Jahrhundert nach, demzufolge Aufenthalte des Königs im Breisgau immer häufiger wurden. Vgl. Zotz, Th.: Der Breisgau, S. 52f. Vgl. cvp 3072*, fol. 11v. Vgl. zu der Bedeutung der Herzogswürde in Schwaben Maurer, H.: Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufischer Zeit. Sigmaringen 1978, insbes S. 129ff. cvp 3077**, fol. 101v-110v. cvp 3077, fol. 216v-229v. Vgl. zur Verehrung des heiligen Ulrich Rummel, P.: Ulrich von Augsburg. Bischof, Reichsfürst, Heiliger. Augsburg 1992, S. 90ff.

84 diese Handschrift nicht zu Gesicht bekamen, gab es noch zwei weitere Handschriften in diesem Klosterg, die zwar heute verschollen sind, aber nachweislich noch bis 1595 im Kloster St. Ulrich und Afra vorlagen und dort auch benutzt wurden.419 Ferner war die Historia gloriosorum confessorum Udalrici et Simperti, necnon beatissimae martyris Afrae, die Veit Bild420 1516 angefertigt hatte und ebenfalls die wundersamen Taten des Augsburger Bischof beschrieb, eine weitere mögliche Informationsquelle.421 Daneben gab es eine Auswahl aus den Annales sanctorum Udalrici et Afrae, die Heinrich Stero nach Wien mitgebracht hatte. Da sich auf Steros Exzerpt Anmerkungen des sogenannten ‚Pseudo-Mennel‘422 befinden, ist es sehr wahrscheinlich, daß Mennel damit arbeitete. Heinrich Stero wiederum stand in engem Zusammenhang mit dem Benediktinerstift Niederaltaich, und Mennel berichtet im profanen Teil der Fürstlichen Chronik über das Grab des siebten Markgrafen zu Österreich, Leopolds des Jüngeren: seine sterblichen Überreste seien nach Heiligen Kreuz in Österreich überführt worden und er liege nun dort zusammen mit dem Babenberger Heinrich Jochsamitgott; Frau und Kinder seien allerdings andernorts begraben worden. 423 Da Altaichs Ruhm nicht zuletzt in der Geschichtsschreibung begründet lag und „hermannus minor“, den Mennel unter den von ihm gelesenen Autoren aufzählt424, ein Abt des Klosters Niederaltaich war425, forschte er vielleicht auch dort und brachte den Codex Hermanni426 mit nach Wien. Bei seiner Informationssuche zu den Hunfridingern mußte sich Sunthaym unwillkürlich mit dem heiligen Simprecht beschäftigt haben. So stieß auch Mennel im Kloster des heiligen Ulrich, in St. Afra und Ulrich in Augsburg, auf zahlreiche Gedenk- und Grabinschriften, die ihn über den heiligen Ulrich informierten und Nachricht über den heiligen Simprecht gaben, der neben Ulrich und Afra ein Patron des Augsburger Klosters war.427 Sein Grab befand sich, wie etwa die Simprechtsvita des Magnus berichtet, im Kloster von St. Ulrich und Afra - doch Sicheres ist über

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Es liegt eine Nachricht von Martin Welser vor, der diese Handschriften noch 1595 benutzt haben will, vgl. dazu die Angaben von Rummel, P.: Ulrich von Augsburg, S. 96. Veit Bild ( 1481- 1529) immatrikulierte sich am 4. Januar 1499 an der Universität Ingolstadt. Später wurde er Pfarrschreiber bei St.Ulrich in Augsburg und blieb dies bis 1502. Im Jahre 1503 trat er in das Benediktinerkloster St.Ulrich in Augsburg ein. Vgl. dazu Schröder, A.: Der Humanist Veit Bild, Mönch bei St.Ulrich. Sein Leben und sein Briefwechsel, in: Zs. d. Hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg 20 (1893), S.173-227. Ebd., S. 96. Lhotsky vermutet, daß dieser Mitarbeiter Lorenz Sauer geheissen haben könnte. Die Handschrift der Auswahl aus den Annales sanctorum Udalrici et Afrae befindet sich im heutigen Haus- und Hof- Staatsarchiv in Wien unter der Signatur Böhm 140-blau 56. Vgl. dazu Lhotsky, A.: Neue Studien über Leben und Werk Jakob Mennels, S. 317f. cvp 3073, fol. 48r/v. cvp 3072*, fol. 11r. Hermann war Abt im Kloster Altaich (nach der Hausüberlieferung) von 1242-1273 und starb im Jahre 1275.Vgl die Angaben bei Stadtmüller, G.: Geschichte der Abtei Niederaltaich 741-1971, S. 458. Die Handschrift liegt im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien unter der Signatur HS Böhm. 581 Sign. Rot 83, Band 1 und 2. Es wird vermutet, daß der Wiener Arzt Wolfgang Lazius, der 1565 verstarb, die Annales von Niederaltaich mit nach Wien brachte. Vgl. Stadtmüller, G.: Geschichte der Abtei Niederaltaich 741-1971, S. 443 Eine Auflistung der Grab- und Gedenkinschriften in St. Afra und Ulrich bietet Hartig, M. (Hrsg.): Das Benediktinerreichsstift Sankt Ulrich und Afra in Augsburg (1012-1802) (Germania Sacra, Serie B). Augsburg 1923.

85 den historischen Simprecht nicht bekannt.428 So kommt Sunthaym auf diesen Heiligen nicht im Zusammenhang mit St. Ulrich und Afra in Augsburg, sondern bei seinen Darlegungen zum elsässischen Benediktinerkloster Murbach zu sprechen429. Der heilige Simprecht sei, so Sunthaym, der Neffe Karls des Großen gewesen und habe in Murbach das Amt des Abtes innegehabt. Sunthaym zitiert den in Murbach von 789-791 urkundlich bezeugten „simbertus episcopus atqaue abbas Murbacensis“, der allerdings nicht nachweislich mit dem Augsburger Simprecht identisch ist. Danach sei der Heilige in Augsburg Abt gewesen und liege nun dort im Kloster des heiligen Ulrich begraben.430 Sunthaym preist Augsburg als ‚Fundgrube‘ für seine Recherchearbeit, denn dort gebe es „vill frawen und manns closter: Sannd Ulrich in der stat, ain munch closter unnd ain abbtey Sannd Benedicten ordenn, dor inn ligenn begrabenn: Sannd Ulrich, Bischoff zu Augspurg, von gepuerdt ain Graff vonn Tillingen; Sannd Simprecht, ain swester sun Karoli Magni […]“.431

Sunthaym hatte also, nach eigenen Angaben, Kenntnis von dem Stift St. Ulrich und Afra in Augsburg. Bei tausend Handschriften und Büchern, die sich um 1500 in der Klosterbibliothek befanden, waren die Möglichkeiten der Quellenrecherche geradezu optimal. Die übrigen Augsburger Bibliotheken, bezeihungsweise die Klosterbibliotheken in unmittelbarer Nähe zu Augsburg432, werden vielleicht nicht in diesem Maße, aber doch immerhin den einen oder anderen interessanten Band für den kaiserlichen Historiographen bereitgehalten haben. Die These, daß Mennel zumindest einen Großteil seiner Quellen aus Augsburg und den umliegenden Klöstern nicht selbst recherchierte, gewinnt an Kredit, untersucht man seine Betrachtungen zur Simprechtlegende. Hier erwähnt er, wie schon Sunthaym, Murbach und Augsburg als Stationen im Leben des heiligen Simprecht.433 In Murbach, so schreibt Mennel, sei Simprecht Abt, in Augsburg Bischof gewesen. Sein Vater Kaiser Karl der Große habe ihn in diesem Amt gefördert und befohlen, daß er alle Kirchengebäude restaurieren lasse, die im Krieg der Schwaben gegen die Bayern zerstört worden seien. Karl habe ihn dabei mit Personal und dem Geld 428

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Zur Simprechtsvita vgl. Zoepfl, F.: Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Mittelalter, 1. Augsburg 1955, insbes. S. 37ff. Ebd., S. 252, fol. 26r, Z. 21 ff. Vgl. cvp 3077*, fol. 87r-89r. Codex A, S. 301, fol. 51v, Z. 21 ff. Da es im 15. Jahrhundert in Wissenschaft und Lehre erblühte wird Sunthaym es bei seinen Forschungen nicht übergangen haben. Er mußte den Lorcher Prior Augustin Seitz (1485-1525) kennengelernt haben, unter dessen Regie die gesamte Klosterüberlieferung in einem ‚Roten Buch‘ zusammengefaßt und der Historiographie beispielsweise in der Gestalt des Lorcher Bruders Jakob Spindler – großen Wert beigemessen wurde. Lorch unterhielt unter anderem Beziehungen zur Bendiktinerabtei Neresheim, die ebenfalls namentlich in die Liste der Stifte von Mennel aufgenommen wurde. Lorch war um 1500 mit dem von Sunthaym ausdrücklich genannten Kloster Ulrich und Afra in Augsburg und mit Neresheim durch Gebetsverbüderungen verbunden. Da ein Brand 1525 der größten Teil der Bibliothek von Lorch zerstörte, muß auch hier die Annahme, daß Sunthaym auf Werke und Legenden stieß, die für Mennels Arbeit von Interesse waren, unbestätigt bleiben. Dennoch ist das Kloster Lorch ein Beispiel für den enorm großen Quellenfundus, der sich dem historisch ambitionierten Forscher Sunthaym in und um Augsburg bot, und der, wie es sich bei den Annales Heinrich Steros zeigte, auch den Historikern in Wien durch Abschriften oder Schenkungen zugänglich gemacht wurden. Vgl. Stadtmüller, G.: Geschichte der Abtei Niederaltaich 741-1971, S. 375. Vgl. cvp 3077*, fol. 87r-89r.

86 aus Steuereinnahmen unterstützt. Simprecht habe dabei ein Bistum geleitet, das damals bei weitem nicht die materiellen Rücklagen gehabt habe, wie es heutzutage der Fall sei. Dreißig Jahre habe Simprecht aller Widrigkeiten zum Trotz das Bistum Augsburg regiert. Am 12. Oktober sei er gestorben und in St. Afra begraben worden. An seinem Grab würden heute Kranke gesunden. Hundert Jahre später habe der heilige Ulrich – auch er ist von Mennel in das habsburgische Legendar aufgenommen worden – das Augsburger Bistum übernommen. Zur Zeit des Hunneneinfalls sei der heilige Simprecht dem heiligen Ulrich erschienen, um ihn um den Schutz seines Grabes zu bitten. Die Kirche sei zwar vor den Hunnen zerstört worden, das Grab Simprechts aber unversehrt geblieben. Im Jahre 1014 habe man schließlich den Neubau der Kirche von St. Afra in Angriff genommen und dabei viele Gräber von Heiligen gefunden. Der heilige Simprecht sei damals noch einmal in Ehren beigesetzt worden. Bis heute kann nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, ob der Abt des elsässischen Klosters Murbach identisch mit dem Augsburger Bischof ist oder ob beide nur die Namensgleichheit eint.434 Mennel scheint jedenfalls den Angaben Sunthayms zu folgen, der bei seinen Nachforschungen im Elsaß im Kloster Murbach auf den Namen ‚Simpert’ traf und diesen mit der Geschichte des Augsburger Bischofs kombinierte, wie sie ihm wahrscheinlich in der Vita Simperti vorgelegen hatte. Die Lebensbeschreibung des Augsburger Bischofs hatte der Prior des Augsburger Klosters St. Ulrich, Adalbert, im 13. Jahrhundert abgefaßt. Am 23. April 1492 nahm König Maximilian I. bei der feierlichen Einweihung der Simpertuskapelle in Augsburg die Handschrift der Vita Simperti entgegen.435 Obgleich Sunthaym frühestens acht Jahre später von Maximilian I. mit historiographischen Aufgaben betraut wurde, ist doch naheliegend, daß Sunthaym diese Augsburger Handschrift exzerpierte. Sei es, daß Mennel nur Exzerpte aus dieser Handschrift las, da es zweifelhaft ist, ob das Original in Wien blieb, sei es, daß er noch das Glück hatte, sie selbst vor Augen zu haben – wahrscheinlich scheint, daß Sunthaym und Mennel zuerst in Wien Nachrichten über den heiligen Simprecht vorfanden und Sunthaym daraufhin sicher nach Murbach und Augsburg reiste; vielleicht unternahm auch Mennel diese Reise oder gab sie in Auftrag. Der geringe Informationsgehalt der Simprechtsvita würde allerdings dafür sprechen, daß Mennel es bei den Informationen aus Sunthayms Hand bewenden ließ. Das im nördöstlichen Württemberg im Bistum Augsburg gelegene Ellwangen stellt Sunthaym als eine besonders interessante Stadt für den Heiligenforscher vor436. Immerhin war der Virgund bei Ellwangen erster Anziehungspunkt für Wandermönche im 9. Jahrhundert gewesen, die dort einige Klöster gründeten.437 Fünfzehn Heilige beiden Geschlechts könne man nun in Ellwangen finden, 434 435 436 437

Vgl. Fried, P.: Art. Simpert. In: LdMa, 7. Sp. 1925. Vgl. dazu Pächt, O.: Vita Sancti Simperti. Eine Handschrift für Maximilian I. Berlin 1964. Ebd., S. 268-271, fol. 33v-34v. Zu den Klostergründungen im Virngund vgl. Urban, W.: Fährten der Frömmigkeit. Streiflichter vom frühen Mittelalter bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts. In: Das katholische Württemberg. Die Diözese RottenburgStuttgart. Zeiten, Zeichen, Zeugen, Zukunft, im Auftr. d. Bischöflichen Ordinariats d. Diözese Rottenburg-

87 namentlich die römischen Drillinge Meleosippus, Speosippus und Leosippus. In Ellwangen seien auch Leo V. gemartert, ebenso Suplicius, Servilianus und der edle Bonifaz. Ferner finde man dort den burgundischen Märtyrer und Presbyter Benignus, dem die Kehle mit einer Lanze durchbohrt worden sei, auch Leonilla, Donutilla, Theodora, Eufrasina, Junilla. Der Drillinge würde am St. Antonstag gedacht, ihr Patrozinium sei im Herbst, am fünften Tag vor Michaelis. Das sei auch der Tag, an dem viele der genannten Heiligen gefeiert würden. Sulpicius und Servilianus würden am dritten Tag vor St. Urban gefeiert, alle genannten Frauen allerdings am Tag der Drillinge.438 Sunthaym verweist hier auf die Liturgie des Benediktinerklosters und der Reichsabtei Ellwangen, das ursprünglich den genannten Heiligen geweiht wurde und seit 980 den heiligen Vitus als seinen Schutzpatron hatte.439 Von Leonilla, Meleosippus und Speosippus konnte Sunthaym nachweislich „in principalis ambitu“440 der Klosterkirche von Ellwangen Reliquien finden. Die vita Anonis, die in diesem Kloster von dem Martyrium der Drillinge, ihrer Großmutter, ihrer Base und dem heiligen Bonifaz, kann eine mögliche Vorlage für Mennel gewesen sein, auf die er durch Sunthayms Nachforschungen entweder aufmerksam gemacht wurde, oder die er sogar in Exzerpten, die Sunthaym für seine topographische Beschreibung Ellwangens gemacht haben mußte, vorliegen hatte. Ohnedies hatte die Ellwanger Klosterbibliothek Ende des 15. Jahrhunderts von sich reden gemacht, da man sich auf die historischen Wurzeln des Klosters zu besinnen begann und diesem Interesse mit der Hebung neuer Geschichtsquellen gerecht wurde. Zudem verlagerte sich zu diesem Zeitpunkt auch der Schwerpunkt des klösterlichen Buchbestandes weg von der juristischen Literatur und hin zu liturgischen Büchern, unter denen als Prachtstück das von 1481 bis 1491 angefertigte Pontifikalmissale zu nennen ist. Sicher entnahm Sunthaym daraus seine Informationen zu den Festtagen der Heiligen, da die von ihm genannten Festtage mit denen des Ellwanger Pontifikalmissale übereinstimmen.441 Ellwangen versprach deswegen ein interessanter Rechercheort, da der Gründer des Klosters Ellwangen, Hariolf, und seine Familie enge Beziehungen zu den Karolingern gepflegt hatten442 und Sunthaym auf der Sunche nach Zeugnissen war, die ihm Aufschluß über die karolingischen Vorfahren der Habsburger gaben. Das, was Sunthaym in Ellwangen vorfand, waren im Altar der Krypta die Reliquien des heiligen Benignus, des Gordian, des Epimachus, des Gangolfus, des Leodegar und des Desiderius, neben den Reliquien der 438 439

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Stuttgart, hrsg. von Werner Groß, unter Mitarb. von Joachim Drumm. Ostfildern 1993. S. 103-154. Codex A., S. 270, fol. 34v. Zur Geschichte Der Stadt und des Klosters Ellwangen vgl. Fahlbusch, F.B.: Art. Ellwangen. In: LdMa, 3. Sp. 1857-1850. Diese Reliquien befanden sich in der Klosterkirche von Ellwangen, so kann man einer dort befindlichen Urkunde entnehmen, seit 1124, vgl. dazu Bossert, G.: Die Gründung des Klosters Ellwangen (Ellwanger Jahrbuch, Sonderdr. 1910/12). Ellwangen 1913, S. 35. Über die Lage der Reliquien in der Ellwanger Klosterkirche macht sich ausführliche Gedanken Mettler, A.: Die Klosterkirche und das Kloster zu Ellwangen im Mittelalter. Eine baugeschichtliche Untersuchung. Stuttgart 1928, S. 139ff. So gibt er beispielsweise an, daß Servilianus und Sulpicius am 3. Tag vor St. Urban (25. Mai) gefeiert würden, und das Ellwanger Missale datiert sie auf dem 23. Mai. Vgl. zu den Festtagsangaben des Missale Irtenkauf, W.: Alte Bibliotheken in Ellwangen. In: Ellwangener Jahrbuch 1962-64. S. 54-77, insbes. S. 57ff. Heute ist das Ellwanger Missale in der Stuttgarter Bibliothek unter der Signatur Cod. Bibl. Fol. 59 noch überliefert. Zu der Gründung des Klosters Ellwangen vgl Bossert, G.: Die Gründung des Klosters Ellwangen (Ellwanger Jahrbuch, Sonderdr. 1910/12). Ellwangen 1913.

88 gemarterten Drillinge, deren Gebeine im 8. Jahrhundert vom Mitbegründer und Abt des Klosters Ellwangen, Hariolfus, von Langres mit nach Ellwangen gebracht worden waren.443 Bei Mennel treten von den genannten Heiligen die heiligen Drillinge Meleosippus, Speosippus und Leosippus im Seligenbuch von 1518 auf. Er stellt sie als „kinder von Burgundi“ zusammen mit ihrer Mutter Leonilla und ihrer Base Fomilla vor.444 Sie alle seien den Märtyrertod gestorben. Woher Mennel seine Informationen zu deren Leiden hat, sagt er nicht. Da aber alle diese Heiligen samt ihrer Marter von Mennel in einer einzigen Legende im Zusammenhang mit dem heiligen Apostel von Burgund, Benignus, präsentiert werden, ist denkbar, daß Mennel bei den Ellwanger Heiligen sich auf Sunthayms Forschungen und die Akten des Warnharius stützte, der als einziger die Drillinge, Fonilla und Leonilla mit dem burgundischen Apostel Benignus und dessen Tod verbindet.445 Die Annahme liegt daher nur allzu nahe, daß Sunthaym auch bei Mennels Legende von den burgundischen Drillingen Pate stand. Weshalb auch sie erst 1518, und nicht schon 1514 von Mennel aufgeführt werden, mag daran liegen, daß Mennel sie nicht mit einem Habsburger in nachweisbare verwandtschaftliche Verbindung bringen konnte. Daher mussten die Felder im Stammbaum ihrer Legende leer bleiben. Regensburg446 ist, neben Ellwangen und Augsburg, die dritte Stadt im Donaugebiet, von der Sunthaym berichtet. Diese Reichsstadt, so berichtet Sunthaym, habe nämlich viele Klöster, und hier habe, neben anderen, auch der heilige Wolfgang seine letzte Ruhe gefunden. Sunthaym meint damit das Kloster St. Emmeram, in dem der heilige Wolfgang von Regensburg am 31. Oktober 994 begraben wurde. Dort konnte Sunthaym, mit Zeugnissen aus karolingischer Zeit, als Regensburg aufblühte, rechnen.447 Wolfgang448 steht bei Mennel bei den heiligen Freunden des Hauses Habsburg in der Legendarfassung von 1514. Er sei, so schreibt Mennel, ein „grav zu Feringen und bischoffen zu Regenspurg“ und zu dem Augsburger Heiligen Ulrich ein „vetter“ gewesen.449 In St. Emmeram gab es zwei Bücher, die Arnold von St. Emmeram zum Leben des heiligen Emmeram im 11. Jahrhundert niedergeschreiben hatte. Otloh von St. Emmeram hatte im gleichen Jahrhundert seine Vita Wolfkangi verfaßt. Der Mönch schreibt über die Herkunft Wolfgangs folgendes: „beatus Wolfkangus, natione Suevigena, ex ingenuis parentibus, et ut Salomon optat, nec divitias nec paupertatem parentibus, sed mediocriter recteque viventibus, est procreatus“. Daß Wolfgang, wie Mennel schreibt, ein Graf von Veringen gewesen sei, ist bei Otloh nicht zu finden. Die Tatsache, 443 444 445 446 447 448

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Vgl. Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen, S. 776ff. Vg. cvp 3076, fol. 142r-143r. Vgl. dazu die Angaben der Bollandisten in AASS, Januar II, S. 73-80. Codex A, S. 285, fol. 42r, Z. 26 ff. Vgl. dazu Schmid, A.: Art. Regensburg. In: LdMa, 7. Sp. 563-569. Wolfgang wurde 972 als Bischof von Regensburg investiert, starb am 31. Oktober 994 und wurde im Kloster St. Emmeram bestattet. Im Jahre 1052 wurden seine Gebeine feierlich von Papst Leo IX. erhoben. Vgl. dazu Haarländer, St.: Art. Wolfgang. In: LdMa, 9. Sp. 306-308. Vgl. cvp 3077**, fol. 111r-116v.

89 daß es sich bei den Grafen von Veringen um eine Adelsfamilie aus Südwestdeutschland handelte, deren Grafschaft 1291 an das Haus Habsburg übergegangen war450, konnte für Mennel zu folgender Überlegung führen: Durch die Ansippung Wolfgangs an dieses süddeutsche Adelsgeschlecht gab es die Möglichkeit, die Verbindung der Habsburger zu einem süddeutschen Adelsgeschlecht nicht nur über die Einverleibung von deren Gütern in das Vermögen des habsburgischen Geschlechtes kreieren, sondern auch eine genealogische und damit unangreifbare Verbindung zwischen Habsburgern und dem süddeutschen Raum – zumindest zum ehemaligen Machtbereich dieses Geschlechtes – herzustellen. Es bleibt also festzuhalten, daß Mennel im Fränkischen auf Recherchen Sunthayms vertrauen konnte. Sunthaym, der wahrscheinlich die bekanntesten Legendenfassungen Heiliger, wie es beispielsweise bei dem heiligen Simprecht plausibel erscheint, exzerpiert, beziehungsweise bis 1509 schon an den Wiener Hof gebracht hatte, wird den Großteil des Materials zusammengetragen haben, das Mennel zum Abfassen seiner Legenden sichten und auswerten mußte. Da Mennel in keiner dieser Legenden hinzufügt, persönlich vor Ort nach weiterem Quellenmaterial gesucht zu haben, wie er es in anderen Legenden durchaus vermerkte, ist vorstellbar, daß er nur in geringem Umfang im Virgund Nachforschungen anstellte. Aber auch bei diesen wird er auf die Vorleistungen Sunthayms aufgebaut haben. Das Bodenseegebiet wurde ebenfalls von Sunthaym erforscht. So konnte Mennel für die Legende zum heiligen Coloman451 den Angaben Sunthayms entnehmen, daß der heilige Coloman, den Mennel mit einer Legende in der Reihe der heiligen Freunde des Hauses Habsburg bedenkt452, im Kloster Melk begraben liege.453 Doch Melk läßt Mennel als Rechercheort in Colomans Legende unerwähnt. Für Sunthaym, der vorrangig mit der Recherche der habsburgischen Geschichte beauftragt war, hatte Melk als Residenzort und bevorzugte Begräbnisstätte der Babenberger, als deren Blutsverwandte sich die Habsburger verstanden, Relevanz. Zudem bot Melk – und hier gewann es seine Bedeutung für den Hagiographen Mennel - dem heiligen Coloman in der dortigen Peterskirche ab 1014 seine letzte Ruhe gegeben. Hier wurde auch die Leidensgeschichte des Heiligen verfaßt, und der habsburgische Herzog Rudolf IV. hatte sogar Mitte des 14. Jahrhunderts veranlasst, daß die Reliquien des Heiligen Coloman neu gefaßt werden sollten454, was für das große Interesse der Habsburger an der Verehrung dieses Heiligen spricht. Es verwundert daher nicht, daß Mennel den heiligen Coloman unter die habsburgischen Heiligen einreiht, obwohl er ihn auch nicht ansippt, sondern nur als Freund des Habsburger bezeichnet. 450

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Vgl. zur Geschichte dieses Grafengeschlechtes Kerkhoff, J.: Art. Veringen. In: LdMa, 8. Sp. 1538, vgl. ferner Jänichen, H.: Zur Genealogie der älteren Grafen von Veringen. Zs. für Württemb. Landesgesch. 27 (1968). Vgl. Emminghaus, J H.: Art. Colomann. In: LdMa, 3. Sp. 48/49 Vgl. cvp 3077**, fol. 30r-32r. Codex A, S. 287, fol. 43v, Z. 10 ff. Vgl. dazu Haider, S.: Art. Melk. In: LdMa, 6. Sp. 498f.

90 Schon 1245 war der Märtyrerpilger Coloman zu einer zentralen Heiligenfigur für den habsburgischen Herzog Rudolf IV. den Stifter geworden, dessen erstes Streben es als Schwiegersohn des Luxemburgers Karl IV. war, das Haus Österreich wieder für die deutsche Königswürde geeignet erscheinen zu lassen. Deswegen sollten die Gebeine des Babenberger Landespatrons Coloman in den Wiener Stephansdom gebracht werden. Dort wurde der Stein, auf dem angeblich Colomanns Blut geflossen sei, zusammen mit den Reliquien des habsburgischen Hausheiligen Morandus in eine Türschwelle des Westwerkes eingemauert, beziehungsweise unter den Estrich der zukünftigen Morandus-Kapelle gelegt. Damit sollte „die Verbindung von Land und Herrschaft, von babenbergischen Erbe und habsburgischer Dynastie ausgedrückt werden“.455 Das war für Mennel schon Anlaß genug, sich dieses Heiligen anzunehmen. So schreibt Mennel, daß er den am Bodensee gelegenen Ort Stockerau, an dem Coloman seine Marter erlitten habe, aufgesucht habe.456 Wenn der Bregenzer Mennel nicht vom Hörensagen wußte, daß in Stockerau Coloman verehrt wurde und er deswegen dort recherchierte, so werden ihm spätestens die Coleman-Vita des Melker Abtes Erchenfried darauf aufmerksam gemacht haben.457 Mennel stellt Otto von Freising als „geborner marggraff zu osterreich“ vor und gibt ihm 1518 einen Legendenplatz. Im Jahre 1514 wies er in der Legende Leopolds III., Ottos Vater, kurz auf Otto hin und vermerkte, daß Otto zuerst ein Propst zu Neuburg und dann Abt in dem burgundischen Gotteshaus Morimond gewesen sei; schließlich habe Otto als Bischof von Freising „vil schönir historias“458 geschrieben. Ottos Notar „Rechwinus“ bestätige, so fügt Mennel 1518 hinzu, daß Otto viele Bücher geschrieben habe.459 Der Babenberger Otto von Freising wurde in dem Zisterzienserkloster Morimond begraben, als dessen Abt er einst die Übergriffe der Wittelsbacher erfolgreich abgewehrt hatte. Ottos Gesta Frederici vermerkt Mennel in seiner Quellenliste. Damit hatte er ein Werk zitiert, das sich auch am Wiener Hof großer Beliebtheit unter den Gelehrten erfreute.460 Für Maximilian I. waren Ottos Gesta wegen ihrer Darstellung des Romzuges und der Kaiserkrönung Friedrichs I. so wichtig geworden, daß er sie übersetzen ließ.461 Sunthaym hatte Ottos Werk bei der Abfassung seiner Klosterneuburger Tafeln462, die den Babenberger Stammbaum präsentierten, herangezogen, worin er auch vom Leben 455

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Über die politischen Beweggründe des Heiligenkultes des österreichischen Landespatrons Coloman informiert ausführlich Kovács, E.: Die Heiligen und heiligen Könige der frühen Habsburger, S. 97f. Codex A , S. 288, fol. 44r, Z. 8 ff. Erchenfried schreibt: „III. Id: Octobris. Apud Noricum regionem civitate Medilicca translatio S. Colomann martyris“. Zitiert nach den Bollandisten, vgl. AASS, Oktober VI, S. 342-357, S. 349. cvp 3077*, fol. 201v. Vgl. cvp 3076, fol. 76v-78v. Ladislaus Sunthaym, Conrad Peutinger und Johannes Cuspinian hatten die Gesta Francorum nachweislich in ihren jeweiligen Arbeiten als Quelle herangezogen, und Dr. Johannes Fuchsmagen besaß sogar 2 Handschriften von Ottos Gesta, vgl. dazu Schürmann, B.: Die Rezeption der Werke Ottos von Freising im 15. Jahrhundert und frühen 16. Jahrhundert (Historische Forschungen, 12). Stuttgart 1986. Auf dem Konstanzer Reichstag ließ Maximilian I. sich sogar mit Friedrich Barabarossa vergleichen, vgl. dazu ebd., S. 102. Abgedruckt bei Röhrig, F.: Der Babenbergerstammbaum im Stift Klosterneuburg. Wien 1977.

91 Ottos erzählte, was nachweislich von Jakob Mennel übernommen wurde.463 Den Grund, weswegen Sunthaym wie auch Mennel so großen Wert darauf legten, Ottos Leben zu beschreiben, ist in seiner tragenden Rolle beim Aufbau des Kernlandes der späteren habsburgischen Monarchie zu suchen. Schon Thomas Ebendorfer hatte in seinem Chronicon Austrie in abrißartiger Form über den Babenberger Bischof berichtet464, und Sunthaym war der erste unter den österreichischen Chronographen gewesen, der Otto als Seligen bezeichnete. Auch bei Otto orientierte sich Mennel folglich an Sunthayms Vorarbeit, die er allerdings erst 1518 in seinem Legendar berücksichtigt. Wie mit Otto, so hatte sich Sunthaym auch schon vor Mennel mit der heiligen Kaiserin Hildegard beschäftigt465, die insbesondere im Kloster Kempten verehrt wurde. Sunthaym benennt die „vier Ennden“, an denen Hildegard ihr Leben verbracht habe: Auf dem Heiligenberg zu Andechs im Bayernland sei sie, fünf Meilen von München entfernt, im Schloß oberhalb der Stadt Ravensburg geboren worden. Ihr Vater sei Hildebrand von Schwaben gewesen. Sie habe dann in Braunschweig und „auf dem slos Hillomondt“, das man heute „Purgveld“ nenne, oberhalb von Kempten gewohnt. Sie sei 732 geboren worden und nach ihrem Tod hätten die Ungarn ihre Grabeskirche verbrannt, so daß am Ende niemand mehr gewußt habe, wo die Heilige begraben worden sei. Erst im Jahre 940 habe man ihre Gebeine wieder gefunden und sie im Kloster zu Kempten in einer Gruft begraben. Alles ererbte Gut habe sie dem Kloster Kempten, in dem Benediktiner und Konventherren adliger Abkunft lebten, im Jahre 772 vermacht. In dieses Kloster habe Hildegard von Rom „pracht und vill hayltumb“ gebracht. Andegarius sei von ihr zum ersten Abt von Kempten gemacht worden. Ihm und seinen Nachkommen habe sie alle Güter auf ewig gegeben. Kempten hatte für die habsburgische Geschichte Bedeutung, da es im 13. Jahrhundert in Kämpfe zwischen dem Papst und den Habsburger verwickelt gewesen war und sich dabei auf der Seite der Habsburger gehalten hatte. Zudem hatte der angesippte Karolinger Pippin das Kloster Kempten gefördert und die heilige Hildegard, Stifterin des Klosters, hatte die Reliquien der Klosterheiligen Gordian und Epimachus an das Kloster vermittelt.466 Mennel berichtet, daß er für Hildegards Legende im Gotteshaus Kempten recherchiert habe. 467 Im profanen Teil seiner Fürstlichen Chronik hatte Mennel in diesem Zusammenhang noch die Gesta Francorum neben Ortsrecherchen. Allerdings scheinen die Informationen zu Hildegard, die Mennel zur Verfügung hatte, ihm keinen Aufschluß über ihre Wundertaten gegeben zu haben. Umvermittelt bricht er nämlich Hildegards Legende, nachdem er dargelegt hat, daß sie zwar als eine Tochter des 463

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Den Beweis führt ausführlich Watzl, H.: Fragen um einen Kult. Analecta Ordinis Sacri Cisterciensis, 14 (1958). S. 223-280. Die Vita Ottos von Freising verfaßte Sunthaym 1491. Sie ist heute unter der Signatur Codex Ms 130 der Stiftsbibliothek Klosterneuburg zu sehen, eine Abbildung und eine Transkription des Sunthaymschen Textes befindet sich ebd., S. 241 und Abb. 8. Ebenfalls abgedruckt zu finden ebd., 234. Vgl. Codex A, S. 294, fol. 47v-48v. Vgl. dazu Fahlbusch, F. B.: Art. Kempten. In: LdMa, 5. 1103. cvp 3077*, fol. 94v.

92 griechischen Kaisers „Erarlius“ vorgestellt werde, er aber im Gotteshaus Kempten die Information gefunden habe, daß sie die Tochter Hildebrands, eines Herzogs von Schwaben, und einer Herzogin aus Bayern, deren Namen nicht genannt wird, sei.468 Letztere Feststellung könnte Mennel Sunthayms Vorarbeiten in Schwaben verdanken, und da er sich zwischen den genannten Versionen nicht entscheidet, wird er wohl nicht vorort das Material zu Hildegard gesichtet haben, um sich ein eigenes Bild über die Heilige zu machen. Jedenfalls scheint er entweder gar nicht, und wenn, dann ohne verwertbare Erkenntnisse Andechs und Kempten bei seiner Quellensuche besucht zu haben. Die Legende der heiligen ungarischen Königstochter Margarethe, die Mennel in seinem Legendar erzählt, ist ein Beispiel für eine adlige Heilige, die in Wien verehrt wurde. Zu ihr wird Sunthaym in dem Frauenkloster des Wiener Predigerordens recherchiert haben, dessen Patronin Margarethe war. Auf einer Insel in Richtung der Stadt Ofen habe man diese Heilige schließlich begraben, schreibt Sunthaym.469 Auch Margarethes Legende nimmt Mennel erst in die Legendarfassung von 1518 auf. Dort steht sie im kalendarischen Teil und wird dem Monat Februar zugeordnet.470 Offensichtlich hat Mennel die Forschungen zu dieser Heiligen über Sunthayms Ergebnisse hinaus „zu Strasburg zu Sannt margrethen und sunst noch an vill orten“471 weitergeführt. Straßburg konsultierte Mennel also nicht nur für die Merowingischen Heiligen, sondern auch für Heilige, deren Verehrung in den östlichen Gebieten des Reiches gepflegt wurde. Vor diesem Hintergrund scheinen die Forschungsarbeiten Mennels zwar auf Sunthayms Vorarbeiten aufgebaut zu haben, weitere Untersuchungen stellte Mennel aber wohl nicht an den Orten ihrer Verehrung, wie sie Sunthaym angab, zwingend an, sondern beließ es bei Untersuchungen in der elsässischen Stadt Straßburg, von wo aus er auf weitere Informationen zu habsburgischen Heiligen zu stoßen hoffte. Resümierend kann bezüglich der geographischen Arbeiten Sunthayms festgestellt werden, daß Mennel für das Elsaß, Allgäu, das Gebiet um die Reichsstädte Nürnberg, Regensburg, Augsburg und München auf Vorarbeiten Sunthayms zu den Heiligen des Hauses Habsburg zurückgreifen konnte. Bei einigen Heiligen ist davon auszugehen, daß Mennel zwischen 1514 und 1518 auf der Grundlage von Sunthayms Informationen noch weitere Recherchereisen, beispielsweise nach Straßburg, im Bodenseeraum und im Saarland unternahm und deren Ergebnisse in der Legendarfassung von 1518 präsentierte. Für die Einschätzung der Legendarfassung von 1514 bedeutet diese Beobachtung, daß sie keineswegs als eine Präsentation eines fertigen, in seinem Aufbau abgerundeten Buches verstanden wurde, sondern nur als Zwischenbericht über Mennels 468 469 470 471

Ebd. Codex A, S. 292, fol. 46r, Z. 21 ff. cvp 3077, fol. 26r-34r. Ebd., fol. 34r.

93 Verarbeitung aller ihm zur Verfügung stehenden Quellen, die spätestens seit dem Zeitpunkt von Sunthayms Einstellung als kaiserlicher Hofhistoriograph zusammengetragen worden waren.

4.1.2

Die burgundischen Heiligen des Ladislaus Sunthaym

Von nicht minderer Bedeutung als das geographische Werk Sunthayms werden für Mennel dessen genealogische Arbeiten gewesen sein, die nur fragmentarisch erhalten sind. Im ersten Teil der Handschrift472, die Sunthayms Fragmente seiner genealogischen Arbeiten präsentiert, wird die Genealogie der Könige von Hochburgund vorgestellt. Es ist das Ziel dieser Genealogie, die Könige von Burgund mit dem Hause Habsburg zu verbinden.473 Sunthaym führt die Burgundischen Heiligen unter der Überschrift „Reges Burgundie tempore Marie Magdalene“474 auf. Vierzehn Jahre nach der Himmelfahrt Christi sei Maria Magdalena zusammen mit ihrer Schwester Martha, Lazarus und dem heiligen Maximian nach Burgund gekommen. Dort hätten sie das burgundische Königspaar zum Christentum bekehrt. Nach diesen einleitenden Worten folgt die Genealogie der heiligen Könige, der sogenannten ‚sancti’, samt der von ihnen gestifteten Klöster, Kirchen und Stifte. Als den Ort seiner Recherche gibt Sunthaym die in dem südostfranzösischen Herzogtum Savoyen gelegene Stadt Chambéry an. Ob Sunthaym die Konvente von Chambéry zu seinen Recherchen nutzte oder mit Schriftstücken arbeitete, die in der dortigen Stadtburg oder der 1467 dort neu errichteten Schloßkirche aufbewahrt wurden, verschweigt der Forscher.475 Der heilige Stephan ist in Sunthayms Notizen der erste in der Reihe der heiligen Könige von Burgund. Sunthaym nennt ihn „Trophimus“, der ein König von Burgund gewesen sei.476 Der zweite, auf Stephan folgende burgundische König ist „Chilpericus pius“. Er habe die Heiligen „Oyandus“ und „lupisius“ aufgenommen, die Schüler des heiligen Johannes Evangelista gewesen seien. Sunthaym spricht hier von den Juravätern Eugendus und Lupicinius477, die während des 5. Jahrhunderts das im Jura gelegene Kloster St. Claude478 gründeten. Wahrscheinlich hatte Sunthaym 472

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Sehr große Überreste finden sich in einem Codex der ÖNB, cvp 7692. Zu dem Erhaltungszustand dieser Papierhandschrift vgl. Eheim, F.: Ladislaus Sunthaym (Leben und Werk). Wien 1948, S. 113 ff. Ebd., S. 117. Zitiert nach Eheim, F.: Ladislaus Sunthaym, S. 119. Zu den Angaben des folgenden Abschnittes vgl. ebd., S. 119121. In der Kollegiatskirche befand sich seit 1506 das Sudarium Christi (heutiges Turiner Grabtuch ) – vielleicht besuchte Sunthaym auf diesen Anlaß hin die Stadt Chambéry. Vgl. zu den Konventen und der Geschichte von Chambéry Mariotte, J. Y.: Art. Chambéry. In: LdMa, 2. Sp. 1672f. cvp 7692, fol. 27r. Eugendus (446/48-512/14), Vgl. zu dessen Biographie Heinzelmann, M.: Art. Eugendus. In: LThK, 3. Sp. 983. Lupicinius (gest. um 480), vgl, zu seiner Biographie Frank, K. S.: Art. Lupicinius. In: LThK, 6. Sp. 1124. Ehemalige Benediktinerabtei in der Freigrafschaft Burgund in Ostfrankreich. St. Claude gehörte zu den führenden Juraklöstern

94 in dem einst führenden Jurakloster, das von den Burgunder Königen gefördert worden war und großen Einfluß auf die Klöster der Westschweiz ausgeübt hatte479, die Vita patrum Jurensium480 gelesen, die kurz nach dem Tod der heiligen Äbte in Condat, das erst ab dem 12. Jahrhundert St. Claude hieß, von einem anonymen Autor verfaßt worden war. Vielleicht hatte Sunthaym im Jura nach Zeugnissen zu der Regierungszeit der Burgunder Könige gesucht, um deren Ansippung das Haus Österreich spätestens seit der Übernahme der Burgunder Herrschaft nach dem Tod Karls des Kühnen äußerst bemüht waren. Die Fürstliche Chronik Jakob Mennels stellt sie jedenfalls schon als Ahnen des Hauses Habsburg vor.481 Den Besuch Condats durch Sunthaym legt auch sein Hinweis „Sanctus claudius“ nahe, den Sunthaym als einen Erzbischof von Besançon vorstellt und den Mennel im Jahre 1518 in sein Heiligenlegendar aufnimmt482. Dort stellt er Claudius – genauso tat es auch Sunthaym - als einen Heiligen aus dem „fürstlichn Geschlecht von Burgundi“ und als einen Erzbischof des Bistums Besançon vor. Mennel weiß zu berichten, daß Claudius ein Mönch in „Oynandus“ gewesen sei und dieses Kloster nun in der Grafschaft Burgund „monasterium Sancti Claudii“ genannt werde. 483 Tatsächlich war der hier vorgestellte Claudius ein heiliger Erzbischof von Besançon in Burgund484, der zuletzt Abt des schon im Zusammenhang mit den Heiligen Juravätern genannten Klosters Condat war, das später seinen Namen St. Claude erhielt. Dort lag Claudius in der Abteikirche von St. Eugendus begraben, wo er auch verehrt wurde. Zu ihm wird Sunthaym wohl auch in Condat geforscht haben. und Mennel sich auf dessen Angaben gestützt haben, als er daranging, eine Legende zu diesem Heiligen niederzuschreiben. Jakob Mennel konnte auch bei dem heiligen Sigismund von Sunthaym profitieren, über den der Wiener Theologe kurz notiert, daß der heilige Sigismund zwölf Kirchen gegründet habe.485 Der historisch nachweisbare Sigismund war Burgunderkönig, der Anfang des 6. Jahrhunderts regierte.486 Er hatte 515 die Abtei St.- Maurice d`Agaune gegründet und wurde ebendort auch verehrt. Sunthaym hatte mit dem heiligen Sigismund also auf einen Kult aufmerksam gemacht, der bis ins späte Mittelalter hinein auf Burgund begrenzt geblieben war. Kurz nach Sigismunds Tod hatte ein Mönch in Agaune eine Vita des heiligen Königs verfaßt. Weitere Legenden über den Burgunderkönig fanden sich ferner in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts in St. Gallen, ebenso

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Zu dem Einfluß des Klosters Condat vgl. Moyse, G.: Art. Saint-Claude. In: LdMa, 7. Sp. 1140. Die Übersetzung des Textes und eine erklärende Einleitung ist zu finden bei Frank, K. S.: Frühes Mönchtum im Abendland, 2. Zürich, München 1975. S. 99ff. cvp 3074, fol. 173vff. Vgl. cvp 3077, fol. 186r-192v. cvp 7692, fol. 28v. Claudius (603-685), Vgl. zu ihm und seiner Verehrung die Angaben im Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten, Bd. 1. S. 630. cvp 7692, fol. 27v. Zu Sigismund und seiner Verehrung vgl. Krüger, K. H.: Art. Sigismund. In: LdMa, 7. Sp. 1885.

95 in Einsiedeln487. Sie alle konnten von Sunthaym oder Mennel eingesehen worden sein. Festzuhalten bleibt, daß Mennel sich also auch bei seiner Sigismund-Vita488, die er das erste Mal 1514 präsentiert, zweifelsohne auf Vorarbeiten Sunthayms stützen konnte. Dabei bleibt dennoch die Frage offen, weshalb die Vita des heiligen Mauritius, dessen Kultzentrum sich ebenfalls in St.-Maurice d’Agaune befand, von Mennel nicht wiedergegeben wird. Seine Mauritius-Legende bricht nach nur wenigen Sätzen zu dessen Herkunft mit dem Hinweis ab, daß man über diesen Märtyrer ja auch beim heiligen Sigismund nachlesen könne. In der SigismundLegende schreibt Mennel aber keine Silbe über den heiligen Mauritius. Der heilige Mauritius findet sich in den Aufzeichnungen Sunthayms489 und auch im Legendar der habsburgischen Heiligen, sowohl 1514490 wie auch 1518491. Mauritius, so schreibt Sunthaym, sei ein „nepos“ des burgundischen Königs Konrad und der Schwestersohn des burgundischen Königs Sigismund. In „santo Mauricio in St. Gambliaco“ habe er über Mauritius gelesen. Zusammen mit dem Märtyrer lägen dort sehr viele Fürsten, Soldaten und Adlige, und zwar „in oppido solodoro“492, in Solothurn also – und das habe er selbst gesehen. Doch nun ist Sunthaym irritiert: Obwohl der dort beschriebene Mauritius „ex oriente“ stamme, sei er doch ein Abkömmling des burgundischen Königshauses. Offensichtlich war Sunthaym nicht nur in der Abtei St.-Maurice d’Agaune gewesen, wo sich ihm die seltene Möglichkeit bot, mit Hilfe zahlreicher epigraphischer Zeugnisse und einem Kunstschatz, der viele Werke der merowingischen Kunst in sich barg493, sein Bild von der Zeit der Burgunderkönige zu entwerfen. Wahrscheinlich fand er dort auch die Legende des ritterlichen Anführers des afrikanischen Teils der Thebäischen Legion, Mauritius. Sunthaym sagt, auch Solothurn besucht zu haben, wo der Kult des heiligen Ursus besonders gepflegt wurde. Auf der Hauptfassade der Kathedrale von Solothurn muß Sunthaym den heiligen Ursus zusammen mit dem heiligen Viktor dargestellt494 gesehen haben, als sie – auf gleiche Weise wie der heilige Mauritius – wegen ihres Glaubens enthauptet wurden. Friedrich III. hatte 1442 vom Stiftspropst der Solothurner Kathedrale, Felix Hemmerlin, die Reliquien der vermutlichen Thebäer erhalten, und 1473 hatte man siebenunddreißig Skelette in Solothurn gefunden, die man kurzerhand zu den sterblichen Überresten der Gefährten von Urs und Viktor erklärte. Das Schicksal der Thebäer war also schon lange vor den Foschungen eines Sunthaym und Mennel den Habsburgern, zuvorderst Maximilians Vater, ein Anliegen gewesen, und Solothurn hatte durch den spektakulären Skelettfund schon früher 487

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494

Vgl. dazu die Angaben von Krusch, B. (Hrsg.): Passio Sancti Sigismundi regis. In: Fredegari et aliorum chronica. Vitae sanctorum (MGH SRM, II). S. 329-340, S. 331. Vgl. cvp 3077*, fol. 134r-136v. cvp 7692, fol. 28r. cvp 3077*, fol. 137r. Vgl. cvp 3076, fol. 41v-42r. cvp 7692, fol. 28r. Vgl. Zur kulturellen Rolle der Abtei von St. Moritz Coutaz, G.: Art. Saint-Maurice d’Agaune. In: LdMa, 7. Sp. 1182f. Es handelt sich dabei um ein Relief, das Johann Baptist Babel hergestellt hatte, vgl. dazu Carlen, G.: Kathedrale St. Ursen Solothurn. Bern 1993, S. 4, wo das Relief mit der Enthauptung der Heiligen Ursus und Viktor zu sehen ist.

96 auf sich aufmerksam gemacht. Es lag für Sunthaym also nahe, dort Nachforschungen zum Schicksal der Thebäer und des heiligen Mauritius anzustellen. Mennel verließ sich in diesem Fall zunächst auf Sunthayms Recherchen, wie seine inhaltlichen Angaben in der Mauritiuslegende belegen. Er beginnt nämlich die Mauritiuslegende mit dem Hinweis, daß zwei Heilige den Namen Mauritius besäßen. Der erste sei Herzog von Theben gewesen, wobei dieser Mauritius aber nicht der habsburgische Heilige sei. Der zweite Mauritius sei der Neffe des burgundischen Königs Sigismund gewesen – und später fügt er noch hinzu: „der mit sampt andern die kron der martir verdient hat/ Wie man dann solichs in sant Sigmunden legent vermercken mag“, und setzt „matrer“ dem Titel der Legende nach. Doch mehr Informationen als Sunthaym hatte auch Mennel nicht, obwohl er sich noch 1514 vorgenommen hatte, weiter zu recherchieren: mit flüchtiger Hand setzte er an den Legendenschluß „such weytter“495. Er kann 1518 nur Sunthayms Verwirrung über die Identität des Mauritius auflösen, der dem thebäischen und den burgundischen Mauritius noch als eine Person auffaßte, und machte aus diesem Mauritius zwei Heilige. Fazit ist, daß Mennel für Mauritius nicht weiteres Material recherchierte, als Sunthaym es schon auf seinen Reisen getan hatte. Das, was er über Sunthayms Angaben hinaus leistet, ist einzig der Versuch, Widersprüche in Sunthayms Rechercheergebnissen durch Logik aufzulösen. Grundsätzlich boten ihm aber die Recherchen zu den burgundischen Heiligen Sigismund und Mauritius, die Sunthaym im Zuge seiner Nachforschungen an zentralen herrschaftlichen Knotenpunkten des Burgunderreiches, wie beispielsweise St. Claude, zusammengetragen hatte, den Rahmen seiner Heiligenauswahl. Auf Mauritius folgt, wieder in einem einzelnen Abschnitt vorgestellt, der heilige Gordian 496, ein heiliger Märtyrer, der im Jünglingsalter von Kaiser Julian Apostata getötet worden war. Im Jahre 770 waren seine Reliquien nach Kempten übertragen worden. Es ist denkbar, daß Sunthaym auf Gordian in Kempten aufmerksam wurde, als er für die heilige Kaiserin Hildegard in Kempten nach Informationen suchte.497 Gordians Kult wurde das erste Mal im Martyrologium Hieronymianum vorgestellt, das Mennel, wie er selbst schreibt, gelesen haben will. Jedoch unterläßt er es, Gordian in die Reihe der habsburgischen Heiligen aufzunehmen, obgleich Gordian dafür – das meint jedenfalls Sunthaym – die Voraussetzungen besaß. Immerhin stellte Sunthaym den heiligen Gordian als einen Nachfolger Sigismunds auf dem Burgunder Königsstuhl vor, obgleich ihm dazu der historische Nachweis fehlen mußte. Vielleicht hegte Mennel an der Richtigkeit dieser Angabe Zweifel und unterließ es daher, Gordian in das habsburgische Legendar aufzunehmen. Daß Mennel sich zumindest der Fragwürdigkeit von Sunthayms Angaben bewußt war, es allerdings auch nicht bis 1518 vollbrachte, die genealogischen Verbindungen der burgundischen Heiligen untereinander 495 496 497

cvp 3077*, fol. 137r. cvp 7692, fol. 27v. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 106.

97 und schließlich zum Hause Habsburg zufriedenstellend zu klären, beweisen die schon mehrfach angesprochenen leeren Felder in den Stammbäumen der burgundischen Heiligen aus der Legendarfassung von 1518. Auch der heilige Eutropius wird als burgundischer Königssohn von Mennel in der Legendarfassung von 1518498 aufgenommen499, nachdem ihn schon Sunthaym vorgestellt hatte. Mennel erzählt, daß Eutropius seine zwei Schwestern, die ewige Keuschheit geschworen hätten, gegen den Wunsch ihres Vaters, sie zu verheiraten, in Schutz genommen habe. Nach dem Tugendpreis schließt Mennel die Eutropiuslegenden mit der Angabe, daß dieser Heilige am 27. Mai in „ainer stat genant orangia In profanz“500 gestorben sei. Auch Sunthaym nannte im Zusammenhang mit Eutropius die Stadt „Orangiga“501, was darauf schließen läßt, daß Mennel auch zu diesem Heiligen das Quellenmaterial von seinem Vorgänger erhielt und er nicht mehr selbst nach Orange in die Provence gehen mußte, um dort Legendenmaterial zu sammeln. Auf ähnliche Vorarbeit wird Mennel daher bei „Anchidius“, der bei Sunthaym als ein Bischof von Besanscon vorgestellt wird502, und den Mennel 1518 in die Reihe der Seligen des Hauses Habsburg aufnimmt503, gestützt haben. In seiner Legende gibt Mennel jedenfalls keine eigenständige Rechercheleistungen an, berichtet aber vergleichsweise ausführlich. Bei den Recherchen zum burgundischen König Rudolf zeigt sich, daß Mennel es offensichtlich bei den burgundischen Heiligen nicht bei dem Quellenmaterial beließ, das Sunthaym vor ihm zusammengetragen hatte. So vermerkt Sunthaym zwar den heiligen burgundischen König Rudolf, und schreibt, daß dessen Frau die Schwester des fränkischen Königs gewesen sei. Im Mennelschen Legendar von 1518, in dem auch Rudolf das erste Mal auftaucht 504, schrieb eine Hand nachträglich auf das anscheinend noch leere Blatt zur Rudolfsvita, daß dieser Rudolf „der sellig kunigssun von burgundi“, und seine Mutter „hayedwig/ ain gräffin von Froburg/ graf Burchads dochter herzog zů schwaben“ gewesen sei.505 Der Name von Rudolfs Mutter wurde offensichtlich erst nachträglich ermittelt. In der Legende zu Rudolfs Frau Bertha506, die auch zum ersten Mal 1518 in Mennels Legendar aufgenommen wird, gibt Mennel keine Quellenangaben. Dagegen berichtete er im profanen Teil der Fürstlichen Chronik von der Herkunft, den Kindern und dem Grab von Bertha und Rudolf.507 Dies alles habe er den Fundarien des Gotteshauses Peterlingen – gemeint ist die in 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507

Vgl. cvp 3076, fol. 136v-137r. cvp 7692, fol. 28v. cvp 3076, fol. 137r. cvp 7692, fol. 28v. Ebd., fol. 30r. Vgl. cvp 3076, fol. 139v-141v. Vgl. cvp 3077, fol. 104v-105r. Ebd., fol. 105r. Vgl. cvp 3076, fol. 74v-75v. cvp 3073, fol. 39v.

98 der Westschweiz gelegene kluniazensische Abtei Payerne508 – entnommen und dort den „stifft brieff“509 des Klosters eingesehen. Berthas Tochter, Kaiserin Adelheid, die ebenfalls bei den habsburgischen Heiligen zu finden ist, hatte 962 dieses Kloster gestiftet und es neben ihren beiden anderen Stiftungen, Selz und San Salvatore in Pavia, öfters besucht. 510 Payerne entwickelte sich zu einer Art Hauskloster der burgundischen Königsfamilie, und so ist es auch nicht verwunderlich, daß Sunthaym seine Nachforschungen zu dem burgundischen Königshaus zunächst auf Payerne verlegte. Hier konnte er sicher Informationen zu Adelheid, Bertha und Rudolf sammeln, die Mennel in seine Legenden aufnimmt – die Informationen zu Adelheid konnte er schon 1514511, die zu ihren Eltern Bertha512 und Rudolf513 erst 1518 verarbeiten. Es ist anzunehmen, daß Sunthaym in diesem Zusammenhang zumindest die zweite Stiftung Adelheids, das Kloster Selz, aufsuchte und Mennel damit die Grundinformationen zu Adelheids dortigem Grab und zu der späteren Plünderung des Selzer Klosters durch Herzog Hermann erhielt. Sunthaym konnte sicher von Adelheids Reliquien, die trotz des großen Brandes der Abtei Selz im 14. Jahrhundert gerettet worden waren514, Mennel berichten, und für Mennel war damit ein erneuter Besuch von Adelheids Grab unnötig geworden; in seinem Bericht über Adelheid behauptet er das auch nicht. Den Wunderbericht über die heilige Adelheid hatte der Abt von Cluny, Odilo, verfaßt. Sein lateinisches Werk ist uns in sechzehn Handschriften überliefert, und eine davon lag nachweislich auch im Kloster Selz vor515. Einigen dieser Handschriften wurde im 12. Jahrhundert ein eigener Wunderbericht angefügt, in dem unter anderem die Auseinandersetzung der Kaiserin mit dem plündernden Herzog Hermann von Schwaben und die wundersame Heilung seines blinden Knechtes beschrieben wird. Da Mennel davon auch berichtet, ist es wahrscheinlich, daß er diese Selzer Handschrift vorliegen hatte. Daß Mennel die Vorarbeiten Sunthayms anscheinend nicht ungeprüft übernahm, sondern mit den eigenen Erkenntnissen abglich, beweist die Legende über „Sanctus Simphorianus“. Der Märtyrer von Autun, dessen Vita zum Legendenzyklus des 6. Jahrhunderts der burgundischen Märtyrer gehörte und über dessen Grab im 5. Jahrhundert eine Kirche in Autun errichtet worden war 516, findet bei Sunthaym517 wie auch bei Mennel518 Beachtung. Sunthaym schreibt, daß auch Simphorianus dem 508

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Payerne wurde im 10. Jahrhundert von der burgundischen Königsfamilie als Kollegiatsstift gegründet. 1444 wurde es von Papst Felix V. zur Abtei erhoben. Vgl. Tremp Utz, K.: Art. Payerne. In: LdMa, 6. Sp. 1838f. cvp 3076, fol. 75v. Vgl. zur Gründung des Klosters Payerne Frommer, H.: Die Gründung des Klosters Payerne/Peterlingen. In: Adelheid. Kaiserin und Heilige, 931-999 = Adélaide, hrsg. von der Volkshochschule Karlsruhe. Idee, Konzeption und Red. Hansjörg Frommer. Übers. Liliane Obreiter. Karlsruhe 1999. S. 135-139. Vgl. cvp 3077*, fol. 188r-192v. Vgl. cvp 3076, fol. 74v-75v. Vgl. cvp 3077, fol. 104v-105r Vgl. dazu Staab, F.: das Kloster Selz. In: Adelheid. Kaiserin und Heilige, S. 185-195. Vgl. Frommer, H.: Adelheid als Heilige. In: : Adelheid. Kaiserin und Heilige, S. 174-183. Das sogenannte St. Symphorina-Kloster, vgl. zur Stadt Autun Richard, J.: Art. Autun. In: LdMa, 1. Sp. 12741276. cvp 7692, fol. 29v. Vgl. cvp 3076, fol. 143v-144v.

99 burgundischen Königshaus entstamme. Er bietet eine Reihe von Namen, die den Heiligen in die Genealogie des burgundischen Königshauses einordnen helfen. Bei Mennel dagegen bleibt der Stammbaum zu Simphorians Legende, der – wie schon alle anderen vorhergenannten Heiligen erst 1518 aufgenommen wird - leer. Mennel vermerkt nur, daß dieser Heilige einen Vater gehabt habe, der „Franziscus“ genannt worden sei. Dieser Franziskus sei wiederum ein Bruder Leonillas gewesen. Leonillas Martyrium, das sie zusammen mit ihren Enkeln Meleosippus, Speosippus und Leosippus erlitt, hatte Mennel in der vorhergehenden Vita beschrieben, und – soweit es die Analyse der vorliegenden Arbeit zu erschließen vermag – in Langres wie auch in Eichstätt recherchiert.519 Aber auch dort klärt Mennel nicht, auf welche Weise Leonilla, und über sie Simphorianus, mit dem Hause Habsburg in Verbindung steht. Anscheinend divergierten Mennels und Sunthayms Meinung über die genealogische Anknüpfung des heiligen Simphorianus und Leonillas. Jedenfalls verzichtet Mennel darauf, Sunthayms Namensangaben in seiner Legende mit zu verarbeiten, was sich alleine mit der Skepsis Mennels gegenüber Sunthayms Angaben erklären läßt. Resümierend bleibt festzuhalten, daß Jakob Mennel nicht nur bei den Legenden zu den Heiligen, die im oberrheinischen und donauländischen Raum ihren Hauptkultort hatten, auf detaillierte Vorarbeiten Sunthayms zurückgreifen konnte, sondern für seine burgundischen Heiligen Sunthayms Forschungsergebnisse vorliegen hatte. Insbesondere im Rhônetal wird Mennel nicht grundlegend neue Nachforschungen zu den burgundischen Heiligen angestellt haben. Aber natürlich kann auch hier nicht ausgeschlossen werden, daß Mennel bei manchen Heiligen ergänzende Informationen einholen ließ. In welchem Umfang dies geschah, kann aufgrund der fragmentarischen Überlieferung von Sunthayms Arbeiten nicht entschieden werden. Fest steht jedoch, wie sich gerade an den genealogischen Überlegungen Mennels zum heiligen Simphorianus gezeigt hat, daß Mennel durchaus so selbstbewußt war, sich von Sunthayms Ergebnissen zu distanzieren und sie – selbst auf die Gefahr hin, keine endgültigen Ergebnisse bieten zu können – zu überprüfen. Sunthaym hatte demzufolge das ganze Rhônetal, von Autun bis in das im Süden gelegene Fürstentum Orange, nach Informationen zu Heiligen abgesucht, die Jakob Mennel dann für sein habsburgisches Legendar verwendete. Auch an der Aare, in Solothurn, vielleicht im Bistum Basel mußte Mennel nicht zwingend recherchieren – das jedenfalls lassen Mennels Angaben zum heiligen Basler Bischof Pantalus oder den Thebäern um Mauritius vermuten, die mit Sunthayms Aussagen übereinstimmen.

519

Vgl. ebd., fol. 142r-143r.

100

4.2 Jakob Mennels Rechercheorte Die Tätigkeit Mennels läßt sich nicht auf die Sichtung und Auswertung von Quellenmaterial, das Sunthaym gesammelt hatte, reduzieren. In seinen Legenden spricht Mennel selbst davon, den ein oder anderen Ort persönlich aufgesucht zu haben, um dort Nachforschungen zu einzelnen Heiligen zu betreiben. Im folgenden werden diese explizit genannten Orte, wie sie Mennel in den jeweiligen Heiligenlegenden nennt, Ausgangspunkt der Überlegungen zu Mennels Forschungsreisen, soweit diese die Informationssuche zu den habsburgischen Heiligen betrafen. 4.2.1

Recherchen in brabantischen Klöstern

Ein solcher Ort ist beispielsweise Brüssel, zu dem Sunthaym, soweit es jedenfalls seinen Arbeiten zu entnehmen ist, noch keine Vorarbeit geleistet hatte. Brüssel kam im 15. Jahrhundert die Funktion eines Residenz- und Verwaltungszentrums in Brabant zu. Da Brüssel neben der kirchlichen Metropole in Brabant, Mecheln, auch die zentrale Stadt der Wirtschaft war, konnte Mennel damit rechnen, hier nicht wenige Bücher zu finden, die ihren langen Weg im Gepäck von Händlern nach Brüssel gefunden hatten. Vielleicht erhielt Mennel durch die Bekanntschaften mit niederländischen Künstlern, die Ende des 15. Jahrhunderts besonders im Elsaß und auch am Wiener Hof tätig waren520, konkrete Hinweise auf Orte in den Niederlanden, die ihm bei seiner Suche zu heiligen Überresten hilfreich sein konnten. Daher kann man auch Mennels Angabe in der Quellenliste trauen, daß er das in der Nähe von Brüssel gelegene Rookloster521 aufgesucht habe, das als seinen Schatz das auf Latein verfaßte Hagiologium Brabantinorum des Johannes Gielemann522 sein eigen nannte523. Es handelt sich dabei um eine Handschrift, die in ihrem ersten Band alle Viten jener Heiligen zusammenfaßt, die genealogisch mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht werden, und deren zweiter Band alle übrigen Heiligen präsentiert. Ferner verfaßte derselbe Autor noch ein Novale Sanctorum524. Diese Handschrift wurde zwischen 1476 und 1484 von Gielemann, der Augustiner520

521 522

523 524

Zu dem künstlerischen Einfluß der Niederlande auf das Elsaß im besonderen vgl. den Aufsatz von Groß, S.: Bildanalogien zwischen nieder- und oberrheinischen Skulpturen um 1500. Zum Werk des Meisters des Muggensturmer Retabels. In: Der Niederrhein und die alten Niederlande. Kunst und Kultur im späten Mittelalter. Referate des Kolloquiums zur Ausstellung ‚Gegen den Strom‘, Meisterwerke niederrheinischer Bildschnitzkunst in Zeiten der Reformation (1500-1550) (Schriften der Heresbach-Stiftung Kalkar, 9). Bielefeld 1999. S. 53-68, S. 53ff. Sybille Groß berichtet von dem Bildschnitzer Niclaus Gerhaert von Leyden, der um 1460 in Straßburg arbeitete und die Schnitzkunst dort nachhaltig prägte. Friedrich III. rief ihn schließlich an seinen Hof. cvp 3072*, fol. 12r. Eine Beschreibung zu Gielemanns Werk findet sich bei Thoss, D.: Flämische Buchmalerei. Handschriftenschätze aus dem Burgunderreich. Ausstellung der Handschriften- und Inkunabelsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Prunksaal 21. Mai-26. Oktober 1987. Graz 1987. S. 13. ÖNB, Cod. Ser. n. 12706-12707. ÖNB, Cod. Ser. n. 12708.

101 Chorherr und Subprior im Rookloster war, geschrieben. Es ist wahrscheinlich, daß diese Handschrift auch noch dreißig Jahre später dem forschenden Jakob Mennel zur Einsicht vorlag.525 Der Inhalt dieser Handschrift kam Mennels Interessen entgegen, da in ihr die in Brabant verehrten Heiligen und ihre genealogische Verknüpfung mit den Karolingern vorgestellt werden; und da Mennel die Karolinger auch in seiner Fürstlichen Chronik zu Seitenverwandten der Habsburger stilisierte, konnte er die hier aufgezählten Heiligen ungeprüft in das Legendar aufnehmen. Daß Mennel sich nach der Gielemannschen Anordnung der Heiligenlegenden des Hagiologium Brabantinorum richtete, beweisen einzelne Heiligengruppen, deren Legendenfolge bei Gielemann und Mennel übereinstimmt. So folgt beispielsweise die Vita der Patronin von Brüssel, Gudila526, auf die ihrer Schwester Remeldis. Ebenso ergeben die Viten der heiligen Landricus, Madelberta und Aldedrüde bei Gielemann und bei Mennel eine Gruppe.527 Das Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes aus dem Gielemannschen Hagiologium Brabantinorum528 stellt insgesamt einundsiebzig Heilige in alphabetischer Reihenfolge vor. Die erste Legende erzählt die Vita der heiligen Gertrud529, die letzte die der heiligen Landgräfin Hedwig von Thüringen530. Gielemann nennt Plogius als Quelle seines Werkes. Das Ordnungsprinzip des Hagiologium Brabantinorum folgt der Genealogie, die Plogius von den Karolingern vorstellt. In einem eigens dafür gedachten Abschnitt präsentiert Gielemann als Überblick die „genealogia Plogii“ zu den karolingischen Heiligen und stellt in jeder Vita einleitend eine genealogische Einordnung des jeweiligen Heiligen in die karolingische Verwandtschaft vor. Auch diese Angaben stimmen mit den genealogischen Angaben bei Mennel überein. So sind beispielsweise bei Gielemann die heiligen Geschwister Veronus und Verona Abkömmlinge aus dem karolingischen Geschlecht, wie sie in keiner ihrer Einzellegenden vorgestellt werden531, und auch Gielemann stellt sie als Adlige „de stirpe karoli magni“532 vor. Mit diesem Legendar hatte Mennel also die Möglichkeit, erste Informationen über den brabantischen Heiligenkult zu finden. So beispielsweise zu der nur in Brabant verehrten heiligen Oda, die Mennel in seinem Legendar als Mutter des heiligen Bischof von Metz, Arnulf, vorstellt. Wahrscheinlich war sie die Gründerin des 525

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Gerd Althoff hat schon darauf hingewiesen, daß Jakob Mennel mit großer Wahrscheinlichkeit das Hagiologium Brabantinorum als Vorlage für sein Heiligenlegendar genommen hat. Vgl. dazu Althoff, G.: Studien zur habsburgischen Merowingersage, S. 94f. Im 15. Jahrhundert war in Brüssel die gotische Pfarrkirche der heiligen Gudila, St. Michael – St. Gudula, vollendet worden. Heute wird dies Kirche mit ‚Kathedralkirche‘ bezeichnt. Vgl. dazu Tihon, A.: Art. Brüssel. In: LThK, 2. 1994. Sp. 736. Bei Gielemann handlet es sich dabei um die Legenden Nr. 21 und 22 für Gudila und Remeldis, und um die Nr. 13, 16, 16 für Landricus, Madelberta und Alderudis. Vgl. dazu die entsprechenden Legenden in Cod. Ser. n. 12706. Vgl. dazu die entsprechenden Legenden bei Mennel, deren Reihenfolge im Anhang dieser Arbeit aus der Titelauflistung zu entnehmen ist, beispielsweise für Gudila und Remeldis die Titel des cvp 3077*, hier die Titelnr. 24 und 25, für Landricus, Madelberta und Aldedrudis ebd., Titelnr. 9 bis 12. ÖNB, Cod. Ser. N. 12706 , fol. 1r: Gielemanns benennt sein Werk im Prolog als einen „liber, qui intitulatur ‚hagiologium brabantinorum'". Ebd., fol. 2r. Ebd., fol. 325r. Vgl. dazu die Angaben der Bollandisten in AASS, März 3, S. 842-847. Vgl. Cod. Ser. n. 12706, fol. 175r.

102 Kloster Amay in der Diözese Lüttich gewesen, wo auch ihre Gebeine das erste mal 634 bezeugt sind. Verehrt wurde sie hauptsächlich zwischen Lüttich und Huy.533 In den üblichen Martyrologien, die Mennel vielleicht außerhalb dieses Raumes gelesen haben mag, wurde über ihr Leben nicht berichtet; nur in belgischen Martyrologien, wie dem Gielemannschen, wurde über sie geschrieben.534 Daß Mennel sich damit aber auch nicht zufrieden gab, alleine aus diesem Legendar im Rookloster die für ihn interessanten Legenden abzuschreiben, beweist die Tatsache, daß er die Herkunft Odas der Vitenversion entnahm, die der Erzbischof von Verdun, Richardus de Wassebourg, vorschlug: Oda, so sagt dieser als einziger unter ihren Biographen, sei die Tochter des schwäbischen Herzogs Gunzo gewesen. Mennel wertet diese Angabe zu dem Hinweis um, Oda sei eine Herzogin von Schwaben gewesen.535 Freilich konnte Mennel bei seinen genealogischen Angaben zu den Brabanter Heiligen, die den Karolingern angesippt worden waren, auch auf die Genealogia Ducum Brabantiae Ampliata zurückgreifen. Sie ist eine – wie der Name schon sagt – erweiterte Fassung der Genealogia ducum Brabantiae, die nur kurze Zeit später, nämlich 1270/71 verfaßt wurde und die Genealogia ducum Brabantiae um Bemerkungen aus anderen Genealogien zu den Karolingern erweitert.536 Zur Hand war Mennel diese Genealogie mit den zusätzlichen Namen der heiligen Männer und Frauen, die aus der nächsten Verwandtschaft der lothringischen und brabantischen Fürsten stammten, in einem Pariser Codex, den ein Mönch aus der Benediktinerabtei Afflighem 537, nahe Brüssel, angefertigt hatte.538 Daß Mennel wahrscheinlich in Gent war, legen seine Aussagen in der Vita des heiligen Bavo nahe. Am Beginn der Bavolegende539 schreibt Mennel nämlich, daß er seine Informationen zu dessen Leben aus intensivem Nachforschen vor Ort erhalten hat. In Gent liege Bavo begraben – dort, im Gotteshaus Nimur und an anderen Orten habe er „fleyssigclich nachgesucht“540, aber nichts weiter über ihn erfahren können, als daß sein Vater Edelphus und seine Mutter Adeltrudis geheissen habe. Er sei ein Erbfürst der Austrasier gewesen und deswegen gehe er nun davon aus, daß Bavo zu den vorhergenannten Heiligen „mit naher freuntschafft verwandt gewesen ist“541. Auch den Namen von Bavos Gattin habe er nicht gefunden. Er wisse nur, daß sie eine Tochter des mächtigen Grafen „Odilo“ 542. gewesen sei. Aus der Verbindung dieser Grafentochter und Bavo sei Adeldrude geboren 533

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Vgl. zu ihrem Leben vgl. Bauer, Th.: Art. Oda. In: LThK, 7. Sp. 971. Über die verschiedenen Legendenversionen zum Leben der Oda und deren Tradition vgl. Coens, M.: La vie de sinte Ode d’Amay. In: Analecta Bollandiana, 65 (1947). S. 196-244. Die Bollandisten bemerken zu Oda: „Martyrologia, quae vulgo classica vocamus, altum servant de sancta nostra silentium“, vgl. dazu AASS, Oktober 10, S. 128-142. cvp 3077*, fol. 24r. Vgl. Genealogia Ducum Brabantiae. In: MGH, SS, 25. S. 391. Zu der Geschichte des Klosters vgl. Dierkens, A.: Art. Afflighem. In: LThK, 1. Sp. 191. Vgl. ebd. Vgl. cvp 3077, fol. 357r-370v. cvp 3077*, fol. 152v. Ebd. Ebd., fol. 153r.

103 worden, und „ettlich schreyben Algadrud“543. Auch bei der Angabe des Todesdatums des heiligen Bavo scheinen Mennel verschiedene Angaben vorgelegen zu haben: Er sei am 8. Oktober gestorben, ettliche aber würden schreiben, daß Bavo am 5. November gestorben sei. Wahrscheinlich waren die Miracula Bavonis Gandensis für Mennel Vorlage, die nach 1067 ein Mönch im Genter Kloster St. Bavo aufgeschrieben hatte.

544

Auch konnte er in St. Bavo die

Reliquien des Heiligen finden.545 Ein inhaltlicher Vergleich der Bavolegende bei Mennel und der Legendenfassung der St. Bavo-Abtei untermauert die Annahme, daß Mennel in Gent verweilte und die dortige Bavolegende konsultierte: Der Mönch des Genter Klosters St. Bavo war nämlich der erste gewesen, der die Namen der Eltern des heiligen St. Bavo herausgefunden hatte, und während die älteren Legendenfassungen sich damit begnügen, Bavos adlige Herkunft zu betonen546, gibt der Mönch von St. Bavo ihre Namen mit ‚Eliolfus’ und ‚Adaltrudis’ an. Diese Namen finden sich auch bei Mennel, der – wie es in der Genter Vorlage der Fall ist - auch die Verbindung Bavos zum Frankenreich und Austrasien herstellt, da Bavo, so berichtet Mennel, das „Francorum principum genus“ besessen habe und ein „Austrasiorum ducum heres“ gewesen sei.547 Versucht man sich ein Bild davon zu machen, auf welche Weise Mennel Recherchen in den Niederlanden zeitökonomisch führen konnte, so ist es wahrscheinlich, daß er tatsächlich die in den Niederlanden verfaßten Legendare zur Hand nahm, um dort Kenntnis von den dort verehrten Heiligen zu erhalten. Es liegt auch nahe, daß er diese Legendare in Klöstern suchte, die in der Nähe von Brüssel und Gent lagen. Die Klöster Rookloster und Afflighem sind nur ein Beispiel für mögliche Rechercheorte Mennels, von denen aus er seine Nachforschungen über niederländische Heiligen an regionalen Kultorten planen konnte.

4.2.2

Recherchen an einzelnen Kultstätten in den Niederlanden

Die Rechercheorte Mennels zu ermitteln, wird durch die Tatsache erschwert, daß er seine geographischen Aussagen zu Kultorten, die er besucht haben will, sehr vage hält. So erzählt er in der Legende der heiligen Landrada, der Tochter Karls des Großen, daß ein Stein, der unter ihr erweicht sei, und das ihr erschienene Kreuz noch heute bewundert werden könnten548 – den Namen des wundersamen Ortes nennt er allerdings nicht. 543 544

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547 548

Ebd. Vgl. dazu Vitae Bavonis confessoris Gandavensis, hrsg. von Bruno Krusch. In: MGH SSRerMerov., 4. S. 527546, S. 531, Anmerkungen zur Handschrift 1). Die Reliquien des heiligen Bavo wurden bis in das Jahr 1559 in der Abtei St. Bavo aufbewahrt. Vgl. dazu Uytfanghe, M. v.: Art. Bavo. In: LdMa, 1. Sp. 1696. Es heißt dort, dass Bavo „[…] genere nobili, parentibus inclytis, Hasbeniense editus ducatu […]“, vgl. Vitae Bavonis confessoris Gandavensis, hrsg. von Bruno Krusch, S. 535, Z. 22 f. Vgl. Krusch, B. (Hrsg.): Vitae Bavonis confessoris Gandavensis, S. 546, Z. 11 ff. cvp 3077*, fol. 78r.

104 Die heilige Landrada war Äbtissin von Bilsen, einer Stadt im Bistum Lüttich.549 Nach ihrem Tod wurde sie nach Wintershofen überführt, bis sie ihre letzte Ruhestätte im 17. Jahrhundert in St. Bavo zu Gent fand. In der Landrada-Vita Theodors, der Abt des im Haspengau gelegenen Klosters St. Truiden, findet sich Mennels Hinweis wieder, daß Landrada ein Kreuz erschienen sei und unter ihr ein Stein erweichte, damit sie an diesem Ort des Wunders, nämlich Bilsen, ein Kloster errichte. 550 Es ist anzunehmen, daß Mennel auch in St. Truiden, das in Zerkingen im Haspengau liegt, recherchierte, und damit nicht nur ein Kloster im Nordwesten des heutigen Belgien, sondern auch im Nordosten bereiste. Da Mennel von Kultmalen – wie den Steinen der heiligen Landrada – spricht, muß es sich um eine zumindest regional bekannte Wallfahrtsstätte in Bilsen gehandelt haben, wo man „heuet beytag“551, so Mennel, den Stein und das Kreuz als Reliquien der heiligen Landrada bewundern könne. Auffälligerweise reiste Mennel aber nicht zu ihrem Grab, das sich in Wintershofen befand. Mit Landradas Vita in engem Zusammenhang steht bei Mennel die Legende Kaiser Karls des Großen. So schreibt Mennel in Karls Legende, daß dieser Heilige den lobenden Beinamen ‚der Große’ von Landrada erhalten habe, nachdem er sie vor einer wilden Bärin gerettet habe.552 Diese Begebenheit wird nur in der Karlslegende Theodors, der auch schon über Landrada geschrieben hatte, beschrieben.553 Derselbe Abt aus St. Truiden hatte ferner die Vita des heiligen Romuald verfaßt, den Mennel ebenfalls in die Reihe seiner Heiligen aufnimmt. Die Handschrift der Vita des heiligen Romuald lag in der bekannten Zisterzienserabtei Aulne-sur-Sambre bei Leernes in der Provinz Hennegau. Noch im Jahre 1626 konnte man diesen Kodex dort finden.554 In der Romualdlegende erzählt Mennel555, daß er dessen Grabeskirche in Mecheln aufgesucht habe, und wenn man mehr Informationen, als jene, die er biete, wolle, müsse man eben dort seinen Wissensdurst löschen. Nach alledem scheint es wahrscheinlich, daß Mennel in St. Truiden recherchierte und dort erste Informationen zu den Heiligen erhielt, deren Kultorte er dann bereiste. Da es sich bei St. Truiden um ein Metzer Bischofskloster handelte, das in engem Zusammenhang mit dem im Metz verehrten Heiligen Arnulf stand, und die Arnulfinger bei Mennel als habsburgische Heilige mit Legenden bedacht werden, ist denkbar, daß Mennel über Recherchen in Metz, auf die noch an späterer Stelle in dieser Arbeit eingegangen wird, aufmerksam auf das Kloster St. Truiden wurde und dort Nachforschungen veranlasste.556 549 550 551 552 553 554 555 556

Stadler, J. E. (Hrsg.): Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, 3. S. 673. Vgl. AASS, Juli 2, S. 626. cvp 3077*, fol. 78v. Ebd. Vgl. dazu die Bollandisten Vita AASS, Juli 2, S. 624f. Vgl. AASS, Juli 1. S. 154. cvp 3077**, fol. 37r. Vgl. zur Verbindung von Metz und St. Truiden Bauer, Th.: Lotharingien als historischer Raum. Raumbildung und Raumbewußtsein im Mittelalter. Köln, Weimar, Wien 1997, S. 215.

105 Die Heiligen Veronus und Verona mußten Mennel ebenfalls in den Nordwesten der Nierderlande führen. In der Legende des heiligen Veronus557, die auf die Vita des heiligen Drogo im Legendar von 1514 (1. Teil) folgt, erzählt Mennel, daß er das Grab des heiligen Veronus in Lembek gesehen habe. Ein Priester habe ihm aus diesem Grab Erde gegeben, die, so glaube man, gegen Krankheit wirke. Die Erde des Grabes sei daher schon abgetragen und man habe ihn tief herablassen müssen, um überhaupt etwas von der wundersamen Erde fassen zu können. Danach sei er zu einem Springbrunnen geführt worden, den der heilige Veronus selbst durch seine Wunderkraft geschaffen habe. Aus diesem Brunnen habe Mennel getrunken „und meinem Bedunken nach besser und lieplicher wasser nie mer empfunden“.558 Mennel hatte offenbar einen häufig besuchten Kultort für die Recherchen zu Veronus besucht, um sich persönlich von dessen Wunderkraft ein Bild zu machen. Das Quellenstudium allein erachtete er nicht für ausreichend, um seinem Verständnis von Hagiographie nachzukommen, das offenbar ein größeres Gewicht auf die Beschreibung von Kultpraxis als auf die Nacherzählung und den Lobpreis von Heiligen legte. Auch hier scheint Mennel tatsächlich das hennegauische Dorf Lembek und die Stadt Mons besucht zu haben, da er in seinen Angaben eine detaillierte Beschreibung des dortigen Heiligenkultes gibt. Vielleicht stieß er in Gembloux, einer für ihre Bibliothek bekannten Abtei in Belgien, auf die Inventio, miracula et translatio Veroni Lembecensis, die der Abt des Benediktinerklosters von Gembloux, Olbert, zwischen 1015 und 1020 verfaßt hatte. 559 Unter Olbert hatte die Abtei eine besondere Blüte erlangt und aufgrund ihrer sehr reichen Bibliothek und eines aktiven Skriptoriums einen weitreichenden, guten Ruf.560 Auch hiervon wird Mennel Nachricht gehabt und sie zum Anlaß genommen haben, die Abtei zu besuchen. Die Legende von Verona folgt im Mennelschen Legendar von 1514 direkt auf die Vita ihres Bruders Veronus. 561. Am Ende der Veronus-Vita betont Mennel, „ob dem frau altar in ainem gúldin sarch mit Eysin getter bewart“ sei der Leichnam des Heiligen zu bewundern, und Mennel führt den Beweis seiner Autopsie fort, indem er schreibt: „[…] hab ich gesehenn unnd nach anzaigung seiner Lidmass ist er seins leybs fast ein grossmaochtig man gewesen […]“562. Die Legenden der beiden Geschwister ähneln sich inhaltlich und in der Wahl der Motivik. Im wesentlichen erzählt die Veronus-Vita die Suche von Verona nach ihrem Bruder, dessen Grab sie schließlich in Lembek findet. 557 558 559 560 561 562

Vgl. cvp 3077*, fol. 102v-106v. cvp 3077*, fol. 106r. AASS, März., 3, 3 a ed. P. 842-847. Vgl. Despy, G.: Art. Gembloux. In: LdMa, 4. Sp. 1208f. cvp 3077, fol. 303r-313v. cvp 3077*, fol. 106v.

106 Daß die Veronus-Vita eine Auskoppelung aus der Vita seiner Schwester, verhehlt der Autor nicht. So schreibt er in Veronas Vita, daß sich die Heilige auf die Suche nach ihrem Bruder gemacht habe, was ja „alles In Massenn wie In S. Veronen, Ihres Brůders legennd begriffenn ist, weytter zemeldenn on Not […]“563 sei. Im Gegensatz zur Vita ihres Bruders erzählt Veronas Vita den abwechslungsreichen Lebensweg der adligen Heiligen, die sich dem Heiratswunsch ihrer Eltern widersetzt, dem Teufel die Stirn geboten habe und dann schließlich den langen Weg zum Grab ihres Bruders nach Lothringen, den Rhein entlang bis zur Mosel gegangen sei, um dann von Utrecht nach Lösen zu gehen, wo sie eine Kapelle des Heiligen Kreuzes gefunden habe.564 Ihr Mantel sei noch heute in Lembek zu sehen, wo sie zehn Jahre bei den Klosterschwestern gelebt habe.565 Gestorben sei sie schließlich am 29. August des Jahres 770 in Mainz. Nach langer Grabessuche habe sie schließlich ihre letzte Ruhe in einem kleinen Dorf unweit der Stadt Lösen gefunden, das damals „zům hayligen Creutz“ geheißen habe und nun St. Veronusberg genannt werde. Die Anwesenheit der Heiligen habe bewirkt, daß es seitdem keine Hungersnot mehr in Brabant gegeben habe. Bei Veronus und Verona zeigt sich einmal mehr, daß Mennel, diesmal wohl von der Abtei Gembloux aus, Kultorte aufsuchte, wo er die Verehrungspraxis der von ihm zu Habsburgern ernannten Heiligen nicht nur studierte, sondern auch bestrebt war, sie als wichtige hagiographische Information in seinem Legendar festzuhalten. Die Verehrung der habsburgischen Heiligen läßt er damit nicht in das Theoretische abgleiten, sondern zeigt ihre Relevanz durch die zu seiner Zeit vorzufindende Kultpraxis an deren Verehrungsorten auf. Seine Legenden rühmen nicht nur Heilige, sondern sie sind auch Bestandsaufnahmen spätmittelalterlicher Kultpraxis in habsburgischen Machtbereichen, wozu Brabant, Flandern und der Hennegau zählten. Über die heiligen Aldedrüde, so schreibt Mennel, könne man im Kloster Maubeuge Informationen „zů Ewiger gedechtnus auffgeschriebenn“566 finden. Maubeuge liegt im Hennegau und gehörte zum Bistum Cambrai. Es unterhielt unter anderem auch Verbindungen zum Kloster Nivelles567, das Mennel insbesondere für Nachforschungen zur heiligen Gertrud, deren Leben er auch ausführlich im Legendar beschreibt, aufgesucht haben mußte. Bei Pharahilde zeigt sich Mennels Rechercheweise noch weitläufiger als bei Aldedrüde und Landrada. In der Kapelle Pharahildes könne man nämlich „noch täglich“568, und zwar „nit unweyt von villfordu“ jene Brote sehen, die Pharahilde aus Rache gegenüber einer geizigen Nachbarin zu 563 564 565 566 567 568

Ebd., fol. 109v. Ebd. Ebd., fol. 110r/v. Ebd., fol. 28r. Vgl. dazu Vones-Liebenstein, U.: Art. Maubeuge. In: LThK, 6. Sp. 1490. cvp 3077*, fol. 51r.

107 Steinen

verwandelt habe. Gemeint ist hier

die im Volksmund

genannte ‚Sante

Varelden’-Kapelle, die zu Strenockerzeel bei Vilvorde zu finden ist und von Mennel offenbar besichtigt wurde.569 Wie sehr Mennel an lokalen Kulten interessiert war und ihnen große Bedeutung zumaß, zeigt sich ebenso in der Drogolegende. Bei diesem Heiligen legt Mennel Wert darauf, sein Forschen nach dessen genealogischer Verknüpfung570 offenzulegen: Er habe nämlich „mer dann ainen des Namens Drogo“ gefunden und könne sich jetzt nicht begründet entscheiden, wer von diesen Namensvettern nun der heilige Drogo sei. Die erste Meinung würde behaupten, daß Drogo der erstgeborene Sohn von Pippin, dem Herzog von Haristell, sei; die zweite Meinung sage, daß der heilige Drogo der Bruder des heiligen Hugo gewesen sei. Allerdings hätten Hugo und Drogo nicht dieselbe Mutter gehabt. Hugos Mutter habe nämlich Anstrudis geheißen, Drogos Mutter dagegen Reynna. Anstrudis und Reynna seien die unehelichen Frauen von Kaiser Karl gewesen. Der habsburgische Heilige Drogo sei schließlich der Bischof von Metz geworden. Viele seien daher überzeugt, daß mit diesem Drogo der Heilige gemeint sei. Obgleich diese Meinung ihm plausibel erscheint, bietet Mennel noch einen dritten Drogo, der diesmal der Patron der Kirche zu „Seeburg“ im Hennegau ist. Und Sebourg liegt, wie Mennel richtig angibt, im Hennegau zwischen Cambrai und Valenciennes. Offensichtlich besichtigte Mennel den Ort Sebourg im Hennegau, um der wahren Identität seines adligen, mit dem Hause Habsburg verwandten Drogo auf die Spur zu kommen. Daß Mennel sich bei seinen Nachforschungen keineswegs nur auf die im Spätmittelalter üblichen Orte der Literatursuche, nämlich die Klosterbibliotheken, beschränkte, hat sich nun bei der DrogoLegende gezeigt. Mennel suchte offenbar nach noch nicht gehobenen Quellen in den Büchersammlungen der Kirchen- und Pfarrbibliotheken, die zwar oft sehr dürftig ausgestattet waren571, aber vielleicht auch Werke beherbergten, die in den oft nur mit kanonischen Autoren ausgestatteten Kosterbibliotheken nicht zu finden waren – andernfalls hätte er Sebourg, das keine Klosterbibliohek besaß, nicht aufgesucht. Die Lokallegenden prüfte er: Er habe nämlich bei der Lektüre der Drogolegende „am selben Ort“ nicht herausfinden können, wessen Sohn dieser Drogo war. In Sebourg könne man nur lesen, daß dieser Drogo „gar aus edlen stammen unnd namen“ geboren sei – das sei aber, so meint Mennel kritisch, ein „stilus“, der in den Heiligenleben oft verwendet würde. Überzeugt von der Identität des Sebourger Drogo ist Mennel damit noch lange nicht.

569 570 571

Vgl. Stadler,J. C. (Hrsg.) : Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten, 4. S. 880. Vgl. cvp 3077*, fol. 100r. Vgl. zu der Geschichte der kommunalen Bibliotheken im Mittelalter Moeller, B.: Die Anfänge kommunaler Bibliotheken in Deutschland. In: Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien d. Komm. zur Erforschung d. Kultur d. Spätmittelalters 1978-1981, hrsg. von Bernd Moeller (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse; Folge 3, Nr. 137). S. 136-151, S. 138 ff.

108 Aus den Beobachtungen zu den Ortsangaben Mennels in den Legenden von Aldedrüde, Drogo und Veronus ergibt sich, daß Mennel die Grafschaft Hennegau persönlich bereiste, um dort nach brabantischen Heiligen an den jeweiligen Kultorten ihrer Verehrung zu forschen. Auch hier wird er, genauso wie im Bistum Lüttich, einzelne Klöster, wie beispielsweise Maubeuge und Gembloux, besucht haben, in denen er die ersten Informationen zu Brabantischen Heiligen erhielt und von dort aus gezielt deren Kultorte aufsuchen konnte.

4.2.3

Recherchen im Moselgebiet/Lothringen

Das ostfränkische Bistum Metz gehörte zu Lothringen und ist ebenfalls ein Ort, den Mennel insbesondere für Nachforschungen zu den Merowingischen Heiligen aufsuchte. Der schon erwähnte heilige Arnulf, den Mennel auch als habsburgischen Heiligen aufgenommen hatte, genoß dort als ehemaliger Bischof von Metz, der dann als Eremit auf dem Horenberg verstorben war, seine besondere Verehrung.572 Im Jahre 708 hatte dort auch Herzog Drogo, der Sohn Pippins von Heristal, die Kirche des heiligen Arnulf zu seiner Grabeskirche erwählt, womit er die Tradition der arnulfingisch-karolingischen Grabesstätten in Metz begründete. Dementsprechend konnte Mennel dort die Gräber der heiligen Kaiserin Hildegard oder Ludwigs des Frommen finden, die er ebenfalls in seinem Legendar behandelte. Es mußte für Mennel vielversprechend sein, Metz zu besuchen, da sich die Stadt im Aufschwung befand und dort kulturelle Leistungen unterstützt wurden. So förderte das dort ansässige Patriziat im Wettstreit mit Abteien und Stiften die Buchmalerei, schuf Bibliotheken und unterstützte die städtische Geschichtsschreibung.573 In dieser Stadt will Mennel also auch das Grab des merowingischen Königs Sigibert III. gesehen haben, weswegen er im Gotteshaus St. Martin „unden am berg“ gewesen sei. Er wird gewußt haben, daß es von König Sigibert 650 gegründet worden war: „und ist sein hayliger leyb als ich in gesehen hab noch also gantz als wer er kürzlich aus dyser Zeyt geschayden hab, auch in dem selben gozhaus ain Edel stainy drinckh geschier, das des grossen kayser karlins gewesen ist, und daraus getrunnken; kost als uns die herrn sagten lx M duggaten, das sy noch heut beytag als ain clanot der Eeren in Grossen wurden halten“.574

Da die liturgische Memoria des heiligen Sigibert bis ins 13. Jahrhundert nur in St. Martin in Metz und in Stablo-Malmédy, später auch im ganzen Bistum Metz, in Nancy und in St. Dié gepflegt wurde, wurde also auch mit ihm ein Heiliger in das Mennelsche Legendar aufgenommen, dessen Leben nicht in einem überregionalen Legendar wie der Legenda Aurea erzählt wurde und dessen 572

573 574

Zur Geschichte des Klosters St. Arnulf zu Metz vgl. Müller, M.: Am Schnittpunkt von Stadt und Land. Die Benediktinerabtei St. Arnulf zu Metz im hohen und späten Mittelalter (Trierer historische Forschungen, 21). Trier 1993. Dazu vgl. Parisse, M.: Art. Metz. In: LdMa, 6. Sp. 585-589. cvp 3077*, fol. 149r/v.

109 Reliquien auch nicht in Freiburg, der Wahlheimat Mennels, zu finden waren. Der Biograph des merowingischen Königs war Sigebert aus dem schon im Zusammenhang mit der Legende des heiligen Veronus genannten Kloster Gemblaux. Durch dessen Vita575 wurde zuerst an Sigiberts Leben erinnert; Sigibert, der merowingische König, wurde zu einem Nationalheiligen Lothringens, der als ein Symbol lothringischer Eigenständigkeit galt.576 Es ist also anzunehmen, daß Mennel bei seinen Nachforschungen in Gemblaux sowohl Olberts Veronus-Vita wie auch die Sigibert-Vita des Sigebert las, und von dort aus dann seine weiteren Recherchen an den Kultstätten der Heiligen, Metz und Lembek, organisierte. Mennel mußn auch in der Grabeskirche des heiligen Märtyrers Albert gewesen sein, da er das Grabepitaph wiedergeben kann, das er am Altar der St. Lamberts-Kirche, dem Ort, wo Albert von deutschen Rittern auf den Befehl von Kaiser Heinrich VI. jämmerlich erschlagen worden sein soll, gelesen habe: „Legio me legit, electum Roma probavit, remis sacravit, sanctum marturizavit“.577 Albert von Löwen578 war Bischof von Lüttich gewesen und wurde zu Reims, in der Abtei des heiligen Remigius, vermutlich auf Befehl Kaiser Heinrich VI. im Jahre 1192 meuchlings ermordet. Begraben wurde Albert zunächst in der Hauptkirche der Stadt Reims, und erst unter der Regierung des französischen Königs Ludwig XIII. wurde er nach Brüssel transferiert.579 Da sich zu Mennels Zeit Alberts Grab noch in Reims befand, mußte er auch in Reims Informationen über Albert eingeholt haben. Vielleicht erhielt Mennel in Lüttich, wo Albert seinen Bischofssitz hatte, die Anregung zu weiteren Nachforschungen in Reims und reiste daraufhin in die erzbischöfliche Stadt im Königreich Frankreich. Besonders bei Sigiberts Legende zeigt sich grundsätzlich, daß Mennel wsich durch die Autopsie von Reliquien einen eigenen Eindruck von dem Leben einzelner Heiliger machte. Mennel befragte daher an den jeweiligen Kultorten einzelne Kultträger über die Objekte ihrer Verehrung: So sprach er in der Grabeskirche des heiligen Sigibert mit den dortigen Chorherren über den Edelsteinbecher Karls des Großen, der im Kirchenschatz der Metzer Kirche St. Martin gehütetet wurde. Trier, das Suffraganbistum von Metz, bereiste Mennel ebenfalls.580 Irmina, die Schwester des heiligen Sigibert, sei eine Äbtissin im Kloster „Horren“ in Trier gewesen, schreibt Mennel. 581 Sie habe ein inniges Verhältnis zum heiligen Willibrod gepflegt, der zu dieser Zeit Bischof zu Utrecht 575 576

577 578

579

580 581

Die Vita Sigiberts III. aus der Feder des Sigebert von Gemblaux: Vita S. Sigiberti regis. In: PL 87. Sp. 303-313. Vgl. zu Sigiberts Verehrung Struve, T.: Art. Sigibert von Gemblaux. In: LThK, 9. Sp. 575f. und Anton, H. H.: Art. Sigibert III. In: LThK, 9. Sp. 577f. Zu Sigiberts Verehrung und dessen Bedeutung für Lothringen vgl. Bauer, Th.: Lotharingien als historischer Raum, S. 623. cvp 3077*, fol. 54r. Albert von Löwen (1166-1178), Sohn des Herzogs Gottfried von Löwen-Brabant, zu ihm vgl. Kupper, J. C.: Art. Albert von Löwen. In: LThK, 1. Sp. 331. Vgl. Stadler, J. C. (Hrsg.): Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten, 1. S. 104f. Zu den politischen Hintergründen seiner Ermordung vgl. Lejeune, J.: Art. Albert von Löwen. In: LdMa, 1. Sp. 284f. Zum ‚Bischofsstaat‘ Trier vgl. Bauer, Th.: Lotharingien als historischer Raum, S. 188ff. cvp 3077*, fol. 151r/v.

110 gewesen sei – doch über den heiligen Willibrod könne man ja, so Mennel, in dessen Legende weiterlesen. Mit dem Nonnenkloster Oeren hatte Mennel auf eines der bedeutendsten Nonnenklöster der Stadt und des Erzstiftes Trier hingewiesen. Als angebliche Gründerin galt Irmina, die als Äbtissin von Oeren urkundlich 697 bis 704 bezeugt ist. Das von Mennel beschriebene innige Verhältnis zwischen Irmina und Willibrod hatte seinen historischen Grund in der Abtei Willibrods, Echternach, die Irmina beschenkt und mitbegründet hatte. Das Wissen um diese Freundschaft hatte der Echternacher Abt Theofried in der lateinischen Vita Irminas, die sich im liber aureus der Abtei Echternach befand, überliefert. Dieser Biograph sprach auch von Irminas trojanischer Herkunft, und diese genealogische Angabe übernahm Mennel natürlich gern, als es darum ging, Irmina an die Habsburger anzusippen. Daß Mennel sich dabei auf Theofried, zumindest aber auf den Compilator von dessen goldenem Buch, Theoderich, berief, scheint bewiesen.582 Dennoch ist damit nocht nicht bewiesen, daß Mennel persönlich nach Echternach ging, um dort Einblicke in das heilige Leben Irminas zu bekommen. Informationen über ihren Kult konnte er auch in der elsässischen Abtei Weißenburg erhalten, wo sie ab dem 15. Jahrhundert verehrt wurde, und in Sponheim soll sogar Johannes Trithemius die Vita Irminas verfaßt haben583, deren Lektüre der Sponheimer Abt dem kaiserlichen Hofhistoriographen, der ihn sogar in seiner Fürstlichen Chronik unter den konsultierten Autoren auflistet584, wohl nicht verwehrt haben wird. Es wird an den Rechercheorten zu Sigibert und seiner Schwester Irmina deutlich, daß Mennel gezielt einzelne Orte und Gebiet – hier dargelegt an den Merowingischen Heiligen des Moselgebietes – nach Legendeninformationen absuchte. Deutlich wird aber auch, daß Mennel sich für dieses gezielte Vorgehen auf Vorarbeiten stützen mußte, durch die er einzelne Adelsgeschlechter, die er mit den Habsburgern in genealogische Verbindung bringen wollte, Gebieten zuordnen konnte, in denen er sich dann auf erfolgreiche Recherche begab. Mennel wurde bei seinen Forschungen in den Niederlanden, insbesondere in Lüttich, immer wieder auf die Bischofsstadt Metz und die dort herrschende Heiligenverehrung zurückverwiesen. Sei es, daß er in Brabant die Genealogia Brabantionorum sah, in der ausdrücklich auf die Verwandtschaft der Brabanter Grafen um Amelberga mit den Pippiniden verwiesen wurde, sei es, daß er bei der Lektüre von Legenden, beziehungsweise von Klosterchroniken, wie beispielsweise der Chronik von St. Truiden, auf Metz verwiesen wurde: Plausibel ist, daß Mennel von den Niederlanden aus weitere Recherchen an der Mosel einplante, um dort in Trier und Metz Nachrichten über den 582

583 584

Vgl. zu der Verehrung der Inrmina und der Quelle der Mennelschen Irminavita Knichel, M.: Irmina von Oeren. Stationen eines Kultes. In: Studien zum Kanonissenstift, hrsg. von Irene Cursius (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte, 167/ Germania Sacra 24). Göttingen 2001. S. 185-201. Vgl. Knichel, M.: Irmina von Oeren, S. 193. cvp 3072*, fol. 11r.

111 Heiligenkult ausgewählter adliger Heiliger zu sammeln. Er ging auch an die Maas, um beispielsweise die Legende des Erzbischofs von Verdun zur heiligen Oda einzusehen, oder auch entlang der Schelde in das Bistum Cambrai, um dort über Drogo zu recherchieren. Diese Recherchen konnte er nur sinnvoll auf der Lektüre von Viten in Brabantischen Hagiologien, wie beispielsweise dem Hagiologium Brabantinorum des Johannes Gielemann, aufbauen, um über diese eine Vorstellung von dem Brabantischen Heiligenpersonal zu bekommen, das er an die Habsburger ansippen konnte; gegebenenfalls wurden auch über deren Kultorte in Viten Aussagen gemacht. Letztlich bleibt festzuhalten, daß Mennel - anders als Sunthaym, der seinen Forschungsschwerpunkt eher in den süddeutschen Raum gelegt hatte - eigenständige Untersuchungen in den Niederlanden betrieb. 4.2.4

Recherchen im Breisgau und in der Ortenau

Doch Mennel ging nicht immer weit, um zu habsburgischen Heiligen zu recherchieren. Nördlich von seiner Heimatstadt Freiburg, in dem Ortenau-Kloster Ettenheim, wurde insbesondere der heilige Landelin verehrt585, der von Mennel ebenfalls zu einem Habsburger stilisiert wird. In Ettenheim wurde die Landelin-Vita im 13. Jahrhundert redigiert586 und blieb dem Kloster erhalten. Mennel konnte die Vita dieses Schotten königlicher Abkunft, den er zu einem habsburgischen Heiligen machte, in diesem Kloster also einsehen. Dem Kloster Ettenheim mußte gelegen gekommen sein, daß sein Patron in die habsburgische Familie aufgenommen wurde, wollte doch Ettenheim im Jahre 1504 König Maximilian I. zu seinen Schirmherren machen, war dann aber 1510 vom Haus Österreich an die Geroldsecker als Vogtei gegeben worden und konnte erst 1518 – nachdem Mennel also auch den heiligen Landelin zu einem Habsburger erklärt hatte – wieder unter die Schirmherrschaft der Habsburger zurückkehren. Denkbar ist, daß Mennel insbesondere durch das Anliegen des Klosters Ettenheimmünster, in engem Bezug zum Hause Österreich zu stehen, zu der Aufnahme seines Heiligen bewegt wurde und daher nach Ettenheim zum Forschen ging. Damit würde die Forschungstätigkeit Mennels in das Licht gerückt werden, den ein oder anderen Rechercheort nach Bindungsinteressen des Hauses Österreich ausgewählt zu haben. Die Heiligen des jeweiligen Bindungspartners hätten damit die Funktion, diese enge Verbundenheit zu symbolisieren. Doch nicht nur zu Landelin forschte Mennel, da dies die profane Geschichte des Hauses Habsburg nahelegte. So bemerkt er im profanen Teil der Fürstlichen Chronik im Zusammenhang mit den Taten Karls des Großen, daß er im Katalog des Bischofs von Straßburg gelesen habe, daß der 585

586

Dort befand sich eine dem heiligen Landelin geweihte Kirchen- und Brunnenkapelle als Zentrum der Landelinverehrung, vgl. Brommer, H. (Hrsg.): Die Wallfahrten im Erzbistum Freiburg, S. 80. Zu der Gründung des Kloster Ettenheimmünster vgl. Felten, F. J.: Art. Ettenheimmünster. In: LdMa, 4. Sp. 60. Zur Überlieferungsgeschichte der Landelinsvita vgl. Schultz, F., Schadek, H.: Das Benediktinerkloster Ettenheimmünster. In: Die Klöster der Ortenau, hrsg. von Wolfgang Müller. Offenburg 1978. S. 150-201.

112 Kaiser Eddo, den Gründer des Klosters Ettenheim, in das Amt des Bischofs von Straßburg erhoben habe.587 Dieser Bischof habe sich durch seinen entschiedenen Kampf gegen die Simonie verdient gemacht, was für Karl dem Großen Anlaß gewesen sei, sich in einer Goldenen Bulle gegen die Simonie auszusprechen. Diese Bulle könne heute noch in Straßburg eingesehen werden, doch leider, so betont Mennel, halte sich heute keiner mehr an ihren Wortlaut. Eddo, so fährt Mennel fort, hätte schließlich das Kloster Ettenheim und die dazugehörige Stadt gebaut und sei dort auch begraben worden. Abschließend beschreibt Mennel detailiert Eddos Grab.588 Mennel war also nach seinen Forschungen in Straßburg nach Ettenheim gekommen, hatte also auch Straßburger Kataloge genutzt, deren Angaben ihn beispielsweise in die Ortenau führten. Dort konnte er dann auf weitere Informationen in der Klosterbibliothek zu Ettenheim hoffen, wo unter anderem auch Werke zur Kirchengeschichte oder einzelne Legenden vorhanden waren. 589 Die Recherchen zu den Heiligen des Hauses Habsburg dürfen demnach nicht als Nachforschungen aufgefaßt werden, die Mennel unabhängig von den Untersuchungen zu der profanen Geschichte des Hauses Habsburg betrieb, sondern vielmehr als ihr Nebenresultat, das die politischen Aussagen des profanen Teiles der Fürstlichen Chronik, wie beispielsweise die Nähe der Habsburger zu Ettenheim, noch einmal symbolisch zum Ausdruck brachte. In der Mennelschen Legende des heiligen Rupert findet sich ein Beleg, daß Mennel auch den Breisgau nach Informationen zu einzelnen Heiligen absuchte. Mennel schreibt am Legendenanfang zu Rupertsvita590, er habe bei Gregor von Tours gelesen, daß Rupert ein Sohn des Theodobaldus gewesen sei. Rupert und seine Geschwister Trutpert und Ermentrudis seien in „Ybernia“, also in Irland geboren worden. Die „Sant Trutperths historii“591 berichte nun, daß die Geschwister Königskinder von Frankreich gewesen seien – „wie aber yre eltern In die Insul komen syen, kann ich nit finden“, entschuldigt sich Mennel. Er habe aber herausfinden können, daß der heilige „Patricius“ – gemeint ist wohl der irische Nationalheilige St. Patrick - und andere Heilige in Irland aufgewachsen und von dort zum Missionieren ausgezogen seien. Das seien beispielsweise der heilige Columban, der nach Italien, der heilige Gallus, der „in Teutsch lannd“, der heilige Kilian, der nach Ostfrankreich, und die Heiligen Rupert und Ermentrude, die nach Bayern, und der heilige Trudpert, der in den Breisgau gekommen sei.592 Daraufhin beschreibt Mennel die Missionsroute Ruperts und seiner Schwester, Ruperts Aufstieg zum Bischof von Salzburg und seine 44-jährige Regierungszeit.593 587 588 589

590 591 592 593

cvp 3073, fol. 33r. Ebd., fol. 34v. Preisendanz, K.: Die Handschriften des Klosters Ettenheim-Münster (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, IX), Neudr. mit bibliographischen Nachträgen. Wiesbaden 1973, vgl. insbes. Nr. 418, 421, 428. cvp 3077*, fol. 165r. Ebd., fol. 15r. Ebd., fol. 165r/v. Vgl. dazu ebd., fol. 168r-169v.

113 Für die Legende von Ruperts Schwester Ermentrude594 besuchte Mennel auch Überreste in der näheren Umgebung von Freiburg. Obwohl er in Ermentrudes Legende auf jegliche Quellenangaben verzichtet, verrät doch die Tatsache, daß Mennel sie mit Rupert und Trudpert verschwistert, die Breisgauer Heiligenverehrung als seine Quelle. Ausschließlich hier wurde sie nämlich mit dem heiligen Bischof Rupert von Salzburg und dem heiligen Trudpert verschwistert. Desweiteren konnte Mennel auch ihre Kapelle, die sich auf dem Kapellenberg von Muntzingen, unweit von Freiburg im Breisgau befindet, mühelos zu Recherchezwecken aufsuchen595. Vielleicht war auch eine, heute allerdings nicht mehr in St. Trudpert zu sehende Grabplatte für ihn Anlaß, die Verschwisterung Ermentrudes mit Rupert und Trudpert zu übernehmen, da sie dort, als Stifterin von St. Trudpert, das Grab neben Otpert hatte.596 Auch die sehr ausführliche Legende des heiligen Trutpert597 und die seines Nachkommen Goerico598 habe er, erläutert Mennel, der „hystoria Trutpertina“599, entnommen.600. Abgesehen von dieser Vita habe er auch die Annalen und die Briefe des Gotteshaus St. Trudpert durchgesehen.601 Das ‚veri ac falsi discrimen‘ bei seinen Vorlagen scheint Mennel dabei nicht beschäftigt zu haben. Eher begibt auch er sich in die Fußstapfen derer, die ihre jeweilige Version – sei es einer Urkunde, Legende etc. – aus mehreren Vorlagen zusammensetzten und damit ihrerseits ‚Fälschungen‘602 produzierten, um dadurch die „Kluft zwischen Sein und Seinsollen um der ‚höheren Wahrheit‘ willen“ zu überbrücken.603 Und daß Mennel bei der Rezeption dieser hagiographischen Produkte das ‚Opfer‘ einer „unreflektierten Gläubigkeit“604 wurde, ist – verwiesen sei nur auf seinen kritischen Umgang mit der Drogo-Legende – unglaubhaft. Mennels Akzeptanz von möglichen Fälschungen liegt in der mittelalterlichen Sicht vieler Autoren begründet, nicht unbedingt ein rational begründetes Werk schaffen zu wollen, sondern eher ein Werk, das „Gottes Heilsordnung“605 entspricht; und diese Ordnung wurde in Mennels Fall beispielsweise dann gewahrt, wenn Trudpert, Rudpert und Ermentrude miteinander verschwistert waren und damit gleichermaßen den Habsburgern angesippt werden konnten. Dadurch gab ihr Leben Zeugnis von der Tugendhaftigkeit des Hauses Österreich ab, zu deren Nachweis Mennel ja in Diensten genommen worden war. 594 595 596

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600 601 602

603 604 605

Vgl. dazu ebd., fol. 175r-176r Vgl. Brommer, H. (Hrsg.): Die Wallfahrten im Erzbistum Freiburg, S. 119. Die Aufschrift auf der Grabplatte lautet: „Hic requiescunt fundatores loci: Comites de Habsburg Otbertus, Rampertus et Liutfridus, Landgravii Alsatii. Item Hunfridus, Luitfridus et Hugo. Domina Ermentruda“, zitiert nach Geiger, G.: Die Ahnen der Habsburger Gründer des Klosters St. Trudpert. Staufen i. Br. 1961. S. 7. Vgl. cvp 3077*, fol. 169v-174v. Vgl cvp 3077, fol. 331v-334v . cvp 3077*, fol. 169v. Gemeint ist die heute noch erhaltene Vita S. Trudperti, hrsg. von Bruno Krusch. In: MGH SRM 4, S. 352-363. cvp 3073, fol. 27r. Ebd., fol. 29v. Vgl. dazu Fuhrmann, H.: Die Fälschungen im Mittelalter. In: HZ, 197 (1963). S. 529-554, zu Fälschungen in der Hagiographie hauptsächlich S. 533f. Gawlik, A.: Art. III. Fälschungen. In: LdMa, 4. Sp. 249-250, Sp. 250. Fuhrmann, H.: Die Fälschungen im Mittelalter, S. 534. Ebd., S. 541.

114 Den Zustand der Quellenbestände in St. Trudpert beschreibt Mennel folgendermaßen: Das Gotteshaus Trudpert habe nämlich aufgrund von Wasserschäden und anderen Unwirtlichkeiten nur sehr mangelhaft erhaltene Schriften. Die alten Briefe, Register und Rödel seien sogar verloren. Zu den Zeugnissen, die in einem noch lesbaren Zustand waren, wird die Urkunde gezählt haben, in der Graf Otpert dem heiligen Trudpert - so Mennel - bestätige, daß er ihm nun „von dem berg Samba da das wasser Numaga entspringt bis an den fluss des herzenbachs fur ain ewig aygenthumb“ übereigne.606 Sicher hatte Mennel dabei die Schenkungsurkunde Graf Luitfrids und seiner Söhne aus dem Jahre 902 vorliegen, in der dem Kloster St. Trudpert die Schenkung von Gütern im Elsaß, im Breisgau und in der Ortenau bestätigt wurde. Er zitiert daraus den an Rambert erteilten Auftrag, das Kloster St. Trudpert zu restaurieren.607 Genauso, wie es Mennel in den Breisgau zog, recherchierte er auch im Markgräflerland. So las er nach eigenen Angaben im Sulzburger Stiftbrief der Kirche St. Ciriacus und erfuhr von Hundfried ‚dem Ehrenreichen’, der auch ein Mitstifter des Klosters St. Trudpert gewesen sein soll. 608 Es gehörte zu seiner Arbeitsweise, bisweilen an verschiedenen Lebensstationen seiner Heiligen zu recherchieren und darauf seine Version ihres Lebens aufzubauen. Besonders deutlich wird dies bei dem heiligen Bischof von Konstanz, Gebhard609, der nach Mennels Dafürhalten ein Graf von Habsburg war. Dessen Legende baut Mennel explizit auf Recherchen in Sulzburg, im Kloster Hirsau und im Kloster Petershausen zu Konstanz auf. Gerade bei Gebhard stand Mennel vor dem schon in seiner Vorrede zur Fürstlichen Chronik angezeigten Problem, daß er den Namen seines Vaters nicht zweifelsfrei angeben konnte, obwohl er bei „ettlich“ den Namen Hugo lesen würde. Mennel zweifelte also an dieser Angabe und führte aus: „ways Ich nit annders zu vergleychen dann laut meiner vorred das offt ain person zwen namen hat oder das villeicht ainer vater und der annder grossvater gewesen sey/ yedoch in den gotzheusern Sulzberg, das er consecriert/ und hirsau, da er ain convent Bruder was/ wurt anzaygt/ das er des geschlechts habspurg gewesen ist und In dem Gozhaus petershausen Zu Constenz, das er gestifft hat, find ich also, das er aus dem Edlisten geschlecht der teutschen geborenn sey […]“.610

Daß Mennel im Bodenseegebiet Nachforschungen angestellt haben muß, mit denen er die Vorarbeiten Ladislaus Sunthayms beispielsweise zum heiligen Coloman ergänzte, wurde schon an früherer Stelle vermutet. Außerdem beweisen Mennels Arbeiten zu dem nahe seiner Geburtsstadt Bregenz gelegenen Kloster Mehererau und Stadt Konstanz, daß Mennel intensive Nachforschungen schon während seiner Arbeit an der Fürstlichen Chronik im Bodenseegebiet betrieben haben muß. 606 607 608 609 610

cvp 3077*, fol. 169r. cvp 3077, 173r. cvp 3073, fol. 61v. Vgl. cvp 3077**, fol. 205r-210v. Ebd., fol. 205r.

115 So beschäftigte sich Mennel in der Charta Fundatorum mit der Geschichte des Klosters Bregenz611 und verfaßte das lateinische Chronicon episcopatus Constantiensis612, das die Geschichte des Bistums Konstanz erzählt. Da dieses Werk auf das Jahr 1519, also auf ein Jahr nach Mennels Fertigstellung der Fürstlichen Chronik datiert wird, hatte Mennel hierfür schon im Rahmen der Forschungen für die Fürstliche Chronik seine Informationen gesammelt. Im Grenzgebiet zu den Eidgenossen an der Aare war Mennel ebenfalls mit Nachforschungen zugange. So erforschte er dort die historischen Hintergründe zu dem habsburgischen Fürsten Romarich613, der „laut der alten schrifft“ ein „aigenher“ gewesen sei, wovon „noch heut beytag ain gemainer Lemnot bey den alten und verstenndigen selbiger art ist […]“. Man sage nämlich, daß auf dem Berg, auf dem später die Habsburg gebaut worden sei, der heilige Romarich ein Eigenherr gewesen sei. Dort suchte Mennel und resümierte zunächst entmutigt: „Manngel der alten schrifften, der durch wasser und ander not dadurch der selbig berg zu ainer wüsty worden ist/ entfrembt sind/ auff die Sypp oder maglich Lynien nit hab mögen komen, darumb so hab ich In bis weytter erfarung Zu end dis tayls müssen sezen […]“.614

Es fehlte Mennel 1514 offenbar am schriftlichen Nachweis der Verwandtschaft zwischen Romarich und den Habsburgern, und so setzte er ihn zu den befreundeten Heiligen des Hauses Habsburg an das Ende des Legendars. Doch dann suchte er an einer weiteren Lebensstation des Romaricus, wie ihn die Vita Romarici615 nennt, nämlich auf dem „Romelsberg“, dem lothringischen Kloster Remiremont. Mennel meint zu wissen, daß dieses Kloster nach Romaricus benannt worden sei, und er geht dazu über, die Klostergeschichte und die Romaricus-Vita zu erzählen. Dieser Berg werde der „haylig berg“ genannt, da dort, zusammen mit Romarich, weitere Heilige begraben lägen. An diesem Berg würde der Berg „sancti Arnulphi“ angrenzen, von dem man sage, daß der Teufel dort einst viel Böses getan habe. Doch das wolle er, Mennel, nun nicht weiter ausführen. Gerade die Legende führt vor Augen, daß Mennel alle Aussagen in den Legenden mit historischen Überresten, insbesondere mit alten Schriftstücken und Urkunden belegen wollte. War ihm das verwehrt, so erschloß er sich mit Logik die historischen Zusammenhänge. Beim heiligen Romarich bestätigt es sich erneut: Zu den heiligen Fürsten des Hauses Habsburg unternahm Mennel Recherchen in den Stammlanden der Habsburger, besonders am Bodensee und im Elsaß. Er suchte dort nicht nur nach alten Schriftstücken, sondern versuchte sich auch aus Berichten über den Kult 611 612

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614 615

Bei dem Cod. Mehrerau 152 und cvp 12853 handelt es sich um eine Abschrift aus dem Jahre 1566. Die Originalfassung ist verschollen. Gedruckt wurde es bei Johannes Pistorius: Rerum Germanicarum Scriptores, Frankfurt 1607. S. 615-722. cvp 3077**, fol. 211r-214v. Mennel meint mit dem heiligen “Romarico” den heiligen Romarich, der 633 starb und in dem Kloster Remiremont, das er selbst 620 gegründet hatte, Abt war. Vgl. dazu Lutterbach, H.: Art. Romaric(h). In: LThK, 8. Sp. 1280. cvp 3077**, fol. 211v. Die Vita Romarici ist ediert in MGH SRM 4. S. 221-25.

116 des Heiligen – deutlich wird dies an seinen Aussagen zum Arnulfsberg und dem einstigen Herrn des Habsburg-Berges – ein Bild von seinen Heiligen zu machen. Es bleibt also festzuhalten, daß Mennel in der Ortenau, im Breigau, im Markgräflerland und am nördlichen Aarelauf sich wohl nicht auf Vorarbeiten Sunthayms bei seinen Legenden stützte, sondern persönlich vorort Recherchen anstellte. Damit umfaßt das Gebiet, in dem Mennel grundlegend neue Forschungen betrieb, Brabant, den Hennegau, Flandern, das Gebiet zwischen Schelde, Maas und Mosel und das weitere Umland seiner Heimatstadt Freiburg. Zweifelsohne haben Sunthayms Forschungsreisen im Rhônetal, am Oberrhein, in Franken und am Bodensee Mennel von der Aufgabe befreit, in diesen Gebieten grundlegend neue Recherchen anzustellen. Er konnte sich beim Abfassen seiner Legenden entweder auf Sunthayms Nachrichten verlassen oder von ihm weitere Anregungen für gezielte Recherchen in einzelnen Klöstern und an bestimmten Kultorten erhalten. Offensichtlich zog es Mennel dabei vor, nicht nur einer Legendentradition zu folgen, indem er in Klöstern nur die ihm in Legendaren gebotenen Legenden abschrieb. Er bereiste verschiedene Kultorte eines Heiligen, um sich aus den dort recherchierten Informationen ein eigenständiges Bild vom Leben einzelner Heiliger zu machen.

4.3 Die literarischen Vorlagen von Mennels Heiligenlegenden Schon mehrfach wurde angedeutet, daß Mennel die Lektüre von Hagiologien und Einzellegenden zur Grundlage seiner Recherchen vorort machte. Im folgenden soll sein Umgang mit diesen Quellen Thema sein. Die Frage nach den literarischen Vorlagen, die Mennel für das Abfassen seiner Legenden benutzte, wurde in der Forschung zwar schon gestellt616, bislang aber noch nicht beantwortet. Die Annahme, Mennel habe einen Großteil seiner Legenden aus dem deutschsprachigen Legendar Der Heiligen Leben entnommen, das kurz vor der Indienstnahme Jakob Mennels durch Maximilian I. gedruckt worden war617 und sich großer Beliebtheit erfreute, erscheint zunächst naheliegend. Immerhin kannte Mennel aller Wahrscheinlichkeit nach den Überarbeiter von Der Heiligen Leben, Sebastian Brant.618 In den Legenden spricht Mennel allerdings nicht davon, aus Der Heiligen Leben abgeschrieben zu haben, und auch der Name Brants bleibt unerwähnt.

4.3.1

616 617 618

Heiligenlegendare und Einzellegenden als mögliche Quelle für Mennels Heiligenlegenden

Vgl. dazu Williams-Krapp, W.: Die niederländischen Legendare, S. 339f. Vgl. dazu Burmeister, J.: Art. Jakob Mennel, Sp. 393. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 56f.

117 Der große Erfolg von Der heiligen Leben hatte den Straßburger Drucker Grüninger auf die Idee gebracht, den Straßburger Stadtschreiber dazu zu bewegen, dieses deutschsprachige Legendar, das bereits 1488 von Stefan Arndes in Lübeck gedruckt worden war und reißenden Absatz fand, zu redigieren, von niederdeutscher Sprache in oberdeutsche zu übertragen und damit für einen Neudruck bereit zu machen. Brant ging darauf ein, und schon im Jahre 1502, also drei Jahre vor Mennels Forschungsbeginn für die Fürstliche Chronik, hatte man es in tausend Exemplaren aufgelegt.619 Das Brantsche Legendar basierte seinerseits auf der lateinischen Legenda Aurea, die sich im Spätmittelalter überregionaler Beliebtheit erfreute. Den Bedürfnissen des lokalen Heiligenkultes kamen die einzelnen Legendarfassungen der Legenda Aurea mit lokalen Heiligenlegenden entgegen, die dem festen Bestand an Heiligenlegenden meist in eine Appendix beigebunden wurden. Im süddeutschen Raum, wo Jakob Mennel zu Hause war und nach den bisherigen Erkenntnissen einen Großteil seiner Forschungen zu den habsburgischen Heiligen betrieb, erfreute sich die mittelhochdeutsche Prosaversion der lateinischen Legenda Aurea, die sogenannte Elsässische Legenda Aurea, besonderer Beliebtheit.620 Sie war Anfang des 14. Jahrhunderts in Straßburg entstanden und konkurrierte mit den um 1400 in Nürnberg entstandenen Der Heiligen Leben, eine deutsche Legendensammlung, die insbesondere im Südosten gelesen wurde. Die Elsässische Legenda Aurea stimmte in ihrem festen Stamm von Heiligenlegenden, dem sogenannten Normalcorpus, mit der Legenda Aurea überein, und da Der Heiligen Leben nichts weiter als eine deutsche Übersetzung der Legenda Aurea war, hatten alle drei genannten Legendare, bis auf ihren Regionalteil von Heiligenlegenden, das sogenannte Sondergut, den gleichen Legendenstamm vorzuweisen. Doch nachdem Der Heiligen Leben in den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts in Straßburger Offizinen gedruckt worden war, wurde die Elsässische Legenda Aurea weniger, schließlich überhaupt nicht mehr rezipiert. Die Elsässische Legenda Aurea hält sich streng an ihre lateinische Vorlage. Die Legenden, die sich in ihr befinden, stimmen bis auf wenige Ausnahmen mit dem Bestand der lateinischen Legenda Aurea überein. Nur zehn Heilige621 von den insgesamt hundertundneunzig Legenden und Festtagstexten des sogenannten Normalcorpus622 finden sich bei Mennel wieder. Einundfünfzig Texte sind als das sogenannte Sondergut der Elsässischen Legenda Aurea überliefert. Es handelt sich dabei um deutsche Prosatexte, die während des Überlieferungsprozesses dem Nomalcorpus der 619

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Zur Redaktion dieses Legendars vgl. die überblicksartige Darstellung von Kunze, K.: Art. ‚der Heiligen Leben‘. In: VL, 3. Sp. 617-627, insbes. Sp. 618. Vgl. dazu Williams, U.; Williams-Krapp, W. (hrsg.): Die ‚Elsässische Legenda Aurea’. Bd. 1: Das Normalcorpus (Texte und Textgeschichte, 3). Tübingen 1980, S. XIIIf. Es handelt sich dabei um die Heiligen Thomas Becket (Nr. 11), Vincentius (Nr. 26), Simphorian (Nr. 122), Mauritius (Nr. 141), Rupertus (Nr. 142), Remigius (Nr. 150), Margaritha (Nr. 154), Leonhart (Nr. 158), Ursula und ihre 11000 Jungfrauen (Nr. 161), Ulrich (Nr. 181), Oswald (Nr. 184), Elisabeth von Thüringen (Nr. 187), Colomannus (Nr. 190). Die Angabe der Nummern erfolgte nach Williams, U.; Williams-Krapp, W. (Hrsg.): Die 'Elsässische Legenda Aurea’, S. Vf. Bezeichnung nach ebd, S. XV.

118 Elsässischen Legenda Aurea neu an- beziehungsweise beigefügt wurden, oder die in diesem sogar ausgewechselt wurden.623 11 Heilige aus diesem Sondergut behandelt Mennel in seinem Legendar.624 Erinnert man sich jedoch an die bisherigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, so recherchierte Mennel gerade im Elsaß oder im Umland von Freiburg, wo ihm vielfältige Möglichkeiten geboten wurden, auf Einzellegenden seiner habsburgischen Heiligen – in Freiburg sind beispielsweise noch die Legenden zu Oswald625, Odilia626, Ulrich, Brigida und Karl dem Großen627 erhalten – zu stoßen. Daß Mennel diese Legenden, und nicht die Elsässische Legenda Aurea zur Vorlage seiner Legenden wählte, beweist die überaus weitverbreitete Fridolinslegende, die auch in der Elsässischen Legenda Aurea zu finden ist. Offensichtlich entnahm Mennel nämlich seine Fridolinsvita einer Karlsruher oder Basler Handschrift.628 Die Basler Handschrift gehört einem Sammelband an, der sechs handschriftliche Teile und zwei Wiegendrucke in sich birgt. Alle Texte dieses Sammelbandes, dessen Herkunft mit der Basler Kartause Margaretental und dessen Entstehungsdatum mit 1486 angegeben wird, sind hagiographischen und theologischen Inhalts. Da Mennel Klöster und Stifte im Umkreis von Basel als Rechercheorte angibt, ist es denkbar, daß er im Kloster Margaretental entweder selbst auf diesen Sammelband stieß, oder spätestens 1509 von Sunthaym, der ja nach eigenen Angaben Stifte in und um Basel besucht hatte, Exzerpte aus diesem Buch vorgelegt bekam. Die Karlsruher Handschrift stammt aus der Bibliothek des Säckinger Stifts und gibt die lateinische Fridolinsvita des Balther von Säckingen wieder. Ihre Entstehungszeit wird in den 80iger Jahren des 12. Jahrhunderts vermutet. Daß die Handschrift noch im 16. Jahrhundert gelesen und bearbeitet wurde, beweisen Randbemerkungen von Lesern, die bis ins 16. Jahrhundert reichen.629 Auch diese Handschrift kann Mennel zur Fridolinsvita gelesen haben. Weitere Rezeptionsmöglichkeiten der Fridolinsvita boten ihre deutschen Übersetzungen. Die erste Übersetzung wurde 1432 von Johannes Gerster angefertigt, die im Jahre 1480 von Bernhard Richel

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Dazu ausführlich Kunze, K. (Hrsg.): Die Elsässische ‚Legenda Aurea’. 2. Bd: Das Sondergut (Texte und Textgeschichte, 10). Tübingen 1983, S. XIIf. Es sind die Heiligen Jodok (Nr. 9), Ludwig IX. (Nr. 29), Wezelaus (Nr. 30), Wilhelm von Aquitanien (Nr. 39), Karl der Große (Nr. 40), Ludwig von Toulouse (Nr. 41), Odilia (Nr. 42), Brigida von Kildare (Nr. 44), Fridolin (Nr. 45), Gertrud von Nivelles (Nr. 46), Bonifaz (Nr. 47). Die Nummern orientieren sich an ebd, S. VIIff. Die Legenden zum heiligen Ulrich und dem heiligen Oswald sowie der heiligen Brigitta konnte er als Einzellegenden der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine zugebunden finden. Vgl. Hagenmaier, W.: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften, Nr. 457. Die Legende der heiligen Ottilia war ebenfalls als Einzellegende zu finden und befindet sich heute im Besitz der Universität Freiburh, vgl. ebd.., Nr. 459. Die Legende von Karl d. Gr. war ebenfalls als Einzellegende zu finden, vgl. ebd., Nr. 426. Die Gründung Säckingens wird von Mennel auf das Jahr 495 datiert. Dieses Datum entsprich den Angaben in der Karlsruher und der Basler Handschrift. Vgl. dazu Pörnbacher, M.: Vita Sancti Fridolini. Leben und Wunder des heiligen Fridolin von Säckingen. Beschrieben von Balther von Säckingen, Bischof von Speyer. TexteÜbersetzung-Kommentar. Sigmaringen 1997. S. 201. Ebd., S. 128.

119 in Basel in erweiteter Form gedruckt wurde.630 Für Mennel wäre es keine Schwierigkeit gewesen, entweder selbst in den vorübergehenden Besitz dieses Druckes zu gelangen oder über Sunthaym davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Zusammen mit der Legende des heiligen Meinrad wurde dieser Druck der Fridolinsvita dem Heiligenlegendar Leben der Altväter zugefügt, das sich heute im Besitz des Klosters St. Gallen befindet. Bis 1794 war es im Besitz des Klarissenklosters in Freiburg.631. Und um noch einmal den heiligen Coloman anzuführen: Auch seine Legende zählt zum Normalbestand der Elsässischen Legenda Aurea632. Das Martyrium, das Mennel vom heiligen Coloman erzählt, stimmt zwar mit den Angaben des elsässischen Legendars überein, doch konnte er von hier nicht die Information haben, daß der Heilige in Stockerau gemartert wurde. An diese Information gelangte Mennel, wie gesagt, durch Autopsie. Die Elsässische Legenda Aurea mag somit Mennel höchstens eine Grundstruktur für seine einzelnen Erzählungen geboten haben, die Recherche vorort ersetzte sie aber nicht. Die heilige ungarische Königstochter, Elisabeth von Thüringen, ist eine weitere Heilige, die sowohl im habsburgischen Legendar wie auch im Normalcorpus der Elsässischen Legenda Aurea ihren festen Platz hat. Sie ist die erste ungarische Heilige in der Reihenfolge der Legenden von 1514, in denen Mennel die befreundeten Heiligen des Hauses Habsburg vorstellt. Ein Vergleich zwischen der Legendenfassung, wie sie die Elsässische Legenda Aurea bietet, und der Mennelschen Legendenfassung vom heiligen Leben der Elisabeth von Thüringen zeigt wenige inhaltliche Übereinstimmungen. So erzählt die Elisabethlegende der Elsässischen Legenda Aurea633, daß Guda, eine Jungfrau, die mit Elisabeth ab dem vierten Lebensjahr zusammengewohnt habe, ihre Wegbegleiterin als ein Vorbild für ein tugendreiches Leben gepriesen habe. Als Elisabeth fünf Jahre alt gewesen sei, habe sich schon beim Kinderspiel ihre Gottesnähe gezeigt. Ausführlich wird das demütige Verhalten des Kindes Elisabeth beschrieben, das schließlich mit dem Landgraf von Thüringen verheiratet worden sei. Auch ihre Demuts- und Askeseübungen führt Mennel aus. Elisabeth sei nach dem Tod ihres Mannes von ihrer Burg vertrieben worden und habe ein erbärmliches Dasein zusammen mit ihren Kindern in einem kleinen Haus gefristet. Man sei ihr in der Stadt mit Verachtung begegnet und schließlich habe ihre Mume, die Äbtissin zu Kitzingen, beim Bischof von Bamberg erreicht, daß er sich Elisabeths annehme. Man habe Elisabeth in Marburg eine Leimhütte gebaut, wo sie ihr Leben im Dienst der Armen verbracht habe. Selbst dem Wunsch ihres Vaters, des ungarischen Königs, in die Heimat zurückzukehren, um dort ein angenehmes Leben zu führen, habe sie sich widersetzt.

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Duft, J.; Berschin, W.: Balther von Säckingen. Sigmaringen 1994. S. 25. Vgl. dazu ebd., S. 22. Vgl. Kunze, K. (Hrsg.): Die Elsässische ‚Legenda Aurea’, Nr. 190, S. 824-826. Williams, U.; Williams-Krapp, W. (Hrsg.): Die ‚Elsässische Legenda Aurea’, Nr. 187, S. 809-814.

120 Die Mennelsche Legendenfassung634 von 1514, in der sich Elisabeth unter den heiligen Freunden des Hauses Habsburg befindet, kennt weder Guda, die Spielgefährtin Elisabeths, noch erzählt sie so ausfürlich, wie es die Elisbethlegende in der Elsässischen Legenda Aurea tut, von der demütigen und asketischen Heiligen. Der Schwerpunkt in Mennels Legende liegt auf der Heirat der ungarischen Königstochter mit dem thüringischen Landgrafen Ludwig, die durch den Vertrauten des hessischen Landgrafen, „Waltherus von Varilla“635, schon in früher Kindheit arrangiert worden sei. Hier wird von Ludwig, der die Versuchung des Teufels überwand, und Elisabeth, die sich gegen den von ihrer Mutter ererbten Reichtum wandte und den Entschluß faßte, die Krone niederzulegen, erzählt. Auch Ludwigs Kreuzzug an der Seite Kaiser Heinrichs wird erwähnt, ebenso Elisabeths Speisung der Armen während einer Hungersnot, wodurch sie den Zorn ihres Schwagers auf sich gezogen habe. Durch ihren Einsatz hätten sich auf wundersame Weise die Kornkammern gefüllt und ihr Mann habe ihr Handeln gebilligt. Besonders betont wird in Mennels Legende die Begebenheit, als Ludwig, bevor er den Kreuzzug ins Heilige Land unternahm, seiner Frau einen Ring mit einem magischen Stein geschenkt habe. Er habe ihr erklärt, daß sich der Stein aus der Ringfassung löse, sobald sein Schenker gestorben sei. Tatsächlich erfährt Elisabeth bei Mennel von dem Tod ihres Mannes im heiligen Land durch den magischen Ring. Sie sei daraufhin zusammen mit ihren Kindern von ihrem intriganten Schwager, Landgraf Heinrich, vertrieben worden und nach Elsnach zu den Barfüßermönchen geflohen. „Waltherus von Varilla“ habe dann aber dem Landgrafen Heinrich ins Gewissen geredet und erreicht, daß Elisabeth und ihren Kindern wieder das ererbte Land zurückgegeben wurde. Die Kinder hätten das Erbe angenommen, sie selbst habe aber nur ihre Morgengabe behalten. Im Jahre 1231 sei Elisabeth im hessischen Marburg verstorben, und vier Jahre nach ihrem Tod sei sie vom Papst, zwei Kardinälen und fünf Bischöfen in Anwesenheit Kaiser Friedrichs erhoben worden. Mennel konnte die Vita des Thüringers Dietrich von Apolda gekannt haben.

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In dessen

Lebensbeschreibung der heiligen Elisabeth finden sich sämtliche historischen Details wieder, die Mennel in der Elisabethlegende in der Elsässischen Legenda Aurea, die dort zum Normalcorpus zählte, vermissen mußte. So beispielsweise die Brautwerbung durch Walther von Vargula, dessen lateinische Namensform ‚Waltherus de Varilla’ Mennel – wahrscheinlich in Anlehnung an die lateinische Textvorlage des Dietrich von Apolda – wählte, und den Kreuzzug, den Ludwig mit Kaiser Friedrich I. unternahm637. Auch weiß Dietrich, im Gegensatz zur Elsässischen Legenda Aurea, von der Hungersnot in Hessen des Jahres 1225638 und von Elisabeths exaktem Todesdatum, 634 635 636

637 638

Vgl. cvp 3077**, fol. 1v-8v. Ebd., fol. 2r. Vgl. Dietrich von Apolda: Vita Sanctae Elisabeth, hrsg. von Monika Rener (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen, 33). Marburg 1993. S. 25 (fol. 178r). Ebd., S. 61ff (fol. 185rff.). Ebd, S. 55 (fol. 32r).

121 das er, sogar noch mit der Monats- und Tagesangabe, auf den 4. November 1231 legt.639 Den Ring allerdings, den Ludwig seiner Frau Elisabeth zurückließ, damit dieser ihr den Tod des Schenkers anzeige, beschreibt weder die Elsässische Legenda Aurea noch Dietrich von Apolda. Es muß Mennel beim Abfassen seiner Elisabethlegende also eine dritte Legendenfassung vorgelegen haben. Vielleicht hatte Mennel eine Einzellegende gelesen, in der auch volkstümliche Erzählelemente wie der zerbrochene Ring, der den Verlust des geliebten Partners anzeigt640, eingespeist worden waren. Auch in der Elisabeth-Vita des Verfassers von der Erlösung641, die Mennel durchaus auch bei Recherchen im Donaugebiet gelesen haben konnte – eine Handschrift des 14. Jahrhunderts lag beispielsweise in Donaueschingen642 - findet sich dieses Motiv des Ringes nicht wieder. Fest zu stehen scheint, daß Mennel nicht nur mit den bekanntesten Viten, die ihm, im Falle der Elisabeth-Vita in der Elsässischen Legenda Aurea, der Elisabeth-Vita des Verfassers von der Erlösung oder der Elisabeth-Vita des Dietrich von Apolda zur Verfügung standen, arbeitete, sondern darüber hinaus auch Legenden zu Rate zog, die offensichtlich lokale Varianten mit in die Erzählung aufgenommen hatten. Ein weiteres Beispiel für Mennels Umgang mit Einzellegenden ist die Dagobertlegende 643, die im Legendar von 1514 und 1518 erscheint. Darin erzählt er von dem ersten Bischof zu Straßburg, dem heiligen Amandus644, den einst der heilige Petrus in einem Traumgesicht dazu aufgefordert habe, König Dagobert aufzusuchen. Am selben Tag des Zusammentreffens von Amandus und Dagobert, so erzählt Mennel, habe die Königin ein Kind geboren, das von Amandus getauft worden sei. Amandus sei später zum Bischof von Utrecht ernannt worden. Auf den dringlichen Wunsch König Dagoberts und seiner Frau habe sich Amandus jedoch entschieden, Bischof von Straßburg zu werden. Nach der wundersamen Heilung eines Blinden, der durch das Waschwasser Amandus wieder sehend geworden sei, habe man ihn schließlich als heilig betrachtet. Dennoch hätten die Straßburger die Lehre Amandus` abgelehnt, weswegen der Heilige im Jahre 640 von Straßbug weg und in ein Kloster gegangen sei. Während Dagoberts Regierungszeit hätten nach Amandus der heilige Iustus, Maximius, Valentinus, Gelarnus und schließlich der heilige Arbogast das Straßburger Bischofsamt übernommen.

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641

642 643 644

Ebd., S. 114 (fol. 195r) Jungwirth, H.: Art. Ring. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. unter bes. Mitwirkung von E. Hoffmann-Krayer u. Mitarb. Zahlreicher Fachgenossen von Hanns Bächtold-Stäubli, Bd. VII. Berlin, Leipzig 1935/36. Sp. 702-724, Sp. 713. Auch der Verfasser der Erlösung, der Elisabeths Leben Ende des 13.Jahrhunderts in mittelhochdeutsche Verse faßte, kennt den Ring, durch den Elisabeth von Ludwigs Tod erfahren haben soll, nicht. Vgl. Der Verfasser der Erlösung: Das Leben der heiligen Elisabeth, hrsg. von M. Rieger (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, 90). Stuttgart 1868, Vers 4765ff. Vgl. Der Verfasser der Erlösung: Das Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen, S. 6. cvp 3077*, fol. 143r/v. Amandus (600- 680), in Elno begraben. Amandus wirkte unter anderm als Missionsbischof im fränkischfriesischem Grenzgebiet, er wirkte dann in der Diözese Tournai, zeitweise in Beauvasin und schließlich war er vermutlich der Bischof von Maastrich. Vgl. dazu Prinz, J.: Art, Amandus. In: LdMa, 1. Sp. 510 f.

122 Das Leben des heiligen Amandus fand sich im 15. Jahrhundert in einigen Handschriften des südwestdeutschen Raumes präsentiert. Alle Fassungen berichten von der Erscheinung des heiligen Petrus, wobei in ihnen der heilige Petrus dem heiligen Amandus nicht, wie Mennel schreibt, rät, König Dagobert aufzusuchen, sondern nur vorschlägt, nach Gallien zu gehen645: „Sedente autem eo in extasi mentis in gradibus ante fores ecclesiae, subito ei [sc. Amando] sanctus apparuit Petrus, blande leniterque eum adloquitur et, ut in Galliis ad praedicationem exercendam reverti deberet, admonuit.646

Auch findet sich in keiner der überlieferten Amanduslegenden die Aussage Mennels bestätigt, daß der Taufvater des heiligen Sigibert, Amandus, zugleich auch der erste Bischof von Straßburg gewesen sei. An dieser Stelle saß Mennel wahrscheinlich der von ihm schon in der Vorred zur Fürstlichen Chronik festgestellten Namensgleichheit verschiedener Personen auf. Wie er in seiner Quellenauflistung bestätigt, las er nämlich den Argentinensium episcoporum cathalogus647, dessen Autor Jakob Wimpfeling ist, der, ein Jahr nach Mennels Drucklegung seiner Passio, im Jahre 1507 bei Johannes Grüninger sein Werk zur Drucklegung gab.648 Im Straßburger Bischofskatalog führte Wimpfeling Amandus als ersten Straßburger Bischof an, und diesen Amandus identifizierte Mennel offensichtlich mit dem Taufvater Sigiberts. Auch Mennels Angabe, Amandus sei Bischof von Utrecht gewesen, bevor er nach Straßburg gekommen sei, findet sich in keiner der Legendenfassungen bestätigt. Aber auch hier könnte die Erklärung in einer fehlerhaften Kombinationsleistung Mennels bestehen: Wie in dieser Arbeit schon herausgestellt wurde, liefen Nachforschungen unter Mennels Regie in den Niederlanden649, so vielleicht auch in Utrecht. Dabei konnte er auf die Amanduslegende stoßen, die in einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert im Kartäuserkloster in der Nähe von Utrecht zu finden war650. Vielleicht entsprach es eher einem habsburgischen Wunschdenken als einem nachweisbaren historischen Fakt, daß die Bischöfe von Utrecht, vertreten durch den ‚Apostel der Belgier‘, Amandus, die Nähe zum habsburgischen Geschlecht gesucht hätten, die sich ja nach den Angaben der Mennelschen Genealogie in der Fürstlichen Chronik bewußt in die Tradition der Merowinger, also auch König Dagoberts, stellten. Nachdem nämlich Utrecht durch Bischof David von Burgund und seinem Nachfolger, Bischof Friedrich von Baden, der ein Vetter Maximilians I. war, nach der burgundischen Heirat in die habsburgische Machtsphäre gezogen werden sollte, mußte diese Legendenerzählung von der innigen Freundschaft zwischen einem Ahnen der Habsburger und 645 646 647 648

649 650

Vgl. Vita Amandi episcopi, hrsg. von Bruno Krusch.: In: MGH SRM, 5. S. 395-485. Ebd., S. 434, Kap. 7. cvp 3072*, fol. 11v. Der Widmungsbrief des Straßburger Bischofkatalogs ist datiert auf Straßburg, den 31. Dezember 1507. Vgl. dazu Herding, O.; Mertens, D. (Hrsg.): Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, S. 612ff., Nr. 236. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 115ff. Vgl. Vita Amandi episcopi, hrsg. von Bruno Krusch, S. 414. Die Angaben zur Handschrift B 5. c.). Bei dieser Handschrift handelt es sich um den Codex mit der Signatur Codex Utraiectensis bibliothecae universitatis n. 390.

123 einem angeblichen Utrechter Bischof begrüßenswert erscheinen.651 Amandus war nämlich in Maastricht - und das nicht einmal historisch gesichert - Bischof gewesen, und die Utrechter waren alles andere als daran interessiert, ihre städtische Autonomie gegen die Nähe zum Hause Österreich einzutauschen, nachdem sie sich seit dem 13. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Bischof als Stadtherren hart erkämpft hatten.652 Für die Arbeitsweise Mennels dokumentieren die Fehler in seiner Amandus-Vita, daß er genug Selbstbewußtsein besaß, Heiligenviten, wie sie Einzellegenden ihm boten, durch Informationen, die er beispielsweise Katalogen entnommen hatte, zu neuen Lebensläufen von Heiligen umzuschreiben. Anzunehmen ist, daß auch politische Intentionen, wie beispielsweise die Sorge der Habsburger um die Kontrolle der Stadt Utrecht, für manche kleine inhaltliche ‚Korrektur‘ der Legenden verantwortlich ist. In diesem Sinne arbeitete Mennel seine Legenden tendenziös aus. Resümierend kann an diesem Punkt der Untersuchung festgehalten werden, daß Mennel zu Beginn seiner Forschungsarbeit im Dienste Maximilians I. zunächst Chroniken und Legendare sowie Einzellegenden konsultierte, die - sei es durch sein Beziehungsnetz oder die geographische Nähe ihrer Verwahrungsorte zu Freiburg - für Mennel leicht zugänglich waren. Ab 1509, dem Zeitpunkt seines Wienaufenthaltes, stand ihm weiteres Material für die Heiligenlegenden durch die Vorarbeit des Ladislaus Sunthaym zur Verfügung. Mit diesem Material war er in der Lage, einzelne Legenden, wie er es beispielsweise bei der Legende des heiligen Ulrich tat, anzureichern. Am Beispiel des heiligen Jos und der heiligen Odilia zeigte sich, daß Mennel Informationen im Sondergut der Elsässischen Legenda Aurea beziehungsweise an ihren Kultstätten im Breisgau zu einer eigenen Legende formte.

4.3.2

Werke englischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden

Die Legende des Bonifaz beginnt bei Mennel mit dem Hinweis, daß dieser der Erzbischof zu Mainz gewesen sei.653 Genealogisch verortet ihn Mennel als den „natúrlichen vetter“ der heiligen Walburga. Er habe vorher Winfried geheissen und sei „von júgennd an“ Diener Gottes gewesen. Der heilige Bonifaz sei zuerst zu seinem Vetter Willibrod, dem Bischof von Utrecht, gezogen und auf dessen Rat schließlich zu Papst Stefan IV. nach Rom gegangen, um von diesem die Erlaubnis zur Predigt zu erhalten. Winfried habe sich daraufhin erfolgreich gegen Ketzer erhoben und sei als Missionar in ganz Franken bekannt geworden. Diese Beliebtheit des Missionars sei für Karl den 651 652

653

Vgl. dazu Große, R.: Art. Utrecht. In: LdMa, 8. Sp. 1349-1352. Zu den Autonomiebestrebungen der Utrechter vgl. Winter, J. M. von: Verfassung und Verwaltung im spätmittelalterlichen Utrecht. In: Verwaltung und Politik in Städten Mitteleuropas, hrsg. von Wilfried Ehbrecht (Städteforschung A/34). Köln, Weimar, Wien 1994. S. 47-54. Vgl. cvp 3077**, fol. 61v- fol. 63v.

124 Großen ausschlaggebend gewesen, Winfried ein zweites Mal nach Rom zu schicken, um ihn zum Bischof weihen zu lassen. Tatsächlich sei Winfried daraufhin Erzbischof zu Mainz geworden und der Papst habe ihm den Namen Bonifaz „von der gůten sachen wegen, er in der hayligen kirchen gethon“654 gegeben. Bonifaz habe in Thüringen missioniert und sei in Friesland gemartert worden. In Fulda habe man ihn in seiner Stiftungskirche begraben. Diesem kurzen biographischen Überblick fügt Mennel einen Brief an, den Bonifaz an Echelbaldus, den König von England, geschrieben habe. Diesen Brief habe er, so Mennel, bei „helinandus“ gefunden. Hélinand de Froidmont hatte im 13. Jahrhundert eine Weltchronik verfaßt655, worin er den von Mennel zitierten Brief folgendermaßen einleitet: „(754.) Carolomannus monachus Viennae moritur. Sanctus Bonefacius Mangontinus episcopus cum sociis suis in Frisia martyrizatur; et in Fulda coenobio, quod ipse in Thoringia construxerat et fundaverat, honorifice tumulatur. Hic Bonefacius, natione Anglus, scripsit epistolam Ethelbaldo Anglorum regi: cuius genealogia Willelmus Malmesburiensis hoc modo scribit […]656

Im Jahre 754 sei Karlmann, so berichtet Hélinand, in Wien gestorben und der heilige Bischof von Mainz, Bonifaz, zusammen mit seinen Glaubensbrüdern in Friesland gemartert worden. Er sei in seiner Stiftskirche im thüringischen Fulda, die er selbst erbaut habe, ehrenvoll beigesetzt worden. Dieser Bonifaz, der ein gebürtiger Engländer gewesen sei, habe einen Brief an den englischen König Echelbaldus geschrieben. Im Anschluß an diese Einleitung gibt Hélinand ausführlich die Genealogie wieder, die der lateinische Geschichtsschreiber Wilhelm von Malmesbury657 zu König Echelbaldus bietet, und kommt danach zur Wiedergabe des Briefes. Die Legenden der englischen Heiligen ermöglichen ein weiteres Mal einen direkten Textvergleich. Der heilige englische König Edgar und sein Sohn Edmund tauchen schon in der ersten Fassung des habsburgischen Heiligenlegendars mit eigenen Legenden auf, bei deren Lektüre auffällt, daß die jeweilige Erzählung um den heiligen Bischof Dunstan658 kreist, Edgar und Edmund dabei aber vergleichsweise wenig in Erscheinung treten. In einer dritten Legende, die das Leben des englischen Königsohnes und Märtyrers Eduard erzählt, findet sich schließlich ein Quellenverweis Mennels: In der „legennd Santi dunstani“659 seien weitere Informationen enthalten, die Dunstans Rolle in der englischen Geschichte vorstellen würden. Heute sind fünf Versionen der Dunstan-Vita

654 655

656 657

658 659

Ebd., fol. 62r. Ein großer Teil der Bücher dieser Weltchronik, die verlorengegangen sind, findet sich fragmentarisch im Speculum Maius des Vinzenz von Beauvais überliefert, vgl. dazu Bourgain, P.: Art. Hélinand de Froidmont. In: LdMa, 4. Sp. 2120 f. Helinandus: Chronicon. Liber quadragesimus quintus. In: PL, 212. S. 772-1082, S. 826. Wilhelm von Malmesbury (1090-1143), lateinischer Geschichtsschreiber englischer und normannischer Herkunft, war Bibliothekar des englischen Klosters Malmesbury. Vgl. Wieland, G.: Art. Wilhelm von Malmesbury. In: LdMa, 9. Sp. 173f. Zu seinem Leben vgl. die Monographie von Thomson, R. William of Malmesbury. Bullough, D. A.: Art. Dunstan. In: LdMa, 3. Sp. 1463 f. cvp 3077**, fol. 68v.

125 bekannt.660 Ein inhaltlicher Vergleich soll klären, auf welche Legendenversion sich Mennel bezog. Mennels Edgar-Vita beginnt mit dem Hinweis, daß dieser englische König im Alter von sechzehn Jahren, zu Zeiten Kaiser Ottos, die Herrschaft übernommen habe.661 Bei seiner Geburt habe der heilige Dunstan eine himmlische Stimme gehört, die Edgar und Dunstan als die Wohltäter Englands gepriesen habe. Edgar habe sechzehn Jahre lang regiert und jedes Jahr ein neues Kloster gestiftet. Detailliert berichtet Mennel von Edgars disziplinarischen Maßnahmen gegenüber anderen Königen, die ihm untertan und tributpflichtig waren662, und insgesamt zwei Drittel der Edgarlegende stellen den Heiligen als Herrscher vor. Erst im letzten Drittel geht Mennel auf das Verhältnis des heiligen Dunstan zu seinem königlichen Schützling ein: An einem „feyrtag“ habe Edgar den heiligen Dunstan gebeten, mit ihm zusammen die Messe zu feiern. Als Dunstan auf Edgar gewartet habe, hätte Dunstan plötzlich Engelsstimmen gehört. Als der König nicht wie verabredet, sondern zu spät zur Messe gekommen sei, habe Dunstan sich geweigert, noch einmal eine Messe mit ihm zu feiern. Die Engelsstimmen hätten gesagt, daß seine Messe für diesen Tag beendet sei. Dunstan habe dem König die Strafe auferlegt, von nun an nicht mehr am Sonntag jagen gehen zu dürfen. Reuig habe der König sich der Strafe gefügt. Im Alter von dreiunddreißig Jahren sei Edgar gestorben, Wunder verkündeten seine Heiligkeit.663 Die Engelsstimmen und die Strafe des sonntäglichen Jagdverbotes findet sich nur in der Legendenversion des Benediktinermönches in Canterbury, Eadmer664, beschrieben: „Tum subito sopore leviter pressus in coelum rapitur [sc. Dunstanus], et beatis angelorum agminibus associatus, audit eos summae Trinitati in laudem modulatis vocibus decantantes atque dicentes ‚Kyrie eleyson, Christe eleyson, Kyrie eleyson, Christe eleyson, Kyrie eleyson‘. Quorum melodiam coelestium contemplator edoctus ad se reversus est. Et conversus ad suos interrogat rexne venerit annon. At ubi eum nondum venisse accepit ad suas preces sese convertit. Factoque non grandi intervallo, iterum extra se ductus audivit in coelis altisona voce dici: ‚Ite, missa est‘. Ad quod cum ‚Deo gratias‘ responderetur, accurrentes clerici regis regem adesse vociferantur, sacerdotem ut festinatius Missam celebret obsecrant. At ille versus ab altari Missam se habere pronunciat, et aliam se ea die celebraturum abnegat. Depositisque vestibus sacris a suis de re inquiritur, quod latebat operitur. Ex hoc itaque sumpto sermone regem in diebus Dominicis deinceps a venatu prohibuit.“665

Mennel übersetzt folgendermaßen: „Als sich nun der Bischoff wie sich geburt angethon ob dem altar des kunigs wartet, do ist dunstanus mit sanfftem schalff enntmasszet In den himel verzúckt, und gehört die stimmen der enngel singennde: ‚kyrieleyson‘, do ist er erwachen und noch ain wenig gewortet. Aber verzúckt und hat gehört mit hoher Stimm: ‚gond hin die Mess ist 660

661 662 663 664

665

Vgl. Memorials of Saint Dunstan, Archbishop of Canterbury, ed. by William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores, 63) Reprint d. Ausg. London 1874. Nendeln 1965. S. l ff. cvp 3077**, fol. 67r. Vgl. dazu die ausführlichen Angaben in cvp 3077**, fol. 67r. Vgl. Ebd., fol. 68r. Eadmer (1060-1128), Oblate und Mönch in Christchurch (Canterbury). Zu seinem Leben vgl. Schnith, K.: Art. Eadmer. In: LThK, 3. Sp. 419f. Memorials of Saint Dunstan, Archbishop of Canterbury, ed. by William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores, 63) Reprint d. Ausg. London 1874. Nendeln 1965, S. 207, cap. 30.

126 geschehen‘ und darauff die antwort ‚deo gratias‘. Do ist das volck zúgeloffen und ersprochen der kunig ist da, denen hat er geantwor er hab mes gehört, desshalb unnot des tags weyter zemessenn. Er ist vom kunig gefragt worden warumb also saget und warumb er nit wölt mess haben, do het er Im die gesicht geoffenbaret und aus dem ursach genomen dem kunig zeerbeten das er hinfur nit mer am sonntag jagen solt, welche straff der haylig kunig gehorsamlich angenomen hat […]“.666

Die wörtlichen Übereinstimmungen, die sogar bis zu Wortfolgen reichen, beweisen, daß Mennel eine teilweise wörtliche Übersetzung der lateinischen Legende des Eadmer anfertigte und sie in seine Version der Edgarlegende einarbeitete. Der Legendensammler Surius667 gab 1573 die Dunstanvita in seinen Acta Sanctorum heraus und erkannte in ihr das Werk des Osbern, obwohl ihr Verfasser Eadmerus war. Diese Vita war bis zu ihrer Beschreibung durch Surius unter anonymen Autorennamen zirkuliert.668 Vielleicht kam sie in Mennels Hände, nachdem er den Hinweis bei Wilhelm von Malmesbury, der in seiner Beschreibung auf die Dunstanvita des Osbern verwies, gefolgt war, dann aber die Eadmer-Vita fand, die unter dem Namen des Osbern lief.669 Jedoch war die Dunstanlegende des Eadmer für Mennel nicht die einzige Vorlage der Edgarlegende, was sich daran erkennen läßt, daß die Dunstan-Vita nach Eadmer nicht jene detaillierten Namensangaben bietet, die Mennel bei der Auflistung jener Könige vorliegen haben mußte, die sich König Edgar unterordneten. Doch auf diese Quelle findet sich zunächst bei Mennel zunächst kein Hinweis. Analysiert man dann aber die Vita seines Sohnes Eduard, so liest man zunächst, daß ein Komet bei der „königlichenn gassen Calma“ in jener Zeit gesehen worden sei, als Eduard zusammen mit seinem Vater Edgar dreieinhalb Jahre lang die Regierungsgeschäfte geführt habe. Erzbischof Dunstan habe damals die Hälfte der „Ingedrungen und lasterlichenn priester“ vertrieben, und nachdem Kriege erwachsen und Kirchen zerstört worden seien, habe „die göttlich Rach gestrafft hat, wie dann sollichs weyters Inhalts in der legennd Santi Dunstani gemerckt wurd“.670 Darauf folgt in der Eduardlegende die Geschichte von der neidischen Stiefmutter Elfrida, die den Sohn mit einem Gifttrank getötet habe, weil Dunstan den heiligen Eduard als seinen ältesten Sohn zum König gesalbt habe. Göttliche Lichter seien daraufhin am Leichnam Eduards erschienen und ein Pferd habe sich geweigert, Elfrida zu tragen, was sie als Mörderin Eduards entlarvt habe.671 Der Verweis auf den Kometen, den Mennel an den Anfang der Eduardlegende setzt, fehlt bei Eadmers. Auch die detaillierte Beschreibung des hinterlistigen Mordes, dem Eduard durch den Plan seiner neidischen Stiefmutter Elfrieda zum Opfer gefallen sein soll, findet sich bei Eadmer nur allgemein formuliert, nämlich, daß der Königssohn „per fraudem novercae suae“ getötet worden 666 667 668 669

670 671

cvp 3077**, fol. 68r. Vgl. Memorials of Saint Dunstan, Archbishop of Canterbury, ed. by William Stubbs, S. LIf. Ebd. Wobei auch die Vita des Eadmer hauptsächlich auf der Osbernvita basierte. Ein Ausführliches Kapitel zum Eadmer als ersten Anglo-romanischen Autor bietet Gransden, A.: Historical Writing in England c. 550 to c. 1307. New York 1974. cvp 3077**, fol. 68v. Vgl. ebd., fol. 69r.

127 sei. Mennel folglich auf andere literarische Quellen zurückgegriffen haben. Doch auch die anderen überlieferten Versionen der Dunstanvita erzählen nicht die Details des Meuchelmordes und die Entlarvung Elfriedes als Mörderin ihres Stiefsohnes. Es ist Wilhelm von Malmesbury, der von alle dem - dem Kometen, dem Mord und der Bluttat Elfriedes - in seinen Gesta Regum Anglorum schreibt.672 Elfriede habe Edmund, während er von ihr einen Becher zur Erfrischung gereicht bekommen habe, erdolchen lassen. Das Pferd, auf dem sie nach dieser Bluttat habe reiten wollen, habe sich ihr verweigert und sie auf diese Weise als Mörderin bloßgestellt. Im Gegensatz zu Mennel führt Wilhelm Elfriedes Reue für die Bluttat aus. Für die Legende Eduards ‚des Bekenners‘ konnte Mennel also auf die Erzählung der Gesta gentis Anglorum des Wilhelm von Malmesbury zurückgreifen. Nach Eduard ‚dem Bekenner‘ stellt Mennel den englischen Heiligen Eduard ‚den Märtyrer‘ vor. Auch er ist ein englischer Königssohn673, der als Jugendlicher während Unruhen in England zu seiner Sicherheit nach „Neuösterreich“ gebracht worden sei. Nachdem sein Vater aber gestorben und seine zwei Brüder umgebracht worden seien, hätten ihn Freiherren zurück nach England gebracht, um ihn zum König Englands krönen zu lassen. Eduard habe friedlich und gerecht regiert und ein heiliges Leben geführt. Geheiratet habe er Egita, eine Tochter Godwins, der seine beiden Brüder umgebracht habe. Zur Strafe sei Godwin beim Essen am Tisch erstickt, sein Sohn sei vom Pferd gestürzt, ertrunken, und Godwins Frau vom Blitz getroffen worden. Auch Wilhelm von Malmesbury beschreibt die Tumulte unter der Regierung von Eduards Vater Ethelred674. Von einem Aufenthalt des jungen Edward in Neuösterreich und von seiner Rückkehr nach England unter dem Begleitschutz von Freiherren, um dort die Krone zu empfangen, schreibt Wilhelm jedoch nichts. Seine Version lautet anders: Edward habe sich im Exil in Normannia befunden, wo Godwin den Königssohn aufgesucht und zur Rückkehr überredet habe. Godwin habe Edward alles versprochen, was ihm für die schlechten Umstände der Zeit passend erschien zu versprechen: „Nihil erat, quod Edwardus pro necessitate temporis non polliceretur“.675 Wilhelms Eduard schenkt den Lügen Godwins Vertrauen und heiratet daraufhin dessen Tochter Egita, mit der er in Josefsehe lebte. Den Erstickungstod Godwins erklärt Wilhelm, übereinstimmend mit Mennel, als Rache Gottes für die Morde an Eduards Brüdern676. Die Passagen aber, die bei Wilhelms das Ausmaß der Schandtaten Godwins und seiner Söhne beschreiben, 677 bleiben bei Mennel unzitiert.

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673 674 675 676 677

William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque. Historiae novellae libri tres, ed. from manuscripts by William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores ; 90). Repr. d. Ausg. London 1887 1889. New York, cap. II, § 161- §163. cvp 3077**, fol. 70r. William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque, cap. II, § 196. Ebd., II, § 197. Vgl. cvp 3077**, fol. 70v und William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque II, § 197. William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque II, § 196.

128 An diesem Vergleich der Edwards-Vita Mennels und der Darstellung Wilhelms von Malmesbury zeigt sich deutlich, daß Mennel gezielt Informationen aus seiner Vorlage herauskürzte, die den Herrscher Eduard defizitär erscheinen lassen konnten. Mennels Eduard ist nicht, wie bei Wilhelm, zunächst das Werkzeug des intriganten Godwin, und seine Ehe mit Egita gerät bei Mennel auch nicht unter den Verdacht, ein Geschäft mit ihrem Vater Godwin gewesen zu sein. Mennel stilisiert den englischen König zu einem untäuschbaren Menschen, den der Adel, nicht die Intrige eines Einzelnen, nach England zurückbrachte, um dem Reich wieder Ruhe und Ordnung zu geben. Auch König Eduard findet sich bei Wilhelm von Malmesbury beschrieben. Daß Mennel auch ihn zur Vorlage seiner Edgar-Vita wählte, zeigt schon zu Beginn der Legende der Engelsgesang bei der Geburt Edgars, den Mennel mit „frid sey dem Engelland, so lang das kind regieren und unser dunstano in lebenn ist,“678 aus Wilhelms Werk übersetzt, wo der Gesang mit den Worten „Pax Angliae, quamdiu puer iste regnavert et Dunstanus noster vixerit“679 wiedergegeben wird. Auf den Gesang der Engel folgt bei Mennel die Angabe, Edgar habe sechzehn Jahre lang regiert und jedes Jahr ein Kloster gestiftet. Bei Wilhelm umfaßt diese Angabe der kurze Hinweis, daß unter Edgar die Kirche „geglänzt habe“ und „aufgeblüht“ sei: „[…] splendor effloruit […]“.680 Beim Engelsgesang orientiert sich Mennel also zweifellos an der Wortwahl und bei der Schilderung von Edgars Taten für Reich und Kirche an der Semantik Wilhelms von Malmesbury. Daß Mennel aber auch in der Edgar-Vita, genauso wie er es bei der Eduard-Vita tat, Angaben Wilhelms bewußt nicht übernahm, beweisen Textstellen in der Edgar-Vita, die König Edgars Machtfülle und Taten als weltlicher Herrscher thematisieren. In der Aufzählung der Könige, die sich Edgar unterwarfen, stimmen Mennel und Wilhelm von Malmesbury noch überein681. Als Mennel schließlich auf den sogenannten ‚Wolfstribut‘682und Edgars Fahrten gegen die Seeräuber683 zu sprechen kommt, fällt auf, daß er die Informationen, die Wilhelm ihm zu dieser Thematik bot, selektiert. Dabei wählt er Passagen, die Edgar als gerechten und friedvollen Herrscher beschreiben, für seine Legendenfassung aus, läßt aber Informationen weg, die Wilhelm als Beweis für Edgars Heiligkeit anführt. So sei Edgar eines Tages, erzählt Wilhelm, bei der Jagd alleine zurückgeblieben, und bei der Rast unter einem Baum, der an einem Fluß stand, habe eine Stimme zu ihm „Bene est Tibi!“684 gesagt. Daraufhin sei ihm ein kleiner Krug über dem Wasser erschienen, der wenig später von einem großen Krug mit Wasser überschüttet worden sei. Der kleine Krug habe dieses Wasser aber nicht aufgenommen und sei leer geblieben. Und obgleich der große Krug dem kleinen Krug 678 679 680 681 682 683 684

cvp 3077**, fol. 67r. William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque II, § 148. Ebd. Ebd. II, § 148. Ebd., II, § 155. Ebd., II, § 156. Ebd., II., § 154.

129 häufig sein Wasser gegeben habe, blieb der kleine Krug leer. Auf diese Weise sei der kleine Krug gleichsam als Sieger über den großen Krug mit hochmütiger Geste immer leer zurückgewichen, obgleich der große Krug ihn unaufhörlich mit Wasser bedrängt habe. Edgars Mutter, so Wilhelm, habe diese Vision ihres Sohnes folgendermaßen interpretiert: Einst würden Völker, die ebenfalls am Wasser lebten und zahlreicher seien als die Engländer, nach Edgars Tod England bedrängen, gleichsam wie der große Krug den kleinen Krug mit Wasser bedrängt habe. Der kleine Krug aber, ein Bild für England, würde diese Flut der Eindringlinge jedoch vertreiben und am Ende siegreich bleiben. Es verwundert zunächst, daß Mennel gerade diese Geschichte nicht in seiner Edgar-Vita verarbeitet, obwohl sie Edgars göttliche Bestimmung zu einem mächtigen Herrscher beschreibt. Dagegen zitiert Mennel ausführlich Edgars erhöhte Stellung gegenüber den anderen Königen, deren Zeichen der ‚Wolfstribut‘ ist: Von dem welschen König Judvalus habe Edgar gefordert, ihm jährlich dreihundert Wölfe als Tribut zu bringen. Edgar sei nämlich der Überzeugung gewesen, daß ein Herrscher, der wilde Tiere, die nach Blut lechzten, aus seinem Land vertreibe, auch selbst das Gut anderer nicht begehrte. So diszipliniert Edgar die anderen Herrscher, die durch sein Eingreifen zu friedvollen und gerechten Königen werden. Auch der Kampf gegen die Seeräuber findet bei Mennel Beachtung. Edgar habe Kenneth, den König der Schotten, dazu gezwungen, sich ihm zu unterwerfen. Aber auch hier unterwirft Edgar uneigennützig: Er verpflichtete nämlich Kenneth, jährlich Schiffe zum Kampf gegen die Seeräuber bereitzustellen. Damit würde das Leben der anderen Völker auf der Insel und auf dem Meer sicherer: „Omni aestate, emensa statim Paschali festivitate, naves per omnia littora coadunari praecipiebat; ad occidentalem insulae partem cum orientali classe, et illa remensa cum occidentali ad borealem, inde cum boreali ad orientalem remigare consuetus; pius scilibet explorator, ne quid piratae turbarent. Hyeme et vere omnes provincias equitando, iudicia potentiorem exquirebat, violati iuris severus ultor: in hoc iustitiae, in illo fortitudini studens; in utroque rei publicae utilitatibus consulens“.685

Mennel nimmt den Wolfs- und den Schiffstribut in die Edgar-Vita auf. Er unterscheidet allerdings nicht die Könige nach der Art ihres Tributes sondern läßt Judvaldo beide Tribute gegenüber Edgar leisten: „[…] also hat er [sc. Edgar] in gebeten ains yeden Sommers nach ostern alle Schiff an allen an allen gestaden zůversammelen, ist aúch selbs in ain schiff gestigen und das mör umbfarn die Mer Mörder und Raúber ze dennen und ze winterzeyt ist er dúrch die lannd geritten auff das er die Roúber abthett, er hat die gericht der Mächtigenn erfordert, damit sy das recht nit zerstörtenn“.686

Mennel nimmt für die Edgar-Vita genau jene Passagen aus den Gesten des Wilhelm von Malmesbury, die Edgars Größe Stärke und Gerechtigkeit unterstreichen. Dazu gehörte die Namensliste der von Edgar unterworfenen Könige und die Schilderung ihrer Tributleistungen. 685 686

Ebd., II., § 156. cvp 3077**, fol. 67v.

130 Allem Anschein nach modellierte Mennel in seiner Edgarlegende ein Herrscherbild, in dem Edgar allen Völkern der britischen Inseln Frieden und Gerechtigkeit bringt. Unter ihm einen sie sich zu einem Reich, in dem die jeweiligen Fürsten dem Herrscher ihren jährlichen Tribut leisten. Allein in geistlichen Fragen unterwirft sich Edgar der Kirche, die der heilige Dunstan repräsentiert – diese Thematik hatte Mennel Eadmer entnommen. Auch zum heiligen Oswald, den Mennel ebenfalls in seine Legendarfassung von 1514 aufnimmt 687, schreibt Wilhelm in seinem historiographischen Werk. Er beziehe sich bei ihm, wie auch im allgemeinen bei seinen Ausführungen über die Könige der Westsachsen und Westangeln, auf Beda Venerabilis688: „De sanctitate regum Orientalium Saxomnum et Orientalium Anglorum Beda multa retulit; quorum regnorum genealogiam huius operis primo libro breviter intexui, quia plena gesta regum nusquam potui reperire“.689

Es folgt Wilhelms Bericht zum Leben des heiligen Edmund690, der allerdings nicht, wie Wilhelm betont, bei Beda behandelt werde. Edmund sei, so Wilhelm, enthauptet worden. Da sein abgeschlagenes Haupt noch habe sprechen können, sei es gefunden und Edmunds Leichnam in eine für ihn erbaute hölzerne Kapelle gebracht worden. Drei wundersame Begebenheiten unterstreichen bei Wilhelm die Heiligkeit Edmunds: Zuerst sei ein zahmer Wolf dem Leichenzug gefolgt, dann sei Edmunds abgeschlagenes Haupt wieder an den toten Körper angewachsen und eine Frau namens Oswen habe jährlich Edmund Haare und Nägel schneiden müssen, da sie auf wundersame Weise bei dem Toten nachwuchsen. Da Mennel in seiner Edmundlegende691 von denselben Begebenheiten aus dem Leben des Heiligen erzählt, orientierte er sich wohl auch hier an Wilhelm von Malmesbury. Zu den literarischen Legendenvorlagen englischer Historiographie, die Mennel verwendete, bleibt folgendes festzuhalten: Mennel fand nachweislich eine Vorlage zu den Heiligenlegenden von Edmund dem Bekenner, König Edgar und Emund dem Märtyrer in den Gesta Anglorum des Wilhelm von Malmesbury. Offensichtlich wurde er auch durch einen Textverweis in Wilhelms Bericht auf die Dunstanlegende des Eadmerus aufmerksam. Betrachtet man auf dem Hintergrund dieser Erkenntnis die Anordnung der Legenden in Mennels Legendarteil von 1514, in dem die heiligen Freunde des Hauses Habsburg stehen, so fällt grundsätzlich auf, daß die Legenden nicht in der chronologischen Reihenfolge stehen. König Edgar, 687 688

689 690 691

Ebd., fol. 76v-83v. Beda Venerabilis (673-735). Von seiner Historia ecclesiastica gentis Anglorum sind mehr als 160 Handschriften überleifert, was die Wichtigkeit seines Werkes anzeigt. Vgl. dazu Becker, W.: Art. Beda Venerabilis. In: LdMa, 1. Sp. 1774-1778. William of Malmesbury: De gestis regum Anglorum libri quinque II, § 213. Ebd. Vgl. cvp 3077**, fol. 75v-76r.

131 sein Sohn Eduard ‚der Märtyrer’ und Eduard ‚der Bekenner’ stehen vor der heiligen Edeldrude, auf sie folgen Edmund I. und Edmund II. Erst an deren Legenden reiht Mennel die Legende des heiligen Oswald an, auf dessen Vita bei Beda Venerabilis Wilhelm zwar verwies, aber nichts zu dessen Leben erzählte. Die Reihenfolge der Legenden der genannten englischen Heiligen unterliegt in Mennels Legendar keinen chronologischen Gesichtspunkten. Entweder stellte sie Mennel zufällig in diese Reihenfolge, oder er nahm sie in der Reihenfolge seiner Legendenlektüre in das Legendar auf. War letzteres der Fall, so las Mennel zuerst die Gesta Regum Anglorum Wilhelms von Malmesbury und entnahm dort die Informationen zu den Heiligen Edgar, Eduard ‚dem Bekenner’ und Edmund ‚dem Märtyrer’. Beim Abfassen der Edgar-Vita folgte er Wilhelms Verweis auf die Dunstanvita und flocht sie in die Edgar-Vita ein. Daraufhin verwertete er Wilhelms Nachrichten über Eduard ‚den Bekenner’ und Eduard ‚den Märtyrer’ in ihren jeweiligen Legenden. Er muß dann dem zweiten Textverweis Wilhelms, den dieser nach der Vita Eduards ‚des Märtyrers’ gab, gefolgt sein und zur Recherche der heiligen Könige der Westangeln und -sachsen Beda Venerabilis befragt haben. Daher folgt auf den heiligen Eduard ‚dem Bekenner’, der jünger ist als Oswald692, bei Mennel auch die Legende des heiligen Oswald. Doch auch den englischen Historiographen Beda las Mennel nicht nur aus zweiter Hand bei Wilhelm. In der Legende der englischen Königstochter Edeldrude, die im Legendarteil der heiligen Freunde von 1514 auf die Legende von Eduard ‚dem Bekenner‘ folgt, gibt Mennel Beda ausdrücklich als seine Quelle an: „Beda Im XIIII underschaid seins bůchs von den Enngellender schreybt also, das sy gewesenn ist ain dochter Anne, des aller Crystenlichs königs von Enngellannd […]“.693 Edeldrudes Schwestern seien Edelburga und Sexburga gewesen. Mennel beschreibt kurz den Lebensweg beider Schwestern und geht dann zur heiligen Edeldrude über: Nach dem Entschluß, ins Kloster zu gehen, sei sie in der Stadt Collindus mit dem heiligen Pilfried zusammengetroffen, von dem sie die Weihe empfangen habe. In dem Land Elgo wurde sie Äbtissin und in der Provinz der „orientischenn engellender“ habe sie auf einer Insel „Ir closter ernstlich gúberniert“. 694 Nach schwerer Krankheit sei sie Jahre später am 23. Juni verstorben. Ihre Schwester Sexburga habe nach ihr die Klosterleitung übernommen. Nachdem diese nach sechzehn Jahren den Leichnam ihrer Schwester in einen Marmorsarg habe umlegen lassen, habe sie Edeldrudes Körper unverwest vorgefunden, deren Todeswunde noch offen gewesen sei.695 Beda erzählt in der Historia ecclesiastica gentis Anglorum zwar nicht, wie Mennel sagt, im vierzehnten, aber im neunzehnten Kapitel die Geschichte von „Aedylthryda“, die er als eine „filia Annae regis Anglorum“ vorstellt und darauf hinweist, daß sie der König der Ostangeln Ecfrith

692 693 694 695

Oswald fiel 642 im Kampf gegen den heidnischen König Penda, Eduard wurde 978 meuchlings ermordet. cvp 3077**, fol. 72r. Ebd., fol. 72v. Ebd., fol. 73r.

132 geehelicht habe.696 Edeldrudes erster Mann habe Tondberth geheißen. Wie Mennel berichtet auch Beda, daß Edeldrude unbefleckt geblieben sei, und sie stimmen darin überein, daß sie mit der Erlaubnis ihres Mannes von Bischof Wilfried den Nonnenschleier angenommen habe. Sie sei dann nach Coldingham gegangen, wo das Kloster der Äbtissin Aebbe liege. Wie schon bei Wilhelm von Malmesbury beobachtet, übernimmt Mennel auch von Beda nicht alle Ausführungen, sondern kürzt auch hier mit Bedacht. Stellen, an denen Beda selbst angibt, keine sicheren Informationen vorliegen zu haben, läßt Mennel weg. So übergeht Mennel Bedas ausführliche Schilderung von der Askese Edeldrudes, die stets Kleider aus Leinen getragen, ein warmes Bad gemieden und nie den morgendlichen Gottesdienst verpaßt habe. Das Sterben Edeldrudes formuliert Beda vage: „Sunt etiam, qui dicant, quia per prophetiae spiritum et pestilentiam, qua esset ipsa moritura, praedixerit, et numerum quoque eorum, qui de suo monasterio hac essent de mundo rapiendi, palam cunctis praesentibus intimaverit“.697

Manche sagten, so Beda, daß Edeldrude nicht nur eine Epidemie vorausgesagt, sondern auch die Zahl der Opfer im voraus genannt habe. Sie selbst sei schließlich an dieser Seuche gestorben. Von dieser Version ihres Todes weiß Mennel nichts. Die Zeit im Kloster kommentiert er mit einem knappen „[…] hat Ir closter ernstlich gúberniert“ und bemerkt, daß sie „mit gar ainer schweren krankhayt beladen“698 am 23. Juni gestorben sei. Mennel wußte sich also durchaus von Bedas Angaben, wenn auch unkommentiert, zu distanzieren. Als konkrete Vorlagen konnte Mennel unzählige Drucke oder Handschriften der Gesta Regum Anglorum des Wilhelm von Malmesbury und der Historia ecclesiatica Bedas zur Hand nehmen, da es von Bedas Kirchengeschichte im Mittelalter unzählige Handschriften und Drucke gab699; was auch für die Historia regum Anglorum des Wilhelm von Malmesbury gilt. Zu entscheiden, welches Exemplar Mennel vorliegen hatte, ist geradezu unmöglich, da er einmal mit wenig Aufwand – denkt man an sein wahrscheinliches Beziehungsnetz - an den Druck von Bedas englischer Kirchengeschichte aus dem Jahre 1506 gelangen konnte, den Heinrich Gran für Johannes Rynman zu Hagenau angefertigt hatte.700 Der dritte Autor englischer Geschichte ist Geoffrey von Monmouth, der im 12. Jahrhundert seine Geschichte der anglo-normannischen Könige verfaßt hatte.

696

697 698 699

700

701

701

Auf ihn bezieht sich Mennel

Beda Venerabilis: Historia ecclesiastica Gentis Anglorum. Textum secundum editionem, ed. Günter Spitzbart. Darmstadt 1997. S. 374, c. 19. Ebd. S. 376. cvp 3077**, fol. 42v-43r. Becker, W.: Art. Beda Venerabilis II. Beda als lateinischer Schriftsteller, 2. Teil. In: LdMa, 1. Sp. 1776-1778: Mehr als 160 Handschriften sind bis ins Spätmittelalter überliefert. Boeck, A.: Frühe Drucke von Werken des Beda Venerabilis. In: Karolingische Beda-Handschriften aus St. Maximin, hrsg. von der Stadtbibliothek Trier. Rier 1990. S. 70-79, S. 71, Nr. 45. Geoffrey von Monmouth (1090-1155) verfaßte seine Historia regum Britanniae 1138. Die Historia bestimmten in Westeuropa das Geschichtsbild. Vgl. dazu Pilch, H.: Art. Geoffrey von Monmouth. In: LdMa, 4. Sp. 1263 f.

133 ausdrücklich in der Vita der heiligen Ursula, als er nämlich drei Meinungen über ihre Herkunft einander gegenüberstellt. Geoffrey schreibe, daß „Ir vater gehayssen hab dionotus gar ain edler Maechtiger kunig Incorembia dem kayser Maximilianús der wütterich sein statt Zu bryttania bevolhen hatt darůmb er aúch genempt ist kunig in britania“. 702

Geoffrey kommt auf Ursula im Zusammenhang mit den Angriffen der Gallier und Aquitanier auf Conanus, den ersten vom römischen Kaiser ernannten Vertreter der Briten, zu sprechen. Um sich gegen die Angriffe der Aquitanier und Gallier zu schützen, habe sich Conanus entschlossen, britische Frauen mit Römern zu verheiraten, damit deren Kinder in Zukunft das Land als ihr Erbe beanspruchen könnten. Dadurch wollten sie den Aquitaniern und Galliern den argumentativen Boden ihrer Angriffe entziehen. Conanus habe britische Frauen ausgelost und sie mit den römischen Verbündeten verheiratet. Dionotus, der Statthalter des römischen Kaisers Maximianus in Britannien, habe sich dieser Aufgabe angenommen. Conanus selbst habe sich die Tochter des Dionutus, Ursula, als Gattin ausgewählt.703 In dieser Darstellung stimmt die Legende Mennels mit den Angaben Geoffreys überein. Die zweite Variante von Ursulas Herkunft bezieht Mennel aus dem „Catalogus“ des „bischoff Petter von Equilin“. Darin stehe, daß Ursulas Vater Maurus geheissen habe und ein „treffenlicher kunig von schotten“704 gewesen sei. Mennel hatte den umfangreichen Heiligenkatalog des Bischofs von Jesolo, Petrus de Natalibus, konsultiert. In insgesamt elf Bänden präsentierte Petrus in seinem „Catalogus sanctorum et gestorum eorum ex diversis et multis voluminibus collectis“ Heiligenlegenden, die er aus den verschiedensten Quellen zusammengestellt hatte. Die Verfassungszeit dieses Werke liegt im 14. Jahrhundert.705 Zahlreiche Drucke seines Werkes, das zuerst 1493 in Vicenza gedruckt und in mehreren Auflagen bis in das frühe 17. Jahrhundert publiziert wurde, belegen die Beliebtheit dieses Kataloges. Hier hatte sich Mennel offenbar auch über den Bruder des merowingischen Königs Chlodwig, Leonhart, informiert.

706

Im Werk des

Bischofs hoffte Mennel folglich Informationen zu Heiligen aus sämtlichen Königshäusern, zumindest aber aus dem englischen und dem merowingischen, zu finden. Die dritte Variante über Ursulas Herkunft biete der Verfasser der „Historia Lombardica“, der Legenda Aurea. 707 Ursula sei zwar die Tochter des Maurus gewesen, dieser sei aber nicht – wie Geoffrey behauptet – ein schottischer König, sondern ein „Cristenlicher kunig in brittaniam“ 702 703

704 705 706 707

cvp 3077**, fol. 49r. Geoffrey of Monmouth: The Historia regum Britanniae. The first variant version: a critical edition, ed. By Neil Wright. Cambridge 1988. cap. 87. cvp 3077**, fol. 49r. Golinelli, P.: Art. Petrus de Natalibus. In: LdMa, 6. Sp. 1978f. cvp 3077*, fol. 18r. Vgl. Lampertus v. Hersfeld: Annales. Neu übers. und erläutert von Wolfgang Dietrich Fritz (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, 13). Darmstadt 1957.

134 gewesen. Mennel entscheidet sich gegen die Aussage Geoffreys. In der nun folgenden Legende nennt er Ursulas Vater Maurus und orientiert sich damit an Jacobus de Voragine und Petrus de Natalibus. In der Genealogie Geoffreys gab es keine Möglichkeit, die Tochter des römischen Statthalters mit dem Hause Habsburg in eine verwandtschaftliche Beziehung zu setzen. Jacobus de Voragine und Petrus de Natalibus geben durch ihre Mitteilung, Ursula stamme aus dem britannischen, beziehungsweise aus dem schottischen Königshaus ab, Mennel die Möglichkeit, zumindest den Anschein einer verwandtschaftlichen Bindung der Heiligen an das Haus Habsburg zu geben. Zu guter letzt muß eine Reliquie der heiligen Ursula, die sich im Besitz des Kaisers befinde, dafür herhalten, den nahen Bezug Ursulas zu den Habsburgern zu untermauern. Mennel folgert schließlich: „Aber dem sey wie Im well/ dieweyl am tag ligt/ das sich habsbpurg mit schotten und britania verheyrat/ darztů das kayser Maximilian […] ain tafel hat/ darinn yr hayltumb ist unnd zaichenn gibt/ wenn ain fürst oder fürstin von österreich sterbenn sol, So ist sy nit unbillich in Zal dis buchs geschryben worden […].“708

Es ist unverkennbar, daß Mennel hagiographischen und historiographischen Werken den gleichen historischen Informationswert zugesteht. Er wägt ihre Aussagen gegeneinander ab, wobei der Maßstab seines eigenen Urteils Beobachtungen, beziehungsweise die im Dienste Maximilians I. ausgeführten genealogischen Untersuchungen zur Verbindung des schottischen und bretonischen Königshauses mit den Habsburgern sind. Die letzte Instanz aber, die über den Wahrheitsgehalt von historischen Aussagen entscheidet, ist der Kult – in Ursulas Fall bestätigt die Verehrung ihrer Reliquien durch die Habsburger ihre genealogische Nähe zum Hause Habsburg.

4.3.3

Werke ungarischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden

Wie Mennel bei der Recherche zu seinen englischen Heiligen auf die im Mittelalter bekannten und geschätzten Autoren der englischen Geschichte zurückgriff, entnahm er auch Informationen zu den Leben der Heiligen, die aus Böhmen oder Ungarn stammten, den jeweiligen Landeschroniken. Ladislaus ist bei Mennel der dritte in der Reihe der ungarischen Heiligen. Mit einhelliger Stimme, so betont Mennel, sei Ladislaus zum König der Ungarn gewählt worden. Dank seines außerordentlichen Regierungstalentes habe er dem Königreich Ungarn Dalmatien und Kroatien hinzugefügt, das Volk von Cimos besiegt und die Russen, Polen, Böhmen und die Kumanen wieder den Ungarn angegliedert. Ladislaus habe schließlich ein Kloster zu Ehren der lieben Frau bauen lassen und es „Warad“, gemeint ist Großwardein, genannt. Im 19. Jahr seiner Regierung sei er gestorben, nämlich „auff den driten tag vor dem angstmonat“ anno 1015.

708

cvp 3077**, fol. 43r/v.

135 Die Legende des „Sant Lasslin, kunig In Unger“709 ist nicht in den bekannten Legendaren wie der Elsässischen Legenda Aurea oder Der Heiligen Leben enthalten. Aus ihnen kann Mennel also nicht Informationen zum Leben des heiligen Ladislaus geschöpft haben. Zudem hat die Lebensbeschreibung des Ladislaus bei Mennel weniger den Charakter von Wunderbeschreibungen als den historiographischer Ausführungen. Erwartungsgemäß schreibt auch der bekannteste Autor einer ungarischen Geschichte, Johannes von Thurocz, ausführlich über den heiligen König Ladislaus. So erzählt er, daß Ladislaus „Communi consensu“ zum König der Ungarn gewählt worden sei, da alle gewußt hätten, daß dieser Ladislaus ein „vestitus consummatione virtutum, fide catholicumm, pietate praecipuumm, largitate munificumm, charitate conspicuum m“710

sei und sich als großartiger König hervortun werde. Mennel übersetzt sinngemäß: „[…] als er das kunigreich empfanngenn unnd angenomen hat Ist er gewesen ain troester der betruebten, ain wideraúffheber der undertrúckten, ain gútigr vatter der waysen und den In wonern des kunigreichs ain sanfftmútiger fromer kúnig genant.“711

Genauso, wie Mennel daraufhin summarisch dessen Leistungen für die Ungarn schildert, führt Johannes ausführlich die auch bei Mennel beschriebenen Taten des beliebten Königs aus und läßt seine Erzählung im Bau der Kirche von Großwardein gipfeln. Am Ende stimmen beide darin überein, daß Ladislaus „anno regni sui XIX, et sepultus Waradini in monasterio suo anno domini MXCV. III Kalendas Augusti feria I.“712 worden sei. Johannes von Thurocz schein somit eine Quelle für Mennels Ladislauslegende gewesen zu sein. Der gleiche Autor berichtet über den heiligen König Stephan, der bei Mennel auf die Legende des heiligen Ladislaus folgt. Von Johannes von Thurocz kann Mennel wissen, daß der heilige Stephan ein Sohn der Sarolth, der Tochter des Gyule, gewesen ist, und siegreich im Krieg gegen Herzog Cupan713 und gegen Guyula714, den Bruder seiner Mutter, war. Im Gegensatz zu Mennel schreibt Johannes dann zwar, daß Stephan auch eine Frau namens Gisela gehabt habe715, weiß aber nicht wie Mennel zu berichten, daß diese Gisela zudem die Schwester Kaiser Heinrichs gewesen sei716. Johannes und Mennel stimmen dann wieder in der Schilderung überein, daß König Stephan gegen 709 710

711 712 713 714 715

716

vgl. cvp 3077**, fol. 15v-16r. Johannes de Thurocz: Chronica Hungarum. I. Textus, hrsg. V. Elisabeth Galaántai und Julius Kristó (Bibliotheca scriptorum medii recentisque aevorum, 7). Budapest 1985. Kap. 83, S. 113. cvp 3077**, fol. 15v. Johannes de Thurocz: Chronica Hungarum, Kap. 86, S. 119. Ebd., Kap. 55, S. 74. Ebd., Kap. 56, S. 75. Johannes vermerkt nur, daß die Frau des heiligen Stephans sich besonders als spendable Ausstatterin der von ihm gestifteten Kirche hervorgetan habe: „Regina vero Keisla, uxor sancti regis dictam ecclesiam aureis crucibus, fusoriis, tabulis, calicibus, gemmis et ornamentis ultra modum ditavit“, vgl. Johannes de Thurocz: Chronica Hungarum, Kap. 57, S. 76. Vgl. cvp 3077**, fol. 16 v.

136 die Bulgaren gekämpft und nach seinem Sieg schließlich befohlen habe, eine Kirche zu bauen. Diese Kirche sei, so Mennel, dem heiligen Peter in Altmossen geweiht gewesen, was Johannes nicht erzählt. Auch zum heiligen Emmerich, dem Sohn des heiligen Stephan, mag Mennel eine Reihe seiner Informationen der Darstellung des Johannes von Thurocz entnommen haben; er übersetzte daraus kleine Passagen. Ein Beispiel ist die Charakterisierung des Königs Emmerich, die am Anfang der Mennelschen Legende steht. Emmerich sei, so lobt Mennel, „mit [...] gerechtigkayt, Clughayt, sanftmútigkayt, Barmherzigkayt, Miltigkayt, demútigkayt und gedúlt gewapnet […]“ gewesen. In seiner lateinischen Vorlage stand, daß Emmerich „[…] iustitia, prudentia, fortitudine, temperantia, sapientia, mansuetudine, misericordia, benignitate, largitate, humilitate et pacientia armatus […] “717 besessen habe. Zunächst mag erstaunen, daß Ludwig, der König von Sizilien, im Legendar der heiligen Freunde von 1514 die Reihe der ungarischen Heiligen beschließt. Doch die genealogische Verortung Ludwigs, die Mennel vorstellt, schafft erste Klarheit: Ludwig sei der Sohn Karls, des Königs von Sizilien, und Marias, der Königin von Ungarn, gewesen.718 Ludwigs Mutter Maria ist also der Grund, weswegen der Heilige in einer Reihe mit den ungarischen Heiligen steht. Ludwig sei bei katalonischen Barfüßer-Brüdern in den göttlichen Diensten unterwiesen worden und habe unter Papst Bonifaz die Regierung des Bistums von Toulouse übernommen. Damit ist Ludwigs Legende in Mennels Legendar schon wieder zu ihrem Ende gekommen. Die Informationen aus der Elsässischen Legenda Aurea, in deren Sondergut sich auch die Legende des heiligen Ludwig von Toulouse befindet, und die weitaus mehr als Mennel zu berichten weiß, verarbeitete Mennel nicht in seiner Vita. Vielleicht kannte er diese Legendenfassung aber auch nicht. Johannes von Thurocz gab in seiner ungarischen Landeschronik den knappen Hinweis auf den heiligen Ludwig, daß dieser im Zusammenhang mit der Klostergründung von Lippa stünde, und daß der Bischof von Toulouse, den Johannes nicht beim Namen nennt, ein Bekenner und „primo genitus regis Siciliae, filius mariae reginae filiae Stephani regis Hungariae filii Belae quarti“719 gewesen sei. Vielleicht hatte Mennel diese Angabe im Rahmen seiner Untersuchungen zu den ungarischen Heiligen zum Anlaß genommen, weiter zum heiligen Ludwig zu recherchieren. Auf Einzellegenden zu Ludwig jedenfalls, dessen Kult sich im 14. Jahrhundert über Europa ausgeweitet hatte, konnte Mennel bei Recherchen in Ungarn hoffen720, und über das ungarische Königshaus hatte Sunthaym schon gearbeitet, wie ein Gedenkbucheintrag Kaiser Maximilians, der in die Jahre 1506 bis 1508 einzuordnen ist, belegt. Der Pfaffe Ladislaus Sunthaym solle nämlich, so befiehlt Maximilian,

717 718 719 720

Johannes de Thurocz: Chronica Hungarum, Kap. 60, S. 77. cvp 3077**, fol. 18v. Johannes de Thurocz: Chronica Hungarum, Kap. 120, S. 147. Vgl. dazu Mályusz, E.: Johannes de Thurocz. Chronica Hungarorum. II. Commentarii. 2. Ab anno 1301 usque ad annum 1487 (Bibliotheca Scriptorum medii recentisque aevorum, 9). Budapest 1988, S. 58.

137 gefragt werden, „ob sant Steffan oder sant Laslan der kunigin Gisula altvatter gewesen sey“721. Vielleicht verdankte Mennel auch Sunthaym die übrigen Informationen zu Ludwig, wie sie sich in der Mennelschen Legende finden – ausführlichere Einzellegenden zu Ludwig von Toulouse scheinen ihm jedenfalls nicht vorgelegen zu haben. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, daß Mennel bei den ungarischen Königen Stephan und Ladislaus und vielleicht bei dem heiligen Bischof von Toulouse, Ludwig, Informationen – teilweise sogar wortwörtlich - der ungarischen Chronik des Johannes Thurocz entnahm. Mennel erachtete es also durchaus für adäquat, zeitgenössische Autoren, die sich noch dazu der profanen Geschichte zugewandt hatten und den Schwerpunkt ihrer Darstellung nicht in Wunderberichten sahen, zu seiner Informationsgrundlage zu wählen. Die jeweiligen Landeschroniken der Heiligen sind folglich die „annales“, von denen Mennel in seiner Einleitung zu dem habsburgischen Legendar spricht.

4.3.4

Werke fränkischer und karolingischer Geschichte als Quelle für Mennels Heiligenlegenden

Da der erste christliche König Chlodwig ein Merowinger war, verwundert es nicht, daß Mennel bei der Beschreibung von Chlodwigs Bekehrung zum Christentum die maßgebliche Autorität auf dem Gebiet der merowingischen Historiographie, nämlich Gregor von Tours722, heranzieht. Schon das zweite Buch der Fürstlichen Chronik, in dem die Herrschaft der Frankenkönige thematisiert wird, war von der Darstellung Gregors geprägt. Auch Chlodwigs Gattin Crothilde stellt er gemäß den Angaben Gregors vor.723 Ihm stellt er die Weltgeschichte724 Ottos von Freising und die „Cronica Martiana“725, die im Mittelalter meistbenutzte Weltchronik des Martin von Troppau726, gegenüber.727 Die Brautwerbung Chlodwigs um Crothilde, die Mennel in Crothildes Legende 1518 erzählt 728, befindet sich schon im profanen Teil der Fürstlichen Chronik. Hier gibt Mennel, im Gegensatz zur Crothilidislegende, ausdrücklich die Gesta Francorum des Gregor von Tours und das Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais als Quellen an729. Schon hier verweist Mennel auf Crothildes 721

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Zitiert nach Laschitzer, S.: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses, 7 (1888). S. 3, Anm. 6. Gregor von Tours (540-594) aus Clermont-Ferrand, Bischof von Tours, schrieb die wichtigeste Darstellung der Entstehung des Merowingerreiches. Vgl. dazu Heinzelmann, M.: Gregor von Tours (538 - 594) - Zehn Bücher Geschichte. Historiographie und Gesellschaftskonzept im 6. Jahrhundert. Darmstadt 1994. Vgl. cvp 3073, fol. 3v. Schürmann, B.: Die Rezeption der Werke Ottos von Freising im 15. und frühen 16. Jahrhundert (Historische Forschungen, 12). Stuttgart 1986. cvp 3073, fol. 5r. Über 392 überlieferte Handschriften bezeugen ihre Beliebtheit. Brincken, A.-D. von den: Art. Martin von roppau. In: VL, 6. Berlin, New York 1978. Sp. 158-166. cvp 3073, fol. 4r. Mennel konsultierte Otto von Freising zu den Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Arianismus, Martin von Troppau für die Angriffe des Vandalenkönig Transemundus, der etliche Kirchen zerstört und zwanzig Bischöfe in die Fremde geschickt habe, bis Kaiser Anastasius befohlen habe, den christlichen Glauben zu lehren. cvp 3076, fol. 10rff. cvp 3073, fol. 5r.

138 Legende im fünften Buch der Fürstlichen Chronik.730 Mennel unterscheidet also nicht nach Quellengattungen, als er den profanen und den heiligen Teil der Fürstlichen Chronik abfaßt. Für ihn sind Profan- und Sakralgeschichte miteinander verwoben, wobei der Schwerpunkt der Profangeschichte auf der Darstellung militärischer und politischer Ereignisse und Entscheidungen liegt, der der Sakralgeschichte auf der Lebensbeschreibung einzelner Heiliger und deren hilfreiche Unterstützung bei der Verbreitung, Sicherung und Verteigung des christlichen Glaubens. Bei der Lektüre der Gergor von Tours konnte Mennel auf Guntram, den Sohn des burgundischen Königs Clotharius, aufmerksam werden.731 Daher verweist er auf Guntrams Legende schon im profanen Teil der Fürstlichen Chronik.732 In der Legende Guntrams verzichtet Mennel allerdings darauf, Gregor von Tours als Gewährsmann anzugeben, sondern nennt nur die Historia Lombardorum des Paulus Diaconus als Quelle zur Guntram-Vita.733 Guntram sei der Bruder des Großvaters des ersten Fürsten von Habsburg, Odopert, gewesen.734 Er habe dem weltlichen Reichtum entsagt und seine Schätze an die Kirche und die Armen verteilt. Eines Tages, so erzählt Mennels Legende, sei Guntram, ermattet von der Jagd, eingeschlafen und habe im Traum einen Schatzes gesehen, den er dann gehoben habe. Aus dem einen Teil des Goldes habe Guntram eine Monstranz anfertigen lassen und sie auf das Grab des heiligen Marcellus, des Märtyrers von Chalon gestellt. Das übrige Gold habe der Fürst an die Armen verteilt. In Chalon sei Guntram dann auch schließlich verstorben. In der Tat geht die Gründung des ostfranzösischen Klosters St. Marcellus in Chalon auf Guntram zurück. Dieses Kloster stand in engem Zusammenhang mit St. Maurice d`Agaune, wo der Mauritiuskult gepflegt wurde735 und Ladislaus Sunthaym wahrscheinlich schon seine Recherchen zum heiligen Mauritius betrieben hatte.736 Bei Gregor steht nichts von den wunderbaren Ereignissen, die dem heiligen Guntram widerfahren sein sollen, und in der Legenda Aurea findet Guntram überhaupt keine Erwähnung. Vielleicht kam Mennel durch Sunthayms Recherchen in Chalon, wo man auch eine von Guntram persönlich gestiftete Monstranz bewundern konnte, zu der damit in Zusammenhang stehenden Legende. Es ist also durchaus so, daß Mennel nicht allein den Historiographen und ihre Legenden das Wort gab, sondern offenbar auch Lokallegenden präsentierte.

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736

Ebd., fol. 10r. Gregor von Tours: Libri Historiarum X, ed. Brvno Krusch (MGH SRM; 1,1) Hannover 1951, lib. IX. cvp 3073, fol. 15v f. Vgl. cvp 3077**, fol. 179r-180r. cvp 3077**, fol. 179r. Auf einem Marmorgedenkstein aus dem endenden 6. Jahrhundert wird berichtet, daß Märtyrerreliquien aus Agaunum, dem Mauritiuskloster, nach Chalon gebracht wurden. Vgl. dazu Prinz, F.: Frühes Mönchtum im Frankenreich. Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der Monastischen Entwicklung (4. Bis 8. Jahrhundert). München, Wien 1965. S. 104. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 108f.

139 Über den spanischen Märtyrer Hermenegild, der sich 1514 ebenfalls im Mennelschen Legendar unter den heiligen Freunde des Hauses Habsburg befindet, konnte Mennel ebenfalls bei Gregor von Tours lesen.737 Hermenegild sei, so Gregor, zum katholischen Glauben konvertiert und Johannes genannt worden. Sein empörter Vater Leuchvichildus habe daraufhin nach seinem Sohn schicken lassen, dieser habe sich aber geweigert zu kommen, um einer Auseinandersetzung mit dem Vater aus dem Weg zu gehen. Daraufhin seien Sohn und Vater gegeneinander ins Feld gezogen. Hermenegild habe vorher in einer Kirche von Gott erfleht, daß es im Feld nicht zum Äußersten zwischen ihm und seinem Vater kommen solle. Dies habe der Vater gehört und zur Versöhnung seinen zweiten Sohn zu Hermenegild geschickt, der den Bruder gebeten habe, sich dem Vater vor die Füße zu werfen, und Hermenegild sei darauf eingegangen. Der Vater habe allerdings seinen Sohn dabei hinterhältig entwaffnet und ihn ohne weiteren Schutz mit nur einem kleinen Jungen als Begleitung ins Exil geschickt. In Mennels Legende steht der Versuch des Vaters, seinen Sohn vom Übertritt zum christlichen Glauben abzuhalten, und die grausame Hinrichtung Hermenegilds auf Befehl des Vaters im Mittelpunkt, wovon Gregor nicht schreibt. Diese Episode wird Mennel bei Vinzenz von Beauvais gefunden haben, der zwar, wie Gregor von Tours, die List des Vaters gegenüber dem abtrünnig gewordenen Sohn schildert, aber die Konfrontation von Vater und Sohn nicht mit der Verbannung des Sohnes enden läßt, sondern schreibt: „Sed cum nec sic virtutem mentis illius emollire valeret, arcta eum custodia concludens, collum manusque eius ferro ligavit. Superveniente autem pascalis festivitatis die, intempesta nocte silentio ad eum perfidus pater Arrianum episcopem misit, ut ex eius manu sacrilegae consecrationis communionem reciperet, ac per hoc ad patris gratiam redire meretur. Sed vir deo dilectus Arriano episcopo venienti exprobravit, ut debuit, eiusque a se perfidiam dignis increpationibus repulit: quia et si exterius iacebat ligatus, apud se tamen in magno mentis culmine stabat securus. Ad se itaque reverso episcopo, Arrianus pater infremuit, statimque apparitores suos misit, qui illum ubi ille iacebat occiderent. Qui mox, ut ingressi sunt, securim cerebro illius insignentes, vitam corpori abstulerunt […]“.738

Als der Vater erkannte, daß sein Sohn nicht von seinem Vorhaben abzubringen war, habe er ihn an Hals und Händen in Eisen legen lassen. An Ostern sei dann ein hinterhältiger arianischer Bischof zu Hermenegild gekommen, damit er aus seiner Hand die Kommunion empfange. Hermenegild habe dies aber hartnäckig abgelehnt, worauf die Begleiter des Bischofs gekommen und ihm das Hirn herausgeschnitten hätten. Mennel übersetzt wörtlich: „Als nun die osterlich Zeyt kam, do hat der untreu vatter auff ain nacht zů Im geschickt den Arrianischen Bischoff, das er von seiner hand das ketzersch sacrament empfahen solt, das aber der diener gotz nit allain vermannt, sonder auch dem Arrianischen bischoff hertigcklichen zůgesprochn hat, darumb der vater ertzúrnt hat die nachricht er beschickt unnd In dem selben kärker In mit ainer axt lassen enthirnen; also ist der kunig Son und marterer das himelsch kúnigreich einganngen […]“.739 737

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Vgl. Gregor von Tours: Libri Historiarum X. In: Scriptores rerum Merovingicarum, ed. von Bruno Krusch und Wilhelm Levison (MGH, 1, 1). S. 244 f. Vinzenz von Beauvais: Speculum quadruplex sive Speculum maius : naturale, doctrinale, morale, historiale. Photomechan. Nachdr. d. Ausg. Douai 1624. Graz, Bd. 4, lib.21, cap. 135. cvp 3077**, fol. 87r.

140 An der Bahre des Toten Hermenegild sei in der Nacht ein Engelsgesang zu hören und Fackeln zu sehen gewesen. Daraufhin habe der Vater – auch hier folgt Mennel weiter der Schilderung des Vinzenz von Beauvais – den Sohnesmord bereut, sei Christ geworden und habe schließlich das ganze Volk zum Christentum geführt. Es liegt demnach auf der Hand: Mennel hat zweifellos die Legende des heiligen Hermenegild von Vinzenz des Beauvais, dessen Speculum historiale auch in Freiburg zu finden war740, übernommen und ins Deutsche übersetzt. Bei den fränkischen Heiligen geht Mennel offenbar genauso vor, wie er es auch bei den ungarischen Heiligen tat: Er setzt sich mit der jeweiligen Zeit- beziehungsweise Landesgeschichte auseinander, entwickelt daraus das ‚Personal‘ für das habsburgische Heiligenlegendar und legt den jeweiligen Legenden annalistische Informationen zugrunde, auf die er dann seine Heiligenlegenden aufbaut. Für diesen Schritt begnügt sich Mennel mit den Standardwerken seiner Zeit, wie es das Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais oder die Weltgeschichte des Gregor von Tours sind.

4.3.5

Herrscherbiographien und Geschlechterchroniken als Quelle für Mennels Heiligenlegenden

Neben den bislang aufgeführten Chroniken, Legendaren und Einzellegenden zog Mennel noch eine dritte Kategorie von Schriften heran, die ihm beim Abfassen seiner Legenden Pate standen: Herrscherbiographien. So nennt Mennel den Erzbischof zu Reims, Turpin, als Gewährsmann für seine Rolands-Vita.741 Tatsächlich hatte Mennel wohl den sogenannten Pseudo-Turpin742 zum heiligen Mitstreiter Karls des Großen befragt. Turpin selbst nennt sich den Verfasser des Berichtes über den Spanienzug Karls des Großen, in dessen Nachhut der heilige Roland auf tapfere Weise die Sarazenen besiegt haben soll. Die Abfassungszeit des Turpintextes, auf dem beinahe alle bildlichen und plastischen Darstellungen des Mittelalters von Karl dem Großen und Roland basieren, liegt zwischen 1130 und 1140. Die zahlreichen Textzeugen in Latein und diverse Übersetzungen in die Volkssprache bezeugen den Erfolg dieser Schrift in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert. Dieser Turpintext war für Mennel leicht erhältlich. In Straßburg, wo Mennel nach den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit forschte, und auf der Reichenau, wo Maximilians Hofhistoriographen recherchierten, war er in Handschriften

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Mindestens zwei Drucke des Historiale sind bekannt, die Mennel in Freiburg zugänglich gewesen sein konnten. So ist in den Universitätsakten von 1476 ein Speculum historiale vermerkt sowie im Nachlaß des Dr. Ulrich Rotpletz vom 1. 1. 1495, vgl. dazu Weigand, R.: Scholastische Universalchronistik als Quelle volkssprachlicher Geschichtsschreibung (Germanistische Texte und Studien; 36). Hildesheim 1991, S. 100. cvp 3077*, fol. 90r. Vgl. dazu Herbers, K.: Art. Turpin. In: LdMa, 8. Sp. 1119 f.

141 vorzufinden.743 Wie es an späterer Stelle dieser Arbeit ausführlich dargelegt wird 744, entnahm Mennel dem Turpintext Passagen, die ihm für die Aussage seiner Rolandslegende zentral erschienen, und kürzte sie. Daß Mennel mit kritischem Auge Textpassagen übernahm, beweist seine Beurteilung einer Aussage Turpins über Karl den Großen. Man könne nämlich nur mit Mühe, so Mennel, glauben, daß Karl der Große die Kraft besessen habe, einen Ritter in voller Rüstung mit einer Hand vom Boden bis über seinen Kopf zu heben.745 Ohne weiteres schien Mennel auch nicht akzeptieren zu wollen, daß Karl ein Heiliger sei, zumal dessen Kult trotz der Heiligsprechung durch Kaiser Friedrich I. auf Aachen beschränkt geblieben war.746 Erst, nachdem er den Beweis seiner Frömmigkeit gefunden hat, akzeptiert er den Frankenkönig als heilig: Es gäbe nämlich zwei Sequenzen, die Karl verfaßt habe und die man noch heute in der Kirche singe. Die erste Sequenz beginnt mit „Rex omnipotens die hodierna“ 747, die zweite mit „Ave, praecalara maris stella“. Beide Sequenzen wurden um 1500 in vielen Klöstern gesungen.748 Karl habe aber nicht nur ein Lied zu Ehren Marias geschrieben, sondern auch in seinem Palast zu Aachen ihr zu Ehren eine schöne Kirche erbaut. Das Kapitel zu den Quellen der habsburgischen Heiligenlegenden wurde in dieser Arbeit mit dem Hinweis begonnen, daß Heinrich von Klingenberg wahrscheinlich einer der ersten Autoren war, mit dessen Werk zur habsburgischen Geschichte sich Jakob Mennel intensiv beschäftigt hatte.749 Man könne, so Mennel, auch einiges in der Legende des heiligen Albrecht750 bei Heinrich von Klingenberg nachlesen. Albrecht sei, so schreibt er im profanen Teil der Fürstlichen Chronik, von Marseille aus über das Meer nach Jerusalem gefahren und dort in der Stadt Akkon, mit lateinischem Namen „Ptholomeida“, gelandet. Dort habe er vorbildhaft, in Gemeinschaft mit den Ritterbrüdern von Jerusalem, gekämpft und sei auf dem Schlachtfeld gefallen. Darüber könne man im fünften Buch der Fürstlichen Chronik weiteres lesen.751 Im Legendar von 1518, dem dieser Verweis im profanen Teil der Chronik gilt, schreibt Mennel ausführlich über den seligen Albrecht von Habsburg.752 Nachdem Albrecht von seinem sündigen 743

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748

749 750 751 752

Eine Variante der Überlieferung des Turpintextes findet sich hauptsächlich im deutschsprachigen Westen verbreitet, wie in den Städten Bern, Straßburg, Arlberg, Regensburg und auf der Reichenau, vgl. dazu Turpin: Die Chronik von Karl dem Grossen und Roland: der lateinische Pseudo-Turpin in den Handschriften aus Aachen und Andernach, ed., kommentiert u. übers. von Hans-Wilhelm Klein (Beiträge zur romanischen Philologie des Mittelalters ; 13). München 1986, S. 17. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 240. cvp 3074, fol. 92r. Vgl. dazu Schieffer, R.: Art. Kaiser Karl. In: LThK, 5. Sp. 1240f. Vgl. Chevalier, U.: Repetitorium Hymnologicum. Catalogue des chants, hymnes, proses, sequences, tropes, 2. Louvain 1897. S. 476, Nr. 17479. Vgl. Lipphardt, W.: „Ave praeclara maris stella“. In: VL, Bd. 1, Sp. 568-570. Die Sequenz Ave, praeclara maris stella stammt von Heinrich von Reichenau zum Fest Mariae Himmelfahrt und wurde von Sebastian Brant übersetzt. Diese deutsche Version findet sich in Einblattdrucken und bezeugt die beliebtheit dieser Sequenz. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 78. cvp 3073, fol. 98v. Ebd., fol. 99v. cvp 3076, fol. 84r-91v.

142 Lebenswandel abgekommen sei, habe er sich auf Pilgerfahrt in das gelobte Land begeben. Mennel berichtet von Albrechts Beratungen mit den Weisen seines Landes und die Aufteilung seines Erbes unter seinen zwei Söhnen. Nach seinem Abschiedsgespäch im Gotteshaus seiner Ahnen, dem Eigenkloster der Habsburger im heutigen schweizerischen Muri753, habe sich Albrecht mit sechsunddreißig Begleitern auf Fahrt begeben: Von Marseille aus sei er nach nach Akkon übers Meer gefahren und vom dortigen „potestat“ freudig empfangen worden. Von diesem habe Albrecht auch Unterstützung im Kampf gegen die Ungläubigen erfahren. Die Kämpfe mit den Heiden breitet Mennel aus und schildert dramatisch den Tod des Habsburgers. Albrecht sei dann in Akkon beigesetzt worden. Dies alles sei im Jahre 1218 geschehen. Der selige Albrecht, zu dem Mennel keine Legenden finden konnte, verdankt seine Vita den Ausführungen der historiographischen Arbeit Heinrichs von Klingenberg. Was Mennel von Klingenberg übernahm, und was er selbst neu formulierte, muß ungeklärt bleiben, da Heinrichs Arbeit heute als verschollen gilt. Wie auch bei dem heiligen Mitstreiter Karls des Großen, Roland, bilden in seinen Legenden nicht Wunderberichte, sondern historiographische Werke zu einzelnen Herrschern, beziehungsweise zu einem Herrschergeschlecht die Textgrundlage für Mennels Arbeit am habsbrgischen Heiligenlegendar. Die hier vorgestellten Beobachtungen zu der Recherche und den Quellen Jakob Mennels belegen, daß der maximilianeische Historiograph nicht darauf angewiesen war, sich von Grund auf neu das Material zu den habsburgischen Heiligen zusammen zu suchen. Wertvolle Vorarbeit hatte Ladislaus Sunthaym schon in den Jahren seiner historiogaphischen Forschungen im Dienst Kaiser Maximilians geleistet. Zu den Heiligen, die im donauländischen Raum besondere Verehrung erfuhren, für die Heiligen des Bodenseeraumes, des Oberrheins und Burgunds hatte er für Mennel zweifelsohne eine Materialsammlung zusammengestellt, aus der der Mennel spätestens ab dem Jahre seines Wienaufenthaltes, 1509, für die Abfassung seiner Legenden Informationen entnehmen konnte. Daß es Mennel dennoch nicht dabei beließ, Nachrichten über Heilige aus zweiter Hand zu verarbeiten, zeigen insbesondere seine Nachforschungen an Kultorten in Augsburg, am Bodensee und an der Saar: Obwohl Mennel hier von einzelnen Heiligen schon Nachrichten hatte, forschte er eigenständig weiter, aufbauend auf die Recherchen Ladislaus Sunthayms. Dann flocht er seine neuen Erkenntnisse in die neu zu verfassenden Legenden der habsburgischen Heiligen ein. Die Materialsammlung zu den brabantischen Heiligen scheint ganz unter der Regie Jakob Mennels erfolgt zu sein. In den Legenden der brabantischen Heiligen häufen sich nämlich in auffälligem Maß die geographischen Angaben und Autopsieberichte Mennels, die auf eine intensive

753

Vgl. dazu Gilomen-Schenkel, E.: Art. Muri. In: LdMa, 6. Sp. 943.

143 Forschungstätigkeit des maximilianeischen Historiographen in den Klöstern und einzelnen Kultorten in Lüttich, Brüssel und dem Hennegau schließen lassen. Im Gegensatz zu den brabantischen Heiligen zeigen insbesondere die Legenden der englischen und ungarischen Heiligen keine Anzeichen für Mennels Recherchen vor Ort. Rekonstruierbar ist, daß er sie den jeweiligen Chroniken der Herkunftsländer, aus denen die Heiligen stammen, entnahm. Im Falle der merowingischen Heiligen, deren Kultorte zugleich mit den einstigen Residenzorten des Merowigerreiches übereinstimmen, ergänzte er die Lektüre historiographischer Werke, wie sie beispielsweise Gregor von Tours verfaßt hatte, durch eigene Beobachtungen der Kultorte. In diesem Zusammenhang besuchte Mennel nachweisbar die Städte Trier, Reims, Straßburg und Metz. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, daß sich Mennels Legenden von den Heiligenlegenden einzelner Legendare, beispielsweise der Legenda Aurea, dadurch unterscheiden, daß in ihnen der Schwerpunkt der Erzählung nicht auf dem gottgefälligen Leben und den Wundern der einzelnen Heiligen, sondern auf ihren historisch nachweisbaren Taten, wie beispielsweise die von ihnen geleisteten Stiftungen oder ihre Kriege gegen die Heiden, liegt. Die Legenden Mennels sind eher historisch überprüfbare Lebensbeschreibungen als Wunderberichte über heilige oder selige Habsburger. Die beschriebenen Heiligen wirken damit nicht als Übermenschen, sondern als Menschen mit einem perfekten christlichen Lebenswandel, durch den sie sich als ‚heilig’ oder ‚selig’ auszeichnen. Ihre Legenden sind dadurch ‚Volkslegenden’, da Mennel in ihnen die Verehrung der Heiligen an lokalen Kultorten beschreibt und habsburgische

Heilige zu

‚Volksheiligen‘ werden läßt. An wenigen bislang aufgeführten Beispielen wurde schon auf Mennels Umgang mit seinen Quellen eingegangen. Es hatte sich gezeigt, daß Mennel seine Vorlagen bewußt unter der steten Beobachtung seiner Aussageintention kürzte. Er stellte historiographische und hagiographische Schriften vergleichend einander gegenüber und entschied sich für eine Version – so jedenfalls hatte es das Beispiel der heiligen Ursula gezeigt – gemäß dem Wunsch Maximilians, das habsburgische Herrscherhaus in die Tradition früherer Herrscherhäuser zu stellen: Und da Mennel Ursula als eine Habsburgerin nachweisen wollte, entschied er sich für jene Version ihrer Herkunft, die ihm eine Ansippung an das habsburgische Geschlecht ermöglichte.

4.3.6

Mennels Auseinandersetzung mit Textvorlagen im Vergleich zu Johannes Naukler

Die bisherigen Erkenntnisse zu Mennels Umgang mit seinen literarischen Vorlagen wirft die Frage auf, inwiefern Mennel sich - als Autor an der Schwelle zur Neuzeit - von der Arbeitsweise mittelalterlicher Historiographen unterscheidet, beziehungsweise Übereinstimmungen mit der humanistischen Auffassung von Geschichtsforschung aufweist.

144 Beredtes Beispiel für einen Geschichtsforscher, der in humanistischen Kreisen gefeiert wurde, ist Jakob Mennels Tübinger Lehrer, Johannes Naukler. Dieser äußert sich zu Beginn seiner Chronographia754 über die nach seiner Meinung ‚richtige’ Art und Weise des Quellenstudiums. Er bezieht sich auf „etasthenes Persa chronographus“, der zwei Regeln für das Urteil über diejenigen Historiographen, die rezipiert werden müßten (recipiendi), und diejenigen, die in ihren Aussagen abgelehnt werden müßten (reiiciendi), an die Hand gibt. Die erste Regel besage, daß diejenigen, die über die Zeiten (tempora) schreiben wollten, nicht nur nach dem Hören und Sagen (auditu et opinione) ein Geschichtswerk abfassen sollten. Wenn sie nämlich nach dem Hören und Sagen berichten würden, stünden sie zwar in der Tradition griechischer Historiographen, gerieten damit aber auch in Gefahr, andere zu täuschen (decipere). Auf diesem Hintergrund seien die Annalen von Priestern besonders schätzenswert. Deren Annalen seien für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen, und damit habe die Öffentlichkeit die Rolle einer Prüfungsinstanz (publicus et probatus) der annalistischen Aussagen übernommen. Daher, so folgert Naukler, sind die in den Priesterannalen enthaltenen Aussagen vertrauenswürdig (fides Annalium). Naukler faßt zusammen: Da die Öffentlichkeit über die Authentizität einer literarischen Quelle entscheidet, kann der Annalistik von Priestern getraut werden. Ferner beschreiben sie nicht nur Ereignisse, sondern beurkunden sie auch. In den Augen Nauklers gleichen die Verfasser von Priesterannalen ‚Notaren’ der Ereignisgeschichte im Dienste der Öffentlichkeit (publici notarii rerum gestarum), wobei die Öffentlichkeit die Urkunden der Notare auf deren Kongruenz mit ihrer Interpretation von Ereignissen überprüft. Für Naukler besteht die Pflicht für einen Historiographen somit darin, vergangene Ereignisse auf der Grundlage eigener Anschauung, das ist die Autopsie und das Studium von Quellen, widerzuspiegeln. Auf dieser Grundlage können die Aussagen früherer Historiographen angegriffen werden. Damit besteht auch die Chance zur ‚Korrektur‘ von Geschichte. Die zweite Regel besagt nach Naukler, daß man Historiographen, die nur nach Hören und Sagen ihre Werke abgefaßt hätten, nicht ausschließlich konsultieren solle. Da sie vergangene Ereignisse interpretierten und nicht beurkundeten, seien ihre Aussagen nur sehr eingeschränkt verwertbar (sunt […] recipiendi, nisi ubi a publica fide non dissentiunt). Naukler leitet zu der Quellenbasis seiner Chronik über.755 Er beklagt, daß er bei der Lektüre verschiedener Historiographen viele Widersprüche in ihren Aussagen feststellen mußte (certis in locis alter alteri discrepare videatur. Et nonnumquam nos scribat, de quo alii nullam mentionem faciant […]). Auf dieser Beobachtung, so erklärt Naukler weiter, beruhe sein Entschluß, nur die 754

755

Johannes Naukler: Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici commentarii an Ioanne Nauclero I. V. doctore Tubingensis praeposito et universitatis cancellario, diegesti in annum salutis M. D. Adiecta Germanorum rebus historia de Suevorum ortu, institutis ac imperio. Complevit opus F. Nicolaus Basellius Hirsaugenis annis XIIII. Ad M. D. additis. Tübingen (1516. Siehe fol. 1r. Ebd., fol. iir/v.

145 Aussagen derjenigen Autoren zu kompilieren, die mit Urkunden gearbeitet hätten. Sein Stil, so konstatiert er, sei dabei ungeschliffen und schmucklos (rudis et simplex). Die Ereignisse seien systematisch in absteigender Ordnung von Adam und Eva über Christi Geburt in die vier Weltreiche eingeordnet. Naukler verbindet Heilsgeschichte und Ereignisgeschichte vom Anbeginn der Menschheit (exordium generis humani) bis in seine Zeit (usque ad nostra tempora) und beabsichtigt damit, Gottes Schöpfung zu loben. Dabei schreckt Naukler nicht davor zurück, gute und schlechte (bona et mala) Beispiele der Geschichte zu erzählen, da beide, nur mit entgegengesetzter Wirkung, dazu anleiteten, das Leben systematisch zu planen (vitam instituere) und gegebenenfalls Beispiele nachzuahmen (imitari). Dieser Methodik der Quellenarbeit soll nun der Vordenker des süddeutschen Humanismus, Jakob Wimpfeling, gegenübergestellt werden, der im Widmungsbrief seines Kataloges der Straßburger Bischöfe im Jahre 1507 folgende Grundsätze seiner Forschungsarbeit formuliert: „Quomodo autem venerabimur, quomodo laudibus nostris ornabimus, quorum non solum vita, sed etiam nomina ipsa sepulta fuerunt? Itaque ut praeceptori meo, cui nihil negare possum, morem gererem, confisus etiam vestris clementiis me non mediocriter gratificaturum, quicquid ex historiis legendis annalibus et epitaphiis a primo antiste Amando usque ad hunc nostrum Guilhelmum tertium de nostrorum praesulum moribus reperire potui, per breve epitoma decerpsi. Nec tamen quorundam imperfectiones aut fragilitates, ut homines, non angeli sumus omnes, omittendas esse iudicavi, ut tum aliena laus ad recte faciendum allicere tum vituperii metus a sceleribus possit avocare successores. Neque haec imperfectionum aut vitiorum commemoratio famae aut animabus (sic!) illorum officit, siquidem illos paenituisse et errati veniam consecutos esse praesumendum est.“756

Sein historiographisches Werk schmücke und ehre diejenigen, deren Leben und Namen ansonsten mit ihnen begraben worden wären. Zu ihnen habe er aus Geschichtsbüchern, Legenden und Annalen Informationen zusammengetragen. Dabei habe er auch die negativen Taten und Eigenschaften einzelner nicht verschwiegen, um ihren Nachfolgern die Möglichkeit zu geben, aus deren schlechten Beispiel zu lernen. Die Furcht vor Tadel motiviere dazu. Wimpfeling fühlt sich den gleichen historiographischen Maximen wie Naukler verpflichtet: Zunächst der Recherche verschiedener Quellen, insbesondere von Überresten; dann der Präsentation nicht nur lobenswerter, sondern auch moralisch verwerflicher Taten. Die Besserung der Nachwelt ist das pädagogische Ziel der Geschichtsschreibung. Der Lehrer Mennels wie auch der Humanist Wimpfeling fassen die Geschichte als eine magistra vitae im polybianischen Sinne757 auf. Naukler erscheint, zumindest in der Auffassung von Geschichtsforschung, als ‚Humanist‘.

756 757

Herding, O.; Mertens, D. (Hrsg.): Jakob Wimpfeling. Briefwechsel, Bd. 1., S. 614, Brief Nr. 236. Zur Auffassung von Gewschichte nach Polybius vgl. Landfester, R.: Historia magistra vitae: Untersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jahrhunderts (Travaux d'Humanisme et Renaissance ; 123). Genf 1972.

146 An dieser Stelle sei noch einmal an die Grundsätze von Mennels Quellenarbeit erinnert 758, die er in seiner „Vorred“ zur Fürstlichen Chronik vorstellt.759 Insbesondere Überreste gaben ihm, so betonte er dort, Orientierung, um sich ein Bild vom Leben der Vorfahren zu machen. Dazu zählten Handschriften und Urkunden, aus deren Angaben er nach dem Prinzip der Plausibilität schlußfolgerte. In seiner „Beschlußred“ zur Fürstlichen Chronik gibt er noch einmal rückblickend darüber Aufschluß, auf welche Weise er zu seiner Darstellung habsburgischer Geschichte kam.760 Von diversen Forschungsreisen habe er Material zusammengetragen, Schriften eingesehen, Kirchen, Kirchenmauern, Grabsteine, Seelbücher, Stiftsbücher, alte Türen, Türme, alte Briefe und alte Siegel betrachtet. Mennel orientiert sich damit an seinem Lehrer Naukler, für den Überreste die am meisten geschätzte Grundlage für historische Aussagen bildeten. Diese humanistische Auffassung von Geschichtswissenschaft teilte Mennel.

5

Die Recherchen für die sancti und beati des Hauses Habsburg von 1518

Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse kann die Untersuchung des habsburgischen Legendars auf einer

neuen

Ebene

durchfgeführt

werden,

bei

der

die

inhaltliche

Gestaltung

des

zusammengetragenen Quellenmaterials im Zentrum steht. Die Tatsache, daß uns heute zwei Fassungen des habsburgischen Legendars überliefert sind, bietet die Möglichkeit, ausgewählte Legenden beider Fassungen einander gegenüberzustellen, um so eine Vortsellung von Mennels Arbeitsweise bei der Abfassung und Gestaltung seiner Legenden zu erhalten. In einem Brief an Kaiser Maximilian I. äußerte Mennel lapidar, daß er dabei auf das Anliegen des Kaisers eingegangen sei, die Legenden im habsburgischen Legendar nach einem neuen Ordnungsprinzip zusammenzustellen.761 Er schreibt sinngemäß, daß der Unterschied zwischen den Legendarfassungen von 1514 und von 1518 darin bestehe, daß 1518 nicht mehr die genealogische Nähe des einzelnen Heiligen zum Hause Habsburg über seinen Platz im Legendar entschieden habe, sondern seine Heiligsprechung und sein Festtag. Die ‚sancti’, die kanonisierten Heiligen, stehen folglich im kalendarischen Teil des habsburgischen Legendars, während die ‚beati’, die nicht kanonisierten Heiligen, im Seligenbuch zu finden sind. Vergleicht man die beiden Fassungen des habsburgischen Legendars weiter, so fällt auf, daß von den insgesamt siebenundvierzig Legenden des Seligenbuches neunundzwanzig im Jahre 1514 noch nicht von Mennel vorgestellt wurden, während sich unter den insgesamt hundertdreiundzwanzig 758 759 760 761

Sie wurden schon einmal in dieser Arbeit vorgestellt, vgl. dazu S. 74f. Vgl. cvp 3073, fol. 1rff. Vgl. cvp 3077, fol. 494rf. Der Brief befindet sich transkribiert bei Laschitzer, S.: Die Heiligen der ‚Sipp-, Mag- und Schwägerschaft‘ des Kaisers Maximilian I., S. 77, Anm. 4.

147 Legenden des kalendarischen Teiles nur siebzehn Viten befinden, die 1514 noch nicht auftauchten.762 Wie diese Vermehrung der Legenden zwischen 1514 und 1518 zustande kam und welche Aussageintention sich dahinter verbirgt, soll sich durch den inhaltlichen Vergleich von Legenden des Jahres 1518 klären, in denen Heilige genannt werden, die schon 1514 von Mennel – sei es mit einer eigenständigen Legende oder im Kontext der Vita eines anderen Heiligen – genannt wurden.

5.1 Die Recherchen für die neuen beati Eine Legende, die 1514 von Mennel noch nicht vorgestellt wurde, ist die der Gattin des ersten christlichen Königs Chlodwig, Crothildis. Sie ist die erste Heilige im habsburgischen Seligenbuch. Doch schon im Jahre 1514 erwähnte Mennel die Königsgattin in der Legende ihres Mannes, und 1507 hatte Mennel in seiner Cronica Habspurgensis nuper rigmatice edita von ihrem Schicksal und dem ihres Mannes berichtet.763 Dort erzählt Mennel, daß die burgundische Königstochter Crothildis dem Frankenkönig Chlodwig zur Heiratsbedingung gemacht habe, sich zum christlichen Glauben zu bekehren. Chlodwig habe sich, anfänglich zöglerich, dann aber doch während einer Schlacht, die er zu verlieren glaubte, für den christlichen Gott entschieden. In Chlodwigs Legende von 1514764 erzählt Mennel die Bekehrung des ersten christlichen Königs folgendermaßen: Chlodwig habe Krieg gegen „die Teutsch Nation“ geführt. Da er dabei viele Soldaten verloren habe, sei er nachdenklich in sich gegangen. In einem Gebet an den christlichen Gott habe er gelobt, „den hayligen taúff“ zu empfangen, wenn Gott ihm helfe, sein Heer aus der mißlichen Kriegslage zu führen. Gott habe Chlodwigs Gebet erhört und ihn „nit allain von den unsichtbaren, sonder aúch von sichtbaren feinden erlößt […]“; die „teutschen“ hätten fliehen und sich Chlodwig untertänig machen müssen. Schließlich seien sie ihm tributpflichtig geworden. Seine Frau Crothildis, die Mennel als „ain sondern liebhaberin gottes on Zweyfel auch wol In die Zal der hayligen zesezen […]“765 schildert, habe von den Erfolgen ihres Mannes gehört und sich sehr darüber gefreut. Chlodwig habe sein Gottesversprechen eingelöst, „allen Teufelschen pompen“ entsagt und sich taufen lassen. Dabei sei ein Wunder geschehen: Durch Gottes Hand sei eine Taube vom Himmel geflogen und habe den Chrisam für Chlodwigs Taufe gebarcht.766 Nun läßt Mennel die Kette der Wunder nicht mehr abreißen: Das ganze Volk Frankreichs, insbesondere Chlodwigs Schwester, habe den christlichen Glauben angenommen. Chlodwig sei mit Gottes Hilfe gegen die

762 763 764 765 766

Im Anhang dieser Arbeit werden die neuen Legenden des Legendars von 1518 fett gedruckt. Vgl. dazu S. 268ff. Jakob Mennel: Cronica Habspurgensis nuper rigmatice edita. Konstanz (Johannes Schäffler). 1510. fol. Aiiv. cvp 3077*, fol. 14ff. Ebd., fol. 15r. Vgl. ebd., fol. 15r/v.

148 heidnischen Goten vorgegangen und habe freigebig gespendet767. Der Himmel habe dem ersten Christenkönig ein neues Wappen geschenkt, das drei goldene Lilien auf himmelblauen Hintergrund gezeigt habe. Ein rotes Seidentuch sei vom Himmel gefallen, „das die Cristenlichen kúnig vorzeytenn fúr yrn fan genant Aúriflamma wider die ungloúbigenn gefiert habenn unnd lannge Zeyt in Sant dyonisius gotzhaús behaltenn […]“768. Diese Umkehr habe allerdings nicht Chlodwigs Frau Crothildis, sondern die Notlage im Krieg bewirkt. Im profanen Teil der Fürstlichen Chronik von 1518 wird das Bekehrungserlebnis von Chlodwig ebenfalls beschrieben.769 Mennel schildert dort den ersten Christenkönig als einen Herrscher, der sich mit seinen Taten tugendreicher als seine Vorfahren erwiesen habe, und dessen Leben daher im fünften Buch der Chronik, dem habsburgischen Heiligenlegendar, beschrieben werde. Daraufhin thematisiert Mennel Chlodwigs Regierung und den Kampf des christlichen Herrschers gegen den Arianismus. Mennel führt die Brautwerbung des noch heidnischen Chlodwig um die christliche Tochter des burgundischen Königs aus, die seine Werbung nach dreimaliger Abweisung unter der Bedingung angenommen habe, daß er zum christlichen Glauben übertrete und die Gotteshäuser und Kirchen, die er zuvor zerstört habe, wieder errichte. Die Räte ihres Vaters hätten ihr zur Heirat mit Chlodwig geraten, da der Frankenkönig vermögend gewesen sei. Noch vor Chlodwigs Bekehrung zum christlichen Glauben sei somit die Ehe zustande gekommen. Der Frankenkönig erfüllt die Erwartungen der Burgunder an seine Machtfülle: Chrothildis ältester Bruder, Gondebandinus, habe nämlich „wider got und wider Recht“ den Vater aus Erbgier töten lassen, die Mutter mit einem Stein am Hals ertränkt und eine seiner Schwestern, Crona, in die Verbannung geschickt. Nach dem Tod der Eltern habe Crothildis das Erbteil vom Bruder eingefordert. Gegen die Absicht ihres Bruders, ihr den Erbteil nicht zu geben, hätten seine Räte jedoch den Forderungen der Crothildis nachgegeben, um „kain span“, keine Auseinandersetzung mit Chlodwig zu riskieren. In der Darstellung des profanen Teiles der Fürstlichen Chronik ist Chlodwig eine finanzielle Traumpartie für die Burgunderin Crothildis; nur seine Religionszugehörigkeit ist der Problempunkt ihrer Ehe: Nach der Geburt ihres ersten Sohnes Ingometes habe daher Chrothildis ihren Mann erneut gebeten, sich taufen zu lassen; ihr gemeinsames Kind habe daraufhin die christliche Taufe erhalten. Als der Junge jedoch gestorben sei, habe der König an eine verderbliche Macht des Christengottes geglaubt und sich daher der Taufe verweigert. Nach der Geburt des zweiten Sohnes habe die Königin den Wunsch der Kindestaufe gegenüber Chlodwig geäußert, der König habe nachgegeben, und das Kind sei wiederum krank geworden. Diesmal aber habe das intensive Gebet der Mutter das Kind vor dem Tod bewahrt. Aufgrund dieser Erfahrung habe Chlodwig den christlichen Glauben angenommen.

767

768 769

Allerdings muß Chlodwig das ‚richtige‘ Spenden noch mit Gottes Hilfe erlernen. Als er nach einem Sieg über den gotischen König Alanus in der Kirche von St. Martin der Stadt Thiron stiften will, muß ihn sein Pferd dazu nötigen, eine höhere Summe als zunächst geplant zu spenden. Ansonsten hätte es ihn nicht weitergetragen. Ebd. cvp 3073, fol. 4rf.

149 Eine schwere Niederlage im Krieg und das Zureden seiner Frau und des ebenfalls christlichen Dieners Aurelianus hätten zudem den Gesinnungswandel beschleunigt. Im profanen Teil der Fürstlichen Chronik von 1518 spielen neben dem Moment der kriegerischen Bedrängnis das persönliche Erlebnis der Kindesgesundung eine zentrale Rolle für für Chlodwigs Umkehr. In seiner Legende von 1514, und diese stimmt inhaltlich mit der Fassung der Chlodwiglegende von 1518 überein, legt Mennel dagegen den auf die Bekehrung Chlodwigs auf dem Schlachtfeld. Der Unterschied zwischen der Chlodwiglegende von 1514 und 1518 besteht in Ergänzungen am Foliorand in Konzeptschrift.770 Sie setzen bei der Taufe Chlodwigs und dem Wunsch seines Volkes ein, sich auch christlich taufen lassenzu dürfen. In der Legendenfassung von 1514 sind es noch dreitausend Menschen, die getauft werden. Diese Zahl hatte Mennel 1518 zunächst aus dem Legendar von 1514 übernommen, strich sie dann aber und schrieb an die Folioseite „vill tusent menschen“. Es scheint so, als habe Mennel seine Informationen zur Taufe der Franken zunächst aus dem Legendar von 1514 übernommen und 1518 aufgrund von zweifelhaften Angaben zu einer weniger konkreten, und damit auch weniger verfänglichen Zahlenangabe umgewandelt. Welche Lektüre oder sonstiger Überrest ihn zu diesem Umdenken bewogen hat, gibt Mennel nicht an. Dennoch zeigt seine Korrektur, daß er zwischen 1514 und 1518 noch weitere Informationen entweder bei der Lektüre noch unbekannter Quellen gesammelt hatte, oder weiter in seiner Auswertung der Sunthaymschen Recherchen geschritten war, die ihn zu einer kritischen Überarbeitung seiner bisherigen Angaben veranlaßten. So nennt Mennel in der Chlodwiglegende von 1514 nur Gregor von Tours als Gewährsmann seiner Angaben, vier Jahre später fügt er noch Otto von Freising und Vinzenz des Beauvais771 hinzu. Alle drei Autoren verzichten bei ihren Ausführungen zur Taufe Chlodwigs auf genaue Zahlenangaben.772 Auch in der Legende über Chlodwigs Taufvater, Remigius, die Mennel wahrscheinlich der Legendenfassung Hinkmars773 entnahm, finden sich keine genauen Zahlen. Mennels Quelle muß hier also ein Rätsel bleiben. Die ausführliche Darstellung der Brautwerbung Chlodwigs, die im profanen Teil der Fürstlichen Chronik von Mennel beschrieben wird, wird in Chlodwigs Legende von 1514 nur kurz angedeutet. Erst 1518 taucht sie im habsburgischen Legendar auf, diesmal aber nicht in der Legende Chlodwigs, sondern in einer neuen, von Chlodwig abgetrennten Legende der Crothildis.774 Hier gibt Mennel wiederum Gregor von Tours als Quelle an. Den Inhalt der Crothildislegende bestreitet er mit der Brautwerbung775 und Bekehrung Chlodwigs zum christlichen Glauben. Als Motiv für Chlodwigs 770 771 772

773

774 775

cvp 3076, fol. 4r. cvp 3073, fol. 5r. Otto von Freisings Version der Taufe ist nachzulesen bei Otto von Freising: Chronica sive historia de duabus civitatibus, hrsg. von A. Hofmeister (MGH SRG, 2). Hannover 1914, S. 225, lib. 5, , Z. 15ff., zu Vinzenz de Beauvais vgl. Vinzenz von Beauvais: Speculum quadruplex sive Speculum maius, 4, lib. 21, cap. 5 und 6, die Version von Gregor von Tours vgl. Gregor von Tours: Libri Historiarum X, lib. 2, Z. 31ff. Hier konnte Mennel die Episode finden, daß eine Taube Chlodwig den Chrisam für seine Taufe gebracht habe, vgl. dazu Hinkmar: Vita Remigii episcopi Remensis, ed. von Bruno Krusch. In: MGH SRM, 3. Hannover 1896. S. 239-341, S. 297, cap. 15, Z. 33ff. Vgl. cvp 3076, fol. 7v-15v. cvp 3076, fol. 9v.

150 Gesinnungswandel nennt Mennel die Genesung des zweiten Sohnes776, die schon im profanen Teil von 1518 großen Raum einnnahm. Auffälligerweise strich Mennel wieder zwei Folioseiten aus der Legende von Crothildis, auf denen er, wie er betont, von der Taufe Chlodwigs und der Bekehrung seines Volkes nach den Angaben Gregors von Tours berichtet.777 Die Vita der heiligen Crothildis, die auch als Einzellegende beispielsweise in Metz, also an einem in dieser Arbeit schon nachgewiesenen Rechercheort Mennels778, im 15. Jahrhundert zu finden war779, kannte Mennel entweder nicht, oder er zog es vor, nur Gregors Version der Brautwerbung in seiner Crothildislegende zu verarbeiten. Jedenfalls berichtet Mennel auschließlich von der Brautwerbung der heiligen Crothildis, die in deren Einzellegende nur das erste Drittel ihrer Lebensbeschreibung ausmacht.780 Ihren weiteren Lebensweg findet man bei Mennel nicht. Nach diesen Beobachtungen bleibt nur der Schluß, daß Mennel seinen Stoff zu einzelnen Heiligen, den er 1514 schon vorliegen hatte, 1518 weiter aufteilte. Die Crothildislegende deutet eher auf eine Überprüfung des Legendenstoffes zwischen 1514 und 1518 und seine Neuaufteilung hin, deren Ziel offensichtlich eine Erhöhung der Legendenanzahl im habsburgischen Legendar war. Der Verdacht, der schon bei den Betrachtungen der von Sunthaym zur Verfügung gestellten Informationen an Mennel bestand, gewinnt an Plausibilität: Mennels Hauptaufgabe zwischen 1514 und 1518 bestand nicht in erneuten Recherchen, sondern in einer Neuorganisation und Überprüfung des schon vorhandenen Stoffes. Ein weiteres Beispiel für Legendensplitting ist die Legende des Arnulfinger „Anchisus“, des Grafen von Namur. Gemeint ist Ansegisel, der im 7. Jahrhundert Pippins Tochter Begga geheiratet und damit zwei Einflußbereiche, nämlich den der Pippiniden und den der Arnulfinger, miteinander verbunden hatte.781 Auch er taucht erstmals 1518 im habsburgischen Legendar unter den Seligen auf und wird als ein ehelicher Sohn des heiligen Bischofs von Metz, Arnulf, vorgestellt.782 Als sein Vater ihn gebeten habe, sein Vermögen den armen Leuten zu geben, habe Ansegisel dem Wunsch seines Vaters bereitwillig entsprochen, sein Bruder Clodolphus sich aber diesem Ansinnen widersetzt. Arnulf habe seinen Sohn Ansegisel deswegen gesegnet und ihm geweissagt, daß sein Geschlecht einmal zu königlichen Ehren gelangen werde. Ansegisel habe eines Tages ein Findelkind aufgenommen, das er auf den Namen Godwin taufen ließ. Als Godwin mannbar geworden sei, habe er sich aber in die Ehefrau seines Adoptivvaters, Begga, verliebt, und schließlich seinen Ziehvater aus Habgier umgebracht. Begga sei vor Godwin in die Ardennen geflüchtet und habe dort, wie man auch in ihrer Legende nachlesen könne, sieben Kirchen und 776 777 778 779 780 781 782

Vgl. ebd., fol. 13v f. Vgl. ebd., fol. 14v-15r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 124f. Vgl. die Angaben zur Vita Sanctae Crothildis, hrsg. von Bruno Krusch. In: MGH SRM, 2. S. 340-349. Vgl. ebd., S. 342 ff., c. 2-6. Vgl. dazu Werner, M.: Art. Arnulfinger. In: LThK, 1. Sp. 1031/32. cvp 3076, fol. 16r-19v.

151 Klöster gegründet. Godwin dagegen sei vom bösen Geist heimgesucht worden und gestorben. Das alles sei 685 geschehen, Ansegisel habe achtunddreißig Jahre regiert und werde als ein Märtyrer betrachtet, da er als Lohn für seine guten Taten Übel empfangen habe. Der historische Ansegisel war in den inneraustrasischen Wirren ums Leben gekommen. Die Uminterpretation dieses Todes zu einem Märtyrertod, wie ihn Mennel darstellt, zeigt natürlich einen habsburgischen Ahnen in einem neuen Licht: Der Märtyrertod läßt die offensichtliche Führungsschwäche des Ansegisel, die zum vorübergehenden Machtverlust der Pippiniden und Arnulfinger führte, als Stärke erscheinen. Auf diese Weise merzt Mennel durch die Legende eines seligen Habsburgers einen ‚schwarzen Fleck‘ in der Herrschaftsgeschichte der Arnulfinger, in deren Tradition sich die Habsburger stellen, aus. Auf zwei Heilige beruft sich Mennel bei seinen Ausführungen zu Ansegisel, deren Legenden schon 1514 bei den heiligen Blutsverwandten des Hauses Habsburg zu finden sind. In Arnulfs Legende erzählt Mennel von den Auseinandersetzungen der Brüder Chlodulf und Ansegisel wegen des Wunsches ihres Vaters, ihr Vermögen den Bedürftigen zu überlassen.783 Auch wird hier schon die Vorhersage Arnulfs, daß Ansegisels Nachkommen Könige sein werden, vorgebracht. 784 In Beggas Legende wird ebenfalls schon von Ansegisel, ihrem Ehegatten, geschrieben. Auch hier weiß Mennel von dem habgierigen Godwin, der seine Adoptiveltern verfolgt habe.785 Im Gegensatz zur Legende der seligen Crothildis entnahm Mennel hier also nicht den Stoff der neuen Legenden dem Bericht des profanen Teiles der Fürstlichen Chronik, sondern faßte die Informationen zu dem Heiligen Ansegisel aus den zwei Legenden von seinem Vater Arnulf und seiner Ehefrau Begga, die er schon 1514 vorliegen hatte, zu einer neuen, eigenständigen Legende im Jahre 1518 zusammen. Auch hier wird deutlich, daß Mennel seine neuen Legenden von 1518 nicht neuen Recherchen, sondern einer Neuorganisation des schon 1514 bekannten Materials verdankte. Die gleiche Vorgehensweise des maximilianeischen Hofhistoriographen läßt sich noch an den Legenden von den brabantischen Heiligen Walchisus und Witger beobachten. So wurde Witger786 bei Amelberga als deren zweiter Ehemann erwähnt787 und bei Gudila als deren Vater.788 Vom seligen Walchisus789 erzählte Mennel in Dodas Legende.790 Sowohl die Legende von Witger wie auch die von Walchisus bieten nur dürftige Informationen. In den Legenden beider Seliger vermag es Mennel nur, ihre genealogische Verbindung zu den heiligen Verwandten Gudila und Amelberga anzugeben, und bei Witger gesteht er, daß er in Brüssel in „sonderhait” nach dessen Legende 783 784

785 786 787 788 789 790

cvp 3077*, fol. 35r. Nach Ansegisel eroberte sich sein Sohn, Pippin II., die einstige Macht der Arnulfinger und Pippiniden zurück. Von ihm leiteten sich schließlich die Karolinger ab. cvp 3077*, fol. 60r. cvp 3076, fol. 25r. cvp 3077*, fol. 42r. Ebd., fol. 48r. cvp 3076, fol. 26r. Ebd., fol. 56v.

152 erfolglos im Rahmen seiner Recherchen zu Gudila gesucht habe. Es steht also außer Zweifel, daß Mennel für die brabantischen Heiligen vor 1514 in den Niederlanden geforscht hatte, und auch die Informationen zu den 1518 mit einer eigenständigen Legende in Erscheinung tretenden Seligen Resultate dieser Recherchen sind. Auch Garinus, der Bruder der Heiligen Etichonen Leodegar und Odilia, deren Legenden Mennel schon 1514 präsentierte, bekommt 1518 einen eigenen Legendenplatz. Er entstamme aus dem Geschlecht der elsässischen Herzöge, schreibt Mennel. Seine Legende umfaßt nicht mehr als eine halbe Folioseite und beschränkt sich auf den Hinweis, daß man in der Legende seines Bruders Leodegar über ihn weiterlesen könne.791 Genauso kurz ist die Legende der seligen Eugenia aus Brüssel, die Mennel auf die Legende von Garinus folgen läßt. Ihre Schwester sei Gondelinda, und bei ihr könne man sich auch weiterinformieren.792 Es ist also keineswegs so, daß Mennel die Schwerpunkte seiner neuen Legenden nur auf die Arnulfinger legte, sondern auch die Adelsgeschlechter aus dem Elsaß und den Niederlanden vermehrt zum Zug kommen ließ. Nicht zu vergessen die burgundischen Adelsheiligen, von denen die selige Frau Bertha, eine Königin von Burgund und geborene Gräfin von Vroburg, ein Beispiel für eine Heilige ist, deren Legende auch erst 1518 von Mennel geschrieben wurde. Auch ihr Stammbaum bleibt unausgefüllt. Sie wird als Mutter der römischen Kaiserin Adelheid793 und Ehegattin des burgundischen Königs Rudolf vorgestellt. Trotz Reichtum und Ehre habe sie sich von der Welt abgewandt und sei für die Armen und Bedürftigen da gewesen. Im Gotteshaus Payerne finde man, so Mennel, Beweise ihres karitativen Wirkens. Im Stiftsbrief von Payerne könne man auch nähere Informationen finden. Die Legende von Berthas Mann Rudolf stand schon im Legendar von 1514794, und 1518 wiederholt Mennel nur die spärlichen Aussagen über dessen Herkunft aus dem burgundischen Königshaus. Mehr wußte er offensichtlich 1514 nicht zu berichten, und auch 1518 schreibt eine zweite Hand – wahrscheinlich nach erfolgloser Suche – die gleichen Informationen noch einmal in Rudolfs Legende.795 Doch auch diese Anfügungen beschränken sich nur auf wenige Angaben zu seiner Herkunft aus dem burgundischen Königshaus und seine Vermählung mit der Gräfin von Vroburg. Die Legende ihrer Tochter Adelheid wird von Mennel schon 1514 niedergeschrieben und darin von ihren Eltern Bertha und Rudolf berichtet.796 1518 befindet sich ihre Legende allerdings nicht im Buch der seligen Habsburger, sondern im kalendarisch geordneten Teil der kanonisierten Heiligen des Hauses Habsburg.797 Wie ihr Vater und ihre Mutter habe sich die Heilige für ein gottgefälliges Leben entschieden. Die Nachforschungen in Selz beziehungsweise in Payerne müssen von 791 792 793 794 795 796 797

Vgl. cvp 3076, fol. 58v-59r. Vgl. ebd., fol. 59v-60r. Vgl. cvp 3077, fol. 454r-461r. cvp 3077*, fol. 187v. Vgl. cvp 3077, fol. 104v-105r. cvp 3077*, fol. 188r-192v. cvp 3077, fol 454r-461r.

153 Sunthaym, vielleicht aber auch von Mennel vor 1514 erledigt worden sein. Auch schon zu diesem Zeitpunkt weiß Mennel von dem Grab ihrer Mutter Bertha in Payerne und deren Wohltaten gegenüber den Bedürftigen zu berichten.798 Mennel schreibt in der Legende ihrer Mutter Bertha also keine Neuigkeiten nieder, die ihm 1514 noch nicht bekannt gewesen wären. Auch ihre Legende zählt somit zu jenen Viten im habsburgischen Legendar der Seligen, die durch das Absplitten von Informationen aus einer bereits 1514 erzählten Vita neu gestaltet wurden. Mennels Streben nach einer Vermehrung der habsburgischen Heiligen im Vergleich zu 1514 ist unverkennbar und weist auf keine Schwerpunktbildung hin. Offensichtlich hatte es sich Mennel zur Taktik gemacht, Informationen aus den Legenden kanonisierter Heiliger, wie es Doda, Gudila, Leodegar, Odilia, Gondelinda, Adelheid und Leopold III. sind, zu neuen Legenden von Seligen abzusplitten, um auf diese Weise das Personal des habsburgischen Heiligenhimmels zu vergrößern. Schwerpunkte von Herkunftsländern, aus denen Mennel vorzugsweise mehr Heilige hätte herausstellen können, sind dabei nicht auszumachen. Ein Beispiel für eine Legende, an der sich Mennels Sichtung des Quellenmaterials, das er im Legendar von 1514 noch nicht verarbeiten konnte, zeigt, ist die Vita des seligen Hugo.799 In der Vita von Papst Leo habe er, Mennel, über Hugos Leben gelesen. Es gibt zwei Legenden, die 1518 von einem Papst Leo berichten: Der eine Leo steht mit seiner Legende im kalendarischen Teil des habsburgischen Legendars von 1518.800 Es handelt sich um Papst Leo IX., dessen Geburtsname Bruno ist. Von ihm handelt Mennel auch schon 1514.801 Der zweite Papst Leo wird von Mennel das erste Mal 1518 unter den Seligen des Hauses Habsburg genannt.802 Dieser Leo wird als Stiefbruder von Karl dem Großen vorgestellt. Von diesen beiden Päpsten steht Papst Leo IX., wie sein Stammbaum es auch anzeigt, in verwandtschaftlicher Beziehung zu Hugo. Über Leo habe Mennel, so schreibt er 1514 in dessen Legende, unter anderem im Kloster Hirsau nachgelesen; dort erzählt er aber nicht, wie in der Hugolegende behauptet, von Hugo. In Hugos Legende schreibt Mennel dann 1518, daß viele Gotteshäuser im Breisgau, im Sundgau und im Elsaß von Hugos Vorfahren gegründet worden seien, worin er ihnen nachgeeifert habe. Am Ende von Hugos Legende wird Mennel dann ausführlicher mit seinen Quellenangaben zur Fassung von 1518: Über die Stiftungen Hugos habe er in den Stiftsbriefen von St. Martin zu Hirsau, St. Ciriacus zu Sulzburg, in St. Trudpert im Breisgau und im Münstertal im Breisgau nachlesen können. Alle diese Klöster tauchen schon im Zusammenhang mit Recherchen des Jahres 1514 auf: In St. Trudpert hatte Mennel zu den Heiligen Trudpert, Rupert und Ermendrude vor 1514 recherchiert803, 798 799 800 801 802 803

cvp 3077*, fol. 189r. Vgl. dazu cvp 3076, fol. 79r-81v. cvp 3077, fol. 107r-112v. cvp 3077*, fol. 94v-99r. cvp 3076, fol. 70v-74r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 130.

154 in Hirsau zur Legende von Papst Leo IX. von 1514804, und in Sulzburg zur Legende des heiligen Gebhard, die er ebenfalls schon 1514 verfaßt hatte.805 Es liegt damit auf der Hand, daß Mennel auch die Informationen zu Hugo, die er erst 1518 zu einer Legende formte, 1514 vorliegen hatte. Alles, was Mennel zwischen 1514 und 1518 für die Hugolegende unternahm, war eine Sichtung des schon vor 1514 gesammelten Quellenmaterials. Hugos Ehefrau Hedwig folgt mit ihrer Vita auf Hugos Lebensbeschreibung.806 Auch über sie könne man bei ihrem Sohn, dem heiligen Papst Leo IX., lesen. Die weiteren Beschreibungen entsprechen, wie die in der Legende ihres Mannes Hugo, im wesentlichen den Angaben in Leos Legende. Hedwigs Verbindung zum Hause Habsburg ist von einer Hand nachträglich und unvollständig in den Stammbaum ihrer Legende eingetragen worden. Offenbar war auch bei ihr der genealogische Bezug zu den Habsburgern unklar. Aber auch hier wird deutlich, daß Mennels Arbeit vornehmlich darin bestand, schon zusammengetragenes Quellenmaterial weiter zu sichten und in Kombination mit Legendensplitting, wie es bei der Legende der seligen Hedwig der Fall ist, neue Legenden von Heiligen, die in sich wiederum kleine, abgeschlossene genealogische Einheiten bildeten, zu schaffen. Die Legende des Bischofs und Historiographen Otto von Freising soll ein weiteres Mal vor Augen führen, wie Mennel Legenden splittete und mit weiteren Erkenntnissen aus noch gesichtetem Quellenmaterial zu neuen Legenden kombinierte. Im Jahre 1514 wurde Otto in der Vita des heiligen Leopold III. nur mit wenigen Sätzen bedacht: Otto sei eines der achtzehn Kinder aus der Ehe Leopolds III. mit Agnes gewesen. Er habe die Universität in Paris besucht und sei der erste Propst zu Neuburg geworden. Im Kloster Morimond sei er Abt, und danach Bischof von Freising geworden. Außerdem habe er „vil schoner historias beschrybenn“.807 1518 schreibt Mennel dem Freisinger Bischof eine vergleichsweise ausführliche Vita.808 Otto sei ein geborener Markgraf zu Österreich und ein Graf von „Egnissen” gewesen, letzteres streicht Mennel aber wieder im Legendentext. Neu ist 1518 die Angabe, daß Otto seinen Stiefbruder Konrad III. in das gelobte Land begleitet habe. Ebensowenig schreibt Mennel 1514 in Leopolds Legende von Ottos Notar Rahewin, der bezeuge, daß der Bischof viele Bücher geschrieben habe „Notberthus“809 und „Andegarius“810 treten ebenfalls 1518 erstmals unter den habsburgischen Seligen in Erscheinung, der erste als der Neffe Karls des Großen, der zweite als der erste Abt zu Kempten und Sohn des heiligen Roland. Die Legende des seligen Notberthus findet nach den 804 805 806 807 808 809 810

Ebd. Ebd. cvp 3076, fol. 82r-83v. cvp 3077*, fol. 201v. cvp 3076, fol. 76v-78v. Ebd., fol. 34r. Vgl. ebd., fol. 35r/v.

155 Worten „Von diesm seligen fürsten Nothberthen“ ihr schnelles Ende, bei Andegarius bietet Mennel auch nicht mehr nach den einleitenden Worten „beatus Andegarius, Sannt Rolannds Son, Erster apt Zu kempten“. Offensichtlich standen Mennel aber die genealogischen Angaben zur Verfügung, um die Stammbäume beider Heiligen auszufüllen. Schon 1514 hatte er ja für Karl den Großen und den heiligen Roland eine Legende verfaßt, wobei sich in den Legenden beider kein Verweis auf die Seligen findet. Aber selbst wenn Mennel in einer der vielen möglichen Vorlagen für die Karls- oder die Rolandslegende einen Hinweis auf die Seligen gefunden hätte, wäre doch anzunehmen, daß er mehr als – wie er es getan hat – ‚nichts‘ in die Legenden beider hätte schreiben können. Sicher wußte Mennel ihren Namen und ihre verwandtschaftliche Verbindung zu den großen Heiligen. Wenn Mennel auf Notberthus und Andegar also nicht über die Legendenlektüre für Rolands und Karls Legenden gestoßen sein kann, könnte Sunthaym ihm zumindest den Namen des ersten Abtes von Kempten, Andegar811, von seinen Recherchen in Kempten, wo er über die Kaisergattin Hildegard Nachrichten gesammelt hatte, mitgebracht und Mennel auf dessen Verwandtschaft mit Roland hingewiesen haben.812 Auch wenn dies nicht geklärt werden kann, bleibt doch bemerkenswert, daß Mennel mit dem Ziel, das Heiligenpersonal zu vergößern, auch genealogische Angaben zur Verwandtschaft einzelner Personen mit Heiligen des Hauses Habsburg ohne das Wissen um deren Viten zum Anlaß nahm, neue habsburgische Selige zu kreieren. Auch Ritza813, die Tochter des römischen Kaisers Ludwig VII., ist 1518 eine neue Heilige im Kreise der habsburgischen Heiligen. Auch ihre Legende ist, wie die der vorher genannten Seligen Notberthus und Andegar, äußerst kurz gehalten. Das Stift zu Koblenz, so Mennel, ehre diese Heilige und tue dies “In einer tafel In der Kirche daselbs” kund. Bei Ritza kann nicht eindeutig geklärt werden, ob Mennel die Nachrichten zu ihrer Verehrung aus Koblenz schon 1514 besaß oder sich erst im Laufe der vier Jahre erworben hatte. Zieht man jedoch in Betracht, daß es für Mennel bei den Recherchen im Moselgebiet keine größeren Anstrengung bedurfte, einen Abstecher – sei es persönlich oder durch einen Helfer – nach Koblenz zu machen, so ist auch bei Ritza anzunehmen, daß er schon 1514 von ihrer Verehrung wußte, aber aus Mangel an weiteren Informationen davor zurückscheute, sie in das Legendar aufzunehmen. Auf diesem Hintergrund erscheint der Auszug von 1514 im Vergleich zu den Legenden von 1518 noch als ein Versuch, dem Kaiser möglichst vollständige Legenden vorzustellen, während das Legendar von 1518 von der Motivation geprägt ist, möglichst viele Heilige und Selige des Hauses Habsburg namentlich vorzustellen, in der Hoffnung, vielleicht auf die leeren Seiten ihrer Legenden einmal die endlich gefundenen Informationen zu ihrem Leben niederschreiben zu können.

811

812 813

Andegar ist als erster Abt von Kempten für das Jahr 752 belegt. Vgl. dazu Hemmerle, J.: Die Benediktinerklöster in Bayern (Germania Benedictina, 2). Augsburg 1970, S. 132. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 105. cvp 3076, fol. 41r.

156 Für Galsiunde814, der Ehegemahlin des Frankenkönigs Chilperich, wertete Mennel literarische Vorlagen weiter aus, die er auch schon 1514 vorliegen hatte. Mennel will zu ihre die Vinzenz von Beauvais und Gregor von Tours befragt haben. Da die Felder in ihrem Stammbaum, die nur auf der Grundlage intensiver genealogischer Forschungen zu der Verbindung des hispanischen Königshauses, dem Herkunftshaus Galsiundes, und dem Haus Habsburg hätten gefüllt werden können, hatte Mennel für diese Heilige wohl kein Vorarbeiten von Wiener Hofhistoriographen vorliegen. So stützt er sich nur auf die Beschreibungen der zwei genannten Autoren: Sie sei die erste Frau Chilperichs gewesen und habe eine Dienstmagd namens Fredegundis zur Nebenbuhlerin gehabt. Vinzenz von Beauvais schreibe, daß Galsiunde „ein heylig weyb“ gewesen und ermordet worden sei, weil sie den Ehebruch ihres Mannes nicht habe dulden wollen. Man streite sich darüber, ob es die Tat ihres Mannes gewesen sei; sicher scheine, daß Fredegundis bei Galsiundes Tod ihre Finger mit im Spiel gehabt habe. Von Galsiundes Wundern berichte Gregor von Tours.815 Auch bei Galsiunde konsultiert Mennel Quellen, die ihm schon 1514 zur Hand waren, die er aber in noch keine anderen Legenden 1514 verarbeitet hatte. An der Aufnahme dieser Heiligen in das Legendar von 1514 hinderte ihn wahrscheinlich die Tatsache, daß er zwar von ihrer Ehe mit Chilperich, aber nicht nachweislich etwas von ihrer hispanischen Abkunft wußte. Es gibt keine Anhaltspunkte, die weitere Reiseunternehmungen Mennels zwischen 1514 und 1518 vermuten lassen. Die Legende der seligen Hemma, Gräfin zu „Beyelstein”, ist ein Beispiel für eine Heilige, die mit keinem Wort in der Legendarfassung von 1514 erwähnt wurde, deren Kultorte aber in einem Gebiet lagen, das Jakob Mennel schon vor 1514 bereist hatte. So liegt die Burg Beilstein bei Zell an der Mosel und war der Mittelpunkt einer aus Lehen des Reiches, der Erzstifte Köln und Trier und der Fürsten von Jülich gebildeten Reichsherrschaft, deren Herren man seit dem 11. Jahrhundert nachweisen kann.816 An der Mosel hatte Mennel aber schon 1514 nachweislich geforscht; erinnert sei hier nur an seine Nachforschungen in Metz zum heiligen Arnulf oder in Köln zur heiligen Ursula. Es liegt nahe, daß Mennel auch Beilstein, das einst ein Herrschaftszentrum an der Mosel gewesen war, zu Nachforschungen zur habsburgischen Geschichte bereiste. In der Legende der seligen Wildedrude817, der Gräfin von „Thaur“, schreibt Mennel zwar ebenfalls von einem 1514 noch ungenannten Rechercheort, nämlich dem Benediktinerkloster zu Hohenwart, das sie gestiftet und als erste Äbtissin geleitet habe. Ihre Legende ist von Heiligentopoi, die auf keinen Recherchen beruhen müssen, geprägt: In Reinheit und Klarheit habe sie gelebt, den Stand der Ehe für sich abgelehnt. Vor ihrem Tod hätten die Eltern Wildrudes Bruder, dem seligen Ortolf, aufgetragen, seine Schwester zu verheiraten. Durch Bitten habe Wildrude aber erlangt, daß Ortolf 814 815

816 817

Vgl. ebd., fol. 42v-43v. Vgl. dazu Krusch, B.; Levison, W. (Hrsg.): Gregorii episcopi Turonensis libri historiarum X, 1, 1 (MGH, SRM 2). Hannover 1951, S. 160, lib. IV, c. 28. Vgl. dazu Köbler, G.: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Vgl. cvp 3076, fol. 66v-69r.

157 ihr das Schloß Hohenwart vermachte und sie dort ein Frauenkloster gründen konnte. Bruder und Schwester seien auf Hohenwart begraben worden. In der Legende ihres Bruders Ortolf 818, die ebenfalls erstmals 1518 auftaucht, gibt Mennel den Hinweis, in „den altten buchern zu Hohenwart“ Informationen über den Grafen gefunden zu haben. Ortolf sei in Italien gestorben, und man habe ihn schließlich nach Hohenwart transferiert, um ihn dort an der Seite seiner Schwester begraben. Die Benediktiner- und Nonnenabtei Hohenwart befindet sich an der Paar in Oberbayern, und zwar in der Nähe von Augsburg. In Augsburg und dessen Umgebung war auch schon Sunthaym auf Forschungsreise in kaiserlichem Auftrag gewesen, und Mennel hatte sich auf dessen Angaben zum heiligen Ulrich nachweislich gestützt.819 Es ist nicht anzunehmen, daß Mennel Hohenwarth nach 1514 aufsuchte, um weitere Erkenntnisse über habsburgische Heilige zu erhalten, sondern daß er bei Wildrudes und Ortolfs Legende nur weiteres Quellenmaterial ausgewertet hatte. Resümierend bleibt für die neuen Legenden des habsburgischen Seligenbuches von 1518 festzuhalten, daß sie ihre Entstehung keinen neuen Recherchen Jakob Mennels verdanken. Ein Großteil der Seligenviten wurde aus Heiligenviten abgesplittet, die schon 1514 von Mennel erzählt wurden

und

viele entstanden

aus

weiter

gesichtetem

Quellenmaterial.

Von

weiteren

Forschungsreisen zwischen 1514 und 1518 ist, soweit es das Seligenbuch betrifft, nicht auszugehen.

5.2 Die Recherchen für die neuen sancti Die heilige Egita820 ist das Beispiel einer sancta, deren Vita neu im kalendarischen Teil des habsburgischen Legendars von 1518 ist. Sie wird als Königstochter von England vorgestellt; ihr Stammbaum aber bleibt verwaist. Er von ihrem Leben, so Mennel, im Zusammenhang mit der Legende des heiligen Dunstan gelesen. Der heilige Dunstan habe nämlcih Egita geweissagt, daß der Finger, mit dem sie sich das Kreuz auf die Stirn zeichne, niemals faulen werde, und als sie schließlich nach einem gotterfüllten Leben im Kloster gestorben und ihr Körper nach einer weiteren Zeit ausgegraben worden sei, habe man alles bis auf den Finger in Asche vorgefunden. Aus der Dunstan-Vita hatte Mennel schon seine Informationen zu König Edgar exzerpiert, und da von Egita dort gehandelt wird, entnahm Mennel dieser nur eine weitere Epiosode für die Egita-Vita, sichtete aber keine neuen literarischen Quellen für diese Heilige.

818 819 820

Vgl. ebd., fol. 69v-70r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 94ff. Vgl. cvp 3077, fol. 45v-47r.

158 Bei der römischen Kaiserin Helena821 bezieht sich Mennel bei den Überlegungen zu ihrer Herkunft auf den schon 1514 aus der Ursulalegende822 bekannten Autor Geoffrey von Monmouth und wertete offensichtlich Material, das er bei seinen Forschungen in Trier zusammengetragen haben muß, aus. Trier und der heilige Rock, der dort gehütet und tausende in die Stadt lockte, hatte für Maximilian I. große Bedeutung. Für ihn stand dieser Rock, so legt es ein Gebet des Kaisers aus dem Jahre 1517 nahe, als ein Hinweis „für die unerreichbar gewordene Heimat der Tunika“, die Maximilian durch einen Kreuzzug nicht hatte wiedererorbern können.823 Helenas Legende erzählt unter anderem von diesem ‚Neuen Jerusalem‘, wo man das heilige Kreuz und den heiligen Rock verehre; beide Reliquien hatte Helena aus dem heiligen Land mitgebracht. Deswegen hätten viele geglaubt, daß Helena eine gebürtige Trierin gewesen sei. All dies konnte Mennel auch schon vor 1514 bei seinen Nachforschungen in Trier zum heiligen Willibrod und der heiligen Irmina von Oeren erfahren haben.824 Die übrigen Passagen der Helenalegende, die ihre Pilgerfahrt nach der Taufe durch Papst Silvester, die Kreuzfindung, ferner das Religionsgespräch von Heide, Jude und Christ

vor

Helenas

Sohn

Konstantin

beschreiben,

waren

beispielsweise

in

der

frühneuhochdeutschen Kaiserchronik aus Regensburg825 Mennel bekannt und leicht zugänglich. Auch von Claudius, einem kanonisierten Heiligen im Legendar von 1518, hatte Mennel sicher schon 1514 Kenntnis genommen.826 Er sei ein Fürst aus dem Geschlecht von Burgund gewesen und habe zudem das Amt des Erzbischofs zu Besanscon bekleidet. Auf welche Weise er allerdings mit dem Hause Habsburg in genealogischer Verbindung steht, verraten die leeren Felder des Stammbaumes nicht. Dennoch scheinen Mennel ausführliche Informationen zu dem heiligen Leben des Claudius vorgelegen zu haben, nicht zuletzt bedingt durch die Vorarbeiten des Ladislaus Sunthaym, der, wie schon dargestellt wurde, Studien zu den burgundischen Heiligen unternommen hatte. Daß Mennel zwar nicht grundlegende neue Forschungen zwischen 1514 und 1518 unternahm, aber an den Legenden von 1514 weiter feilte, zeigt die Legende des heiligen Emesbert. Das Leben und Wirken des brabantischen Heiligen Emesbert könne man in Cambrai „mit grosser Solemnität827 betrachten, schreibt Mennel 1514. Emesbert sei der erste Sohn von Graf Witger und der heiligen Amelberga gewesen und habe das Amt des Bischofs von Cambrai innegehabt. Damit schließt Mennel schon die Emesbertlegende im Jahre 1514. 1518 kann Mennel auf einen größeren 821 822 823

824 825

826 827

Vgl. ebd., fol. 137v-146r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 151. Vgl. zu der Verehrung des heiligen Rockes Aretz, E; Embach, M.; Persch, M.; Ronig, F.: Der heilige Rock zu Trier. Studien zur Geschichte und Verehrung der Tunika Christi. Trier 1995, S. 182ff. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 126. Vgl. Kaiserchronik eines Regensburger Geistlichen, hrsg. von Edward Schröder. Unveränd. Nachdruck der 1892 bei der Hahnschen Buchhandlung, Hannover, erschienenen Ausgabe (MGH Dt. Chroniken, 1, 1). München 1984, vgl. die Silvesterlegende ab V. 7805. Vgl. cvp 3077, fol. 186r-192v. cvp 3077*, fol. 47v.

159 Informationsschatz zurückgreifen.828 Im kalendarischen Teil der Legendarfassung von 1518 ordnet Mennel die Emesbertlegende dem Monat Juni zu und weiß, daß der Bischof „Im Catalogo“ unter dem Namen „Ablebertus“ geführt, von den „Inlendigen unnd den den nachpuren“ aber Emesbert genannt werde. Im Gegensatz zu der Legendenfassung von 1514 zählt Mennel namentlich Emesberts Vater und Mutter samt den fünf heiligen Geschwistern auf und bleibt konkret in seinen Angaben: Nach dem Tod von Bischof Berthoaldis sei Emesbert nämlich zu dessen Nachfolger erwählt worden. Er habe – und hier bedient sich Mennel beliebter Topoi aus Bischofsviten829 – sein Bistum mit Fleiß regiert, viele Seelen auf den rechten Weg des Glaubens gebracht und große Wunder, wie das Heilen von Blinden und von Stummen, erwirkt. Emesbert habe einen „flecken“ besessen, der „martinas“ genannt worden sei. Er habe diesen sehr gewinnbringenden Ort schließlich der Kirche vermacht und sich gewünscht, dort begraben zu werden. Von dort aus sei Emesbert nach „Malbedien“ transferiert worden. Mennel referiert hier die alte Auffassung der Hagiographie, Alebertus und Emesbert wären dieselbe Person gewesen. In der Tat war Emesbert als Bischof von Arras und Cambrai zuerst in Martinas, und dann in Maubeuge beigesetzt worden, wo auch die Gebeine der heiligen Aldegunde lagen. 830 Von ihr hatte Mennel schon 1514 berichtet.831 Fakt bleibt, daß Mennel auch an den Legenden der Heiligen, zu denen schon 1514 genug Material gesammelt und gesichtet worden war, bis 1518 weiterarbeitete – dafür ist die Emesbert-Vita Beweis genug. Daß Mennel nicht immer zu der noch 1514 erhofften weiteren Ausarbeitung von Legenden kam, belegt die Mauritiuslegende. Zu diesem Heiligen hatte Mennel die ersten Informationen schon vor 1514 aus Sunthayms Hand erhalten.832 Im Jahre 1514 schreibt Mennel, daß er zwei Heilige mit dem Namen Mauritius finde.833 Der erste sei ein Herzog zu Theben gewesen und unter den römischen Kaisern Maximianus und Diokletian gemartert worden. Der zweite sei der Schwestersohn des burgundischen Königs Sigmund. Daraufhin bricht die Mauritiuslegende mit den Worten „von dem wir als geschryben find […]“ unvermittelt ab. Wie auch schon festgestellt wurde, verdankt Mennel diese Informationen Ladislaus Sunthaym. Im Legendar von 1518 findet sich die Legende zum heiligen Mauritius unter den Seligen des Hauses Habsburg wieder. 834 In der Legendenüberschrift versieht Mennel den seligen Mauritius im nachhinein mit dem Attribut „Martrer“. Inhaltlich stimmen die Angaben der Legende von 1518 noch mit den Angaben von 1514 überein. Nur im Anschluß an die Bemerkung, daß Mauritius der Schwestersohn von König Sigismund gewesen sei, 828 829

830 831 832 833 834

cvp 3077, fol. 207r. Vgl. Müller, M.: Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung: Überlieferung und Entwicklung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 44). Köln, Weimar, Wien 1998, S. 7. Vgl. Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, S. 245. Vgl. cvp 3077*, fol. 27v-28r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 109ff. cvp 3077*, fol. 137r. cvp 3076, fol. 41v.

160 wird 1518 hinzugefügt: „[…] Der mit Im Sampt andern die kron der martir verdient hat, wie man dann solichs in Sant Sigmunden legent vermercken mag“.835 Damit nimmt auch in diesem Legendar die Legende des heiligen Mauritius ihr Ende. Mennel suchte wohl nach weiteren Informationen zu Mauritius zwischen 1514 und 1518, blieb dabei aber erfolglos. Sein verzweifelter Versuch, seiner Mauritiuslegende doch noch den Anschein zu geben, auf historischen Tatsachen zu beruhen, ist der Verweis auf die Vita des burgundischen Königs Sigmund, den er ebenfalls in sein Legendar, allerdings in den kalendarischen Teil von 1518, aufgenommen hat836; doch auch dort findet sich nichts über Mauritius. Hier zeigt sich besonders deutlich, daß Mennel bei ausgewählten Heiligen gezielt auf weitere Informationen baute, die ihm wider Erwarten seine weitere Auswertung von Material nicht brachte. Nach neuen Informationen hat er dann offensichtlich nicht gesucht. Grundsätzlich fällt bei den neuen sancti des Legendars von 1518 im Vergleich zu den beati von 1518 auf, daß ihre Legenden nicht auf Legendensplitting beruhen, sondern auf neugesichtetem Material. Aber auch zu ihnen ging Mennel in den Jahren zwischen 1514 und 1518 nicht erneut auf Recherche. Vielleicht läßt sich damit das Phänomen erklären, daß das Seligenbuch von 1518 eine relativ große Anzahl neuer Legenden zu Seligen des Hauses Habsburg vorzuweisen hat, während der kalendarische Teil von 1518, in dem sich die kanonisierten Heiligen des Hauses Habsburg befinden, nur wenige Neuzugänge verzeichnet.837

6

Herkunft, Stift und Grab: Heiligenkult als Herrschaftssicherung

Ziel des nun folgenden Kapitels ist es, das habsburgische Heiligenlegendar auf der inhaltlichen Ebene zu untersuchen, um daraus Erkenntnisse über das Selbstverständnis Maximilans I. und des Hauses Habsburg zu gewinnen. Das, was den einen Heiligen vom anderen Heiligen unterscheidet, sind nicht seine Wunder – sie wechseln von Legendendarstellung zu Legendendarstellung, sind mehr oder weniger austauschbare Topoi.838 Das, was einen Heiligen einzigartig macht, ist seine jeweilige ‚Verankerung‘ in der Geschichte. In den Legenden sind diese ‚Verankerungen‘ die Herkunft, die vom Heiligen gegründeten „Stifte“ und sein Grab. Mit dem Wissen der Herkunft kann das habsburgischen Haus sich erst zu einzelnen Heiligen in Beziehung setzen und auf dieser Grundlage seine Politik entwerfen, die Heiligenverehrung sichern die Angaben von Stift und Grab 835 836 837

838

Vgl. dazu im Anhang dieser Arbeit, S. 267, Abb. 3 und 4. Vgl. cvp 3077, fol. 133r-137r. Insgesamt siebzehn von insgesamt hundertdreiundzwanzig Legenden des kalendarischen Teiles standen 1514 noch nicht im Habsburger Legendar. So gibt es beispielsweise für die irischen Heiligen eine Reihe von Motiven, die auswechselbare Bestandteile einer Legende sind. Eine Liste dieser Motive bietet Bray, D. A.: A list of motifs in the lives of the early Irish Saints. Helsinki 1992. Heute noch immer grundlegend sind die Überlegungen von Frantisek Graus zu den Heiligentopoi in den heiligenlegenden der merowingischen Heiligen, vgl. Graus, F.: Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit. Prag 1965.

161 der einzelnen Heiligen. Das Phänomen, das alle drei Komponenten in ihrem Zusammenwirken beschreiben, ist die sogenannte „politische Heiligenverehrung“.839 Ein zentraler Punkt der Heiligenverehrung ist das Grab der Heiligen. Daß Mennel den Heiligengräbern der Habsburger eine wundersame Wirkung zuschreibt, läßt sich an vielen Stellen des Legendars belegen. Eine der eindrücklichsten Schilderungen, wie das Grab einer Heiligen auf die Umgebung eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben kann, bietet die Legende der elsässischen Herzogstochter Adela. Die Heilige sei zu Straßburg in der Kirche des heiligen Stefan bestattet worden, so berichtet Mennel. Eines Tages habe „Inna“ ihren Gatten Herzog „Luythold“ gebeten, nach Straßburg gehen zu dürfen, um dort das Grab der heiligen Adela aufzusuchen; auch wolle sie dort ihre Tante und Freundin Bathilda besuchen. Als ihr Mann das aber verweigert habe, sei es ihr Wunsch gewesen, doch wenigstens bei Adela begraben zu werden. Doch der Herzog habe darauf nur mit Unverständnis reagiert: Es gäbe doch in der Nähe viele schöne Klöster, so daß Ina nicht darauf bestehen müsse, auf dem Wasserweg bis nach Straßburg überführt zu werden. In ihrer Not habe Ina andere Fürsten gebeten, sie doch in ihrem Wunsch gegenüber ihrem Mann zu unterstützen. Doch auch von dieser Seite habe sie keine Hilfe erhalten. Als sie nun gestorben sei und begraben werden sollte, wären die Fürsten schließlich doch bereit gewesen, ihrem Wunsch zu entsprechen: Man habe ihren Leichnam in ein Faß getan, das der Rhein bis zum Kloster St. Stefan in Straßburg getragen habe. Dort sei Ina an der Seite Adelas zu guter letzt begraben worden.840 Das Heiligengrab ist also auch in der Sicht Mennels ein signifikanter Platz, an dem die besondere Energie des dort begrabenen Heiligen zu spüren ist. Es übt eine unwiderstehliche Anziehung auf seine Umgebung aus und läßt die Kraft des Heiligen wirken, dessen körperliche Schranken durch den Tod aufgehoben wurden und dadurch Gott – erinnert sei hier nur an die in dieser Arbeit schon vorgestellten Ausführungen zur Heiligkeit von Augustin – mit den noch lebenden Menschen in Kontakt kommt.841 Es ist kein Ort, der von den Lebenden für einen Verstorbenen ausgesucht wird, sondern ein Ort der Toten, um mit den Lebenden in Kontakt zu treten. 842 Sind die dort bestatteten Heiligen habsburgische Heilige, so sind deren Gräber Orte mit einer habsburgischen Machtsphäre.843 839

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Jürgen Petersohn spricht beispielsweise von einer „politischen Heiligenverehrung“ vgl. Petersohn, J.: Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vorträge und Forschungen, 42). Sigmaringen 1994, S. 598. Vgl. cvp 3077*, fol. 162v-163r. Die verschiedenen Heiligengräber als „Energiezentren“ und die dort vorzufindenden Kultpraktiken stllt für das gebeit der Schweiz zusammen Straub, Jan: Die Heiligengräber der Schweiz. Ihre Gestalt und ihr Brauchtum. Ein Beitrag zur Geschichte der Schweizerischen Heiligenverehrung. Liebefeld, Bern 1987. Zum Heiligengrab dort insbes. S. 161ff. Zu der mittelalterlichen Auffassung, daß der Tod in dieser Welt der wirkliche Tod ist und der physische Tod den Zugang zum ewigen Leben bedeutet vgl. Ariès, P.: Geschichte des Todes. München, Wien 1980, S. 23f. Zu dem Wunsch, sich in der Nähe eines Märtyrergrabes begraben zu lassen, vgl. ebd., S. 47. Der Tote besitzt ein Recht auf sein Grab. Er ist dann zugleich im Himmel und auf Erden präsent und schafft „eine heilsmächtige Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits“, vgl. Angenendt, A.: Heilige und Reliquien. München 1994, S. 115. Über eine Systematik der Grablegen der Habsburger schrieb, alledings basierenbd auf archäologischen Befunden und deren Interpretation, Gut, J.: Memorialorte der Habsburger im Südwesten des Alten Reiches. In: Voderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers. Die Habbsurger im deutschen Südweste, hrsg. vom

162 Wer sich dort befindet, vielleicht sogar sein eigenes Grab wählt, weiß sich von einem Heiligen des Hauses Habsburg geschützt.

6.1 Herkunft und Grab der heiligen Freunde des Hauses Habsburg Jakob Mennel unterscheidet in seinem Legendar von 1514 noch zwei Qualitäten von Herkunft: Einmal die Heiligen Freunde, die aus einem Adelsgeschlecht stammen, das zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte eine eheliche Verbindung mit dem Haus Habsburg eingegangen ist – das sind die Cognaten. Die andere Herkunft belegt die Heilige als Blutsverwandte des Hauses Habsburg. Die heiligen Freunde sind also jene Heiligen, mit denen sich das Haus Habsburg aufgrund einer freien Ehewahl verbunden hat. Durch die Aufzählung der Herkunftshäuser der einzelnen heiligen Freunde spannt Mennel ein europäisches Beziehungsnetz des Hauses Habsburg, in dem die Eheverbindung mit dem Haus Habsurg die Solidarität von ausgesuchten Adelshäusern einfordert.844 Durch die Verbindung mit ihnen wertet sich das Haus Habsburg auf845 und ist imstande, seine politischen Hausinteressen ohne Krieg durchzusetzen. So betonte auch schon ein unbekannter Ovid-Kenner aus dem 15. Jahrhundert: „Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube; Nam quae Mars aliis, dat tibi regna Venus.846

Die folgende Analyse soll klären, wer diesem Solidaritätsnetz angehört. Im Legendarteil der Heiligen, die mit dem Haus Habsburg verschwägert sind, stammen die ersten vier

Heiligen

aus

dem

ungarischen

Königshaus

oder

stehen

mit

diesem

in

enger

verwandtschaftlicher Beziehung. Es handelt sich dabei um Elisabeth von Thüringen, Ladislaus I., Emmerich I. und seinen Vater Stephan. Hedwig I., die auf Elisabeth in der Heiligenreihe des Legendars folgt, kommt zwar nach Angabe des Titels aus Tirol, steht aber als Elisabeths Tante in

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Württembergischen Landesmuseum Stuttgart 1999. S. 95-113. Die Eheverbindungen zwischen Herrscherhäusern sind nachweislich seit dem frühen Mittelalter zentral für den sozialen Aufstieg von Familien und damit für ihren sozialen Einfluß. Für das Früh- und Hochmittelalter hat dieses Phänomen beschrieben Schmid, K.: Heirat, Familienfolge, Geschlechterbewußtsein. In: Gebetsgedenken, S. 388423. Der Begriff der ‚Freundschaft zwischen zwei Adelsgeschlechtern wurd grundsätzlich durch Ehe begründet und politische verstanden, vgl. dazu Spieß, K. H.: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters: 13. Bis Anfang 16. Jahrhunderts. Mit 6 Tabellen. Stuttgart 1993, S. 75. Vgl. dazu Tellenbach, G.: Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand. In: Herrschaft und Staat im Mittelalter, hrsg. von Hellmut Kampf (Wege der Forschung, 2). Darmstadt 1974. S. 191-242. Zur Legitimatin der Habsburgsichen Herrschaft durch den verweis in der Genealogie auf Eheverbindungen vgl. Fichtenau, H.: Der junge Maximilian (1459-1482) (Schriftenreihe des Arbeitskreises für Österreichische Geschichte). Wien 1959, S. 6. Zitiert nach Veldtrup, D.: Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV. (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit, 2) Warendorf 1988, S. 13.

163 enger Beziehung zum ungarischen Königshaus. Elisabeth von Thüringen stellt Mennel „vaterhalb“847 als eine Königin von Ungarn, „mutterhalb“ als eine Herzogin von Kärnten vor; die Namen ihrer Eltern nennt er aber nicht. Er verweist nur darauf, daß das ungarische Königsgeschlecht und das herzogliche Geschlecht von Kärnten schon mehrfach eheliche Verbindung mit Mitgliedern des Hauses Habsburg eingegangen sei. Diese Information könne er „nach weysung des vierden buches“ geben. Im vierten Titel des Pfauenbuches findet sich unter der Rubrik der Verbindungen von Königen mit dem Haus Habsburg das Verhältnis zwischen „Ungarn und Habsburg“ behandelt.848 Klementia, die Tochter König Rudolfs des Streitbaren, und Karl Martell seien den Bund der Ehe eingegangen. 849 Eine Schwester Klementias, Anna, sei mit König Otto von Ungarn850 vermählt worden. Aus dieser Ehe stammten Heinrich und Herzog Rudolf von Bayern. Die dritte Verbindung zwischen Habsburg und dem ungarischen Könighaus wird zwischen Agnes, der Tochter des österreichischen Herzogs Albrecht I. und Andreas851, dem König von Ungarn, gezogen. Als vierter Beweis für die Verschwägerung des Hauses Habsburg mit dem ungarischen Königshaus wird die Ehe zwischen dem österreichischen Herzog Wilhelm und Hedwig, der Tochter König Karls von Ungarn aus erster Ehe, angeführt.852 Auf dieser Grundlage basieren die übrigen Angaben zu der verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den ungarischen Königen und Habsburgern. In diesem Sinne folgt Hedwig I. als Tochter „ains großmächtigen hertzogen und markgraven zu tyrol“ auf ihre Tante Elisabeth.853 Auch bei ihr verzichtet Mennel darauf, ihre Eltern konkret zu benennen. Auf den Hinweis, Hedwig habe noch drei Brüder und zwei Schwestern gehabt, geht er dagegen genau ein: Einer sei der Patriarch zu Aquilea, der andere Bischof zu Babenberg, der dritte Herzog zu Meran und Tirol gewesen. Die Vornamen der Brüder scheint er aber nicht zu wissen da er sie jeweils mit einem „N.“ abkürzt.854 Bei den Schwestern Hedwigs zeigt sich Mennel kenntnisreicher. Die erste sei, so Mennel, die Gemahlin König Phillips zu Frankreich, die zweite Äbtissin des St. Benediktordens und die letzte die Gemahlin des ungarischen Königs Andreas gewesen. In dieser Ehe seien die vorher 847 848 849

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Vgl. cvp 3077*, fol. 2r. Vgl. cvp 3075, fol. 20r Aus der Verbindung zwischen Klementia und Karl Martell (+ 1295) ging Karl Robert (+ 1342) hervor, der 1301 König von Ungarn wurde. Vgl dazu Vgl. Lorenz, O.: Genealogisches Handbuch der europäischen Staatengeschichte. Dritte, vermehrte Auflage des ‚genealogischen Hand- und Schulatlas‘, bearb. von Ernst Devrient. Stuttgart, Berlin 1908. Tafeln 19 und 22. gemeint ist König Otto III. von Ungarn und Niederbayern (+1312). Zu Otto III. von Ungarn und Niederbayern vgl. die genealogischen Angaben bei Schwerth, G.: Art. 9. Otto III. In: LdMa, 6. Sp. 1573. Hier ist nicht von einer Ehe Ottos mit Anna zu lesen. Gemeint ist Andreas III. (+1301). Hedwig läßt sich als Tochter Ludwig I. d. Gr. (+1382) nachweisen, allerdings nicht als Tochter aus erster Ehe, wie Mennel behauptet, sondern als Tochter von Elisabeth von Bosnien, der zweiten Gemahlin Ludwigs. Mennel glaubt, Johanna, die Tochter des ungarischen Königs Karl, sei die zweite Frau des Ungarnkönigs gewesen; weder ist eine Johanna als Tochter Karls des Kleinen nachweisbar – dieser Karl war zugleich auch König von Neapel, und Mennel weist darauf hin, daß Johanna auch in Neapel begraben sei -, noch war Ludwig I. d. Gr. (+1382) je mit einer Johanna verehelicht gewesen. Wilhelm war nicht mit Hedwig, sondern mit Johanna II. v. Anjou-Durazzo verheiratet. Vgl dazu Gawlas, S.: Art. Ludwig I. d. Gr. In: LdMa, 5. Sp. 2190 f cvp 3077**, fol. 9r-15r. cvp 3077**, fol. 9r.

164 genannte Heiligen Elisabeth und Margarethe geboren worden. Über Hedwig weiß Mennel in ihrer Legende zu erzählen, daß sie mit Herzog Heinrich von Polen vermählt worden sei. Bei Ladislaus läßt er es bei der genealogischen Information bewenden, dieser sei ein ungarischer König gewesen. Zu Stephan I. nennt er dagegen die Eltern: Er sei ein Sohn von Geiza 855, dessen Mutter Sarolsch die Tochter von Byula sei. Der Erzherzog von Bihar, Emmerich I., folgt mit seiner Vita. Zu der Reihe der ungarischen Könige schließt er zu Ladislaus auf, da er „des gemelten Steffanus aus der vorbestimbten Geysela eelicher son“856 sei. Mennel rechtfertigt die Aufnahme der ungarischen Heiligen in das habsburgische Legendar durch Eheverbindungen zwischen dem Haus Österreich und dem ungarischen Königshaus, die nach der jeweiligen Lebenszeit der Heiligen liegen. Diese Eheverbindungen sind alle im späten 13. Jahrhundert und 14. Jahrhundert angesiedelt, während die jüngste der aufgezählten Heiligen, Elisabeth von Thüringen, schon 1231 starb.857 Folglich definieren Eheverbindungen auch rückwirkend das verwandtschaftliche Verhältnis zweier Herrscherhäuser, und jeder Heilige, dessen Lebenszeit vor dieser Eheschließung liegt, wird rückwirkend zu einem heiligen Freund des Hauses Habsburg. Das ungarische Königshaus ist somit schon immer mit dem Habsburgischen Geschlecht verwandt gewesen, nur diese Verwandtschaft hat sich erst ab den 13. Jahrhundert in den nachweisbaren Eheverbindungen, die Mennel im vierten Buch nennt, konkretisiert. Die Beziehung des Königshauses Ungarn zu den Habsburgern wird nicht durch einen Heiligen hergestellt, sondern nur bekräftigt. Die Verbindung zwischen dem ungarischen Königshaus und Habsburg versinnbildlicht sich in den ungarischen Nationalheiligen, über die sich einst das arpadische Königshaus als ‚beata stirps‘ definierte. Ferner bedeutet dieses Denken, daß es ein Ziel des habsurgischen Legendars sein muß, möglichst viele Heilige in einem Legendar zusammenzutragen, um so das Höchstmaß an eigener, habsburgische Heiligkeit zu erreichen und das Band der Solidarität zwischen einem europäischen Adelsgeschlecht und dem Haus Habsburg zu konsolidieren. Im Falle des ungarischen Königshauses konsolidiert Mennel es mit allen maßgeblichen Heiligen der ungarischen ‚beata stirps‘. Mit Ludwig von Anjou wird Süditalien zum Hause Habsburg in Beziehung gesetzt. Ludwig kommt, obgleich er provencalischer Abstammung ist, bei Mennel aus Sizilien.858 Mennel konnte diese genealogische Herleitung aus zahlreichen Legenden des heiligen Ludwig entnehmen.859 Über seine Mutter Maria, der Königin von Ungarn, schließt er an die ihm vorausgehenden ungarischen

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König Geiza (+997). Bei den Angaben zu Geizas Mutter und deren Herkunft irrt sich Mennel offensichtlich. Er verwechselt Geiza seinem Namensvetter, der 1074 König in Ungarn wurde, also ungefähr 100 Jahre später als der Vater von Stephan I. die Geschicke Ungarns lenkte. Dieser Geiza ist der Sohn König Belas (+1063), den Mennel vermutlich mit „Byula“ bezeichnet. Dieser Bela ist ebenfalls der Vater von Ladislaus I., dessen Vita der des Stephan vorangestellt ist. Vgl. zur genealogischen Verbindung Lorenz, O.: Genealogisches Handbuch, Tafel 9. cvp 3077**, fol. 17r. Elisabeth von Thüringen (1207-1231), Vgl. Werner, M.: Art. Elisabeth v. Thüringen. In: LThK, 3. Sp. 602f. Vauchez, A.: Art. Ludwig v. Anjou. In: LdMa, 5. Sp. 2202-2203. Vgl. dazu die Angaben der Bollandisten AASS, August 3, S. 775-822, S. 775.

165 Heiligen an. Ludwigs Vater sei, so Mennel, der König von Sizilien, Karl II., gewesen860 Mennel hatte hier eine allgemein vertretene Meinung von der adligen Abkunft des Toulouser Bischofs gegeben, dessen Kultschwerpunkt in Katalonien, in Languedoc und in Italien lag.861 Auch für Sizilien bietet Mennel im vierten Buch eine eheliche Verknüpfung zum Hause Habsburg, die er allerdings in der Legende unerwähnt läßt. Graf Wilhelm von Habsburg der Höfliche habe nämlich Königin Johanna, die Tochter König Karls von Sizilien und Ungarn, geheiratet, ihre Ehe sei aber kinderlos geblieben.862 Auch diese Verbindung ist zeitlich erst im 14. Jahrhundert zu verorten, während Ludwig von Toulouse nur bis 1297 lebte. Genauso wie bei den ungarischen Heiligen wird auch hier das Band der ‚Freundschaft‘ rückwirkend von Mennel konstruiert. Die Verbindung des sizilianischen Königshauses scheint jedoch weniger gefestigt als das Solidaritätsband zum ungarischen Könighaus: In Ludwig wird nur ein einziger habsburgischer Heiliger sizilianischer Herkunft verehrt und macht damit die Verbindung des sizilianischen Königshauses zu den Habsburger deutlich. Mit dem heiligen Fridolin863 beginnt die Reihe der Heiligen, die Mennel von schottischen Königsgeschlechtern abstammen läßt. Gerade am Beispiel dieses Heiligen wird deutlich, daß sich Mennel durchaus darüber bewußt war, in diesem Heiligen keinen Königssohn gefunden zu haben.864 Wie schon nachgewiesen wurde, hatte Mennel Fridolinsviten vorliegen, die in Säckingen verfaßt wurden und die von dem angeblichen Adel des Heiligen nichts wissen.865 Darin liegt wohl auch der Grund, daß Mennel Fridolins königliche Abstammung nicht genealogisch belegen kann und darüber in der Legende schweigt. Fridolin, der gerade in churrätischem Gebiet verehrt wurde, wird bei Mennel zu einem schottischen Königssohn. In seiner Informationsnot schreibt er dann nur allgemein, daß Fridolin, der hochgelehrt gewesen sein soll, seine adlige Herkunft gering geachtet habe, Gott nahe sein wollte und deswegen sein ganzes Gut aufgegeben habe. Wie Fridolin ergeht es auch dem heiligen Coloman, der wahrscheinlich nur ein irischer Palästinapilger und kein schottischer Königssohn, wie Mennel schreibt, war866. Wahrscheinlich hatte Mennel mit dieser Deutung von Colomans Herkunft die habsburgische Stilisierung des Heiligen zu einem schottischen Königssohn des 10. Jahrhunderts tradiert, die Herzog Rudolf IV. bei seiner Bemühung, den Babenberger zu einem habsburgischen Heiligen zu machen, unternommen hatte.867 Brigida von

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cvp 3077**, fol. 18r. Vgl. dazu Vones, L.: Art. Ludwig von Toulouse. In: LThK, 6. Sp. 1103f. cvp 3075, fol. 22r. Gemeint ist damit Johanna, die Tochter Karls III. von Anjou-Durazzo (+1386) und Wilhelm (+1406), dem Herzog von Österreich. Vgl. dazu Fodale, S.: Art. Karl III. v. Anjou-Durazzo. In: LdMa, 9. S. 985 f. cvp 3077**, fol. 20r. Zotz, T.: Art. Fridolin. In: LdMa, 4. Sp. 917. Vgl. in dieser Arbeit S. 135. Die Legende des Erchenfried, die Mennel vielleicht las, gab nur die Information, daß Coloman aus Schottland stammte: „Scotiae gentis oriundum“, vgl. dazu die Angaben der Bollandisten AASS, Oktober 6, S. 357-359, S. 357. Vgl. dazu ausführlich Kovács, E.: Die Heiligen und heiligen Könige der frühen Habsburger, S. 98.

166 Kildaere war ebenfalls keine schottische Königstochter, sondern eine uneheliche Tochter eines Adligen868, Romuald kann zwar blaues Blut vorweisen, aber nur herzogliches von Italien.869 Brigida und Coloman werden von Mennel als Kinder aus dem schottischen Königsgeschlecht vorgestellt, allerdings nicht genealogisch eingeordnet. Nur bei Romuald geht er näher auf dessen verwandtschaftliche Beziehung zum Hause Habsburg ein: Er sei „vaterhalb gewesen ain kunig aus schotten und mutterhalb ain kunig von Sicilia“. Das erste Mal folgt nun innerhalb der Heiligengruppe aus dem schottischen Königsgeschlecht ein Verweis auf die genealogischen Angaben im vierten Buch der Fürstlichen Chronik: „[...] die bayde [sc. Vater und Mutter Romualds] geschlecht nach beweysung des vierden bůchs sich mit habspurg eelich verfriundet haben [....].“870 Auf die Verbindung Siziliens mit Habsburg wurde schon bei der genealogischen Anbindung Ludwigs von Anjou hingewiesen, dessen Vater König Karl II. von Sizilien war. 871 Eine Eheschließung des schottischen Königshauses mit dem Hause Habsburg findet sich im vierten Buch der Fürstliche Chronik unter dem siebten Titel: Graf Sigismund von Habsburg872 habe sich in erster Ehe mit Leonora, der Tochter König Jakobs von Schottland, vermählt.873 Auch bei den Heiligen iroschottischer Abkunft zeigt sich, daß Mennel ihre Verwandtschaft mit dem Hauses Habsburg rückwirkend, nämlich aus einer Verbindung des 15. Jahrhunderts, die er im vierten Buch vorstellt, konstruiert. Zudem wird gerade bei diesen Heiligen deutlich, daß Mennel zunächst nach Königreichen schaute, aus denen er Heilige in die habsburgische Heiligenfamilie integrieren wollte, und sie dann erst im Nachhinein und ohne Angabe einer der möglichen Textvorlagen zu Heiligen königlicher Herkunft stilisierte. Mit insgesamt vier Heiligen betont Mennel die Bindung des schottischen Königshauses an das Haus Habsburg mit der gleichen Intensität, wie er es beim ungarischen Königshaus tat. Bei Lucius874, Ursula und Jodok nennt Mennel als Herkunft „Britannia“. Historisch nachweisbar875 haben die drei Heiligen folgende Herkunft: Lucius stammt aus dem nördlichen Churrätien. Im 9. Jahrhundert deutete eine Legende seine Bezeichnung ‚Pritanus‘ in ein ‚Britannicus‘ um, womit er zum bretonischen König avanciert. Vielleicht übernahm Mennel diese Deutung. Die verwandtschaftlichen Angaben zu Lucius sind bei Mennel sehr knapp: Sein Vater Coillus sei ein

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Die Bollandisten schreiben zur Herkunft Brigidas, daß Einigkeit in den Legenden bestanden habe, daß Brigidas Vater ein „vir nobilis, Laginensis genere, Dubtachus“, vgl. AASS, Februar 1, S. 99-134, S. 118. Romuald stammte auch nach anderen Legendversionen nicht aus einem Königshaus, vgl. dazu die Angabe der Bollandisten, AASS, Februar 2, S. 101-146, S. 105. cvp 3077**, fol. 34r. Vgl. in dieser Arbeit S. 187. Graf Sigismund von Habsburg (+ 1496). Es ist nicht klar, ob Mennel hier Jakob II. (+ 1460) oder Jakob III. (+ 1488) von Schottland meint; bei beiden Königen ist jedoch eine Tochter mit dem Namen Eleonore nicht nachweisbar. Ein Kind aus ihrer Ehe namens Leonora ist nicht nachzuweisen. Vgl. Barrow, G. W. S.: Art. 6. Jakob I. In: LdMa, 5. Sp. 284 f. und Ders.: Art. 7. Jakob II. In: LdMa, 5. Sp. 285 f. und Ders: Art. 8. Jakob III. In: LdMa, 5. Sp. 286. Vgl. cvp 3077**, fol. 41r. Vgl. Daxelmüller, C.: Art. Jodokus, hl. In: LdMa, 5. Sp. 493/94.

167 König zu „Britannia“ gewesen. Ursula wird als Tochter des Königs von Britannia vorgestellt.876 Mennel geht nicht so weit, eine sichere Kenntnis der königlichen Herkunft dieser Heiligen vorzutäuschen: Drei Meinungen finde er über ihre Abkunft. Die erste sage, ihr Vater habe Dyonutus geheißen und sei ein mächtiger König in Cornubia gewesen, dem dann schließlich Kaiser Maximinianus die Statthalterschaft in einer bretonischen Stadt übertragen habe; deshalb werde dieser König auch ein König in „britania“ genannt. Andere leiteten Ursula von dem König Maurus her, der ein schottischer König gewesen sei, die nächsten aber sagten, dieser Maurus sei ein König in der Bretagne gewesen. Mennel entscheidet sich für die dritte Meinung: König Maurus sei der Vater Ursulas und habe über die Bretagne geherrscht. Jodok ist der letzte im Reigen der bretonischen Heiligen. Mennel gibt auch den in den Legenden vorgestellten Namen des Vaters von Jodok wieder, nämlich Judicalis. Sein Bruder soll den Namen des Vaters getragen haben877. Angaben zur zeitlichen Einordnung des Jodocus fehlen jedoch in der Legende. Als verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem bretonischen Herzogshaus und dem Hause Habsburg kennt das vierte Buch der Fürstliche Chronik nur die nicht vollzogene Heirat Maximilians I. mit der bretonischen Herzogstochter.878 Nicht ein Königshaus, wie es in der Legende des Jodok den Anschein hat, sondern ein Herzoghaus ist Grundlage der Beziehungen der Habsburger in die Bretagne. Das Band der Solidarität zwischen dem Herzogshaus und dem Königshaus basiert hier allerdings nur auf einer Ehe per procuram, die Maximilian I. 1490 schloß. Der englische König Richard von Eichstätt ist der erstgenannte jener Heiligengruppe, deren gemeinsame Herkunft Mennel nach England legt. Zu dieser Gruppe gehören seine Kinder Willibald von Eichstätt, Wunebald und Walburga, und deren Onkel Bonifaz; ferner die englischen Heiligen König Edgar I., Eduard ‚der Märtyrer‘, Eduard ‚der Bekenner‘, Elfriede, König Edmund II., König Edmund I. und schließlich König Oswald. Insgesamt zehn Heilige erinnern also mit ihrer Herkunft an ein Band der Solidarität zwischen England und Habsburg. Mennel gibt in Richards Legende879 an, daß er ein König von England gewesen sei und „Gunna“, die auch „Wunna“ von einigen Autoren geschrieben werde, zur Frau gehabt habe. Aus dieser Ehe würden die „haylig Kinder“ Willibald, Wunebald und Walburga stammen. In Richards Legende erzählt er weiter, daß sein Vater Otto gewesen sei, von dem er schließlich nach dessen Tod die Regierungsgeschäfte im Königreich übernommen habe. Der schon in dieser Arbeit ausführlich behandelte Edgar I.880 wird als gerechter und strenger König vorgestellt, weitere genealogische Angaben fehlen. Zumindest auf die familieninternen Verwandtschaftsverhältnisse wird dann in der 876 877 878 879 880

Vgl. cvp 3077**, fol. 49r. Vgl. ebd., fol. 47v. cvp 3075, fol. 40r. cvp 3077**, fol. 53r. Ebd., fol. 67r.

168 Legende seines Sohnes Eduard ‚dem Märtyrer‘ näher eingegangen. Eduard sei „des gedachten kunig Edgari son“. Edgars zweite Frau habe Elfrida geheissen, die sich dagegen gewandt habe, daß Eduard zum König gekrönt werde. Eduard der ‚Bekenner‘ folgt seinem Namensvetter.881 Er stellt ihn als Sohn des englischen Königs Ethelred II. vor, der mit Emma, der Herzogin von der Normandie, verheiratet gewesen sei. Im Verlauf der Vita fügt Mennel hinzu, daß die Gemahlin Eduards Edith geheißen habe.882 Der genealogische Vorspann zur Legende der Edeltrud ist vergleichsweise lang. Mennel zitiert Beda, um Einblick in die mögliche Genealogie dieser Heiligen zu geben. Edeltrudes Vater sei Arne, König von England. Neben Edeltrude habe dieser König noch die Töchter Edelburga und Seburga gehabt. Im weiteren geht er dann genauer auf die genealogische Verbindung von Edeldrudes Schwestern ein. Edmund, der König von England, folgt mit seiner Vita auf Edeldrude. 883 Bei ihm weiß Mennel zu berichten, daß er zur Lebzeit Kaiser Ottos I. in England als König regierte und einen Bruder hatte, der Adelstan hieß.884 Edmund885, der König von Ostanglien, wird mit keinem Wort zeitlich oder genealogisch zugeordnet.886 Oswald, der König von Northumbria, vervollständigt die Gruppe der Engländer.887 Mennel weiß aus dessen Vita, daß er ein mächtiger König war und jenseits des Meeres eine Frau ehelichte. Seiner verwandtschaftlichen Anbindung fügt Mennel nichts hinzu, auch nichts über seine Lebenszeit. Bei der genealogischen Einordnung Eduards des ‚Märtyrers“888 weiß Mennel auch nur, daß er der Sohn des heiligen Edgar gewesen sei. Bei dem darauffolgenden Edgar ‚dem Bekenner‘ beweist Mennel dagegen mehr Kenntnisreichtum889: Er stamme aus dem königlichen Geschlecht von England, sein Vater sei Ethethelred und seine Mutter Enia gewesen. Enia wiederum sei die Tochter des Herzogs von Normannia. Die Informationen im vierten Buch, auf das Mennel in den Legenden nicht verweist, sind zur Verbindung zwischen dem englischen Königshaus und den Habsburgern verhältnismäßig umfangreich. Dort schreibt Mennel890, daß ein eheliches Band zwischen England und Habsburg durch die Ehe zwischen Graf Hartmann von Habsburg891 und Bertha, der Königin von England, geknüpft worden sei. Graf Friedrich von Habsburg der Schöne und Martina, englische 881 882

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Ebd., fol. 70r. Emma ist die Tochter Richards I. ‚ohne Furcht‘ (+ 996) , des Herzogs von der Normandie. Vgl. Lorenz, O.: Genealogisches Handbuch, Tafel 7. cvp 3077**, fol. 74r. Edmund (+946) hatte nachweislich einen Bruder namens Adelstan (+946). Vgl. Lorenz, O.: Genealogisches Handbuch, Tafel 7. cvp 3077**, fol. 75v. Edmund II. lebte im 9. Jahrhundert. Vgl. Mostert, M.: Art. 3. Edmund. In: LdMa, 3. Sp. 1579. S. 143 cvp 3077**, fol. 68v-69v. Ebd., fol. 70r-71v. cvp 3075, fol. B 11r/v. Graf Hartmann von Habsburg (+ 1281)

169 Königstochter, hätten ebenfalls den ehelichen Bund geschlossen.892 Ebenso hätten Graf Maximilian von Habsburg ‚der Schöne‘ und Elisabeth, die Tochter König Eduards von England, sich das Eheversprechen gegeben. Alle drei Ehen seien allerdings nicht vollzogen worden.893 Bei dem englischen Königshaus steht es mit dem Band der Solidarität genauso wie zwischen dem bretonischen Königshaus und dem Hause Habsburg: Die Ehe wurde auch hier niemals vollzogen, dennoch verweist die Eheabsicht auf die Verbundenheit der zwei Adelsgeschlechter, und damit ihre Solidarität bei der Durchsetzung politischer Interessen. Wiederum sind es die ehelichen Verbindungen aus dem 13. Jahrhundert und später, die das Verwandtschaftsband zwischen dem Haus Habsburg und dem englischen Königshaus begründen. Die Heiligen, die zwischen dem 7. und 8. Jahrhundert lebten, werden auch hier wieder rückwirkend durch Rechtsverträge zu Freunden des Hauses Habsburg gemacht. Doch im Unterschied zum bretonischen Herzoghaus festigen auffällig viele Heilige das Solidaritätsband zwischen dem Hause Habsburg und dem englischen Königshaus. Mag sein, daß Mennel ihre Zahl zunächst der ergiebigen Quelle des Beda oder des Geoffrey of Monmouth zu verdanken hatte, die er nach eigenen Angaben zu den englischen Heiligen befragte.894 Vielleicht mag auch die Tatsache, daß Mennel noch nicht alle Quellen zu den anderen Heiligen, für die mehr Recherche nötig war, durchgesehen und 1514 ausgewertet hatte, der Grund sein, daß sie weniger Platz im Legendar einnehmen als die leicht zugänglichen Quellen der englischen Heiligen. Doch auch 1518 haben beispielsweise die Ungarn prozentual nicht mehr Heilige aufzuweisen als die Engländer: Die ungarische Nationalheilige Margarethe und Agneta kommen bei den Ungarn hinzu895, während bei den Engländern Nuldrud und Nulburg die Fraktion verstärken.896 An das Solidaritätsband, das Mennel zum englischen Königshaus mit insgesamt zwölf Heiligen im Jahre 1514 spannt, wird damit vergleichsweise häufig erinnert. Die Heiligen König Ludwig IX.897 und König Robert898 II. den Frommen verbindet

ihr

Herkunftsland Frankreich. In den einleitenden Worten zur Ludwigs-Vita hält Mennel sich knapp mit verwandtschaftlichen Angaben: „[Er] ist gewesen ain kunig von frankreich“899. In Ludwigs Vita erfährt man, daß er auch einen Sohn hatte, der Phillip hieß. Offensichtlich hatte Mennel sich nicht die Angaben des Biographen des heiligen König Robert, Helgand de Fleury, zu eigen gemacht, der 892 893 894

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896 897 898 899

Diese Ehe ist nicht nachweisbar. Graf Friedrich (+1330) war mit Isabella von Aragón verheiratet. cvp 3075, fol B 11r. Wie schon in dieser Arbeit dargelegt, las Mennel beide Autoren zu dem heiligen Edgar, vgl. in dieser Arbeit S. 142ff. Zu der heiligen Margareta und ihrer Verehrung als „sequens vestigia sororis sue beate Elisabeth“ in Ungarn vgl. Werner, M.: Mater Hassiae – Flos Ungariae – Gloria Teutoniae. In: Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, hrsg. von Jürgen Petersohn (Vorträge und Forschungen, 42). Sigmaringen 1994. S. 449-540, insbes. S. 525. Vgl. dazu cvp 3076, fol. 129v und ebd., fol. 130v. Ludwig IX. (+1270). Robert II. (+ 1031). cvp 3077**, fol. 84r/v.

170 auch die Namen von Roberts Eltern, Hugo und Adelheid, nannte.900 So wartet man in Mennels Legende vom heiligen Robert901 vergeblich auf genealogische Details, die seine Nähe zum Hause Habsburg erläutern würden. Genauso wie Ludwig wird auch er als ein König von Frankreich vorgestellt. Mit dem französischen Königshaus weiß sich Habsburg nach Angabe des vierten Buches in zweifacher Form verbunden.902 Einmal durch die Heirat des Habsburger Grafen Rudolfs I. mit Blanche903, der Tochter des französischen Königs Phillip III., des weiteren durch die Verbindung Graf Sigismunds von Habsburg, ‚dem Freimütigen‘, und Radegundis904, der Tochter Karls von Frankreich; ihre Ehe sei aber nicht vollzogen worden. Die genealogische Verbindung des französischen Königshauses mit Habsburg ist bei weitem nicht vergleichbar mit jener der Engländer, Schotten und Ungarn. Nur zwei Heilige erinnern an die enge Verbindung der beiden Adelsgeschlechtern. Das gleiche gilt für das Königreich Aragón, dem nach Mennels Angaben der Königssohn Hermenegild entstammt.905 Das Königreich Aragón hatte, nach Mennels Kenntnisstand, ebenfalls Verbindungen zum Hause Habsburg aufzuweisen. Graf Friedrich von Habsburg906 ‚der Schöne‘ habe Elisabeth, die Königin von Aragón, geehelicht. Diese sei die Tochter Jakobs des Jüngeren von Aragón gewesen.907 Hermenegild stellt Mennel als Schwiegersohn von Sigibert vor. Den Namen von Sigiberts Tochter gibt er nicht an. Ferner findet der Vater Hermenegilds im Verlauf der Vita Erwähnung. Er soll ein König gewesen sein, der seinen Sohn den arianischen Glaubens aufzwingen wollte. Bei seinem Sohn Gebhard habe er es geschafft, Hermenegild aber habe Widerstand geleistet, und sei schließlich auf Befehl seines Vaters getötet worden.908 Aragóns Verbindung zu Habsburg ist genauso ungefestigt wie die Frankreichs. Rückwirkend wird auch hier der heilige Märtyrer des 4. Jahrhunderts zu einem Habsburger durch eine eheliche

900

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Diese Vita war im Kloster von Fleury zu finden, das Mennel nicht ausdrücklich unter den besuchten Klöstern aufzählt. Daher hatte er vielleicht wirklich nicht die Vita des Helgand aus dem 11. Jahrhundert vorliegen. Vgl. Bautier, R.-H. (Hrsg.): Helgand de Fleury: Vie des Robert le Pieux. Epitoma Vitae regis Roberti Pii (Sources d’Histoire médiévale, 1). Paris 1965. S. 58, cap. 2. cvp 3077**, fol. 86r. cvp 3075, fol. 26r/v. Graf Rudolf I., König von Böhmen (1281-1307). Graf Sigismund von Habsburg (1427-1496). cvp 3077**, fol. 86v-87v. Graf Friedrich von Habsburg, deutscher Gegenkönig (1289-1330). cvp 3075, fol. 26r. Gemeint ist damit die Heirat zwiaschen Graf Friedrich von Habsburg und Isabella von Aragón. Mit seinem Schwiegervater Sigibert ist der Thüringer Sigibert I. gemeint, der im Jahre 575 zu Metz ermordet worden war und dessen Tochter, Ingundis, Sigibert ehelichte. Sigiberts I. Gemahlin war Brunhilde. Sigibert wiederum stammte aus der Verbindung zwischen der hl. Radegunde und Clothar I. (+ 561); seine Schwester ist Blitildis, die mit Ansbert verheiratet war. Aus dieser merowingisch-thüringischen Verbindung wurde wahrscheinlich Arnulf von Metz, Karl Martell, und Karl d. Gr. geboren. Die eben genannten historischen Persönlichkeiten finden Eingang in den ersten Legendarteil von 1514, der nach Angaben Mennels Heilige in direkter verwandtschaftlicher Verbindung mit dem Hause Habsburg zeigt. Dennoch findet sich kein Verweis von Sigibert aus auf diese Heiligen, auch nicht umgekehrt.

171 Verbindung des 14. Jahrhunderts erklärt; er bleibt aber der einzige Heilige, dessen Kult an diese Verbindung erinnern könnte. In den Norden geht Jakob Mennel mit dem Nürnberger Stadtheiligen Sebald, den er als Königssohn von Dänemark vorstellt. Die Verbindung zwischen Dänemark und Habsburg stellt Mennel im vierten Buch folgendermaßen her: Graf Rudolf habe Elisabeth, die Tochter des dänischen Königs Ottokar geheiratet. Diese Elisabeth sei die Witwe von Wenzel gewesen, weswegen das Königreich Böhmen schließlich auch an den Habsburger Rudolf gefallen sei. Mit diesen Worten argumentierte Mennel auch schon bei der Genealogie des Königshauses Frankreich – dort hatte er, wie schon an vorheriger Stelle festgestellt wurde, richtig bemerkt, daß Rudolf I. durch Heirat an das Königreich Böhmen gelangt sei; nur hatte er dort den falschen Namen für dessen Ehefrau angegeben, die nicht Hedwig, sondern Elisabeth hieß. Hier gibt er nun den richtigen Namen der Gattin Rudolfs an, macht aber Ottokar zum Herrscher über die Dänen, deren König er nie war.909 Es bleibt unerheblich, woher auch immer Mennel diese Informationen hatte, oder ob er sie bewußt erdichtete – fest steht, daß es ihm daran gelegen schien, Dänemark in Verbindung mit dem Kaiserhaus zu bringen. Eine Nürnberger Legende, die den heiligen Sebald als einen dänischen Königssohn vorstellt, mag ihm dabei gerade recht gekommen sein.910 Dennoch steht die Begründung der Solidarität zwischen dem Hause Habsburg und dem dänischen Königshaus mit den von Mennel gegebenen Angaben auf wackligen Beinen, da sie nur durch die Verehrung eines einzigen Heiligen in Erinnerung gerufen wird. Das Königreich Böhmen wird durch den Nationalheiligen Wenzel I., „herzog von Behem“, vertreten.911 Mennel war wohl zunächst davon ausgegangen, daß es sich bei Wenzel um einen König handle; doch er mußte sich im Nachhinein korrigieren, da er in der Legendenüberschrift „dem Romischen kunig unnd“ bis auf „herzogen von Behem“ durchstrich. Wenzels genealogische Verbindung mit dem Hause Habsburg wird weder mit Angaben in seiner Legende noch mit denen des vierten Buches belegt. Die Verbindungen des Hauses Habsburg mit den Königen der Böhmen sind dagegen reich belegt.912 Wie bei dem Königreich Dänemark zeigt sich auch beim Königreich Böhmen Mennels hartnäckiges Bemühen, ein unangreifbares Netz der Solidarität zwischen den Königshäusern Habsburg und Böhmen durch stichhaltige Nachweise von Eheverbindungen zu belegen. Offenbar scheiterte Mennel an diesem Vorhaben und erreichte sein Ziel, die Verbindung 909 910

911 912

Zenlicka, J: Art. 2. Ottakar II. Premysl. In: LdMa, 6. Sp. 1553. Vgl. dazu Wendehorst, A.: Art. Sebald. In: LdMa, 7. S. 1658. Zu der Tradition der Sebaldslegenden vgl. Borst, A.: Die Sebaldslegenden in der mittelalterlichen Geschichte Nürnbergs. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung, 26 (1966). S. 19 – 178. cvp 3077**, 92r-94r. cvp 3075, fol. 18r/v.

172 dieser beiden Königshäuser in der Verehrung des böhmischen Nationalheiligen im Kult präsent zu machen, nur bedingt. Bruno, den späteren Papst Leo IX., stellt Mennel in der Legendenüberschrift als einen Graf von Habsburg vor.913 Er sei „in dem sússen land Elsaß“ geboren, und der Schwestersohn von Hugo, des Sohnes Kaiser Konrads gewesen, der auch Herzog von Franken gewesen sei. Bruno ist der erste Heilige in diesem Legendarteil der heiligen Freunde des Hauses Habshurg, den Mennel mit dem Titel ‚Graf von Habsburg‘ versieht. Er wird es wohl weniger seiner Abkunft als seinem Papsttitel zu verdanken haben, an dieser Stelle des Legendars einen Platz zu finden. Über Papst Leo IX., den Etichonen, den Mennel zu einem Habsburger macht, erhalten die Habsburger das argumentative Rüstzeug, ihre Nähe zum Vatikan symbolisch vor Augen zu führen. Dies mußte einem deutschen Kaiser gelegen kommen, da Ende des 15. Jahrhunderts und zum beginnenden 16. Jahrhundert die Deutschen an der römischen Kurie keinen nennenswerten Anteil hatten.914 Damit war auch der Habsburger Einfluß auf kuriale Entscheidungen eingeschränkt gewesen. Darüberhinaus stand Leo IX. als Papst für kirchlichen Reformwillen, Frieden mit Ungarn und Heidenkampf915 – Themen, die Maximilian I. in seinem politischen Denken maßgeblich leiteten und daher auch verständlich machen, weshalb er gerade Leo im Kreis der habsburgischen Heiligen nicht missen wollte. Durch ihn hat er auch zum Vatikan ein Band der Solidarität. Bis zu diesem Punkt der Verbindungsangaben im habsburgischen Legendar sind die Angaben der ersten beiden Pfaue im vierten Buch der Fürstlichen Chronik Grundlage. Bei ihnen hatte es sich grundsätzlich um Heilige aus Königs – und Herzogshäusern gehandelt. Die nun folgende Gruppe der Heiligen basiert auf den Angaben des zweiten Pfauenspiegels im vierten Buch der Fürstlichen Chronik, wo das Verbindung des Hauses Habsburg zu einzelnen Grafengeschlechtern beschrieben wird.916 Zum Geburtsort zu den heiligen Grafen von Kiburg, Hugbald und Ulrich, belegt Mennel im zweiten Pfauenspiegel des vierten Buches917 eine verwandtschaftliche Verbindung mit dem Hause Habsburg.918 Der Habsburger Graf Albrecht, der gegen die Ungläubigen bei Marseille gekämpft

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916 917 918

cvp 3077**, fol. 94v-99r. Vgl. Meuthen, E.: Das 15. Jahrhundert (Oldenbourg-Grundriß der Geschichte, 9). München 1984. S. 86. Papst Leo IX. hatte sich besonders der Überwindung der Simonie und der Klerikerehe angenommen und hatte ein gewissenhaftens Verständnis von der kanonischen Wahl gefordert. Er erreichte den Frieden mit Ungarn auf dem Kriegszug Kaiser Heinrichs III. und wollte ein Bündnis mit Byzanz gegen das Vordringen der Normannen, was allerdings daran scheiterte, daß Leo starb. Vgl. dazu Schieffer, R.: Art. Leo IX. In: LdMa, 5. Sp. 1880f. cvp 3075, fol. 68v. Ebd., fol. 70r. Kiburg gehörte nach 1273 zum Habsburger Besitz; im Jahre 1419 starb dort schließlich die Habsburger Linie aus. Im Jahre 1452/60 ging die Grafschaft Kiburg an die Eidgenossen verloren. Vgl. Köbler, G.: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 1997. S. 303.

173 habe, und Hedwig, die Gräfin zu Kiburg, hätten sich ehelich verbunden. Albrechts Legende wurde im Legendar von 1518 niedergeschrieben919 - doch darauf verweist Mennel im vierten Buch nicht. Der heilige Thomas Becket erinnert an keine verwandtschaftliche Beziehung des Hauses Habsburg zu einem europäischen Herrscherhaus, und Mennels Worte klingen verlegen, wenn er Beckets Aufnahme in das Legendar damit begründet, daß er bislang noch nicht habe herausfinden können, wie Thomas mit den Habsburgern verwandtschaftlich verbunden sei. Er habe aber aus einer seiner Meinung nach glaubwürdigen Quelle entnehmen können, „das sy mit naher freuntschafft ainander verwandt gewesen“. Er habe ihn daher nicht von der Reihe der habsburgischen Heiligen ausschließen wollen. Der heilige Thomas ist ein Beispiel im Mennels Legendar, das zwar nicht das Haus Habsburg zu einem europäischen Adelsgeschlecht in Bezug setzt, dafür aber deutlich macht, daß Mennel seine genealogischen Angaben auf Recherchen und Vorlagen stützte, und nicht generell zu Phantasieangaben neigte. Auf dem Hintergrund seiner Aussagen in der Thomaslegende stellt sich allerdings auch die in dieser Arbeit gemachten Beobachtung bei Brigida von Kildaere und dem heiligen Coloman, die von Mennel zu schottischen Königskindern gemacht werden, in einem neuen Licht dar: Mennel ist kein ‚tendenziöser Phantast‘, der ein europäisches Beziehungsnetz ohne historische Grundlage entwerfen möchte. Mennel erschloß vielmehr seine Herkunftsangaben durch Plausibilität. Bei Ita wird die Verquickung ihres Herkunfthauses mit dem Haus Habsburg wiederum klar. Sie ist eine Gräfin von Toggenburg920, und obgleich die Fürsten von Habsburg und die Grafen von Toggenburg „vorzeytenn vil Irrung/ fehd/ unnd feindschafft“ miteinander gehabt hätten, seien sie doch „in naher friuntschafft verwant“ gewesen. Er könne aber leider nicht Personen nennen, die dieses verwandtschaftliche Band zustande kommen ließen. Im vierten Buch war Mennel im vierten Pfauenspiegel auf Toggenburg eingegangen und war hier wohl nicht so ganz ratlos – offensichtlich fand er, vielleicht noch vor dem Abfassen seiner Ita-Legende, eine Information zu den Toggenburgern: Cosina, die Tochter Graf Luitfrieds von Habsburg, und Graf Hermann von Toggenburg hätten sich vermählt - doch hier muß Mennel mit „find nit weytter“ das Ende seiner Kenntnisse eingestehen.921 Dennoch wird Ita, allerdings durch eine schwer nachweisbare Verwandtschaft der Habsburger mit dem Grafengeschlecht von Toggenburg, zu einer Heiligen, bei deren Verehrung die einstige Feindschaft zwischen Toggenburg und Habsburg durch das Heirat aufgehoben zu werden scheint. Dies gleicht einem Aufruf zur Solidarität mit dem Haus Habsburg, 919 920 921

Vgl. cvp 3076, fol. 84r-91v. cvp 3077**, fol. 121v-126r. cvp 3075, fol. 90r.

174 war doch die Grafschaft Toggenburg seit 1468 Bestandteil des sanktgallischen Klosterstaates gewesen und hatte sich damit dem direkten Einfluß der Eidgenossen, denen es seit der Schlacht von Näfels 1388 angehört hatte, entzogen.922 Der Versuch, über Ita von Toggenburg die Nähe der Grafschaft, die sich im 14. Jahrhundert schon einmal an das Haus Habsburg gebunden hatte, zum Kaiserhaus wiederaufzubauen, scheint hier von Mennel taktisch klug unternommen zu werden: Erst im Jahre 1481 hatte nämlich Albrecht von Bonstetten die bedeutendste Ita-Vita verfaßt. Heinrich IV., Abt des Ita-Klosters Fischingen, errichtete ihr dort 1495 das heute noch erhaltene ItaGrabmal.923 Ita war also zum Zeitpunkt von Mennels Legendararbeit eine Heilige, die im Bewußtsein

ihrer

Landsleute

besondere

Verehrung

erfuhr.

Ein

Nachweis

ihrer

habsburgfreundlichen Haltung konnte auf einen positiven Einfluß auf ihre Kultträger hoffen lassen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß im zweiten Legendarteil von 1514 die Heiligen ihrer königlichen Herkunft entsprechend in folgender Reihenfolge vorgestellt werden: Die Königshäuser Ungarn, Schottland, England, Frankreich, Aragón, Dänemark, Böhmen, und die Grafschaften Kiburg und Toggenburg. Sie alle basieren auf dem vierten Buch der Fürstlichen Chronik, in dem die Eheverbindungen von Personen der einzelnen Adelsgeschlechter mit dem Hause Habsburg nachgewiesen werden. Da Mennel sich bei der Auflistung seiner heiligen Freunde an die grobe Einteilung seines vierten Buches hält, in dem zuerst die mit dem Hause Habsburg verwandten Königreiche, und darauf folgend die Herzogtümer und Grafschaften in den einzelnen Pfauenspiegeln vorgestellt werden, ist anzunehmen, daß nicht nur ein formaler, sondern auch ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Aussageintention des vierten Buches und dem Legendarteil der heiligen Freunde des Hauses Habsburg von 1514 besteht. Mennel legt im Gegensatz zu anderen Legendaren seiner Zeit - beispielsweise im Gegensatz zu Der Heiligen Leben924 - darauf Wert, in seinen Legendenüberschriften die Herkunft der jeweiligen Heiligen zu nennen. Er läßt sie mit den einzelnen auf den Pfauenfedern im vierten Buch dargestellten Wappen korrespondieren, die zum Hause Habsburg in Bezug gesetzt werden. Das, was das habsburgische Legendar damit leistet, ist eine Spiegelung des vierten Buches auf der liturgischen Ebene: Die Intention des vierten Buches, das Beziehungsnetz des Hauses Habsburg zu den europäischen Adelsgeschlechtern vorzustellen, wird durch die jeweiligen heiligen Vertreter verschiedener europäischer Adelsgeschlechter zum einen personalisiert, zum andern durch den Kult

922

923

924

Vgl. dazu Bischofberger, H.: Art. Toggenburg. In: LdMa, 8. Sp. 840f. Zu der Geschichte der Grafschaft Toggenburg vgl. ferner Büchler, H.: Das Toggenburg. Eine Landschaft zwischen Tradition und Fortschritt. Sulgen 1992. Vgl. zu der Verehrung der heiligen Ita Kern, L. M.: Die Ida von Toggenburg-Legende. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Hier werden die Heiligenlegenden z. B. mit „Von Sant Brigida, die heilig junckfraw“ überschreiben. Eine Angabe zur Herkunft fehlt in der Legendenüberschrift, Vgl. Sebastian Brant: Der Heiligen Leben: Summerteil, Winterteil. Straßburg (Johann Grüninger) 1510, fol. LXXVIv.

175 dieser Heiligen liturgisch vergegenwärtigt. Das Wissen um das habsburgische Beziehungsnetz wird auf diese Weise aus der gedechtnus des vierten Buches in die liturgische memoria transponiert. Der Schwerpunkt der liturgischen memoria liegt 1514 auf dem englischen Königshaus, dessen Verbindung mit dem Hause Habsburg durch die meisten Heiligen erinnert wird. Auf das englische Königshaus folgt das der Schotten und der Ungarn. Die Schlußlichter unter den Königshäusern bilden Dänemark, Aragón, Sizilien und Frankreich. Auch das Legendar von 1518 zeigt keinen Zuwachs Heiliger mit dieser Herkunft. Vielleicht erklärt sich diese Diskrepanz damit, daß Mennel auf die politischen Zustände um 1514 antwortete, die eher die Nähe Habsburgs zu den Engländern als zu Frankreich, dem Gegner, nahelegten.925 Das vergleichsweise häufige Gedenken an Heilige, deren Herkunftsland zugleich auch ein Bündnispartner des Hauses Habsburg war, würde darin sicherlich eine Erklärung finden. So hatte Maximilian mit der Liga von Cambrai im Jahre 1508 noch angestrebt, sich mit Frankreich, dem Papst, dem König von England, Ungarn und Aragón gegen die Türken zu verbünden, und dieses Vorhaben 1513 mit der Heiligen Liga von Mecheln noch einmal – allerdings wiederum erfolglos – in Angriff genommen.926 Aufgrund dieser Überlegungen erscheint es auch logisch, daß die ungarischen Heiligen eine weitere, relativ starke Fraktion unter den befreundeten Heiligen des Hauses Habsburg stellen. Mit dem ungarischen König stand Maximilian I. in geheimen Verhandlungen um ein Bündnis gegen Frankreich927, und das Bewußtsein, daß gerade die ungarischen Nationalheiligen habsburgische Freunde sind, hätte dieses bis zu diesem Zeitpunkt schwache Band der Solidarität gefestigt. Der im März 1506, also in dem Jahr nach dem Beginn von Mennels Arbeit an der Fürstlichen Chronik, in der Wiener Neustadt zunächst geheim geschlossene habsburgisch-ungarische Doppelheiratsvertrag, der die Enkelkinder von Maximilian I. mit den ungarischen Königskindern verbinden sollte928, hatte diese Aussage des habsburgischen Heiligenlegendars sicherlich vorbereitet. Zumal war Maximilian gerade am Anfang des 16. Jahrhunderts mit Animositäten ungarischer Adliger konfrontiert, die um jeden Preis den Griff des Habsburgers nach der ungarischen Königskrone abwehren wollten. Umso brisanter war für sie die Aussage des habsburgischen Legendars, das den heiligen ungarischen König Stephan zum Haus Habsburg in freundschaftliche Beziehung setzte. Der Heilige war von den ungarischen Magnaten geradezu mystifiziert worden, und seine Tat, die Ungarn zu einem Königreich zu einen, machte ihn zutiefst verehrungswürdig. Er war der ‚König der Ungarn‘, was gleichbedeutend mit der Nennung ‚Karls des Großen‘ war und seine unbestrittene Autorität im ungarischen Königreich unterstrich. 925

926 927 928

Zur Bündnispolitik Maximilians I. und ihre Einschätzung in der Forschung vgl. Brady, T. A. jr.: Communities, politics and reformation in early modern Europe (Studies in medieval and reformation thought, 68). Leiden, Boston, Köln 1998. S. 313-334. Vgl. dazu Wiesflecker, H.: Kaiser Maximilian I., Bd. 3., S. 420f. Vgl. ebd.. S. 422ff. Vgl. ebd., S. 424ff.

176 Auch König Ladislaus zählt das habsburgische Legendar als Verbindungsglied des Hauses Habsburg zum ungarischen Königshaus auf. Ladislaus stand an der Spitze der im Spätmittelalter in Ungarn verehrten Heiligen. Seine bemerkenswerte Leistung war es nämlich gewesen, den südlichen Nachbarn Ungarns, Kroatien, zu besetzen und damit den Startschuß für die ungarische Expansionspolitik zu geben.929 Wenn also das Haus Habsburg beide Könige zu seinen heiligen Freunden erklärte, wurde damit zugleich über den Ladislaus- und Stephanskult der Schulterschluß mit den habsburgischen Hausinteressen gefordert. Diese Absicht bestätigen auch die Angaben über die Gräber der ungarischen Heiligen im habsburgischen Legendar. Mennel nennt ausdrücklich nur Stuhlweißenburg, wo Stephan I. begraben lag. Stuhlweißenburg hatte nicht nur zu den Hauptorten und Königsresidenzen des mittelalterlichen Ungarn gehört, vielmehr wies gerade die Grabkirche des heiligen Stephan auffällige baulichen Parallelen zum Aachener Dom auf, wo Karl der Große begraben lag.930 Da Maximilian sich als Habsburger ausdrücklich in der Tradition des Karolingers sah931, liegt es nahe, daß er mit der ebenfalls ausdrücklichen Nennung von Stuhlweißenburg, das sich seinerseits mit Aachen verglich, erneut auf seinen ‚rechtmäßigen‘ Wunsch hinweisen wollte, die Kaiserkrone mit der ungarischen Krone auf seinem habsburgischen Haupt zu vereinen. Außerdem war die Kontrolle über Ungarn für die Verwirklichung seiner Türkenzugpläne unabdingbar. Auf die zentrale Rolle Ungarns als „Aufmarschraum“ hatte Maximilian I. schon auf dem Kölner Reichstag von 1505 hingewiesen und daher die Reichstände dazu aufgefordert, ihm bei der Einforderung seiner Erbrechte auf die ungarische Krone zu unterstützen.932 Die Krone Böhmens sollte dabei auch an das Reich fallen. Das, was das Heiligenlegendar folglich auf einer kultischen Ebene 1518 als Forderung formulierte, war schon 23 Jahre lang das Ziel von Maximilians politischem Handeln im Osten gewesen. Daß Mennel gerade die Pläne Maximilians in der Ostpolitik in seinem Legendar über die Herkunftangaben der Heiligen auch noch 1518 versuchte zu verarbeiten, zeigt besonders ein ‚Neuzugang’eines Heiligen im Jahre 1518: So war Mennel offensichtlich daran gelegen, den seligen polnischen

Königssohn

Kasimir

als

Habsburger

vorzustellen933,

obwohl

ihm

keine

Legendeninformationen vorlagen; jedenfalls bleibt Kasimirs Legende ungeschrieben. Polen stand Maximilians Wunsch, schließlich doch noch die ungarische Krone tragen zu können, entgegen. 934

929

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932

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Zu der Bedeutung der heiligen Könige Stephan und Ladislaus im spätmittelalterlichen Ungarn vgl. Engel, P.: The realm of St. Stephan, S. 27ff. Vgl. dazu die Untersuchung von Deér, J.: Aachen und die Herrschersitze der Arpaden. In: MIÖG 79 (1971). S. 156. So formuliert es auch Mennel im profanen Teil der Fürstlichen Chronik, vgl. cvp 3074, fol. 87r und in dieser Arbeit S. 209. Vgl. zur Funktion des Kölner Reichstages für die Habsburger Politik Wiesflecker, H.: Kaiser Maximilian I, Bd. 3.. cvp 3076, fol. 145r. Vgl. Wiesflecker, H.: Kaiser Maximilian I., Bd. 3., S 427ff.

177 Die Aussage, in dem polnischen Heiligen Kasimir einen Habsburgfreund zu haben, mußte daher als Appell an die polnische Solidarität gegenüber den habsburgischen Plänen gewertet werden. Eine Heiligengruppe, deren Gräber von besonderem Interesse sind und die sich in der Riege der Heiligen, die durch ein eheliches Band mit dem Hauses Habsburg verbunden sind, befinden, sind die Stadtheiligen. Das, was ihre Grabangaben von denen der übrigen heiligen Freunde des Hauses Habsburg auszeichnet, ist die Ausführlichkeit, mit der Mennel ihre Grabesfindung beschreibt. Der Stadtheilige von Nürnberg ist dafür ein Beispiel. Vor seinem Tod formuliert Sebald gegenüber „etlichen mentschen“ den Wunsch, daß sein Leichnam auf ein Ochsengespann gelegt werden solle. Er wolle dort die letzte Ruhe finden, wo die Ochsen mit dem Wagen schließlich hielten. Sebalds Wunsch wird entsprochen: „Also bestattet man [die Bewohner von Nürnberg] den hayligen leychnam mit grosser andacht, und machten des ersten ain claines hülzin kirchlin über In, das stund xx jar do verbrennet es das wild feur, do flehnet man Sant Sebolt zů Sant Egiden, nit lang darnach find man In wider bey dem grab und was on aller mentschen hilff darkomen davon wol zů glaúben das sollichs nemand thon hab den die hayligen engel, darnach trug man In aber zů Sant Egidien und maynten sy wölten ym dalassen biz das man In ain neuer kirchen baúet, do finden sy In aber schier bey dem grab wann er wolt núr dasein und wie offt sy In dahin trúgen, so offt fúnden sy In alwegen bey dem grab“.935

Sebald wird also in Nürnberg begraben. Zuerst habe er zwanzig Jahre lang in einer kleinen Kirche begraben gelegen, nachdem diese aber abgebrannt sei, habe man den Heiligen zur Grabstätte von St. Aegidius transferiert. Beide Begräbnisorte wurden vom heiligen Sebald ausdrücklich für geeignet erachtet: Den ersten Begräbnisort suchte Gott aus, den zweiten der Heilige selbst, obgleich sich die Nürnberger dagegen sträubten. Doch die Aussage dieser Episode der Grabesfindung in der Sebaldlegende läßt keinen Zweifel an ihrer Interpretation: Es ist nicht menschlicher, sondern heiliger Wille, daß ein Habsburger der Hauptheilige der Reichstadt Nürnberg ist. Der heilige Ulrich wird von Mennel als ein Graf von Kyburg und Dillingen vorgestellt. Seine Grabesfindung wird ebenfalls ausführlich beschrieben.936 Eines Tages habe eine Klausnerin dem heiligen Ulrich geweissagt, daß er einst in einer Stadt „gegen auffganng der sonnen“ 937 Bischof sein und an den heidnischen Ungarn und an „bösen cristen“ leiden werde. Nach einer Zeit der Bewährung in den Regierungsgeschäften zu Augsburg sei Ulrich schließlich einstimmig zum Bischof gewählt worden. Nach Mennels Worten zeichnete sich Ulrichs Regiment durch väterliche Strenge und Ehrgeiz beim Wiederaufbau zerstörter Kirchen aus. Am ausführlichsten schildert er die neue Befestigung der Stadt Augsburg, die Ulrich aus eigener Tasche gezahlt habe. Mit seinem wehrfähigen Augsburg sei der Heilige Kaiser Otto II. treu gewesen und habe Herzog Heinrichs von Nordgau Griff nach der Krone vereitelt. Auch gegen die Ungarn habe sich Ulrich erfolgreich mit 935 936 937

cvp 3077**, fol. 91r. cvp 3077**, fol. 101v. Ebd., fol. 102v.

178 Gottes und des Kaisers Hilfe geschlagen. Nach fünfzigjähriger Amtszeit sei Ulrich schließlich gestorben. Vom heiligen Wolfgang, Bischof von Regensburg, sei er in St. Afra zu Augsburg begraben worden. Ulrich habe darauf bestanden, daß sein Leichnam in die „blosse erdenn“938 gelegt werde. Nur eine „huelzin thuer“ habe sein Grab bedeckt und ein großer Steinblock sei darauf gelegt worden. Die Stadt Augsburg, so führt Mennel weiter aus, habe Ulrich weiterhin in großen Würden gehalten und seine heilige Kraft habe sich an „vil ortnn“939 durch mannigfache Wunderzeichen geäußert. Augsburg ist, wie auch Nürnberg, eine Reichsstadt. Die Stadt an der Lech liegt an der Grenze des Herzogtums Bayern und ist Hauptstadt des Bistums Augsburg. Auch ihr Hauptheiliger wird zu einem Habsburger erklärt, womit sein Grab auch habsburgische Macht präsentiert. Der heilige Wolfgang von Regensburg folgt im habsburgischen Legendar direkt auf den Augsburger Bischof Ulrich. Er sei von Geburt aus ein „edler graff von Feringenn“ gewesen und ein „naher vetter“ Ulrichs.940 Mennels Legende erzählt, daß Wolfgang auf seiner Missionsroute auch nach Regensburg gekommen sei. Dort habe er ein Volk vorgefunden, das „gar blind was Im glauben“.941 Wolfgang habe mit seinen Predigten den Regensburger Bischof so begeistert, daß dieser den heiligen Wolfgang Kaiser Otto II. vorgestellt und gebeten habe, Wolfgang als Bischof einzusetzen. Als der Kaiser und die Regensburger gemerkt hätten, daß Wolfgang ein Heiliger sei, habe Wolfgang Stadt und Amt verlassen und sei nach Salzburg gegangen. Nach einem heiligen Leben, das Mennel in aller Ausführlichkeit schildert942, sei Wolfgang wieder in die Stadt Regensburg zurückgekehrt. Die Regensburger hätten den heiligen Mann fast schon mit Gewalt in ihre Stadt zurückgeholt, nachdem er durch seine asketische Lebensweise eine immer jämmerlichere Gestalt angenommen habe. Wolfgang habe also wieder in Regensburg gepredigt, sei dort aber auch von einigen gehaßt worden, die der christlichen Lehre nicht Folge geleistet hätten. In St. Peter in Regensburg habe er schließlich seine letzte Ruhe gefunden.943 Regensburg ist die dritte Reichsstadt und Hauptsstadt des gleichnamigen Bistums, das zwar nicht an die Habsburgischen Lande grenzt, dafür aber, wie die Bistümer Augsburg und Nürnberg, an das wittelsbachische Herzogtum Bayern und Oberpfalz. Nürnberg, Regensburg und Augsburg sind drei Reichstädte, die durch den Kult ihrer jeweiligen Stadtheiligen mit dem Haus Habsburg solidarisiert werden. Sich an diesen Orten habsburgfeindlich zu entscheiden, würde bedeuten, sich gegen den eigenen Schutzpatron zu wenden. Mit diesen Grabangaben ist impliziert, daß habsburgische Interessen auch von den Reichstädten in ihren 938 939 940 941 942 943

Vgl. ebd., fol. 109v-110r. Ebd., fol. 110v. Ebd., fol. 111r. Ebd., fol. 112r. Vgl. cvp 3077**, fol. 113v-115r. Ebd., fol. 116r.

179 Entscheidungen berücksichtigt werden sollen. Die habsburgischen Interessensphäre wird also nicht nur als eine Sache gedacht, die durch Hilfe außerhalb des Reiches geschützt werden kann, sondern deren Schutz auch durch die Solidarität der Reichsstädte gewährleistet werden muß. Gerade in Anbetracht der Tatsache, daß die größten Konkurrenten der Habsburger, die Wittelsbacher 944, die Reichstädte in ihren Entscheidungen gegen habsburgische Interessen beeinflussen und damit die politische Tatenkraft Habsburgs schmälern könnten, machte die Solidarität der Reichsstädte gegenüber dem Haus Habsurg zu einem wichtigen Faktor in der Sicherung von Hausinteressen. Bei der Betrachtung der Legendenüberschriften fällt auf, daß sie sich im habsburgischen Heiligenlegendar von 1518 in auffälliger Weise zu ihrer Fassung von 1514 verändern. Von den insgesamt hundertvierundzwanzig Legenden des kalendarischen Teils von 1518 ordnet Mennel nämlich neunzehn Heilige in liturgische Kategorie marterer ein. Fünfundzwanzig Heilige werden ausdrücklich als Bischöfe, zwölf als Äbte oder Äbtissinnen, einer als Papst vorgestellt.945 Etwas weniger als die Hälfte der Heiligen aus dem kalendarischen Teil von 1518 wird also bewußt als ein hoher Würdenträger der Kirche oder Märtyrer vorgestellt. Fünfunddreißig Heilige stammen aus einem königlichen Geschlecht oder sind Kaiser. Der Rest – und das macht ungefähr ein Drittel der Legenden aus – besteht aus Nonnen oder stammt aus Grafen- oder Herzogsgeschlechtern. In viel größerem Maße als 1514 erscheint 1518 das habsburgische Geschlecht folglich als ein Haus, das hohe kirchliche Würdenträger, Königsgeschlechter und die Träger der höchsten Krone der Heiligkeit, die Märtyrerkrone946, in seinen Reihen hat. Übertragen auf die bisher erarbeitete politische Aussageintention des habsburgischen Legendars wird damit einmal mehr der Anspruch des Habsburgers Maximilian unterstrichen, nicht nur Vertreter eines Adelsgeschlechtes zu sein, das in der Tradition, oder zunmindest in der Freundschaft der meisten europäischen Adelsgeschlechter steht, sondern das sich auch die Träger höchster geistlicher und weltlicher Würden der europäischen Adelsgeschichte zurechnet: Habsburg ist nicht nur Fokus, sondern auch die Spitze aller europäischen Adelshäuser. Sich mit ihm zu verbünden heißt, Einfluß gewinnen.

6.2 Herkunft und Grab der blutsverwandten habsburgischen Heiligen Wenn man Herkunft und Grab bei den blutsverwandten Heiligen des Hauses Habsburg untersucht, fragt man nicht nach einem Solidaritätsnetz, das zu anderen europäischen Adelsgeschlechtern aufgebaut wird, sondern nach der Tradition, in die sich das habsburgische Geschlecht stellt. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal an die Ausführungen zum Aufbau der Fürstlichen Chronik 944 945 946

Vgl. dazu Quarthal, F.: Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 36f. Vgl. dazu im Anhang die Titel der des kalendarischen Teils des Habsburger Legendars von 1518, S. 255ff. Der Märtyrer ist der Prototyp des Heiligen und ahmt in vollkommener Weise Christus nach, vgl. dazu Christen, E.: Martyrium III/2. In: TRE, 22. S. 212-220.

180 und ihrem formalen Zusammenhang mit dem Heiligenlegendar: Die Blutsverwandten Heiligen sind nach dem dort vertretenen Verständnis jene Heiligen, die ihren trojanischen Ursprung mit den Habsburgern teilen. Die Verehrung ihrer Person und ihres Herkunfthauses am jeweiligen Grab gilt folglich in der Zeit Maximilians I. dem Haus, das in der Herrschaftstradition dieses jeweiligen Adelsgeschlechtes steht: dem Haus Habsburg. Die Grabangaben bei den blutsverwandten Heiligen aus dem merowingischen Königshaus konzentrieren sich auf das Gebiet von „Austrasia und „Neustria“. Welches Gebiet Mennel mit ‚Austrasia‘ und ‚Neustria‘ meint, erläutert er folgendermaßen947: ‚Austrasia‘ sei jener Teil im Frankenreich, der sich „gegen mittemtag“ richte. Den Osten des Reiches, „der sich gegen dem Nordwind, genant Aquilo kert“, hätte man daher mit ‚Austrasia’ bezeichnet. Im Titel der Sigibertlegende setzt Mennel - übrigens das einzige Mal innerhalb des gesamten Legendars „Austrasia“ mit „Osterreich“ gleich.948 Mennel arbeitet also bewußt mit historischen Angaben.949 Die etymologische Herleitung von ‚Oster–reich‘ als das ‚Reich des Ostens‘ begründet er mit einem sprachlichen Winkelzug. Er wählt als Tertium comparationis von ‚Austrasia‘ und ‚Osterreich‘ den ‚Osten‘, da die Gebiete ‚Austrasia‘ und ‚Osterreich‘ innerhalb ihres jeweiligen historischen Reichsganzen im Osten liegen würden. Das Gebiet von Austrasia und Neustrien ist also schon von seiner Etymologie her ein rechtmäßiges Einflußgebiet des Hauses Österreich. Somit unterliegt diesem Einfluß auch die Stadt Paris, die als Residenzstadt der merowingischen Könige das Zentrum im südlichen Teil von Neustrien war. Diesem Status entsprechend liegt dort, in der Kirche von St. Peter, der erste Christenkönig Chlodwig begraben.950 Chlodwigs Vetter Leonhard sei dagegen, so Mennel, in der Kirche der lieben Frau zu Paris, die der Heilige erbaut habe, begraben worden. 951 Bei der Beschreibung dieser Grabeskirche läßt Mennel eine vergleichsweise große Ausführlichkeit gegenüber den anderen Grabesbeschreibungen in den Legenden der Merowinger walten. Des großen Zulaufs wegen hätten nämlich die Priester dieser Kirche beschlossen, an einem anderen Ort eine noch größere Kirche zu bauen und Leonhard dorthin zu transferieren. Ein göttliches Zeichen habe ihnen den Ort für den neuen Kirchenbau angezeigt: Als Schnee gefallen sei, sei nur jener Platz in der ganzen Provinz unbedeckt geblieben, an dem der Kirchbau begonnen werden sollte.952 Paris erscheint in der Darstellung Mennels als ein Ort, den Gott als letzte Ruhestätte für die Merowingischen Ahnen des Hauses Habsburg ausgewählt hat. Es ist ein von Gott bestimmtes Wirkungszentrum merowingischer Macht, das im Diesseits Hilfe bietet. Dies ist wohl der Grund, weshalb Mennel mit Nachdruck auf die Pilgerbewegung zu Leonhards Grab hinweist. 947 948 949 950 951 952

Vgl. cvp 3077*, fol. 148r. Ebd., fol. 146v. Zum historischen Begriff ‚Austrien‘ vgl. Zotz, T.: Art. Austrien. In: LdMa, 1. Sp. 1258f. cvp 3077*, fol. 17v. Ebd., fol. 19v. Ebd., fol. 20r.

181 Oda ist die erste aus dem Geschlecht der Grafen des Hennegau, deren Grabstätte in Metz im Legendar ausdrücklich genannt wird953, ihre Schwester Aldegünde ist die nächste. Beider Vater ist der hennegauische Graf Waldebert. Der genealogische Sprung von den Merowingern zu den hennegauischen Grafen fällt Mennel nicht leicht: Graf Waldbert vom Hennegau und dessen Tochter, die heilige Aldegünde – natürlich auch die heilige Oda, doch das betont Mennel nicht mehr ausdrücklich – gehörten zu den „vil vettern, basen swaeger unnd geschwegerin“954 der heiligen Königskinder Modericus, Ferreolus, Tharsicia aus Brabant, die ihrerseits schon an die Karolinger angesippt worden waren.955 Man habe sie in ihrer selbstgestifteten Kirche „Cuesneria“, gemeint ist wohl Curte-Solrâ956, bestattet, die in Metz zu finden sei. Mennel berichtet, daß Sigibert, der Sohn des fränkischen Königs Dagobert, in späterer Zeit die heilige Aldegünde in das Kloster Maubeuge, das in der Grafschaft Hennegau liege, transferiert habe.957 Aldegündes Sohn, Landricus, ruhe dagegen in Metz, wo er auch das Amt des Bischofs innehatte,958 ebenso Odas Sohn Arnulf959, und sein Nachfolger auf dem Metzer Bischofsstuhl und „natuerlichen sippenverwandten“ Goerico.960 Die heilige Schwester Aldegündes, Waldedrude, habe ihre letzte Ruhe in der hennegauischen Stadt Bergen gefunden.961 Das Grab der hennegauischen Gräfin Madelbertha, der Tochter Waldedrudes, befinde sich in Lüttich.962 Nach den Merowingern beansprucht Mennel also auch die Grabstätten des hennegauischen Grafengeschlechtes als Gedenkstätten Habsburgischer Macht. Diese Gräber liegen in Metz, dem hennegauischen Maubeuge und im brabantischen Bergen. Mit Deotharius wird der erste Heilige mit seinem Grab aus dem austrasischen Königshaus vorgestellt. Er ist der Sohn von Wansbert und Amelberga I.963 Maximilians Hofhistoriograph gibt das Grab des Deotharius mit seiner selbst gestifteten Kirche „Arigendin“ an.964 Die nächste Grabesangabe folgt in der Legende des heiligen Venancius, des Enkels Amelbergas I. und Wansberts.965 Mennel weiß zu berichten, daß Venacius in der flandrischen Grafschaft „Attrebat“966, das ist Arras, bestattet worden sei. Brüssel taucht erstmalig als Begräbnisort von Gudila auf. Sie ist die Tochter Amelbergas III., der Enkelin Amelbergas I., die in zweiter Ehe mit dem brabantischen 953 954 955 956

957 958 959 960 961 962 963 964 965 966

Ebd., fol. 24r. Ebd., fol. 24v. Vgl. cvp 3074, fol. 50r. Die Bollandisten geben an, daß Aldegundis Gebeine von Curte-Solrâ nach Maubeuge trasferiert wurde, vgl. AASS, Januar 2, S. 1035. cvp 3077*, fol. 25v. Ebd., fol. 29r. Ebd., fol. 36v. Ebd., fol. 38v. Ebd., fol. 26r. Ebd., fol. 31v. Ebd., fol. 40r. Ebd., fol. 4v-5r. Ebd., fol. 42r. Ebd., fol. 43v.

182 Grafen Witger verheiratet gewesen sei.967 Die heilige Ermelindis, eine weitere Tochter des Brabanter Grafen Witger, liege zu Meldert, unweit von Lösen, begraben.968 Der heilige Alibert, Graf von Brabant, habe sein Grab im Stift zu Reims969, Wandrillo, der Sohn des Brabanter Herzogen Walchisus, liege in der St. Pauls Kirche zu Fontanell. Dort würden sich noch die Gräber des heiligen Ansbert und des heiligen Ulphranius befinden.970 Die Gräber der Heiligen aus dem Brabanter Grafengeschlecht befinden sich im brabantischen Brüssel, aber auch in dem in Ostfrankreich gelegenen Reims, und repräsentieren dort durch ihren Kult Habsburgische Ansprüche. Aus dem lothringischen Fürstenhaus stammt Begga971, die in Andenne, einem Chorfrauenkloster, das sie selbst gestiftet habe, ruhe und auch verehrt werde.972 Auch bei Gertrud, deren Legende auf die ihrer „leyplich schwoester“973 Begga folgt, gibt Mennel ihren Grabesort mit Nivelles974 an, wohin auch ihr Vater Pippin transferiert worden sei975. Iduberga, ihre Mutter, liege ebenfalls dort.976 Pippins Bruder Agnebert könne man dagegen in der Kirche zu Malbo begraben finden 977. Die heilige Plectrudis, die Schwiegertochter von Pippin von Heristal, den Mennel als Sohn Beggas und Ansegisels vorstellt,978 sei in Dänemark geboren worden. Sie sei nach Köln gekommen und habe dort ein Kloster mit dem Namen „der Junckfrauen Muenster“ gegründet und es reich beschenkt. Heute werde es „das Capitolium oder unnser fraúen Closter zů den Staffeln“ genannt. Plectrudis‘ Grab befinde sich ebenfalls dort.979 Die Nachkommen aus Idubergas Linie dagegen, die aus dem „fuerstlichen stammen aquitania enntsprossenn“980 sind, bilden mit ihren Gräbern einen weiteren habsburgischen Wirkungsbereich an der Mosel und schließen damit an die Gräbertradition der Merowinger an. Idubergas Bruder Modoaldus liege, zusammen mit seiner zweiten Schwester Severa, an der Mosel in der Kirche des heiligen Simphorian begraben.981 Severas heiliger Leib werde bei dem Fronaltar im Trierer Kloster St. Matthias in Ehren gehalten.982 Die heilige Rickardis entstamme ebenfalls dem aquitanischen

967 968 969 970 971 972 973 974 975 976 977 978 979 980 981 982

Ebd., fol. 48r/v. Ebd., fol. 52v. Ebd., fol. 54r. Ebd., fol. 58v-59r. Ebd., fol. 59v. Vgl. ebd., fol. 59v-60r. Ebd., fol. 60v. Ebd., fol. 61v. Ebd., fol. 64r. Ebd., fol. 66v. Ebd., fol. 64v. Ebd.,, fol. 68v. Vgl. ebd., fol. 68v- 69r. Ebd., fol. 66r. Ebd., fol. 67r. Ebd., fol. 68r.

183 Königshaus und liege, so Mennel, im elsässischen Kloster Andlau begraben.983 Das Grab Huberts, des Neffen des aquitanischen Königs Lothar, befinde sich in dem von ihm gestifteten Kloster Ardenne.984 Die Gräber der Heiligen aus dem aquitanischen Königshaus haben ihren Wirkungsbereich somit im Elsaß, in den Ardennen, und an der Mosel. Durch die Ansippung des aquitanischen Königshauses an die Habsburger werden auch sie zu Wirkungsstätten habsburgischer Macht umgedeutet. Ein Heiliger aus dem karolingischen Geschlecht ist Karlmann, der Sohn Karl Martells985. Dieser Karlmann hat laut Mennel nahe bei Vienne seine letzte Ruhe gefunden.986 Das Grab seiner Schwester Landrada verortet Mennel in Lüttich.987 Bei Karl dem Großen988 folgt die nächste explizite Angabe zu einem Grab. Seine Reliquien könne man in der Kirche der lieben Frau zu Aachen finden.989 Das Grab seines Neffen, des heiligen Simprecht, befinde sich in St. Afra in Augsburg, wo er auch Bischof gewesen sei.990 Selbst den Hunneneinfall habe Simprechts Grab unversehrt überstanden, da der heilige Ulrich, der ebenfalls in Mennels Legendar zu finden ist991, durch ein göttliches Gesicht dazu ermahnt wurde, Simprechts Grab mit einem Zauber zu bewahren.992 Der heilige Hugo, Sohn Karls des Großen, habe sein Grab „zu happer“ in der Nähe von Cambrai.993 Die heilige Verona ist die Tochter Ludwig des Deutschen, der ein Enkel Karls des Großen war.994 Gott, so berichtet Mennel, habe die letzte Ruhestätte der heiligen Verona bestimmt: Der Leichenwagen Veronas sei von den davorgespannten Ochsen bis in ein Dorf in der Nähe von Lösen gezogen worden. In diesem Dorf‚ das ‚Zum heiligen Kreuz‘ genannt werde, sei Verona dann begraben worden.995 Die Heiligen aus dem karolingischen Geschlecht beschreiben mit ihren Kultorten ein sehr viel weiteres Wirkungsnetz als die Adelsheiligen aus den merowingischen, hennegauischen, austrasischen, brabantischen, lothringischen und aquitanischen Adelshäusern: Von Wien aus, dem Sitz der Habsburger, nach Aachen im Nordosten des Maximilianeischen Reiches, von dort nach Augsburg ins Zentrum des Reiches und wieder zurück in die Niederlanden nach Cambrai erstreckt sich ihr Radius an Kultorten. Ihre Gräber spiegeln das Reich Karls des Großen wider, das die Herrschaftsgebiete der genannten Adelshäuser in sich vereint hatte. Daß Mennel die Habsburger in 983 984 985

986 987 988 989 990 991 992 993 994 995

Ebd., fol. 117v Ebd., fol. 121v. Karl Martell soll aus der unehelichen Verbindung Pippins von Heristal und einer Dienerin geboren worden sein, vgl. ebd., fol. 75v. Ebd., fol. 76r. Ebd., fol. 78v. Landrada wurde in Gent begraben. Ebd., fol. 82v. Ebd., fol. 85r. Ebd., fol. 88r. Ebd., fol. 101v-110v. Ebd., fol. 88r/v. Ebd., fol. 99v. Ebd., fol. 102v. Ebd., fol. 112r.

184 die Tradition der karolingischen Macht stellt, betont er im dritten Buch der Fürstlichen Chronik. Da Pippin von Heristal als erster König aus dem Geschlecht der Karolinger dem Papst hilfreich zur Seite gestanden habe, sei sein ganzes Geschlecht gesegnet worden. Und diese heilige Königswürde, die Pippin als erstem aus seinem Geschlecht zugekommen sei, sei von rechts wegen dann an die Habsburger übergegangen. Die Habsburger seien damit „ainss geschlechts“ mit den Karolinger.996 Das fränkische Königshaus hat einen seiner Kultorte am Grab des fränkischen Königs Dagobert, der, so Mennel, auf dem Feld nahe bei Paris verstorben sei. Seinen Körper habe man dann seinem Wunsch entsprechend in der Kirche des heiligen Dionysius zu Paris begraben.997 Bei Dagoberts Sohn Sigibert gibt Mennel die Kirche St. Martin in der Moselstadt Metz als letzte Ruhestätte an998, bei seiner Schwester Hermine das elsässische Kloster Weissenburg.999 Das Grab des Clodoaldus, des Königsohnes von Orléans, befinde sich in seiner Klostergründung „Naougemium“.1000 Radegunde von Thüringen, die Ehegemahlin Clothars I., habe im Kloster „Pickardus“, gemeint ist wohl das Kloster St. Croix bei Poitiers, ihr Grab.1001 Guntram, der Sohn von König Clotharius und der Bruder Dagoberts, habe in der Stadt „Cabilon“, die damals Regierungssitz gewesen sei, seine letzte Ruhe gefunden.1002 Mennel verweist hier auf das burgundische Chalon. Das Grab der Kaiserin Adelheid, der Tochter des Burgunder Königs Rudolf, finde man in Selz.1003 Die Heiligen aus dem fränkischen Königsgeschlecht haben ihre Gräber in Burgund und in Nordfrankreich. Ihre Verehrung und den damit verbundenen Einfluß auf ihre Kultträger instrumentalisiert das Haus Habsburg, um in diesen Gebieten durch die Ansippung der Franken an das habsburgische Geschlecht seine Macht präsent zu halten. Die heilige Adela ist die einzige Vertreterin aus dem, wie Mennel betont, elsässischen ‚Herzogsgeschlecht‘, deren Grab in der Kirche von St. Stefan zu Straßburg verortet wird.1004 Ihr Grab ist dort der Ort, an dem habsburgische Macht präsent ist. Es fällt auf, daß sich der Schwerpunkt der explizit genannten Gräber von blutsverwandten Heiligen des Hauses Habsburg in den Niederlanden, im Moselgebiet, in Nordfrankreich und im Elsaß befindet. Der Großteil der im Legendar genannten Gräber liegt also an den Außenrändern des habsburgischen Reiches. Auch fehlte in den Niederlanden nach dem Tod von Maximilians Sohn Phillip im Jahre 1506 die Präsenz eines habsburgischen Herrschers, und so erscheinen die Gräber 996 997 998 999 1000 1001 1002 1003 1004

cvp 3074, fol. 87r. cvp 3077*, fol. 145r/v. Ebd., fol. 149r. Ebd., fol. 152r. Ebd., fol. 164v. Ebd., fol. 178v. Ebd., fol. 179v. Ebd., fol. 190v. Ebd., fol. 163r.

185 der habsburgischen Heiligen gerade aus dem hennegauischen und dem brabantischen Adelsgeschlecht als Stellverterter des habsburgischen Herrschers, dessen Präsenz nun über den Kult der Heiligen des Hauses Habsburg demonstriert wird. Ein weiterer Grund, aus dem die Heiligengräber gerade in die Nähe der Westgrenze des habsburgischen Reiches liegen, wird die permanente Furcht Maximilians I. vor Übergriffen des französischen Königs gewesen sein. 1005 Diese Grenzsicherung mußte in den Augen Maximilians I. notwendig sein, um das habsburgische Reich auch anch Westen hin zu sichern. Immerhin hatte beispielsweise Straßburg schon an ein Bündnis mit den Eidgenossen gedacht hatten1006. Diese Sicherung war Vorbedingung, um sich als führendes Adelsgeschlecht Europas auszuweisen, gegen dessen machtvolle Umklammerung sich Frankreich insbesondere nach der Heirat Maximilians I. mit Maria von Burgund - wehren wollte. Die habsburgischen Heiligengräber werden auf diesem politischen Hintergrund zu Symbolen habsburgischer Macht, die den Siegeszug von habsburgfeindlichem Gedankengut verhindern sollen. Sich gegen Habsburg in den Einflußgebieten von habsburgischen Heiligen zu wenden mußte nämlich heißen, sich an den angestammten Heiligen der eigenen Region zu versündigen. Daran denkt Mennel, wenn er beispielsweise bei Adela betont, daß an ihrem Grab ein Brunnen entspringe, dessen Wasser Kranke heile1007, und daß damals, als die heilige Verona in Brabant begraben worden sei, das von einer Hungersnot gepeinigte Land mit einer unerwartet reichen Ernte beschenkt worden sei. 1008

6.2.1

Die Klöster und Stifte der blutsverwandten habsburgischen Heiligen

Im Gegensatz zu den Gräbern, an denen der Heilige präsent ist, kommen die Stiftungen des Heiligen, sofern sie keine Reliquien von ihm besitzen, nicht in den Genuß seiner Gegenwart. Stifte sind geistliche Korporationen1009, die ihr Leben auf das liturgische Gedenken ausrichten.1010 Jedes Stift, das von einem Habsburger gegründet wurde, ist folglich als ein Ort zu verstehen, der daran erinnert, daß das Haus Österreich die Mittel und die Frömmigkeit zur Stiftsgründung hat. Mit der dort praktizierten memoria1011 für die Verstorbenen, bei der von den Stiftangehörigen für den jeweiligen Verstorbenen gebetet wurde, glaubten die Nachkommen eines Adelsgeschlechts, ebenfalls einen Beitrag zum ewigen Ruhm ihres Herkunfthauses zu leisten. Die zentrale Bedeutung 1005

1006 1007 1008 1009 1010

1011

Für Maximilian I. gab es zwei Gefahren für das deutsche Reich: Die Türken und Frankreich. Vgl. dazu die neueste Darstellung habsburgischer Politik von Erbe, M.: Die Habsburger 1493-1918. Eine Dynastie im Reich und in Europa. Stuttgart 2000, S. 19ff. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 87. cvp 3077*, fol. 163v. Ebd., fol. 112v. Vgl. Crusius, I.: Art, Stift. In: LdMa, 8. Sp. 171-173. Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von Schmid, K. (Hrsg.): Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet. München, Zürich 1985. S. 7. Zu der Wirkung diesseitiger Stiftungen auf das Jenseits vgl. Schmid, K.: Stiftungen für das Seelenheil. In: Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet, S. 51-73, S. 61f.

186 der memoria zeigt sich darin, daß die einzelnen Stiftungen oftmals der Kontrolle der direkten Nachkommen einzelner Gründer unterstanden.1012 Zumeist waren die Klöster und Stifte auch die Grablege ihrer Gründer.1013 Das bedeutet für die vorliegende Untersuchung, die sich ja schon der Analyse der Grabangaben Mennels gewidmet hat und dabei auch die Gräber berücksichtigte, die zugleich Stiftungen der Heiligen waren, daß gerade diese genannten Stifte in diesem Unterkapitel nicht mehr aufgezählt werden. Im folgenden geht es nun, wie schon bei den Grabangaben, um die Frage, welche Orte Mennel in den Legenden explizit als Orte anführt, an denen das Andenken an das Haus Habsburg und seiner Macht – bei den Gräbern war es noch die Erinnerung an den Herrschaftsanspruch des Hauses Habsburg auf das genannte Gebiet – gepflegt wird. Ziel ist es, sich ein Bild von den ‚politischen Inseln‘ des Hauses Habsburg zu machen, die habsburgischen Einfluß in der Politik eines Stiftes grantieren, da es in der Tradition seines Gründers steht. Die Stiftungen, die im folgenden genannt werden, sind somit auch stets Stiftungen von Heiligen, die mit dem Haus Habsburg blutsverwandt sind. Welche Bedeutung auch Jakob Mennel der Wahl eines Ortes beimaß, an dem ein Stift erbaut werden sollte, zeigt sich in der Legende von Leopold III., in der er ausführlich von dem Vorgang einer Stiftung erzählt. Der heilige Leopold III. von Österreich und seine Ehegattin Agnes, die Tochter Kaiser Heinrichs IV., hätten nämlich zu Ehren der Mutter Gottes eine Kirche erbaut. Von göttlicher Hand sei Agnes gezeigt worden, wo dieses Gotteshaus zu bauen sei: Bei klarem Himmel und stillem Wind sei nämlich plötzlich ein Wind aufgekommen, der Agnes den Schleier fortgerissen und an jenen Ort gefegt habe, an dem nach göttlichem Wunsch das Gotteshaus stehen sollte.1014 An diesem Platz, der sich in der Nähe der Donau befinde, sei in unmittelbarer Nähe zu Wien das Klosterneuburg erbaut worden. Genauso wie ein Grab ist also auch der Ort eines Stiftes gotterwählt und nicht von Menschen ausgesucht. Auch der Gründungsvorgang darf nur von dem dafür auserwählten Adelsgeschlecht unternommen werden. Als Leopold nämlich gebeten worden sei, den ersten Stein zu legen, habe er „geschmollet“1015 und darauf bestanden, daß ein Priester den Grundstein für sein Gotteshaus lege. Leopolds Sohn, der Propst war, sei zugleich aber auch Priester gewesen, und so habe trotz Leopolds Verweigerung ein Blutsverwandter der Habsburger den Grundstein für Klosterneuenburg gelegt.

1012

1013

1014 1015

Vgl. dazu Schwineköper, B.: Hochmittelalterliche Fürstenbegräbnisse, Anniversarien und ihre religiöse Motivationen. Zu den Rätseln um das Grab des letzten Zähringers. In: Person und Gemeinschaft im Mittelalter, S. 491-539, S. 536: Schwineköper berichtet von Stiften, in denen sich auch das Grab des Gründers befand. Oft geriet sein Grab und das Gedenken an einen Verstorbenen in Vergessenheit, wenn die direkten Nachkommen das Gedenken an ihre verstorbenen Vorfahren nicht kontrollierten. Über die Entwicklung der Stiftskirche zur Grablege einzelner Adelsgeschlechter vgl. Schwineköper, B.: Hochmittelalterliche Fürstenbegräbnisse, Anniversarien und ihre religiösen Motivationen. Zu den Rätseln um das Grab des letzten Zähringers (Bertold V. 1186-1218). In: Person und Gemeinschaft im Mittelalter. FS Karl Schmid, hrsg. von Gerd Althoff u. a. Sigmaringen 1988. S. 491-539. cvp 3077*, fol. 202r. Ebd., fol. 202v.

187 Weitere Kirchen, die Mennel als Stiftungen des Babenbergers Leopold aufzählt, sei das in einem waldreichen Tal des Bistums Passau gelegene Kloster Heiligenkreuz des St. BernhardOrdens. Ebenso habe Leopold das Kloster in „Melding“1016 wiederaufgerichtet, wo seine „voreltern“1017 ein Kloster des Benediktinerordens eingerichtet hätten. Mennel betont damit nachdrücklich die Relevanz von den Stiftungen der Ahnen, deren Pflege für ihre Nachkommen zentral zu sein hat. Festzuhalten bleibt, daß Mennel die babenbergische Stiftung des Bistums Passau zu einer habsburgischen macht. In der Legende des heiligen Trudpert, die ausführlich von dem Aufbau des Klosters St. Trudpert im Schwarzwald erzählt, findet sich ein Hinweis auf eine Stiftung eines Heiligen, die zugleich auch sein Grab ist, was Mennel allerdings nicht erwähnt. In der Legendendarstellung erscheint dieses Stift somit nicht als ein Ort, an dem auf habsburgische Herrschaftstradition verwiesen wird, sondern als eine ‚politische Insel‘ der Habsburger, auf der politischer Einfluß der Habsburger ausgeübt wird. Der heilige Trudpert habe das Land, auf dem er dann auch die Kirche erbaut habe, von seinem Vetter, dem habsburgischen Graf Ottpert, geschenkt bekommen. Dazu heiße es in der Schenkungsurkunde, daß dem heiligen Mann „das ganz tal mit aller zůgehör von dem berg Samba da das wasser Númaga entspringt bis an den fluss des merzenbachs fuer ain ewig aygenthůmb“ übergeben worden sei. Trudpert habe dieses Geschenk auch im Namen derer, die nach ihm in diesem Tal Gott dienen sollten, angenommen.1018 Durch die Zwietracht von Ottperts Erben sei allerdings das Tal und die „stat Santi Trudperthi“ zerstört worden. Erst Rampert, der Enkel Ottperts, habe sich dem Neuaufbau der Kirche Trudperts gewidmet. Luitpard, ein erblicher Nachfahre des Rampert, habe dann dasselbe Gotteshaus noch einmal renoviert und das dort ansässigen Benediktinerkloster gegründet.1019 Heute werde der heilige Trudpert – und hier macht Mennel eine in seinem Legendar einzigartige Angabe zum Kult eines habsburgischen Heiligen– von den „landsassen“ im Breisgau, Sundgau, Elsaß und im Schwarzwald verehrt. Ferner könne man von dem Geschlecht des heiligen Trudpert, nämlich dem habsburgischen, noch heute Landesfürsten und Erbherren in den ebengenannten Ländern finden.1020 St. Trudpert im Schwarzwald ist eindeutig ein Kloster, das Mennel deutlich in die Pflicht nimmt, habsburgische Interessen zu wahren. Wertet man Mennels geographische Verortung des TrudpertKultes als die Angabe eines Einflußgebietes dieses habsburgischen Stiftes, so erstreckt es sich über den Sundgau bis hin zum Elsaß und zum Breisgau. Damit beschreibt Mennel den vorderösterreichischen Raum, der nun am südwestlichen Rand des habsburgischen Reiches gelegen 1016

1017 1018 1019 1020

Wahrscheinlich ist damit Mödling gemeint, ein wichtiger Platz im babenbergischen Land zur Grenzsicherung. Weitere zentrale Ort zählt auf Röhrig, F.: Leopold III., der Heilige, Markgraf von Österreich. Wien 1985. S. 15. cvp 3077*, fol. 203r. Ebd., fol. 169r. Ebd., fol. 173v. Ebd., fol. 174v.

188 war. Die Habsburger standen auch hier vor einem Herrschaftsproblem, das jedoch gerade in Vorderösterreich gelöst werden mußte, um sich im Süden gegen die Ansprüche der Eidgenossen, und im Nordosten gegen die Ansprüche der Wittelsbacher zu schützen. Maximilian löste dieses Problem, indem er habsburgische Besitzungen zusammenfaßte, ihnen eine administrative Gestalt gab und gerade im Breisgau und im Sundgau Prälaten landsässig machte.1021 Mit den Angaben zu habsburgischen Stiftungen verleiht er im Heiligenlegendar seinem Wunsch Ausdruck, Vorderösterreich offen für die politischen Vorstellungen des Hauses Habsburg zu halten. Vom Konstanzer Bischof und habsburgischen Heiligen Gebhard bezeugt Mennel das Kloster Petershausen ebenfalls nicht als dessen Grab, sondern betont lediglich, daß Gebhard Petershausen gestiftet habe. Er habe es zur Zeit des heiligen Papstes Gregor bei Konstanz für zwölf Brüder des Benediktinerordens gegründet.1022 Beim Bau dieses Klosters habe Gebhard einen Arbeiter, der bei einem Sturz vom Baugerüst zu Tode gekommen sei, wieder zum Leben erweckt. Das Kloster habe mit den Reliquien des heiligen Gregor, mit dem Arm des heiligen Phillip, mit Johannesreliquien und mit Haupt des heiligen Gregor, das er auf abenteuerliche Weise, die Mennel detailliert schildert, den Römern entwendet habe, ausgestattet. Der Udalrichinger Gebhard hat sich damit in solch einem Maße um das Stift Petershausen verdient gemacht, daß auch hier seinen Nachfahren, den Habsburgern, kein politischer Wunsch abgeschlagen werden kann. Als Stiftung des aquitanischen Königshauses wird in der Legende der heiligen Segolena1023 „Toglar“ genannt, das , „auff ainer lustigen stat seins ertrichs [sc. des Königs Godinus]“, gegründet worden sei. Es handelt sich dabei um das in der Nähe des französischen Lagrave gelegene Kloster Troclar.1024 Auch diese Stiftung des aquitanischen Königshauses empfiehlt in diesem Gebiet Frankreichs eine positive Haltung gegenüber den Habsburgern. Löwen liegt im Herzogtum Brabant, das zu den habsburgischen Landen durch die geschickte Heiratspolitik Maximilians I. gefallen war. Die edle Jungfrau Pharahilde aus dem lothringischen Herzoghaus habe unweit von Löwen eine kleine Kapelle erbaut. Dorthin pilgerten viele Menschen und würden dort geheilt werden.1025 Der heilige Herzog Wandrille habe auf seinem eigenen Boden, der in der Gegend von „Helisgangenn“ 1021

1022 1023 1024 1025

1510 setzte Maximilian fest, daß das habsburgische Elsaß, der Sundgau, der Breisgau, die Lande auf dem Schwarzwald , die vier Städte am Rhein (Säckingen, Waldshut, Laufenburg, Rheinfelden) eine Verwaltungseinheit bilden und von Ensisheim aus regiert werden sollten, vgl. dazu Mertens, D.: Maximilian I. und das Elsaß, S. 188. Ferner vgl. dazu Press, V.: Vorderösterreich in der habsburgischen Reichspolitik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, hrsg. von. Hans Maier und Volker Press, u. Mitarb. von Dieter Stievermann. Sigmaringen 1989. S. 141. Vgl. cvp 3077*, fol. 208rff. Ebd., fol. 41r. Stadler, J. E. (Hrsg.): Vollständiges Heiligenlexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Bd. 5, S. 243f. Vgl cvp 3077*, fol. 51r.

189 damit ist wahrscheinlich das Hageland nördlich von Löwen gemeint - ein schönes Kloster gebaut, wo er viele Anfechtungen von Seiten des Teufels erlitten habe. Später habe er dann das Kloster Fontenelle errichtet, worin er zusammen mit seinem Vetter Dado gelebt habe.1026 Auch bei den Stiftungen legt Mennel - wie auch schon bei den Grabangaben - Wert darauf, besonders die in den Niederlanden sich befindenden politischen Inseln zu nennen. Daß die lothringische Herzogstochter Begga im Kloster der Chorfrauen von Andenne an der Maas begraben worden sei, wurde bei den Grabangaben schon behandelt. Doch Mennel schreibt auch noch weiter, daß sie das Kölner Frauenkloster St. Maria gegründet habe.1027 Auch am Niederrhein instrumentalisiert Mennel folglich eine Stiftung der Lothringer als politische Insel des Hauses Habsburg. Auch die karolingische Heilige Verona soll zu ihren Lebzeiten ein Frauenkloster am Rhein gegründet haben, das „Veronhalte“ genannt werde.1028 Desweiteren habe Verona, nachdem sie ihren Bruder im Dorf Lembek gefunden habe, insgesamt fünf Klöster gestiftet. Diese habe sie dann auch „künigclich begabt“.1029 In einem dieser fünf Klöster habe sie selbst gelebt. Jedenfalls befinde sich dort noch Veronas Mantel, den die Heilige zurückgelassen habe, als sie in Todesahnung den Entschluß gefaßt habe, nach Metz zu gehen.1030 Bei der Nennung der Stiftungen des Karolingers Karlmann,

des

Sohnes

von

Karl Martell,

weiß

Mennel

ebenfalls

eine

Reihe

von

Klosterneugründungen durch dessen Hand zu nennen. Karlmann habe so auf dem Berg „Serapten“ ein Kloster zu Ehren des heiligen Papstes Silvester errichtet, womit Mennel auf das Kloster des Monte Soratte nördlich von Rom verweist. Da ihn aber dort viele, die nach Rom pilgerten, aufgesucht hätten, habe er seine Ruhe auf dem Berg „Cassin“, der wahrscheinlich bei Vienne liegt, wo Karlmann seine letzten Jahre verbrachte, gesucht.1031 Über die Bistümer Würzburg, Erfurt und Eichstätt, die durch diesen Heiligen ebenfalls gegründet worden sein sollen1032, berichtet Mennel nichts. Demnach kann auch hier, wie schon bei den Grabangaben beispielsweise zu Leo IX., vermutet werden, daß Mennel darauf bedacht war, den Bezug des Hauses Habsburg zu Rom zu unterstreichen und auch dort eine ‚politische Insel‘ habsburgischer Hausinteressen zu verankern. Die heilige Landrada, Tochter von Karl Martell, soll sogar selbst Hand angelegt haben, als das Fundament für die Kirche zu Ehren der Gottesmutter gelegt wurde. Sie habe dort ein Frauenkloster 1026 1027 1028

1029 1030 1031 1032

Ebd., fol. 58v. Ebd., fol. 59v f. Ebd., fol. 109r. Es war leider nicht möglich, dieses Kloster nachzuweisen. Die Heiligenlexika schweigen über Verona. Ebd., fol. 110r. Ebd., fol. 110v. Ebd., fol. 76r. Vgl. dazu Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, S. 480.

190 gegründet, in dem sie auch selbst gelebt habe. Dieses Kloster werde „Besilis“ oder „Belsen“ genannt und befinde sich in der Nähe von Utrecht – gemeint ist damit das Kloster Münsterbilsen. Utrecht, das auch schon bei den Grabangaben der habsburgischen Heiligen Erwähnung fand, wird hier also wieder als ein habsburgisches Einflußgebiet beschrieben. Aus dem hennegauischen Königshaus ist Oda eine Heilige, die als Gattin des austrasischen Herzogs Arnold im „túngerschenn Bistumb“1033, also Tongern, eine Kirche zu Ehren der Mutter Maria gestiftet und materiell ausgestattet habe. Ihr Sohn Arnulf ist der nächste, in dessen Legende konkrete Angaben zu Stiftungen gegeben werden. Arnulf sei nämlich, nachdem er Bischof gewesen sei, auf dem Berg „Aventin“, der auch „Aventspurg“ genannt werde, Eremit geworden. Er habe auf diesem Berg ein „Betthaus“1034 erbaut. Arnulfs Stiftung liege in den Vogesen. Nicht nur das geistliche regierte Metz, wie bei Arnulfs Grabangaben, sondern auch seine Stiftung in den Vogesen, ist ein Ort, an dem Habsburg an seinen politischen Einfluß erinnern wollte. Immerhin erstreckte sich ja Vorderösterreich bis zum Kamm der Vogesen und galt damit als habsburgisch.1035 Mit der Grabangabe der heiligen Adela in Straßburg hatte Mennel schon darauf aufmerksam gemacht, daß Maximilian an einer habsburgfreundlichen Stimmung im Elsaß sehr gelegen war. Auch bei den Stiftungen der heiligen Kaiserin Adelheid wird Mennel ausführlich. Sie habe nach dem Tod ihres Gemahls ein Frauenkloster in Sachsen gestiftet und es reich beschenkt – den Namen dieses Klosters nennt Mennel aber nicht. Zwölf Jahre vor ihrem Tod sei auf ihre Veranlassung hin die „stat Selz“ am Rhein erbaut worden, der sie so viele Freiheiten gegeben habe, wie die Stadt Rom Freiheiten besitze. Das Münster von Selz sei den Benediktinern zum Gebet überlassen. 1036 Das westschweizerische Kloster Payerne, in dem ihre Mutter Bertha begraben liege, habe Adelheid materiell unterstützt.1037 Das Elsaß und die Westschweiz gehören, wertet man auch die Stiftungsangaben zur heiligen Adelheid aus, zu den Territorien, auf die Habsburg politischen Einfluß nehmen möchte. In der Legende von Papst Leo IX.1038 bestätigt sich dieses Bedürfnis, habsburgischen Einfluß im Elsaß mit ‚politischen Inseln‘ gesichert zu wissen, einmal mehr. Leos Eltern hätten ein Kloster zu Ehren des heiligen Papstes Martin und ein zweites zu Ehren des heiligen Ciriac gestiftet – den Ort

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cvp 3077*, fol. 22r. Ebd., fol. 36r. Zu der Erstreckung der ‚habsburgischen Vorlande‘ vgl. Quarthal, F.: Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 21. cvp 3077*, fol. 188v. Ebd., fol. 189r. cvp 3077**, fol. 95r

191 nennt Mennel allerdings nicht. Eine weitere ihrer Stiftungen sei aber bei ihrem Schloß Egisheim im Elsaß gegründet worden und heiße Woffenheim. Kaiser Heinrich II. stellt Mennel als den Herzog von Bayern vor1039, der das Bistum Bamberg gestiftet1040 und vom Papst dessen Weihe erwirkt habe.1041 Dort liegt Heinrich auch nach Mennels Auskunft begraben. 1042 Seine Frau, die heilige Kunigunde, habe dort zu Ehren des heiligen Kreuzes das Benediktinerkloster St. Stefan gegründet.1043 Auch das Bistum Hildesheim sei eine Gründung Kaiser Heinrichs. Er habe sich ferner großzügig gegenüber den Bistümern Magdeburg und Merseburg, ebenfalls gegenüber Straßburg gezeigt.1044 Von der Angelsächsin Berthila, die Mennel als sächsische Herzogin vorstellt, wird zwar nicht ihr Grab genannt, dafür aber ihre Stiftungen. Nachdem sie im Frankenreich die Simonie vermindert und soziale Verbesserungen bewirkt habe, habe sie in Paris ein Kloster gestiftet, das „kalan“, gemeint ist Chelles, genannt werde und in dem sie schließlich den Schleier genommen habe. 1045 Sie habe das Kloster Corbie „mit dörffern aúch súnst ligend und varend guettern Sampt noch mengerlay Cloestern grossmaechtigclich begabt“1046 und sie habe den Kirchen viele Freiheiten gegeben. Resümierend bleibt zu den Angaben der heiligen Blutsverwandten des Hauses Habsburg festzuhalten, daß sie im wesentlichen die Gebietsschwerpunkte der Grabangaben, die sich schon aus der Analyse der von Mennel genannten Gräberorte ergaben. Das sind die habsburgisch regierten Niederlande - insbesondere der Hennegau und Brabant -, der Niederrhein und das Elsaß. Neu ist, daß der Bodenseeraum und der Schwarzwald als Einflußgebiete der Habsburger über die Stiftungen von Heiligen festgelegt werden. Daß auch Bistümer als ‚politische Inseln’ der Habsburger herausgestellt werden, zeigt sich ebenfalls erst bei der Analyse der Stifte. Dabei handelt es sich um Bistümer, die entweder direkt bei dem habsburgischen Land der österrreichischen Linie liegen, wie beispielswesie das Bistum Passau, oder die an Territorien angrenzen, die dem östlichen Herrschaftgebiet des Hauses Habsburg benachbart sind, wie zum Beispiel das Bistum Bamberg. Es mag die Intention dieser Nennung von Bistümern gewesen sein, auch hier das Bewußtsein wachzuhalten, daß Habsburg das Adelsgeschlecht ist, dem man die eigene Existenz zu verdanken hat. Sicher ging damit die Absicht einher, die Grenze des habsburgischen Herrschaftsgebietes innerhalb des Reiches beispielsweise gegenüber den wittelsbachisch regierten Ländern zu sichern, 1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045 1046

Ebd., fol. 122r cvp 3077*, fol. 125r. Ebd., fol. 127v. cvp 3077**, fol. 129v. Vgl. Wendehorst, H.: Art. Heinrich II. In: LdMa, 4. Sp. 2037-2039. cvp 3077*, fol. 131r. Ebd., fol. 123r Ebd., fol. 156r. cvp 3077*, fol. 155v.

192 wie es die ‚politischen Inseln‘ Passau und Bamberg leisten. Das gleiche gilt für den Schwarzwald, den Breisgau und den Sundgau, wo die Habsburger zwar Landesherren waren, aber ihre Herrschaft zugleich von Übergriffen der Eidgenossen gefährdet sehen mußten. Mit den Angaben von habsburgischen Stiftungen sichert Mennel die Herrschaftsgebiete des Hauses Habsburg hauptsächlich innerhalb des deutschen Reiches. Bislang hatte diese Aufgabe die habsburgische Urkunde des Privilegium Maius übernommen.1047

6.3 Das Verhältnis von Privilegium Maius und habsburgischem Legendar Kaiser Friedrich III., der Vater Maximilians I., bestätigte am 25. Juli 1442 die sogenannten fünf österreichischen Freiheitsbriefe und erneuerte diese Bestätigung nach seiner Kaiserkrönung am 6. Januar 1453.1048 Diese Briefe beurkundeten die Vorzugsrechte des österreichischen Hauses gegenüber den übrigen Reichsfürsten. Sie waren Urkundenfiktionen, die der habsburgische Herzog Rudolf IV. in seiner Kanzlei anfertigen ließ, um auf diese Weise seine Landesrechte zu sichern. Er reagierte damit auf die Goldene Bulle des deutschen Königs und Kaisers Karl IV., die im Jahre 1356 Österreich und Bayern faktisch von der Kurwürde ausschloß. Um die Zersplittung des habsburgischen Landes durch Erbteilung zu verhindern, sah sich Rudolf veranlaßt, das Herzogtum Österreich in seinen Privilegien durch fünf Urkunden zu sichern, die er in ihrer Entstehungszeit auf verschiedene Zeiten verteilte. Die ersten beiden ließ er auf die Herrschaft von Julius Caesar und Kaiser Nero datieren. Beide Urkunden bestätigten unter anderem, daß die Österreicher keinen anderen Machthaber über Österreich als den österreichischen Herzog akzeptieren dürften und dieser zum geheimsten Rat im Reiche berufen sei. Desweiteren seien die Österreicher den übrigen Reichsbewohnern vorangestellt und seien zu allen Zeiten frei von Abgaben gegenüber dem Reich. Beide gefälschten Briefe ließ Rudolf in einer dritten, ebenfalls gefälschten Urkunde von König Heinrich IV. gegenüber Markgraf Ernst von Österreich bestätigen; sie wurde auf den 4. Oktober 1058 datiert. Johannes Cuspinian, der sich unter anderem mit historiographischen Studien am Wiener Hof beschäftigte und zusammen mit Sunthaym forschte, hatte diese beiden Urkunden mit treffenden Worten als Fälschungen demaskiert: „Quod autem privilegia idem Henricus imperator marchioni confirmasse fertur, quae Iulius Caesar, quae Nero dicuntur donasse, merae nugae sunt et a quodam impudenti fatuo, qui rationem temporum non observavit, confictae.

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Das Privilegium Maius zählte zum „Allerheiligsten“ des Hauses Habsburg. „Es war die Magna Charta aller Länder, die zur neuen ‚Herrschaft zu Osterreich‘ gehörten“, vgl. Wiesflecker, H.: Maximilian I, S. 20f. Zur Geschichte des Privilegium Maius vgl. Lhotsky, A.: Privilegium maius. Die Geschichte einer Urkunde (Österreich Archiv). München 1957. Vgl. dazu ferner Maleczek, W.: Art. Privilegium maius. In: LdMa, 7. Sp. 230.

193 […] Haec plane mendacia sunt, nescio a quo demente et insano scriptore conficta ad emerendum huius terrae principum favore“.1049

Das, was angeblich Heinrich IV. in seiner Urkunde bestätigt habe, nämlich die Briefe des Caesar und des Nero, sei nichts weiter als Unsinn (merae nugae). Maximilian, der an seinem Hof humanistische Forschungen schätzte und auch humanistische Gelehrte - erinnert sei nur an die Angaben Jakob Wimpfelings zu den gelehrten Köpfen aus dem engsten Kreis Maximilians1050 - zu seinen wichtigsten Ratgebern gezogen hatte, mußte sich aufgrund dieses vernichtenden Urteils veranlaßt sehen, von der Bestätigung aller fünf Freiheitsbriefe Abstand zu nehmen. Die Tatsache, daß Maximilian I. - im Gegensatz zu seinem Vater - die Freiheitsbriefe nicht bestätigte, zeigt seinen Zweifel an deren Echtheit, der diesen Dokumenten jegliche Schlagkraft nahm. Auf diesem Hintergrund erscheinen insbesondere die Gräber- und Stiftsangaben im habsburgischen Legendar als eine Möglichkeit, die in den zweifelhaft gewordenen Briefen dargelegten Privilegien des Hauses Österreich auf der Kultebene im deutschen Reich, die im habsburgischen Legendar widergespiegelt wird, einzufordern. So beinhaltet beispielsweise die angebliche Bestätigungsurkunde König Heinrichs IV. für Markgraf Ernst von Österreich als zusätzliches Privilegium des Hauses Österreich seine Vogtei über die Bistümer Salzburg und Passau. Wie bei den Angaben zu den Stiften schon herausgearbeitet wurde, wird ausdrücklich das Bistum Passau als eine Stiftung des Babenbergers Leopold beschrieben, der damit in den Kreis der habsburgischen Heiligen gezogen wird; ebenso ist hier Salzburg die Stiftung des heiligen Rupert, der ebenfalls als Verwandter der Habsburger vorgestellt wird.1051 Zudem sei Leopolds Sohn, Konrad, sechzehn Jahre Bischof zu Passau und danach Erzbischof zu Salzburg gewesen, wie Mennel in der Leopoldlegende betont.1052 Dem heiligen Rupert verdanke Salzburg die Stiftung eines Frauenklosters und eine vierundvierzigjährige Amtsführung als Salzburger Erzbischof.1053 Es sei auch ein Erzbischof von Salzburg gewesen, wie Mennel im profanen Teil der Fürstlichen Chronik betont, der Maximilian I. getauft habe.1054 Damit ist eine habsburg-, beziehungsweise ‚maximilianfreundliche‘ Haltung der habsburgischen Klientel im Reich als selbstverständlich vorausgesetzt und die Akzeptanz der habsburgischen Vormachtstellung im deutschen Reich intendiert. Doch nicht nur die Vormachtstellung des österreichischen Herzogs, sondern auch der Anspruch auf Reichshilfe wird mit den Hinweisen auf Gräber und Stifte von Habsburgern, die auf das Reich 1049 1050 1051 1052 1053 1054

Zitiert nach Lhotsky, A.: Privilegium Maius, S. 43. Vgl. in dieser Arbeit S. 57ff. cvp 3077*, fol. 165r-169r. Ebd., fol. 201v. Ebd., fol. 166v. cvp 3073, fol. 246r.

194 verteilt sind, auf der Ebene des Kultes wieder aufgenommen. So setzte der zwölfte1055 Artikel des Privilegium maius fest, daß das Reich dem österreichischen Herzog zur Seite stehen müsse, wenn ihm Unrecht von dritter Seite zugefügt werde. Besonders die Träger der einzelnen Heiligenkulte, an denen sich Gräber und Stifte habsburgischer Heiliger befanden, mußten sich zu dieser Solidarität innerhalb des Reiches verpflichtet fühlen. Tatsächlich bezieht sich dieser Aufruf innerhalb des Reiches vorrangig auf die Adelsgeschlechter der ohnehin schon unter Habsburgischer Herrschaft stehenden Gebiete und auf die Adelsgeschlechter der geistlich regierten Territorien, die an habsburgisches Land grenzten. Setzt man voraus, dass das Mennel eine politische Interpretation seines Werkes intendierte, so bleibt resümierend festzuhalten, daß die Angaben zu Herkunft, Gräber und Stiftungen der einzelnen Heiligen als Sicherung habsburgischer Herrschaft auf der Kultebene verstanden werden können. Sei es, daß die Herkunftsangaben einzelne europäische Geschlechter außerhalb des deutschen Reiches, wie beispielsweise das englische Königshaus, zur Solidarität gegenüber den Habsburgern aufrufen, sei es, daß die Gräber insbesondere in den Grenzgebieten der habsburgischen Lande zu habsburgfreundlicher Haltung anhalten und habsburgische Stifte das Haus Österreich als machtvolles Geschlecht ausweisen: Ein Hauptziel des habsburgischen Legendars ist es, die Macht Maximilians I. zu demonstrieren und zu sichern. Das Legendar spiegelt den Status quo habsburgischer Herrschaft des Jahres 1505 wider. Wohl auch in der Hoffnung, daß sich das Haus Österreich aus diesem Status quo zu einer noch gößeren Macht in Europa entwickeln werde, betrachtet Mennel sein Legendar noch 1518 als nicht abgeschlossen: „[…] hab auch demselben bůch kain end geben/ anzusehen, daß man mit der Zeit noch alt unnd new seligen und heyligen, davon bisher kain meldung gesehen/ auch darein zesezen finden mag […]“.1056

Salzburg ist vom habsburgischen Heiligen Rupert, Bruder des heiligen Trudpert und der heiligen Ermendrude, geprägt. Er sei nämlich zusammen mit seiner Schwester bis zu dem Fluß Salz gewandert, habe dort ein Frauenkloster errichtet und in Salzburg das Amt des Bischofs für vierundvierzig Jahre innegehabt. In dieser Zeit habe er in Salzburg, „die aller edlest stat gewesen ist“, zwei Gotteshäuser zu Peter und Pauls Ehren gestiftet; der bayerische Herzog „Theodo“ habe beide Kirchen ausgestattet.1057 Salzburg ist die Hauptstadt des gleichnamigen, an die habsburgischen Lande angrenzenden Erzbistums, deren Bevölkerung in Rupert einen habsburgischen Heiligen verehrt.

1055 1056 1057

Vgl. MGH DDF I, 1040. S. 348, Z. 19 f. cvp 3077, fol. 495r. cvp 3077*, fol. 166v.

195

7

Werben für den Kreuzzug: Die Liturgie des St. Georgs-Ordens

Der Ort eines Heiligengrabes ist immer auch jener Ort, wo der Kult eines Heiligen in besonderem Maße gepflegt wird.1058 Daneben kann der Heilige natürlich auch andere Kultorte haben, an denen die Erinnerung an sein Leben hochgehalten wird. An diesen Orten erfüllen Reliquien die Funktion, einen Heiligen zu vergegenwärtigen. Im habsburgischen Legendar hatte diese mittelalterliche Vorstellung von der Präsenz des Heiligen an seinem Grab die Identifikation, zumindest die Solidarität einzelner Gebiete im Reich und in den angrenzenden Nachbarkönigreichen Böhmen, Ungarn, Schlesien und Frankreich mit dem Haus Habsburg bewerkstelligt. Im habsburgischen Heiligenkalender, den Jakob Mennel ebenfalls in einer zweiten, überarbeiteten Fassung 1514 präsentierte, ist für eine derartige Demonstration des Hauses Habsburg kein Platz. Im Gegensatz zum habsburgischen Legendar ist sein Hauptanliegen die kultische Zeiteinteilung für seine Zielgruppe, die Jakob Mennel in der Überschrift des Kalenders eindeutig mit den Rittern des St. Georgs-Ordens benennt.1059 Die Zeit des Kalenders wird nicht, wie es bei der Darstellung der profanen Ereignisgeschichte der Fall ist, in ihrem Verlauf linear gedacht. In der Zeit des Kalenders folgen die Ereignisse nicht in chronologischer Reihenfolge aufeinander, sondern kehren zyklisch wieder.1060 Rituellen Handlungen wird hier ihr Takt gegeben, „skandiert durch die Rhythmen der Morgende, Mittage und Abende, der Geburten und Tode, die sich unablässig wiederholen“.1061 Die zyklische Zeit des Kirchenjahres greift auf den Mythos, beispielsweise auf die Legenden von Heiligen, zurück und formiert damit bei denjenigen ein „kulturelles Gedächtnis“1062, die sich dieser Zeit des Kirchenjahres unterordnen. Mit knappen Verweisen werden bei den Trägern dieses kulturellen Gedächtnisses vollständige Assoziationsketten aufgerufen, die Mennel beispielsweise im habsburgischen Heiligenlegendar ausformuliert hatte – darin besteht der konzeptionelle Zusammenhang zwischen dem habsburgischen Heiligenkalender und dem habsburgischen Heiligenlegendar. Wenn der Heiligenkalender es folglich vermag, bei seiner Rezipientengruppe Assoziationsketten wachzurufen, die Mennel im habsburgischen Legendar, das seinerseits – wie in dieser Arbeit ausführlich dargelegt wurde - ein Ergebnis von Recherchen an Kultorten ist, präsentierte, so zitiert Mennel mit jeder Festangabe, die mit dem Festdatum eines Kultortes übereinstimmt, die 1058

1059 1060

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Vgl. unter anderen Beissel, S.: Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter. Mit e. Vorw. zum Nachdr. von Horst Apphuhn. Darmstadt 1976. S. 19: Man ging davon aus, daß in den Gebeinen der Heiligen, auch in einezelnen Reliquienstücken, die Seele des Heiligen „vollständig und ungeteilt wohne“. Jakob Mennel: Der ‚Habsburger Kalender‘, S. 4. Vgl. Assmann, J.: Der ägyptische Chronotop. Zeit und Geschichte im alten Ägypten. In: Kodikas/ Code-Ars Semiotica, 20 ½ (1997). S. 25-38. Zitiert nach Assmann, J.: Der ägyptische Chronotop, S. 26. Er verweist auf Krzystof, Pomian: L’odre du temps. Paris 1984. Ebd., S. 29.

196 heimatliche Heiligenverehrung bestimmter Rezipienten des habsburgischen Legendars. Kurz: Jeder

Festtag

im

habsburgischen

Heiligenkalender

spricht

andere

Mitglieder

seiner

Rezipientengruppe an. Die im Kalender zitierten Kulte müssen also möglichst alle St. Georgs-Ritter an einem oder mehreren Tagen des Kirchenjahres ansprechen, um die Möglichkeit der Identifikation mit dem habsburgischen Heiligenkalender, in dem auch Heilige ihrer Heimat gefeiert werden, zu geben.1063 Eine Analyse der von Mennel durch Festdaten zitierten lokalen Kulte wird zeigen, aus welchen Gebieten, in denen an einzelne Heilige des Festtagskalenders gedacht wurde, sich Ritter zum St. Georgsorden Maximilians I. formieren sollten. Außerdem wird ein Vergleich der Datumsangaben zwischen Heiligenlegendar, bezeihungsweise seiner Kurzfassung, dem Zaiger, erweisen, in welcher Reihenfolge der habsburgische Heiligenkalender und das Heiligenlegendar, die beide aus dem Jahre 1514 stammen, abgefaßt wurden.

7.1 Der habsburgische Heiligenkalender: Rekrutierungsgebiete des St. GeorgsOrdens Der habsburgische Heiligenkalender liegt heute in zwei Fassungen vor. Die ältere ‚Urfassung’ des Kalenders aus dem Jahre 1513 befindet sich als Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, die zweite, jüngere handschriftliche Fassung aus dem Jahre 1514 in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien. Wolfgang Irtenkauf hat beide Fassungen transkribiert und miteinander inhaltlich verglichen.1064 In seiner Einleitung zur Transkription des habsburgischen Heiligenkalenders weist Irtenkauf darauf hin, daß Jakob Mennel in seinem Heiligenkalender darauf geachtet habe, die habsburgischen Heiligen nach den Festtagen der lokalen Kirchenkalender in seinen Kalender für das Haus Habsburg aufzunehmen. Irtenkauf beweist dies am heiligen Trudpert, zu dessen Legende schon in dieser Arbeit festgehalten wurde, daß Mennel im Schwarzwälder Kloster St. Trudpert zu ihr die Informationen aus alten Urkunden und Inschriften zusammengetragen haben muß.1065 In seinem habsburgischen Kalender legt Mennel Trudperts Festtag auf den 26. April und referiert damit das Festdatum des Heiligen, wie es in St. Trudpert im Schwarzwald gepflegt wurde.1066 Dieses Todesdatum, der 26. April des Jahres 813 n. Chr., stimmt mit den Angaben in der Legende des heiligen Trudpert im Mennelschen Legendar überein.1067 Ein weiteres Beipiel für Mennels Vorliebe, 1063

1064

1065 1066 1067

Zum Zusammenhang von Identifikation und Wiedererkennung vgl. Hartfiel, G.: Wörterbuch der Soziologie. Neu bearb. von Karl Heinz Hillmann. Stuttgart 1972. S. 320. Jakob Mennel: Der „Habsburger Heiligenkalender“ des Jakob Mennel (Urfassung). In Abbildung aus dem Autograph (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart HB V 43), transkribiert von Wolfgang Irtenkauf (Litterae, 66). Göppingen 1979. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 130. Vgl. dazu Jakob Mennel: Der „Habsburger Heiligenkalender“, S. 4. cvp 3077*, fol. 173v.

197 Lokalkulten in dem habsburgischen Heiligenkalender Rechenschaft zu tragen, ist der Kalendereintrag zum österreichischen Markgrafen und Habsburger Poppo. Er war Erzbischof in Trier gewesen und wurde schon von den Kueringern und Babenbergern als Heiliger am 9. September verehrt1068. Auch in seinem Legendar von 1518 gibt Mennel den 9. September als Festtag angibt, womit er auf den Trierer Lokalkult verweist.1069 Tatsächlich war Poppo am 16. Juni gestorben, was Mennel auch wußte und in seinem Heiligenlegendar kundtat, daß nämlich Poppo „uff den XVI. tag dess monats Junii anno domini 1047 von dieser Zeit geschaidenn“1070. Daraus wird ersichtlich, daß Mennel bewußt den Trierer Lokalkult zitierte, wo er auch, wie sich aus Quellenuntersuchungen zu anderen habsburgischen Heiligen ergeben hat1071, recherchiert hatte. Ansonsten zeigt jedoch Mennels „Datums-Akrobatik“1072 bei der Zuordnung einzelner Festtage im Kalender zu den Heiligen, daß Mennel die Übereinstimmung seiner Festtagsangaben mit lokalen Festtagen nicht für zwingend erachtete, um darüber die Identifikation einzelner Rezipienten des habsburgischen Heiligenkalenders zu bewirken. Vergleicht man weitere Angaben, die Mennel in den Legenden zu den Todestagen einzelner Heiliger machte, mit den Angaben ihrer Festtage im habsburgischen Heiligenkalender, so stimmen hier eine Reihe von Daten überein.1073 Allerdings stimmt die Festtagsangabe Mennels für die Brabanter Heilige Pharahilde im Zaiger nicht mit der Festtagsangabe im Kalender überein - beide Daten divergieren jedoch nur um einen Tag. Auf Pharahildes Festdatum des Zaigers, dem 3. Oktober, liegt in der Urfassung des Heiligenkalenders von 1513 der heilige Leodegar, für den Mennel im Zaiger aber den 2. Oktober angibt.1074 In der zweiten Überarbeitung korrigierte Mennel auch diese Festtage, wie sie im Legendar von 1514 angegeben werden.1075 Für die Reihenfolge der Abfassung von habsburgischen Legendar und Kalender bedeutet diese Beobachtung, daß Mennel zuerst die Heiligen im Kalender angeordnet hatte und dann, von diesen Angaben ausgehend, seine Datumsangaben im Legendar gestaltete. So ist auch die Festtagsvergabe beispielsweise der Heiligen aus dem Rhein-Mosel Gebiet zu verstehen, deren Festtag im Lgendar von 1514 weitestgehend mit dem habsburgischen Heiligenkalender übereinstimmt. Das ist der Fall

1068

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Zu Mennels Quellen der Poppolegende und seiner Verehrung bei den Habsburger vgl. Schmid, W.: Poppo von Babenberg ( 1047), S. 97. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 18. Vgl. cvp 3077, fol. 328r. So hatte Mennel sicher zur heiligen Helena in Trier recherchiert, vgl. dazu in dieser Arbeit S. 181. Dazu Jakob Mennel: Der „Habsburger Heiligenkalender“, S. 4. Der Übersichtlichkeit wegen soll als Vergleichsquelle für die Festtagsangaben der einzelnen Heiligen die Kurzform der Fürstlichen Chronik, der Zaiger, dienen, in dem die einzelnen Heiligen und Seligen aus der Legendenfassung von 1518 mit ihrem Namen, ihrer Herkunft, dem Todes- und dem Festdatum nacheinander aufgelistet werden. Die Daten des Zaigers stimmen mit denen im Heiligenkalender überein. Das Vergleichscorpus der nun folgenden Überlegungen ist somit der Zaiger Jakob Mennels von 1518, ÖNB, cvp 7892.. cvp 7892, fol. 102r. Vgl. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 12, fol. 10r und S. 19.

198 bei Leonhard1076, Oda1077, Goerico1078, Bertela1079, Chlodulf1080, Begga1081, Modoladus1082, Silvinus1083, Notburga1084, Karl dem Große1085 und Ursula1086. Es ist einzusehen, daß Mennel bei der Anzahl von insgesamt 124 Heiligen, wie sie im Legendar von 1518 zu finden sind, vor der Schwierigkeit stand, jedem habsburgischen Heiligen einen eigenen Festtag zuzuordnen und mit den überregionalen Feststagen der Kirche zu koordinieren. Zunnächst läßt sich festhalten, daß Mennel habsburgische Heilige im Kalender mit einem Festtag bedachte, deren Kult überregional gepflegt wurde. Ein Beispiel dafür ist der Kult der heiligen Ursula, die man nicht nur in Köln, sondern auch in Straßburg und in Krakau verehrte. 1087 Ihrem Fest gesellte Mennel in der zweiten, 1514 verfaßten Kalenderfassung noch den heiligen Bischof Pantalus hinzu, den er in der Legendenfassung 1514 noch nicht, schließlich aber im 1518 verfaßten Legendar präsentierte.1088 Mit ihm sprach Mennel neben den Kölnern, wo Pantalus begraben lag, speziell auch jene Ritter an, die in Basel zuhause waren, wo der Kult des heiligen Basler Bischofs Pantalus besonders durch die Reliquie seines Hauptes, das im Jahre 1272 von Köln nach Basel zurückgebracht worden war, wachgehalten wurde.1089 Das Heiligenpersonal der Fürstlichen Chronik von 1518 war also schon 1514 in der zweiten Kalenderfassung enthalten, wurde aber noch nicht zwingend in der Legendenfassung von 1514 mit einer eigenen Legende bedacht. Das bedeutet, daß die Verteilung der Heiligen auf die Monate des Heiligenlegendars von 1518 ein Resultat von Mennels Überlegungen zur Koordination der Heiligen im Heiligenkalender sind. Daß Mennel es als zentral ansah, die hohen Festttage der Kirche einzuhalten und diesen die Festtage der Heiligen unterzuordnen, zeigt der Gedenktag des heiligen merowingischen König Sigibert III., der in der Urfassung des habsburgischen Heiligenkalenders nicht an seinem Festtag, dem 28. Juni1090, sondern an seinem Todestag genannt wird. Auf Sigiberts Festtag hatte Mennel das Fest des heiligen Romarich gelegt, dessen Festtag, den 8. Dezember 1091, er nicht dem Heiligen zugestehen konnte, da an diesem Tag der überregional verbindliche kirchliche Feiertag Mariae 1076 1077 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087

1088 1089 1090 1091

Festdatum: 6. November, cvp 7892, fol. 93r. Festdatum: 14. Juli, cvp 7892, fol. 94r. Festdatum: 19. September, cvp 7892, fol. 95v. Festdatum: 10. Mai, cvp 7892, fol. 96v. Festdatum: 30. Dezember, cvp 7892, fol. 97v. Festdatum: 17. Dezember, cvp 7892, fol. 98r. Festdatum: 12. Mai, cvp 7892, fol. 98v. Festdatum: 15. Februar, cvp 7892, fol. 99r. Festdatum: 30. Oktober, cvp 7892, fol. 99r. Festdatum: 28. Januar, cvp 7892, fol. 100r. Festdatum: 21. Oktober, cvp 7892, fol. 107r. Wimmer, Erich: Art. Ursula. In: LdMa, 8. Sp. 1332f. Zu ihrer Verehrung und Reliquienübertragungen vgl. Zehnder, F. K.: Sankt Ursula. Legende, Verehrung, Bilderwelt. Köln 1985, S. 83ff. Vgl. Mennel, Jakob: Der „Habsburger Kalender“, S. 19. Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, S. 634. cvp 7892, fol. 99r. Ebd., fol. 104v.

199 Empfängnis lag. Also versuchte Mennel den heiligen Sigibert an dessen Todestag in den habsburgischen Kalender zu setzen. Doch am 2. Februar wird Mariae Lichtmeß gefeiert, und so war Mennel wohl gezwungen, auf den 4. Februar, der noch sehr nahe zum 2. Februar liegt, auszuweichen. In der zweiten Kalenderfassung gesteht Mennel schließlich dem Sigibert seinen Kalenderplatz am 28. Juni zu.1092 Romarich dagegen bekommt am 9. Dezember, einen Tag also nach seinem offiziellen Festtag, seinen Platz im Kalender zugewiesen.1093 Eucharius, der Bischof von Trier, der zudem kein habsburgischer Heiliger ist, mußte ihm weichen. Daran zeigt sich, daß Mennel in der zweiten Fassung des Heiligenkalenders dahin tendierte, eine möglichst große Zahl Heiliger einem Festtag zuzuordnen, und zu ihren Gunsten Heilige, die weder habsburgisch waren noch überegionale Verehrung erfuhren, aus dem Festtagskalender herauszunehmen. Diese Schwerpunktbildung von habsburgischen Heiligen korrespondiert mit der Beobachtung in dieser Arbeit, daß die Legendarfassung von 1518, insbesondere das Seligenbuch, einen Zuwachs an seligen Anwärtern auf das habsburgische Heiligenlegendar zu verzeichnen hat, um möglichst viele Habsburger als Symbole der habsburgischen Geblütsheiligkeit präsentieren zu können. Dieser Zuwachs an Heiligen war allerdings nicht, wie noch bis zu diesem Punkt der Arbeit zu klären ausstand, ein Resultat der Inspektion des Heiligenlegendars von 1514 durch Maximilian, der eine größere Zahl von habsburgischen Heiligen gefordert hätte. Vielmehr war die Anzahl der Heiligen und Seligen schon von vornherein von Mennel festgelegt, allerdings im Legendar von 1514 noch nicht vorgestellt worden. Eine Schwerpunktbildung von Heiligen, die Mennel als Blutsverwandte des Hauses Habsburg nachweisen konnte, und auf deren Unterscheidung von den angeheirateten Heiligen Mennel in der Legendarfassung von 1514 noch so viel Wert legte, ist im Heiligenkalender nicht zu erkennen. So nennt er die englischen Heiligen Edmund1094, Edeldrud1095, Eduard den Märtyrer1096, Eduard den Bekenner1097, Edgar1098, Walburga1099, Willibald1100, Richard1101, Oswald1102, Sebald1103, Jodok1104, Brigida von Kildaere1105 und Wolfgang von Regensburg1106. Sie alle standen in der Legendarfassung von 1514 noch bei den heiligen Freunden des Hauses Habsburg und in der Kalenderfassung von 1514 unterschiedslos neben den heiligen Blutsverwandten des Hauses Habsburg. Dies legt nahe, daß es 1092 1093 1094 1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105 1106

Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 17. Ebd., S. 20. Festdatum: 20. November, cvp 7892, fol. 109v. Festdatum: 23. Juni, cvp 7892, fol. 109r. Festdatum: 10. März, cvp 7892, fol. 109r. Festdatum: 15. Oktober, cvp 7892, fol. 109r. Festdatum: 23. Juli, cvp 7892, fol. 108v. Festdatum: 5. Mai, cvp 7892, fol. 108r. Festdatum: 7. Juli, cvp 7892, fol. 108r. Festdatum: 7. Februar, cvp 7892, fol. 107v. Festdatum: 5. August, cvp 7892, fol. 107v. Festdatum: 19. August, cvp 7892, fol. 107v. Festdatum: 15. Dezember, cvp 7892, fol. 107r. Festdatum: 1. Februar, cvp 7892, fol. 106r. Festdatum: 31. Oktober, cvp 7892, fol. 105v.

200 Mennel im habsburgischen Heiligenkalender tatsächlich darauf ankam, möglichst viele Kultträger über die genannten Heiligen des Kalenders anzusprechen. Das Heiligenlegendar übernahm die Aufgabe ihrer inhaltlichen Präsentation. Die heiligen Geschwister Walburga und Willibald und ihr Vater Richard genossen beispielsweise ihren Kult in Eichstätt.1107 Gerade mit Walburga hatte er den Kult einer Heiligen zitiert, an deren Grab in Eichstätt Gläubige aus Bayern pilgerten, um dort ein wenig von dem heilenden Walburgaöl zu ergattern.1108 In seiner überarbeiteten Fassung des habsburgischen Heiligenkalenders ersetzte Mennel die heilige Walburga am 5. Mai des Kalenderjahres durch Bischof Gotthard1109, der zwar kein Habsburger, dafür aber ein verehrter Bischof in Hildesheim gewesen war und dem am 5. Mai gedacht wurde.1110 Walburga setzte Mennel dafür in seiner zweiten Kalenderfassung auf den 1. Mai1111, obgleich sie in Eichstätt am 25. Februar gefeiert wurde1112. Mennel entschied sich also bewußt für den in den meisten Diözesen befolgten und auch in der Volksfrömmigkeit verankerten Festtag der heiligen Walburga: Ihrer wurde in der sogenannten Walpurgisnacht, in der man das Erwachen der Geister vermutete1113, gedacht, wobei diese Nacht mit der Heiligen Walpurga nichts zu tun hatte.1114 Überhaupt waren die Festtage der iroschottischen Heiligen, wie beispielsweise der des heiligen Oswald1115,

außerordentlich

gut

geeignet,

Rittern

des

süddeutschen

Raumes

ein

Identifikationsangebot im Heiligenkalender zu geben. Abgesehen davon, daß in diesem Zusammenhang auch die Heiligen der Reichstädte mit ihren Gedenktagen in den Heiligenkalender Aufnahme fanden1116, vertreten den Heiligenkult des süddeutschen Raumes hauptsächlich die iroschottischen Heiligen, deren Kult durch Reliquientranslationen und die Gründung iroschottischer Klöster über den süddeutschen Raum Verbreitung gefunden hatte.1117 Es bleibt folglich festzuhalten, daß die Nennung der iroschottischen und englischen Heiligen im Heiligenkalender nicht ihre Herkunft bedingt, wie es zumindest noch 1514 im habsburgischen Heiligenlegendar der Fall war,

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Zur Verehrung des Willibald vgl. Padberg, L. E. v.: Art. Willibald v. Eichstätt. In: LdMa, 9. Sp. 211f. Zu Wunibald und Walburga vgl. Ders.: Art. Walburga. In: LdMa, 8. Sp. 948. Zu Wunibald vgl. Ders.: Art. Wunibald. In: LdMa, 9. Sp. 368. Walburga wurde im gesamten bayrischen Raum, ausgenommen Franken, verehrt, vgl. dazu Höllhuber, D.; Kaul, W.: Wallfahrt und Volksfrömmigtkeit in Bayern. Formen religiösen Brauchtums im heutigen Bayern: Wallfahrtsorte, Wallfahrtskirchen, Lourdesgrotten und Fatimaaltäre zwischen Altötting und Vierzehnheiligen, Wigratzbad und Konnersreuth. Nürnberg 1987, S. 214. Vgl. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 17. Vgl. Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, S. 324f. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 17. Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, S. 843. Bächtold-Stäubli, H. (Hrsg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, unveränd. photomechan. Nachdr. Berlin ; New York 1987. Sp. 1545f. Flachenecker, H.: Art. Walburga. In: LThK, 10. Sp. 948. Rollason, D. W.: Art. 1. Oswald. In: LdMa, 6. Sp. 1549f. Wie beispielsweise der Heilige Sebald, der in Nürnberg verehrt wurde. Wendehorst, A.: Art. Sebald. In: LdMa, 7. Sp. 1658. Zum Einfluß iroschottischer Klöster auf den süddeutschen Kult vgl. Flachenecker, H.: Schottenklöster. Irische Benediktinerkonvente im hochmittelalterlcihen Deutschland (Quellen und Forschungen 18). Paderborn, München, Wien, Zürich 1995.

201 sondern ihr Kult und die damit einhergehende Volksfrömmigkeit, wie es das Beispiel der heiligen Walburga vor Augen führte. Doch auch Heiligenkulte, die zur Regierungszeit Maximilians I. nicht im Gebiet des deutschen Reiches gepflegt wurden, zitierte Mennel im habsburgischen Kalender. So wurde zum Beispiel den Gedenktag des böhmischen Nationalheiligen Wenzel, der als Märtyrer in Prag, wo er im Veitsdom begraben lag1118, am 28. September besonders verehrt wurde, von Mennel in den Kalender aufgenommen. Auf dieses Datum setzte ihn Mennel schon in der Urfassung des habsburgischen Kalenders und ließ ihn auch dort in dessen überarbeiteter Form.1119 Der bretonische Königssohn Lucius ist ein weiteres Beispiel für einen Kalenderheiligen, der seine Verehrung außerhalb des deutschen Reiches erfuhr. In seiner Notiz im Zaiger zu Lucius betont Mennel, daß der habsburgische Heilige besonders in Churrätien verehrt wurde.1120 Er berücksichtigt ihn in der Kalenderurfassung am 31. Januar, in der zweiten Kalendarfassung am 26. Mai.1121 Als Hauptpatron von Chur wurde Lucius allerdings am 2. Dezember verehrt1122, was Mennel in keiner Weise vermerkt. Immerhin hatte er aber mit Lucius eine Indentifikationsfigur für Ritter aus dem Süden des Reiches, wie beispielsweise Konstanz, aufgenommen. Resümierend bleibt zur Reihenfolge der Abfassung von habsburgischen Kalender und habsburgischen Legendar festzuhalten, daß das Heiligenpersonal und die Angaben zum Festtagsdatum beider Legendarfassungen, deren Zusammenfassung Mennel im Zaiger bietet, auf Mennels Überlegungen zur zweiten Fassung des habsburgischen Kalenders basieren. Da der Kalender mit seinen Festtagsangaben die Liturgie des St. Georgs-Ordens prägte, war er auch das geeignete Medium, über das Mennel den St. Georgs-Rittern die Möglichkeit zur Identifikation mit der habsburgischen Liturgie bieten mußte. Diese Identifikation bewerkstelligte er im Kalender vorrangig über die Namensnennung einzelner Heiliger, wodurch nicht die Herkunft über die Aufnahme einzelner Heiliger in den Kalender entschied, sondern die Gebiete ihrer Verehrung, wie am Beispiel der iroschottischen Heiligen dargelegt wurde. Wenn Mennel die Chance sah, Festtage von Heiligen im Kalender auch mit den Festtagen ihrer lokalen Verehrung in Übereinstimmung zu bringen, so nutzte er sie: Die Heiligen Poppo und Trudpert waren dafür ein Beispiel. Wenn ein weiteres Datum in der Volksfrömmmigkeit vernakert war, so zitierte er dieses Datum, wie es sich bei der Verehrung der heiligen Walpurga zeigte. Grundsätzlich war er aber darauf bedacht, den 1118 1119

1120 1121 1122

Báková, M.: Art. I. Wenzel I. der heilige. In: LdMa, 8. Sp. 2185. Festdatum: 28. September, cvp 7892, fol. 105v, Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 12, fol. 9v und S. 19. cvp 7892, fol. 106v-107r. Jakob Mennel: Der „Habsburger Kalender“, S. 5 (fol. 1v) und S. 17. Wimmer, O; Melzer, H.: Lexikon der Namen und Heiligen, bearb. u. erg. von Josef Gelmi. Innsbruck, Wien 1988. S. 525.

202 habsburgischen Kult in den Kult der Festtage der Kirche einzuordnen, der dem habsburgischen Kult übergeordnet war. Damit behielt die habsburgische Liturgie den Anspruch der allgemeinen Gültigkeit für die christliche Welt.

7.2 Der St. Georgs-Orden als ausführendes Organ der Kreuzzugspläne Kaiser Maximilians I. Zu klären bleibt, weswegen Maximilian I. glaubte, einen Orden, der unter der Schirmherrschaft des heiligen Georg stand, über die Liturgie des habsburgischen Heiligenkalenders an sich binden zu müssen. Ferner bleibt die Frage, welche Ziele er damit verfolgte. Zunächst gilt es die äußere Organisationsform eines Ritterordens und ihre strukturellen Vorteile für die Interessen des Habsburgers zu betrachten. Aber auch die ideologische Ausrichtung dieses Ordens, die sich an erster Stelle in der Wahl des heiligen Georg zu seinem Schutzpatron zeigt, gibt Auskunft über die Ziele, die Maximilian mit den Rittern dieses Ordens erreichen wollte. Wenn das Heiligenlegendar auch für den liturgischen Gebrauch des St. Georgs-Ordens gedacht war, so wird die inhaltliche Analyse ausgesuchter Legenden weiteren Aufschluß über die Aufgabe dieses Ordens und das Profil seiner Mitgleider geben.

7.2.1

Die Vorteile der Organisationsform des St. Georgs-Ordens

Bekannt ist, daß der St. Georgs-Orden nach dem Vorbild des Deutschen Ordens organisiert wurde. Die Wahl des Deutschen Ordens zum Vorbild des St. Georgs-Ritterordens mag sich wohl darin begründet haben, daß der Deutsche Orden seine ersten Niederlassungen unter anderem in den Erblanden der Habsburger hatte: in der Steiermark, in Tirol, Kärnten und in Österreich.1123 Die Habsburger hatten sich also schon als Landesherren intensiv mit diesem Orden auseinandersetzen müssen und waren daher über dessen Struktur informiert. Zum anderen bildete der Deutsche Orden zusammen mit dem Johanniterorden im 15. Jahrhundert die Gruppe der ältesten geistlichen Ritterorden1124, die im 15. Jahrhundert mit einem „Europäischen Horizont“1125 aufzuwarten hatten: In seiner Organisationsform lag begründet, daß verschiedene Ordensgebiete an eine Amtsperson, den Hochmeister, auch über größere Entfernungen hinweg angebunden waren. Da die Hochmeister ihrerseits wiederum aus der Ordenszentrale in Preußen kamen, war auf diesem Wege die 1123

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Vor dem 13. Jahrhundert finden wir weitere Niederlassungen des Deutschen Ordens in Apulien, dem Heiligen Land, Sizilien, Böhmen und Thüringen. Vgl. dazu Arnold, B.: Europa und die Region – widerstreitende Kräfte in der Entwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter. In: Ritterorden und Region, hrsg. von Zenon Hubert Nowak (Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica, 8). Torun 1995. S. 161-172. Heydenreich, B.: Ritterorden und Rittergesellschaften, S. 12. Arnold, B.: Europa und die Region, S. 161.

203 hierarchische Kontrolle der Zentrale über die einzelnen Ordensgebiete des Deutschen Ordens, die Balleien, gesichert.1126 Sicherlich sagte diese zentrale Organisationsform auch dem Kaiser zu, wenn er an die Gründung eines eigenen Ordens dachte, der speziell auf seine Person zugeschnitten und über das ganze Reichsgebiet kontrollierbar sein sollte. Die Tatsache, daß der Deutsche Orden einst der Hausorden der Staufer war, mag ein weiteres Argument für dessen Vorbildfunktion bei der Gründung des Maximilianischen Ordens gewesen sein. Er war von den Staufern mit zahlreichen Privilegien und Gebieten ausgestattet worden 1127, und hatte sich im Gegenzug dazu verpflichtet, sich keinem Landesherren zu unterstellen. Erst mit dem Machtverlust der Staufer war der Deutsche Orden gezwungen, den Einfluß von Territorialherren zuzulassen.1128 Für die jeweiligen Territorialherren lag in dieser Entwicklung ein enormer Vorteil, da sie nun das Netz von Kommenden nutzen konnten, um Einfluß auf andere Territorien zu nehmen. So wurde beispielsweise mit der Stiftung einer Kommende einem Territorialherren das Recht zugestanden, auch über die Aufnahme von Ordensmitgliedern mitzubestimmen. Oft wurden dabei die Angehörigen der Stifterfamilien in den Orden aufgenommen und nahmen dann Einfluß auf die Wirtschaft und die Erwerbspolitik des Ordens. Nicht selten wurde der Angehörige einer Stifterfamilie im Rahmen des Deutschen Ordens zu einem hohen Vertreter in einem anderen Territorium1129, und konnte natürlich auch dort seinen Einfluß geltend machen.1130 Im 15. Jahrhundert kam es schließlich in der Politik des Deutschen Ordens zu einem „Prozeß der Regionalisierung, weniger der Territorialisierung“1131. Im Jahre 1434 trat beispielsweise das Deutschordenshaus Altshausen zusammen mit dem Landkomtur Elsaß-Burgund dem Ritterorden mit dem Jörgenschild bei, hinter dem König Sigismund stand. Auch sein Nachfolger und Maximilians Vater, Kaiser Friedrich III., unterstützte diese Entwicklung.1132 Der Deutsche Orden wurde damit in die Regionalpolitik des Adels eingebunden.1133 Die strenge hierarchische Ordnung des St. Georgs-Ordens nach dem Vorbild des Deutschen Ordens gewährleistete den schnellen Empfang von Befehlen aus der obersten hierarchischen Ebene und 1126

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Arnold führt als Beispiel die Ballei Bozen an, in der seit 1332 fast alle Landkomture auch Amtsträger in Preußen gewesen waren. Ebenso habe es sich seit 1386 für die Ballei Elsaß-Burgund verhalten. Vgl. dazu ebd., S. 164. Militzer, K.: Die Einbindung des Deutschen Ordens in die süddeutsche Adelswelt. In: Ritterorden und Reguion, hrsg. von Zenon Hubert Nowak (Ordines militares, Colloquia Torunensia Historica, 8). Torun 1995. S. 141-160. Militzer setzt den Beginn des Machtverlustes des Deutschen Ordens mit der Hinrichtung des letzten Staufers Konradin in Neapel 1268 an. Vgl. dazu ebd.., S. 141. Militzer nennt als Beispiele in Süddeutschland die Edelherren von Hohenlohe und die Edelherren von Dürn. Beide Familien stifteten Kommenden des deutschen Ordens auf ihrem Territorium und kurz darauf traten Angehörige ihrer Familien in den Orden ein und übernahmen dort hohe Ämter. So wurde Ulrich von Dürn Prior in Marburg. Vgl. dazu ebd., S. 143. Über die einzelnen Kommenden des Deutschen Ordens und ihre Vertreter in Süddeutschland und im Elsaß vgl. Planta, P. C. v.: Adel, Deutscher Orden und Königtum im Elsaß des 13. Jahrhunderts. Unter Berücksichtigung der Johanniter (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, 8). Frankfurt a. M. 1997. Militzer, K.: Die Einbindung des Deutschen Ordens in die süddeutsche Adelswelt, S. 152. Ebd. Vielleicht dachte Huizinga auch an diese Entwicklung des Deutschen Ordens, als bei der Organisation eines Ritterordens „den Charakter eines primitiven und heiligen Spiels“ sah, bei dem nur noch Adlige zusammenkamen, denen es jedoch an jeglicher idelogischer Vebundenheit mit der Idee des Ritterordens mangelte. Vgl. dazu Huizinga, J.: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. Und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, hrsg. von Kurt Köster. Stuttgart 1987, S. 97.

204 ihre unverzügliche Ausführung. Seine Vernetzung über das Reich versprach seine Kontrolle. Das, was Maximilian mit der Organisation des St. Georgs-Ordens anstrebte, war also die Möglichkeit, auf eine Gruppe von kaisertreuen Rittern zurückgreifen zu können, die reaktionsschnell und kontrolliert der verlängerte Arm seiner politischen Interessen sein sollten. Über diese Organisation konnte er hoffen, als Kaiser auch Einfluß auf Territorialherren zu nehmen, wie er umgekehrt schon hatte beobachten können, daß über die Institution des Deutschen Ordens Territorialherren auf ihre Konkurrenten Einfluß ausgeübt hatten. Einen solchen Zusammenschluß von Rittern unter die Schirmherrschaft des heiligen Georg zu stellen, war gerade in Süddeutschland nichts Neues gewesen.1134 Abgesehen von der Tatsache, daß der Deutsche Orden den Heiligen zu seinem Schutzpatron erwählt hatte1135, gab es die Rittergesellschaft zum St. Jörgenschild, die Anfang des 15. Jahrhunderts ins Leben gerufen1136 wurde und ursprünglich ein Zusammenschluß schwäbischer Adliger war, um die jeweiligen Rechte der Adligen als Herren über Städte, Güter und Klöster effektiv zu verteidigen.1137 Dieser Gesellschaft ging es um die Wahrung der Interessen des schwäbischen Adels und nicht um die Stärkung des christlichen Schutzschildes des Reiches, der in der Hand des Kaisers lag. Die Rittergesellschaft im Zeichen des Schildes vom heiligen Georg hierarchisierte sich nicht nach dem gesellschaftlichen Rang ihrer Mitglieder, sondern nach Gebieten, und demonstrierte mit ihrer präzisen Bezeichnung als „Ritterschaft der Vereinigung und Gesellschaft St. Jörgenschild“ ihr Bewußtsein, nur einen Teil der sozialen Gruppe der schwäbischen Ritterschaft zu organisieren.1138 In dieser Gesellschaft wurde nicht zwischen niederem und hohen Adel unterschieden, sondern Adel – zumindest im Auftreten der Rittergesellschaft nach außen – als homogene Gruppe präsentiert.

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Gerade in Süddeutschland hatte die Fehde in Süddeutschlnad während des 15. Jahrhunderts stark zugenommen. Viele Adlige nutzten sie zum Raub , was 1495 den ewigen Landfreiden erst nötig machte. Maximilian war sich also bewußt, daß er es beim süddeutsche Adel mit einer schwer kontrollierbaren gesellschaftlichen Gruppierung zu tun hatte. Vgl. dazu Press, V.: Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft im Übergang zur Neuzeit (um 1500). In: Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz, hrsg. von Hans Hubert Hofmann und Günter Franz. Boppard a. Rhein 1980. S. 29-78. Wann St. Georg allerdings für den Deutschen Orden von besonderer Bedeutung wurde, ist bislang ungekärt, vgl. dazu Arnold, U.: Georg im Deutschen Orden bis zur Regelreform im 17. Jahrhundert. In: Sankt Georg und sein Bilderzyklus in Neuhaus/Böhmen: Historische, kunsthgistorische und theologische Beiträge, hrsg. von Ewald Volgger (Quellen und Studien zu Geschichte des Deutschen Ordens, 57). Marburg 2002. S. 162. Die Initialzündung für diesen Zusammenschluß, der am 11. September 1406 erfolgte, bot der Appenzeller Krieg, bei dem die Landleute von Appenzell sich nach dem Vorbild des Abtes von St. Gallen weigerten, die grundherrschaftlichen Rechte gegenüber ihren entsprechenden Herren zu erneuern, vgl. dazu Obenaus, H.: Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St. Jörgenschild in Schwaben. Untersuchungen über Adel, Einung, Schiedsgericht und Fehde im fünfzehnten Jahrhundert (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 7). Göttingen 1961. Die Mitglieder der Rittergesellschaft mit St. Jörgenschild waren verpflichtet, anderen Mitgliedern im Falle des Verstoßes ihrer grundherrlichen Rechte zur Seite zu stehen. Zunächst strebte die Gemeinschaft die friedliche Lösung von Streitigkeiten der einzelnen Mitglieder an. Die Rittergesellschaft stabilisierte auf diese Weise die Machtverhältnisse in Schwaben, vgl. dazu ausführlich Obenaus, H.: Recht und Verfassung, S. 45 ff. Es gab beispielsweise die Ritterschaft im Hegau und die Ritterschaft an der Donau. Nicht alle Sdligen, die ihre Besitzungen im Hegau oder an der Donau hatten, fanden sich allerdings in der Rittergesellschaft zusammen. Vgl. dazu ebd., S. 15.

205 Da auch Bischöfe und Domkapitel, wie zum Beispiel der Bischof und das Domkapitel von Augsburg im Jahre 1407, der Bischof von Eichstätt oder der Bischof und das Domkapitel von Konstanz1139, Mitglied dieser Rittergesellschaft waren, wird auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit deutlich, weshalb Maximilian darauf hinarbeitete, mit dem St. Georgsorden ein Gegengewicht gerade zu dieser Vereinigung Aldiger zu setzen: Er mußte sich einen Kreis Adliger im Reich schaffen, die die Ideen des Habsburgers unterstützten und ihm bei der Umsetzung seines Kreuzzugsplans halfen. Der St. Georgs-Orden erscheint als Versuch, zum Machtgewinn von Territorialherren, die beispielsweise zunehmend Einfluß auf den Deutschen Orden ausübten, mit dem zentral organisierten Ritterorden der Habsburger ein Gegengewicht zu setzen. Bedenkt man zudem, daß das Gros der Ritter des St. Georgs-Ordens aus Gebieten kommen sollte, die - wie die Niederlanden, das Rhein-Moselgebiet oder der Breisgau – in habsburgisch oder geistlich regierten Gebieten lagen, so gewinnt die These an Kredit, daß Maximilian mit seinem St. Georgsorden das Ziel verfolgte, analog zu der Einflußnahme anderer Territorialherren auf den Deutschen Orden, einen Orden zu schaffen, in dem habsburgsiche Interessen Vorrang hatten. Neben diesem hauspolitischen Argument wird der Kreuzzugsplan König Maximilians I. der zweite zentrale Punkt gewesen sein, der sein Streben nach einem Orden wachrief, in dem dieses Vorhaben gezielt unter seiner Kontrolle vorangetrieben werden konnte. Nach dem Tod seiner zweiten Frau Bianca Maria im Jahre 1510 trat Maximilian sogar selbst in die Bruderschaft der St. Georgs-Ritter ein.1140 Wie sehr Maximilian I. zu diesem Zeitpunkt von dem Kreuzzugsgedanken geleitet war, zeigt die Vorstellung des Kreuzzugsplans in der Ehrenpforte und im dritten Teil seines autobiographischen Werkes Theuerdank, wo der Gedanke des Kampfes des Abendlandes gegen die Osmanen vorgestellt wurde.1141 Auf welche Weise Jakob Mennel Maximilians Kreuzzugsidee den Rittern des St. Georgs-Ordens in dem Habsburge Legendar vorstellt, soll Thema der nun folgenden Überlegungen sein.

7.2.2

Die Aufgabe des Kreuzzugs

Daß die Zielgruppe des habsburgischen Legendars, die St. Georgs-Ritter, auch in den Augen der Zeitgenossen Maximilians I. Dreh- und Angelpunkt der Kreuzzugspläne des Habsburgers waren, zeigt die Widmungsvorrede des Historiographen Sebastian Brant zu seiner im Jahre 1498 verfaßten

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Auch die Markgrafen von Baden, die Herzöge von Bayern, die Markgrafen von Brandenburg, die Herzöge von Österreich und die Grafen von Württemberg waren Mitglieder in dieser schwäbischen Rittergesellschaft. Vgl. dazu die Angaben ebd., S. 232-245. Zu der Bedeutung des St. Georgs-Ordens für Maximilians Kreuzzugsidee vgl. Winkelbauer, W: Kaiser Maximilian I. und St. Georg. In: Mitteilungen des österreichischen Staatarchivs 7 (1954). S. 523-550, S. 541ff. Zu der Ehrenpforte vgl. insbes. Müller, J.-D.: Gedechtnus, S. 153ff.

206 Geschichte der Stadt Jerusalem1142. Als Gelehrter und Historiograph, der zudem die deutschsprachigen Heiligenleben redigiert hatte, war Brant schon in dieser Arbeit als ein möglicher Bezugspunkt für die Forschungen Mennels vorgestellt worden.1143 In diesem Werk rief Brant zum Kreuzzug gegen die Türken auf1144. So widmete er auch das Jerusalembuch seinem verehrten Kaiser und erläuterte in der Einleitung die Zielsetzung seines Werkes. Nach Brants Ausführungen müsse Jerusalem zurückerobert werden, da diese Stadt einen altehrwürdigem Ursprung (origo) und Vornehmheit (nobilitas) besäße. Beides müsse somit auch der Herrscher über diese Stadt vorweisen können. Die Herrschaft über die Stadt Jerusalem und das sie umgebende heilige Land betrachtet Brant als einen Gottesauftrag an das auserwählte Volk ([…] electus dei populus); die Rückeroberung der Stadt gleicht folglich einer Wiedererehebung alter Ansprüche und die Rückforderung von Geraubtem (adempta et ablata). Maximilians Ziel müsse es nun sein, das Verlangen nach dieser ‚Restauration‘ zu wecken (desiderium […] recuperationem appelles). Die Rückeroberung Jerusalems durch Maximilian sei jedoch keine originelle Tat, sondern ein Tribut an einen immer wiederkehrenden Prozeß der Geschichte, der im Wegnehmen (ad-imere und a-ferre) und Wiederherstellen (re-stituere und re-cuperare) von Dingen bestehe. Maximilian sei somit nur ‚Ausführender‘, ein ‚Restaurator‘ göttlicher Tradition ( [quod] deus tradit), dessen Ziel die ‚Restauration‘ der Kongruenz von kirchlichem und weltlichem Machtbereich sei, der sich letztlich in einem Gottestaat (christiana republica) verwirkliche. Für dieses Projekt nimmt nun das Reich, so Brant, das Haus Österreich in seine Pflicht: Da der türkische Feind äußerst wortbrüchig sei (hostis perfidissimus [est]), müsse Diplomatie hier scheitern. Ein Krieg sei daher unumgänglich (necessitas). Diese Bedrängung (causa urgentissima) mache eine neue Gemeinschaft (nova societas militum) nötig, die unter dem Schutz des heiligen Georg Ritter und Fürsten (principes militesque) vereinigt. Maximilian sei das Oberhaupt dieser Gemeinschaft, deren Anforderungsprofil er in seiner Person vorstellt: Sie sollen als Fürsten (principes) eine Bildung (humanitas) besitzen, die der Maximilianeischen nahekomme, und dabei hervorragende Krieger (optimi milites) sein. Gott werde, so schließt Brant seine Überlegungen zum St. Georgsorden vertrauensvoll, Maximilian und der Gemeinschaft des heiligen Georg triumphalen Sieg auf Erden und ewigen Lohn im Himmel geben. Die Semantik der Brantschen humanitas ist aus ihrem Pedant im zitierten Text, der militia, zu erschließen: Militia ist der Kriegsdienst mit den Waffen. Ihn muß der Krieger des St. GeorgsOrdens genauso erfüllen wie die Fürstentugend der humanitas anwenden können. Mit dieser 1142

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Sebastian Brant: De origine et conversatione bonorum regum atque laude civitatis Hierosolymae cum exhortatione eiusdem recuperandae. Basel (Bergmann de Olpe) 1495. Vgl. in dieser Arbeit S. 58. Ich danke Antje Niederberger für ihre wertvollen Informationen zum Jerusalembuch Brants. Ihre Dissertation zu diesem Thema ist 2002 zu erwarten, vgl. Niederberger, A.: Sebastian Brant als Historiker.

207 Forderung liegt Brant im Trend seiner Zeit. So lobt auch der Augsburger Humanist Konrad Peutinger den kaiserlichen Rat Maximilians, Matthäus Lang, da sich in dessen ruhmreichen Kriegstaten auch seine humanitas zeige. Diese humanitas ist offensichtlich ein Resultat der „eruditio bonarum litterarum“, des geistigen Feinschliffes durch stilistisch und inhaltlich anspruchsvolle Lektüre: „Hiis enim circa te fortuna mutavit nihil“ – die Lektüre wappnet nämlich gegen die Wechselfälle des Schicksals. Und Peutinger führt weiter aus: „Nec (ut plerique solent) quicquam superbe tumideve, nihil denique cupide vel libidinose agis, sed omnes ad te ingredientes benevolentissime excipis, comitaris, prope eos subsistis, omnibus et occurris. Haeremus lateri tuo quique accedimus, quod, etsi emines, ambulas tamen inter nos, quasi pares tibi essemus”.1145

Matthäus Langs humanitas zeigt sich in der Mäßigung gegenüber anderen, im Wohlwollen gegenüber Mitmenschen und in Vertrauen. Da Peutinger dieses Lob der humanitas ebenfalls, wie Brant, mit Langs militärischen Erfolgen und seiner Erhebung in den Ritterstand in Verbindung bringt, kann von dieser Peutingerschen Definition von humanitas auf die Brantsche Semantik des Begriffes geschlossen werden: humanitas ist für den St. Georgs-Ritter die Voraussetzung, um im Krieg siegreich sein zu können.

7.2.3

Die Kriegsethik der St. Georgs-Ritter

Für die Vermittlung jeglicher Ethik, auch der des Krieges, braucht es Vorbilder. In einem Heiligenlegendar, das auf Kreuzzugsritter zugeschnitten sein soll, reduziert sich diese Vorbildfunktion auf Heiligentypen, die sich im Kampf gegen Heiden bewährt, beziehungsweise durch deren Hand umkamen. Das sind Märtyrer und heilige Krieger, die sogenannten miles christiani.1146 Exemplarisch sollen im folgenden Kapitel diese Heiligentypen vorgestellt und von ihnen ausgehend die Kriegsethik Maximilians I. entwickelt werden. Nachdrücklich betont Mennel in seinen Legenden die Bereitschaft einzelner Habsburger, für den christlichen Glauben den Kampf gegen Ungläubige aufzunehmen und dafür zu sterben. Bringt man dieses Märtyrerlob in Zusammenhang mit den Herkunftsangaben der jeweiligen Märtyrer in den Titelüberschriften des kalendarischen Legendarteils von 1518, so fällt folgende Verteilung auf1147: Die Märtyrerin Tharsicia enstammt dem Herzogshaus von Lothringen, Edmund ist ein Engländer, König Eduard auch, Gangolf ist aus Lothringen, Hermenegild aus dem hispanischen Königshaus, 1145

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König, E.: Konrad Peutingers Briefwechsel (Veröffentlichungen der Kommission für Erforschung der Geschichte der Reformation und Gegenreformation, 1). München 1923. S. 39 f. Vgl. zum Begriff des miles christianus Fleckenstein, J.: Über den engeren und weiteren Begriff von Ritter und Rittertum (miles und militia). In: Person und Gemeinschaft im Mittelalter. FS Karl Schmid, hrsg. von Gerd Althoff u. a. Sigmaringen 1988. S. 379-392. Vgl. dazu im Anhang in Titelangaben der Habsburger Heiligen aus dem kalendarischen Teil des Legendars von 1518.

208 Adelberth ist ein Böhme, Trutpert stammt von den Königen von Frankreich ab, Venanzius von dem Herzogshaus von Lothringen, Rumoald ist Schotte, der heilige Grimoald ebenfalls; Ferreolus ist ein Märtyrer aus dem austrasischen Herzogshaus, ebenso Firmin, Leodegar stammt aus dem elsässischen Herzogshaus, Coloman dagegen von den schottischen Königen ab; Remeldis ist wieder aus dem austrasischen Herzogshaus, die heilige Ursula eine Bretonin. König Edmund ist wiederum ein Engländer, Thomas Becket auch. Diejenigen Heiligen, die durch ihr christliches Bekenntnis den Tod gefunden haben, stammen aus allen europäischen Herrscherhäusern. Sie sind vorbildhaft für den christlichen Glauben in den Tod gegangen, wie es auch der Entschluß fordern würde, an einem Kreuzzug teilzunehmen. Habsburger HeiligeMaximilians Aufruf zu einem Kreuzzug ist demnach betrachtet man die Adelshäuser, aus denen schon Heilige für ihr Bekenntnis in den Tod gegangen sind - keine alleinige Aufgabe der deutschen Könige, sondern ein Auftrag für alle europäischen Adelshäuser. Diesen europäischen Auftrag stellt Maximilian unter die Schirmherrschaft des heiligen Georg. Dies war weiter nicht überraschend: Nachdem nämlich im Jahre 1396 König Sigismund von Ungarn die Schlacht bei Nikopolis gegen die Türken verloren hatte, waren die Habsburger dazu übergegangen, Heilige – unter anderem den Schutzpatron der Kreuzfahrer, Georg – um Unterstützung gegen die türkische Gefahr zu bitten.1148 Dieser Heilige entstammte einer angesehenen, wenn nicht sogar fürstlichen Familie, die in Kappadokien1149, der heutigen Zentraltürkei, beheimatet war. Als junger Krieger soll er sich gegen die Christenverfolgungen, die unter der Regierung des römischen Kaisers Diokletian stattfanden, gewendet haben und dafür den Märtyrertod gestorben sein. Bis ins Hochmittelalter beschränkte sich die Legende des heiligen Märtyrers Georg auf die Darstellung seiner erlittenen Folterqualen und seiner Wunder. Erst die Legenda Aurea bot Ende des 13. Jahrhunderts jene Drachenkampfszene, die von nun an kennzeichnend für den heiligen Georg wurde: Georg soll einen Drachen getötet haben, der mit seinem Pesthauch seine Heimatstadt Lydda bedrohte. Georg habe im Zeichen des Kreuzes die Lanze geschwungen und den Drachen zu Boden gestreckt. Daraufhin habe er die Königstochter darum gebeten, ihren Gürtel um den Hals des Drachen zu legen, um daran den Drachen in die Stadt Lydda zu führen. Den verängstigten Stadteinwohnern habe Georg angeboten, den Drachen zu töten, wenn sie sich zum Christentum bekehrten und taufen ließen. Die Stadteinwohner seien darauf eingegangen und Georg habe den Drachen, wie versprochen, getötet. 1148

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Vgl. zum Beginn der Verehrung des heiligen Georg, der heiligen Barabara und des heiligen Sebastian Kovács, E.: Die Heiligen und heiligen Könige der frühen Habsburger (1273-1519), S. 99. Weder die Geburtsstadt noch die Stadt seines Martyriums, noch die Existenz überhaupt sind sicher zu bestimmen. Fest steht, daß im Jahre 1099 die kappadokische Stadt Lydda zur Geburtsstadt des heiligen Georg auserkoren wurde, als Kreuzfahrer davon berichteten, sie hätten dort den Heiligen Wunder wirken gesehen, vgl. BraunfelsEsche, S.: Sankt Georg, S. 8.

209 Nach dieser Darstellung war der heilige Georg im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert weniger ein Sinnbild für den standhaften Märtyrer als für den tapferen Krieger, der im Zeichen des Kreuzes Heiden bekehrt. Georgs Mittel der Bekehrung ist nicht das Wort, sondern das Schwert. Die bildlichen Darstellungen des Spätmittelalters innerhalb des deutschen Reiches, insbesondere im süddeutschen Raum, unterstreichen diese Interpretation des Heiligen. So zeigt beispielsweise ein Glasfenster der Tübinger Stiftskirche den heiligen Georg in Ritterrüstung mit besiegtem Drachen. Vor Georg kniet, ebenfalls in Ritterrüstung, der Stifter dieser Kirche, Eberhard im Bart von Württemberg.1150 Georg erscheint als Schutzpatron der Kreuzfahrer und Ansprechpartner für Adlige. Er war zum Schutzpatron Englands avanciert1151 und im 14. Jahrhundert in die Schar der vierzehn Nothelfer aufgenommen worden. Georg entspricht damit dem mittelalterlichen Idealtypus eines christlichen Herrschers1152: Er kämpft mit dem Schwert gegen das Heidentum und vergißt dabei nicht die Sorgen des Volkes. Zum heiligen Georg, der sich durch seinen adligen Geburtsstand, seinen Kampfesmut und seine Frömmigkeit auszeichnet, kann der adlige Ritter mit Ehrfurcht aufblicken. Wenn also Kaiser Friedrich III. nach der erfolgreich abgewehrten Belagerung der Stadt Wien sein Versprechen einlöste1153 und seinen neu gegründeten Ritterorden unter den Schutz des heiligen Georg stellte, so verbanden sich damit zwei Grundideen zu einem Programm: Die Idee des Ritterordens als einer unterschiedslosen Vereinigung Adliger1154, und Georg als Symbol für den Kampf gegen die Heiden. Um dieses Programm auch mit Erfolg durchführen zu können, waren Handlungsmaximen nötig, die den Rittern des St. Georgs-Ordens vorgestellt werden mußten. Bei einer Kriegsethik, die Handlungsmaximen bietet, handelt es sich um ein Wissen, das genauso wie die Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen erworben werden muß, und die man nach mittelalterlichen Vorstellungen durch die Lektüre von Texten mit heiligem Inhalt erlernen

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Peter Hemmel hatte das Glasfenster in den Jahren 1475-1480 angefertigt, vgl. ebd., S. 53. Am 23. April 1222 war sein Festtag auf einer Synode in Oxford mit den großen Feiertagen gleichgestellt worden, vgl. ebd., S. 94. Augustinus hat den Idealtypus eines christlichen Herrschers entworfen. Im Mittelalter wird dieses Verständnis auch in liturgischen Texten, Fürstenspiegeln etc. vorgestellt. Vgl. dazu Kleinschmidt, E.: Herrscherdarstellung, S. 32ff. Zum Herrscher als Rechtssprecher, Friedenswahrer und Almosenspender vgl. ebd., S. 56f. Sicher ist, daß Friedrich III. nach seiner Romfahrt am 1. Januar 1469 den St. Georgsorden mit Sitz in Millstadt erwirkte, vgl. Koller, H.: Der St.-Georgs-Ritterorden Kaiser Friedrichs III. In: Die geistlichen Ritterorden Europas, hrsg. von Josef Fleckenstein und Manfred Hellmann (Vorträge und Forschungen, 26). Sigmaringen 1980. S. 417-429. Walter Winkelbauer läßt die Verbindung Maximilian I. mit dem heiligen Georg schon mit dessen Geburt beginnen. Friedrich III. habe nämlich den Sohn nach seinem Lieblingsheiligen Georg benennen wollen, die Mutter, Kaiserin Eleonore, habe den Sohn dagegen nach Konstantin, den Wiedereroberer des erstürmten Konstantinopels, benennen wollen. Der Taufpate habe sich dann schließlich für den Namen Maximilian entschieden. Vgl. dazu Winkelbauer, W.: Kaiser Maximilian I. und St. Georg, S. 524 ff. Die Geschichte der Ritteroden nimmt ihren legendären Ursprung bei König Artus, der seine zwölf Ritter gewöhnlich am runden Tisch um sich sammelte. Unter den Rittern gab es keine Rangunterschiede, sondern sie einte der Kampfmut und die Kampfkraft, die immer wieder unter Beweis gestellt werden mußten: auch galt es die gemeinsamen Werte wie Tapferkeit, Ehre, Treue, und das Ziel, Unrecht zu rächen, zu pflegen, vgl. dazu Heydenreich, B.: Ritterorden und Rittergesellschaften. Ihre Entwicklung vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit. Ein Beitrag zur Phaleristik. Würzburg 1960. Insbes. S. 13.

210 konnte.1155 Da es sich beim habsburgischen Legendar ebenfalls um eine Sammlung heiliger Texte handelt, konnte es diese pädagogische Rolle auch bei den Rittern des St. Georgs-Ordens übernehmen und deren humanitas schulen. Insbesondere in Legenden, deren Protagonisten sich im Kampf gegen die Heiden ausgezeichnet haben, ist eine konzentrierte Vorstellung jener Werte zu erwarten, die nach Maximilians Meinung auch der Ritter des St. Georgs-Ordens wahren sollte, um den glücklichen Ausgang eines Kreuzzuges zu gewährleisten. Einer der bekanntesten Kämpfer gegen die Heiden und Heiliger Mennels ist Karl der Große. Die Analyse seiner Darstellung in der Mennelschen Legende gibt einen ersten Einblick in die Kriegsethik Maximilians I. Mennel beginnt erwartungsgemäß auch Karls Vita mit einer genealogischen Einordnung des Heiligen.1156 Karl sei ein ehelicher Sohn Pippin des Kleinen, des Herzogs von Lothringen und König der Franken gewesen. Karls Mutter habe „Bertrade“ oder „Bertha“ geheißen und sei die Tochter des ungarischen König Florenz gewesen. Weil Karl große Taten vollbracht und sich tapfer in Kriegen geschlagen habe, trage er den Beinamen „der Große“, den ihm seine heilige Tante Landrada gegeben habe. Er sei gerecht mit seinen Untertanen gewesen und habe seine Kinder in den „freyen kunsten“ unterrichten lassen. Karls Gottesfurcht zeigt sich in der Stiftung seiner Kirche zu Ehren Marias, wo noch heute viele Menschen hinpilgerten. Zu Tisch habe Karl entweder die Bibel oder den Gottesstaat von Augustin lesen lassen. Als Karl dann römischer Kaiser geworden sei, habe ihm Constantinus von Constantinopel einen Brief geschrieben, in dem er ihm geschildert habe, daß die Heiden den Patriarchen von Konstantinopel vertrieben hätten; nun bitte er, Constantinus, ihn um Hilfe. Karl habe unverzüglich ein Heer gesammelt und sich auf den Weg nach Jerusalem gemacht. Ein Vogel habe ihn auf den rechten Weg geführt – solche Vögel, so fügt Mennel ein, könne man noch heute in dem Land schreien hören. Im heiligen Land habe Karl dann das heilige Grab geöffnet und dort, neben anderen Reliquien, die Mennel nennt, auch Teile des Kreuzes erhalten, auf dem heilende Blumen gewachsen seien. Erfolgreich seien die Heiden von ihm aus Jerusalem vertrieben worden und als Dank habe er von Constantinus Gold, Silber und „gar vil schoner Clainoten“1157 erhalten. Zurückgekehrt nach Aachen sei Karl der heilige Apostel Jakob erschienen, der über sein von Heiden bedrohtes Grab in Gallien geklagt habe. Ein Stern habe Karl zu Jakobs Grab geführt, wo er die Heiden entweder taufen, oder die Unbeugsamen habe töten lassen. Als von diesem Ereignis die Heiden in Hispania gehört hätten, wären sie kampflos Kaiser Karl untertan geworden.

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Lernen durch Teilhabe an dem Leben der Erwachsenen und die Einübung in die Schriftlesung sind beispielsweise zentrale Erziehungsziele in einer Klosterschule, vgl. dazu Paul, E.: Geschichte der christlichen Erziehung, 1. Freiburg, Basel, Wien 1993, S. 128ff. Vgl. dazu cvp 3077*, fol. 82v-86v. cvp 3077*, fol. 83v.

211 Die Karls-Vita des Tischgenossen1158 des Kaisers, des Mönchs Einhard, gehörte zu den bekanntesten Biographien über Karl dem Großen. Zweifellos entnahm Mennel dieser Vita Informationen zu seiner Version der Karls-Vita. So beispielsweise den Hinweis am Anfang seiner Legendenfassung, daß Karl seine Kinder in den Artes liberales habe unterrichten lassen1159, wie ihn die zweite, ebenfalls bekannte Biographie über Karl den Großen, die Karls-Vita aus der Zeit Friedrichs I., nicht berichtet. Sie erzählt zwar vom Verhältnis Karls zur Literatur, indem sie Karl als einen „liberalium artium studiosissimus cultor“1160 lobt. Das Gleiche gilt für die genealogische Einordnung Karls, die Mennel nur der Einhards-Vita entnommen haben kann, im Gegensatz zu der Beschreibung der Jerusalemfahrt und des Vogelwunders, das ausführlich in der Karls-Vita aus dem 12. Jahrhundert beschrieben wird. Dort, im zweiten Buch, handelt der Autor auch von der Vertreibung des Patriarchen aus Jerusalem, im dritten von einer Gesandtschaft, die den Bittbrief des Patriarchen Johannes an Karl überbracht habe; im vierten und fünften Kapitel wird jeweils der Brief des Johannes und der Antwortbrief Karls wiedergegeben.1161 Im achten Kapitel folgt schließlich das Vogelwunder, im zehnten Kapitel die reiche Beschenkung Karls durch den dankbaren Constantinus.1162 Auch die Reliquientranslation vom heiligen Grab wird ausführlich in dieser Vita geschildert.1163 Wahrscheinlich entnahm Mennel dieser Vita auch die Erzählung über die Erscheinung des heiligen Jakob, den Zug Karls nach Spanien, die Eroberung der Stadt Pampila nach dreimonatiger Belagerung, den Sieg gegen die Heiden und deren Bekehrung.1164 In der Karls-Vita zeigt sich, daß Mennel bewußt die zwei Komponenten eines guten St. GeorgsRitters, wie sie Brant nennt, aus den Vorlagen seiner Legenden herauszieht und sie zu einer neuen Version der Karls-Vita formt: Die humanitas Karls unterstreicht Mennel einmal durch das Faktum, daß Karl sich bei Tisch vorlesen ließ, wie es Einhard berichtet; zum anderen wenden sich der Patriarch Constantinus und der Apostel Jakob vertrauensvoll an den Kaiser, denen Karl schnelle Hilfe leistet – eine Komponente, die in der Karls-Vita aus der Zeit Friedrichs I. besonders hervorgehoben wird. Der heilige Karl Mennels besitzt die humanitas im Sinne Sebastian Brants und Konrad Peutingers. Ihr gesellt sich die Geschicklichkeit im Kriegsdienst hinzu, die Karl mit seinen Siegen über die Heiden beweist. Ein weiteres Beispiel für den vorbildhaften St. Georgs-Ritter ist der heilige Roland. Die RolandsVita des Mennelschen Legendars1165 ist eine Teilerzählung aus einer dritten, lateinischen Fassung 1158 1159

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Zu der Kaisernähe Einhards vgl. Fleckenstein, J.: Art. Einhard. In: LdMa, 3. Sp.- 1737-1739. Vgl. Einhard: Vita Karoli Magni, hrsg. von Oswald Holder-Egger (MGH SRG 25) 1911. Hannover 1940, betont Einhard, daß Karl „Artes liberales studiosissime coluit“, vgl. c. 25. Vgl. Rauschen, G. (Hrsg.): Die Legende Karls des Grossen im 11. und 12. Jahrhundert. Mit e. Anh. über Urkunden Karls des Grossen und Friedrichs I. für Aachen von Hugo Loersch (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde ; 7). Leipzig 1890, S. 28. Ebd.,S. 46-49. Vgl. Ebd., S. 51f. und S. 53. Vgl. Ebd..S. 56, Kap. 14ff. Vgl. cvp 3077*, fol. 84rff. Vgl. ebd., fol. 89v-94r.

212 der Karls-Vita, die von Turpin verfaßt wurde. Handschriften dieses Turpintextes konnte Mennel beispielsweise in Straßburg finden.1166 Von der lateinischen Textvorlage sind insgesamt 170 Handschriften oft im Zusammenhang mit anderen historiographischen Werken, wie der Karls-Vita von Einhard, überliefert.1167 Es ist also sehr wahrscheinlich, daß Mennel aus seinen Recherchen zu Karl dem Großen auch die Vita des heiligen Roland schrieb. Die Legende des treuen Mitstreiters des Kaisers, Roland, begann bei Mennel damit, daß Roland, der „theure ritter“, der Sohn Berthas, der Schwester Karl des Großen, und ihres Ehegemahls, Herzog Milos, gewesen sei. Darauf folgt der bei Turpin ausführlich beschriebene Kampf Karls des Großen gegen die Sarazenen, an dem Roland entscheidenden Anteil hatte: Der heilige Jakobus sei nämlich Karl dem Großen erschienen und habe ihm befohlen, die Welt von den Ungläubigen zu erlösen. Daraufhin sei Karl nach Spanien aufgebrochen und habe nach dreimonatiger Belagerung der Stadt „Pampilon“ – Mennel verwendet hier die lateinische Bezeichnung der Stadt Pamplona, wie er sie wohl in seiner lateinischen Textvorlage fand - die Sarazenen überwunden und zum christlichen Glauben bekehrt. Dieser Teil der Rolands-Vita ist eine Zusammenfassung der ersten beiden Kapitel des ersten, eigentlich Karl gewidmeten Teiles bei Turpin.1168 Die Schlacht von Sahagún, bei der Rolands Vater Milo und Karls Pferd umkamen, genauso wie die erfolgreiche Eroberung der Stadt Agen, die bei Turpin zwei ausführliche Kapitel in der Darstellung einnimmt, kürzt Mennel auf den Umfang einer Folioseite.1169 Die Heeresschau beim Kampf gegen Aigolandus, dem Führer der Sarazenen, ist dagegen recht ausführlich und hält sich sehr nahe an die lateinische Vorlage.1170 Karl habe, so berichtet Mennel, 30000 streitbare Männer zusammengebracht, unter ihnen „Turpinus, ertzbischoff zu Remis obgenannt, Rothlandus der theur riter graff zu Cenomant dis kaysers schwöster son aus Bertha unnd ain son Milonis von Anglers, hertzog Oliverius, Behemen graff, Estultus Lingenen, Arastanus hertzog in Brytania, Engelerus hertzog In Aquitania, Guiferus hertzog burdegalensis, Gelerus gebong Salomon und Baldumg des gemeltem Rothlandus bruder, Gundebondus kunig frixie, Naamon hertzog zu Bayern, Ogerus hertzog zu tennmark, Lambertus hertzog biturie, Sambson hertzog zu Burgundi, Constantius der Romer Hauptman, Rheginaldus de alba spino, Gualtherius de thermis, Guilhelmus, Gerinus hertzog zu Lothringenn, Bogo, Bertrandus de nulibus, Ganalonus der verräter von mentz und sunst vil kriegsleut […]“.1171

Die Ausführlichkeit in der Namensnennung der einzelnen Gefolgsleute Karls des Großen zeigt zum einen, daß Mennel daran gelegen war, seiner Legende einen möglichst authentischen Anschein zu geben - zum anderen präsentiert er bewußt Karls Kreuzzug als ein Unternehmen, das von Adligen 1166

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Eine Variante der Überlieferung des Turpintextes findet sich beispielsweise hauptsächlich im deutschsprachigen Westen verbreitet, wie in den Städten Bern, Straßburg, Arlberg, Regensburg und auf der Reichenau, vgl. dazu Turpin: Die Chronik von Karl dem Grossen und Roland: der lateinische Pseudo-Turpin in den Handschriften aus Aachen und Andernach, ed., kommentiert u. übers. von Hans-Wilhelm Klein (Beiträge zur romanischen Philologie des Mittelalters ; 13). München 1986, S. 17. Vgl. dazu Bourgain, P.: Art. Pseudo-Turpin. In: LdMa, 7. Sp. 310. Turpin: Die Chronik von Karl dem Grossen und Roland, S. 36 f., Kap 1-2. Vgl. ebd., S. 48-54, Kap. 8-9 und cvp 3077*, fol. 90r/v. Turpin: Die Chronik von Karl dem Grossen und Roland, S. 56, Kap. 11. Vgl. cvp 3077*, fol. 90v-91r.

213 Frankreichs, Burgunds, Frieslands, Dänemarks und Italiens mitgetragen wurde1172. Auch diese Heeresschau bestätigt ein weiteres Mal die schon mehrfach gemachte Beobachtung, daß Maximilian seine Kreuzzugspläne nicht nur als ein Projekt der deutschen Könige, sondern als ein gesamteuropäisches

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verstanden

haben

wollte.

Nicht

noch

einmal

sollten

seine

Türkenkriegspläne an einem zerbrochenen Bündnis mit einem europäischen Nachbarn scheitern1173, wie es auf dem Wormser Reichstag von 1495 das zerbrochene Bündnis mit Frankreich bewirkt hatte.1174 Der heilige Wilhelm wird als Herzog von Aquitanien und Graf von Poitou vorgestellt.1175 Er ist das dritte Beispiel eines Heiligen Kriegers, wie ihn die St. Georgs-Ritter von Mennel präsentiert bekamen. Auch Wilhelms Vita ist wie die Legenden der anderen heiligen Krieger vergleichsweise ausführlich. In jungen Jahren hätten Wilhelm, so erzählt Mennel, Vergnügungs- und Ruhmsucht geleitet.1176 Ohne Gottesfurcht habe er sogar seine Frau und seinen Bruder getötet. Erst der heilige Bernhard habe es beim zweiten Versuch zu Wege gebracht, Wilhelm zur Umkehr zu bewegen. Dies habe sich während des Papstschismas ereignet: Als sich nämlich Wilhelm zunächst nicht auf die Seite Innozenz’ II. habe schlagen wollen, habe der heilige Bernhard den heiligen Geist auf Wilhelm kommen lassen und ihn dadurch in einen anderen Menschen verwandelt. Auf Bernhards Wunsch habe sich Wilhelm Papst Innozenz II. untertänig gemacht und die Beichte bei einem Einsiedler abgelegt. Dieser habe ihm zur Weltabkehr geraten und empfohlen, barfuß zu Innozenz zu gehen und diesen um Verzeihung zu bitten, da er ihn nicht von Anfang an als Papst favorisiert habe. Nachdem aber Innozenz zwischenzeitlich gestorben und Eugenius diesem auf dem Papststuhl nachgefolgt sei, habe der neue Papst Eugenius dem reuigen Wilhelm lange keine Absolution erteilen wollen, ihm aber aufgetragen, zum Patriarchen nach Jerusalem zu gehen. Dem sei Wilhelm nachgekommen, habe dort fünfzehn Jahre asketisch in einer Hütte gehaust und sei nach „Ober Tuskia“ weitergezogen, nachdem ihn Freunde und Diener in seiner gesuchten Einsamkeit aufgespürt hätten. Als in einer tuskischen Stadt der Krieg des Teufels gewütet habe, hätte Wilhelm gerne gegen ihn zur Waffe gegriffen, davon aber abgelassen, nachdem ihn Gott aufgefordert habe, 1172

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Bei Mennel kommen die genannten Vertreter aus Angliers, Langres, der Bretagne, der Stadt Aquitania, Le Mans, Friesland, Bayern, Dänemark, Bourges, Burgund, Rom, Aubespin, Termes, Lothringen, Metz. Er läßt den Hinweis auf die Orte Bloye, Genf, Bordeaux, Nantes, Beaulande, Grenoble weg. Es ist auszuschließen, daß Mennel diese Ortsangaben wegließ, da sie ihm seine Vorlage nicht bot. Vgl. dazu den kritischen Apparat in der Ausgabe von Meredith-Jones, C.: Historia Karoli Magni et Rotholandi ou chronique du Pseudo-Turpin: Textes revús et publies d’apres 49 manuscrits. Genève 1972. S. 122-126. Der Vergleich der Handschriften ergibt hier, daß in den einzelnen Handschriften keine Namen weggelassen wurden. Zum Verhältnis Maximilians I. zum St. Georgsorden und den damit verbundenen Türkenplänen von 1495 vgl. Plösch, J.: Der St. Georgsorden und Maximilians I. Türkenpläne 1493/94. In: FS für Karl Eder zum 70. Geburtstag, hrsg. von Helmut J. Mezler-Andelberg. Innsbruck 1959. S. 33-56,. S. 40. Vgl. dazu Angermeier, H.: Der Wormser Reichstag 1495 - ein europäisches Ereignis. In: HZ 261 (1995). S. 739768. Insbes. S. 745 f. cvp 3077*, fol. 180v. Vgl. ebd., fol. 181r/v.

214 daß er sich wieder „in die gystlich Ritterschafft kere“. Vor dem Menschengetümmel in Jerusalem sei Wilhelm „Zu Sant Jacobenn1177“ gegangen und übers Meer nach Hispania gefahren. Im Land „Pisayda“ habe er in einer kleinen Waldhütte gelebt und ein Spital gebaut. Gestorben sei er, nach weiterer Reise, am 10. Februar 1156. In der Wilhelmslegende ist das Ereignis der Bekehrung des Heiligen von einem weltorientierten Adligen zu einem gottesfürchtigen Diener Gottes der Dreh- und Angelpunkt der Erzählung. Das erste Zeichen von Wilhelms christlicher Einstellung ist sein Schulterschluß mit Papst Innozenz II. während des päpstlichen Schismas und seine Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber dem obersten kirchlichen Würdenträger. Wilhelm wählt den Rückzug von jeglichen weltlichen Einflüssen, und selbst vor seinen einstigen Dienern und Freunden flieht er. Seine Aufmerksamkeit gilt alleine Gott und der Kirche. Wilhelm mag von Mennel sicherlich als ein Beispiel für den St. Georgs-Ritter gewählt worden sein, weil es die Aufgabe von Verpflichtungen gegenüber den eigenen Regierungsgeschäften und die Bereitschaft des absoluten Gehorsams gegenüber der kirchlichen Autorität, dem Papst, demonstriert. War es bei Karl dem Großen die entschiedene Haltung, mit dem eigenen Leben die Menschheit vor den Übergriffen der Heiden schützen zu wollen, und bei Roland die Treue gegenüber Karl, die ihn veranlaßte, im Auftrage seines Feldherren jede Todesgefahr auf sich zu nehmen, so ist es bei Wilhelm der Gehorsam gegenüber dem Papst, der ihn zum Vorbild der St. Georgs-Ritter macht. Das Beispiel der Legende des heiliggesprochenen Erzbischofs von Canterbury vertieft die Frage nach dem Gehorsam gegenüber weltlicher und kirchlicher Macht. Mennel gibt zu, gerade bei Thomas Becket nicht darüber informiert zu sein, in welchem „gradus der freundtschafft“1178 er mit dem Hause Habsburg verwandt sei. Er nimmt ihn aber mit der Begründung in sein Legendar auf, daß er aus der Lektüre alter Schriften die berechtigte Annahme abgeleitet habe, Becket sei mit dem Hause Habsburg verbunden. Offensichtlich hat Mennel bei diesem Heiligen weniger seine Nähe zum Hause Habsburg als dessen Persönlichkeit dazu bewegt, ihm einen Platz im habsburgischen Heiligenhimmel zu schaffen.1179 Mennel nennt Thomas in der Überschrift zu seiner Legende einfach nur „Sant Thomam genant von Candelberg“1180 und sieht davon ab, ihm einen adligen Titel zu geben; erinnert man sich beispielsweise an den iroschottischen Pilger Fridolin1181, so hatte man hier beobachten können, daß Mennel durchaus auch bereit war, auf der Grundlage plausibler Momente auf die adlige, ja sogar königliche Herkunft eines Heiligen zu schließen. Mit Herkunftsangaben zu Thomas hält sich Mennel jedenfalls zurück - vielleicht wußte er auch nicht, daß der englische Bischof aus einer 1177 1178 1179 1180 1181

Ebd., fol. 185v. cvp 3077**, fol. 117r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 197. cvp 3077**, fol. 117r. Vgl. dazu in dieser Arbeit S. 188.

215 Kaufmannsfamilie stammte1182, denn eine mögliche Textvorlage für die Thomaslegende, wie beispielsweise die elsässische Legenda Aurea, schweigt auch über die Herkunft des Heiligen.1183 Die Legendenerzählung1184 Mennels setzt mit der Berufung Beckets zum Kanzler König Heinrichs II. von England ein. Er sei an den Hof des Königs gekommen und habe „das ungaystlich und ungotzforchtig leben“ aus nächster Nähe mitbekommen. Um sich darüber zu beklagen, sei Becket zum Bischof von Candelberg, Theobald, gegangen, der ihn für seine Redlichkeit mit dem Amt des Archidiakons belohnt und ihn gebeten habe, doch königlicher Kanzler zu werden, damit er die „bösen mentschen“, die dem Bistum nur schaden wollten, in ihre Grenzen weise. Schließlich sei Thomas Theobalds Nachfolger im Amt des Bischofs von Candelberg geworden.1185 Mennel führt im weiteren Verlauf seiner Erzählung Beispiele für Beckets streng christliche Lebensführung an. Mit König Heinrich II. habe Becket sich in seiner Autorität als Bischof von Candelberg dann aber überworfen, nachdem dieser königliche Freiheiten über die Kirchengüter eingefordert habe. Als der König Hof gehalten habe, hätte er sogar das Leben der eingeladenen Bischöfe bedroht, um von ihnen die Freiheiten über die Kirchengüter zu erpressen. Auf diesem Druck hin habe Thomas ihm die königlichen Freiheiten zugestanden, aber kurz darauf, von Gewissensbissen geplagt, vom Papst Absolution erbeten. Als Thomas daraufhin dem englischen König die zugesagten Freiheiten verweigert habe, sei der Papstfreund mit seinen Freunden aus dem Land vertrieben worden. Heinrich habe bei der Vertreibung weder auf Kinder, noch auf Wöchnerinnen, noch auf Alte Rücksicht genommen. Im Exil bei König Ludwig von Frankreich habe Thomas trotz der Grausamkeit für den englischen König gebetet. Nach acht Jahren sei Thomas auf göttlichen Rat nach England zurückgekehrt. Nachdem sich Thomas aber noch immer den Forderungen Heinrichs widersetzt habe, hätten Ritter den in der Kirche betenden Thomas enthauptet. Die Strafe Gottes schildert Mennel nachdrücklich: Kurze Zeit später habe die Stadt gebrannt und die Mörder des Thomas hätten sich die Hand, mit der sie den heiligen Thomas gemartert hätten, selbst abgebissen. Vom Grab des heiligen Thomas gingen bis zum heutigen Tage Heilungswunder aus, so endet Mennel. Die Legendenfassung Mennels präsentiert den englischen König Heinrich II. als machthungrigen weltlichen Herrscher, der rücksichtslos zum Mittel der Grausamkeit greift, um seine persönlichen Machtinteressen gegenüber der Kirche durchzusetzen. Weder den Bischof noch den göttlichen Vertreter auf Erden, den Papst, akzeptiert er in ihrem Machtbereich. Daß es von Mennel sichere Absicht gewesen sein muß, Heinrich als weltlichen Herrscher zu disqualifizieren und ihn zu einem abschreckenden Beispiel eines gottlosen Herrschers zu stilisieren, beweist ein inhaltlicher Vergleich 1182 1183 1184 1185

Vgl. dazu Schnith, K.: Art. Thomas Becket. In: LdMa, 8. Sp. 702-704. Vgl. Jacobus de Voragine: Legenda Aurea, S. 66-69, 11. Legende. Vgl. cvp 3077**, fol. 117r-121r. In den Legenden des deutschsprachigen Raumes wird Thomas Becket meist ‚Thomas von Candelberg‘ genannt. Vgl. dazu Barth, M.: Zum Kult des hl. Thomas Becket im deutschen Sprachgebiet in Skandinavien und in Italien (Freiburger Diözesan-Archiv, 80). 1960, S. 98.

216 von Mennels Legendenfassung mit den Vorlagen der Becketlegende, die Mennel zum Abfassen der Vita rezipiert haben konnte. So unterschlägt die Elsässische Legenda Aurea nicht, wie Mennel, den Hinweis, daß Thomas Becket und König Heinrich II. zu Anfang in einem guten Verhältnis zueinander gestanden hätten. Es sei nämlich der König selbst gewesen, so heißt es in der elsässischen Legendenfassung, der den heiligen Thomas darum gebeten habe, „des bischofes canceler“ zu werden, damit er „mit sinre wisheit gestillete die ungestuemikeit der die dem bistúme sin gůt mit unrehte vorbehúbent, und die kirch tegeliche berobent“1186. Der König habe ihn sogar „so lieb“1187 gewonnen, daß er ihn nach Theobalds Tod zu dessen Nachfolger ernannt habe. König Heinrich II. erscheint hier also nicht nur als egoistischer Kirchengegner, sondern als Herrscher, dem durchaus auch das Wohlergehen der Kirche am Herzen liegt und der mit Thomas einen zunächst freundschaftlichen Umgang pflegt. Mennel dagegen unterschlägt diese kleine, aber für das Charakterbild König Heinrichs II. doch wichtige Nuance der elsässischen Legende. Mennel betont dagegen, daß es Theobald gewesen sei, der Thomas zuerst zum Archidiakon und dann zum Kanzler ernannt habe, damit er die Kirche schütze. Die Idee Theobalds, den jungen Thomas in dieses Amt zu bringen, wird bei Mennel in unmittelbaren Zusammenhang mit dem negativen Bild vom königlichen Hof Heinrich II. gebracht. Die weltliche Macht steht in Mennels Legende für Genußsucht und ungezügelte Machtgier, die mit der Kirche keinen versöhnlichen Dialog sucht. Im Gegensatz zur Legenda Aurea sucht Heinrich mit Thomas bei Mennel nur dann das Gespräch, als es ihm um die Ausweitung des königlichen Machtbereiches auf Kosten des kirchlichen geht. Wenn Mennel Thomas Becket, dessen Tod als klares Votum für die unantastbare Grenzziehung zwischen geistlicher und weltlicher Macht steht, bewußt zu einem Habsburger macht, so formuliert er mit dieser Legende zugleich auch das habsburgische Bekenntnis zu dem Grundsatz des Thomas Becket. Mennel kleidet diesen Grundsatz in die begründende Antwort des heiligen Thomas, als dieser König Heinrich II. die Bestätigung der königlichen Freiheiten auf das Kirchengut versagt: Er verweigere nämlich dem König die eingeforderte Bestätigung, da „die weltlichen kirchengueter ze besizen kain reht haben“.1188 Ein Zuwiderhandeln gegen diesen Grundsatz, so Thomas, würde bedeuten, den Zorn Gottes zu provozieren. Und das wolle er vermeiden. Die Richtigkeit des Thomasischen Grundsatzes beweisen die Erscheinungen, die auf die Ermordung des Bischofs folgen: Seine Mörder verstümmeln sich selbst und die Stadt Candelberg brennt. Bei Beckets Grundsatz handelt es sich um ein göttliches Gesetz, das unumstößlich und grundlegend für Verhandlungen zwischen weltlicher und geistlicher Macht ist.

1186 1187 1188

Williams, U.; Williams-Krapp, W. (Hrsg.): Die Elsässische Legenda Aurea, 1, S. 76, Z. 14 ff. Ebd., S . 76, Z. 17. cvp 3077**, fol. 118r.

217 Die besondere Verehrung des Heiligen durch Maximilian I. spiegelt sich auch in einem Hochchorfenster des Freiburger Münsters wider, das der Kaiser im Jahre 1512 stiftete.1189 Darin wird Becket gezeigt, dessen Linke ein offenes, der Brust zugewandtes Buch hält, und in dessen Mitra ein Schwert geschlagen ist. Mit dieser Darstellung und der Aufnahme des Heiligen in die Reihe der Habsburger konnte sich Maximilian zudem des Wohlwollens jener Klöster sicher sein, die den kämpferischen Becket besonders verehrten.

1190

Dazu zählten zahlreiche Klöster des

Benediktiner- und des Zisterzienserordens, die, verstreut über das ganze deutsche Reich und in der Eidgenossenschaft, den Kult des heiligen Thomas pflegten.1191 Für den St. Georgs-Ritter trennt die Becketlegende den Auftrag zum Kreuzzug eindeutig von weltlichen Machtinteressen. Maximilian I. Zweifellos antwortete Maximilian mit dieser Legende auch auf ein zentrales Thema des fünften Laterankonzil, das von 1512 bis 1517 stattfand1192: Der Schutz kirchlichen Eigentums war für den Papst ein Desiderat geworden. Für diesen Schutz garantierte die Verehrung des Thomas Becket durch das Haus Habsburg und die St. Georgs-Ritter zwar nicht auf der rechtlichen, aber immerhin auf der kultischen Ebene. Das habsburgische Heiligenlegendar bot folglich den St. Georgs-Rittern auf der inhaltlichen Ebene Orientierung in ihren Werten. Die besonders ausführlichen Viten der milites Chritiani, wie es beispielsweise Karl der Große, Wilhelm von Aquitanien, Roland und Thomas Becket sind, bieten Werte, die der humanitas der St. Georgs-Ritter das von Maximilian I. beabsichtigte Profil geben: Spontane Bereitschaft zur Hilfe gegenüber der bedrohten Christenheit, Aufopferungsbereitschaft und Treue gegenüber dem Feldherren, sowie Gehorsam gegenüber dem Papst.

8

Schlußbetrachtung

Die einleitende Vermutung dieser Arbeit, daß die Fürstliche Chronik, die sich Kaiser Maximilian I. auf seinem Totenbett hatte vorlesen lassen, habsburgisches Selbstverständnis repräsentierte, hat sich bestätigt. Abschließend können nun die einleitend entwickelten Fragen der vorliegenden Untersuchung zu den habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel beantwortet werden.

1189

1190

1191

1192

Vgl. die Darstellung des heiligen Thomas im Fenster des Freiburger Münsters im Anhang dieser Arbeit, S. 268, Abb. 4. Der blutige Tod Beckets war maßgebend für die schnelle Verbreitung seines Kultes, „denn es bedeutete einen furchtbaren Anschlag auf die ganze kirchliche Hierarchie, die in der Ehrung des Märtyrers größte Solidarität bekundete“, vgl. Barth, M.: Zum Kult des hl. Thomas Becket im deutschen Sprachgebiet, in Skandinavien und in Italien (Freiburger Diözesan-Archiv, 80). 1960. S. 102. Die Verehrung des Thomas Becket belegen zahlreiche Reliquien und Darstellungen in den Klöstern Lothringens, der heutigen Schweiz, des Elsaß, des Bodenseeraumes, entlang des Rheins und Österreichs. Vgl. dazu die Angaben ebd., S. 103 ff. Vgl. dazu Mimmich, N. H.: Art. II. Lateran V (1512-1517). In: TRE, 20. S. 489-492.

218 Bei den methodischen Vorüberlegungen dieser Arbeit wurden drei Komponenten vorgestellt, die sich auf die klassische Repräsentation des habsburgischen Selbstverständisses im habsburgischen Heiligenlegendar auswirkten: Die erste Komponente war Maximilian I. als der Auftraggeber dieses Legendars, die zweite Komponente der europäische Adel als jene gesellschaftliche Gruppe, gegenüber der sich der Habsburger Maximilian I. zu repräsentieren hat, und Jakob Mennel als der Autor, der seine Darstellung dem Verständnishorizont des Adels, den Vorstellungen seines Auftraggebers Maximilian I., und seinem eigenen Können und Wissen anpassen mußte. Das Wechselspiel dieser drei Komponenten hat die Untersuchungsschritte der vorliegenden Arbeit zum habsburgischen Selbstverständnis bestimmt. Zum Rahmen der klassischen Repäsentation des habsburgischen Selbstverständnisses, den Maximilian I. seinem Autor Jakob Mennel vorgab, bleibt festzuhalten, daß Maximilian im Trend seiner Zeit lag und der traditionellen Präsentation adligen Selbstverständnisses folgte, wenn er sich 1505 dazu entschied, als Teil der Fürstlichen Chronik des Hauses Habsburg ein Heiligenlegendar abfassen zu lassen. Da zudem bei den kaisernahen Humanisten wie Jakob Wimpfeling oder Heinrich Bebel die nationale Historiographie Hochkonjunktur hatte und in der damaligen Gelehrtenwelt auf enormes Interesse stieß, war der oberste Regierende in dieser Nation, der Habsburger Maximilian I., dazu gezwungen, schließlich auch seine Rolle und die seines Herkunftshauses zu definieren. Um das leisten zu können, mußte Maximilian sich zu seinem Herkunfthaus und den übrigen Adelsgeschlechtern Europas in Beziehung setzen. Im profanen Teil der Fürstlichen Chronik wurde diese Absicht Realität: Die Darstellung der genealogischen Vernetzung des Hauses Habsburg verortete das Herkunftshaus Maximilians I. in der Tradition europäischer Herrscherhäuser und gab Auskunft über seine Vorrangstellung. Zum anderen erfreuten sich Heiligenlegendare - ein treffendes Beispiel war Der Heiligen Leben von Sebastian Brant - zu Beginn des 16. Jahrhunderts besonderer Beliebtheit, so daß die Wahl der legendarischen Textgattung für Maximilian I. als eine naheliegende Möglichkeit erscheinen mußte, seine Vorstellung von habsburgischem Selbstverständnis literarisch fassen zu lassen. Mit der Idee, über Heiligenkult das Selbstverständnis eines Adelshauses gegenüber anderen Geschlechtern zu präsentieren und einzelne Familienmitglieder über Legenden in das Licht der Heiligkeit zu stellen, hatte Maximilian I. kein Neuland betreten. Herrscherlegitimation über den Nachweis der Geblütsheiligkeit eines Geschlechtes war schon vor Maximilian I. ein durchaus probates Mittel gewesen. Er ließ also die Legenden verschiedender Adelsheiliger aus diversen europäischen Adelshäusern, in deren Tradition sich das Haus Habsburg sah oder mit denen es sich solidarisch glaubte, in einen Legendar zusammenfassen. Damit hatte Maximilian seinen Anspruch, die gedechtnus schaffen zu wollen, um seinem Herkunftshaus ewigen Ruhm zu bereiten, in das liturgische Gewand eines habsburgischen Legendars gekleidet und damit den Rezipienten dieses

219 Legendars die Möglichkeit gegeben, auch über die liturgische memoria den Ruhm des Hauses Habsburg zu wahren. Die Grundlagen dafür hatte Maximilian I. schon lange vor 1505 mithilfe mehrerer Hofhistoriographen, insbesondere mit der Unterstützung des Hofhistoriographen Ladislaus Sunthaym, geschaffen. Im Rahmen dieser Vorbedingungen von Seiten Maximilians I. nahm Jakob Mennel seine Arbeit als kaiserlicher Hofhistoriograph im Jahre 1505 auf. Ab diesem Zeitpunkt beeinflußte der Wahlfreiburger

nun

entscheidend

die

klassische

Repräsentation

des

habsburgischen

Selbstverständnisses. Ihm setzten seine Möglichkeit der Informationsbeschaffung den Rahmen für die Ausführung der Maximilianeischen Auftragsarbeit. Durch sein Studium in Tübingen, Basel und Freiburg konnte Mennel im süddeutschen Raum auf ein Beziehungsnetz meist humanistischer Gelehrter zurückgreifen, durch deren Vermittlung er leicht in den Besitz von Werken, Buchinformationen und Empfehlungen kommen und Zutritt zu einzelnen Klosterbibliotheken finden konnte. Viele Verbindungen wird Mennel wohl seinem ehemaligen Tübinger Lehrer, Johannes Naukler, verdankt haben. Mennel wurde dabei von seinen Zeitgenossen immer als Jurist, nie als Humanist, und erst sehr spät als Hofhistoriograph Maximilians I. gesehen. Deswegen taucht er auch nicht namentlich in den Briefwechseln der humanistischen Gelehrten seiner Zeit, wie beispielsweise Jakob Wimpfelings, auf. Aber gerade die Tatsache, in Mennel einen Juristen und weniger einen Humanisten vor sich zu haben, mag Maximilian dazu bewogen haben, ihn für die Abfassung seines genealogischen Geschichtswerkes zu engagieren, das nach mittelalterlichem Verständnis eine juristische Arbeit war, um altes Recht wiederzufinden und Herrschaftsansprüche zu festigen. Daß Mennel historisches Arbeiten und Jurisprudenz miteinander verbinden konnte, hatte er schon im Amt als Stadtschreiber der Stadt Freiburg und bei seiner Kanzlertätigeit im deutschen Großpriorat des Johanniterordens in Heitersheim bewiesen. Natürlich war ein weiteres qualifizierendes Resultat dieser Arbeiten ein Beziehungsnetz gewesen, das auch über die Reichsgrenzen hinaus reichte und ihm erlaubte, unabhängig von seinem Amt als kaiserlicher Hofhistoriograph in Ländern mit habsburgfeindlichen Strömungen, wie beispielsweise Ungarn, unbehindert Nachforschungen anzustellen. Innerhalb dieses Rahmes konnte Mennel also darangehen, das habsburgische Legendar abzufassen. Ein exemplarischer Vergleich von Forschungen des Ladislaus Sunthaym hat dabei ergeben, daß Mennel wahrscheinlich einen Großteil seiner Informationen dem Wiener Hofkaplan Sunthaym zu verdanken hatte. Er war daher nicht gezwungen, grundlegende Nachforschungen beispielsweise im Rhônetal zu Heiligen anzustellen. Damit relativiert sich die Aussage Alphons Lhotskys, Mennel sei in der Schweiz und in Frankreich auf Forschungsreise gewesen. Mennel konnte nämlich gerade für

220 dieses Gebiet auf Informationen von Ladislaus Sunthaym zurückgreifen. Natürlich hat sich auch bei einzelnen Heiligen, wie dem heiligen Coloman und dem heiligen Wendelin gezeigt, daß Mennel auf der Grundlage von Suntahyms Angaben weiterforschte und noch nicht untersuchte Kultorte einzelner Heiliger besuchte. Bestätigt wird dagegen Lhotskys Aussage, Mennel habe in den Niederlanden geforscht. In der Tat hat sich gezeigt, daß Mennel in Klöstern in Brabant und im Hennegau Legendare und Einzelviten für seine Legenden einsah und auf deren Grundlage einzelne, auch weniger bekannter Kultorte in den Niederlanden und im Nordwesten des Reiches aufsuchte. Ansonsten arbeitete Mennel mit Landeschroniken und Weltchroniken, aus denen er das Wissen zu einzelnen Heiligen zog und die er leicht in Freiburg einsehen, oder sich über sein Beziehungsnetz zur Lektüre besorgen konnte. Auf diese Weise läßt sich auch erklären, wie Jakob Mennel seine Arbeit als Professor für Jurisprudenz in Freiburg und zugleich das Amt des kaiserlichen Hofhistoriographen wahrnehmen konnte: Seine Arbeit bei der Abfassung der Fürstliche Chronik bestand hauptsächlich darin, schon vor 1509, dem Jahr von Mennels Wienbesuch, zusammengetragenes Material zur habsburgischen Geschichte zu sichten und zu systematisieren, um darauf aufbauend gezielte Recherchen in einzelnen Klöstern und Bibliotheken von Freiburg aus anzustellen. Bei Mennels Quellenarbeit wie auch bei der Analyse des formalen Aufbaues der Fürstlichen Chronik war zu erkennen, daß Maximilian die Historiographie als Fundament der Hagiographie auffaßte und an sie die Maßstäbe einer kritischen Betrachtung anlegte. Dabei hatte er so viel Selbstbewußtsein, daß er auch traditionelle Meinungen zur Herkunft von Heiligen in Frage stellte, allgemein bekannte Legendenversionen verwarf und an ihrer Stelle lokale Kulte referierte. Mennel zeigte sich in seiner hagiographischen Tätigkeit also weniger als ein Autor von christlicher Erbauungsliteratur, sondern eher als ein Historiograph, der Legendäres nur wiedergibt, soweit es plausibel erscheint und in einen historischen Zusammenhang einzuordnen ist. Mennel zeigte sich dahingehend vom Humansimus geprägt, indem er Traditionen mit Hilfe von Quellenarbeit und der Arbeit mit historischen Überresten überprüfte. Johannes Naukler, sein Tübinger Lehrer, hatte an dieser Auffassung von historiographischer Arbeit – wie sich in einem kurzen Vergleich von Mennels Arbeitsweise und der Nauklers belegen ließ - sicherlich keinen unerheblichen Anteil. Die zweite Komponente, die Mennels Forschungs- und Schreibtätigkeit prägte, war seine Nähe zum Kaiser. Mit dem Auftrag, das habsburgische Geschlecht als das führende europäische Adelsgeschlecht mittels historiographischer Studien nachzuweisen, war Mennel dazu gezwungen, sich bisweilen für eine Quelleninterpretation zu entscheiden, die dieser Aussage zumindest nicht widersprach. Bezüglich seiner Arbeitsweise ist Mennel folglich als ein Koordinator von historiographischen Untersuchungsergebnissen zu bezeichnen, deren Auswertung er auf die

221 Aussage fokussierte, mit dem habsburgischen Geschlecht das führende Adelsgeschlecht Europas nachzuweisen, das die Weltherrschaft, insbesondere die Kaiserkrone für sich beanspruchte. Vor diesem Hintergrund läßt sich auch das Anwachsen der Anzahl der Heiligen im kalendarischen Teil und im Seligenbuch der Legendarfassung aus dem Jahre 1518 im Vergleich zu der Legendarfassung von 1514 verstehen. Nachdem in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen wurde, daß die Legenden der sancti und beati von 1518 zumeist nicht neuen Recherchen, sondern nur neugesichtetem Recherchematerial und Legendensplitting zu verdanken ist, zeigte sich auch darin Mennels Bedürfnis, die Geblütsheiligkeit des habsburgischen Geschlechtes an einer möglichst großen Zahl Heiliger zu erweisen, die in die Vewandtschaft des habsburgischen Geschlechtes gerechnet wurden. Aber auch hier beweist sich erneut die Vermutung, daß Mennel zwischen 1514 und 1518, nachdem der Hofhistoriograph Ladislaus Sunthaym verstorben war, nicht dazu überging, selbst weiterzuforschen, sondern auch in diesen Jahren vorrangig damit beschäftigt war, das vor 1514 recherchierte Material weiter auszuwerten, auf dessen Inhalt er in der Legendarfassung von 1514 vielleicht nur mit einer Bemerkung verweisen konnte. Mennels Leistung ist also weniger in der Recherche, als in der Auswertung und Komposition einzelner Rechercheergebnisse zu einer Chronik, die das Selbstverständnis des Habsburger Maximilians

I.

und

seines

Herkunftshauses

präsentierte,

zu

sehen.

Den

universalen

Herrschaftsanspruch des Hauses Österreich, den er in der Fürstlichen Chronik durch den Stammbaum, der das Haus Habsburg auf seinen trojanischen Ursprung zurückführte, und im vierten Buch seiner Fürstlichen Chronik mit dem Pfauen versinnbildlicht hatte, gibt Mennel im Heiligenlegendar durch die Angabe von Herkunft, Stift und Grab einzelner Heiliger wider. Mit seinen Herkunftsangaben entwirft Mennel ein europäisches Netz von Solidarität, dessen Fokus das Haus Habsburg ist. Durch dieses bewußt gespannte Netz werden die Habsburger als herrschendes Geschlecht in Europa erst handlungsfähig, da es ihnen die Möglichkeit gibt, durch die Inanspruchnahme der Solidarität anderer europäischer Herrscherhäuser wie England oder Ungarn ihre hauseigenen Interessen durchzusetzen. Die Stifte der Heiligen verwiesen dagegen auf Orte innerhalb des deutschen Reiches, die zur Zeit Maximilians I. unter geistlicher Herrschaft standen. Dort hatten sie die Funktion, ‚politische Inseln habsburgischer Interessen‘ zu sein, die habsburgische Stärke demonstrieren und eine habsburgfreundliche Stimmung bezwecken sollten. Zuguterletzt instrumentalisierte Mennel einzelne Hauptkultstätten ausgewählter Adelsheiliger verschiedener Herrscherhäuser, in deren Tradition sich das Haus Österreich durch Ansippung gestellt hatte. Diese Heiligengräber lagen hauptsächlich an den Außenrändern der habsburgisch regierten Gebiete: Im Elsaß, im Rhein-Mosel-Gebiet und im Hennegau. Mennel sicherte damit über die bewußte Nennung von Herkunft, Stift und Grab einzelner Heiliger habsburgischer Herrschaft.

222 Dort das Bewußtssein der habsburgischen Vormacht wachzuhalten, was das Privilegium Maius zu König Rudolfs IV. Zeiten schon leistete, mußte ein Aspekt bei der Gestaltung des habsburgischen Heiligenlegendars sein. Die Aussagen des Privilegium Maius, das gerade zu Maximilians I. Zeit aus seinem nächsten Umfeld in ihrer Echtheit angezweifelt wurden, nun auf eine historische Grundlage zu stellen, die sich auch im Heiligekult wiederfand, mußte das Ziel des Legendars sein. Das habsburgische Heiligenlegendar war somit kein Luxus an gedechtnus, das sich Maximilian zur Selbstversicherung der habsburgischen Vorherrschaft schreiben ließ, sondern ein notwendiges Dokument habsburgischer Herrschaftssicherung, die durch die Existenz des Priviliegium Maius zu Maximilians I. Zeit nicht mehr gegeben war. Genauso, wie auch schon die Merowinger und Karolinger über den Nachweis der Geblütsheiligkeit ihres Geschlechtes den Beweis erbrachten, eine Vorrangstellung gegenüber den anderen Adelsgeschlechtern inne zu haben, erbringt diesen Nachweis nun auch das Haus Habsburg. Der von Karl Hauck geprägte Begriff der ‚Geblütsheiligkeit‘ als Instrument der Herrschaftssicherung eines Adelsgeschlechtes hat sich damit auch am Beispiel des habsburgischen Legendars bestätigt. In engem Zusammenhang mit dem habsburgischen Nachweis, zur Hegemonialherrschaft legitimiert zu sein, steht Maximilians I. Absicht, als deutscher Kaiser einen Kreuzzug gegen die Türken anzuleiten. Gerade auf diesen Wunsch ist das Heiligenlegendar, und mit ihm der habsburgische Heiligenkalender abgestimmt. Da der habsburgische Heiligenkalender die Liturgie des kaiserlichen St. Georgs-Ordens, den Maximilian als Verbindung Adliger auch zur Wahrung habsburgischer Interessen schuf, bestimmte, mußte er einzelnen Ordensmitgliedern über die Kalenderheiligen des Hauses Habsburg die Möglichkeit geben, sich mit der Liturgie der Habsburger zu identifizieren. Die Analyse des Heiligenkalenders hat ergeben, daß insbesondere Adlige aus dem süddeutschen Raum und dem Rhein-Moselgebiet über die Heiligenauswahl im Kalender angesprochen werden mußten, da ein Großteil der im Kalender genannten Heiligen dort besonders verehrt wurde. Mit diesen Rittern hoffte Maximilian I. einen erfolgreichen Kreuzzug organisieren zu können, ohne dabei zu vergessen, ihnen über die Heiligen des habsburgischen Legendars, das auf den Angaben des Kalenders basierte und zu den Namen einzelner Heiliger auch die erläuternde Legende bot, eine Kriegsethik zu vermitteln, die den erfolgreichen Ausgang dieses Unternehmens garantierte. Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel stellen somit auf der liturgischen Ebene ein Selbstverständnis des habsburgischen Hauses vor, das seine Vormachtstellung unter den europäischen Adelsgeschlechtern über seine Tradition und einen erfolgreich durchgeführten Kreuzzug definiert. Maximilian I. war originell in der Idee, dieses Selbstverständnis liturgisch an ausgewählte Adlige zu vermitteln. Damit konnte er Einfluß auf die konkrete Lebenswirklichkeit der St. Georgs-Ritter nehmen, die bei der Verwirklichung dieses politischen Zieles helfen sollten. Mennel trug diesem Anspruch seines Auftraggebers durch die geschickte Organisation und

223 Präsentation des ihm gebotenen Informationsstoffes Rechnung - dem Urteil, in Mennel einer der „weniger geistreichen Köpfe“ am Hofe Maximilians I. gefunden zu haben, kann damit keinesfalls zugestimmt werden.

224

Anhang

Die Legendenüberschriften (titul) der heiligen Freunde des Hauses Habsburg von 1514, cvp 3077 ** 1. Von himelfurstin Sant elsbethen, landgrafin von hessen, geboren kunigs tochter von unnger 2. Von Sant haidwigen, herzogin von Meran, grävin zu Tyrol, Sannt Elsbethen bas 3. Von Sant Lasslin, kunig in Unger 4. Von Sant Steffan, kunig in Unger 5. Von Sannt Emerich, künigsson in Ungern 6. Von Sant Ludwigen, dem konig von Sicilia 7. Von Sant fridlin, künigson von Schotten, apt zü Sant hylarien in picardii, Stiffter des gotshaus Seckingen 8. Von Sant Brigita, künigs tochter von Schotten, Junckfrawen 9. Von San,t Colman, kunigsson vonn Schotten 10. Von Sant Rumolden, künigsson von Schottenn 11. Von Sant Wendeln, künigs son von Schotten 12. Von Sannt Luzen, künig in Brittania 13. Von Sant ursulen, der hochgelopten kunigstochter von britannia 14. Von Sannt Josen, kunig son In britania 15. Von Sannt Richarden, dem herzogen in Schwaben und kunig von Enngellannd 16. Von Sant Willibalden , konigs son von Enngelland 17. Von Sant Wunenbalden, künigs son von Enngellland 18. Von Sannt Walpurgen, künigstochter von Enngelland 19. Von Sant Bonefacien, Erzbischoffen zu Menz, der vorgemelten Sant Walpurgenn natürlicher vetter 20. Von Sannt adelberthen, kunig In engelland 21. Von Sant Edgaro, kunig von Enngellannd 22. Von Sant Edwarden, dem ersten kunig von Enngellannd 23. Von Sant Eduardo, künig von Enngelland 24. Von Sannt Edeldrüd, konigs tochter von Enngellannd 24. Von Sant Edmundo I., kunig von Enngellannd 25. Von Sannt Eadmundo 2., kunig von Enngellannd 26. Von Sant Oswald, künig von Enngellannd 27. Von Sannt Ludwigen, künig vonn franckreich 28. Von Sannt Roberten, kunig In franckreich 29. Von Sant hermigilden, kunigs son von Arrogonia 30. Von Sant Sebolden, kunig von Tennmarck 31. Von Sant Wenzelao [ dem romischen kunig unnd ist durchgestrichen ] herzogen von Behem 32. Von dem hailigen Bapst Leo, vormals Bruno genant, graven von habspurg 33. Von Sant hugbalden, graven zu kyburg unnd zu dillingen

225 34. Von Sant ulrichen graven von kiburg und dillingen 35. Von Sant wolfgangen, graven zu feringen und bischoffen zů Regenspurg, des vorgemelten Sant ulrichen vetter 36. Von Sannt Thoman, genant von Candelberg 37. Von Sant Ita, Grafin von dockenburg, geboren von kirchberg, Ainsidlin

Die Legendenüberschriften (titul) der heiligen Blutsverwandten des Hauses Habsburg von 1514, cvp 3077* 1. Von Sannt Ludwigen, als Clodoveo, dem ersten cristen kúnig In francken 2. Von Sant leonharten, des vorgemelten kúnig ludwigs vetter 3. Von Sant ferreolo, herzog Ansberths Son In ober unnd Nider austrasia 4. Von Sant Moderico, herzog ansberths Son von ober und Nider Austrasia 5. Von Sannt Tharsicia, herzog Ansberths dochter von obe rund nider Austrasia 6. Von Sannt oda, herzogin von schwaben 7. Von Sannt Aldegünden, graff waldberths dochter vom hennigow 8. Von Sannt Waldedruden, graff waldberths von hennigow dochter 9. Von Sannt Aldedrüden, des gedachten Sannt Vincenzen und Sannt waldedrüden Gravon von hennigow dochter 10. Von Sant Landric, Graven zů hennigow 11. Von Sannt denthelin, des gedachten Sant Vincenzen und Sant waldedrüden son, graven von hennigow 12. Von Sant Madelberthen, des vorbestimbten her vinvenzen und Sant Waldedruden grevin von hennigow dochter 13. Von Sant Arnolphen, der auch genempt ist Bodegisilus, herzog arnolds von Lotharick son, Margraff zu antorff 14. Von sant Boerico, kunig gamards son von Aquitania 15. Von Sant firmino, des vorgemelten kúnig gamards bruder von Aquitania 16. Von sant deothario, des vorgemelten Sant firminen Bruder 17. Von Sant Segolena, künigsdochter von aquitania 18. Von Sant Amelbergen, graff wansberths dochter vonn hennigow 19. Von Sant Vinancio, herzog dietrichs Son von Lotharick 20. Von sant Bengülfo, herzog von lotharick 21. Von sant bertela, herzog dietrichs dochter von Lotharick 22. Von Sannt Guido, herzog von Lotharingen 23. Von Sant Emesberth, Graff witgers von Brabant son 24. Von S Gudila, Graff witgers von brabant dochter 25. Von Sant Reimeldis, Graff Witgers von Brabant dochter 26. Von der edlen Junckfawen Sant pharahilden, Graff wytgers von Brabant dochter 27. Von Sant Ermelindis, graff Witgers dochter von brabannd 28. Von Sant Reimberthen, graff wytgers son von Brabannt 29. Von Sannt Aliberten, Graffe von Brabannt 30. Von der Edlen herzogin Sant Doda, herzogin von schwaben, Sant Arnulphen gemahel 31. Von Sant Cleodolpho, Sannt Arnulphen des marggrafen Son von Anntorff 32. Von sant Wandrillo, herzog Walchisen zu Brabant unnd Lotharick 33. Von Sannt Bega, Sant pipinen des Erzfürsten dochter in Lotharick 34. Von sant Gerdrüden, des hayligen herzog pipinen dochter von Lotharick

226 35. Von Sant pipinen, Erzherzog In Lotharick, karolomanni des prinzen von hasbego und Sant Amelbergen son 36. Von Sannt Ageneberthen, des vorbestimbtenn Sannt pipinen Bruder 37. Von Sannt Amelbergen, karolomanni des prinzen dochter von hasbegow 38. Von Sant Amelbergen, karolomanni des prinzen von hasbego Eegemahel, geboren von Austrasia 39. Von Sant ydübergen, Sant pipinen Eegemahel, geboren von aquitania 40. Von Sannt Modoalden, herzog Son von Aquitania unnd gedachter Sannt ydubergen Bruder 41. Von sant Severa, herzog dochter von Aqüitania, Sant ydübergen schwöster vorgemelt 42. Von sant plectrudis, pipinen des grossen herzogen von lotharick egemahel 43. Von Sant Grimoalden, herzog pipinen Son von Lotharick, graff von friesen 44. Von sant Siluino, herzog pipinen son von Lotharick 45. Von Sant Notburgen, künig pipinen des grossen dochter von Lotharick 46. Von Sannt karolomanno, herzog karoli Martelli Son von Lotharick 47. Von Sant Remigien, herzog karoli Martelli Son von Lotharick 48. Von Sannt Landrada, herzog karoli Martelli tochter von Lotharick 49. Von Sant Alardenn, herzog gerharts son von Lotharick 50. Von sant karolomagno, kúnig pipinenn des klainen son von franckreich und erster Römischer kayser der teütschen 51. Von Sannt Simprechten, dem Bischoff zu Augspurg, kayser karlins erster schwoster son 52. Von Sant Rothlanden, dem theüren ritter kayser karlins anderez schwöster son 53. Von Sannt Hildegarden, Romische kayserin, geboren herzogin von Schwaben unnd Bayer 54. Von sant hügen, des grossen kayser karlins son 55. Von sant drogo, kayser karlins son 56. Von sant Veronen, künig Lüdwigs Teutscher landen son 57. Von sant Verona, künig ludwigs Tewtscher landen dochter 58. Von sant Cünraten, Graf hainrichs von Altdorff Son, von den welfen abkomen 59. Von sant Rickart, künigin von schotten, kayser karlins des dritten eegemahel 60. Von sannt hüperthen, herzog Son von aquitania, künig lotharii Schwagewr und Bischof zu lüdich 61. Von sant kayser hainrichen, herzog von Bayern 62. Von Sant kunigunden, Römische kaiserin, geboren pfalz gräfin Rein 63. Von Sant Sigmünden, kúnig von Bürgündi 64. Von sant Maüricien, des vorbestimbten künig Sigmunden schwöster 65. Von sant Dagoberthen, kúnig in franckreich, ain son Clotharii 2° und von sant notburgen seiner Jungen tochter 66. Von Sant Sigiberthen, kúnig In aüstrasia:Osterreich 67. Von Sant Yrminen, künig dagoberths dochter von franckreich 68. Von sant Baüo, als allowino erbfürst der eüstrasier geborenn von hasbegöw 69. Von Sant Bathilda, konigin von Neüsterreich, geboren herzogin von Saxen 70. Von sant ottilien, herzog Ettrichs dochter in Elsäss 71. Von Sannt Adela, herzog adelberths tochter In elsäss 72. Von Sant Clodoalden, künig Clodomiri Son zu Orliens 73. Von sant Rüperthen, Ottperthi des ersten fürsten von habspurg vetter 74. Von Sant Trütperthen, des vorbestimpten Sant Ruperthen Leyplich Bruder 75. Von sant ermendruden, der vorbestimpten hayligen Ruperthi und Trutperthi Schwöster 76. Von sant Radegunden, Clotharii des grossen kúnigs von franckreich Eegemahel, geborenn kunigin von Thüringen 77. Von sannt Güntram, konig Clotharii Son von bürgündi ( von bürgündi ist im Text durchgestrichen)

227 78. Von Sant wilhelmen, herzogen in aquitania, graven In pitania, aus clothario, der fursten von habspürg grossvater abkomen 79. Von sant Rudolffen, kúnig Rudolffs Son von Burgündi 80. Von sant Adelhaiden, der Romischen kayserin Sant kúnig Rudolfs dochter von Bürgundi 81. Von Sannt hemma, Sant adelharten dochter 82. Von Sant Poppo, erzbischoffen zu Trier, Margraffen zu Osterreich 83. Von Sannt Leopolden, margraffen zů osterreich, margraff leopolds des schönen und fraw Ita, kayser hainrichs dochter son 84. Von sant Gebhard, Bischoffen ze Costenz, graven von habspurg 85. Von sant Romarico, füesten zu habspurg

Die Legendenüberschriften (titul) der Seligen des Hauses Habsburg von 1518, cvp 3076 1. Von dem selign ludwigen, Ersten Cristen kinig von franckreich, vor dem tauff Clodoveus gehaissn 2. Von der seligen kunigin frew Crothilden, des gemeltn Ersten Cristen kinigs zu franckreichs Eegemahellin 3. Von dem seligen fürsten unnd herren anchisen 4. Von der seligen frawen Amelbergen, karolomanm des prinzn von Barbannt dochter 5. Von der seligen frawen doda, der herzogin von Schwaben, Sant arnulffen Egemahelin 6. Von dem seligen hern witgern, fürsten von Brabant 7. Von dem selgin walchiso, Sant arnulffen son 8. Von dem fürtreffenlichen seligen pipinen, Ersten herzog Brabanntt 9. Von der selige fürstin yduberga, des gedachten pipini Egemahelin 10. Von der seligen herzogin genannt plectrudis, herzog pipinen von haristel Egemalin 11. Von dem selige nothberthen, kayser karlins schwöster son 12. Von dem selign aptt Amdegarien xxi (?) 13. Von der seligen kayserin hildegarden, des grossen kayser karlins Eegemahellin 14. Von der selige Junckfrowen Riza Ludwici vii, des Römischen kaysers dochter 15. Von dem selign maurizen, sant kinig Sigmunds schwoster son martrer 16. Von der seligen kinigin galsiunda, kinig Chilperichs von franckreich Eegemahellin, geborne kinigin von Hispania 17. Von dem seligen grossen kinig Dagoberthen in austrasia, und von seiner Jungen dochter nottburgen 18. Von der selign Junckfrowen Yrmina des gedachten kinig dagoberts andere tochter 19. Von dem seligen garinen us dem seliigen geschlecht der herzegen von Elsas Sannt leodegarten Brüder 20. Von der seligen Junckfrowen Eugenia sant Gondelinden schwöster 21. Von der seligen land gräfin in kernten, genant hildegardis 22. Von der seligen gravin von Beyelstain, genannt hemma 23. Von dem seligen Graven zu andex, genant Ado 24. Von der seligen Gräfin von thaur, genantt Wildedrudis 25. Von dem seligen orttoffen, der gemelten wildedrudenn Bruder 26. Von dem seligen bapst leo, des grossen kayser karlins stieffbruder 27. Von der selign fraw Bertha, kinigin von Burgundi, geborne grafin von Vroburg

228 28. Von dem seligen bischoff otto von freysingen, Gebornen marggraven zu Osterreich 29. Von dem selign hugo, graven von habspurg unnd Egnissen 30. Von der seligen hartwigen, Gravin von habspurg, geborn von Egnissen 31. Von dem seligen albrechten, Graven von habspurg 32. Von der seligen fraw angnethen, kinigin von unger, geborn von habspurg unnd Osterreich 33. Von der seligen Efrowen Ita, Grefin von Dockhenburg, geborn von Kirchberg 34. Von dem seligen hainrichen, herzogen zu meran, graven zu andex 35. Von dem seligen hugbalden, grafen von fryburg und dilingen 36. Von der seligen frawen katherinen, fürstin von osterreich unnd habspurg 37. Von dem seligen marggrafen Bernharten von baden 38. Von der selign Junckhfrawen Nuldrutt, kinigs dochter von Engelland 39. Von der seligen Junckhfrawen Nulburg, der vorgemelten nüldruden schwöster 40. Von dem seligen Remigien, Erzbischoffen zu Ruan 41. Von Sant Roberthen, kinig in franckhreich 42. Von dem seligen Eutropio, kinig son von Burgundi 43. Von dem seligen hügone, apt zu Clumax 44. Von dem seligen Antidio, Erzbischoff zu Bisanz Martre 45. Von dem selign Sprüsimo, heleusippo und Meleüsippo, kinigs kinder von Burgündi, sampt Irer mutter leonilla und Iren basen Fonilla 46. Von dem seligen Simphoriano, herzogen zu Burgundi 47. Von dem seligen Casimiro, kinig son von poln, Erzherzogen von osterreich

Legendenüberschriften (titul) der Heiligen des Hauses Habsburg von 1518, cvp 3077 Januar 1. Von Sant Alarden, aptt zu Corbiens 2. Von Sant Erendrut, aptissin zu Salzburg 3. Von Sant modorico, Bischoffen zu metz 4. Von Sant Tharsicia, herzogs thochter von lottharick, Junckfrow unnd Martrerin 5. Von Sant karlin, dem Romischenn kayser 6. Von Sant aldedruden, aptissin zu manbraienn 7. Von Sant aldegunndenn Februar 8. Von Sannt Brigida, kinigs tochter von Schottenn 9. Von Sant margrethen, kinigs tochter vonn unngernn 10. Von Sant Richarden, kinig von Engelland [martrer wurde druchgestrichen] 11. Von sannt gudila, Junnckfrow, patrona zu Brussel 12. Von sannt Eadmundenn, dem anndern kinig von Engellannd, Marterer 13. Von Sant Siliünen, Bischoffen zu Woronens (?)

229 14. Von Sannt Egita, kinigstochtr von Engelland, kloster Junckfrow März 15. Von Sannt Waldedruden, kinigs [kinigs ist durchgestrichen] dochter von Austrasia, aptissin zu Bergenn 16. Von Sannt kinigunden, Römischen kayserin 17. Von sant Fridlin, kinigs son von Schotten, patron zu Seckingenn am Reynn 18. Von Sant Eduardenn, kinig von Engelland, Marterer 19. Von Sant denthelin, Graven zu hennigow 20. Von Sant Gerdruden, herzogin von Lotharickh, Junckhfrow unnd aptissin zu Niuel 21. Von Sannt Landrich, Graven zu hennigöw, Bischoff zu Mℑtz 22. Von Sannt agnebertenn, furst von hasbegöw, Bischoffenn zu Cameruckh 23. Von Sant Ruptenn, uss dem konigklichen geslecht franckhreich, Bischoffen zu Salzburg 24. Von Sant Gontramo, kinig zu Burgundi 25. Von Sannt verono, kings son vonn Germanienn April 26. Von sant wandedrillenm, marggraven von antorff 27. Von Sant Gangolffen, herzog von lotharickh, martrer 28. Von Sant hugen, kayser karlins son des grossen 29. Von Sant hermigilden, kinig son von hyspania, martrer 30. Von Sant Růdolffe, kinig zu Burgundi 31. Von dem heilign Bapst leo, vormals Brüno genant, Grauen von habspurg und Egnissen 32. Von Sant adelberthen, herzogen von Behem, Bischoffen zu Brag, marterer 33. Von Sant Trutperthen, uß dem küniglichn Geslecht Franckhreich, martrer 34. Von Sant aliberthen, uß dem furstlichn geslecht von lotharickh, Bischoffen zu lüdich, martrer Mai 35. Von Sannt walpürgen, kinigs tochter von Engelland, Junckhfrow, aptissin zu haydenhaim 36. Von Sant sigmunden, khinig vonn Burgundi 37. Von Sant helena, Romischen kayserin, geborne kinigin von Brittania 38. Von Sant drogo, uß kiniglichem geslecht franckhreich 39. Von Sant vertela, herzogin von lotharickh 40. Von Sant modoalden, herzogen von Aquitania, Erzbischoffenn von Trier 41. Von Sant venanten, herzogen vonn Lotharickh, martrer 42. Von Sant Wilhelmen, herzogen von Aquitania 43. Von Samt Reinberthen, herzogen vonn austrasia, Bischoffenn zu Camerickh 44. Von Sannt Luzen, kinig von Brittania 45. Von Sant Rumolden, kinig von Schottn, Marterer 46. Von Sant Bathildenn, kinigin von Frannckhreich

230 Juni 47. Von Sant Liebhartenn, uß dem kinigklichn geschleckht franckhreich 48. Von Sant bonifacien, uß dem kinigklichen geschlecht Engelland, Erzbischoffe zu menz 49. Von Sannt Claudien, uß dem fürstlichn Geschlecht von Burgundi, Erzbischoffenn zu Bisannz 50. Von Sant Machdebertha, Grefin vonn hennigow, Junckfrow unnd Aptissin zu manbegien In hennigow 51. Von Samt vincenzen, Gravenn zu hennigöw 52. Von Sant Rollanden, Sannt kayser karlins schwoster son, marterer 53. Von Samt Gwido, herzogen von austrasia 54. Von Sant Emeßberthenn, herzogen von Brabant, Bischoffen zu Camerickh 55. Von Sant Edeldrut, konnigs dochter von Enngellannd 56. Von Sant Sigiberthen, kinig In austrasia. Juli 57. Von Sant Ulrichn, Bischoffen zu augspurg, Graven von kyburg und Tilingenn 58. Von Sant landrada, herzogin vonn Lotharick, [aptissin durchgestrichen] klausnerin 59. Von Sant wilibaldn, kinigs son von Engelland, Bischoff zu aichstet 60. Von Sant grymoalden, herzogn von lotharick, martrer 61. Von Sant kayser heinrichenn 62. Von Sannt Oda, herzogin von Schwabn 63. Von Sant arnolffen, herzogen von Lotharick, Bischoffen zu mez 64. Von Sannt Edgaren, kunig von Engelland 65. Von Sant Severa, herzogs tochter von Aquitania 66. Von Sannt Ladislen, kinig In unger August 67. Von Sant Oswalden, kinig in Engelland 68. Von Sant Ermelinden, herzogs tochter von brabantt, Junckhraw 69. Von Sannt karolomannen, kunig von frankreich, munch 70. Von Sant ludwigenm, kinigs son von Sicilia, Bischoff von dolosa 71. Von Sant Sebalden, kinigs son von Tennmarckhtt 72. Von Sant Steffan, kinig in ungern 73. Von Sant Ludwigen, kinig von Franckhreich 74. Von Sant Gebharden, Graven von habspurg und pregenz 75. Von Sant Verona, khunigs dochter von Germania, Junckhfraw September 76. Von Sant lupo, kinig von orliens, erzbischoff zu sonen 77. Von Sant Emerico, kinigs son vom Unngernn 78. Von Sant Segolena, kinigs tochter von aqutania

231 79. Von Sannt Clodoalden, kings son Orliens 80. Von Sant poppo, marggraven zu Osterreich, erzbischoff zu Trier 81. Von Sant Deotharien, kinig son von austrasia 82. Von Sant Ferreolen, herzogs son von Austrasia, marterer 83. Von Sant Goericen, kinigs son von aquitania, Bischoffen zu mez 84. Von Sant Rickharda, kinigs tochter vonn Schotten 85. Von Sant Gondelinda, herzogin von Elsas 86. Von Sant Emerita, kunigs tochter von Brittania, Sant Luzen swoster Junckhfraw und materin 87. Von Sant firminen, kinigs son von Austrasia, martrer 88. Von Sant wenzeslaen, herzogen Behem, martrer und von Sant Lüdmilla seiner grosmutter Oktober 89. Von Sant Leodegarien, uss dem geslecht der herzogen von Elsas, marterer 90. Von Sant pharathilden, herzogstochter von austrasia 91. Von Sant Bavo, furst von hasbania 92. Von Sant haidwigen, herzogin von der slesi, Gerborne herzogin von meran 93. Von Sant Simprecht, Sant kayser karlins schwoster son, Bischoff zu augspurg 94. Von Sant Colman, kunigs son von Schotten, marterer 95. Von Sant maximilianen, Erzbischoffen zu Laureackh 96. Von Sant Amelberga, furstin von haspania 97. Von Sant Eduarden, dem anderen kunig von Engellanndt 98. Von Sant Remelden, herzogin von austrasia, Junckfraw und martererin 99. Vonn Sant wendeln, kunigs son von Schottn 100. Von Sant ursulen, kings tochter von Brittania, martrerin, sampt Ir geselschafft aylff tusennt 101. Von Sant panthulen, Graven zu vroburg, ersten bischoffen zu Basel 102. Von Sant Radegunden, kinigin von franckhreich, geborne khinigin von Thuringen 103. Von Sant notburgen, herzogsdochter von lotharickh, Junckhfraw 104. Von Sant wolffgange, Graven zu feringen, Bischoffen zu Regennspurg

November 105. Von Sant hupten, herzogs son von aquitania Bischoffen, zu Ludich 106. Von Sant leonharten, uß dem kiniglichen geslecht frannckhreich 107. Von Sant Ludmilla, kinigs tochter von Behem, Junckhfrow 108. Von Sant Burckharten, uß dem kiniglichen geslecht engellannd, Bischoffen zu wirzburg 109. Von Sant leopolden, dem milten marggrafen zu Osterreich 110. Von Sant Elizabethen, Landgrefin von hessen, geborne kinigin von unngernn 111. Von Sant Eadmunden , kinig von Engelland, martrer 112. Von Sant Edburgen, kinigin von Engelland, Junckhfraw 113. Von Sant Cunraden, graven vonn Alttorf, Bischoffen zu Costenz

232 Dezember 114. Von Sant adela, herzogs tochter von Elsas, aptissin zu Sant Steffan, zu Straßburg 115. Von Sannt Romarico, fursten zu habspurg 116. Von Sant adelhaiden, Romischen kayserin, geborn von Burgundi und habspurg 117. Von Sant ottilien, herzogs dochter In Elsaß 118. Von Sant Emechilden 119. Von Sant Josen, kinig von Bryttania 120. Von Sant Bega, herzogin von austrasia 121. Von Sant Wunebaldenn, kinigs son von Engelland, apt inn kloster 123. Von Sant Thoman von Candelberg, Bischoff und marterer 124. Von Sannt Cleodolphen, marggrafen von anttorff, Bischoff zu mez

233

Bildnachweise Abb. 1

234 Abb. 2 Jakob Mennel und Petracameister (Hans Weiditz); Gedenkblatt auf den Tod Kaiser Maximilians I. (entnommen aus: Schadek, H.; Schmid, K. (Hrsg.): Die Zähringer, Anstoß und Wirkung, 2, (Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung II). Sigmaringen 1986. Dort S. 314, Abb. 177)

235 Abb. 3 Die habsburgischen Würdenträger (entnommen aus: cvp 7892, fol. 23r u. 24r)

236 Abb. 4 Mennels Mauritiuslegende von 1514 (entnommen aus: cvp 3077*, fol. 137r)

237 Abb. 5 Mennels Mauritiuslegende von 1518 (entnommen aus: cvp 3076, fol. 42r)

238 Abb. 6 Der hl. Thomas Becket, Maximilians I. Fensterstiftung für das Freiburger Münster (entnommen aus: Geiges, F.: Der mittelalterliche Fensterschmuck des Freiburger Münsters. In: Schau-ins-Land 56-60 (1931-1933), S. 235.)

239 Abb. 7 Jakob Mennel und seine Familie (Mertens, D.: Der Freiburger Humanistenkreis. In: Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers?, S. 256, Abb. 6)

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Der

Breisgau

und

das

alemannische

Herzogtum.

Zur

Verfassungs-

und

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