Landkreis Grafschaft Bentheim Fachbereich 2 – Kreisentwicklung Bernd Oncken – Tel. 05921-96 1510 –
[email protected]
Nordhorn, April 2013
Der demografische Wandel im Landkreis Grafschaft Bentheim
Gliederung:
I.
I.
Der demografische Wandel allgemein
II.
Der demografische Wandel in der Grafschaft Bentheim
Der demografische Wandel allgemein
Zunächst soll ein Blick auf den demografischen Wandel im Allgemeinen geworfen werden, von dem die einzelnen Regionen in der Bundesrepublik Deutschland unterschiedlich stark betroffen sind. Der demografische Wandel (oder anders gesagt: die Veränderung der Altersstruktur in der Bevölkerung) ist bundesweit durch den Rückgang der Bevölkerungszahl und die Alterung der Gesellschaft gekennzeichnet. Der demografische Wandel hat zwei Ursachen: a) die seit Jahrzehnten sinkenden Geburtenzahlen: seit den 1970er Jahren sinkt die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau kontinuierlich und liegt derzeit bei statistisch 1,3 Kindern pro Frau im gebärfähigem Alter. Zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Bevölkerungszahl von ca. 80 Mio. Deutschen müsste jede Frau durchschnittlich mindestens 2,3 Kinder zur Welt bringen. b) die höhere Lebenserwartung, der sich die Menschen u.a. durch den medizinischen Fortschritt und einen positiven Bewusstseinswandel bzgl. der Lebensführung (z.B. mehr Sport, gesündere Ernährung) erfreuen. Daraus ergeben sich die zwei wesentlichen Folgen des demografischen Wandels: a) der Rückgang der Bevölkerungszahl insgesamt, und
1
b) die Alterung der Gesellschaft: Zukünftig wird es wesentlich mehr ältere Menschen und Hochbetagte als derzeit geben, und – das ist vor allem problematisch – die Zahl der arbeitsfähigen Bevölkerung wird stark abnehmen. Daraus folgt, dass – auf eine kurze Formel gebracht – zukünftig immer weniger junge Menschen immer mehr ältere Menschen finanzieren müssen (Stichwort: Generationenvertrag/Rentenfinanzierung: die arbeitende Bevölkerung finanziert die Rente für die Bevölkerung im Ruhestand) Der demografische Wandel vollzieht sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht in allen Regionen gleichermaßen schnell bzw. stark. Die Effekte des demografischen Wandels stellen sich zeitlich wie regional sehr unterschiedlich ein, das heißt, es gibt zur gleichen Zeit sowohl schrumpfende wie stagnierende oder wachsende Kommunen. Faktoren wie wirtschaftliche Strukturschwäche, geografische Benachteiligung (z.B. Teile Ostdeutschlands, ehemalige Grenzgebiete) oder Zuwanderungsdynamik beeinflussen entscheidend die Stärke und Geschwindigkeit des demografischen Wandels. Bundesweit wird in nur 69 von insgesamt 440 Kreisen bis 2025 mit einem Bevölkerungswachstum gerechnet. In 371 Kreisen zeichnet sich jedoch eine Schrumpfung der Bevölkerung ab. In nahezu allen Kommunen wird sich aber das Durchschnittsalter der Menschen erhöhen. Auch die Effekte aus der Zuwanderung treten unterschiedlich auf, in manchen Kommunen beträgt der Anteil der Menschen mit Migrationsintergrund 3%, in anderen 30% und mehr. Daraus folgt, dass sich jede Kommune individuell mit dem demografischen Wandel in seiner konkreten lokalen oder regionalen Ausprägung beschäftigen muss. Der demografische Wandel wird sich auf alle Lebensbereiche mehr oder weniger stark auswirken, wie z.B. -
im Bereich Wohnen / Immobilienmarkt: Anstieg der Nachfrage nach altengerechten Wohnformen (Ebenerdigkeit, Barrierefreiheit, Aufzug, altersgerechte sanitäre Einrichtungen), dies bedeutet einen zunehmenden Bedarf an altengerecht gebauten Wohnungen (Neubau und Umbau von Wohnungen),
-
im Bereich öffentliche Daseinsvorsorge / Pflegeplanung: Anstieg der Nachfrage nach ambulanten Pflegedienstleistungen und stationären Heimplätzen. Dieses erfordert einen Ausbau der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und damit eine angepasste Pflegeplanung (z.B. Planung entsprechender Kontingente an Heimplätzen),
-
im Bereich Schulwesen: Anpassung der Schulkapazitäten an die schrumpfende Schülerzahlen durch Reduzierung der Klassenzügigkeit und ggf. Zusammenlegung von Schulen an zentralen Standorten,
-
auf die Altersstruktur in den Mitarbeiterbelegschaften der Unternehmen und Verwaltungen.
-
auf dem Arbeitsmarkt: Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt, insbesondere in einzelnen, generell weniger stark nachgefragten Branchen und in benachteiligten Regionen.
2
II. Der demografische Wandel in der Grafschaft Bentheim Wirft man nun einen genaueren Blick auf den Landkreis Grafschaft Bentheim, so erkennt man, dass dieser zunächst nur eingeschränkt vom demografischen Wandel betroffen sein wird. Hinsichtlich des prognostizierten Bevölkerungswachstums belegt die Grafschaft Bentheim einen der Spitzenplätze unter den niedersächsischen Landkreisen und schneidet sogar bundesweit betrachtet hervorragend ab. Folgende Abbildungen verdeutlichen dies:
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung bundesweit 2009 – 2030 in %
Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011
3
Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Niedersachsen 2009 – 2030 in %
Legende wie Abbildung 1 Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011
Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, wächst die Bevölkerung im Landkreis Grafschaft Bentheim nach heutigen Erkenntnissen – entgegen dem niedersächsischen Landestrend und dem Bundestrend – voraussichtlich weiterhin bis ca. 2025. Die Bertelsmann Stiftung hat für diesen Zeitraum ein Wachstum von 2,1% prognostiziert. Auch wenn diese Prognose nicht exakt zutreffen sollte, so gibt sie doch einen Trend für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung an. Vor allem im Vergleich mit den größten Schrumpfungsregionen in Niedersachsen, der Harzregion, der Küstenregion im Raum Wilhelmshaven/ Bremerhaven und dem Bereich südlich von Hannover schneidet die Grafschaft sehr gut ab.
4
Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung 2003 – 2030 der Grafschaft Bentheim in relativen Zahlen
Quelle: LSKN Niedersachsen, 2011 + Bertelsmann Stiftung, 2011
Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung 2003 – 2030 der Grafschaft Bentheim in absoluten Zahlen
140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 1939
1950
1970
1995
2005
2011
2020
Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011
5
Der Grafschaft Bentheim kommt hierbei stark zugute, dass sie aufgrund ihrer soliden wirtschaftlichen Struktur und ihrer prosperierenden mittelständischen Wirtschaft eine vergleichsweise große wirtschaftliche Stabilität aufweist. Eine signifikante Abwanderung bedingt durch Arbeitsplatzverlust ist in der Grafschaft Bentheim daher nicht zu erwarten. Die Menschen im arbeitsfähigen Alter bleiben also in der Regel in der Region und bilden hier ihren Lebensmittelpunkt (Ausnahmen bilden hier jedoch spezielle akademische Berufe, die am Arbeitsmarkt in der Regel nur in Ballungszentren nachgefragt werden). Die Region Grafschaft Bentheim ist also weitestgehend in der Lage, ihre Bevölkerung an sich zu binden und auch zu halten. Dem demografischen Wandel wird in der Grafschaft Bentheim weiterhin durch die starke Stellung der Familie in der Bevölkerung entgegengewirkt. Die Familie genießt einen hohen Stellenwert in der Region, die Geburtenrate ist daher seit vielen Jahren nicht so gering wie in anderen Regionen Deutschlands, vor allem im Vergleich zu den Ballungsräumen. Daher ist der Anteil der jungen Menschen unter 18 Jahren in der Grafschaft höher als der niedersächsische Durchschnitt. Dieser liegt bei 19,5%, während er in der Grafschaft bei 22,6% liegt. Insbesondere die Gruppe der 10- bis 15-Jährigen ist stark vertreten, was eine gute Basis für die weitere Entwicklung der Grafschaft Bentheim darstellt. Denn wenn diese geburtenstarken Jahrgänge die sog. Familienbildungsphase erreichen, tragen diese wiederum zu einer höheren Geburtenrate bei. Darüber hinaus profitiert die Grafschaft Bentheim von einer im Vergleich hohen Zuwanderungsrate, welche diejenige vieler anderer deutscher Regionen übersteigt und ebenfalls zum Bevölkerungswachstum beiträgt. Diese positiven Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Auswirkungen des demografischen Wandels, die heute u.a. in den ostdeutschen Bundesländern bereits deutlich zu spüren sind, die Grafschaft Bentheim erst mit einer Verzögerung von ca. 15 Jahren erreichen werden. Ein dringender Handlungsdruck besteht daher nicht. Das Berlin Institut, eine Forschungseinrichtung mit Sitz in Berlin, hat 2011 anhand einer Reihe von Indikatoren wie Kinderzahl, Anteil der unter 35-Jährigen, Frauenanteil und Wanderungsentwicklung, die „Demografiefestigkeit“ aller Regionen in Deutschland näher untersucht. Im Ergebnis wird der Grafschaft einer der „Spitzenplätze“ im Bundes- und Niedersachsen-Vergleich attestiert. Auch hinsichtlich der zu verzeichnenden Wanderungsgewinne liegt die Grafschaft vorn. Nachfolgende Abbildungen illustrieren diesen Befund:
6
Abbildung 5: Die demografische Lage der Grafschaft Bentheim im bundesdeutschen und niedersächsischen Vergleich
Quelle: Berlin Institut, 2011
7
Abbildung 6: Zuwanderungsregion Grafschaft Bentheim
Quelle: Berlin Institut, 2011
Eine der beiden wesentlichen Folgen des demografischen Wandels, der Rückgang der Bevölkerung, wird die Grafschaft Bentheim – wie gesehen – also erst langfristig betreffen. Die andere Folge des demografischen Wandels jedoch, die Alterung der Gesellschaft, wird auch in der Grafschaft Bentheim in den nächsten Jahren schon zu spüren sein. Besonders der Anteil der über 80-Jährigen wird zunehmen, während der Anteil der unter 18-Jährigen abnehmen wird. Im Jahr 2030 wird sich dann die Überalterung der Bevölkerung schon recht stark bemerkbar machen: Zu dieser Zeit werden ca. 50% der Grafschafter älter als 45 Jahre sein. Die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen die Veränderungen in der Zusammensetzung der Grafschafter Bevölkerung:
8
Abbildung 7: Alterspyramide der Grafschafter Bevölkerung 2011
Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011
Abbildung 8: Alterspyramide der Grafschafter Bevölkerung 2030
Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011 9
Auffällig ist im Vergleich der Alterspyramiden, dass der Anteil der Älteren und Hochbetagten in der Bevölkerung zunimmt (die Pyramidenspitze wird breiter), der Anteil der Menschen im mittleren Alter geringer wird (der Mittelbau der Pyramide wird schmaler) und der Anteil der jungen Menschen stark abnimmt (das Fundament der Pyramide wird schmaler).
In Zahlen ausgedrückt stellen sich die Veränderungen wie folgt dar:
Demografischer Indikator
Landkreis Grafschaft Bentheim
Geburtenrate im Bundesvergleich (2008)
12 % mehr Geburten pro Frau
Durchschnittsalter 2008
41 Jahre
Durchschnittsalter 2030
47 Jahre
Anteil unter 18-Jährige 2008
20 %
Anteil unter 18-Jährige 2030
16 %
Anteil über 80-Jährige 2008
4,7 %
Anteil über 80-Jährige 2030
7,3 %
Vereinfacht ausgedrückt lässt sich die demografische Entwicklung in der Grafschaft Bentheim also auf folgende Aussage verkürzen: Die Grafschafter Bevölkerung nimmt vorerst noch zu, wird dabei aber in sich immer älter.
10