Die Bamberger Hexenprozesse - "Unschuldig muss ich sterben"

1 Manuskript radioWissen Die Bamberger Hexenprozesse - "Unschuldig muss ich sterben" AUTOR: Johannes Munzinger REDAKTION: Thomas Morawetz Zitator:...
Author: Andreas Hausler
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Manuskript radioWissen

Die Bamberger Hexenprozesse - "Unschuldig muss ich sterben"

AUTOR: Johannes Munzinger REDAKTION: Thomas Morawetz

Zitator: Zu viel hundertausend guter Nacht, herzliebste Tochter Veronica. Unschuldig bin ich in das Gefängnis gekommen, unschuldig wurde ich gefoltert, unschuldig muss ich sterben. Denn wer in dieses Haus kommt, muss ein Hexer werden, oder er wird so lange gefoltert, bis er etwas aus seinem Kopf erdichten muss, falls ihm, Gott erbarme sich, etwas einfällt. Erzählerin: So beginnt der Abschiedsbrief des Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius. Als er diese Zeilen niederschreibt, steht seine Hinrichtung unmittelbar bevor. Unter schrecklicher Folter und als gebrochener Mann hatte er gestanden, ein Hexer zu sein. Es ist der Sommer des Jahres 1628. Erzähler: Die Jahre um 1628 markieren den schrecklichen Höhepunkt der Bamberger Hexenprozesse, in deren Feuern mindestens 900 unschuldige Menschen umgebracht wurden. Erzählerin: 1628 – seltsam. Gilt nicht das Mittelalter als die große Zeit der Hexenverfolgungen? Und wie kann Johannes Junius – Mann und Bürgermeister! – der Hexerei bezichtigt werden? Erzähler: Professor Günter Dippold, Historiker und fränkischer Bezirksheimatpfleger, hat sich intensiv mit den Hexereiprozessen auseinandergesetzt. Vor allem will er Vorurteile aus der Welt schaffen, die sich lange um ihre Geschichte rankten. O-Ton 1: „Die Vorurteile kann man eigentlich ganz einfach zusammenfassen: Im Mittelalter verbrennt die katholische Kirche heilkundige Frauen als Hexen, und daran ist so ziemlich alles verkehrt oder, was vielleicht schlimmer ist, halbwahr. Erstens: Die Masse der Hexenprozesse findet nicht im Mittelalter statt, sondern in der frühen Neuzeit, vor allen Dingen im späten 16. und im 17. Jahrhundert. Zweitens: Nicht die katholische Kirche ist am Werk, wenngleich Vertreter beider Konfessionen als geistige Brandstifter in Erscheinung treten, aber die Verfolgung liegt in der Hand der weltlichen Kräfte, der weltlichen Justiz, der weltlichen Fürsten. Und zum andern: Keineswegs sind nur Frauen Opfer der Prozesse geworden, es sind auch Männer, auch Kinder beiderlei Geschlechts zum Opfer gefallen, und zwar nicht Menschen, die durch Äußerlichkeiten – Haarfarbe, Gestalt – oder durch besonderes Wissen oder besondere Fähigkeiten

2 auffällig geworden sind, sondern – und das macht das Ganze ja so furchtbar und so erschreckend – jede, jeder hätte Opfer werden können, der in der Zeit gelebt hat.“ Erzählerin: Immer wieder hört und liest man von neun Millionen verbrannten Hexen. Eine Fantasiezahl, die auf Fantasiedaten beruht. Historiker schätzen heute, dass in der schlimmsten Phase der Hexenverfolgung in Europa etwa 100.000 Menschen als vermeintliche Hexen hingerichtet wurden. Fast 1.000 von ihnen alleine im kleinen Hochstift Bamberg. Erzähler: Das Hochstift Bamberg war damals einer von vielen Kleinstaaten des Reichs und umfasste neben Bamberg noch zahlreiche kleinere Städte und Dörfer. Über alle regierte der Fürstbischof als weltlicher Herrscher. Und die Aufgabe des Fürsten war es, für Ruhe, Frieden und Wohlstand in seinem Land zu sorgen. Keine leichte Aufgabe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im ganzen Kaiserreich brodelte es. Die Lehren Martin Luthers und die Reformation hatten das Land gespalten, Katholiken und Protestanten kämpften um die Vorherrschaft im Reich. Es war der Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs. Dazu war das Hochstift Bamberg stark verschuldet. Und dann wurde es kalt. In Europa begann die "Kleine Eiszeit". O-Ton 2: „Der Bauer sieht schon wieder eine Missernte, das zweite, das dritte Jahr hintereinander. Das hat es doch früher nicht gegeben! Und dann fragt man sich: Woher kommt das?“ Erzählerin: Von Klimaveränderung und Kleiner Eiszeit hatte man damals natürlich noch nie gehört. Es brauchte einen Sündenbock. Und der wurde gefunden: Hexenwerk musste es sein! Denn dass es Hexen gibt, bezweifelte damals kaum jemand. O-Ton 3: „Dass Hexen existieren, dass Hexen Böses tun, dass sie das Wetter nachteilig beeinflussen, das ist etwas, das lernt man in der Schule, das hört man von der Kanzel, das liest man in gelehrten Büchern. Warum sollte man das nicht glauben?“ Erzählerin: Was oder wer aber waren Hexen? Wieso konnten sie eine so unheilige Macht ausüben? Erzähler: Die gelehrte Definition zum alten Volksglauben lieferte eines der berüchtigtsten Bücher aller Zeiten: der Hexenhammer. In ihm erklärt der Theologe Heinrich Krämer, wie die Hexerei in die Welt kommt: durch einen Bund mit dem Teufel. Hexen sind demnach Menschen, die Gott freiwillig den Rücken kehren und sich vom Satan verführen lassen. Als Belohnung verleiht der den Hexen die Macht der schwarzen Magie. Damals ein unvorstellbares Verbrechen. O-Ton 4: „… der Teufelsbund wird mit einem Geschlechtsverkehr bestätigt, das ist Sodomie, weil der Teufel ja kein Mensch ist, sondern ein Geistwesen, also es ist widernatürliche Sexualität, und wenn die Hexe oder der Hexer verheiratet ist, dann ist das zugleich noch Ehebruch.“ Erzählerin: Frauen galten in dieser Hinsicht als deutlich gefährdeter als Männer. Sie, das angeblich schwache Geschlecht, wären anfälliger für sexuelle Vergehen und weniger gefestigt in

3 ihrem Glauben. Im Grunde konnte zwar jeder Mensch in die Mühlen der Hexenverfolgung geraten, tatsächlich waren jedoch in Bamberg etwa 70 Prozent der Opfer weiblich. Erzähler: Auch die Brutalität und Gnadenlosigkeit der Hexenprozesse liegt im Hexenhammer begründet. Zwar war es damals an allen Gerichten gang und gäbe durch Folter Geständnisse zu erzwingen, doch wer die Folter ertrug, ohne zu gestehen, durfte nicht voll verurteilt werden. Die Hexerei definiert der Hexenhammer aber als ein besonderes, ein Ausnahme-Verbrechen. O-Ton 5: „Deswegen darf man auch jemand, wenn er nach allen Graden der Folter nicht gestanden hat, nicht etwa als unschuldig freilassen, wie das richtig wäre, oder mit einer milden Verdachtsstrafe belegen, nein! Dann muss man ihn erneut foltern und notfalls noch einmal foltern und noch einmal foltern, bis dieser Mensch seine ungeheuren Verbrechen gesteht.“ Zitator: Der Henker kam und hat mir die Daumenschrauben angelegt und beide Hände so zusammengedrückt, dass mir das Blut aus den Nägeln herauskam, sodass ich meine Hände vier Wochen nicht gebrauchen konnte, wie du an meinem Schreiben siehst. Als nun der Henker mich wieder ins Gefängnis führte, sagte er zu mir: „Herr, ich bitte euch um Gottes willen, gesteht etwas, ob wahr oder nicht! Denkt euch etwas aus, denn ihr könnt die Folter nicht überstehen, die man euch antut. Auch, wenn ihr sie aushaltet, so kommt ihr doch nicht hinaus, sondern es wird eine Folter auf die nächste folgen, bis ihr sagt, dass ihr ein Hexer seid. Dann lässt man euch zufrieden.“ Erzählerin: Schon 1487 wurde der Hexenhammer veröffentlicht. Es dauerte aber fast 100 Jahre, bis sich eine gelehrte Diskussion um seine Inhalte entspann. Seine volle Macht entfaltete er erst, als das Wetter immer schlechter und das Volk immer unruhiger wird. Dass es Hexen geben muss, stand also außer Zweifel. Allerdings – ausgerechnet die großen Institutionen der römischen Kirche und des Kaiserreiches lehnten großangelegte Hexenprozesse eindeutig ab. Ihnen war das Risiko zu groß, Unschuldige könnten hingerichtet werden, und man könnte das Volk in Aufruhr versetzen. Sogar die berüchtigte Inquisition stellte sich strikt gegen Massenprozesse. Dort, wo die Inquisition Einfluss hatte – vor allem im Kirchenstaat – wurden Hexen nie systematisch verfolgt. O-Ton 6: „Das heißt: Wäre die Inquisition hierzulande einflussreich gewesen, dann hätte es vieles nicht gegeben, was es unter dem Einfluss der weltlichen Herrschaften leider gegeben hat.“ Erzähler: Dass es überhaupt zu Prozessen kommen konnte, liegt an der damaligen Herrschaftsstruktur. Man spricht gerne von einer Zeit des "Frühabsolutismus". Das Staatswesen war ganz auf den jeweiligen Fürsten ausgerichtet. Auch die Justiz. Erzählerin: Die Entscheidung, Hexenprozesse zu billigen, lag letztlich beim Fürstbischof. Bischof Neidhard von Thüngen war in Bamberg der erste, der Hexenprozesse genehmigte. Während seiner Regierungszeit in den 1590er-Jahren wurden mindestens vier vermeintliche Hexen hingerichtet. Insgesamt blieb die Hexenfrage für Neidhard aber ein Randthema. Er war mehr damit beschäftigt, die Protestanten aus seinem Land zu vertreiben. Danach könnte man sich noch immer um die Hexen kümmern.

4 Erzähler: Unter seinem Nachfolger, Johann Philipp von Gebsattel, wurde keine einzige angebliche Hexe hingerichtet. Bischof von Gebsattel war in religiösen Dingen sehr tolerant. Er lebte gerne und gut, war eher Politiker als Geistlicher und führte schon deshalb keine Hexenprozesse, um keine Unruhe zu stiften. Erzählerin: Nach zehn Jahren im Amt starb Gebsattel. Sein Nachfolger, Johann Gottfried von Aschhausen, leitete 1609 schließlich eine Kehrtwende in der Hexenpolitik ein. Er wollte mit aller Härte gegen die Teufelsbündner vorgehen. An seine Seite gesellte sich ein ehrgeiziger, in Rom geschulter Theologe und Todfeind der vermeintlichen Hexen: Dr. Friedrich Förner. Erzähler: Unter der geistigen Führung der beiden kam es zur ersten der später berüchtigten Prozesswellen. Kronach im Jahr 1612: Den Anlass gibt ein schon lange schwelender Familienstreit, der darin gipfelt, dass eine Frau von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn als Hexe angeklagt und vom fürstlichen Gericht zum Tode verurteilt wird. Doch bei diesem einen Prozess bleibt es diesmal nicht. Unter der Folter hatte die Angeklagte Namen genannt von anderen angeblichen Hexen. So kommt es, dass im Verlauf eines Jahres in Kronach insgesamt 15 Menschen hingerichtet werden. Erzählerin: Den Prozesswellen lag ein wichtiger Teil des Hexenglaubens zugrunde: der Hexensabbat. Von Zeit zu Zeit, so glaubte man, treffen sich die Hexen, Zauberer und Dämonen der Gegend bei einem solchen Hexensabbat – in Wäldern, auf Bergen oder mitten in der Stadt. Dort feiern sie mit dem Satan eine rauschende Orgie. O-Ton 8: „Das führt dazu, dass beim Verhör die Ankläger fragen: Du warst beim Hexensabbat. Dann gesteht man das. Wen hast du dort gesehen? Dann nennt man erst Tote. Dann nennt man erst die, die auch schon, wie man weiß, in den Fängen der Hexenjustiz sind. Aber das genügt nicht. Man will mehr Namen hören, man fragt und fragt und insistiert, und wir können auch nicht ausschließen – im Gegenteil, es ist sogar wahrscheinlich – dass man manchen Angeklagten Namen regelrecht in den Mund gelegt hat.“ Zitator: Danach sollte ich sagen, welche Leute ich dort gesehen hätte. Ich sagte, ich hätte sie nicht gekannt. „Du alter Schelm! Ich muss dir den Henker auf den Hals hetzen!“ Dann sagte er: „Wir nehmen eine Gasse nach der anderen, erst den Markt.“ Da habe ich etliche Personen nennen müssen. Erzähler: Viel schlimmer noch als die erste Prozesswelle verläuft die zweite. Nach einer Reihe von Missernten brennen ab 1616 gleich in mehreren Städten des Hochstifts die Scheiterhaufen – erstmals auch in Bamberg selbst. Insgesamt sind von Beginn der Welle bis zu ihrem Ende sechs Jahre später 159 Prozesse bekannt. Fast alle enden mit dem Feuertod. Erzählerin: Schließlich verebbt die Welle langsam, dank des damaligen Bamberger Kanzlers Dr. Georg Haan. Unter dem toleranten Bischof von Gebsattel zu Amt und Würden gekommen, ist er einer der größten Widersacher der Hexenverfolgung. Wohl auch deshalb, weil seine eigene Mutter einst als Hexe beschuldigt wurde. Ihm gelingt es,

5 Sand in das Getriebe der Justizmühle zu streuen. Sein Argument: Die Prozesse sind zu teuer! Erzähler: Die vielen Prozesse strapazierten die ohnehin leeren Kassen des Hochstifts gewaltig, ausgerechnet jetzt, wo der Dreißigjährige Krieg begonnen hatte und noch mehr Kosten verursachte. Diese Umstände macht sich Kanzler Georg Haan zunutze, um den Prozessen den Geldhahn zuzudrehen. Zwar werden einmal Gefangene nicht freigelassen, aber immerhin wird niemand mehr verhaftet. Erzählerin: Tatsächlich folgen einige ruhige Jahre. Keine Prozesse, keine Scheiterhaufen, Haan bleibt Kanzler und Johannes Junius bekleidet wiederholt das Amt des Bürgermeisters. Doch es ist die Ruhe vor dem Sturm, und Georg Haan wird seinen Widerstand gegen die Prozesse noch bitter bereuen. Es kommt zu einer erneuten Wende unter Bischof von Aschhausens Nachfolger: Erzähler: Johann Georg Fuchs von Dornheim, genannt "der Hexenbrenner". Unter seiner Herrschaft loderten die Scheiterhaufen Bambergs höher und öfter als je zuvor oder danach. Erzählerin: Fuchs von Dornheim treibt die Gegenreformation weiter voran, während Friedrich Förner das Volk aufhetzt. Als Weihbischof hält er flammende Hasspredigten gegen die Hexen und fordert die Menschen auf, der Obrigkeit mehr Druck zu machen. 1626, nach wenigen Einzelprozessen, brechen alle Dämme. Erzähler: Ein verheerender Nachtfrost in der Nacht des 26. Mai richtet gewaltige Schäden an. Die Hexen haben augenscheinlich wieder an Macht gewonnen. Jetzt muss etwas getan werden! Es ist der Beginn der größten Prozesswelle der Bamberger Geschichte. O-Ton 10: „Das ist so generalstabsmäßig durchgeplant, wie man es aus dem Regierungshandeln so konsequent kaum kennt. Ganz erschütternd gut durchgeplant.“ Erzählerin: Ab 1626 werden jedes Jahr mehr Prozesse geführt – wieder endet fast jeder tödlich. Um Geld zu sparen, lassen sich die Verfolger etwas einfallen. Es gilt, weniger Holz zu verbrauchen, denn Holz ist damals eine wertvolle Ressource. In Zeil, wo die meisten Hinrichtungen stattfinden, lässt man deshalb einen großen Ofen bauen. O-Ton 11: „Ein rundes Gebäude mit einem steinernen, flachen Dach. Auf ihm finden die Hinrichtungen statt. Die Opfer werden nun regelmäßig geköpft. Aber weil ja die eigentlich vorgesehene Strafe im Hexereiprozess der Feuertod ist, deswegen wird die Leiche anschließend verbrannt. Ein Krematorium also, das einzig dem Zweck dient, die Verfolgung preisgünstiger zu gestalten.“ Erzähler: Um die Massen an Verdächtigen unterzubringen, entsteht auf Förners Veranlassung mitten in Bamberg ein Spezialgefängnis, das sogenannte "Malefizhaus" – ein zweistöckiger Steinbau mit 40 Zellen, umringt von einer hohen Steinmauer.

6 Erzählerin: In diesem Gefängnis verfasst auch Johannes Junius 1628 seinen Brief, in dem Jahr, in dem die Verfolgung mit fast 200 dokumentierten Prozessen ihren absoluten Höhepunkt erreicht. Alle Bevölkerungsschichten sind nun betroffen, das einfache Volk wie auch die Eliten. Und der aufsehenerregendste Prozess wird gegen keinen Geringeren geführt als Kanzler Georg Haan, der einst die Verfolgung zum Erliegen gebracht hatte. Systematisch arbeitet man auf seine Verhaftung hin. Zitator: „Sag frei! Ist der Kanzler nicht beim Hexensabbat gewesen?“ Da sagte ich eben ja. O-Ton 12: „Dass das von langer Hand geplant war, auch das geradezu zynisch, erlebt man, weil ein Bamberger Hofrat, ein Scharfmacher, bei seinen Juristenkollegen in Coburg im evangelischen Ausland sitzt, im Nachbarfürstentum, und denen ganz lässig, sicherlich angetrunken erzählt: Man werde Herrn Kanzler demnächst einfangen und verbrennen. Ein halbes Jahr, bevor Haan festgenommen wird. Und da ist ganz klar: Das ist lange vorbereitet!“ Erzähler: Haans Hinrichtung räumt nicht nur einen einflussreichen Gegner der Hexenpolitik aus dem Weg, man zieht auch Teile seines Vermögens ein, um die Prozessmaschinerie weiter am Laufen zu halten. Doch die ausufernden Prozesse werden dem Volk unheimlich. Nachdem es selber die Prozesse herbeigewünscht hatte, merkt es nun, dass wirklich niemand sicher ist. Während in Zeil der Ofen brennt, regt sich zunehmend Unmut. Erzählerin: Bauern beginnen, die Lieferung von Holz zu verweigern, Zahlungen bleiben aus und einigen Gefangenen gelingt sogar die Flucht. Zudem wird einem Vertreter des Hofrats in Zeil, wohl im Suff, ein Büchlein entwendet. Darin enthalten: die Verdächtigenlisten! Wahrscheinlich finden sich etliche Einwohner Zeils auf dieser Liste. Die Lage gerät zunehmend außer Kontrolle. Erzähler: Am Ende bricht ein einzelner Prozess der Hexenjustiz das Genick. Im Dezember 1629 wird Dorothea Flock verhaftet. Sie kommt aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Nürnberg, ihr Ehemann setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu befreien – und tatsächlich erwirkt er vom kaiserlichen Hofrat ein Mandat zu ihrer sofortigen Freilassung. Erzählerin: Doch die Hexenbrenner bekommen Wind davon. Eine halbe Stunde bevor der kaiserliche Bote das Mandat überreichen kann, wird Dorothea Flock eilends hingerichtet. Der Fürstbischof stellt den kaiserlichen Boten vor vollendete Tatsachen. O-Ton 13: „Aber genau das führt zu einem großen Ärger, das führt dazu, dass die ganzen katholischen Vormächte – Bayern, Kaiser – sich gegen den Bamberger Fürstbischof wenden, seinen Abgesandten beim Kurfürstentag heftige Vorwürfe machen wegen der Hexereijustiz. Bamberg steht mit dem Rücken zur Wand. Der Reichshofrat ermittelt, der Reichshofrat lässt sich Prozessakten vorlegen. Bamberg, der Bischof, seine Beamten lassen niemanden mehr verhaften.“

7 Erzähler: Im Frühjahr 1632 erlöschen die Feuer endgültig, als sich das schwedische Heer der Stadt nähert. Die letzten Gefangenen werden entlassen, müssen aber zuvor schwören, nichts über die Vorgänge im Malefizhaus zu verraten. Der Hexenbrenner selbst flieht nach Österreich, wo er kurz darauf stirbt. Sein Wunsch nach einer gottgefälligen, hexenfreien Gesellschaft hatte in nur wenigen Jahren hunderte Unschuldige das Leben gekostet. Erzählerin: Die größte Prozesswelle war zugleich die letzte in Bamberg, auch wenn es bis in die 1670er-Jahre immer wieder zu einzelnen Hinrichtungen vermeintlicher Hexen kam. Was bleibt sind fast 1.000 Tote. Schuldig gemacht haben sich dabei viele: die Fürsten, die Theologen, die Juristen. Das Volk, das nach Schuldigen verlangte. Die Handlanger und die Denunzianten. Erzähler: Ein Schuldgeflecht, das heute sprachlos macht. Doch wurden die entsetzlichen Prozesse aus Bosheit oder Sadismus begangen? Der Historiker Professor Günter Dippold: O-Ton 14: „Das sind Überzeugungstäter, die, zumindest zum ganz wesentlichen Teil, die in einem Wissenshorizont leben, der ihnen ganz normal erscheint. Man versucht, ein Ideal anzustreben, man versucht, ein Laster auszurotten, das man für real hält. Und das macht das Ganze nicht besser. Im Gegenteil! Dass der typische Täter tendenziell eher Überzeugungstäter ist, macht das Ganze nicht besser, nein! Es macht das Ganze schlimmer! Es macht den ganzen Vorgang noch weit erschreckender.“ Zitator: Du kannst getrost schwören, dass ich kein Hexer, sondern ein Märtyrer bin und somit sterbe. Zu tausend guter Nacht, dann. Dein Vater Johannes Junius sieht dich nimmermehr. Stopp