Das Ziel: eine gute Begleitung in den Pflege-Alltag

Das Ziel: eine gute Begleitung in den Pflege-Alltag Die Tagung „Krankenhaus – was dann?“ machte das Überleitungsmanagement zum Thema Die demenzkranke...
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Das Ziel: eine gute Begleitung in den Pflege-Alltag Die Tagung „Krankenhaus – was dann?“ machte das Überleitungsmanagement zum Thema

Die demenzkranke alte Dame, die nach einem Krankenhausaufenthalt mit dem Rettungswagen nach Hause gebracht wurde, konnte ihren Schlüssel für die Haustür nicht finden. Ohnehin war sie sich nicht ganz sicher, ob sie wirklich „da“ wohne. Niemand wartete auf sie, ein Pflegedienst war nicht informiert worden, und auch das erforderliche Pflegebett fehlte, es war nämlich noch gar nicht bestellt worden. Zudem war Wochenende, niemand auf die Schnelle zu erreichen… Die Geschichte aus dem Leben, die Willy Trost vom Seniorenrat Niederkassel mit zur Tagung „Krankenhaus – was dann?“ brachte, war eines der eindringlichsten, aber wahrlich nicht das einzige Beispiel für schlecht oder gar nicht vorbereitete Entlassungen pflegebedürftiger Menschen aus dem Krankenhaus. Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, erzählte von einer beinamputierten Frau, die bei Minusgraden in ein eisiges Zuhause entlassen wurde, in dem der herbeigerufene Hausarzt dann erstmal den Ofen anheizen musste, Christel Bienstein von der Universität Witten-Herdecke wusste sogar von Wachkoma-Patienten zu berichten, Bernd Zimmer Vizepräsident Ärztekammer Nordrhein

deren Angehörige in keiner Weise auf die anstehende Pflege zu Hause vorbereitet worden waren.

Alter, kränker, zahlreicher: die zu Entlassenden Von einem „brennenden Thema“ sprach denn auch Gaby Schnell, Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen, bei der Begrüßung der gut 200 Gäste im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft. Die Landesseniorenvertretung NRW und die Landesstelle Pflegende Angehörige NRW hatten die Tagung zu Entlassmanagement und Patientenüberleitung gemeinsam ausgerichtet und zur vorläufigen Bilanz gebeten: „Was ist bisher erreicht, und was wird noch gebraucht?“ Seit 2004 die Abrechnung der Krankenhäuser mit den Krankenkassen auf diagnoseorientierte Fallpauschalen umgestellt wurde, ist die Überleitung pflegebedürftiger Patienten in ambulante Behandlung, Heime und nach Hause verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit geraten. Kritiker sprechen von teilweise „blutigen“ Entlassungen, nachdem die Krankenhäuser ihre Abläufe rationalisiert und die Verweildauern der Patienten reduziert

Gaby Schnell Vorsitzende Landesseniorenvertretung NRW

haben.

Bericht zur Tagung "Krankenhaus - was dann? am 6.10.2011 / weitere Infos: www.LPFA-NRW.de

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Klaus Wingenfeld von der Universität Bielefeld betonte in seinem Vortrag, dass die Zahl der entlassenen Patienten pro Tag in den vergangenen Jahren eklatant gestiegen sei, zudem seien diejenigen, um deren weiteren Verbleib man sich verstärkt kümmern müsse, älter und damit auch fragiler und kränker geworden. Das stelle das Überleitungsmanagement der Krankenhäuser vor große Herausforderungen. „Besonderes Augenmerk müssen wir auf Demenzkranke richten“, appellierte der wissenschaftliche Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaft an alle mit Entlassmanagement Befassten. „Denn der Patient erscheint im Krankenhaus als Hauptdiagnose, und da wird eine Demenz leicht als zu vernachlässigendes Nebenproblem betrachtet.“ Ziel müsse es schließlich sein, darin waren sich Veranstalter, Referenten und Plenum einig, dass keine Patientin und kein Patient (und keine Angehörige, kein Angehöriger) von der Entlassung aus dem Krankenhaus überrascht werden dürfe. Die ambulante oder stationäre Versorgung müsse vorbereitet sein, um die so genannten „Drehtür-Effekte“, nämlich eine baldige Wiedereinweisung der Patienten, zu vermeiden.

Alle könnten profitieren Ein Entlassungsmanagement, das wurde von vielen Seiten betont, beginne bereits mit der Aufnahme eines Patienten. Wie es optimal gestaltet werden sollte, ist bereits Dr. Klaus Wingenfeld Insitut für Pflegewissenschaften, Uni Bielefeld

seit

2004

im

Nationalen

Expertenstandard

Entlassungsmanagement

festgeschrieben.

Nach einer anfänglichen Einschätzung, so Wingenfeld, könne bereits mit der Entwicklung einer individuellen Entlassplanung begonnen werden. Wichtig sei es, sich schon bei der Aufnahme ein Bild auch von der häuslichen Situation eines Patienten zu machen. In einer ideal verlaufenden Entlassungsplanung würden Patienten und ihre Angehörigen dann informiert, beraten und ggf. pflegerisch geschult – wobei auch Zeit für das Ansprechen von Ängsten und Sorgen sein müsse. Professionelle Akteure wie der Hausarzt, vielleicht ein ambulanter Pflegedienst, ein Pflegeheim und Hilfsmittelhersteller müssten auf den Plan gerufen und informiert werden. Und zuletzt müsste die gesamte Planung 24 Stunden vor der Entlassung überprüft und 48 Stunden nach der Entlassung evaluiert werden. Ein so verstandenes Entlassmanagement müsse eigentlich Überleitungsmanagement genannt werden, regte Bernd Zimmer von der Ärztekammer an, „Entlassungsmanagement greift zu kurz.“ Und Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens, die es sich nicht hatte nehmen lassen, die Tagung mit zu eröffnen, betonte: „Ein solch gutes Management hat einen win-win-winEffekt!“ Denn es rechne sich für die Krankenkassen, für die Krankenhäuser selber, die finanziell nicht von Neuaufnahmen profitierten – und nicht zuletzt für die als Patienten und Angehörigen beteiligten Menschen. „Es geht um ein selbst bestimmtes Leben der Menschen in jeder Lebensphase.“ Wie positiv ein sorgsames Entlassungsmanagement denn auch von den Patienten aufgenommen wird, belegte Pflegewissenschaftler Klaus Wingenfeld mit einer an 13 gut aufgestellten Krankenhäusern durchgeführten Studie. 65,8% der Befragten gaben an, alle benötigte Unterstützung erhalten zu haben, 28,5% bestätigten immerhin, den größten Teil der benötigten Unterstützung bekommen zu haben. „Wenn das der Bundesdurchschnitt wäre, wäre viel gewonnen“, stellte Wingenfeld fest, der

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Nordrhein-Westfalen

bescheinigte,

in

Sachen

Entlassungsmanagement „recht gut entwickelt“ zu sein. Ungefähr jedes sechste Krankenhaus habe eine Stelle für Pflegeüberleitung. Das fanden viele dennoch zu wenig, immerhin halten nicht nur die Krankenkassen Krankenhäuser dazu an, nahtlose Übergänge zu Rehabilitation und Pflege zu schaffen. Ein Anspruch der Versicherten

auf

ein

Versorgungsmanagement

ist

im

Sozialgesetzbuch V sogar gesetzlich festgeschrieben, wenn er womöglich auch noch nicht konkret genug ausgeführt wurde.

Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf: Plenum im Veranstaltungssaal

„Es müsste längst selbstverständlich laufen!“ fasste Seniorenvertreterin Gaby Schnell die vorherrschende Stimmung im Tagungssaal in Worte.

Wo hakt es noch? Was einer flächendeckenden guten Überleitungspraxis noch im Wege steht, versuchte Silke Niewohner von der Landesstelle Pflegende Angehörige NRW in zwei von ihr moderierten Fachrunden ans Licht zu bringen. Ralf-Joachim Schulz vom St. Marien-Hospital in Köln versuchte die Komplexität der Aufgabe deutlich zu machen: Es sei oft nicht einfach, die richtigen Ansprechpartner im häuslichen Feld auszumachen und zu erreichen, berichtete der Arzt, und oft täten sich dann neue Probleme auf: wenn da z.B. ein Sohn sei, der aber nicht etwa als Pflegender infrage komme, sondern umgekehrt bisher selbst von der 96-jährigen Patientin gepflegt worden sei. Auch sei ein einmal verabredetes Hilfe-Arrangement so fragil wie der Patient oder die Patientin. Schon ein Harnwegsinfekt könne die ganze Struktur

gefährden.

Um

alten

Menschen

im

Krankenhaus und auch in Überleitungsprozessen besser gerecht werden zu können, mahnte Schulz eine Aufwertung der Altersmedizin an. Das Fach müsse

dringend

verankert werden.

in

der

Mediziner-Ausbildung

Reinhard Pohlmann, Stadt Dortmund; Silke Niewohner, Landesstelle Pflegenden Angehörige NRW; Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz, Universität Köln (v.l.n.r.)

Peter May von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein brachte den Faktor Geld ins Gespräch. Das Krankenhaus sei durch die Fallpauschalen mehr oder weniger gezwungen, Patienten so früh wie möglich zu entlassen. Und das Geld für Pflegeleistungen und auch ein gutes Entlassungsmanagement sei knapp. 2009 etwa habe man mit Mitteln des Pflegesonderprogramms 15.000 bis 16.000 neue Pflegekräfte einstellen können, aber von einer Verlängerung profitierten jetzt nur noch diejenigen, deren Patienten bestimmte diagnosebezogenen Kriterien erfüllten, was womöglich in den anderen Häusern zu Entlassungen führen werde. Wenn jetzt, wie es im aktuellen Gesetzesentwurf zur Reform der Krankenversicherung vorgesehen sei, das Entlassungsmanagement dezidiert als Aufgabe des Krankenhauses bestimmt werde, müsse es auch zusätzliches Geld dafür geben.

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Andernfalls

sei

man

angesichts

eines

„gedeckelten“ Fallpauschalen-Haushalts gezwungen, in anderen Bereichen

Mittel abzuziehen. Stephan Fromm, der im Podiumsgespräch nach der Pause die Sozialarbeiter vertrat, bestätigte, dass die traditionell für die Entlassungsvorbereitung zuständigen Krankenhaussozialarbeiter mit knappen Mitteln auskommen müssten. Der Sozialdienst sei personell unterbesetzt, im Schnitt habe man für jeden Patienten nur zweieinhalb Stunden Zeit. Schon lange würden Krankenhaussozialarbeiter darauf dringen, die Wirkung ihrer Arbeit nach der Entlassung des Patienten durch einen Hausbesuch überprüfen zu können. „Aber die Hausleitung sagt dann: Das mag volkswirtschaftlich Sinn machen, aber betriebswirtschaftlich nicht!“

Wenn nicht alle an einem Strang ziehen Wie wenig im Gesundheitsbereich an einem Strang gezogen wird, klang auch in anderen Redebeiträgen an. Bereits am Vormittag hatte Landesministerin Barbara Steffens „zu viele divergierende Interessen“ beklagt, die verhinderten, dass man sich hier ganz und gar am Menschen ausrichten könne. So müssten zum Beispiel die niedergelassenen Ärzte durch entsprechende Finanzierung wieder in die Lage versetzt werden, Hausbesuche zu machen und so ihren Teil zur Begleitung pflegebedürftiger Patienten beizutragen. Auch sei viel mehr Prävention notwendig, um Menschen z.B. vor Pflegebedürftigkeit und – einmal in der Klinik - vor krankenhausbedingten Delirzuständen zu schützen. Aber die Umsetzung des Expertenstandards Entlassungsmanagement krankt auch an einer teilweise unzureichenden Zusammenarbeit der

Barbara Steffens Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

beteiligten Professionen. Im Idealfall müssten im Krankenhaus Sozialarbeiter, Pflegekräfte und Ärzte zum Wohle des zu entlassenden Patienten zusammen wirken. Allzu oft aber gäbe es zwischen ihnen völlig überflüssige Grabenkämpfe, sagte Pflegewissenschaftler Klaus Wingenfeld, räumte jedoch ein, dass einige Krankenhausleitungen Konkurrenzängste geschürt hätten, indem sie die Kosten für neue Pflegeüberleitungsstellen mit Einsparungen im Bereich der Sozialarbeit ausgeglichen hätten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich vielleicht auch, dass die Pflegeberater der Pflegekassen, für die Ulrich Pannen von der AOK-Rheinland-Hamburg warb, nicht immer positiv aufgenommen werden, wenn sie zur Beratung ins Krankenhaus kommen. In die Kritik gerieten auch Ärzte, die ohne Vorwarnung pflegebedürftige Patienten entlassen. „Es ist immer dasselbe Problem: Ärzte entlassen Patienten viel zu schnell, und das ganze Überleitungsteam kommt in Stress!“ schimpfte in der Mittagspause ein Krankenpfleger, der das Problem aus mehreren Krankenhäusern und neuerdings auch aus der Perspektive eines ambulanten Pflegedienstes kennt. „Dann muss von jetzt auf gleich eine Anschlusspflege organisiert werden.“ Stephan Fromm von der Deutschen Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen berichtete von ähnlichen Erfahrungen. Vor allem wenn Menschen ganz neu mit Einschränkungen fertig werden müssten, die ihre Selbstständigkeit stark einschränken, könne man sie nicht urplötzlich entlassen. „Das gehört sich einfach nicht!“ Die Betroffenen bräuchten Zeit, um mit vertrauten Menschen über die veränderte Situation zu sprechen und vielleicht auch eine Alternative zum Heim zu finden. Vor diesem Hintergrund stieß Bericht zur Tagung "Krankenhaus - was dann? am 6.10.2011 / weitere Infos: www.LPFA-NRW.de

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Peter

May von der Krankenhaushausgesellschaft auf laut geäußerte

Zustimmung, als er, selbst Arzt, Pflegekräften und Sozialarbeitern das Kommando im Überleitungsprozess zugestand und die Ärzte eher als Zuarbeitende definierte. Aber auch die Familie eines pflegebedürftigen Patienten muss verantwortlich einbezogen

werden.

Christel

Bienstein,

Leiterin

des

Instituts

für

Pflegewissenschaft an der Uni Witten-Herdecke bemängelte: „Wenn die Tochter nach dem ersten Schock sagt: Gut, wir holen Papa nach Hause, dann klopft der Oberarzt ihr auf die Schulter: Toll! Aber keiner guckt mal kritisch: Christel Bienstein, Universität Witten Herdecke

Schaffen die das auch?“

Ansätze und Instrumente Wie man hingegen die Pflegenden gut unterstützen kann, zeigten Anna Zaczynska und Anja Klostermann an ihrem Stand auf dem „Markt der Möglichkeiten“ vor dem Veranstaltungssaal. Das Modellprojekt „Familiale Pflege unter den Bedingungen der GDRG´s“, das sie hier vorstellten, wurde von Wissenschaftlerinnen der Uni Bielefeld entwickelt und stellt Mittel und Know How zur Verfügung, um pflegende Angehörige zu schulen und zu entlasten. Bereits am Krankenhausbett werden sie auf den späteren Alltag der häuslichen Pflege vorbereitet. So lernen sie Tricks und Handgriffe, die die Pflege erleichtern, und es wird gemeinsam überlegt: Wer kann noch helfen? Gibt es Entlastungsmöglichkeiten für die häuslich Pflegenden? Welche ergänzenden Unterstützungsleistungen kann man mit Hilfe des Krankenhauses beantragen? Nach der Entlassung des Patienten kommen Pflegekräfte des Krankenhauses bei Bedarf noch sechs Wochen lang zu Hausbesuchen, leiten an und helfen, Schwierigkeiten zu bewältigen. Die angebotenen Leistungen, dazu zählen auch ein dreitägiger Pflegekurs und Gesprächsgruppen für

Präsentation der Uni Bielefeld beim Markt der Möglichkeiten

pflegende Angehörige, sind kostenfrei. Finanziert werden sie von den AOK Rheinland/Hamburg und NordWest, momentan nehmen 200 Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen und Hamburg an dem Modellprojekt teil. Die Broschüren des Projekts gingen weg wie warme Semmeln. „Viele fragen, ob wir unser Projekt nicht mal bei ihrer Klinikleitung vorstellen können“, erzählte Anja Klostermann.

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An einem anderen Tisch stellten Lisa Schwermer von der Stadt

Essen

und

Holger

Pfeiffer

aus

Düsseldorf

Patientenüberleitungsbögen vor, die den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen professionellen Helfern und Diensten erleichtern sollen. Im intensiven Austausch mit den beteiligten Professionen und Stellen und beauftragt von der Gesundheits- und der Pflegekonferenz ihrer Stadt haben dort interdisziplinäre Arbeitsgruppen einheitliche Überleitungsbogen entwickelt, die von allen Beteiligten genutzt werden können und in verschiedene Richtungen funktionieren. Sie enthalten die

Holger Pfeiffer, Stadt Düsseldorf und Lisa Schwermer, Stadt Essen

wichtigsten Informationen zum Patienten, stets aktuell, und die Rückmeldungen aus Krankenhäusern, Arztpraxen, Heimen und Pflegediensten sind positiv. Die Bögen gestalten Übergänge reibungsloser, vermeiden Fehlmedikamentierungen und Behandlungslücken und sparen – einmal eingespielt – Zeit und Mühe. Auch ein Großteil der Patienten zeigt sich zufrieden mit diesem Überleitungsinstrument. „Und wo bleiben die Angehörigen?“ habe man sich angesichts solcher Überleitungsbögen bei der Landesstelle pflegende Angehörige NRW gefragt, erzählte Silke Niewohner. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“, aber auch vor dem Plenum im Saal präsentierte sie zusammen mit Katharina Sachser die noch druckfrische „Checkliste für Aufnahme und Entlassung“, mit der die Landesstelle Angehörige in die Lage versetzen will, den Übergang

eines

Familienmitglieds

von

zu

Hause

ins

Krankenhaus und zurück souverän zu gestalten. Die Checkliste stellt sicher, dass man zur Aufnahme alle Unterlagen beisammen

Haus der Ärzteschaft, Düsseldorf: Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Foyer

hat und nicht vergisst, den Ärzten und Pflegekräften im Krankenhaus wichtige Informationen über den kranken Angehörigen zu geben. „Patienten bzw. Angehörige sind auch Kooperationspartner“, betonte Silke Niewohner. Andererseits hilft die Checkliste aber auch, den Verantwortlichen im Krankenhaus bei der Überleitungsplanung auf die Finger zu sehen und nachzuhalten, ob alles Erforderliche auch geregelt wurde. Wichtig zum Beispiel der Hinweis auf die Möglichkeit der Krankenhäuser, benötigte Medikamente mitzugeben, wenn man nicht gleich Gelegenheit hat, sich ein Rezept beim Arzt zu holen.

Muss nicht einer den Hut aufhaben? Mit Reinhard Pohlmann vom Fachdienst für Senioren der Stadt Dortmund rückte die Perspektive und Rolle der Kommunen in den Blick. Soll das Entlassungsmanagement ein Überleitungsmanagement sein und optimalerweise in ein Versorgungsmanagement münden, das nachhaltig Begleitung und Unterstützung bietet, müssen die Kommunen mit ins Boot. Und Dortmund rudert auch schon mit. „Wir können die Daseinsvorsorge nicht auf Krankenkassen und Pflegekassen abwälzen“, erklärte Pohlmann, „sondern das muss auch kommunales Interesse sein, schon aus wirtschaftlichen Gründen. Je mehr wir daran arbeiten, dass Menschen so lange wie möglich zu Hause versorgt werden, desto mehr spart die Kommune später Leistungen, etwa Bericht zur Tagung "Krankenhaus - was dann? am 6.10.2011 / weitere Infos: www.LPFA-NRW.de

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solche für stationäre Versorgung.“ 12 Seniorenbüros, über die ganze Stadt verteilt, unterstützen pflegebedürftige alte Menschen und ihre Angehörigen nicht nur beim Übergang vom Krankenhaus zurück in die Gemeinde. Sie helfen auch mit, ein Netz niederschwelliger Hilfen auf- und auszubauen und zugänglich zu machen: Besuchs- und Begleitdienste, Notrufsysteme, Betreuung von Demenzkranken und anderes mehr, auch unter Einbeziehung von ehrenamtlicher und Nachbarschaftshilfe. Seit drei Monaten, so Pohlmann, schicke man auch Mitarbeiter in die Krankenhäuser, um von Pflegebedürftigkeit betroffene Patienten und Familien beim Übergang in die häusliche Situation hilfreich zu begleiten. Sozialarbeiter und Pflegeüberleiter in den Krankenhäusern, Pflegeberater der Krankenkassen, kommunale Ansprechpartner, dazu noch die Ehrenamtlichen von den Seniorenräten, die schon manche Notsituation im verunglückten Übergang zwischen Klinik und Zuhause aufgefangen haben, wie Willy Trost erzählt. Und nicht zu vergessen die Pflegestützpunkte, in NordrheinWestfalen 50 an der Zahl – zeugt dies alles nicht beinahe von einer Überversorgung auf dem Felde des Versorgungsmanagements? „Wir haben inzwischen sehr viele Beratungsangebote“, brachte Klaus Wingenfeld die Situation auf den Punkt, „so dass man manchmal schon etwas bösartig meinen könnte, Patienten bräuchten Beratung, um sich in dieser Beraterlandschaft zurechtzufinden!“ Noch fehlt es offenbar an Koordination, z.T. auch an Qualität und an sicher einklagbaren Unterstützungsleistungen. Auch deshalb wurde im Verlauf der Veranstaltung immer wieder der Ruf laut nach jemandem, „der den Hut auf hat“. Ob man den oder diejenige wird bestimmen müssen oder ob nicht doch jeder Betroffene selber wählen können soll, wer sein Hauptansprechpartner ist, wird wohl noch länger Gegenstand der Diskussion sein.

Impulse Wichtige weitere Impulse, die von der Tagung „Krankenhaus – was dann?“ ausgehen sollen, brachte zum Schluss der Veranstaltung Martin Theisohn ein. Entscheidende Punkte der Diskussion zusammenfassend, forderte der stellvertretende Vorsitzende der Landeseniorenvertretung NRW u.a. ein gesetzliches Gebot, zum Wohle der Patienten zusammenzuarbeiten und hierzu überall in den Krankenhäusern und Kommunen Strukturen zu schaffen, die Umsetzung des Expertenstandards

Entlassungsmanagement

in

der

Pflege

in

den

Krankenhäusern und eine bessere Wahrnehmung ihrer Beratungsverpflichtung aus §7 SGB XI durch die Pflegekassen. Dass viele Akteure bereits auf dem Weg sind, hat die Veranstaltung gezeigt. Hatte nicht auch Ministerin Barbara Steffens am Ende von einer „Aufbruchstimmung“ gesprochen, die sie bei dem Thema spüre? Die wäre auf jeden Fall wünschenswert, denn wie Bernd Zimmer in seinem Grußwort zu Beginn so treffend bemerkte: „Die Gegenwart, die wir heute gestalten, wird die Zukunft sein, in der wir morgen alt werden.“

Silke Niewohner Landesstelle Pflegende Angehörige; Dr. Martin Theisohn Landesseniorenvertretung NRW (v.l.n.r.)

Cornelia Schäfer, Köln

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