Der Raum in der Schulentwicklung

        Der Raum in der Schulentwicklung Bilder: Schule Bürglen, Institut Beatenberg, J.Kalt Inhaltsverzeichnis 1. EINFÜHRUNG 2 2. DIE RAUME...
Author: Emilia Neumann
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Der Raum in der Schulentwicklung

Bilder: Schule Bürglen, Institut Beatenberg, J.Kalt

Inhaltsverzeichnis 1.

EINFÜHRUNG

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2.

DIE RAUMENTWICKLUNG ALS TEIL DER UNTERRICHTSENTWICKLUNG

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3.

ORGANISATIONSENTWICKLUNG - GRUNDLAGE FÜR DIE RAUMENTWICKLUNG 8

4.

DIE LERNENDE ORGANISATION

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5.

PROFESSIONELLE LERNGEMEINSCHAFT PLG

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6.

FAZIT

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7.

LITERATUR

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1. Einführung Der Raum bildet mit seinen zwei Ebenen ein eigenes System. Darin spielen komplexe Zusammenhänge eine bedeutende Rolle. Die Abbildung 1 verdeutlicht, wie die verschiedenen Ebenen im System Raum miteinander verbunden sind. Eine klare Trennung der Räume und Umgebungen ist nicht immer möglich und wirkt sich unterschiedlich auf Entwicklungsprozesse aus. Während Veränderungen im Bereich des Psychischen Raumes und der Ausstattung mit Fokus auf die Mikro-, Meso- und Makro – Umgebung vorwiegend über die Schulentwicklung erreicht und umgesetzt werden können, führen Veränderungen im Bereich des Physischen Raumes meist nur über die Anspruchsgruppen, insbesondere die politischen Behörden. Dabei kann Schulentwicklung durchaus zur Folge haben, dass am Physischen Raum Veränderungen vorgenommen werden müssen, wie das Beispiel der Sekundarschule Bürglen1 gezeigt hat. Die Auseinandersetzung mit einem neuen Lernverständnis führte zum Entfernen mehrerer Schulzimmermauern und zur Schaffung einer grossen Lernlandschaft. ! Abbildung 1: Das System Raum

Mondo - Umgebung

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Makro - Umgebung

Meso - Umgebung

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PPA

Ausstattung

1. Ebene: Psychischer Raum, Physischer Raum, Ausstattung 2. Ebene: Mikro, Meso, Makro, Mondo Umgebung Quelle: Jörg Kalt

  Die Einführung der Skola 2000 im schwedischen Bålsta zeigt, dass wichtige Impulse zur Erneuerung nicht immer von der Schule selbst kommen müssen. Dem Begründer der Idee der Skola 2000 Ingemar Mattson gelang es, die Behörden davon zu überzeugen, dass bei den bevorstehenden Renovationsarbeiten nicht einfach die alte Schule in neuem Glanz erstrahlen soll, sondern dass man die Chance beim Schopfe packt, der Schule eine neue Ausrichtung zu geben und gleichzeitig den Raum daran anzupassen. Einen ähnlichen Weg beschritt die Gemeinde Regensdorf2, die auf der Oberstufe zwei verschiedene Schulmodelle führte. Um die Auflagen des Kantons Zürich nach nur einem Modell innerhalb einer Gemeinde zu erfüllen, entschieden die Behörden, dass nicht einfach eines der beiden bestehenden Modelle gewählt, sondern ein neues entwickelt wurde. Die Umsetzung dieses neuen Modells hatte zur Folge, dass eines der beiden Schulhäuser nicht wie geplant renoviert, sondern durch einen Neubau ersetzt wurde, der den Anforderungen dieses Modells Rechnung trägt.   Aus den vorausgegangenen Erläuterungen kann festgehalten werden: „Wer das Lernen verändern will, muss auch den Raum verändern“. Diese Aussage bezieht sich auch auf ein Zitat von Hans - Günter Rolff (2006, S. 315): „Wer den Unterricht verändern will, muss mehr

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http://www.schulebuerglen.ch. Experteninterview, qualitative Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit von J.Kalt. Experteninterview, qualitative Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit von J.Kalt.

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als den Unterricht verändern“ und verdeutlicht, dass Veränderungen im System Raum stets weitere Veränderungen nach sich ziehen. Mit anderen Worten, wenn der Unterricht entwickelt wird, führt dies automatisch zu Entwicklungen in der Organisation und beim Personal. Rolff verdeutlicht diesen Zusammenhang in seinem Drei-Wege-Modell in Abbildung 2.   Abbildung 2: Das Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung

Quelle: Rolff, H.-G. (2006, S. 314)

  Beim Zusammenspiel der drei Bereiche Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung weist Rolff ausdrücklich auf die Wichtigkeit der Organisationsentwicklung hin: „Ohne OE würde UE ebenso wenig wie PE auf das Ganze der Schule zielen und es bliebe bei modernisierter Lehrerfortbildung und renovierter Schulpsychologie“ (2006, S. 315). Ordnen wir die Entwicklung des Raumes schwerpunktmässig der Unterrichtsentwicklung zu, zieht Rolffs Aussage die Konsequenz nach sich, dass die Entwicklung des Raumes direkte Auswirkungen auf die Organisationsentwicklung hat und nur durch diese das Erreichte im Gesamtsystem nachhaltig verankert werden kann. Die Verankerung des Erreichten bezeichnet auch Schönenberger3 als eine der wichtigsten Aufgaben der Schulleitung im Entwicklungsprozess. Schönenberger spricht dabei von der Schaffung eines Rahmens, der bei den Lehrpersonen zu Sicherheit führt und diese ihren Freiraum innerhalb dieses Rahmens wahrnehmen können.   Um die Rolle der Schulleitung noch genauer beschreiben zu können, sind die drei Ebenen der Schulentwicklung eine Hilfe. Rolff4 unterscheidet zwischen: •

der intentionalen Schulentwicklung, in der Teilbereiche der Schule zielbewusst weiterentwickelt werden und welches das Haupttätigkeitsfeld der Lehrpersonen darstellt.



der institutionellen Schulentwicklung, welche auf die Schaffung einer lernenden Schule hinzielt, die sich selbst organisiert, reflektiert und steuert. In ihr ist die Schulleitung vorwiegend tätig.



der komplexen Schulentwicklung, in welcher gleichzeitig die Einzelschule und das gesamte Schulsystem entwickelt werden. Dies ist das Aufgabenfeld von Behörden und Politikern.

Damit schliesst sich der Kreis. Die Schulleitung wird neben ihrer institutionellen Schulentwicklung auch die intentionale der Lehrpersonen initiieren und am Laufen halten. Gleichzeitig wird sie versuchen, Einfluss auf die komplexe Schulentwicklung der Behörde zu

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Experteninterview, qualitative Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit von J.Kalt. Rolff, H.-G. (2010). Was ist Schulentwicklung? Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern und in Rolff, H.-G. (2006, S. 316)

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nehmen, um möglichst ideale Voraussetzungen und Unterstützung für die ersten zwei Entwicklungsebenen zu erhalten. Bei einer prozess- und zielorientierten Vorgehensweise in den einzelnen Ebenen der Schulentwicklung kann von drei Phasen ausgegangen werden, die Rolff5 als die drei I’s bezeichnet: Initiieren, Implementieren und Institutionalisieren, sprich nachhaltig verankern. Das Initiieren besteht dabei aus einer Bestandsaufnahme, einer gemeinsamen Diagnose, zum Beispiel zusammen mit der Steuergruppe oder auch Stufengruppen und unter Anwendung von verschiedenen Instrumenten, wie Organisationale Energien oder SWOT Analyse. Im Bezug zum Raum wäre ein solches Instrument auch ein Fragebogen, mit dessen Hilfe Lehrpersonen und auch Schülerinnen und Schüler das Schulzimmer und die weiteren Räume analysieren und bewerten könnten. Rolff (2006, S. 308) macht darauf aufmerksam, dass bereits in dieser Anfangsphase Prozesse zentral seien, die der Teambildung dienten. Die Resultate führen anschliessend zu einem Dialog im ganzen Team, aus dem eine Zielklärung hervorgeht. Die Lehrpersonen sollten dabei ein gewisses Wissen zur Funktion und zum Potential des Raumes haben. Dies können sie sich selbst erarbeiten oder durch Schulungen, zum Beispiel im Rahmen einer schulinternen Weiterbildung im Team, aneignen. Aus all dem entsteht die eigentliche Umsetzungsplanung mit Prioritäten.   An diese Phase schliesst die eigentliche Umsetzung, die Implementierung, an. Neben der Teamentwicklung sind in dieser Phase auch die Instrumente des Projektmanagements von besonderer Bedeutung. Wiederum auf den Raum übertragen bedeutet dies: die Teams gestalten die Räume bewusst um und tauschen sich über die Erfahrungen aus. Nach einer gewissen Zeit wird dieses Ausprobieren zum alltäglichen Ritual, es stellt sich eine Normalität ein. Dies zeigt die Phase drei, der Nachhaltigen Verankerung, Institutionalisierung an. Dabei hat sich laut Rolff (2006, S. 307) die Evaluation als Instrument bewährt: „Die Diskussion über die Evaluationsdaten kann zu einem tieferen Verständnis der Notwendigkeiten führen und die Voraussetzung für eine Generalisierung von Neuerungen schaffen.“ Im Gesamtprozess verlaufen die einzelnen Aktivitäten und Schritte nicht zwingend linear, Rolff bezeichnet sie als zyklisch oder spiralförmig (2006, S. 307). Die Planung dieses Gesamtprozesses ist im hohen Mass eine kooperative Planung unter Einbezug des ganzen Teams, was sich wiederum positiv auf die Motivation des Einzelnen auswirkt und auch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Organisation entstehen lassen kann. Für Rolff (2006, S. 310) ist dies die Basis für eine sich selbst entwickelnde Schule: „Bei der Prozessplanung geht es letztlich um Organisationslernen, um die Etablierung teamförmiger Arbeitsgruppen, um die Institutionalisierung von Selbststeuerung, vielleicht auch um die Schaffung eines Supervisionssystems und die Durchführung regelmässiger Schulbeurteilungen.“ Schönenberger6 macht darauf aufmerksam, dass es für solche Entwicklungen einen gemeinsamen Raum und Zeit braucht. Die Schaffung dieses Gefässes obliegt der Schulleitung. So hat Schönenberger den Entscheid gefällt, dass Lehrpersonen mit einem 100 prozentigen Pensum 37 Stunden an der Schule verbringen. Aus den vorangegangenen Erkenntnis lassen sich für die Schulleitung folgende Ansprüche für das Führen der Schulentwicklung ableiten: •

Die SL verfügt über ein hohes Mass an Wissen und Fertigkeiten bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen, Change Management.



Sie fällt unangenehme Entscheidungen selber und sorgt im Sinne eines salutogenen Führungsstiels beim Kollegium für Verständnis für die anstehenden Veränderungen und zeigt die Bedeutung und Bewältigbarkeit auf.



Die SL kennt und wendet verschiedene Instrumente zur Bestandsaufnahme und Analyse an und kann aus diesen mithilfe des Kollegiums Absichten und Ziele formulieren.

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H.-G. (2010). Was ist Schulentwicklung? Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern und in Rolff, H.-G. (2006, S. 307 - 310)  

Experteninterview, qualitative Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit von J.Kalt.

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Sie erkennt Organisationslernen als zentrales Element in der Organisationsentwicklung.



Sie berücksichtigt das Zusammenspiel von Organisations-, Unterrichts- und Personalwicklung und der intentionalen, institutionellen und komplexen Schulentwicklung.

2. Die Raumentwicklung als Teil der Unterrichtsentwicklung Aus dem vorangegangen Kapitel geht die Ansiedelung der Entwicklung des Raumes bei der Unterrichtsentwicklung hervor. Am besten lässt sich dies mit Helmkes (2009, S. 305) Definition von Unterrichtsentwicklung verdeutlichen: „Unter Unterrichtsentwicklung werden alle Aktivitäten und Initiativen verstanden, die sich auf die Verbesserung des eigenen Unterrichts und des dafür notwendigen professionellen Wissens und Könnens beziehen.“ Er führt weiter aus, dass sich die Unterrichtsentwicklung auf die Veränderung der Lehrmethoden und Lehr-Lern-Szenarien bezieht, auf die Effektivierung der Klassenführung, die Stärkung eigener Kompetenzen sowie auf die Optimierung des Lehrmaterials mit dem Ziel die Wirksamkeit des Unterrichtes zu steigern. Auch Horster und Rolff (2006, S. 789) kommen zu einer ähnlichen Definition: “ Die Unterrichtsentwicklung umfasst die Gesamtheit der systematischen Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, die Unterrichtspraxis im Sinne eines sinnhaften und effizienten Lernens zu optimieren, dass sich im Wechsel von angeleiteter und selbständiger Arbeit möglichst häufig auch mit offenen und authentischen Problemen auseinandersetzt.“ Raumentwicklung ist Unterrichtsentwicklung. Erreicht werden kann demnach eine Entwicklung des Raumes über den direkten Ansatz am Raum selbst zum Beispiel über entsprechende Weiterbildungen zur Raumeinrichtung, Nutzung, Psychologie des Raumes und weitere. Bonsen (2010, S. 113 – 118) zeigt weitere Ansatzpunkte in der Unterrichtsentwicklung auf, die indirekt zur Entwicklung von Raum führen können. • In der Methodenorientierten Unterrichtsentwicklung erarbeiten Kollegien ein schulinternes Methodencurriculum, welches der Förderung des eigenverantwortlichen und selbstgesteuerten Arbeitens der Schülerinnen und Schüler dient. Durch diese Arbeitsformen können neue räumliche Bedürfnisse entstehen. •

In der Reflektorischen Unterrichtsentwicklung setzen sich die Lehrpersonen mit gutem Unterricht auseinander und einigen sich auf gemeinsame Standards. Aus der Beziehung des guten Unterrichts und des Raumes sind die acht acht Anforderungen an den Raum von Vision Market entstanden.



In der Unterrichtsentwicklung durch Schülerrückmeldungen soll ein systematisches Gespräch über das Lernen initiiert und darüber nachgedacht werden, wie das Lernen im Unterricht verbessert werden kann.



In der Netzwerkbasierten Unterrichtsentwicklung liefert der Austausch von Wissen und Erfahrungen die gegenseitige Beratung und Entwicklungsarbeit wichtige Impulse für die Unterrichtsentwicklung der eigenen Schule. Beispiel eines solchen Netzwerkes bilden das Archiv der Zukunft, die Schulen der Zukunft, die Häuser des Lernens oder die Reggio-Pädagogik mit ihren Landesnetzwerken.



In der Fachbezogenen Unterrichtsentwicklung wird der Unterricht gezielt innerhalb einer Fachgruppe entwickelt. Dadurch könnten den Fächer entsprechende Raumkonzepte entstehen, wie etwa eine Zusammenführung der verschiedenen Räume in Gestaltung zu einem multifunktionalen Kreativraum oder die Lernwerkstatt Natur in Mühlheim an der Ruhr7.

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http://www.muelheim-ruhr.de/cms/lernwerkstatt_natur_im_witthausbusch.html

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Die Abbildung 3 zeigt die Beziehung zwischen den Schulentwicklungsbereichen sowie der Raumentwicklung und verdeutlicht die Wechselwirkung. Diese Wechselwirkung ist auch in Bonsen’s Auflistung der verschiedenen Ansätze für die Unterrichtsentwicklung zu sehen. So sind die Betonung der Teamentwicklung, die reflektierende Haltung und der Einbezug von Feedback, Evaluationen Elemente der Organisationsentwicklung und dort insbesondere der Lernenden Organisation und der Professionellen Lerngemeinschaft PLG. Horster und Rolff (2006, S. 789) verdeutlichen dies mit der Schlussfolgerung zur Unterrichtsentwicklung: „Entwicklungsarbeit zur Optimierung der Unterrichtspraxis verschränkt individuelles und organisationales Lernen, betrifft gleichermassen die pädagogischen Inhalte und die schulischen Strukturen“.   Abbildung 3: Die Einbettung des Raumes in die Schulentwicklung

SE = Schulentwicklung, OE = Organisationsentwicklung, PE = Personalentwicklung Quelle: Jörg Kalt

Für Müller8 verlangt diese Wechselwirkung einen systemischen Blick über das Ganze, da von jedem Zugang her eine Veränderung beim Raum bewirkt werden kann. Zum Beispiel kann sich ein Team mit intelligenten Lernaufgaben auseinandersetzen. Will man dabei eine gewisse Verarbeitungstiefe erreichen, hat dies mit den Arrangements zu tun, was wiederum mit der Interaktion zu tun hat. Damit hat es Auswirkungen auf die Organisation und Orientierung und schlussendlich auch auf den Raum. Die Quintessenz davon ist für Müller, dass wenn man einen anderen Raum haben will, bedingt dies, dass die Lehrperson etwas anders machen muss und die Schülerinnen und Schüler sich anders verhalten müssen. Diese Veränderungen stehen jedoch oft an der Grammatik der Schule an. Rolff9 beschreibt diese Grammatik als eigentliche Herausforderung für das Schulleitungshandeln, da sie wie eine Reformbremse wirke. Die Grammatik der Schule setzt sich unter anderem zusammen aus eigenen Glaubenssätzen und Regeln der Lehrpersonen, die die Arbeit im Unterricht massgeblich bestimmen. Dazu gehören auch äusserliche Gegebenheiten, wie der Stundentakt oder das Wissen, welches in einzelne Fächer aufgeteilt ist. Auch Bonsen (2010, S. 112) weist auf die tiefgreifenden Konsequenzen bei der Veränderung der Grammatik hin: „[...] impliziert somit Veränderungsarbeit an stabilen Traditionen und zum Teil grundlegende Veränderungen der Lehrerarbeit.“ Um diese Veränderungen zu ermöglichen, empfiehlt er, dass sich Lehrpersonen mit ihren eigenen und fremden Überzeugungen auseinander setzen. Damit nimmt er Bezug zur reflektorischen Unterrichtsentwicklung, welche von Horster und Rolff entwickelt und bereits zuvor erwähnt wurde. Helmke (2009, S. 306) zeigt zudem auf, dass der Unterricht mit blossem Wissen und Einsicht noch nicht verändert wird: „Der Weg vom Wissen (und Behalten) zum Können (der Kompetenzen) und weiter bis zum Tun (der wirklichen Veränderung) ist weit und schwierig.“ Ein gangbarer Weg in der Unterrichtsentwicklung zeigt Helmke in seinem Sequenzmodell der Unterrichtsentwicklung

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Experteninterview, qualitative Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit von J.Kalt. Rolff, H.-G. (2010). Schulqualität und Entwicklung. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern

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und ihrer Bedingungen, hier in Abbildung 4 auf. Helmke hat in diesem Modell den Prozess zur übersichtlicheren Darstellung linear dargestellt. Er betont jedoch, dass die Reihenfolge in der Praxis nicht zwingend ist. Der Einstieg ist an verschiedenen Stellen möglich. Helmke ordnet deshalb für das Alltagsmodell die Rezeption, Reflexion, Aktion, Evaluation und Information in einem Kreis an und lässt die Möglichkeit offen, das Modell im Sinne eines fortlaufenden Prozesses auch als Spiralmodell zu sehen. „Ob dieser Prozess gelingt oder ob er in einem frühzeitigen Stadium stecken bleibt, [...] hängt sowohl von individuellen als auch von sozialen und institutionellen Bedingungen ab“ (Helmke, 2009, S. 310).   Abbildung 4: Sequenzmodell der Unterrichtsentwicklung

Quelle: Helmke, A. (2009, S. 309)

Auch Bonsen (2010, S. 107, 118 – 130) und Rolff10 sprechen die Gelingensbedingungen an. In Bezug auf die Tätigkeit der Schulleitungen und zur Entwicklung des Raumes können diese folgendermassen zusammengefasst werden: •

Die Entwicklungsaufgaben und Ziele sind klar definiert, in einer längerfristigen Strategie verankert und werden von der Schule als Ganzes getragen.



Die Entwicklungen unterstützen direkte Veränderungen in der täglichen Praxis.



Fortbildungen zum Thema werden längerfristig angesetzt und wechseln sich mit Praxisblöcken ab.



In Teams wird über Veränderungen, Erreichtes und Nutzen reflektiert.



Die Schulleitung managt den Prozess, in dem sie organisiert und ermöglicht und sie führt durch den Prozess, indem sie strategisch handelt und herausfordernd wirkt.



Die Schulleitung schafft in der Organisation Strukturen, um die Unterrichtsentwicklung nachhaltig zu verankern und initiiert die persönliche Entwicklung der Lehrpersonen.

   

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Rolff, H.-G. (2010). Schulqualität und Entwicklung. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern

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Bilder: Peter Hübner

3. Organisationsentwicklung - Grundlage für die Raumentwicklung Geht man davon aus, dass die Entwicklung des Raumes ihren Kern in der Unterrichtsentwicklung hat, so geht es in der Organisationsentwicklung darum, die Entwicklung mit der Schaffung von Strukturen grundsätzlich zu ermöglichen und diese Entwicklungsschritte zu verankern. Rolff11 spricht explizit davon, dass niemand den Unterricht allein entwickeln könne, dagegen spreche die Grammatik der Schule: „Unterrichtsentwicklung setzt Organisationsentwicklung voraus.“ Bei der Entwicklung des Raumes kann der Weg durchaus zuerst über die Organisationsentwicklung führen. So kann die Schulleitung zum Beispiel die Steuerung des Prozesses breiter abstützen, indem sie eine Steuergruppe ins Leben ruft, das Leitbild überarbeitet und die Entwicklung des Raumes im Schulprogramm festschreibt. Über das Einführen von Stufen- und Fachgruppen kann konzentrierter an den jeweiligen Anforderungen an den Raum gearbeitet werden. Dabei lohnt es sich, Gefässe und klare Zeitrahmen zu schaffen, in denen eine Kooperation innerhalb der Teams stattfinden kann. Höfer zeigt in der Abbildung 5, wie sich individuelles Lernen und Teamlernen auf die Schulentwicklung auswirkt und hält fest: „Nur wenn feste Strukturen zur Adaption von Trainings, zum Weiterlernen im Team, zur Entwicklung und Sicherung von Materialien und viele andere Details gewährleistet sind, lohnt sich die Investition in Unterrichtstrainings.“ Dies gilt auch für die Entwicklung des Raumes.

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Rolff, H.-G. (2010). Schulqualität und Entwicklung. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern

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Abbildung 5: Auswirkungen auf die Schulentwicklung

Quelle: Höfer (2006, S. 757)

  Dass der Raum nicht nur für das Lernen von Schülerinnen und Schülern wichtig ist, sondern auch für das Lernen der Lehrteams, bestätigt Hattie (2009, S. 37). Er formuliert daraus den Anspruch, dass es Schulleitende und auch Lehrpersonen brauche: “[...] who can create school, staffroom, and classroom environmments where teachers can talk about their teaching, where errors or difficulties are seen as critical learning opportunities [...] and where teachers can feel safe to learn, re-learn, and explore their own teaching knowledge and understanding.” Für die Schulleitung ergeben sich in der Organisationsentwicklung folgende, in der Abbildung 6 zusammengefasste, Aufgaben. Abbildung 6: Aufgaben der Schulleitung in der Organisationsentwicklung   Aufgaben der Schulleitung Schaffen von klaren Strukturen, einer Innenarchitektur der Schule.

Beteiligung möglichst aller Betroffenen und fördern der Kooperation. Schaffung von Zeitgefässen und Räumen für den Austausch, das Lernen und Evaluieren.

Bedeutung in Bezug zum Raum Zuständigkeiten sind geklärt: z.Bsp. für die Finanzen, Möbilierung, Zusammenarbeit mit Anspruchsgruppen, in welchen Gruppen welche Themen behandelt werden, wie ausgetauscht und informiert wird. Schafft einen wichtigen Beitrag zum Commitment den Raum entwickeln zu wollen und zeigt den Fahrplan und die Umsetzungsschritte auf. Ermöglicht schulhausübergreifende Lösungen und vereint viel individuelles Wissen. Die Umgestaltung von Räumen und das sich darüber Austauschen benötigt Zeit und Raum.

Fördern einer Kultur, Fehler als Chancen zur Weiterentwicklung zu sehen. Ermutigen zum Experimentieren und Ausprobieren.

Es gibt bei der Raumentwicklung keine Patentlösung. Diese Einstellungen können das Team befähigen gemeinsam Herausforderungen zu meistern.

Verankern der Entwicklung in einem Schulprogramm mit Umsetzungsplanung.

Quelle: Jörg Kalt

  Bei der Umsetzung dieser Aufgaben legt die Schulleitung gleichzeitig den Grundstein, die Schule in eine Professionelle Lerngemeinschaft PLG oder sogar in eine Lernende Organisation zu überführen. In der Literatur wird die Professionelle Lerngemeinschaft gemeinhin als Königsweg der Organisationsentwicklung bezeichnet. Die folgenden zwei Kapitel befassen sich mit diesen beiden Gebilden in Bezug zum Raum.

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4. Die Lernende Organisation Das übergeordnete Ziel einer Lernenden Organisation ist es, dass sie ihre Aufgabe im Laufe der Zeit immer besser erfüllen und sich dem stetigen Wandel besser anpassen kann. Der zentrale Begriff der Lernenden Organisation ist das Lernen. Argyris und Schön (2006, S. 19) differenzieren diesen Begriff in das Lernergebnis, den Lernprozess und die oder den Lernenden: „Grundsätzlich kann man sagen, eine Organisation lerne, wenn sie sich Informationen (Wissen,[...], oder Praktiken) jedweder Art auf welchem Weg auch immer aneignet.“ Argyris und Schön schliessen daraus, dass Organisation sowohl im Guten wie im Schlechten immer dann lernen, wenn sie ihren Informationsstand erweitern. Sie unterscheiden dabei zwei Lernebenen für die Organisation: •

Das Einschleifen-Lernen, welches bei der Zielerreichung geschehen kann, indem zum Beispiel ein Fehler in der Produktion erkannt und ausgemerzt wird.



Das Doppelschleifen-Lernen, bei dem Normen und Werte hinterfragt werden und auch zu Veränderungen in der Strategie führen können.

Argyris und Schön (2006, S. 121) stellen fest, dass sich viele Organisationen im Einschleifen-Lernen befinden und der Weg in die Doppelschleife an internen Widerständen und Hindernissen scheitert. Sie stellen mit dem O-II-Lernsystem ein Modell vor, das den Übergang von der Ein- in die Doppelschleife erleichtern soll. Dieses basiert auf der Teilung der Macht, mit allen für den Entscheid Sachkundigen, der freien und sachlich begründeten Entscheidung, der zur Verfügung stehenden gültigen Informationen und dem inneren Engagement. Wie bereits zuvor beschrieben wurde, greifen die nachhaltigen Veränderungen, welche bei der Entwicklung des Raumes entstehen, auch in die Grammatik der Schule ein. In Bezug zum Raum ist somit das Doppelschleifen-Lernen der Organisation anzustreben. Die Teilung der Macht mit allen Sachkundigen bedeutet einen aktiven Austausch in den jeweiligen Gruppen, sei es in der Steuer-, den Stufen- oder Fachgruppen und der Teilung der Entscheidungskompetenz. Die freie und sachliche Entscheidung ist dabei frei von persönlichen Affinitäten, Präferenzen und Widerständen. Sie orientiert sich am Ziel, den gemeinsamen Werten und der Sache. Dazu dienen auch die gültigen Informationen. Ganz entscheidend ist das innere Engagement, der Wille zur Veränderung, das Feuer, das in den einzelnen Lehrpersonen brennt. Aufgabe der Schulleitung ist es, die Voraussetzung dazu in der Organisationsentwicklung zu schaffen. Wie das aussehen könnte, darüber kann das Modell von Peter Senge Klarheit geben.   Senge (1999, S. 15ff) definiert in Abbildung 7 die fünf Bausteine für die Lernende Organisation. Diese wurden jeweils getrennt voneinander entwickelt. Sie sind in ihrem Zusammenspiel jedoch für die Organisation wichtig: „Jede Komponente liefert einen lebenswichtigen Beitrag für den Aufbau einer Organisation, die wahrhaft „lernfähig“ ist, die ihre Fähigkeiten ständig weiterentwickelt, um ihre höchsten Ziele zu verwirklichen.“ Diese fünf Disziplinen sind: 1) 2) 3) 4) 5)

Personal Mastery Mentale Modelle Die gemeinsame Vision Team-Lernen Systemdenken

Senge bezeichnet die ersten vier als Kerndisziplinen beim Aufbau einer Lernenden Organisation und unter dem Begriff, die fünfte Disziplin, das Weiterentwickeln aller fünf Disziplinen als Ganzes zu verstehen.

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Abbildung 7: Das Modell der Lernenden Organisation

  Quelle: Hellmüller, P. (2011). Innenarchitektur von Schule. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern

Wesentlicher Eckpfeiler dieser vier Disziplinen ist die Personal Mastery. Senge (1999, S.173) bezeichnet damit die Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung, welche auch eine stetige Klärung der eigenen Vision enthält. Dies ist wichtig, weil: „[...] es nur dann zu tiefgreifenden Lernprozessen kommt, wenn die Menschen selbst den leidenschaftlichen Wunsch haben, ihr Wissen und Können zu erweitern.“ Dies hat wiederum Einfluss auf das Engagement einer Organisation zu lernen, denn in seiner Gesamtheit könne dieses, laut Senge (1999, S. 16) nur so gross sein, wie das ihrer Mitglieder. Bezieht man die Personal Mastery auf die Entwicklung des Raumes, so bedeutet dies, dass die eigene Vision von Raum bei den Lehrpersonen aktiviert und in ihnen die Leidenschaft für die Raumentwicklung und der damit verbundenen Schulentwicklung entfacht werden muss. Senge (1997, S. 227) empfiehlt der Führungsperson, die Rolle des Coachs einzunehmen. Die Mentalen Modelle geben eine Antwort darauf, warum gute Ideen und neue Einsichten oft nicht in der Praxis umgesetzt werden. Diese scheitern an tief verwurzelten inneren Vorstellungen und Bildern, wie Dinge sein sollten. In seiner Disziplin des Managen dieser Mentalen Modelle empfiehlt Senge (1999, S. 213), dass man lernt, diese Modelle an die Oberfläche zu holen, sie zu überprüfen und zu verändern. Zwei Arten von Fähigkeiten sind dabei zentral: die Reflexion und die Erkundung. Die Reflexion stellt bei Senge (1997, S. 273) das eigene Überdenken, das Hinterfragen dar, während die Erkundung den Austausch in einem Gespräch bezeichnet. Dies bedeutet beim Raum im übertragenen Sinn, das Öffnen der Zimmertüren und den Raum als Ganzes in Bezug zum jeweiligen Lernverständnis zu verstehen. Für die Schulleitung ergibt sich daraus die bereits zuor beschriebene Anforderung von Hattie zu erfüllen, Räume für die Reflexion und das Austauschen zu schaffen. „Wenn es je eine einzelne Führungsidee gab, die Organisationen seit ewigen Zeit inspiriert hat, so ist es die Fähigkeit, eine gemeinsame Zukunftsvision zu schaffen und aufrechtzuerhalten“ (Senge, 1999, S. 18). Dazu kommt laut Senge (1999, S. 251), dass diese gemeinsame Vision eine mächtige Kraft im Herzen der Menschen sei. Die Entwicklung dieser Vision ist ein langfristiger Prozess, der durch Offenheit und Klarheit auch zum Aufbau eines Commitment führen soll. In Bezug zum Raum bedeutet dies, dass sich Lehrpersonen, Schülerschaft und auch die anderen Anspruchsgruppen ein Bild von ihrer Schule der Zukunft machen. Dieses Bild kann in einer ersten Phase durchaus futuristisch und unrealisierbar sein. In der Verschmelzung mit den Visionen zu den anderen Entwicklungsbereichen entsteht daraus eine tragfähige, umsetzbare Vision, welche in einer langfristigen Umsetzungsplanung Stück für Stück realisiert werden kann. Bei der Entwicklung einer gemeinsamen Vision liegt für Charlotte Roberts (in Senge, 1997, S. 352) die Herausforderung für Führungskräfte darin, verfügbar und zugänglich zu sein: „Sie müssen mit den Mitarbeitern reden, ihnen zuhören und sie beraten.“ Dazu sollte sich die Führungsperson darauf vorbereiten, dass sie viel Zeit und Geduld brauche, um das kollektive Engagement aufeinander abzustimmen.  

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Senge (1999, S. 19) zeigt eindrucksvoll auf, dass es Teams von Managern mit individuellen IQ’s von über 120 gibt, die es als Team nur auf einen Quotienten von 63 bringen und dass es gleichzeitig Teams gibt, bei denen die Intelligenz des Kollektives den Wert des Einzelnen bei weitem überschreitet. Das Team-Lernen bezeichnet den Prozess, durch den ein Team seine Fähigkeiten zur Zielerreichung dauernd weiterentwickelt und verbessert. Senge (1999, S. 288) beschreibt drei Bereiche des Team-Lernens: 1. das Potential auszuschöpfen, das im Gesamtwissen des Teams steckt 2. als Team innovativ und koordiniert zu handeln und dabei eine Arbeitsbeziehung von Verlässlichkeit und Vertrauen aufzubauen 3. als Lernendes Team andere Lernenden Teams durch das Verbreiten von Fertigkeiten und Praktiken zu fördern. Grundvoraussetzung dazu ist laut Senge (1999, S. 288): „[...] dass die Beteiligten die Techniken des Dialogs und der Diskussion beherrschen, d.h. sie beherrschen die zwei unterschiedlichen Gesprächsmethoden von Teams.“ Die Kunst für das Team besteht darin, zwischen den beiden Methoden hin und her zu wechseln. Roberts (in Senge, 1997, S. 410ff) macht darauf aufmerksam, dass das Team-Lernen die Disziplin mit den grössten Herausforderungen darstellt. Diese zeigen sich in intellektueller, emotioneller, sozialer und spiritueller Hinsicht und könnten auch zu frustrierenden und peinlichen Momenten führen. Sie empfiehlt deshalb das Beiziehen eines externen Begleiters. Setzt man das Team-Lernen wieder in Bezug zum Raum, kann der erste Bereich damit übersetzt werden, dass das Team das bestehende individuelle Wissen und Erfahrungen zum Raum sichtbar macht und zu einem Wissen des Kollektivs transformiert. Für die Schulleitung bedeutet dies die Förderung des Wissensmanagements. Im zweiten Bereich soll die Schulleitung das Handeln des Teams anregen, ermöglichen und fördern. Ermöglichen bedeutet hier wiederum, Räume und Situationen zu schaffen, dass diese Schritte, auch in Verbindung zur Schulentwicklung, vom Team ausgeführt werden können. Gleichzeitig bedeutet es aber auch das Ermöglichen von Eingriffen und Veränderungen im Raum. Schritt drei verlangt die Vernetzung der Bestrebungen innerhalb der eigenen Schulen über Stufenund Fachgruppen hinaus bis zur Vernetzung mit anderen Schulen. Wem es gelingt, Zusammenhänge zu sehen, den Blick auf das Ganze zu richten und die Informationen daraus zu verknüpfen und vernetzen, dem öffnen sich neue Perspektiven und neue Lösungsansätze. Das grösste Potential des Systemdenken liegt laut Senge (1997, S. 100) in einer neuen Sprache: „[...] durch die wir anders und effektiver über komplexe Probleme nachdenken und sprechen können.“ Das Systemdenken umfasst eine Sammlung von Methoden, Werkzeugen und Prinzipien, die das Erfassen von Wechselwirkungen ermöglichen und diese als Teil des Prozesses erkennen lassen. Diese Disziplin bietet laut Roberts (in Senge, 1997, S. 104) eine breite Palette von Handlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Auswirkungen: „Zur Kunst des Systemdenkens gehört, dass man lernt, die indirekten Folgen und die Kompromisse zu erkennen, die mit der ausgewählten Aktion verbunden sind.“ Roberts macht darauf aufmerksam, dass das System nicht verändert werden kann, indem man es in Einzelteile zerstückelt. Dies hat für die Mitarbeitenden die Konsequenz, dass neben der Führungsperson auch sie stets das Ganze im Auge behalten. Auf den Raum adaptiert bedeutet dies, dass die Lehrpersonen die Zusammenhänge zwischen Raum- und Schulentwicklung sowie zwischen Raum und Lernen verstehen und dieses Verständnis bei ihren Veränderungen des Raumes einfliessen lassen. Der Schulleitung fällt die Aufgabe zu, dem Team den Blick auf das Ganze zu ermöglichen, da sie an einer Schnittstelle sitzt und über Informationen verfügt, die für das Team nicht oder nur erschwert zugänglich sind.

                       Der Raum in der Schulentwicklung

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Aus den fünf beschriebenen Disziplinen geht hervor, dass sich die Rolle der Schulleitung in der Lernenden Organisation grundsätzlich verändert. Senge (1999, S. 411ff) definiert diese Rolle als Designer und Konstrukteur. Die Aufgaben bestehen konkret in der Gestaltung, dem Entwickeln und Entwerfen und dem Modellieren. Alles mit dem Ziel, dass eine sinnstiftende Logik in der Organisation sichtbar wird. Hellmüller12 fasst diese Aufgaben unter dem Titel: „Gestalten und Entwerfen von Lernprozessen“ wie folgt zusammen: •

„Wenn Veränderung ein permanentes Merkmal einer Organisation ist, um den Umweltanforderungen gerecht zu werden, muss diese auch in der Lage sein immer wieder Stabilität herzustellen.



Je komplexer und dynamischer das Umfeld der Schule ist, desto grösser wird der Bedarf an Veränderungskompetenzen. Deshalb kommt der Schulleitung bei der Förderung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Schulen eine Schlüsselrolle zu [...].“

5. Professionelle Lerngemeinschaft PLG Das Modell in Abbildung 8 zeigt, wie die fünf Disziplinen von Senge auf die Schule übertragen aussehen können. Als Antwort auf das Team-Lernen findet sich die Professionelle Lerngemeinschaft, kurz PLG. Abbildung 8: Das Modell der Lernenden Organisation auf die Schule übertragen

  Quelle: Hellmüller, P. (2011). Innenarchitektur von Schule. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern  

Aus der Tatsache, dass die Entwicklung des Raumes untrennbar mit der Unterrichtsentwicklung verbunden ist (vgl. Kapitel 2), lohnt sich eine nähere Betrachtung dieses Königsweges PLG. Diese Lerngemeinschaften sind im Kern nichts anderes als Teams und Kooperationen von Lehrpersonen. Für Bonsen (2010, S. 124) besteht der Unterschied in der klaren Ausrichtung der Arbeit am Unterricht und den Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler. Diese Fokussierung entspricht dem Anspruch an die Entwicklung des Raumes, die, wie weiter oben beschrieben, sich auch am Unterricht und dem Lernerfolg orientiert. Die PLG ist somit ein probates Instrument, die Entwicklung des Raumes umzusetzen. Eine Professionelle Lerngemeinschaft setzt sich aus den fünf Säulen: Zielorientierung, Deprivatisierung des Unterrichtes, Fokus auf den Lernerfolg, Zusammenarbeit und Kooperation sowie dem reflektierenden Dialog zusammen, wie hier in Abbildung 9 dargestellt wird. Als Basis dienen dabei gemeinsame Normen, Werte und Ziele.

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Hellmüller, P. (2011). Innenarchitektur von Schule. Referat im Rahmen des CAS SQE 5 PH Bern

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Abbildung 9: Modell der Professionellen Lerngemeinschaft PLG

 

Unterrichtsentwicklung

Zielorientierung

Deprivatisierung des Unterrichts

Fokus auf den Lernerfolg der Schüler

Zusammenarbeit und Kooperation

!

Reflektierender Dialog

Gemeinsam geteilte Werte

Professionelle Lerngemeinschaften Quelle: Kruse/Seashore Louis/Bryk (1994): Building Professional Communities in Schools. In: Issues in restructuring schools, No. 6.

Der Schulleitung kommt wie bei der Lernenden Organisation die Aufgabe zu, die nötigen Strukturen, Gefässe, Freiräume und Verbindlichkeiten zu schaffen, damit die PLG funktionsfähig werden. Dabei müssen verschiedene Fragen geklärt werden, wie die nach der Zusammensetzung der Lerngemeinschaften, wer diese leitet oder wie oft sie sich treffen. Im Kanton Bern hat die Schulleitung durch den Administrationspool zudem die Möglichkeit, die Leitung der einzelnen PLG zu entlohnen und damit auch mehr Verantwortung zu übergeben. Aus Erfahrung ist die Begleitung der PLG in der Anfangsphase durch die Schulleitung wichtig. Dazu gehören die Unterstützung ein gemeinsames, wiederkehrendes Zeitfenster zu finden, die Gemeinschaft durch das Eingeben von Themen am Laufen zu halten und zu verankern (Sinngebung) und die Leitung in ihrer neuen Führungsaufgaben zu coachen. Bewährt haben sich zudem Feedbackrunden zur Funktionsweise der PLG im Plenum. Zu hören, wo die anderen bei ihrer Arbeit stehen und welche Projekte sie umsetzen, wirkt motivierend und ansteckend.

6. Fazit Wer den Unterricht verändert, bei dem verändert sich auch der Raum. Aus der Sicht des Raumes gesehen, heisst dieser Zusammenhang: Wer den Raum verändern will, der muss auch seinen Unterricht und somit das Lernen verändern. Die Entwicklung und Gestaltung des Raumes ist Teil der Unterrichtsentwicklung und damit Teil der Schulentwicklung und somit unwiderruflich der Wechselwirkung zwischen den drei Bereichen Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung ausgesetzt. Somit liegt die übergeordnete Verantwortung für die Raumentwicklung bei der Schulleitung. Sie ist in diesem Prozess Dreh- und Angelpunkt, sorgt für die nötigen Impulse und führt durch den Prozess.

                 

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7. Literatur • • • • • •



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Argyris, Ch., Schön, D.A. (2006). Die lernende Organisation. 3. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta. Bonsen, M. (2010). Schulleitung als Unterrichtsentwickler. In: Rolff, H.-G. (Hrsg.). Führung, Steuerung, Management. Seelze: Klett, Kallmeyer, S. 99 – 130. Hattie, J. (2009). Visible learning. 1. Auflage. London and New York: Routledge. Helmke, A. (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. 3. Auflage. Seelze-Velber: Klett, Kallmeyer. Höfer, Ch. (2006). Unterrichtsentwicklung als Schulentwicklung. In: Buchen, H., Rolff, H.-G. (Hrsg). Professionswissen Schulleitung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, S. 752 – 789. Horster, L., Rolff, H.-G. (2006). Reflektorische Unterrichtsentwicklung. In: Buchen, H., Rolff, H.-G. (Hrsg). Professionswissen Schulleitung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, S. 789 – 809. Rolff, H.-G. (2006). Schulentwicklung, Schulprogramm und Steuergruppe. In: Buchen, H., Rolff, H.-G. (Hrsg). Professionswissen Schulleitung. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, S. 296 – 364. Senge, P.M. (1999). Die fünfte Disziplin. 7. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta. Senge, P.M., Kleiner, A., Smith, B., Roberts, Ch., Ross, R. (1997). Das Fieldbook zur fünften Disziplin. 2. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta. Senge, P.M. (2000). The Dance of Change. Wien, Hamburg: Signum – Verlag.

 

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