Das Eigene Lernen Verstehen

Im ersten Teil werden kurz und verständlich die theoretischen Grundlagen vertieft, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Transfer der Strategien in den s...
Author: Alfred Gerstle
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Im ersten Teil werden kurz und verständlich die theoretischen Grundlagen vertieft, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Transfer der Strategien in den schulischen und betrieblichen Alltag. Zusätzlich werden theoretische Modelle und praktische Beispiele für die Verwendung des Programms in der individuellen Begleitung präsentiert. Der Praxisteil enthält exemplarische Anleitungen zur Lektionsvorbereitung sowie Korrekturvorlagen für alle Übungen. Lehrkräfte, die nicht das gesamte Programm durcharbeiten können, finden hier auch Hilfen zur Gestaltung kleinerer Programmeinheiten.

Das Eigene Lernen Verstehen Handbuch zum DELV-Programm

Fredi P. Büchel, Patrick Büchel

Kurzbeschreibungen und Beispiele im Anhang ermöglichen es, die Wirksamkeit von Strategien einzuschätzen.

Das Eigene Lernen Verstehen – Handbuch zum DELV-Programm

Das Handbuch zum DELV bietet eine wertvolle Ergänzung zum Lernprogramm mit zahlreichen Anregungen zum wirkungsvollen Einsatz der DELV-Übungen im Unterricht.

Fredi P. Büchel, Patrick Büchel

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07.02.12 13:26

Vorwort

Vorwort zur zweiten Auflage Das Handbuch, das wir Ihnen hier in einer zweiten, verbesserten Auflage vorlegen, verfolgt ein doppeltes Ziel: Der erste Teil besteht hauptsächlich aus einer Einführung in die theoretischen Schlüsselkonzepte des Lernens, Denkens und Problemlösens im schulischen Kontext. Er ist im Stil eines gut verständlichen Lehrbuchs geschrieben. Da aber im deutschsprachigen Raum bereits eine genügende Anzahl guter Einführungsbücher in die pädagogische Psychologie existiert, wollten wir nicht einfach noch ein zusätzliches beisteuern. Wir haben deshalb den Schwerpunkt auf die systematische Förderung des Lernens und Denkens gerichtet. Und weil es in erster Linie die Anwendung des DELV-Lernprogramms unterstützen soll, haben wir bereits im Theorieteil regelmässig auf die DELV-Übungen Bezug genommen. Sie werden deshalb von diesem Buch am meisten profitieren, wenn Sie gleichzeitig das Programm erwerben, das die DELV-Übungen enthält: Büchel & Büchel (2010). DELV. Das eigene Lernen verstehen. Ein Programm zur Förderung des Lernens für Jugendliche und Erwachsene (4., überarbeitete Auflage). Bern: hep. Den zweiten Teil dieses Buches haben wir Praxisteil genannt. Er enthält konkrete Hilfen und Illustrationen zur Anwendung des DELV-Programms. Sie können dieses Programm individuell für sich selber durcharbeiten. Auch als erwachsene Person werden Sie daraus grossen Nutzen ziehen, weil es Ihnen helfen wird, sich selber in der Rolle des Lerners besser kennen zu lernen. Als Hauptziel des DELVProgramms sehen wir jedoch nach wie vor die Anwendung im Klassenverband. Dass die dritte und vierte Auflage des Schülerbuchs sich von den zwei ersten so stark unterscheiden, hat mit der Tatsache zu tun, dass sich in den letzten 20 Jahren sowohl die theoretischen Kenntnisse als auch die technischen Möglichkeiten wesentlich verbessert haben. Wurden die Bilder der ersten beiden Auflagen noch mit schlecht auflösenden Scannern erstellt, so standen uns für die folgenden Auflagen die neuesten Technologien zur Verfügung. Auf der Ebene der theoretischen Fundierung haben wir vorwiegend von den Forschungen der kognitiven Psychologie, im Besonderen der Metakognition profitiert. Die wichtigsten Anregungen verdanken wir Prof. August Flammer, Universität Bern, der uns erstmals in die kognitive Psychologie eingeführt hat. Die Einführung in die Metakognition verdanken wir Prof. John Borkowski, University of Notre Dame, Indiana, bei dem der Erstautor das Vergnügen hatte, einen Teil seiner postdoktoralen Studien zu absolvieren sowie das Habilitationsprojekt vorzubereiten. John hat uns beigebracht, kognitive Trainings nicht nur zu entwickeln, sondern sie auch einer methodologisch strengen Evaluation zu unterziehen. Er war auch einer der ersten Forscher, die erkannt hatten, dass kognitive und metakognitive Strategien von den Lernenden nur angewendet werden, wenn sie erkennen, dass dieser intellektuelle Mehraufwand dazu beiträgt, die von ihnen definierten Ziele zu erreichen. Deshalb hat er uns ermutigt, Variablen der Motivation in die kognitiven Trainings einzubauen. Nichtsdestoweniger haben wir darauf verzichtet, spezielle Aufgaben dazu zu schaffen. Wir halten diesen direkten Ansatz für wenig erfolgversprechend. Das Gefühl der eigenen Wirksamkeit, die für das Lernen wichtigste Variable der Motivation, entwickelt sich, wenn die Lernenden konkrete Erfolgserlebnisse haben und von ihren Lehrkräften auf die Fortschritte hingewiesen werden, auch auf die kleinen. Deshalb ermuntern wir Sie, die Kriterien der Mediation, wie sie von Feuerstein definiert wurden, in Ihrem Unterricht zu realisieren. Wir haben die Mediationskriterien auch regelmässig in die Fragen zu den Aufgaben eingebaut. Wie bereits erwähnt, verdanken wir Prof. Reuven Feuerstein, Bar Ilan University, Ramat Gan, Israel, die

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DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Theorieteil

Kriterien der Mediation, die wir mit einigen Modifikationen übernommen haben. Wir verdanken ihm aber auch die Einsicht, dass Lernförderung von einem grundsätzlichen pädagogischen Optimismus getragen werden muss. Spätestens seit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe von Gaddes (1991) stösst die neuropsychologische Interpretation von Lernstörungen auf grosses Interesse. Unseres Erachtens stellt sie für die Rehabilitation von klinisch präzise beschriebenen Syndromen, welche kognitiv gesteuerte Funktionen betreffen, eine wichtige Bereicherung dar (z.B. Eustache et al., 1997). Demgegenüber sind wir der Meinung, dass sie für die pädagogische Unterstützung bei Lern- und Denkproblemen zur Zeit noch keinen didaktisch sinnvollen Beitrag leistet. Wir haben deshalb auf eine neuropsychologische Illustration des Gedächtnismodells verzichtet. Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die das DELV-Programm bereits kennen und anwenden, stellt das Handbuch in erster Linie eine schriftliche und systematische Darstellung dessen dar, was wir in den vielen DELV-Einführungs- und Vertiefungskursen gelehrt haben. Sie werden sich freuen, eine ausführliche Diskussion des Transferproblems zu finden. Die Transferbeispiele in Tabelle 10 wurden deshalb erweitert; sie stellen allerdings noch immer nur eine bescheidene Auswahl dessen dar, was sich in den Anleitungen und Fragen zu den Übungen findet. Auch die Beispiele zur Schaffung externer Gedächtnisse – einer besonders in der beruflichen Ausbildung wichtigen und noch immer unterschätzten Strategie – wurden in Tabelle 10 verstärkt. Die Beispiele der übrigen kognitiven Strategien wurden in dieser Tabelle ebenfalls wesentlich erweitert. Es dürfte für die Leserinnen und Leser auch nützlich sein, erstmals eine systematische Darstellung der bisher durchgeführten Evaluationsstudien vorzufinden. Ursprünglich hatten wir vorgesehen, eine längst versprochene Darstellung von Transferbeispielen beizufügen. Wir haben schlussendlich darauf verzichtet, um die Seitenzahl nicht noch mehr anschwellen zu lassen. Stattdessen haben wir ein Kapitel beigefügt, in dem gezeigt wird, wie das DELV-Programm in der individuellen Betreuung angewendet werden kann. Seit der Einführung des neuen Berufsbildungsgesetzes hat die individuelle Betreuung an Bedeutung gewonnen, ist sie doch jetzt im Gesetz verankert. Diejenigen Leserinnen und Leser, die das DELV-Programm noch nicht kennen, werden gut daran tun, zuerst das 1. Kapitel zu lesen. Darin wird das Programm kurz und in einfachen Worten dargestellt. Die Vertiefung und Ausweitung der einzelnen Punkte finden sich in den nachfolgenden Kapiteln. Eher einführende und praktische Ziele verfolgen wir auch mit dem 3. Kapitel. Es stellt eine aktualisierte und etwas vertiefte Version eines Textes dar, den wir für die erste DELV-Ausgabe geschrieben hatten, der jedoch in der zweiten Ausgabe nicht mehr enthalten war. Viele Kolleginnen und Kollegen haben dies bedauert. Aus eher praktischer Sicht werden die Anwenderinnen und Anwender des DELV-Programms die Lektionsvorbereitungen im Kapitel 14 und die Korrekturvorlagen im Kapitel 15 schätzen. Wie wir in der Einleitung zu den Korrekturvorlagen geschrieben haben, stellen diese für uns ausschliesslich eine Hilfe zur Vorbereitung der Lektionen dar. Sie sollten aber in keiner Art und Weise für die Korrektur der Aufgaben verwendet werden. Wird das Programm im Klassenverband bearbeitet, so erübrigt sich eine formelle Korrektur, da während der Präsentation am Hellraumprojektor durch eine Zweiergruppe diese durch die Rückmeldungen der Klassenmitglieder ersetzt wird. In der individuellen Betreuung werden die Aufgaben mit der Schülerin oder dem Schüler laufend in Bezug auf die verwendeten Stra-

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Vorwort

tegien und in Bezug auf die Angemessenheit der Lösung diskutiert. Dadurch wird die individuelle Betreuung in eine Form gemeinsamen Lernens (community of learners) transformiert, was sich auf das Selbstbild der Lernenden positiv auswirkt. Wie wir bereits in der Einführung zum DELV-Programm erwähnt haben, werden einige Lehrkräfte, die dieses seit langem benutzen, vielleicht mit einigem Unbehagen feststellen, dass sie im neuen DELV die Reihenfolge der Aufgaben nicht mehr so frei bestimmen können wie bisher. Dies ist eine natürliche Konsequenz der Tatsache, dass wir jeder Aufgabe Fragen beigefügt haben. Wir sind überzeugt, dass diese Neuerung eine wesentliche Bereicherung des Programms darstellt. In der Vergangenheit wurde zu Recht kritisiert, dass die DELV-Aufgaben zur Entdeckung und Vertiefung von Strategien des Textverständnisses nicht sehr geeignet waren. Unsere Forschungen der letzten Jahre haben jedoch bestätigt, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht gelernt haben, Instruktionen so zu lesen, dass sie ein vertieftes Verständnis der Aufgabe gewinnen. Deshalb haben wir jede Aufgabe mit einer neuen Instruktion versehen, die auch häufig Bezug auf frühere Anleitungen nimmt. Dies entspricht der schulischen und beruflichen Realität viel besser als die Wiederholung der immer gleichen Instruktion, wie dies in den früheren Ausgaben der Fall war. Im Weiteren werden die Lernenden in den Fragen oft zum Vergleich mit früheren Aufgaben aufgefordert. Diese beiden Massnahmen sollen aber die Lehrerinnen und Lehrer nicht zwingen, das gesamte Programm durchzuarbeiten, wenn ihnen die nötige Zeit nicht zur Verfügung steht. Mit Hilfe der ausführlichen Koordinationstabelle im Kapitel 12 sind sie in der Lage, kleinere Übungseinheiten zusammenzustellen, die ihren zeitlichen Möglichkeiten entsprechen. Bei der Redaktion dieses Buches haben wir eine grosse Anzahl älterer und neuerer Forschungsarbeiten sowie eine ansehnliche Anzahl von Übersichtsarbeiten berücksichtigt. Dabei liess sich die Verwendung von Fachbegriffen, die nicht allgemein geläufig sind, nicht vermeiden. Diese Begriffe werden im 17. Kapitel «Glossar» kurz erklärt. Zuletzt bleibt uns, all denen zu danken, die uns bei der Konzeption und Realisierung dieses Buches geholfen haben. Dieser Dank gilt vor allem jenen, die uns im Laufe der letzten Jahre Verbesserungsvorschläge zum DELV-Programm sowie zum Handbuch gemacht haben. Er gilt auch allen, mit denen wir die theoretischen und didaktischen Fragen diskutieren konnten. Dankbar sind wir auch Peter Egger, der uns als Leiter des hep verlags in der Gestaltung des Handbuches sehr viel Freiheit gelassen hat. Geraldine Blatter hat uns als Projektleiterin unschätzbare Hilfe geleistet und bei den Neuauflagen viel Geduld gezeigt. Mehr noch als bei der Redaktion des DELV-Programms haben unsere Partnerinnen viele unserer üblichen Pflichten übernommen und uns damit Freiraum für die Arbeit am Handbuch geschaffen. Alison und Zoe, die Kinder des Zweitautors, haben lange Perioden von «Stillbeschäftigung» akzeptiert, um ihren Vater beim Arbeiten nicht zu stören. Ohne die Unterstützung durch unsere Familien wäre diese Arbeit wohl nie zu einem glücklichen Ende gekommen.

Tegna/TI und Rafz/ZH, den 24. Januar 2012

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Fredi und Patrick Büchel

DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Praxisteil

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

I. Theorieteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. DELV in Stichworten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Welches sind die Ziele von DELV? Für wen ist DELV gemacht?

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12

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Was ist DELV nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Wie wird das DELV-Programm eingesetzt?

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Welches sind die theoretischen Grundlagen?

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Welches sind die pädagogischen Prinzipien einer DELV-Lektion?

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13 14 15

Ist das DELV-Programm wissenschaftlich evaluiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2. Theoretische Schlüsselkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Das allgemeine Informationsverarbeitungsmodell: Das menschliche Gedächtnis

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Lernen, Denken, Problemlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Metakognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

3. Lern- und Denkstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Einleitung

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Was sind Strategien?

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39 39

Warum sind Strategien wirksam? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Sind Eselsbrücken sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

4. Systematik der Lernstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

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Inhaltsverzeichnis

Zehn nützliche Lernstrategien

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5. Selbstkontrollstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Gestaltung des Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Kontrolle der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Regulation der Emotionen

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6. Prüfungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 7. Der Transfer von Lernstrategien

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Lernen im Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Konzeptuelle Differenzierungen des Transfers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Transfer und induktives Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Transfer und Metakognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Transfertheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

8. Soziale und inhaltliche Anordnungen zur Förderung des Transfers von Lernstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Ältere Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Das Wechselmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

9. Der Transfer als didaktisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die private Natur von Strategien und deren KZG-Belastung

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10. Die Evaluation des DELV-Programms Einleitung

Die Zollikofer Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Die Anwendung des DELV-Programms im Sandwich-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

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DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Praxisteil

Das Wechselmodell in der individuellen Betreuung von Schülerinnen und Schülern mit schweren Lernproblemen in der oberen Primarschulstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 DELV in der beruflichen Ausbildung von Lehrtöchtern und Lehrlingen mit Lernproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Interventionen in Kleingruppen

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DELV in der beruflichen Ausbildung von Lehrtöchtern und Lehrlingen mit intellektuellen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Synthese der Evaluationsstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

11. Die Anwendung des DELV-Programms in der individuellen Begleitung . . . . 97 Theoretische und didaktische Modelle

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Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

II. Praxisteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 12. Die Koordinationstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Einleitung zur Koordinationstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Die Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

13. Tabelle der in den Aufgaben erwähnten Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 14. Lektionsvorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Anleitung zu den Lektionsvorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Anleitung zu den Übungen: Fenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Anleitung zu den Übungen: Ergänzungsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Anleitung zu den Übungen: Bildstreifen

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Anleitung zu den Übungen: Zeichentafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Anleitung zu den Übungen: Zeichenräder

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186

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Anleitung zu den Übungen: Strategische Spiele Anleitung zu den Übungen: Würfel

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Anleitung zu den Übungen: Würfeltürme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

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Inhaltsverzeichnis

15. Korrekturvorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Fenster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Ergänzungsfiguren

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Bildstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Zeichentafeln

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Zeichenräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Strategische Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Würfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Türme

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16. Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 17. Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Verzeichnis der Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Verzeichnis der Abbildungen

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Anhang 1: Die freie Beschreibung des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Anhang 2: Kategorien des Vorgehens: Analogien Prä- und Posttest . . . . . . . . . . . . 271 Anhang 3: Kategorien des Vorgehens: Vortest Analytische Wahrnehmung . . 274 Anhang 4: Kategorien des Vorgehens: Stadtplan einzeichnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Anhang 5: Kategorien des Vorgehens: Video-Lektion «Epilepsie». . . . . . . . . . . . . . . 281 Anhang 6: Mediationsleitfaden für die Aufgaben der DELV-Serie «Fenster» . 286

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DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Theorieteil

I. Theorieteil

1. DELV in Stichworten Welches sind die Ziele von DELV? Das DELV-Programm möchte Schülerinnen und Schüler dazu anregen, sich selbst besser kennen zu lernen und dank neu entdeckter Strategien ein gutes Verhältnis zum Lernen und Denken zu finden.

Für wen ist DELV gemacht? DELV ist ein Programm – für jugendliche und erwachsene Lernende – und für ihre Lehrerinnen und Lehrer. DELV ist ein Programm für Sekundarschüler, Lehrlinge (3–4-jährige Attestausbildung), Gymnasiasten und Studenten. DELV wird auch in Weiterbildungs- und Umschulungskursen für Erwachsene eingesetzt. DELV kann auch in der 2-jährigen beruflichen Attestausbildung (ehemalige Anlehre) verwendet werden. Allerdings sind gewisse Übungen (Zeichenräder, Würfel der Gruppe 3, Würfeltürme) für Lehrtöchter und Lehrlinge dieser Ausbildung recht schwierig. Sie können entweder weggelassen werden oder – eine noch bessere Lösung – trotzdem durchgearbeitet werden, jedoch mit intensiver und individualisierter Hilfe der Lehrperson.

Was ist DELV nicht? DELV ist kein Allerweltsprogramm. Es konzentriert sich auf den kognitiven und metakognitiven Aspekt des Lernens. Dabei werden Probleme der Motivation nicht vernachlässigt. Wir haben aber keine speziellen «Motivationsübungen» beigefügt. Stattdessen haben wir eine DELV-Didaktik entwickelt, welche die wichtigsten Variablen der Lernmotivation aufgreift und systematisch in das Lehrgespräch einbezieht. Eine Anleitung dazu finden Sie in Büchel, Berger, & Kipfer, 2011. DELV ist kein eklektisches Programm (Theorie-Mix). Es orientiert sich streng an der metakognitiven Theorie sowie an neueren Theorien des Gedächtnisses, des Lernens und des Denkens. Die empiri-

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Kapitel 1: DELV in Stichworten

schen Grundlagen sowie die Evaluation des Programms beruhen auf mehreren Forschungsprojekten, die mit jugendlichen Lehrtöchtern und jugendlichen und erwachsenen Lehrlingen durchgeführt wurden.1

Wie wird das DELV-Programm eingesetzt? Allgemeines Prinzip: In den ersten zwei Auflagen konnte die Auswahl der Übungen den vorherrschenden Lernproblemen angepasst werden. Die Lehrperson entschied also selbst, welche Übungen sie zu welcher Zeit und in welcher Reihenfolge durchführen wollte. In der dritten vollständig überarbeiteten Auflage2, für die dieses Handbuch vorwiegend geschrieben wurde, verliert die Lehrkraft etwas von jener Freiheit. Wir haben in den letzten zehn Jahren festgestellt, dass viele Lehrkräfte das metakognitive Gespräch (Warum welche Strategie für wen und für welchen Aufgabentyp?) vernachlässigen oder doch sehr kurz halten. Da wir der Meinung sind, dass gerade das metakognitive Gespräch das wichtigste Element für den Lernfortschritt und besonders für den Transfer der Strategien darstellt, haben wir zu allen Übungen Fragen oder Anregungen beigefügt. Weil das Vergleichen die wichtigste kognitive Strategie für das Lernen und Denken darstellt, werden die Lernenden in vielen Fragen zum Vergleich mit bereits gelösten Übungen aufgefordert. Damit solche Vergleiche möglich sind, muss die vorgegebene Reihenfolge der Übungen einigermassen eingehalten werden. Um der Lehrkraft trotzdem die Möglichkeit zu geben, auch kleinere Einheiten auszuwählen, haben wir diesem Handbuch eine ausführliche Koordinationstabelle beigefügt. Sie enthält den Titel jeder Übung, die in den Anweisungen empfohlenen Strategien sowie die Fragen, welche die Lernenden vor und/oder nach der Bearbeitung der Aufgabe beantworten sollen. Mit den folgenden didaktischen Modellen haben wir in den letzten zehn Jahren positive Erfahrungen gesammelt: a) DELV wird im Laufe eines Jahres (bei Schülerinnen und Schülern mit schweren Lernproblemen oder einer leichten bis mittleren geistigen Behinderung: im Laufe von zwei Jahren) während einer bis zwei Unterrichtseinheiten pro Woche in das Schulprogramm eingebaut. b) DELV wird während eines Blockkurses durchgearbeitet. Im Laufe des folgenden Jahres werden die neu entdeckten Strategien regelmässig wieder aufgenommen und vertieft.

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Wir danken dem Schweizerischen Nationalfonds für die grosszügige finanzielle Unterstützung der folgenden Forschungsprojekte: – «Verständnis eigener Lernprozesse» (Programme national EVA 4.323.079.10), durchgeführt 1980–83 an der Universität Basel (Institut für Psychologie). – «Verständnis eigener Lernprozesse. Implémentation à l’école professionnelle» (Programme national EVA 4.651.0.83.10), durchgeführt 1983–85 an der Universität Basel (Institut für Psychologie). – «Aufgabenspezifität von Lernstrategien» (FN No. 1.981-0.84), durchgeführt 1985–89 an den Universitäten Basel (Institut für Psychologie) und Genf (FPSE). Wir danken auch dem damaligen Direktor des Instituts für Psychologie in Basel, Prof. Gerhard Steiner, für die grosszügige Gastfreundschaft sowie materielle und intellektuelle Unterstützung, die er den drei Projekten zukommen liess.

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Im Folgenden sprechen wir vom «neuen DELV» (3. und 4. Auflage) im Gegensatz zu den zwei ersten Auflagen.

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DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Theorieteil

c) DELV wird im Sandwich-Modell eingesetzt. Das bedeutet, dass 1–3 Lektionen pro Woche folgendermassen strukturiert werden: Während der ersten 10–15 Minuten werden mithilfe einer DELV-Übung neue strategische Erfahrungen gesammelt. In den folgenden 20–30 Minuten wird die normale Lektion abgehalten. Dabei wird darauf geachtet, Situationen und Lerninhalte aufzufinden, in denen die neue Strategie wirkungsvoll angewendet werden kann. In den letzten 5–10 Minuten werden die gemachten Erfahrungen zusammengefasst. Am Schluss entscheiden Lernende und Lehrperson zusammen, welche Strategie sie in den folgenden Tagen besonders beachten wollen («Strategie des Tages» oder «Strategie der Woche»). Die Konzentration auf eine einzige Strategie erleichtert deren Automatisierung. d) DELV wird im Wechselmodell durchgeführt. Dieses Modell wurde in den letzten drei Jahren entwickelt und wird im 10. Kapitel «Die Evaluation des DELV-Programms» ausführlich dargestellt.3

Welches sind die theoretischen Grundlagen? Das DELV-Programm orientiert sich an der metakognitiven Theorie der Informationsverarbeitung.

Die metakognitive Theorie erklärt, wie die Lern- und Denkprozesse gesteuert, koordiniert und kontrolliert werden: – durch metakognitives Wissen (über sich selbst, über die Aufgaben, über Strategien) – und durch metakognitive Strategien (früher exekutive Funktionen genannt) sowie durch die Automatisierung kognitiver Strategien.

Die Theorie der Informationsverarbeitung bildet die Grundlage für: – die Beschreibung allgemeiner Schwachstellen in den strukturellen und funktionellen Komponenten des menschlichen Lernens und Denkens;

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Das Projekt wurde vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Institut Fédéral des Hautes Etudes en Formation Professionnelle (IFFP) in Lausanne durchgeführt. Für die ausgezeichnete Zusammenarbeit danken wir den Verantwortlichen des BBT und des IFFP. Ebenfalls danken wir dem BBT für die grosszügige Subventionierung dieses Werkes.

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Kapitel 1: DELV in Stichworten

– die Beschreibung spezieller Probleme von Lernenden mit Lernschwächen durch ExpertenNovizen-Vergleiche sowie durch die Anwendung von Theorien der Lernbehinderung; – die Beschreibung kognitiver Strategien. Wie die meisten andern Autoren unterscheiden wir zwischen metakognitiven und kognitiven Strategien. Erstere (Antizipieren, Planen und Kontrollieren während der Aufgabenlösung und am Schluss) werden bewusst erworben und in der Regel auch bewusst angewendet. Demgegenüber werden die kognitiven Strategien (z.B. Notizen machen, bildliche Vorstellungen schaffen) zwar bewusst erworben, ihre Anwendung ist jedoch erst dann effizient, wenn sie wenigstens teilweise automatisiert worden sind. «Eine gewisse Routine ist erforderlich, damit die Arbeitsgedächtniskapazität weniger durch die Anwendung der Strategien als durch die Aufgabe an sich beansprucht wird» (Schreblowski & Hasselhorn, 2006, p. 159).

Welches sind die pädagogischen Prinzipien einer DELV-Lektion? 1. Zweisäulentheorie des Lernens Der Erwerb neuer Lernstrategien wird gefördert durch: – neue Erfahrungen mit sich selbst und Bewusstmachung dieser Erfahrungen. Die neuen Erfahrungen beeinflussen das Selbstkonzept und damit indirekt die Motivation. Deshalb werden die DELV-Übungen zu zweit bearbeitet und anschliessend im Plenum diskutiert. – Verallgemeinerung dieser Erfahrungen, ihre Konfrontation mit wissenschaftlichen Theorien und ihre Einbettung in Regeln. Deshalb ist den DELV-Übungen ein Text vorangestellt, der in Kleingruppen und/oder im Plenum diskutiert wird (Bei sehr schwachen Lernenden liest die Lehrkraft den Text und lässt die wichtigsten Inhalte in vereinfachter Form in die Diskussion der Aufgaben einfliessen). Zusätzlich wird jede Übung durch ein kurzes metakognitives Gespräch beendet. Dies ist am erfolgreichsten, wenn die Lehrperson solide wissenschaftliche Kenntnisse der metakognitiven Theorie des Lernens und Denkens besitzt, wie sie in diesem Handbuch vermittelt werden. Am Schluss jeder Lektion werden die neuen strategischen Erfahrungen so formuliert, dass sie in zukünftigen ähnlichen Situationen als kurze strategische Regeln abgerufen werden können. 2. Bewusstmachung der eigenen Lern- und Denkprozesse Wie wir gesehen haben, sind die meisten früher erworbenen Lern- und Denkprozesse4 automatisiert und uns spontan nicht bewusst. Sie sind zu Gewohnheiten geworden, die zusammen den persönlichen kognitiven Stil oder Lernstil bilden. Aus Sicht der metakognitiven Theorie können für schwache Lernleistungen drei Ursachen verantwortlich gemacht werden:

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Wenn Sie an der frühen Entwicklung des Lernens und Denkens interessiert sind, lesen Sie: Siegler, R.S. (1996). The Process of Change in Children’s Thinking. Oxford: Oxford University Press.

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A. Effiziente kognitive Strategien sind zwar im Laufe der Entwicklung erworben worden, aus unterschiedlichen Gründen werden sie aber nicht angewandt. Man spricht in diesem Fall von trägem oder ruhendem Wissen. B. Strategien sind im Laufe der Entwicklung erworben worden. Sie werden aber bei falschen Gelegenheiten angewandt oder sind nicht richtig automatisiert worden. C. Effiziente Strategien sind nicht erworben worden. Stattdessen verwenden die Lernenden ineffiziente oder gar kontraproduktive Verfahren. Da Strategien nur in bewusstem Zustand korrigiert und aktiviert werden können, werden im DELV-Programm die bereits erworbenen Strategien in einer ersten Phase entautomatisiert und bewusst gemacht durch: – das soziale Arrangement (Bearbeitung der Übungen in Zweiergruppen). In dieser sozialen Situation übernimmt die eine Person die Rolle des «Problemlösers», der alle seine Überlegungen und Problemschritte verbalisiert (Methode des lauten Denkens). Die andere Person protokolliert die Inhalte des lauten Denkens und regt die erstere Person laufend zu weiterem lautem Denken an. Dabei muss der «Problemlöser» dem Beobachter sein Vorgehen begründen, was bei ihm zur Bewusstmachung der vorher unbewussten oder nur nebelhaft bewussten Vorstellungen und Erwartungen führt (eine ausführliche Beschreibung dieser Technik finden sie im 8. Kapitel «Soziale und inhaltliche Anordnungen zur Förderung des Transfers von Lernstrategien»). Dies stellt die erste Stufe der Bewusstmachung dar. – Nachdem die Zweiergruppen ihre Aufgabe gelöst haben, wird eine der Gruppen aufgefordert, ihre Lösung der ganzen Klasse zu erklären. Wenn möglich stellt die Lehrkraft eine Folie zur Verfügung, so dass die Erklärungen am Hellraumprojektor durchgeführt werden können. Die übrigen Gruppen werden aufgefordert, klärende Fragen zu stellen und zu intervenieren, wenn sie eine andere Strategie gewählt haben. Damit werden die beiden Personen, die ihre Lösung vorstellen, zu einer erweiterten Klärung ihres Vorgehens motiviert, was den Grad des Bewusstseins nochmals erhöht. Dies ist die zweite Stufe der Bewusstmachung. 3. Vermeidung von Interferenzen Neue Lernstrategien können nicht wie Fachwissen gelehrt werden, sie werden vielmehr als neues Verhalten bei sich selbst entdeckt. Werden neue Lernstrategien gelehrt, ohne dass zuvor das bereits erworbene Lernverhalten entautomatisiert wurde, führt dies bei den Lernenden unweigerlich zu einem Konflikt, der die Effizienz des Lernens reduziert statt sie zu erhöhen. Die Lernenden sind in Bezug auf ihre bisherigen Strategien verunsichert und wenden sie nicht mehr automatisch an. Gleichzeitig aber haben sie die neuen Strategien noch nicht automatisiert.

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Erhält der Lernende den Eindruck, dass alles, was er bisher getan hat, falsch war, so vermindert dies sein Gefühl der eigenen Wirksamkeit (Bandura, 1977) und hat dadurch einen negativen Einfluss auf die Lernmotivation.

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Ein weiterer Grund besteht darin, dass die allermeisten der von den Schülerinnen und Schülern früher erworbenen Strategien nicht völlig falsch und unbrauchbar sind. Folglich müssen Sie nicht aufgegeben, sondern nur korrigiert oder besser automatisiert werden.5 Für das Training von Lern- und Denkstrategien postulieren wir deshalb die folgende Taxonomie: 1. Wirksame und gut automatisierte Strategien werden durch die Lehrperson verstärkt, was deren Anwendung erhöht. Dadurch wird träges Wissen aktiviert. 2. Wirksame, aber ungenügend automatisierte Strategien werden durch vermehrtes Üben automatisiert. 3. Nur teilweise wirksame Strategien werden korrigiert. 4. Unwirksame oder hinderliche Strategien werden als solche erkannt und durch wirksame ersetzt. Die Lehrperson muss sich bei der Anwendung dieser Taxonomie bewusst sein, dass Strategien individuell angepasste Werkzeuge des Lernens und Denkens darstellen. Es gibt deshalb keine absolut beste Strategie und nur sehr wenige absolut unwirksame Strategien. Die allermeisten der von den Lernenden genannten Strategien gehören den Stufen 1–3 an. 4. Die Rolle der Lehrperson In einer DELV-Lektion spielt die Lehrperson in erster Linie die Rolle der Moderatorin oder des Moderators. Sie organisiert: a. eine ideale Situation für die Entdeckung möglicher Strategien (DELV-Übungen in Zweiergruppen). b. die Präsentation der entdeckten Strategien und deren Diskussion. c. die Entdeckung von Transfer-Situationen. 5. Sozial-konstruktivistische Orientierung Metatheoretisch ist das DELV-Programm an der sozial-konstruktivistischen Theorie der Entwicklung orientiert. Das bedeutet, dass die lernende Person Wissensstrukturen, also auch Lern- und Denkstrategien, selbst entdeckt oder konstruiert.6 «Nach der theoretischen Perspektive des Konstruktivismus, die sich vorwiegend in den Werken von J. Piaget findet, bilden die Menschen aktiv ihre Wahrnehmung der Welt und interpretieren Objekte und Ereignisse, denen sie begegnen, mithilfe ihres Vorwissens» (freie Übersetzung durch den Erstautor7) (VandenBos, 2007, p. 221). Diese Art des Lernens ist unseres Erachtens die beste Voraussetzung zur Bildung von fernem Transfer (Eine weitere Präzisierung finden Sie im 7. Kapitel «Der Transfer von Lernstrategien»).

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Eine ausgezeichnete Einführung in die konstruktivistische Sicht des Lernens und Denkens finden Sie in Aebli (1981). Wenn Sie nicht ein zweibändiges Buch lesen wollen, sondern nur eine kurze Darstellung suchen, dann lesen Sie das Kapitel 5.2.2., p. 166–171) in Krapp & Weidemann (2006).

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Im Folgenden werden wichtige fremdsprachige Zitate übersetzt, ohne dass die Klammernotiz nochmals erscheint.

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DELV – Das Eigene Lernen Verstehen: Theorieteil

6. Prinzip der sozial vermittelten Entwicklung Vygotsky postuliert, dass die kognitive Entwicklung nicht einfach durch die biologische Reifung und durch selbstentdeckendes Lernen vorangetrieben wird, sondern hauptsächlich durch den Prozess der kulturellen Vermittlung. Er unterscheidet zwischen dem Niveau der aktuellen Entwicklung (NaE) und der Zone der nächsten Entwicklung (ZnE). Das NaE stellt das Resultat früheren Lernens dar (1978, p. 84–91). Nach dieser Theorie hängt die kognitive Entwicklung stark vom Lernangebot und der Lernförderung ab, von denen ein Kind profitieren konnte; das NaE ist somit stark milieuabhängig. Kinder aus sozial benachteiligten Schichten weisen in der Regel ein bescheideneres NaE auf als vergleichbare Kinder aus der Mittelschicht. In einer Lernsituation kann das NaE nicht selbstständig überschritten werden. Dies ist verständlich, denn Lernen bedeutet Verbindungen herstellen zwischen dem früher erworbenen Wissen (also der aktuellen Wissensstruktur) und einer neuen Information. Damit das NaE überschritten werden kann, muss jemand, dessen NaE bereits weiter vorangeschritten ist, sein Vorwissen und seine Erfahrung dem Lernenden zur Verfügung stellen. Die Zone der nächsten Entwicklung (ZnE) sagt aus, wie viel jemand lernen kann, wenn ihm diese Hilfe gewährt wird. Auf den ersten Blick scheint die Position Piagets mit derjenigen von Vygotsky unvereinbar zu sein. Wie viele Autoren gezeigt haben, ist dies aber ein voreiliger Schluss (z.B. Garnier, Bednarz, & Ulanovskaya, 1991; Vergnaud, 1999). Die beiden Theorien sind einander nicht entgegengesetzt, sie sind vielmehr komplementär. In der freien Exploration, wie Piaget sie beschrieben hat, versucht das Kind mithilfe seines Vorwissens die Welt zu verstehen und zu ordnen. Die für die Konzeptbildung nötigen Kategorien sind aber sozial vorgegeben und in der Regel im Alltagsleben nicht expliziert. Sie müssen deshalb explizit vermittelt werden. Dies tut vor allem die Schule mithilfe von Übungen, welche die Begriffsbildung und später die Abstraktion betreffen. Was für die natürliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gilt, kann auch auf die pädagogisch bewusst geleitete Verbesserung der Lernfähigkeit angewandt werden. Im DELV-Training wird das NaE dank sozial-kognitiver Konfrontation und der durch die Gruppe geleisteten Hilfen überschritten und der ZnE angenähert. 7. Allgemeine pädagogische Prinzipien der Vermittlung Immer wenn das Verhalten des DELV-Trainers nicht durch DELV-spezifische Prinzipien geregelt ist, orientiert es sich an den z.B. von Feuerstein, Rand, Hoffman, & Miller (1980)8 formulierten Kriterien der Mediation. Die wichtigsten 5 dieser Kriterien sind: 1. Intentionalität. Jede Intervention (z.B. Frage, Bitte, Anweisung) wird begründet. 2. Transzendenz. Es werden Verbindungen von der aktuellen Aufgabe/Situation zu früheren und möglichen späteren Aufgaben/Situationen geschaffen. Dies geschieht durch Herausarbeiten der allgemeinen Regeln, welche die Aufgaben auf einer übergeordneten Ebene zusammenfassen. Transzendenz ist Voraussetzung für Transfer (Eine ausführliche Begründung dieser Position finden sie im 7. Kapitel «Der Transfer von Lernstrategien»).

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Eine kurze Darstellung des Werkes und der wichtigsten Konzepte von R. Feuerstein finden Sie in Büchel (1991a).

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Kapitel 1: DELV in Stichworten

3. Sinngebung. Die Lehrkraft drückt ihre persönliche Beziehung zur Übung aus und sagt, warum diese für sie wichtig und interessant ist. 4. Vermittlung von Kompetenzgefühl. Die Lehrkraft lässt Schülerinnen und Schüler spüren, dass sie Fähigkeiten haben und laufend Fortschritte machen. Dazu stützt sie sich hauptsächlich auf die folgenden pädagogischen Mittel: –

Sie weist Schülerinnen und Schüler explizit auf ihre Fortschritte und Verbesserungen hin.



Sie macht Schülerinnen und Schüler auf bekannte Klippen und Fallen aufmerksam, damit sie die entsprechenden Fehler vermeiden können. Der bewusste Umgang mit möglichen Fehlern führt auch zu einer verbesserten metakognitiven Kontrolle.



Bei der Besprechung von Fehlern beginnt sie mit den positiven Aspekten der Aufgabenlösung.



Sie vermeidet, sich selbst «auf das Podest zu stellen». Um das Kompetenzgefälle zwischen Lehrer und Lernenden zu relativieren, analysiert sie nicht nur Fehler von Schülerinnen und Schülern, sondern auch solche, die ihr selbst unterlaufen. Bandura (1977/1979) hat in mehreren Experimenten gezeigt, dass der Lernerfolg umso grösser ist, je kleiner der von den Lernenden empfundene Abstand zwischen Lernendem und Lehrendem ist.

5. Verhaltensregulation. Der Mediator hilft den Lernenden, die Situation mithilfe von Zielen und anderen kognitiven Mitteln zu strukturieren und die Einhaltung des damit geschaffenen Rahmens zu überwachen. Zusätzlich leitet er sie an, einen angemessenen Lernrhythmus zu finden: nicht zu schnell, um genügend Zeit für die laufende Kontrolle zu haben, und nicht zu langsam, um die artikulatorische Schlaufe (auch Puffer genannt) im Kurzzeitgedächtnis angemessen auszulasten (siehe dazu das Gedächtnismodell auf p. 25).

Ist das DELV-Programm wissenschaftlich evaluiert? Wir haben seit jeher die Meinung vertreten, dass für die Anwendung im schulischen oder beruflichen Rahmen nur Programme eingesetzt werden sollten, die mit gängigen wissenschaftlichen Methoden (siehe z.B. Hager, Patry, & Brezing, 2000) evaluiert worden sind. Schwerpunkte der laufenden Evaluationsforschungen des DELV-Programms sind die Kontrolle des Transfers sowie die Wirksamkeit des Programms bei lernbehinderten Schülerinnen und Schülern (Eine ausführliche Darstellung finden sie im 10. Kapitel «Die Evaluation des DELV-Programms»).

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