Die doppelte Diskriminierung schwarzer Kinder ein Blick auf die Geschichte der Zehn kleinen Negerlein

Die doppelte Diskriminierung schwarzer Kinder – ein Blick auf die Geschichte der „Zehn kleinen Negerlein“ 1. Gefühle bestimmen die Meinung  Ich finde...
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Die doppelte Diskriminierung schwarzer Kinder – ein Blick auf die Geschichte der „Zehn kleinen Negerlein“ 1. Gefühle bestimmen die Meinung  Ich finde, dass sowohl aufgrund der in den „Zehn kleinen Negerlein“ benutzten diskriminierenden Wörter als auch wegen der so leichtfertigen und abwertenden Darstellung fremden Lebens dieses so genannte Kinderlied auf keinen Fall weitergegeben und gesungen werden darf. Meines Erachtens dient es nur noch der Darstellung eines ziemlich finsteren Abschnitts deutscher Wahrnehmung von und Umganges mit Migrantinnen und Migranten.  Ich finde dass man darüber einen viel zu großen Wirbel veranstaltet. Früher war das einfach ein Kinderbuch ohne einen rassistischen oder beleidigenden Hintergrund, als das sollte es auch heute angesehen werden. Damals war vieles noch anders.  Respektiert einander, lasst jeden so leben wie er möchte und nehmt nicht ein Kinderbuch, das früher vielen Kindern gefallen, hat zum Anlass, "den Rassismus" aufleben zu lassen, denn dieses Buch ist nicht mit diesem Hintergrund entstanden sondern um den Kindern, egal ob schwarz oder weiß, eine Freude zu machen! Stimmen aus einem Chatroom. Die meisten, die sich dort äußern, sind Eltern, Mütter kleiner Kinder vor allem. Die Meinungen gehen wild durcheinander. Mehrheitlich wird aber zum „Frieden“ aufgerufen: „Das ist doch Vergangenheit“ – „Das ist und war doch gar nicht so böse gemeint“, „heute ist das doch anders, das schadet doch niemandem“ usw. Was ist von solchen „beruhigenden“ Standpunkten zu halten? Woher rührt die Urteilsunsicherheit? 2. Zur Funktion von Kinderbüchern Kinderbücher verfolgen – bewusst oder ungewollt – stets eine erzieherische Absicht. Sie beeinflussen das Bild, das Kinder und Jugendliche sich von sich selbst machen wie von anderen Gruppen. Das betrifft in der Gesellschaft vorhandene Kulturen, Lebensstile und Lebensgemeinschaften. Kinderbücher vermitteln soziale Werte und Einstellungen gegenüber Minderheiten oder Fremden. Haben sie andere Ethnien zum Thema, dienen sie den Kindern wie auch der Gesellschaft als ganzer nur dann, wenn sie ihre Aufgabe darin sehen, sich um das Verständnis der bzw. des Fremden zu bemühen, nicht aber, indem sie herabsetzende Stereotypen und Vorurteile weiterleiten. Wenn aber Kinderbücher z.B. negative, unhinterfragte Bilder der schwarzen Familie, der Wirtschaft und des Charakters verbreiten, dann sind gesellschaftliche Distanzierung und alle möglichen Formen der Unterwerfung unter die Dominanz der Mehrheitsgesellschaft die wahrscheinlichen Folgen. Bücher werden dann zu „Wort-Waffen“: Vorurteile auf der einen Seite, auf der anderen hingegen fehlendes Selbstwertgefühl. Ständige Zurückweisungen und mangelnder Respekt stellen sich schon im Kindergarten bzw. in den ersten Schuljahren ein und werden von den Betroffenen auch so wahrgenommen. Die ältesten Ausgaben der „Kleinen Negerlein“ stammen aus den USA, aus dem Jahre 1869: Frank Green: „Ten Little Niggers“. Da war der Sezessionskrieg zwischen Nord- und Sklaven haltenden Südstaaten gerade vorbei. Die ältesten Ausgaben in Deutschland erschienen 1885: Benary: „Aus Kamerun“ bzw. 1910: Gareis: “Die Zwölf kleinen Negerlein“; die erste von insgesamt zehn unterschiedlichen österreichischen Editionen stammt von Hedi Fuchs aus dem Jahre 1946. Und nachdem im Jahre 2000 anlässlich der Theateraufführung von Agatha

Christies gleichnamigem Krimi in Hannover die des Rassismus geziehenen „Negerlein“Ausgaben im deutschsprachigen Raum aus den Regalen der Bibliotheken und Bücherläden verschwanden, ist das letzte im Buchhandel angebotene Kinderbuch dieses Titels in Österreich erhältlich, im Otto-Moravec-Verlag.

2. Ein amerikanischer Briefwechsel Aufschlussreich für eine erste Einordnung könnte ein Briefwechsel zwischen einem afro-amerikanischen Kinderbuchautor und dem Redakteur der Kinderbuchseite in der TIMES aus dem Jahre 1970 sein. Zu diesem Zeitpunkt waren Kinderbücher für alle Kinder noch gleichbedeutend mit Büchern, die nur weiße Kinder und deren Lebenswelt zum Inhalt hatten. Schwarze Kinder würden unter diesen Vorzeichen nur in Büchern für Schwarze etwas über ihre eigenen Lebensbedingungen, ihre Kultur und Herkunftsgeschichte lesen, lernen und reflektieren können – dennoch hätten weiße Kinder dann aber die Möglichkeit, etwas über die nicht-weiße Welt zu erfahren, von der sie abgeschottet lebten – argumentierte der schwarze Autor nicht zu Unrecht. Und: Warum müssen wir Schwarzen uns von weißen Autoren interpretieren lassen, die unsere Lebenswelt gar nicht kennen? Das kann doch nur bedeuten, dass man uns in die „weiße Welt“ assimilieren will, als ob wir keine eigene Kultur hätten! Wenig überzeugend ist da die Erwiderung des TIMES-Redakteurs: „Ich sehe nur Kinder, keine Hautfarben“. Diese „farbenblinde“ Position nehme aber die reale Ausgrenzung schwarzer Kinder aus ihrer Welt nicht zur Kenntnis. Und diese weiße Welt, so empfindet es der schwarze Autor, gibt nur das Wertesystem der weißen Dominanzgesellschaft vor. Dieses zerstöre das der Schwarzen, solange es für sie aufgrund ihrer Hautfarbe nicht erreichbar sei. Das Wertesystem wirke wie eine Waffe der weißen gegen die schwarze „Rasse“. Nicht mehr auf die Hautfarbe zu gucken sondern auf den Menschen, auf das Individuum, setze Kraft und Stolz bei den Schwarzen voraus. Das könne sich aus „weißen Büchern für alle“ nicht entwickeln, schon gar nicht, wenn das den Afrikanern seit 1619 angetane Unrecht der Sklaverei nicht aufgearbeitet würde. Mehrmals in Erstausgabe von F. Green Abständen von Jahrzehnten durchgeführte psychologische Versuche bestätigten den Autor: Schwarze Kinder spielten mit einer schwarzen und einer weißen Puppe. Hinterher durften sie eine behalten. Fast alle Kinder behielten die weiße Puppe. Zwischen Bürgerkrieg und Ende des 2. Weltkrieges waren unvoreingenommene Kinderbücher, weil es eben weiße Kinderbücher waren, nicht einmal in Bibliotheken vorhanden. Zudem war es damals für Schwarze schwierig, zu diesen überhaupt Zutritt zu erhalten. Bis 1900 fanden Manuskripte von Afro-Amerikanern, die sich mit ihrem Leben bzw. dem ihrer Kinder befassten, keinen Verlag, weil sich – dem Mainstream-Meinung zufolge – niemand für schwarze Autoren interessierte; die Schwarzen waren kein Markt. Warum sollte es auch anders sein? Als Analphabeten stellten sie keine Leserschaft dar und wären mangels Kaufkraft auch als Käufer nicht in Betracht gekommen. Mitte der 1960er Jahre kamen Schwarze nur in 0,8% aller Kinderbücher vor, davon meist nur im Bild. Zwar hatte sich zehn Jahre später die Zahl von Kinderbüchern verdoppelt, die schwarze Personen beinhalteten, aber nach wie vor richteten sich 86% aller Kinderbücher auf eine total „weiße“ Welt. Nur 4% aller sympathischen, positiven Charaktere waren nicht-weiß. Gerieten weiße Kinderbücher dann wegen ihres verzerrten Afrikanerbildes in die Kritik, wurde das wenige, was „schwarz“ war,

einfach getilgt. 1985 hatten von 2500 Kinderbüchern, die in den USA erschienen, gerade mal 18 schwarze Autoren, 2007 von 5000 Kinderbüchern 87 schwarze Autoren. 3. Gesellschaftspolitische Hintergründe Die frühen Ausgaben bis Anfang des 20. Jahrhunderts zeigen schon auf dem Umschlagbild singende und tanzende „Neger“ (s. Abb. oben). Dies verstärkte das damals bei Weißen schon übliche Stereotyp von Schwarzen in ihrer unaussprechlichen Dummheit, die selbst ihr eigenes Unglück noch besingen (es bleibt ja niemand übrig). In vielen Varianten sind es die Schwarzen selbst, die sich vom Leben zum Tode befördern und der letzte hängt sich sogar selbst auf: ONE little nigger left all alone, he went and hanged himself, and then there were NONE! Diese Aussage lenkt vom Umgang der Weißen mit den Schwarzen in „Diexieland“ ab, den Südstaaten. Dort waren die Sklaven nun frei, was bei den Plantagenbesitzern die Furcht her-vorrief, geschädigt durch die Kriegszerstörungen, die „Nigger“ nun auch noch bezahlen zu müssen. An einer Integration der Schwarzen nicht interessiert und durch die Verfassung, deren demokratische Rechte nur für die Weißen galten, nicht gezwungen, regierten die Farmer nun mit „starker Hand“. Nicht botmäßige „Nigger“ wurden kurzerhand gelyncht: Zwischen 1889 und 1920 waren das 2656 Schwarze, davon etwa 95% in den Südstaaten. Die Ausgabe von 1894 zeigte einen merkwürdigen Wandel bei der Darstellung der „Little Nigger“. Vormals noch mit Kindergesichtern versehen, wandeln sie sich in miniaturiAusgabe von 1894 sierte Männergestalten, erkennbar an den Köpfen, die zudem unbestreitbare Ähnlichkeit mit Menschenaffen aufwiesen. Die Botschaft: Von der Gestalt her Erwachsene, aber von der „Rasse“ her – von Gehirn und Verstand – durch Naivität, Dummheit, Gefühllosigkeit, Unterwürfigkeit, Unreife, Tölpelhaftigkeit, mentaler Brutalität und Kulturlosigkeit – Kinder. Diese sind unfähig zum Leben in Freiheit und auf die fürsorgerische Obhut des „Massa“ angewiesen. Schließlich wollten die „Nigger“ selbst doch auch nichts anderes als das behütete, glückliche Leben auf der Plantage fortzusetzen. Aus Männern waren so Kinder geworden. Ärzte und „Wissenschaftler“ bemühten sich, den ehemaligen Sklaven, denen stets eine verminderte Intelligenz unterstellt wurde, ihre Unterlegenheit über ihre „rassisch“ bedingte defizitären physiologische Ausstattung nachzu-weisen. Das war aber beileibe nicht Alles. Mit Kriegsende war die Verfassung durch das 14. und 15. Amendment ergänzt wor-den. Das bedeutete: Rechte aus der Verfas-sung galten nun für alle Amerikaner und das Wahlrecht desgleichen. Das brachte die Landbesitzer in den Südstaaten in zusätzliche Nöte gegenüber ihrer schwarzen Bevölkerungsmehrheit, die der „Cincinatty Enquirer“ in einem Kommentar auf den Punkt brachte: „Die Sklaverei ist nun tot, aber der Neger ist es nicht, das ist das Unglück!“ Aber

wieder wussten die Juristen Rat: „Wenn schon alle gleich sein müssen, bedeutet das aber noch lange nicht, dass alle Menschen, Schwarze wie Weiße, auf gleiche Weise zu behandeln seien, etwa als Wähler. Wir sollten uns daran erinnern, dass ein Junge von 16 Jahren vor dem Gesetz einem 60-Jährigen gleich gestellt ist. Dennoch kann der Junge aber nicht wählen, der Mann schon.“ Diese Auffassung, der von den Nordstaaten im Interesse einer Versöhnung der Kriegsgegner nicht widersprochen wurde, fand bei den „Ten Little Niggers“ ihren Niederschlag. Gegen die Jahrhundertwende änderte sich der Titel bei immer mehr Ausgaben – von den „Little Niggers“ zu den „Nigger Boys“. Boy blieb man nun immer – als Diener in einem weißen Haushalt, als Hotel-Boy usw. Wer erinnert sich nicht an die schönen amerikanischen Filme der 50er und 60er Jahre – mit Clark Gable, Cary Grant, Rock Hudson, Katherin Hepburn u.a., wo es von „Boys“ nur so wimmelte? Und wer hätte etwas Böses dabei gedacht? 4. Aber die harmlosen Texte, die niedlichen Bilder! Die anglophonen Ausgaben blieben in den meisten Fällen bei den ursprünglichen Reimen, die vor 1869 als „Ten Little Indjuns“ entstanden waren. Die deutschsprachigen Ausgaben sind hingegen vielfältiger, was die einfachen Reime anbetraf. Zum Teil dürfte der historisch-gesellschaftliche Hintergrund diesseits des Atlantik nicht bekannt gewesen sein, z.T. veränderte man das Motiv, ohne dass die Aussage „schwarzenfreundlicher“ geworden wäre. Beginnen wir gleich bei einem Beispiel: In der englisch-amerikanischen Ausgabe wird ein „Nigger“ vom Hai gefressen; in späteren Ausgaben von einem anonymisierten Riesenfisch. Der Hintergrund: Auf den Überfahrten der Sklavenschiffe von Afrika nach Amerika ging manchmal die Nahrung zur Neige; Sklaven erkrankten oder starben. Um Haie anzulocken und mit einem Speer zu erlegen, warf man kranke oder tote Afrikaner ins Meer.

Amerikanische Ausgabe (1920)

Deutsche Ausgabe (1900)

In älteren anglophonen Ausgaben werden „Nigger“ von Krokodilen gefressen; dieses Motiv wird von deutschen Ausgaben zwischen 1885 und 1920 auch aufgenommen, nur ist hier der Hintergrund ein anderer: Geflohene Sklaven verbargen sich in den vor 1900 noch zahlreichen Sümpfen, in denen auch Alligatoren lebten. Die Plantagenbesitzer warnten ihre Sklaven vor einer Flucht, da sie von Krokodilen (oder in anderen Ausgaben von Bären) getötet würden. In deutschen Ausgaben diente dieses Motiv (das auch durch Elephanten ersetzt werden konnte), dafür, Kinder mit den geheimnisvollen afrikanischen Kolonien bekannt zu machen. Dies ließe sich fortsetzen. „Negerlein“ kommen vor den Kadi, angeklagt des Diebstahls. In der amerikanischen Popart (auf Kosten der Afro-Amerikaner) sind das die „WatermelonBoys“, die aus Hunger eine Wassermelone vom Feld stehlen und damit das Stereotyp der „Nigger“ als Diebe stützen sollen. In einer anderen Szene, die auch von deutschen Ausgaben

aufgenommen wurde, werden sie von Bienen zerstochen – Hinweis auf ihre Tölpelhaftigkeit. In Wahrheit wurden Sklaven mit der unangenehmen Aufgabe betraut, schutzlos die Honigwaben aus den Bienenkörben zu holen und die Bienenkörbe zu neuen Standorten zu tragen.

Amerikanische Ausgabe (ca. 1910)

Deutsche Ausgabe (ca. 1920)

5. Von der Schwierigkeit, sich zwischen „harmlos“ und „rassistisch“ zu entscheiden. Pate für die deutschen „Zehn kleinen Negerlein“ stehen die „Ten Little Niggers“, die einige Jahrzehnte früher erschienen. Diese haben eine wirkmächtige ideologische Funktion, die hier nur an einigen Beispielen entfaltet werden konnte. Es ging dabei schlicht um die Aufrechterhaltung weißer Herrschaft über afrikanische Arbeitskraft nach einem Bürgerkrieg, der den Sklaven nominell die Freiheit brachte. Die Freiheit wurde aber auf vielfältige Weise eingeschränkt: durch eine heute kaum nachvollziehbare Rechtsprechung (zu noch zu ergänzen wäre durch die von den Südstaaten betriebene, juristisch über das Prinzip „Separate but Equal“ abgesicherte „Rassen“trennung: Getrennte Schulen sind erlaubt, wenn es neben Schulen für Weiße auch welche für Schwarze gibt; nach Zustand und Ausstattung wird dann nicht mehr gefragt.) Schwarz und Weiß lebten in den Südstaaten zwar getrennt aber doch eng miteinander verflochten. Probleme, die sich juristisch nicht zugunsten der Weißen lösen ließen, wurden per Lynchjustiz oder den Ku-Klux-Klan „erledigt“. Die „Nigger“ wurden in den Kinderbüchern kaum „niedlich“ dargestellt; ihre unterstellte Minderwertigkeit und Dummheit war ihnen regel-recht ins Gesicht geschrieben. Die hier nur vereinfacht dargestellten ideologischen Hintergründe waren und sind bei uns nicht bekannt – aber sie sind auch anders. Kann man in Deutschland, England, Frankreich und den Niederlanden noch die Kolonialinteressen als Interessenhintergrund annehmen und zumindest symbolisch in manchen Ausgaben auch nachweisen, so trifft dies für Länder wie Island, Schweden, die Schweiz, die Tschechoslowakei und Österreich kaum noch zu. Hier haben die Kinderbilder auch einen anderen, häufig deutlich hervortretenden historisch-gesellschaftlichen Hintergrund. Zu Zeiten der „Kleinen Negerlein“-Bücher waren Schwarze bei uns nur ausnahmsweise anzutreffen; sie bildeten ein

kaum wahrnehmbares Bevölkerungssegment, nicht aber, wie auch heute noch in manchen Südstaaten, die Bevölkerungsmehrheit. Und wir Mitteleuropäer haben historischgesellschaftlich dazu noch einen anderen Zugang zu den Schwarzen. Das obige Bild zeigt – wie auch die Kaffee-Reklame die „Negerlein“ in orientalischem Habitus. Manche Ausgaben bringen die „Negerlein“ mit der Türkei in Zusammenhang. Der „Neger“, der hier Pate steht, ist nicht der Sklave, der aus Afrika kam, sondern es ist der „Mohr“, der über die Türkei und das Mittelmeer Zugang zur europäischen Gesellschaft fand. Auch er tritt stets in einer dienenden Rolle auf, bietet seine Dienste vom Eunuchen im Harem bis zum Kaffee-, Schokoladen und Tabakanbieter an, aber für gehobene Gesellschaftsschichten. Sein Erscheinungsbild – nicht zuletzt in der Werbung – mit Turban, Schnabelschuhen und Pumphosen aus-gestattet, repräsentiert einen freundlichen Schwar-zen, im Kontrast zum US-Sklaven, der nicht nur als dümmlich, sondern auch noch als aggressiv und potentiell gefährlich stilisiert wurde. Dieses positiv

freund-liche, häufig ästhe-tisch wahr-genommene Bild unseres „Negerleins“ kann aber nicht Rückbindung an die „Ten Little Niggers“ gewertet werden. Und kann auch nicht darüber hinwegsehen, dass hier Menschen – Schwarze – so charakterisiert und dargestellt werden, dass sie unseren Kindern nicht in einer gleichrangigen Rolle entgegentreten, sondern – der Absicht der Schöpfer dieser KonstrukSarottimohr (D)

ohne man

gemäß – Julius-Meinl-Mohr (A)

tion, als Menschen zweiter Klasse. Dass dieses Menschenbild der Kern des Problems ist und nicht die Bezeichnung - (Negro-Nword / Neger-Negerlein), die im Zeichen der „political correctness“ abgeschafft wurde, zeigt die aktuelle Weiterentwicklung der „Niggers/Nigger Boys“, die abschließend noch gestreift werden soll. 6. Auf die gemeinsame Freude am Spiel kommt es an! Die „Ten Little Niggers“ wie die „Zehn kleinen Negerlein“ sind zwar als Lied konzipiert, aber sie dienten vor allem als Abzählbuch. Das hat der in New York bekannte, mit vielen Preisen ausgezeichnete afro-amerikanische Psychiater Gerald W. Deas gründlich auf den Kopf gestellt. Er versah Reime und Bilder mit neuen Inhalten, die allgemeine menschliche und gesellschaftliche Werte, die zu Selbstbewusstsein und eigener Stärke führen, an die Stelle der diskriminierenden Stereotypen stellten. ONE black little boy was loved and he grew when he shares with another, that makes TWO

TWO little black boys learned to agree they asked the help of another and then they were THREE

TEN little black boys are only a few to become strong men WILL BE UP TO YOU!

Die “black little boys” wachsen auf. Sie werden Jugendliche und Erwachsene, dann „black brothers“, „black students“, „black men“. „Then they looked for a leader, and then they were ten.“ Deas fand keinen Verlag, der seine Alternative druckte. So druckte er sie selbst auf eigene Kosten.

Schlein und Crews gingen noch einen Schritt weiter. In „More than One“ lösten sie das alte Abzählmuster auf zugunsten einer sozialen Logik….

Eight Black Men became strong with time; they linked arms with another, and then there were Nine. aus Deas

Hier lernen Kinder – anders als in den früheren Abzählreimbüchern – eine mehrperspektivische Bedeutung der Zahlen kennen, die nicht mehr an „Rassen“ gebunden ist. Kinder werden Menschen in normalen Alltagskontexten vorführt: „One can be more than one“ – ein Paar Schuhe ist mehr als ein Schuh, nämlich zwei; eine Woche sind sieben Tage; ein Base-ballteam hat neun Spieler. Davon können einige Männer sein, andere Frauen, einige weiß, andere farbig. Eine Familie kann aus Personen unterschiedlicher Hautfarbe bestehen, aber auch unterschiedlicher Genera-tionen. Es wird nichts über irgendeine „Rasse“ ausgesagt noch werden den Menschen stereotypenhaft (angebli-che) Charaktereigenschaften zuge-schrieben. Kindern werden ihre Stärken gezeigt. Damit haben sich die „little niggers“ endgül-tig verabschiedet. An die Stelle eines Genres diskriminierender Differenz ist eine Literatur getreten, die als Brücke zwischen den Kulturen verstanden werden will. Und braucht man weiterhin Abzählbücher, tun es – wie in Deutschland/Österreich inzwischen auch – Bären, Pferde, Vögel oder Autos. Dazu bedarf es weder „Nigger“ oder „Neger“ noch „Negerlein“.