Geographie – Sek II / Siedlungsentwicklung und Raumordnung / Geo-LK 12/1_2008/09

- ©Birgit Rolle ([email protected]) auf der Basis der angegebenen Quellen

Referat zum Thema

Das (historische) Dorf Gliederung: 1. Zum Begriff: Dorf 2. Seit wann gibt es Dörfer? 3. Historisch gewachsene Dorfformen 3.1 Reihendörfer 3.2 Haufendörfer 3.3 Platzdörfer 3.4 Kolonistendörfer in Brandenburg 3.5 Streusiedlungen 4. Literraturangaben

1. -

Zum Begriff: Dorf Das Dorf bezeichnet eine kleine menschliche Siedlung, die ursprünglich durch eine landwirtschaftlich geprägte Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur gekennzeichnet ist. Charakterisierendes Kennzeichen ist nach wie vor die Landwirtschaft; doch sind auch Fischerdörfer, sogar Wanderhändler- oder Flößerdörfer bezeugt. Die Form und der Aufbau der siedelnden Gemeinschaft sind abhängig von der Bodenart und deren Fruchtbarkeit, von der Wirtschaftsform und von den traditionellen Gewohnheiten und kulturellen Identität der Bewohner. Im Gegensatz zur Einzelsiedlung, einem Wohnplatz, Einzelgehöft, Haubarg1 oder einer Honschaft2 (vgl. auch die Eschflur) ist das Dorf eine Gruppensiedlung. Siedlungen, in denen aktuell kein Bauer mehr ansässig ist, sind streng genommen keine Dörfer. In Deutschland sind die meisten Dörfer in Landgemeinden zusammengefasst.

In Bayern gilt gemäß der Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Oktober 1950 (Nr. I B1 – 68a 1) grundsätzlich jede Ansiedlung mit 10 oder mehr Wohngebäuden, die keine Stadt ist, als Dorf. Kleine Dörfer werden herkömmlich auch als Weiler bezeichnet. Mehrere Dörfer wurden als Kirchengemeinde zu einem Kirchspiel zusammengefasst.

2. Seit wann gibt es Dörfer? Seit dem Frühneolithikum3 sind Siedlungen bekannt, die sich durch eine Ansammlung gleichzeitiger Häuser, einer ökonomischen Grundlage in der Landwirtschaft und gemeinsame Einrichtungen auszeichnen. Nach einer Definition des Dorfes, die auf eben diese Kriterien abzielt, ist das „Dorf“ somit eine grundlegende Siedlungsform.

1

Ein Haubarg, selten auch Hauberg, ist das typische Bauernhaus der Halbinsel Eiderstedt. Die Honnschaft oder Honschaft, gelegentlich auch Hunnschaft, Hundschaft o.ä.) war über das Mittelalter hinaus am Niederrhein, im Bergischen Land und in Teilen des Rheinlandes die unterste Verwaltungseinheit auf dem Lande. 3 im südlichen Mitteleuropa etwa 5500 - 4900 v. Chr., in Nord- und Nordmitteleuropa (südlicher Ostseeraum) dagegen viel später, nämlich etwa 4100 - 3300 v. Chr. 2

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Für uns ist die Frage von Bedeutung, wann jene Dörfer entstanden sind, die die mitteleuropäische Siedlungslandschaft heute prägen (Problem der „Dorfgenese“). Die ältere Lehrmeinung ging davon aus, dass das „Dorf“ eine typisch germanische Siedlungsform sei und in Westdeutschland auf die germanische Landnahme der Völkerwanderungszeit, im Osten aber auf die deutsche Ostsiedlung zurück ginge. Archäologische Zeugnisse aus verschiedenen Regionen zeigen jedoch, dass bis weit ins Mittelalter das ländliche Siedlungsgefüge bedeutenden Veränderungen unterworfen war. Die klassischen Dorfformen Mitteleuropas sind oft nur Sekundärformen, die sich durch Siedlungskonzentrationen und -verlagerungen, aber auch durch komplette innere Umstrukturierungen aus älteren Siedlungen entwickelt haben. Eng verbunden mit der Dorfgenese ist die Gemeindebildung, wie sie sich in schriftlichen Quellen fassen lässt und derzeit vorrangig ins 12./13. Jahrhundert datiert wird.

3. Historisch gewachsene Dorfformen Nach Grundriss, Lage, sozialökonomischer Funktion und Wirtschaftsweise werden Dörfer klassifiziert, obwohl die reine Dorfform kaum noch anzutreffen ist. Spätestens im 20. Jahrhundert traten in den Dörfern Zersiedelungsprozesse ein, wurden Flure bereinigt, Felder zu großen Schlägen zusammengelegt („Verkoppelung“). Zu den häufigsten Dorfformen der Erde gehören die Reihen-, die Haufen- und die Platzdörfer. In manchen Teilen Amerikas, Australiens und Afrikas überwiegen Einzelsiedlungen. Die Dorfbildung in Mitteleuropa begann in der Jungsteinzeit mit den ersten Ackerbauern. Die Dörfer entstanden zunächst, wenn selbstständige, aber gewöhnlich untereinander verwandte Familien ohne gemeinsames Oberhaupt beieinander siedelten.

3.1

Reihendörfer

Surrein als Reihendorf ist am Vorderrhein in der Surselva (Tal) gebaut

Ein Reihendorf setzt ein langgestrecktes topografisches Objekt wie eine Straße oder einen Weg, einen Deich, ein Tal oder Höhenrücken, einen Bach oder Graben voraus, an dem die bäuerlichen Siedlungsplätze, das heißt die Höfe in mehr oder minder regelmäßigen Abständen angelegt (aneinander gereiht) worden sind. Meist sind Reihendörfer dadurch gekennzeichnet, dass, sofern die örtlichen Gegebenheiten und Geländebedingungen es ermöglichen, jeweils am Anfang und am Ende des Reihendorfes noch weiter gesiedelt werden, also noch weitere Hofstellen angelegt werden können.

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Zeilendorf besteht aus einer Häuser- bzw. Hofzeile, die regelmäßig/linear aneinander gereiht ist.

Moorhufendorf Ist eine planmäßig angelegte Reihensiedlung des 16. und 17. Jahrhunderts. Das Moorhufendorf hat in der Regel eine Breitstreifenflur (Flurformtyp, bei dem Streifen von ca. 50–800 m Breite dominieren). Die Grenzen der Breitstreifen bilden Entwässerungsgräben.

Marschhufendorf ist ein Reihendorf in Marschgebieten längs eines Entwässerungskanals. Der Landbesitz schließt in gereihten Längsstreifen an die Hofanlagen an. Marschhufendörfer gibt es besonders in den Niederlanden und etwa seit dem 10. Jahrhundert in Norddeutschland in den Gebieten, in denen die Niederländer an der Entwässerung mitwirkten.

Waldhufendorf bezeichnet werden planmäßig angelegte Siedlungen des Mittelalters, die durch (und zur) Rodung angelegt wurden und die, ausgehend von den badischen, schwäbischen und fränkischen Gebieten in Süddeutschland, bei der Kolonisierung in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schlesien sowie teilweise auch Brandenburg und im nördlichen niederösterreichischen Waldviertel eine wichtige Rolle spielten.

Hagenhufendorf

Hagenhufendorf

Ein Hagenhufendorf oder Bachhufendorf ist eine langgestreckte Siedlung, ähnlich dem Reihendorf, entlang einer Straße, die parallel zu einem Bach verläuft. Dabei die Straße nur einseitig bebaut wird, während auf der gegenüberliegenden Straßenseite die zu den Höfen gehörenden handtuchförmigen Ackerflächen von 20 bis 40 Morgen, die Hufe, liegen. Die eingehegten Grundstücke dienen als Bauerngarten und zur Kleintierhaltung. Der rückwärtig angrenzende Bach liefert das nötige Wasser. Idealerweise gibt es noch einen nahegelegenen Wald zur Brennholz- und Nutzholzgewinnung.

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Straßendorf

Vereinfachtes Beispiel eines Straßendorfes mit Gabelung

ist ein lineares, doppelzeiliges Dorf, dessen Häuser bzw. Gehöfte eine Straße in dichter Anordnung säumen. Typischerweise sind die einzelnen Häuser bzw. Gehöfte giebelständig zur Straße angeordnet. Eine von der Hauptstraße abzweigende Straße ist oft eine Sackgasse, die im Wald endet. Beispiel. Straßendorf Gömnigk im Landkreis Potsdam-Mittelmark (zur Stadt Brück)

3.2

Haufendörfer

Das Haufendorf Heudorf bei Meßkirch, um 1575

Ein Haufendorf ist ein geschlossen bebautes Dorf mit unregelmäßigem Grundriss und häufig unterschiedlich großen Höfen um einen zentralen Teich oder Platz. Gliederbar in Dorfkern, Ackerflur und Allmende4. Haufendörfer entstanden in Mitteleuropa durch Zusammenwachsen benachbarter Weiler oder Gehöfte in Verbindung mit Bevölkerungswachstum und Siedlungskonzentration bereits im Mittelalter. Natürlich unterscheiden sich auch Haufendörfer, z.B. je nach Erbschaftsformen in der Region.

3.3

Platzdörfer

Der Grundriss der Platzdörfer ist durch einen zentralen, in Gemeindebesitz befindlichen Platz bestimmt, um den sich die Gehöfte und Gemeinschaftsbauten anordnen.

4

Die Allmende ist eine Rechtsform gemeinschaftlichen Eigentums. Das Wort bezeichnet auch das Allmendgut selbst, ein im Besitz einer Dorfgemeinschaft befindliches Grundeigentum als Gemarkung. Allmenden sind heute insbesondere im Alpenraum als Wirtschaftsform noch verbreitet.

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Angerdorf ist ein Dorf, dessen hervorstechendes Merkmal der Anger, ein im Gemeindebesitz befindlicher (langgestreckter) Platz mit meistens einem Teich (Löschteich, Brunnen), ist. Angerdörfer kommen in Mitteleuropa vor allem auf Grundmoränenplatten und in Lößgebieten vor, in Deutschland vor allem in Ost- und Ostmitteldeutschland. (Brandenburg!)

Straßenangerdorf

Goldenbow, Angerdorf in Mecklenburg-Vorpommern

Das Straßenangerdorf ist ein Straßendorf, dessen Dorfstraße sich an einer Stelle oder auch in ganzer Länge zu einem Anger weitet und dann weiterläuft. Im deutschen Sprachraum sind Angerdörfer typisch für Nordostösterreich und Teile der Mark Brandenburg. Auch in Nordengland gibt es Angerdörfer.

Rundling, Rundplatzdorf, Rundweiler Ein Rundling, Rundplatzdorf oder auch regional Rundweiler genannt, sind ländliche Siedlungen in Rundform, deren Verbreitungsgebiet sich auf den einstigen deutschslawischen Grenzraum beschränkt: westlich und östlich der Saale und Elbe, z. B. im Hannoverschen Wendland. In den ehemals dauerhaft nur von Slawen bewohnten Gebieten kommen Rundlinge nicht vor. Rundling, Rundplatzdorf, Rundweiler zählen sämtlich zu den Platzdörfern. Rundlinge liegen häufig auf Spornen, die in die Niederungen der Urstromtäler hineinragen. Der rundliche Platz in der Mitte ist nur über einen Weg an das Verkehrsnetz angeschlossen. Um den Platz sind wenige Bauernhöfe angeordnet. Daran schließt sich eine Streifengemengeflur an. Ob die Rundform sich erst allmählich aus zwei bis drei Höfen durch Teilung und Erweiterung entwickelte oder ob sie von vornherein angestrebt wurde, ist ungeklärt, ebenso ob sie aus Sicherheitsgründen oder in Anpassung an die vorwiegende Viehwirtschaft gewählt wurde.

Vereinfachtes Beispiel eines Rundplatzdorfes mit einer Zuwegung

Ein typisches Beispiel ist Bugk, (slaw. „bug“ oder „buk“, dt. „Buche“), im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg. Aus einem Wegestern entstanden, auf einer kaum wahrnehmbaren Anhöhe in feuchtem, sumpfigen Gelände gelegen, stellt der Ort im Ortskern ein slawisches Rundplatzdorf dar.

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Eine Besonderheit stellt dabei das Wurtendorf dar. Es gehört zu den Siedlungen, deren Gehöfte auf einen zentralen (Dorf-)Platz ausgerichtet sind. Das Wurtendorf entstand in der Regel auf einem künstlich vom Menschen aufgeschütteten Erdhügel, der als Siedlungsplatz für eine Einzel- oder Gruppensiedlung dient. Der Hügel sollte das Dorf schützen (vor Sturmfluten/Hochwasser etc.). Dieser Siedlungstyp kommt vor allem an Marschenküsten vor, mitunter auch an Flussläufen. Wurtendörfer entstanden vor allem im 7. und 8. Jahrhundert.

3.4

Kolonistendörfer in Brandenburg

Die Brandenburger Kolonistendörfer entstanden nach 1157 im Zuge der von Albrecht dem Bären und seinem Sohn Otto I. betriebenen Ansiedlungspolitik. Die beiden ersten brandenburgischen Markgrafen versuchten mit dieser Politik erfolgreich, die 1157 eroberte und gegründete Mark Brandenburg, die noch in weiten Teilen von slawischen Stämmen bewohnt war, zu christianisieren und endgültig zu stabilisieren. Die Kolonisten kamen überwiegend aus der Altmark und aus Flandern. Die Dörfer wurden in der Regel als Reihendorf oder Rundling mit Wald-, Wiesen- und Ackerhufen angelegt, vereinzelt gab es dreieckige Sackgassendörfer wie Gröben bei Ludwigsfelde.

3.5

Streusiedlungen

Vereinfachtes Beispiel einer Streusiedlung

Eine Steusiedlung ist eine nicht geschlossene Siedlung, die aus weit auseinander liegenden Bauernhöfen und Weilern ohne eigentlichen Ortskern bestehen. Sie ist nicht planmäßig angeordnet. Ein typisches Streusiedlungsgebiet ist das Münsterland. Ferner kommen Streusiedlungen Öfteren im Schwarzwald vor und sind oft durch spontane Besiedlung zustande gekommen. Streusiedlungen sind auch die typische Siedlungsform der Walserkolonien in den Alpen. Zwischen Weser und Ems war Streusiedlung seit jeher verbreitet. In Teilen des Allgäus dagegen wurde sie erst in der frühen Neuzeit eingeführt, um die Erträge der Landwirtschaft zu verbessern.

4.

Literaturhinweise • • •

http://de.wikipedia.org/wiki/Dorf

Village et Villageois au Moyen Age. Paris 1992. Dörfer in Deutschland. Braunschweig 1989. Jankuhn, Herbert/Schützeichel, Rudolf/Schwind, Fred (Hrsg.) (1977): Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters. Siedlungsform – wirtschaftliche Funktion – soziale Struktur. Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht (= Abh. Akad. Wiss. Göttingen, Phil.-Hist. Kl. 3; 101).

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Lienau, Cay (1997): Die Siedlungen des ländlichen Raumes. 3. Aufl. Braunschweig. Rösener, Werner (1993): Bauern im Mittelalter. 4., unveränd. Aufl. München: C.H. Beck. Schreg, Rainer (2006): Dorfgenese in Südwestdeutschland. Das Renninger Becken im Mittelalter. Stuttgart: Theiss (= Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg; 76). Schreg, Rainer (2006): „Die Archäologie des mittelalterlichen Dorfes in Süddeutschland. Probleme – Paradigmen – Desiderate“. In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 24, S. 141–162.