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14.11.2016 VG Berlin, Urteil vom 9. August 2016 ­ Az. 6 K 91.16 die freie juristische Datenbank file:///C:/Users/Berlin/Desktop/VG%20Berlin,%20Urte...
Author: Elly Kirchner
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14.11.2016

VG Berlin, Urteil vom 9. August 2016 ­ Az. 6 K 91.16

die freie juristische Datenbank

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VG Berlin, Urteil vom 9. August 2016 ­ Az. 6 K 91.16

VG Berlin · Urteil vom 9. August 2016 · Az. 6 K 91.16 Gericht:

VG Berlin

Datum:

9. August 2016 6 K 91.16

Aktenzeichen: Typ: Fundstelle:

Urteil openJur 2016, 9071

Verfahrensgang:

Tenor 1

Der  Beklagte  wird  unter  Aufhebung  des  Bescheides  vom  28.  Januar  2015  in  der  Fassung  des Widerspruchsbescheides des Bezirksamtes Friedrichshain­Kreuzberg vom 27. April 2016 verpflichtet, den Klägern zu  1)  bis  3)  rückwirkend  eine  Genehmigung  zur  Nutzung  der  Wohnung  in  der  K...,  10245  Berlin,  V...  als Ferienwohnung ab dem 1. Mai 2016 zu erteilen.

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Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

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Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

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Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Voll­streckung durch Leistung einer Sicherheit  in  Höhe  von  110  Prozent  des  aufgrund  des  Urteils  vollstreckbaren  Betrags  abwenden,  wenn  nicht  die Kläger  zu  1)  bis  3)  vor  der  Vollstreckung  Sicherheit  in  Höhe  von  110  Prozent  des  jeweils  zu  vollstreckenden Betrags leisten.

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Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand 6

Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  begehren  die  Erteilung  einer  Genehmigung  zur  zeitweisen  Vermietung  ihrer  Wohnung  in Berlin als Ferienwohnung.

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Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  sind  dänische  Staatsangehörige  mit  Wohnsitz  in  Dänemark.  Sie  sind  seit  Juni  2012 Miteigentümer  zu  jeweils  1/3  einer  80­90  m²  großen  Wohnung  in  der  K...,  10245  Berlin,  V...  Der  Erwerb  der Wohnung  ist  mit  einem  Kredit  in  Höhe  von  175.000,00  Euro  finanziert,  die  monatlichen  Raten  betragen  derzeit 900,00  Euro.  Der  Kläger  zu  1)  ist  mit  einer  deutschen  Staatsangehörigen  verheiratet,  deren  gesamte  Familie  in Berlin  und  Umgebung  wohnt,  und  nutzt  die  Wohnung  neben  den  Aufenthalten  aus  familiären  Gründen  auch  für berufliche Anwesenheitszeiten in Berlin. Seit Januar 2015 ist er in dieser Wohnung gemeldet. Die Kläger zu 2) bis 3) nutzen die Wohnung ebenfalls für eigene Aufenthalte in Berlin. Während ihrer Abwesenheit vermieten die Kläger zu 1) bis 3) die Wohnung als Ferienwohnung.

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Am  11.  Juli  2014  zeigten  die  Kläger  zu  1)  bis  3)  bei  dem  Bezirksamt  Friedrichshain­Kreuzberg  die  Nutzung  als Ferienwohnung  zur  Wahrung  des  Bestandsschutzes  nach  §  2  Abs.  2  Nr.  1  des  Zweckentfremdungsverbot­ Gesetzes  –  ZwVbG  –  an  und  beantragten  die  Genehmigung  zur  unbefristeten  Vermietung  der  Wohnung  als Ferienwohnung. Sie nutzten die Wohnung in unregelmäßigen Abständen ca. drei Monate im Jahr selbst selbst. In den Leerstandszeiten vermieteten sie diese Wohnung auch an Dritte. Eine längerfristige Vermietung sei wegen der Selbstnutzung nicht möglich. Aus finanziellen Gründen sei es nicht zumutbar, die Wohnung die restlichen Monate im Jahr freistehen zu lassen.

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Mit  Bescheid  vom  28.  Januar  2015  lehnte  das  Bezirksamt  Friedrichshain­Kreuzberg  die  Genehmigungserteilung ab. Gründe, die eine Genehmigung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Den Widerspruch der Kläger zu 1) bis 3) vom 20. Februar 2015 wies das Bezirksamt Friedrichshain­Kreuzberg mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2015, der sich inhaltlich auf einen „Herrn H...“ bezog, zurück.

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Hiergegen haben die Kläger zu 1) bis 3) am 6. Juni 2015 Klage erhoben. Gegen das ZwVbG bestünden erhebliche verfassungsrechtliche  Bedenken.  Auf  das  Rechtsgutachten  von  Prof.  Dr.  S...  „Verfassungs­  und  andere

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verfassungsrechtliche  Bedenken.  Auf  das  Rechtsgutachten  von  Prof.  Dr.  S...  „Verfassungs­  und  andere Rechtsprobleme  von  Berliner  Regelungen  über  das  Verbot  der  Zweckentfremdung  von  Wohnraum“  werde  Bezug genommen.  Unabhängig  davon  liege  eine  erlaubnisfreie  Nutzung  der  Zweitwohnung  vor.  Durch  §  2  Abs.  2  Nr.  6 ZwVbG  sei  jede  anderweitige  Nutzung  umfasst,  während  die  Zweitwohnung  bestimmungsgemäß  nicht  als Wohnung der Wohnungsinhaber genutzt werde. Regelmäßig würden Zweitwohnungen, insbesondere bei Nutzungen durch  nicht  deutsche  Staatsbürger,  nur  gelegentlich,  wochen­  oder  monatsweise  als  Wohnung  genutzt.  In  den übrigen Phasen stehe die Wohnung mithin leer. Aus der Nutzung als Zweitwohnung ergebe sich zugleich, dass die Wohnung  für  den  freien  Wohnungsmarkt  nicht  zur  Verfügung  stehe.  Ein  öffentliches  Interesse  an  der  Erhaltung des  Wohnraums  zu  Wohnzwecken  liege  daher  bestimmungsgemäß  nicht  vor.  Die  Versagung  der  Genehmigung verletze sie in ihren Rechten aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz – GG –. Zudem sei Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, da sie als  Vermieter  einer  Ferienwohnung  schlechter  gestellt  würden  als  sonstige  zweckfremde  Nutzer,  denen  durch  §  2 Abs. 2 Nr. 2 ZwVbG ein Bestandsschutz bis zum Ende des Mietverhältnisses gewährt worden ist. Formell sei zu rügen, dass der Widerspruchsbescheid lediglich gegen „Herrn H...“ gerichtet sei.

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Mit Bescheid vom 27. April 2016, den Klägern zu 1) bis 3) am 6. Mai 2016 zugestellt, nahm das Bezirksamt den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2015 nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurück und wies den Widerspruch der Kläger zu 1)  bis  3)  (erneut)  zurück.  Aus  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG  folge  nicht,  dass  eine  Zweitwohnung  zur  Kostendeckung gewerblich  genutzt,  d.h.  als  Ferienwohnung  tage­  oder  wochenweise  vermietet  werden  dürfe.  Auf  die melderechtliche  Erfassung  als  Zweitwohnung  komme  es  zwar  nicht  an,  entscheidend  sei  insoweit  auf  die tatsächliche  Nutzung  und  die  tatsächlichen  Gegebenheiten  abzustellen.  Bei  der  Ausübung  des  behördlichen Ermessens sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handele, das Verbot  der  Zweckentfremdung  den  gesetzlichen  Regelfall  darstelle  und  die  Zweckentfremdung  von  Wohnraum grundsätzlich verhindert werden solle. Hinzu komme, dass die gewerbliche Kurzzeitvermietung eine eigenständige planungsrechtliche  Nutzungsart  bilde,  die  im  allgemeinen  Wohngebiet  nur  ausnahmsweise  zulässig  sei.  Im vorliegenden Fall einer kurzfristigen Vermietung mit eindeutigen Gewinnerzielungsabsichten seien keine derartigen Gründe  ersichtlich,  die  eine  Genehmigung  zur  zweckfremden  Nutzung  rechtfertigen  könnten.  Dem  Grundsatz  der Verhältnismäßigkeit  sei  bereits  durch  die  zweijährige  Übergangsregelung  hinreichend  Rechnung  getragen  worden. Die Ablehnung sei vor diesem Hintergrund ermessensfehlerfrei erfolgt.

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Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  haben  mit  bei  Gericht  am  4.  Juni  2016  eingegangenem  Schriftsatz  den  Rechtsstreit hinsichtlich des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2015 für erledigt erklärt und den Widerspruchsbescheid vom 27.  April  2016  zum  Gegenstand  des  Verfahrens  gemacht.  Sie  haben  nach  Aufforderung  des  Gerichts  eine Übersicht zu den Tagen eingereicht, an denen sie die streitgegenständliche Wohnung in den Jahren 2015 und 2016 selbst bzw. gemeinsam mit ihrer Familien genutzt haben.

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Die Kläger zu 1) bis 3) beantragen nunmehr,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bezirksamtes Friedrichshain­Kreuzberg vom 27. April 2016 zu verpflichten, ihnen für die Wohnung K..., 10245 Berlin, V... eine Genehmigung für die kurzfristige Vermietung zu erteilen,

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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Klägern zu 1) bis 3) ein Negativattest zur Nutzung ihrer Wohnung für die  kurzfristige  Vermietung  zu  erteilen,  solange  die  Wohnung  von  mindestens  einem  Kläger  als  Zweitwohnung genutzt wird.

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hilfsweise  festzustellen,  dass  die  Kläger  zu  1)  bis  3)  berechtigt  sind,  ihre  Wohnung  an  Dritte  kurzfristig  zu vermieten, solange die Wohnung von mindestens einem Kläger als Zweitwohnung genutzt wird,

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und festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Auch die Vermietung einer Zweitwohnung als Ferienwohnung unterliege dem Zweckentfremdungsverbot. § 2 Abs. 2  Nr.  6  ZwVbG  gehe  davon  aus,  dass  der  Wohnraum  nicht  ununterbrochen  genutzt  werde.  Die  Nutzung  einer Zweitwohnung  als  Ferienwohnung  stelle  aber  gerade  keine  Unterbrechung  der  Nutzung,  sondern  eine Nutzungsänderung dar. Es seien keine Gründe ersichtlich, die zu einer Genehmigung der zweckfremden Nutzung führen  könnten.  Ein  überwiegendes  schutzwürdiges  Eigeninteresse  könne  nicht  anerkannt  werden,  wenn Wohnraum lediglich zur Erzielung eines höheren Entgelts oder eines höheren Umsatzes zweckentfremdet werden solle. Die Anerkennung einer Existenzgefährdung scheide nach Ablauf der Übergangsfrist aus.

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Wegen  der  weiteren  Einzelheiten  des  Sach­  und  Streitstandes  und  des  Vorbringens  der  Beteiligten  wird  auf  den Inhalt der Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe file:///C:/Users/Berlin/Desktop/VG%20Berlin,%20Urteil%20vom%209.%20August%202016%20­%20Az.%206%20K%2091.16.html

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Gründe 22

I. Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Kläger zu 1) bis 3) haben einen Anspruch auf Erteilung der begehrten  Genehmigung,  §  113  Abs.  5  Satz  1  VwGO.  Der  versagende  Bescheid  des  Beklagten  vom  28.  Januar 2015  in  der  Fassung  des  Widerspruchsbescheides  vom  27.  April  2016  ist  rechtswidrig  und  verletzt  die  Kläger  zu 1) bis 3) in ihren Rechten.

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Der  geltend  gemachte  Anspruch  auf  Erteilung  einer  Genehmigung  für  eine  nach  Tagen  oder  Wochen  bemessene kurzzeitige  Vermietung  als  Ferienwohnung  beurteilt  sich  nach  §  3  des  Gesetzes  über  das  Verbot  der Zweckentfremdung  von  Wohnraum  (Zweckentfremdungsverbot­Gesetz  –  ZwVbG  –  vom  29.  November  2013, GVBl. 2013, 626, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. März 2016, GVBl. 2016, S. 115). Eine Genehmigung zur Zweckentfremdung  im  Sinne  von  §  2  Abs.  1  ZwVbG  kann  nach  §  3  Abs.  1  Satz  1  ZwVbG  erteilt  werden,  wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das öffentliche Interesse an der Erhaltung des  betroffenen  Wohnraums  überwiegen.  Für  die  von  den  Klägern  zu  1)  bis  3)  begehrte  Nutzung  der streitgegenständlichen  Räumlichkeiten  ist  eine  Genehmigung  erforderlich  (dazu  unter  1.).  Die Genehmigungsvoraussetzungen  sind  erfüllt  und  das  Ermessen  des  Beklagten  ist  dahingehend  beschränkt,  dass nur die Genehmigungserteilung ermessensfehlerfrei ist (dazu unter 2.).

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1. Der Anwendungsbereich des ZwVbG ist für die streitgegenständlichen Räumlichkeiten eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 ZwVbG  darf  Wohnraum  im  Land  Berlin  oder  in  einzelnen  Bezirken  nur  mit  Genehmigung  des  zuständigen Bezirksamts  zweckentfremdet  werden,  soweit  die  Versorgung  der  Bevölkerung  mit  ausreichendem  Wohnraum  zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Der Senat von Berlin wird durch § 1 Abs. 2 Satz 1 ZwVbG ermächtigt,  durch  Rechtsverordnung  festzustellen,  ob  im  Land  Berlin  die  Voraussetzungen  für  ein Zweckentfremdungsverbot  vorliegen.  Diese  Feststellung  hat  der  Senat  in  §  1  Abs.  1  Satz  1  der  Verordnung  über das  Verbot  der  Zweckentfremdung  von  Wohnraum  (Zweckentfremdungsverbot­Verordnung  –  ZwVbVO  –  vom  4. März  2014,  GVBl.  2014,  73)  getroffen.  Die  parlamentsgesetzliche  Ermächtigung  des  Senats  und  dessen  auf dieser  Grundlage  getroffene  Feststellung  sind  nicht  zu  beanstanden  (vgl.  ausführlich  Urteile  der  Kammer  vom  8. Juni 2016 – VG 6 K 103.16  –,  juris  Rn.  27­76;  –  VG  6 K 108.16  –,  juris  Rn.  28­77;  –  VG  6  K  160.16  –,  juris  Rn. 24­73; – VG 6 K 243.16 –, juris Rn. 30­79).

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Die streitgegenständliche Wohnung ist zweckentfremdungsrechtlich geschützter Wohnraum im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 ZwVbG, da die Räumlichkeiten unstreitig zur dauernden Wohnnutzung tatsächlich und rechtlich geeignet sind.

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Die zeitweise Vermietung der streitgegenständlichen Wohnung als Ferienwohnung bedarf einer Genehmigung nach §  3  ZwVbG.  Die  begehrte  Verwendung  stellt  eine  genehmigungsbedürftige  Zweckentfremdung  im  Sinne  des  §  2 Abs.  1  Nr.  1  ZwVbG  dar.  Danach  liegt  eine  Zweckentfremdung  unter  anderem  vor,  wenn  Wohnraum  zum  Zwecke der  wiederholten  nach  Tagen  oder  Wochen  bemessenen  Vermietung  als  Ferienwohnung  verwendet  wird.  Eine solche Verwendung begehren die Kläger zu 1) bis 3).

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Die gelegentliche Vermietung einer Wohnung als Ferienwohnung fällt weder unter einen Ausnahmetatbestand nach §  2  Abs.  2  ZwVbG  (dazu  unter  a.)  noch  gilt  für  sie  eine  ungeschriebene  Ausnahme  (dazu  unter  b.).  Der  hieraus folgende Genehmigungsvorbehalt ist auch verfassungsgemäß (dazu unter c.).

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a.  Für  die  gelegentliche  Vermietung  der  Wohnung  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  als  Ferienwohnung  gilt  kein Ausnahmetatbestand nach § 2 Abs. 2 ZwVbG.

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aa. Die Kläger zu 1) bis 3) können sich nicht mehr auf die Übergangsregelung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 ZwVbG berufen, da  nach  dieser  Bestimmung  die  Vermietung  von  Wohnraum  als  Ferienwohnung  nur  bis  zum  30.  April  2016  vom Zweckentfremdungsverbot freigestellt war.

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Die  gewerbliche  Vermietung  der  Wohnung  als  Ferienwohnung  unterfällt  auch  nicht  der  weiteren Bestandsschutzregelung  in  §  2  Abs.  2  Nr.  2  ZwVbG  für  die  gewerbliche  Nutzung  von  Wohnraum.  Nach  dieser Bestimmung  liegt  keine  Zweckentfremdung  vor  bei  Wohnraum,  der  bereits  zum  Zeitpunkt  des  Inkrafttretens  der ZwVbVO für gewerbliche oder berufliche (sonstige) Zwecke nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZwVbG genutzt wurde, solange das  zum  Zeitpunkt  des  Inkrafttretens  der  Verordnung  bestehende  Nutzungsverhältnis  nicht  beendet  wird  oder  ein zu  diesem  Zweck  in  den  Räumlichkeiten  eingerichteter  und  ausgeübter  gewerblicher  oder  freiberuflicher  Betrieb fortgeführt  wird.  Diese  Bestandsschutzregelung  erfasst  die  gewerbliche  Ferienwohnungsvermietung  gerade  nicht; eine  verfassungskonforme  Auslegung  ist  nicht  geboten  (vgl.  Urteile  der  Kammer  vom  8.  Juni  2016  –  VG  6  K 103.16 –, juris Rn. 81­128; – VG 6 K 108.16  –,  juris  Rn.  82­129;  –  VG  6 K 160.16  –,  juris  Rn.  78­125;  –  VG  6  K 243.16 –, juris Rn. 84­131).

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bb.  Auch  die  Ausnahme  nach  §  2  Abs.  2  Nr.  5  ZwVbG  greift  nicht.  Nach  dieser  Vorschrift  liegt  keine Zweckentfremdung  vor,  wenn  „eine  Wohnung  durch  die  Verfügungsberechtigte  oder  den  Verfügungsberechtigten oder  die  Mieterin  oder  den  Mieter  zu  gewerblichen  oder  beruflichen  Zwecken  mitbenutzt  wird,  insgesamt  aber  die

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oder  die  Mieterin  oder  den  Mieter  zu  gewerblichen  oder  beruflichen  Zwecken  mitbenutzt  wird,  insgesamt  aber  die Wohnnutzung  überwiegt  (über  50  vom  Hundert  der  Fläche;  bei  Küche  und  Bad  wird  jeweils  hälftige  Nutzung unterstellt)“.  Die  Regelung  gilt  nach  ihrem  eindeutigen  Wortlaut  allein  für  die  räumlich  anteilige  und  nicht  die zeitlich  anteilige  Mitnutzung.  Diese  Auslegung  wird  durch  die  Gesetzesbegründung  bestätigt,  die  lediglich  auf  die Fläche  Bezug  nimmt  (vgl.  Abgh.­Drs.  17/1057  vom  11.  Juni  2013,  S.  16).  Mangels  planwidriger  Regelungslücke und  vergleichbarer  Interessenlage  kann  die  Sonderregelung  für  die  räumlich  anteilige  gewerbliche  oder  berufliche Mitnutzung  auf  die  zeitweise  Vermietung  als  Ferienwohnung  auch  nicht  analog  angewandt  werden.  Insbesondere im Hinblick auf die behördlichen Kontrollmöglichkeiten ist die räumliche und zeitliche anteilige Zweckentfremdung nicht  vergleichbar.  Es  liegen  außerdem  keine  Anhaltspunkte  dafür  vor,  dass  der  Gesetzgeber  die  Regelung  der zeitlich  anteiligen  Zweckentfremdung  übersehen  hat.  Vielmehr  hat  er  die  zeitlich  anteilige  Zweckentfremdung ausdrücklich  in  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG  geregelt  und  insoweit  allein  den  damit  einhergehenden  Leerstand genehmigungsfrei gestellt. 32

cc. Die zeitweise Vermietung der streitgegenständlichen Wohnung als Ferienwohnung ist nicht von der Ausnahme nach  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG  erfasst.  Nach  dieser  Bestimmung  liegt  abweichend  von  §  2  Abs.  1  ZwVbG  keine Zweckentfremdung  vor,  wenn  „Wohnraum  nicht  ununterbrochen  tatsächlich  genutzt  wird  und  länger  als  sechs Monate  leer  steht,  weil  der  Verfügungsberechtigte,  der  dort  nicht  seinen  Lebensmittelpunkt  begründet,  den Wohnraum nur bei gelegentlichen Aufenthalten in dieser Wohnung zu Wohnzwecken selbst nutzt (Zweitwohnung)“.

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Die Kläger zu 1) bis 3) nutzen die streitgegenständliche Wohnung als Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG. Danach ist es für die Definition der Zweitwohnung im zweckentfremdungsrechtlichen Sinne entscheidend, dass  der  Verfügungsberechtigte  Wohnraum  zu  Wohnzwecken  bei  zumindest  gelegentlichen  Aufenthalten  selbst nutzt,  in  der  Wohnung  jedoch  nicht  seinen  Lebensmittelpunkt  begründet  hat.  Mit  dieser  Legaldefinition  wird  ein eigener  zweckentfremdungsrechtlicher  Zweitwohnungsbegriff  begründet,  für  den  es  entscheidend  auf  die gelegentliche  Nutzung  zu  Wohnzwecken  und  in  Abgrenzung  zur  Hauptwohnung  auf  den  Lebensmittelpunkt ankommt.  Dies  folgt  auch  aus  der  Gesetzesbegründung.  Die  aktuelle  Formulierung  von  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG entstammt  dem  Gesetz  zur  Änderung  des  Zweckentfremdungsverbot­Gesetzes  (Abgh.­Drs.  17/2712  vom  9. Februar  2016).  Danach  diente  die  Änderung  der  Klarstellung,  dass  sich  der  Begriff  der  Zweitwohnung  nicht  auf eine  melderechtliche  oder  steuerrechtliche  Einordnung  bezieht  (vgl.  Abgh.­Drs.  17/2712  vom  9.  Februar  2016,  S. 10 oben). Auch wenn der melderechtliche Status gerade nicht entscheidend ist, kommt ihm insbesondere im Fall von  Zweifeln  bei  der  Zuordnung  von  zwei  Wohnsitzen  jedoch  eine  Indizwirkung  zu  (vgl.  so  auch  Nr.  8.5.3  der Ausführungsvorschriften  über  das  Verbot  der  Zweckentfremdung  von  Wohnraum  vom  23.  Juni  2014). Lebensmittelpunkt  im  Sinne  von  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG  ist  der  Ort,  an  dem  sich  der  tatsächliche  Schwerpunkt der  Lebensverhältnisse  einer  Person  befindet.  Nach  diesem  Maßstab  ist  der  Lebensmittelpunkt  der  Kläger  zu  1) bis 3) jeweils in Dänemark, wo sie überwiegend arbeiten und mit ihren Familien wohnen. Dass die Kläger zu 1) bis 3) in Deutschland keinen (ersten) Wohnsitz begründet haben, ist für die zweckentfremdungsrechtliche Einordnung als Zweitwohnung unerheblich.

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Auch  wenn  es  sich  bei  der  streitgegenständlichen  Wohnung  somit  um  eine  Zweitwohnung  handelt,  greift  die Ausnahmeregelung  in  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG  hingegen  für  ihre  darüber  hinausgehende  Nutzung  als Ferienwohnung  nicht.  Nach  dem  Wortlaut  wird  die  Nutzung  einer  Zweitwohnung  als  Ferienwohnung  vom Zweckentfremdungstatbestand  nicht  ausgenommen.  Die  Regelung  bezieht  sich  in  der  Gesamtschau  des  §  2 ZwVbG vielmehr nur auf den in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG als Zweckentfremdung eingeordneten Leerstand von mehr als  sechs  Monaten.  Durch  die  Formulierung  „Wohnraum  nicht  [...]  länger  als  sechs  Monate  leer  steht“  wird eindeutig auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG Bezug genommen. Nach grammatikalischer und systematischer Auslegung stellt daher jeder andere in § 2 Abs. 1 ZwVbG erfasste Zweckentfremdungstatbestand als der Leerstand auch bei Zweitwohnungen  eine  Zweckentfremdung  dar.  Es  wird  lediglich  der  Leerstand  bei  Zweitwohnungen  privilegiert. Dies  wird  auch  durch  die  Begründung  des  Änderungsgesetzes  bestätigt.  Hiernach  diente  die  Änderung  auch  der Klarstellung,  dass  mit  der  Regelung  nur  der  zeitweilige  Leerstand  einer  Wohnung  geregelt  werden  sollte  (vgl. Abgh.­Drs. 17/2712 vom 9. Februar 2016, S. 10 oben).

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b. Es ergibt sich auch nicht aus einer ungeschriebenen Sonderregelung, dass die zweckfremde Mitbenutzung von (Zweit­)Wohnungen an Stelle des nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG erlaubten Leerstands keiner Genehmigung bedarf. Hierfür  könnte  auf  den  ersten  Blick  sprechen,  dass  der  Nutzungszweck  einer  Zweitwohnung  im  Wohnen  besteht, dies  damit  keine  Zweckentfremdung  darstellt,  und  die  zeitweise  zweckfremde  Nutzung  deshalb  nicht  zu  einem Wohnraumverlust führt (dazu unter aa.). Der Eintritt von Wohnraumverlust ist jedoch kein Tatbestandsmerkmal der Zweckentfremdung nach dem ZwVbG (dazu unter bb.).

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aa.  Allein  die  Nutzung  einer  Wohnung  als  Zweit­  und  nicht  als  Hauptwohnung  ist  keine  Zweckentfremdung  im Sinne  des  ZwVbG,  sondern  Wohnen  und  damit  eine  zweckgemäße  Nutzung.  Wann  eine  Zweckentfremdung vorliegt, ergibt sich aus § 2 ZwVbG. In § 2 Abs. 1 ZwVbG sind fünf Zweckentfremdungstatbestände aufgezählt, in § 2 Abs. 2 ZwVbG sechs Ausnahmetatbestände vorgesehen. Die Nutzung einer Wohnung als Zweitwohnung wird in  §  2  Abs.  1  ZwVbG  nicht  als  Zweckentfremdungstatbestand  aufgezählt.  Der  Wortlaut  von  §  2  Abs.  1  ZwVbG erscheint  insoweit  eindeutig.  Die  systematische  Auslegung  führt  bei  einer  Gesamtschau  der  Regelung  zu

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erscheint  insoweit  eindeutig.  Die  systematische  Auslegung  führt  bei  einer  Gesamtschau  der  Regelung  zu demselben  Schluss.  Die  Zweitwohnung  wird  ausschließlich  im  Ausnahmetatbestand  in  §  2  Abs.  2  Nr.  6  ZwVbG erwähnt.  Dieser  Ausnahmetatbestand  bezieht  sich  dabei  nur  auf  den  in  §  1  Abs.  1  Nr.  4  ZwVbG  als Zweckentfremdung eingeordneten Leerstand von mehr als sechs Monaten. Dies bestätigt, dass das Zweitwohnen keiner  Ausnahme  nach  §  2  Abs.  2  ZwVbG  bedarf,  weil  es  bereits  keine  Zweckentfremdung  nach  dem  ZwVbG darstellt.

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Dieses  Ergebnis  wird  gestützt  durch  den  Sinn  und  Zweck  des  ZwVbG,  das  die  Wohnraumversorgung  in  Berlin sicherstellen  soll  (vgl.  Abgh.­Drs.  17/1057  vom  11.  Juni  2013,  S.  9).  Auch  das  Zweitwohnen  ist  eine  Nutzung  zu Wohnzwecken  (vgl.  BVerfG,  Urteil  vom  4.  Februar  1975  –  2  BvL  5/74  –,  juris  Rn.  54;  BVerwG,  Urteil  vom  19. August 1988 – 8 C 117.86 –, juris Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1991 – BVerwG 8 B 167.90 – jurion Rn.  2;  OVG  Berlin,  Urteil  vom  25.  Oktober  1990  –  OVG  5  B  89.88  –  GE  1991,  1087;  VGH  München,  Beschluss vom 29. September 1992 – 7 CS 92.2512 – GE 1993, 599, 600; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. März 1995 – Bf V 37/94 –, juris Rn. 45; VGH München, Urteil vom 24. Januar 1995 – 24 B 94.3202 –, BeckRS 1995, 16813; OVG Lüneburg,  Beschluss  vom  22.  Juni  1995  –  1  M  1801.95  –,  juris  Rn.  5).  Zum  Wohnen  gehört  die  Gesamtheit  der mit  der  Führung  des  häuslichen  Lebens  und  des  Haushalts  verbundenen  Tätigkeiten  (vgl.  VGH  München, Beschluss  vom  29.  September  1992,  a.a.O.;  OVG  Lüneburg,  Beschluss  vom  22.  Juni  1995,  a.a.O.).  Eine Wohnung  dient  zum  Schlafen,  zur  Einnahme  der  Mahlzeiten,  zur  Pflege  der  Familiengemeinschaft  und  zur Entfaltung der Geselligkeit sowie in vielfacher Beziehung zur Freizeitgestaltung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 26. Juli 2011 – VG 23 K 167.10  –,  juris  Rn.  15  m.w.N.).  Auch  wenn  eine  Zweitwohnung  nicht  ständig  bewohnt  wird,  kann sie  gleichwohl  zur  dauernden  Führung  eines  selbständigen  Haushalts  bestimmt  sein.  Die  zum  Hauptwohnen entwickelten  Kriterien  für  das  Wohnen  müssen  für  eine  Zweitwohnung  nicht  in  vollem  Umfang  erfüllt  sein  (vgl. hierzu und auch zu Folgendem VGH München, Beschluss vom 29. September 1992, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 24. Januar 1995, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Juni 1995, a.a.O.; VG Berlin, Urteil vom 26. Juli 2011, a.a.O.). Insbesondere muss sie gerade nicht den Mittelpunkt der Lebensführung bilden. Vielmehr genügt es, wenn der Wohnungsinhaber die Wohnung auch nur sporadisch benutzt und sein Aufenthalt nur in geringerem Maße die genannten Merkmale des Wohnens erfüllt. Auf eine Bedürfnisprüfung kommt es dabei nicht an; der Anlass für die Nutzung einer Zweitwohnung ist unerheblich (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 25. Oktober 1990 – OVG 5 B 89.88 – GE  1991,  1087).  Die  verfahrensgegenständlichen  Räumlichkeiten  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  dienen  dem  Wohnen  in diesem  Sinne.  Sie  nutzen  sie  zur  selbständigen  Haushaltsführung  während  ihrer  geschäftsbedingten  Aufenthalte und  des  familiären  Urlaubs  in  Berlin,  bei  denen  sie  immer  wieder  in  die  von  ihnen  geschaffenen  und  bestimmten Strukturen zurückkehren.

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Der  Schutz  der  Zweitwohnung  greift  jedoch  dann  nicht  mehr,  wenn  die  Funktion  des  Wohnens  ganz  unwesentlich ist oder nur zum Schein erfolgt (vgl. VGH München, Beschluss vom 29. September 1992, a.a.O.; OVG Hamburg, a.a.O.;  VG  Berlin,  Urteil  vom  26.  Juli  2011,  a.a.O.;  vgl.  auch  Urteil  der  Kammer  vom  heutigen  Tag  –  VG  6  K 112.16 –, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Dies ist für die Berliner Wohnung der Kläger zu 1) bis 3) weder ersichtlich noch hat der Beklagte Entsprechendes vorgetragen. Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich anerkannt, dass es sich um eine Zweitwohnungsnutzung handelt.

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Auch  eine  Mitbenutzung  einer  Wohnung  zu  gewerblichen  Zwecken  hebt  die  Wohnungseigenschaft  nicht  auf, solange die Wohnnutzung nicht aufgegeben wird (vgl. für die räumlich anteilige Mitbenutzung BVerwG, Urteil vom 15.  November  1985  –  BVerwG  8  C  103.83  –,  juris  Rn.  13,  16;  BVerwG,  Beschluss  vom  30.  Oktober  1990  – BVerwG 8 B 129.90 –, juris Rn. 5; Beschluss vom 9. Januar 1991 – BVerwG 8 B 167.90  –  jurion  Rn.  5;  BVerwG, Urteil  vom  22.  April  1994  –  BVerwG  8  C  29.92  –,  juris  Rn.  30;  VGH  Kassel,  Urteil  vom  22.  März  2000  –  4  UE 613/97 –, juris; BayObLG, Beschluss vom 25. Mai 1994 – 3 ObOWi 44.94 – juris, jeweils m.w.N.). Dies gilt neben der  räumlich  anteiligen  Nutzung  auch  für  die  zeitlich  anteilige  Nutzung,  wenn  der  Wohnungscharakter  fortbesteht. Hierunter  fällt  die  zwischenzeitliche  Nutzung  der  Zweitwohnung  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  als  Ferienwohnung.  Die Ausstattung  der  Wohnung  dient  ihnen  dauerhaft  zur  selbständigen  Haushaltsführung.  Sie  entscheiden,  wann  sie die Wohnung selbst bewohnen und wann sie sie anderen Personen zur Verfügung stellen. Die Feriengäste nutzen die  nach  ihren  Wünschen  eingerichtete  Wohnung  in  der  vorgefundenen  Form  in  ähnlicher  Weise,  jedoch  nur  für kurze  Dauer  und  in  fremdbestimmten  Strukturen.  Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  kehren  bei  jedem  Aufenthalt  in  ihren  – zwischenzeitlich fremdgenutzten, jedoch im Wesentlichen unveränderten – eigenen Haushalt zurück.

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bb.  Der  Tatbestand  der  Zweckentfremdung  im  Sinne  des  ZwVbG  setzt  allerdings  auch  nicht  voraus,  dass  die Wohnungseigenschaft  vollständig  aufgehoben  wird.  Auch  ohne  Wohnraumverlust  ist  die  von  §  2  Abs.  1  ZwVbG erfasste  zweckfremde  Mitbenutzung  einer  Wohnung  –  wie  etwa  die  gelegentliche  Vermietung  an  Feriengäste  – genehmigungsbedürftig.  Etwas  anderes  lässt  sich  weder  aus  §  29  BauGB,  der  eine  andere  Schutzrichtung verfolgt, noch aus der überholten bundesgesetzlichen Regelung in Art. 6 § 1 MRVerbG herleiten. Ungleich Art. 6 § 1  MRVerbG  kommt  es  für  die  Zweckentfremdung  nach  dem  ZwVbG  nicht  allein  darauf  an,  ob  Wohnraum  zu Wohnzwecken  oder  zu  anderen  als  Wohnzwecken  genutzt  wird.  Nach  Art.  6  §  1  MRVerbG  durfte  Wohnraum anderen  als  Wohnzwecken  nur  mit  Genehmigung  zugeführt  werden.  Blieb  der  Wohnzweck  erhalten,  bedurfte  es keiner  Genehmigung  (vgl.  BVerfG,  Urteil  vom  7.  April  1992  –  1  BvR  1772/91  –,  juris  Rn.  16  m.w.N.).  Die wohnfremde  Mitbenutzung  war  zweckentfremdungsrechtlich  damit  unschädlich  (vgl.  für  die  räumlich  anteilige

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wohnfremde  Mitbenutzung  war  zweckentfremdungsrechtlich  damit  unschädlich  (vgl.  für  die  räumlich  anteilige Mitbenutzung BVerwG, Urteil vom 15. November 1985, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1990, a.a.O.; BVerwG,  Beschluss  vom  9.  Januar  1991,  a.a.O.;  BVerwG,  Urteil  vom  22.  April  1994,  a.a.O.;  VGH  Kassel,  Urteil vom 22. März 2000, a.a.O.; BayObLG, Beschluss vom 25. Mai 1994, a.a.O., jeweils m.w.N.).

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Diese Rechtsprechung zum alten Recht kann im Hinblick auf wohnfremde Nutzungen von (Zweit­)Wohnungen auf die  heutige  Rechtslage  nicht  ohne  weiteres  übertragen  werden.  Der  Berliner  Landesgesetzgeber  hat  eine  andere Regelungstechnik  gewählt  und  in  §  2  ZwVbG  fünf  Zweckentfremdungstatbestände  und  sechs Ausnahmetatbestände normiert. Der Tatbestand der Zweckentfremdung bestimmt sich damit nicht nach der Frage, ob  eine  Wohnnutzung  vorliegt  oder  Wohnraumverlust  eintritt,  sondern  er  knüpft  an  spezifisch  aufgezählte Konstellationen  an.  Auch  wenn  der  Wohnraumverlust  in  §  3  Abs.  1  Satz  1  ZwVbG  im  Rahmen  der Genehmigungsfähigkeit  erwähnt  wird  und  damit  –  auch  im  Lichte  von  Grundrechtsschutz  und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  –  als  ungeschriebenes  Tatbestandsmerkmal  einer  Zweckentfremdung  erscheinen könnte,  so  spricht  die  eindeutige  Systematik  des  Zweckentfremdungsgesetzes  mit  seiner  konkreten  Normierung des Zweckentfremdungstatbestandes in § 2 ZwVbG gegen die Annahme eines solchen weiteren ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals.  Insbesondere  bei  Zweitwohnungen  bezieht  sich  die  Ausnahme  explizit  nur  auf  eine wohnfremde  Nutzung  in  Form  des  Leerstands,  jedoch  nicht  auf  sonstige  wohnfremde  Nutzungsformen,  durch  die ein Wohnraumverlust ebenso wenig entsteht.

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c. Der Genehmigungsvorbehalt ist verfassungsgemäß, insbesondere mit Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – vereinbar.

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Grundrechtseingriffe  durch  das  Zweckentfremdungsverbot  sind  zum  Zwecke  der  Bekämpfung  der  Wohnungsnot grundsätzlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig (vgl. ausführlich Urteile der Kammer vom 8. Juni 2016 – VG 6 K 103.16 –, juris Rn. 86­128; – VG 6 K 108.16 –, juris Rn. 87­129; – VG 6 K 160.16 –, juris Rn. 83­125; – VG  6  K  243.16  –,  juris  Rn.  89­131).  Verfassungsrechtliche  Bedenken  gegen  das  Verbot  einer  bestimmten Wohnungsnutzung drängen sich hingegen dann auf, wenn durch die beabsichtigte Nutzung kein Wohnraumverlust eintritt  und  das  Verbot  damit  im  konkreten  Fall  der  Bekämpfung  der  Wohnungsnot  nicht  dient  –  so  bei  der Vermietung  einer  zu  Wohnzwecken  genutzten  (Zweit­)Wohnung  als  Ferienwohnung  während  der  Abwesenheit  der Bewohner. Allerdings führt die Erfüllung des Zweckentfremdungstatbestandes nicht in jedem Fall zu einem Verbot der  entsprechenden  Nutzung.  Eine  Zweckentfremdung  kann  nach  §  3  Abs.  1  Satz  1  ZwVbG  vielmehr  genehmigt werden.  Der  Genehmigungsvorbehalt  trägt  dem  Umstand  Rechnung,  dass  auch  ein  in  aller  Regel  sachlich gerechtfertigtes  Verbot  wie  das  Zweckentfremdungsverbot  im  Einzelfall  mit  den  Grundsätzen  der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes in Konflikt geraten kann, die sich als übergreifende Leitregeln allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Februar 1975 – 2 BvL  5/74  –,  juris  Rn.  61).  In  diesem  Rahmen  kann  den  Grundrechten  der  Betroffenen  insbesondere  in Sonderkonstellationen,  etwa  wenn  eben  durch  die  Zweckentfremdung  im  Sinne  von  §  2  ZwVbG  kein Wohnraumverlust eintritt, angemessen Rechnung getragen werden.

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Der  Genehmigungsvorbehalt  für  die  Vermietung  als  Ferienwohnung  betrifft  die  in  Eigentum  und  Besitz  der  Kläger zu 1) bis 3) stehende Zweitwohnung. Zum verfassungsrechtlichen Inhalt des Privateigentums gehört grundsätzlich die  freie  Verfügungsbefugnis  über  den  Eigentumsgegenstand  (vgl.  BVerfG,  Urteil  vom  4.  Februar  1975  –  2  BvL 5/74  –,  juris  Rn.  66).  Das  mit  einer  Befreiungsmöglichkeit  versehene  Verbot  bzw.  die  Genehmigungsbedürftigkeit der  zwischenzeitlichen  Vermietung  beeinträchtigt  diese  Verfügungsbefugnis.  Bei  dem  Genehmigungsvorbehalt handelt  es  sich  um  eine  Bestimmung  von  Inhalt  und  Schranken  des  Eigentums,  die  anhand  von  Art.  14  Abs.  1 GG  zu  beurteilen  ist,  da  der  Genehmigungsvorbehalt  generell  und  abstrakt  die  Nutzungsmöglichkeiten  der Wohnung  beschränkt.  Der  Gesetzgeber  muss  bei  der  Bestimmung  von  Inhalt  und  Schranken  des  Eigentums  im Sinne  von  Art.  14  Abs.  1  Satz  2  GG  die  schutzwürdigen  Interessen  des  Eigentümers  und  die  Belange  des Gemeinwohls  in  einen  gerechten  Ausgleich  und  ein  ausgewogenes  Verhältnis  bringen  (vgl.  hierzu  und  auch  zu Folgendem  BVerfG,  Beschluss  vom  14.  Januar  2004  –  2  BvR  564/95  –,  juris  Rn.  100;  BVerwG,  Urteil  vom  26. Juni  2013  –  BVerwG  6  C  1.12  –,  juris  Rn.  19,  jeweils  m.w.N.).  Das  Wohl  der  Allgemeinheit  ist  nicht  nur  Grund, sondern  auch  Grenze  für  die  dem  Eigentum  aufzuerlegenden  Belastungen.  Einschränkungen  der Eigentümerbefugnisse  dürfen  nicht  weiter  gehen,  als  der  Schutzzweck  reicht,  dem  die  Regelung  dient.  Dabei  ist die  Befugnis  des  Gesetzgebers  zur  Inhalts­  und  Schrankenbestimmung  umso  weiter,  je  mehr  das Eigentumsobjekt  in  einem  sozialen  Bezug  und  in  einer  sozialen  Funktion  steht  (vgl.  BVerfG,  Urteil  vom  28. Februar 1980 – 1 BvL 17/77  u.a.  –,  juris  Rn.  149).  Dem  Gesetz­  und  Verordnungsgeber  steht  bei  der  Festlegung der  von  ihm  ins  Auge  gefassten  Regelungsziele  sowie  bei  der  Beurteilung  dessen,  was  er  zur  Verwirklichung dieser  Ziele  für  geeignet  und  erforderlich  halten  darf,  ein  weiter  Einschätzungs­  und  Prognosespielraum  zu  (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. April 2009 – 1 BvR 121/08 –, juris Rn. 41 m.w.N.).

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Gemessen  hieran  begegnet  der  Genehmigungsvorbehalt  keinen  verfassungsrechtlichen  Bedenken.  Der Genehmigungsvorbehalt  für  die  Vermietung  von  Wohnraum  als  Ferienwohnung  stellt  einen  geeigneten  und erforderlichen  Beitrag  zur  Bekämpfung  der  Wohnungsnot  dar.  Die  alleinige  Vermietung  von  Wohnungen  als Ferienwohnungen  läuft  dem  Regelungsziel  des  ZwVbG,  geschützten  Wohnraum  zu  erhalten  und  eine  Versorgung

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14.11.2016

VG Berlin, Urteil vom 9. August 2016 ­ Az. 6 K 91.16

Ferienwohnungen  läuft  dem  Regelungsziel  des  ZwVbG,  geschützten  Wohnraum  zu  erhalten  und  eine  Versorgung der  Bevölkerung  mit  Wohnraum  zu  angemessenen  Bedingungen  sicherzustellen,  in  besonderem  Maße  entgegen (vgl. Urteile der Kammer vom 8. Juni 2016 – VG 6 K 103.16 –, juris Rn. 121; – VG 6 K 108.16 –, juris Rn. 122; – VG 6 K 160.16 –, juris Rn. 118; – VG 6 K 243.16  –,  juris  Rn.  124).  Insbesondere  ist  die  Nutzung  von  Wohnraum als  Ferienwohnung  geeignet,  Nachahmungseffekte  auszulösen  und  gar  Anreize  für  die  vollständige  Umwandlung von  Wohnraum  in  Ferienwohnungen  zu  setzen.  Zur  Bekämpfung  der  Wohnungsnot  stehen  dem  Gesetzgeber angesichts  des  herausragenden  sozialen  Bezuges  und  der  sozialen  Funktion  von  Wohnraum  besonders  weite Befugnisse  zu.  Obwohl  durch  die  wiederholte  Vermietung  von  (Zweit­)Wohnungen  ausschließlich  während  der Abwesenheitszeiten  der  Bewohner  kein  Wohnraumverlust  eintritt,  besteht  auch  in  diesen  Fällen  ein  legitimes Interesse  an  der  Prüfung  des  Einzelfalls,  vor  allem  um  Missbrauch  auszuschließen.  Nur  wenn  die  Nutzung  zu Wohnzwecken fortbesteht, ist es für die Wohnungsnot unerheblich, dass Wohnraum als Ferienwohnung vermietet wird.  Es  ist  vor  diesem  Hintergrund  nicht  zu  beanstanden,  der  Genehmigungsbehörde  durch  den Genehmigungsvorbehalt  die  Überprüfung  zu  ermöglichen,  ob  die  betreffende  Wohnung  tatsächlich  noch  zu Wohnzwecken genutzt wird. Dies ist auch verhältnismäßig. Insbesondere wäre eine nachträgliche Kontrolle, etwa durch Anhörungen der Vermieter, die Bettensteuer abführen oder deren Namen durch Auskünfte der Internetportale zur Ferienwohnungsvermietung bekannt werden, nicht gleich geeignet, da sie mit mehr Unsicherheit, Aufwand und zeitlicher  Verzögerung  einherginge.  Der  dem  Vermieter  seiner  (Zweit­)Wohnung  als  Ferienwohnung  durch  den Genehmigungsvorbehalt aufgebürdete Aufwand steht außerdem in angemessenem Verhältnis zum Schutzziel. Der erforderliche  Einsatz,  einen  Genehmigungsantrag  zu  stellen  und  eine  Verwaltungsgebühr  zu  entrichten,  ist  im Lichte  der  Bedeutung  der  Bekämpfung  der  Wohnungsnot  zumutbar.  Hinzu  kommt,  dass  die  finanzielle  Belastung durch  die  Verwaltungsgebühr  im  Hinblick  auf  die  durch  die  Vermietung  als  Ferienwohnung  angestrebten Einnahmen für den Betroffenen in den Hintergrund tritt.

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2.  Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  haben  einen  Anspruch  auf  Erteilung  der  begehrten  Genehmigung.  Gemäß  §  3  Abs.  1 ZwVbG  kann  eine  Genehmigung  auf  Antrag  erteilt  werden,  wenn  vorrangige  öffentliche  Interessen  oder schutzwürdige  private  Interessen  das  öffentliche  Interesse  an  der  Erhaltung  des  betroffenen  Wohnraums überwiegen  oder  wenn  in  besonderen  Ausnahmefällen  durch  die  Schaffung  von  angemessenem  Ersatzwohnraum der  durch  die  Zweckentfremdung  eintretende  Wohnraumverlust  ausgeglichen  wird.  Die Genehmigungsvoraussetzungen  liegen  vor  (dazu  unter  a.).  Das  Ermessen  des  Beklagten  ist  auf  Null  reduziert (dazu unter b.).

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a.  Im  Hinblick  auf  die  streitgegenständlichen  Räumlichkeiten  besteht  schon  kein  öffentliches  Interesse  an  der Erhaltung des betroffenen Wohnraums, sodass jedenfalls schutzwürdige private Interessen der Kläger zu 1) bis 3), nämlich  ihr  durch  Art.  14  Abs.  1  GG  geschütztes  Recht  auf  die  freie  Verfügung  über  die  in  ihrem  Eigentum stehende  Wohnung,  überwiegen.  Ein  öffentliches  Interesse  an  der  Erhaltung  von  Wohnraum  durch  das Zweckentfremdungsverbot  kann  nur  dann  bestehen,  wenn  die  Räumlichkeiten  nicht  schon  ohnehin  zu Wohnzwecken  genutzt  werden.  Abzuwägen  ist  nach  §  3  Abs.  1  Satz  1  ZwVbG  ausdrücklich  nur  mit  dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums, sodass es für die Genehmigungsfähigkeit nur darauf  ankommen  kann,  ob  die  verfahrensgegenständlichen  Räumlichkeiten  dem  Wohnungsmarkt  entzogen werden. Dies ist nicht der Fall.

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Die  Kläger  zu  1)  bis  3)  nutzen  die  verfahrensgegenständlichen  Räumlichkeiten  zu  Wohnzwecken  im  Sinne  des ZwVbG  –  konkret  als  Zweitwohnung.  Ein  Wohnraumverlust  tritt  auch  durch  die  Vermietung  als  Ferienwohnung während  ihrer  Abwesenheit,  durch  die  die  Wohnungseigenschaft  nicht  aufgehoben  wird,  nicht  ein.  Unter  diesen Voraussetzungen  besteht  auch  kein  öffentliches  Interesse  daran,  die  zeitweilige  Nutzung  der  Wohnung  als Ferienwohnung  durch  zweckentfremdungsrechtlich  grundsätzlich  ebenfalls  verbotenen  (vgl.  §  2  Abs.  1  Nr.  4 ZwVbG), bei Zweitwohnungen ausnahmsweise erlaubten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG) bzw. bei Hauptwohnungen nur für kürzere Dauer erlaubten Leerstand zu ersetzen, durch den dem Wohnungsmarkt ebenfalls kein zusätzlicher Wohnraum zugeführt würde.

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Es  kommt  daher  im  Ergebnis  nicht  darauf  an,  ob  es  sich  bei  der  streitgegenständlichen  Wohnung  im zweckentfremdungsrechtlichen  Sinne  um  die  Zweitwohnung  oder  –  wegen  des  jeweils  in  Dänemark  gelegenen Wohnsitzes  –  um  die  Hauptwohnung  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  in  Deutschland  handelt.  Die  Ausführungen  zu  der Genehmigungsbedürftigkeit  der  zeitlich  anteiligen  Nutzung  einer  Zweitwohnung  als  Ferienwohnung  sind  auf  die zeitlich anteilige Nutzung einer Hauptwohnung als Ferienwohnung übertragbar.

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b. Das dem Beklagten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG zustehende – von diesem vorliegend gar nicht ausgeübte – Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert.

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Der  aus  dem  Rechtsstaatsgebot  abzuleitende  Grundsatz  der  Verhältnismäßigkeit  lässt  nur  solche  Eingriffe  in  die Freiheitssphäre zu, die zum Schutz öffentlicher Interessen notwendig sind. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist insbesondere der Zweck der die Dispositionsfreiheit der Eigentümer einschränkenden Regelung im Auge  zu  behalten  (vgl.  BVerwG,  Urteil  vom  18.  Mai  1977  –  BVerwG  VIII  C  44.76  –,  juris  Rn.  40).  Das Zweckentfremdungsverbot  zielt  auf  die  Sicherstellung  der  Wohnversorgung  für  die  Berliner  Bevölkerung  (vgl. Gesetzesbegründung (vgl. Abgh.­Drs. 17/1057 vom 11. Juni 2013, S. 1). Der Schutzzweck des ZwVbG rechtfertigt

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Gesetzesbegründung (vgl. Abgh.­Drs. 17/1057 vom 11. Juni 2013, S. 1). Der Schutzzweck des ZwVbG rechtfertigt es nicht, dem Eigentümer unter Einschränkung seiner Verfügungsbefugnis zu verwehren, Räumlichkeiten, die als Wohnraum  genutzt  werden  und  lediglich  zwischenzeitlich  zweckentfremdungsrechtlich  erlaubt  leer  stehen, während  dieser  begrenzten  Zeiten  als  Ferienwohnung  zu  vermieten.  Wird  die  Wohnraumversorgung  nicht gefährdet,  muss  die  Genehmigung  damit  erteilt  werden  (vgl.  BVerwG,  Urteil  vom  18.  Mai  1977  –  BVerwG  VIII  C 44.76 –, juris Rn. 33; VGH München, Urteil vom 31. Mai 2010 – 12 B 09.2484 –, juris Rn. 36). 52

Es  sprechen  keine  weiteren  im  Rahmen  der  Ermessensausübung  zu  berücksichtigenden  öffentlichen  Belange gegen  die  Genehmigungserteilung,  die  über  das  im  Rahmen  der  Abwägung  nach  §  3  Abs.  1  ZwVbG  geprüfte öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums hinausgehen.

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Insbesondere  kann  ein  bei  den  Ermessenserwägungen  zu  berücksichtigendes  öffentliches  Interesse  nicht  daraus hergeleitet  werden,  dass  Zusatzeinnahmen  durch  die  zwischenzeitliche  Vermietung  an  Feriengäste  vermieden werden  sollen,  da  diese  das  Nutzen  einer  Zweitwohnung  in  vielen  Fällen  attraktiver  oder  überhaupt  erst finanzierbar machten. Das gesetzgeberische Ziel des ZwVbG ist nicht gegen Zweitwohnungen gerichtet. Vielmehr werden  auch  Zweitwohnungen  bewohnt  und  damit  zweckgemäß  genutzt.  Im  Gegensatz  zu  dem  in  einer  ganz anders strukturierten Mangellage entstandenen Recht der Wohnraumbewirtschaftung (Wohnungsmangelverordnung vom  23.  September  1918,  RGBl.  S.  1143;  Wohnungsmangelgesetz  vom  26.  Juli  1923,  RGBl.  I  S.  754; Verordnungen  zur  Wohnraumlenkung  und  Wohnraumversorgung  vom  27.  Februar  und  21.  Juni  1943,  RGBl.  I  S. 127 und S. 355; Wohnraumbewirtschaftungsgesetz vom 31. März 1953, BGBl. I S. 97) reglementiert das ZwVbG gerade nicht den Eigenbedarf (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74  –,  juris  Rn.  54).  Eine  gegen das  Zweitwohnen  an  sich  gerichtete  Argumentation  ist  damit  bei  der  Ermessensausübung  sachfremd  und unzulässig.

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Es  ist  zweckentfremdungsrechtlich  ebenso  unerheblich,  wie  die  Vermietung  als  Ferienwohnung  planungsrechtlich einzuordnen  ist.  Das  Argument  des  Beklagten,  die  Vermietung  der  Wohnung  als  Ferienwohnung  stelle  eine Nutzungsänderung  dar,  ist  gleichfalls  sachfremd  und  damit  im  Zweckentfremdungsrecht  eine  unzulässige Ermessenserwägung.  Denn  Baurecht  und  Zweckentfremdungsrecht  betreffen  unterschiedliche  Schutzrichtungen und stehen auch verfahrensrechtlich nebeneinander (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2014 – VG 13 L 274.13 –, juris Rn. 25).

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Auch  aus  der  Gefahr  des  Missbrauchs  lässt  sich  kein  öffentliches  Interesse  am  grundsätzlichen  Verbot  der zwischenzeitlichen  Vermietung  von  (Zweit­)Wohnungen  an  Feriengäste  herleiten,  das  zu  einem  anderen  Ergebnis führen  könnte.  Angesichts  des  Genehmigungsvorbehalts  ist  im  Rahmen  des  Genehmigungsverfahrens nachprüfbar  darzulegen,  dass  eine  Wohnung  als  (Haupt­  oder)  Zweitwohnung  im  Sinne  des  ZwVbG  genutzt  wird. Der  Missbrauchsgefahr  kann  durch  sorgfältige  Prüfung  und  ggf.  fortdauernde  Kontrolle  im  Rahmen  geeigneter Auflagen angemessen und ausreichend begegnet werden.

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Andere  Argumente,  die  eine  Ermessensentscheidung  zu  Lasten  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  begründen  könnten,  hat der Beklagte weder im Verwaltungs­ noch im Gerichtsverfahren vorgetragen. Sie sind auch nicht ersichtlich.

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Auch  insoweit  kommt  es  im  Ergebnis  nicht  darauf  an,  ob  es  sich  bei  der  streitgegenständlichen  Wohnung  im zweckentfremdungsrechtlichen  Sinne  um  die  Zweitwohnung  oder  die  –  auf  das  Bundesgebiet  bezogen  – Hauptwohnung  der  Kläger  zu  1)  bis  3)  handelt.  Die  Erwägungen  treffen  auf  die  gelegentliche  Vermietung  einer Hauptwohnung als Ferienwohnung wiederum ebenfalls zu.

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Nach alledem war der Klage antragsgemäß stattzugeben.

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II. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu  erklären.  Nach  der  genannten  Bestimmung  ist  die  Erstattungsfähigkeit  von  Kosten  eines  Bevollmächtigten  im Vorverfahren – anders als die von Anwaltskosten im gerichtlichen Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) – zwar nicht  automatisch,  sondern  je  nach  Lage  des  Einzelfalls  unter  der  Voraussetzung  der  konkreten  Notwendigkeit und unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus anzuerkennen. Im Einzelfall  ist  die  Hinzuziehung  eines  Bevollmächtigten  im  Vorverfahren  jedoch  dann  notwendig,  wenn  sich  ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs­ und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder  sonstigen  Bevollmächtigten  bedient  hätte,  wenn  es  der  Partei  nach  ihren  persönlichen  Verhältnissen  und wegen der Schwierigkeiten der Sache also nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – BVerwG 6 B 46.09 –, juris Rn. 6 m.w.N; OVG Berlin­Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2011 – OVG 10 N 47.09 –, juris Rn. 5). Davon ist hier auszugehen, da die Kläger zu 1) bis 3) rechtsunkundig sind und sich im vorliegenden Verfahren nicht einfach zu beurteilende Rechtsfragen stellten.

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III.  Die  Kostenentscheidung  beruht  auf  §  154  Abs.  1  VwGO.  Die  Entscheidung  über  die  vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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