Didaktische Konzeption. des Architekturprojekts

Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid 29.10. – 23.11.2007 Didaktische Konzeption des Architekturprojekt...
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Didaktische Konzeption des Architekturprojekts

an der Pestalozzischule Lüdenscheid 29.10. – 23.11.2007

Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid

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Inhalt: 1. Zur Entwicklung geometrischer Begriffe und des geometrischen Denkens … 2. Klassensituation und Vorkenntnisse der Schüler ……………………………… 3. Ziele des Projekts …………………………………………………………………. 4. Warum ein Architekturprojekt in der Grundschule …………………………….. 4.1 Prinzipen des Geometriunterrichts in der Grundschule ……………… 4.2. Bezug zu den Lehrplänen ………………………………………………. 5. Literatur ……………………………………………………………………………..

S. 2 S. 4 S. 5 S. 6 S. 6 S. 7 S. 9

1. Zur Entwicklung geometrischer Begriffe und des geometrischen Denkens Der Beschreibung der Entwicklung des geometrischen Denkens wird die Erkenntnistheorie des Schweizer Psychologen Piaget1 zur Repräsentation des Raumes bei Kindern im Vor- und Grundschulalter zugrunde gelegt. Die Untersuchungen Piagets bilden bis heute die wichtigste Grundlage für das Verständnis geometrischen Lernens.2 Nach Piaget erfolgt die Entwicklung geometrischer Begriffe über Handlungserfahrungen an Materialien oder im realen Raum. Bei Kindern lassen sich Stadien oder Stufen der Entwicklung feststellen, wobei die Alterszuweisung nicht zu starr gesehen werden darf. Wie in anderen Fähigkeitsbereichen gibt es auch bzgl. der Entwicklung des geometrischen Denkens große individuelle Unterschiede.3

Vorschulalter bis ca. 5./6. Lebensjahr Kinder entwickeln im Vorschulalter eine Reihe topologischer Fähigkeiten und verstehen Eigenschaften/ Beziehungen wie offen-geschlossen, innen-außen, zwischen,… Kaum entwickelt sind Elemente der projektiven Geometrie (z.B. perspektivisches Sehen), der euklidischen Geometrie (z.B. Längeninvarianz, Flächeninvarianz, Beziehungen zwischen Teil-Ganzem) und der Metrik. Grundschulalter bis ca. 7./8. Lebensjahr (1./2. Schuljahr) Das Verständnis für die topologischen Beziehungen wird verfestigt. Zudem lernen die Kinder… - perspektivische Veränderungen qualitativ richtig zu erkennen - die Differenzierung des projektiven Sehens 1 2 3

Vgl. Piaget/ Inhelder Vgl. Radatz/ Rickmeyer S. 11 Vgl. Radatz/ Rickmeyer S. 12 Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid

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- die Grundlagen der Längen- und Flächenmessung - das Sehen räumlicher Lagen - Körperformen nach ihren Eigenschaften zu unterscheiden - Geometrische Abbildungen zunehmend sicherer auszuführen

Grundschulalter bis ca. 10. Lebensjahr (3./4. Schuljahr) Im dritten, bzw. vierten Schuljahr sind das projektive und das euklidische Raumverständnis weitgehend entwickelt und die Kinder sind in der Lage… -

Lagen und Distanzen richtig wiederzugeben

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Kongruenzabbildungen (Spiegelungen, Drehungen, Verschiebungen) durchzuführen

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Längen, Flächen, Volumen mit Einheitsmaßen zu messen

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maßstäbliche Verkleinerungen, Vergrößerungen vorzunehmen

Als Folgerung aus den Untersuchungsergebnissen Piagets müssen drei Punkte besonders hervorgehoben werden:4 -

Räumliche Handlungserfahrungen sind im Vor- und Grundschulalter sinnvoll und hilfreich, da die Entwicklung geometrischer Kenntnisse und Fähigkeiten bereits im Vorschulalter beginnt und das Verständnis grundlegender geometrischer Begriffe bereits früh abgeschlossen ist. Da Geometrie für die Umwelterschließung und die kognitive Entwicklung ein zentraler Fähigkeitsbereich ist, würde eine Schule ohne Geometrie die Förderung vernachlässigen.

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Die Verinnerlichung geometrischer Begriffe muss im Grundschulalter über Handlungserfahrungen und über konkrete Modelle und Materialien erfolgen.

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Eine enge Beziehung zwischen der Entwicklung des geometrischen und des arithmetischen Denkens wird deutlich: Zum einen gibt es Parallelen auf den Stufen der Entwicklung, zum anderen lassen sich Schwierigkeiten in der Arithmetik mit Rechenarbeitsmitteln, wie z.B. dem Zahlenstrahl oder Punktefeldern erklären

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Vgl. Radatz/ Rickmeyer S. 12 Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid

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2. Klassensituation und Vorkenntnisse der Schüler Die Klasse 4b besteht 25 Schülern (13 Mädchen und 12 Jungen) davon sind 7 anderer Nationalität und 13 Schüler haben einen Migrationshintergrund. In diesem Projekt werden geometrische, arithmetische, künstlerische, sachunterrichtliche und sprachliche Vorkenntnisse der Schüler eingebunden, herausfordert und verknüpft. Geometrische Vorkenntnisse: -

Grundbegriffe geometrischer Figuren und Körper (Quadrat, Kreis, Dreieck, Rechteck, Würfel, Quader…)

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Geometrische Begriffe zur Beschreibung von Figuren und Körpern (dick, dünn, breit, schmal, hoch, groß, klein…)

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Räumliche Beziehungen in der Umwelt erkennen, beschreiben (dahinter, davor, über, unter…) und als Orientierung nutzen

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Orientieren in Wegenetzen (Karten, Plänen) – räumliche Beziehungen erkennen, beschreiben und zeichnerisch darstellen

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Symmetrieeigenschaften insbesondere der Achsensymmetrie in der Umwelt entdecken, erkennen und Spiegelbilder selbst herstellen durch schneiden, falten, legen, zeichnen

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Bauen nach Bauplänen mit Würfeln und Quadern (Schauen und Bauen v. Wittmann/Müller)

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Zeichnen von Grund- und Seitenansichten vorgegebener und eigener Würfelgebäude und Quadern

Vorkenntnisse zum Zahlenraum und im Umgang mit Größen -

Umgang mit den Größen Meter, Zentimeter, Millimeter – schätzen, messen, rechnen mit den Größen und umrechnen.

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Rechnen im Zahlenraum bis 1000 in den Grundrechenarten

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Erste Erweiterung des Zahlenraums

Allgemeine und sprachliche Vorkenntnisse: -

Kooperieren / arbeiten mit Partnern und in Gruppen

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Vorstellen, verbalisieren und verschriftlichen von eigenen Ideen, Arbeitsergebnissen usw.

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3. Ziele des Projekts -

Kennen lernen unterschiedlicher Formen und Möglichkeiten der Architektur in der Umwelt

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Begehung eines Geländes zur wirklichen Orientierung im Raum und untersuchen der Gebäude auf Größe, architektonische Merkmale, Symmetrien …

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Einsicht in den Beruf des Architekten und Kennen Lernen der Arbeitsschritte und Materialien zum Modellbau

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Praktisches Handeln und Bauen mit den Materialien

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Umsetzung der kennen gelernten Arbeitsschritte zunächst beim Nachbau und später beim Entwerfen und bauen eigener Entwürfe

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Förderung der Orientierung im Raum, des räumlichen Vorstellen und des räumlichen Denkens. Ausbau visueller Wahrnehmungsfähigkeit, Erkennen und Nutzen von Raum-Lagebeziehungen und räumlicher Beziehungen durch… o die Umsetzung von 2dimensionalen und 3 dimensionalen Ansichten beim Einordnen der Fotos von Gebäuden in einen Lageplan o anwenden der Kenntnisse im Umgang mit Grundrissen und Seitenansichten an realen Gebäuden und Plänen o das Nachbauen der bestehenden Gebäude o das Darstellen eigener Ideen als Zeichnungen und die Umsetzung der Entwürfe in eigenen Modellen (1:100) o das Einordnen der einzelnen Gruppenarbeiten zu einem Entwurf

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Einsicht in die Notwendigkeit von Modellbauten in kleineren Maßstäben

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Kennen lernen und Umgang mit Maßstäben (insbesondere 1:100)

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Aufstellen von Kriterien zum Abriss und Auswählen von Gebäuden, die nicht erhalten werden sollen

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Verbales und schriftliches Begründen und Argumentieren eigener Entscheidungen, Vorstellungen und Entwürfe.

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Förderung der sozialen Kompetenzen, wie Teamfähigkeit, Kritikbereitschaft, Kooperation und Kommunikation durch das gemeinsame Arbeiten

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Anwendung der im Unterricht erlernten geometrischen, arithmetischen, sacherechnerischen Kenntnisse und Fähigkeiten auf reale Situationen.

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4. Warum ein Architekturprojekt in der Grundschule? Schon bei den ersten Gesprächen der Klassenlehrerin mit der Architektin und den ersten Ideensammlungen für das Projekt, wurden die Gemeinsamkeiten von Architektur und schulischen Lehrplaninhalten sehr deutlich. „Bei Untersuchungen zu Vorstellungsvermögen und Rechenschwächen mit lernschwachen Kindern zeigte sich, dass fast 80% der Probanden visuelle Wahrnehmungsstörungen aufwiesen. Insofern stellt sich die Frage, ob eine Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens auch einen positiven Einfluss auf die Entwicklung arithmetischer Fähigkeiten hat. Das räumliche Vorstellungsvermögen gilt inzwischen als trainierbar.“ 5 4.1. Prinzipien zur Gestaltung des Geometrieunterrichts in der Grundschule nach Radatz/ Rickmeyer6 Geometrisches Lernen muss… -

den Schülern reale Erfahrungen in ihrer Umwelt ermöglichen (Umwelt- und Erfahrungsbezug)

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hinführen zur Anwendung von bereits Gelerntem auf reale Probleme (Anwendungsorientierung)

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den Schülern Handlungserfahrungen und praktische Tätigkeiten ermöglichen (Handelndes Lernen)

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konstruktiv entdeckendes Lernen sein

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in den gesamten Grundschulunterricht integriert sein und immer wieder als fächerübergreifendes Lernen stattfinden

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in Verzahnung mit anderen mathematischen Inhalten (Arithmetik, Größen,…) stattfinden (inhaltlich-integrativ)

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sozial als Partner- oder Gruppenarbeit organisiert sein (soziales Lernen)

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sich in Modellen und geeigneten Materialien konkretisieren (materialintensives Lernen).

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individuelle Lernfortschritte ermöglichen (Förderung durch Differenzierung)

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Prof. Dr. Kristina Reiss: Forschungsvorhaben der Arbeitsgruppe Didaktik der Mathematik im Promotionsprogramm "Fachdidaktische Lehr- und Lernforschung – Didaktische Rekonstruktion": http://www.diz.uni-oldenburg.de/27346.html 6 Vgl. Radatz/ Rickmeyer Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid

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sich über das gesamte Schuljahr verteilen und nicht nur auf wenige Stunden vor den Ferien beschränkt sein (Stoff-Verteilung).

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ein wichtiger inhaltlicher Bestandteil eines offenen Grundschulunterrichts sein.

4.2. Bezug zu den Lehrplänen Das Projekt verbindet Lehrplaninhalte der Fächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht und Kunst und entspricht den in allen Lehrplänen formulierten Prinzipen von Unterricht o Es ermöglicht individuelles Arbeiten7. o Die Schüler dokumentieren ihren individuellen Lernstand im Lerntagebuch.8 o Es fordert zur handelnden Auseinandersetzung heraus. o Es geht von der Lebenswirklichkeit der Kinder aus. „Die Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler macht es erforderlich, Lernorte des schulischen und außerschulischen Umfeldes in den Unterricht einzubeziehen.“9 o Es ist fächerübergreifend, bezieht außerschulische Lernorte mit ein10 und ist damit anwendungs- aber auch strukturorientiert11. o Vorhandenes Verständnis, Wissen und Können wird gesichert, vernetzt und vertieft.12 Im Laufe der Arbeit werden die sprachlichen und schriftsprachlichen Fähigkeiten der Schüler durchgehend durch gemeinsames Planen, Entwerfen und notwendiges Kommunizieren und durch den Bericht im Tagebuch erweitert13. Die Schüler lernen während des Projektes die Arbeit eines Architekten genauer kennen, was dem Lernfeld Technik und Arbeitswelt entspricht.14 Bei der Auseinandersetzung mit dem Modellentwurf und Modellbau werden geometrische Fähigkeiten und Fertigkeiten stark herausgefordert. „Der Geometrieunterricht entwickelt einen verständigen Umgang mit Formen, Maßen, Lagebeziehungen und mit geometrischen Grundoperationen. 7

LP M S. 73 LP SU S.57 9 LP KU S. 114 10 LP SU S. 58 11 LP M S 74/75 12 LP M S. 73 13 LP D S. 29 14 LP SU S. 60 8

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Die Wahrnehmungsfähigkeit und das räumliche Vorstellungsvermögen sind dynamisch zu verstehen. Sie werden gezielt geschult. (…) Konstruktive Elemente wie Bauen oder Legen sorgen durchgehend für ein operatives Fundament: Handlungen werden real oder in der Vorstellung ausgeführt und analysiert. (…) Der Geometrieunterricht trägt so zur Orientierung in der Lebenswirklichkeit bei. Grunderfahrungen zu geometrischen Grundbegriffen wie Symmetrie oder Flächeninhalt und Umfang werden angebahnt.“15 Die Auseinandersetzung mit Architektur entspricht den Aufgaben des Kunstunterrichts die Wahrnehmung der Schüler zu fördern und die „Freude und Interesse an ästhetischen Ausdrucksformen zu wecken, zu fördern und zu erhalten“16 . Die Schüler setzen sich mit Objekten und allgemein ästhetischen Phänomenen auseinander, würdigen und beurteilen ihre eigenen Ideen und die anderer. 17 Sie planen und realisieren gemeinsam und entwickeln so ihre Fähigkeiten zu kooperativem Handeln.

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LP M S. 79 LP KU S. 112 ebd. Didaktische Konzeption des Architekturprojekts an der Pestalozzischule Lüdenscheid

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5. Literatur: €•Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes NordrheinWestfalen (Hrsg.): Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule – Sammelband, Ritterbach Verlag GmbH, Frechen, 1. Auflage 2003 €‚Radatz, Hendrik/ Rickmeyer, Knut: Handbuch für den Geometrieunterricht an Grundschulen. Hannover, Schroedel, 1991 €ƒRickmeyer, Knut: Zur Entwicklung der Raumvorstellung. Übungen mit Holzwürfeln. In:Grundschule. 1998, Heft 3, S. 12-14 €„Rickmeyer, Knut: Übungen zu Kopfgeometrie. In: Grundschule. 1998, Heft 9, S. 48-55… €†Rickmeyer, Knut: Würfelkörper bauen und zeichnen. Vorschläge für das 4. Schuljahr. In: Grundschule. 1991, Heft 2, S. 30-34 €‡Radatz/Schipper/Dröge: Handbuch für den Mathematikunterricht Band 1 Schroedel, 2004 €ˆRadatz/Schipper/Dröge: Handbuch für den Mathematikunterricht Band 2 Schroedel, 2004 €‰Radatz/Schipper/Dröge: Handbuch für den Mathematikunterricht Band 3 Schroedel, 2004 €ŠRadatz/Schipper/Dröge: Handbuch für den Mathematikunterricht Band 4 Schroedel, 2004 €‹Piaget/ Inhelder: Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde, Klett, Stuttgart 1971

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