Das Digitale Fotografie Buch. Band 1. Scott Kelby

Das Digitale Fotografie Buch Band 1 Scott Kelby Kapitel 3 Hochzeiten fotografieren wie ein Profi Hochzeitsfotos müssen beim ersten Mal perfekt s...
Author: Lennart Meyer
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Das

Digitale Fotografie Buch Band 1

Scott Kelby

Kapitel 3

Hochzeiten fotografieren wie ein Profi Hochzeitsfotos müssen beim ersten Mal perfekt sein. Eine zweite Chance gibt es nicht. Wenn Sie gerade so vor sich hin leben und denken »Mensch, ich hab’s aber ein­fach«, dann wird es Zeit, dass Sie eine Hochzeit fotografieren. Keine Angst – Sie müssen nicht groß für sich werben –, wenn Sie ein langes Teleobjektiv besitzen (200 mm oder länger), dann findet die Hochzeit Sie. Denn viele Leute denken, dass man automatisch Fotograf ist, wenn man ein langes Objektiv besitzt. Das stimmt. Probieren Sie Folgendes aus: Gehen Sie mit einem 200-400-mm-Objektiv raus und die Leute werden Ihnen aus dem Weg gehen, weil sie davon ausgehen, dass Sie engagiert wurden und der offizielle Fotograf der Veranstaltung sind, dem sie nicht im Weg stehen wollen. Es ist das­selbe, als würden Sie mit einem Klemmbrett durch eine Fabrik laufen – die Arbeiter glauben, dass Sie das dürfen, und lassen Sie machen. Wenn Sie außerdem noch eine Foto­grafenweste anziehen, ist das, als hätten Sie einen Presseausweis bei sich (probieren Sie es aus, Sie wer­den überrascht sein). Wenn Sie ein langes Objektiv besitzen, wird es nicht lange dauern, bis jemand aus Ihrer Bekanntschaft heiratet und gar nicht erst das Geld für einen Profifoto­gra­fen einplant, son­­­dern gleich Sie fragt: »Könntest du unsere Hochzeit fotografieren?« Natürlich sind Sie nett und sagen: »Klar, warum nicht.« Großer Fehler. Sie müssen sich den Arsch aufreißen, verpas­ sen das Essen und die leckeren Getränke und es wird sehr stressig für Sie. Eine Hochzeit findet für das Hochzeitspaar in der Regel nur einmal im Leben statt. Es gibt also keine zweite Möglichkeit, keine Zeit zum Experimentieren und keine Entschuldigungen. Um die Braut nicht zu verärgern, sollten Sie vorher unbedingt dieses Kapitel lesen.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

Der Trick für schwache Lichtbedingungen in der Kirche

Auch wenn Sie bei den offiziellen Fotos (Gruppenbilder nach der Trauung, das Hochzeitspaar etc.) immer ein Stativ verwenden sollten, kann es sein, dass Sie die Fotos in der Kirche unter schwachen Lichtbedingungen aus der Hand fotografieren müssen. Und das ist ein Problem, weil solche Fotos eigentlich immer etwas unscharf werden (das liegt an der langen Verschlusszeit unter diesen Lichtbedingungen). Was machen die Profis in solchen Situationen? Zwei Dinge: (1) Sie erhöhen den ISO-Wert der Digitalkamera. Mit den heutigen Digitalkameras (besonders denen von Nikon und Canon) können Sie mit sehr hohen ISO-Werten fotografieren, was aber auch zu deutlich sichtbaren Störungen führt. Wie hoch können Sie also gehen? Bis mindestens ISO 800 (siehe Abbildung), in vielen Situationen ist aber auch ein Wert von 1600 nötig. So ver­ meiden Sie die Kameraverwacklungen, die bei ISO 100 oder 200 auftreten. (2) Sie verwenden Ihre licht­stärksten Objektive (das Objektiv mit der größten Blende, z.B. f/1.4, f/2.8 oder f/3.5), die mehr Licht auf den Sensor fallen lassen und so auch unter schwachen Lichtbedingungen scharfe Fotos erzeugen.

Ein wirklich cooler Tipp

Wenn Sie mit sehr hohen ISO-Werten arbeiten, sollten Sie das bei Hochzeitsfotografen so beliebte Photoshop-Plug-In namens Noise Ninja (von PictureCode.com) kennen. Damit können Sie nicht nur Störungen reduzieren, sondern auch die Haut glätten.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

Weiches, diffuses Licht mit einem Blitz, Teil 1

Wenn Sie auf der Hochzeit Innenaufnahmen machen und mit einem Blitz arbeiten, erzeugen Sie harte Schatten und ein flaches Licht. Aber das muss nicht sein. Damit der eingebaute Blitz stattdessen weiches und diffuses Licht erzeugt, sollten Sie einen Blitzdiffusor verwenden (ein durchscheinendes Stück Papier, das vor dem Blitz montiert wird und das Licht streut). Wenn Ihre Digitalkamera mit einem eingebauten Popup-Blitz ausgestattet ist, können Sie beispielsweise den LumiQuest Soft Screen Diffuser (erhältlich über Novoflex) verwenden, bei einem externen Blitz empfehlen sich Diffusor-Aufsätze der Blitzhersteller. Die Lichtqualität ändert sich dadurch deutlich – die Ergebnisse sehen viel professioneller aus und Sie müssen nicht einmal viel Geld ausgeben.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

Weiches, diffuses Licht mit einem Blitz, Teil 2

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, weiches, diffuses und besser gerichtetes Licht zu erzeu­ gen (das Schlüsselwort hier ist »gerichtet«, denn dadurch sehen die Blitzbilder nicht so flach aus). Diese funktioniert, wenn Sie mit einem externen Blitzgerät arbeiten (und nicht mit dem eingebauten Kamerablitz, der nur eingeschränkte Möglichkeiten besitzt, wie Sie gleich sehen werden). Der Vorteil eines externen Blitzgeräts ist, dass Sie den Winkel und die Richtung des Blitzes ändern können. So müssen Sie das Blitzlicht nicht auf die Gesichter der Personen ausrich­ ten (wodurch hartes, flaches Licht entsteht), sondern Sie können es (1) auf die Decke ausrichten. Wenn der Raum, in dem Sie fotografieren, eine weiße Decke besitzt (und die Chancen stehen nicht schlecht), richten Sie den Blitz in einem 45º-Winkel (wie in der Abbildung zu sehen) darauf aus – das harte Licht wird absorbiert und fällt anschließend viel weicher auf die Personen und erzeugt keine harten Schlagschatten. Die Schatten entstehen stattdessen auf dem Boden (außer­ halb des Bilds). Interessiert Sie noch eine andere Möglichkeit? Dann richten Sie den Blitz nicht auf die Decke aus, sondern (2) lassen Sie einen Assistenten oder Freund oder Verwandten links oder rechts einen Reflektor etwas über Schulterhöhe halten. Der Reflektor schluckt das harte Licht und erzeugt durch den Winkel ein weiches, direktes Licht. An einer Seite der Gesichter entstehen weiche Schatten, die einen sehr angenehmen Effekt erzeugen.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

matt kloskowski

Nutzen Sie Ihren Blitz für Außenaufnahmen

Ein Trick, den Hochzeitsfotografen schon seit Jahren verwenden: Nutzen Sie den Aufhellblitz an sonnigen Tagen auch bei Außenaufnahmen. Ich weiß, dass es etwas verrückt klingt, den Blitz zu verwenden, wenn die Sonne scheint, aber Hochzeitsfotografen tun das, um die harten Schatten in den Gesichtern zu minimieren und die Personen unter diesen Bedingungen natürlicher aus­ sehen zu lassen (außerdem entstehen in den Augen nette Spiegellichter). Kontrollieren Sie die Ergebnisse sofort auf dem Monitor, um zu sehen, ob das Licht gut ausbalanciert ist. Hier sehen Sie ein Bild von mir, als ich gerade auf einer Hochzeit fotografierte. Sie sehen, dass der Blitz nicht direkt auf die Personen ausgerichtet ist. Stattdessen habe ich ihn etwas nach rechts (oder links) gedreht und auf 45º geneigt. So lange Sie sich nicht mehr als zweieinhalb Meter von den Per­ sonen weg befinden, brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen – der Blitz wirkt trotzdem, auch wenn er nicht direkt auf die Personen ausgerichtet ist.

Noch ein cooler Blitz-Tipp

Hier ist noch ein Tipp, der Ihren Blitz weniger nach Blitz aussehen lässt, wenn Sie Außenauf­ nahmen machen: Ändern Sie die Blitzbelichtung mit der Korrekturtaste auf –1 (das funktio­ niert wie die normale Belichtungskorrektur, nur eben für die Blitzbelichtung). Der Blitz hellt die Schatten immer noch auf, ist aber nicht mehr so offensichtlich.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

Zusätzliche Speicherkarten in der Jackentasche

Für Hochzeitsfotografen ist es nicht ungewöhnlich, bis zu 750 Aufnahmen zu machen – vor der Trauung, während der Zeremonie, Gruppenfotos und später bei der Hochzeitsfeier. Deshalb können auch auf Sie so viele Bilder zukommen (vielleicht ein paar mehr oder weniger, aber es werden sicherlich Hunderte sein). Das Letzte, was Ihnen passieren darf, ist, dass Ihnen die Filme ausgehen (sprich, die Speicherkarte Ihrer Kamera voll ist und Sie keinen Ersatz dabei haben). Tra­ gen Sie deshalb immer ausreichend Speicherkarten bei sich – eine direkt in Ihrer Jackentasche, damit Sie sie im Bedarfsfall sofort zur Hand haben. Es ist eigentlich immer so, dass die Speicher­ karte genau im wichtigsten Moment voll ist – wenn Sie die leere Karte dann erst in Ihrer Kamera­ tasche (oder irgendwo anders) suchen müssen, kann es sein, dass Sie diesen Moment verpassen (ich selbst musste das schon einmal leidvoll erfahren). Sie sollten auf die Ersatzspeicherkarte also immer innerhalb weniger Sekunden zugreifen können.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTo

Formalitäten: wen Sie zuerst fotografieren sollten

Nach der Trauung werden Sie wahrscheinlich die formellen Fotos aufnehmen – Braut und Bräu­ tigam zusammen mit diversen Verwandten. Der schwierige Teil dabei ist, die Personen vor Ort zu haben, wenn Sie sie benötigen. Das kann 30 Minuten dauern, aber auch bis zu drei Stunden – das liegt an Ihnen und wie organisiert Sie sind. Hier ist ein Tipp, mit dem Sie alles etwas be­ schleunigen können: Scharen Sie alle, die Sie benötigen, von Beginn an um sich. Wenn alle Platz genommen haben, nehmen Sie zuerst die formellen Porträts von Braut und Bräutigam auf (Sie werden gleich sehen, warum). Ist das vollbracht, fotografieren Sie die größten Gruppenaufnah­ men (Familienfotos). Danach die kleineren Gruppen, die Sie nach getaner Arbeit feiern schicken können (z.B. die Großeltern). Fangen Sie also mit allen Personen an und schicken Sie nach und nach diejenigen weg, die Sie nicht mehr benötigen, bis wieder nur noch das Hochzeitspaar übrig ist. Wenn Sie nicht so vorgehen, kann es schnell passieren, dass Sie auf einige Personen sehr lange warten müssen. Braut und Bräutigam sollten Sie als Erstes fotografieren, weil beide ja dann irgendwann auf der Feier erwartet werden und der Druck auf sie wächst, je mehr Zeit verstreicht. Machen Sie es sich also nicht schwerer als unbedingt nötig – beginnen Sie groß (also mit allen Beteiligten) und verkleinern Sie die Gruppe schrittweise.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

©ISTOCKPHOTo/Kevin Russ

Formalitäten: worauf Sie sich konzentrieren sollten

Wenn Sie für die formellen Porträts große Gruppen fotografieren, sollten Sie eine Blende wählen, bei der alle Personen im Fokus sind. Versuchen Sie es mit Blende f/11 für eine gute Schärfentiefe. Auf welchen Punkt sollen Sie nun fokussieren? Wenn es mehr als eine Reihe gibt, gilt immer noch die alte Regel: Fokussieren Sie auf die Augen der Personen in der ersten Reihe. Da das Bild nach hinten tiefer ist als nach vorn, sieht der Rest dann auch gut aus. Ist die erste Reihe unscharf, ist das ganze Bild ruiniert.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTo/nick schlax

Wie Sie Blinzeln verhindern können

Wenn Sie mehr als fünf Personen fotografieren, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass mindestens eine Person im Moment des Auslösens ihre Augen geschlossen hat. Das ist auch so ein natür­ liches Gesetz der Hochzeitsfotografie. Aber darüber müssen Sie sich eigentlich nicht so viele Ge­ danken machen, denn Sie lernen jetzt einen Trick, mit dem Sie das ganz gut verhindern können. Wenn Sie für die Aufnahme bereit sind, lassen Sie alle Personen die Augen schließen, bei drei sollen sie sie wieder öffnen und dazu auch noch lächeln. Warten Sie dann noch eine Sekunde ab und drücken Sie auf den Auslöser. Ich sage meinen Gruppen immer Folgendes: »Okay, schließt jetzt alle eure Augen. Öffnet sie bei 3-2-1 … jetzt!« Ich warte anschließend noch einen weiteren Zähler und drücke dann auf den Auslöser. Das wirkt echt Wunder.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Fotos von der Hochzeitsfeier: der Tanz

Bei Fotos von tanzenden Personen gibt es ein Problem: Wenn Sie sie mit Blitz fotografieren (was meistens der Fall sein wird), werden die Bewegungen eingefroren und es sieht aus, als ständen sie still, allerdings in sehr merkwürdigen Posen. Die Kamera nimmt einfach keine Bewegungen auf, wenn Sie ihr nicht sagen, dass sie es tun soll. Dafür gibt es zwei Techniken: Die erste befin­ det sich in der Kamera. Verfolgen Sie die Bewegungen einfach mit der Kamera (schwenken Sie mit) und verwenden Sie dabei eine lange Verschlusszeit, damit auf die Personen, die Sie nicht verfolgen, Bewegungsunschärfe angewendet wird – das sieht dann so aus (ja, richtig), als würde sie tanzen. Wenn Sie vergessen haben, diese Technik beim Fotografieren anzuwenden, können Sie die Bewegungsunschärfe auch im Nachhinein in Photoshop hinzufügen. Dazu müssen Sie zunächst die Hintergrundebene duplizieren. Wählen Sie anschließend Filter/Weichzeichnungsfilter/Bewegungsunschärfe. Bestimmen Sie einen Winkel von 0° und erhöhen Sie die Distanz, bis die ­Menschen so aussehen, als würden sie sich bewegen. Anschließend müssen Sie mit dem Radiergummi und einer großen, weichen Pinselspitze (z.B. 200 Pixel) über die Person malen, die im Fokus­sein soll (z.B. die Braut) – alle anderen drumherum tanzen und haben Spaß.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTo/elianet ortiz

Ihr Hauptjob: Verfolgen Sie die Braut

Die Hauptaufmerksamkeit bei einer Hochzeit liegt auf der Braut. Achten Sie also darauf, vor, während und nach der Zeremonie immer in der Nähe der Braut zu sein. Lassen Sie sie am besten nicht aus den Augen – erst recht nicht, wenn Sie die Fotos anschließend verkaufen wollen, denn die Braut bringt (ob nun direkt oder indirekt) das meiste Geld. Machen Sie sie zum Star der Fotos.

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Formalitäten: die Kameraposition

Kopf-SchulterPorträt 7/8-Aufnahme

©ISTOCKPHOTo/damir spanic

Ganzkörperporträt

Wenn Sie die formellen Fotos aufnehmen, ist die Höhe der Kamera besonders wichtig, denn wenn sie nicht korrekt positioniert ist, kann der Körper der Person verzerrt wirken oder einige Körperteile sehen größer aus als normal (und das wollen Sie doch nicht, oder?). Es ist also wich­ tig, die richtige Kameraposition zu finden. Hier sind ein paar Regeln, die Ihnen dabei helfen: Ganzkörperporträt: Positionieren Sie Ihre Kamera (auf dem Stativ) auf Taillenhöhe der Braut (ja, Sie müssen vielleicht etwas in die Hocke gehen, aber das Ergebnis ist es wert). Richten Sie das Objektiv gerade aus (nicht schräg nach oben auf das Gesicht der Braut). 7/8-Aufnahmen: Positionieren Sie die Kamera (auf dem Stativ) auf Brusthöhe der Braut und rich­ ten Sie das Objektiv gerade aus. Kopf-Schulter-Porträts: Positionieren Sie die Kamera (auf dem Stativ) auf Augenhöhe der Braut oder etwas darüber.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

Formalitäten: Schneiden Sie keine Gelenke ab

©ISTOCKPHOTo

Schlechte Beschnittkante

Wenn Sie die Motive in Ihrem Sucher positionieren, sollten der Bildausschnitt keine Gelenke abtrennen­(damit das Ergebnis professioneller wirkt). Vermeiden Sie es also, das Bild am Ellen­ bogen oder am Knie aufhören zu lassen, schneiden Sie diese auch nicht halb ab. Halten Sie sich von diesen Stellen am besten fern. Wenn Sie einen Arm oder ein Bein abschneiden müssen, halten Sie sich von den Gelenken fern.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

©ISTOCKPHOTo/kevin Russ

Formalitäten: Braut und Bräutigam aufstellen

Für die Standardfotos gibt es ein beliebtes Format – Braut und Bräutigam befinden sich in der Mitte und bewegen sich nicht – stattdessen müssen sich die anderen (Brautjungfern, Trauzeugen etc.) um das Brautpaar herum positionieren. Arbeiten Sie mit Braut und Bräutigam als Bausteine und schon wird alles viel einfacher.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTo/Phil Date

Formalitäten: der Trick für tolle Hintergründe

In formellen Porträts sind Hintergründe eigentlich immer nur … Hintergründe. Der Schlüssel zu einem tollen Hintergrund ist, einen so einfachen Hintergrund wie möglich zu wählen. Je ­einfacher, desto besser. Suchen Sie also nicht nach Wasserfällen, Pflanzen etc. Halten Sie nach einfachen Dingen Ausschau, die nicht vom eigentlichen Porträt ablenken. Außerdem sind ­einfache Hintergründe besser, wenn Sie sie (aus irgendeinem Grund) später in Photoshop ­bearbeiten müssen – je einfacher der Hintergrund, desto einfacher die Retusche.

Hintergrundtipp

Hier ist noch ein guter Tipp: Variieren Sie den Hintergrund. Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht nicht so spektakulär, aber wenn Sie denselben Hintergrund immer und immer wieder sehen, wird es irgendwann langweilig. Wenn Sie ein paar Aufnahmen vor demselben Hintergrund gemacht haben, können Sie auch noch einen anderen einfachen Hintergrund ausprobieren.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

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Details fotografieren (vor allem: welche?)

Hochzeitsfotos im Pressestil sind momentan sehr beliebt (dabei erzählen Sie die Hochzeit als Fotogeschichte wie für eine Zeitung oder eine Zeitschrift). Ein wichtiger Baustein dieser Technik ist, auch die kleinen Details der Hochzeit – besonders die hinter den Kulissen und vor der eigent­ lichen Trauung – aufzunehmen. Hier ist eine Liste der Dinge, die Sie fotografieren sollten und die als Einzelfotos oder als Hintergründe verwendet werden können:

• Die Schuhe der Braut • Das Hochzeitskleid auf dem Kleiderbügel • Der Brautschmuck • Die Hochzeitseinladungen • Die Notenblätter der Trauung • Das Gästebuch (mit einigen Einträgen) • Die Sektgläser der beiden • Tischkärtchen auf der Feier

• Die Eheringe (vielleicht auf der Einladung mit ein paar Rosen­ blättern daneben) • Die Flugtickets für die Flitter­ wochen • Die CD für den ersten Tanz • Den Blumenschmuck des Bräutigams • Den Brautstrauß • Details auf dem Brautkleid

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTo/robert deal

Ändern Sie den Blickwinkel

Wollen Sie eine Aufnahme machen, an die sich später jeder erinnern kann? Suchen Sie sich einen erhöhten Aussichtspunkt (vielleicht ein Fenster in einer oberen Etage oder einen Balkon). Wenn Sie keinen finden können, bringen Sie einfach einen eigenen mit oder borgen Sie sich einen – beispielsweise eine Leiter. Seien Sie jedoch vorsichtig, wenn Sie mit Ihrer teuren Fotoausrüs­ tung auf die Leiter klettern. Ein solcher Aussichtspunkt eignet sich für die Brautjungfern, die Trauzeugen sowie das Brautpaar.

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Das perfekte Licht für die Braut

Bei den meisten Hochzeiten gibt es eine Stelle mit spektakulärem Licht, die nur darauf wartet, von Ihnen entdeckt zu werden. Wenn Sie die gefunden haben, müssen Sie nur noch wissen, wie Sie sie nutzen. Bei dem Licht sollte es sich um natürliches Licht handeln, das durch ein Fens­ ter scheint (unter diesen Umständen ist es schwierig, ein wirklich schlechtes Bild zu machen). Halten Sie nach einem Fenster Ausschau, durch das das Sonnenlicht nicht direkt hineinscheint (beispielsweise ein Nordfenster). Wo sollen Sie dann die Braut platzieren, wenn Sie das passende Fenster gefunden haben? Am besten in 1,5 bis 2,5 Meter Entfernung zum Fenster, damit das Licht gleichmäßig und weich auf die Braut fällt. Diese Situation eignet sich, um ein paar Aufnah­ men von der Braut vor der Trauung zu machen – nur von der Braut oder von der Braut mit ihrer Mutter oder ihrem Vater.

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

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Wie Sie die Braut mit anderen arrangieren

Wenn Sie die Braut zusammen mit anderen Personen posieren lassen und eine gewisse Vertraut­ heit vermitteln wollen, sollten sich die Köpfe sehr dicht beieinander befinden. Das klingt jetzt nicht nach einem Problem, aber Sie werden feststellen, dass es gar nicht so einfach ist. Wenn sie in natürliche Posen verfallen, wird der Zwischenraum zwischen den Köpfen automatisch größer – die Personen scheinen dann nicht mehr so vertraut miteinander zu sein. Ich erlebe diese Situ­ ation immer wieder und wieder und muss auch die Braut regelmäßig daran erinnern, den Kopf ­etwas näher zu der anderen Person zu bewegen, damit die Fotos nicht unnatürlich wirken. Ach­ ten Sie bei Ihren nächsten Hochzeitsfotos darauf – Sie werden erstaunt sein, was es ausmacht, wenn die Köpfe näher beieinander sind.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

©ISTOCKPHOTo/kevin russ

Mit Weitwinkelobjektiven fotografieren

Bei Hochzeiten gibt es mindestens drei Situationen, die Sie mit einem Weitwinkelobjektiv foto­ grafieren sollten. Eine ist das Streuen des Reises (auch wenn heutzutage nicht mehr immer Reis gestreut wird). Hierfür sollten Sie ein Weitwinkel verwenden, um Braut, Bräutigam und natürlich auch die Reis werfende Menge aufs Bild zu bekommen. Auch für das Innere der Kirche ist ein Weitwinkel ganz nützlich. Die Braut erwartet ein Foto, auf dem alle und alles zu sehen ist – das Weitwinkelobjektiv ist daher Ihr Ticket in die Freiheit. Und dann brauchen Sie das Objektiv auch noch für das Werfen des Brautstraußes – um sowohl die werfende Braut als auch die wartende Menge einfangen zu können. Gehen Sie ein Stück weg und fotografieren Sie von vor der Braut aus (machen Sie ruhig ein paar mehr Fotos, an dieser Stelle wird es sich lohnen).

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Hochzeiten fotografieren wie ein Profi

Backup vor Ort

Eine Hochzeit findet nur einmal statt. Das Sichern der Fotos ist daher eine Selbstverständlichkeit. Wenn eine Speicherkarte voll ist und Sie diese gegen eine neue austauschen, sollten Sie die Fotos von der vollen Karte am besten gleich auf eine Festplatte überspielen. Ich kann Ihnen Festplatten von Epson empfehlen – P-3000 oder P-5000 (oben zu sehen). Bei beiden können Sie direkt eine CompactFlash-Karte einführen, ohne dass ein Computer notwen­ dig ist. Ich habe eine P-3000 in meiner Kameratasche. Sobald meine Speicherkarte voll ist, sichere ich die Fotos auf der Festplatte – in wenigen Minuten sind alle Fotos sicher gespeichert. Zuhause in meinem Studio sichere ich die Fotos noch einmal auf einer zweiten Festplatte, so dass ich zwei Sicherheitskopien habe. Das Sichern der Fotos ist extrem wichtig – ansonsten müssen Sie viel Vertrauen in Ihre Speicherkarten haben. Stellen Sie sich vor, wie es ist, einem Brautpaar sagen zu müssen, dass Ihre Speicherkarte kaputt ist und leider alle Fotos von der Hochzeit verloren gegan­ gen sind. Diese Katastrophe können Sie verhindern, wenn Sie die Fotos ein- oder auch zweimal sichern.

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Digitale Fotografie – Band 1 • Kapitel 3

Verwenden Sie bei JPEGs eine WeißabgleichVoreinstellung

Wenn Sie mit Ihrer Kamera im Raw-Format fotografieren, brauchen Sie sich um den Weißabgleich keine Gedanken zu machen (behalten Sie einfach die Auto-Einstellung bei, schließlich können Sie den Weißabgleich später in Photoshop einstellen). Nehmen Sie Ihre Fotos jedoch als JPEGs auf (so dass mehr Bilder auf die Speicherkarte passen), sollten Sie eine Weißabgleichvoreinstel­ lung Ihrer Kamera wählen, die zu den gegebenen Lichtbedingungen passt (damit das Licht im Foto ausbalanciert aussieht). Ohne den richtigen Weißabgleich kann es passieren, dass die Fotos zu gelb oder zu blau aussehen. Aber zum Glück ist das Einstellen des Weißabgleichs einfacher, als Sie vielleicht denken, und Sie sparen später viel Zeit, wenn Sie die Fotos in Photoshop ent­ wickeln. Wählen Sie in Ihrer Digitalkamera einfach das passende Menü und die passende Einstel­ lung (Kunstlicht, Tageslicht etc.). Falls Sie mit dem Blitz arbeiten, wählen Sie den Weißabgleich Blitz. Es ist also gar nicht so schwer, die Farben richtig hinzubekommen.

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Das

Digitale Fotografie Buch Band 2

Scott Kelby

Kapitel 3

Porträts fotografieren wie ein Profi Noch mehr Tipps, Ihr Model gut aussehen zu lassen Professionelle Aufnahmen von Personen zu erstellen, ist schwieriger, als Sie vielleicht denken. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die Profis engagieren wirklich gut aussehende Models und wie Sie wissen, sind Models aus einem einfachen Grund Models – sie vergessen zu essen. Ich mache natürlich nur Spaß. Sie sind Models, weil sie natürlich sehr fotogen sind. Was unseren Job so schwierig macht, ist die Tatsache, dass wir nicht von super gut aussehenden Models umgeben sind, die einfach nur herumstehen und nichts essen. Wir fotografieren stattdessen eher Porträts von unseren Freunden, die sich auf einer Schönheitsskala irgendwo zwischen Mr. Bean und Jabba the Hut befinden. Deshalb ist die Porträtfotografie für uns eine größere Herausforderung als für einen Profi – wir müssen ein bisschen zaubern. Das ist auch der Grund, warum wir mit unsereren Porträts so oft unzufrieden sind (auch wenn es nicht unsere Schuld ist). In diesem Kapitel zeige ich Ihnen deshalb einige Strategien, um professionell aussehende Porträts zu schießen. (1) Wie Sie sich mit besser aussehenden Leuten anfreunden (reich sein schadet dabei nicht) und (2) wie Sie das Licht kontrollieren und die Personen platzieren, damit sie richtig schön zur Geltung kommen. Der Schlüssel ist das Licht – verwenden Sie einfach gar keines. Je weniger Sie die Person ausleuchten, desto besser sehen die Fotos aus. Stellen Sie sich eine Silhouette oder Nachtfotos vor, bei denen das Objekt zwischen 100 und 200 m entfernt ist – alles und jeder sieht aus dieser Distanz gut aus. In diesem Kapitel erfahren Sie, wo Sie gut aussehende Menschen finden, die Jeans tragen, die mehr kosten als das Bruttosozialprodukt von Luxemburg.

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Lassen Sie über dem Kopf nicht so viel Platz

Wenn der Durchschnittsfotograf eine Aufnahme von einer Person macht, lässt er in der Regel über dem Kopf viel zu viel Platz (wie auf dem linken Foto zu sehen). Das ist ein wirklich klassischer Fehler, den die meisten Amateure machen. Zum Glück aber auch einer, der sich leicht korrigieren lässt. Lassen Sie einfach nicht so viel Raum über dem Kopf. Wenn Sie sich an meinen Tipp zur Komposition von Porträtbildern aus der ersten Auflage des Buchs erinnern (positionieren Sie die Augen der Person im oberen Drittel des Bildes), vermeiden Sie dieses Problem.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

DAVE MOSER

Fotografieren Sie im Hochformat

Die meisten Fotos werden im Querformat aufgenommen. Das ist durchaus logisch, denn schließlich sind die Kameras auch so gebaut, dass man sie im Querformat hält. Aus diesem Grund befindet sich der Auslöser oben rechts, dort, wo auch Ihr Finger aufliegt. Trotzdem werden professionelle Porträts in der Regel im Hochformat aufgenommen. Wenn Sie also wollen, dass Ihre Porträtfotos professioneller aussehen, fotografieren Sie im Hochformat (natürlich hat jede Regel ihre Ausnahmen, einige werden Sie im Verlauf dieses Kapitels noch kennen lernen).

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Porträts fotografieren? Benutzen Sie einen Batteriegriff!

Wenn Sie viele Porträts aufnehmen, werden Sie Ihre Kamera wahrscheinlich sehr oft aufrecht stellen. Über kurz oder lang wird es Ihnen dann sicherlich lästig werden, immer über die Kamera zu greifen, um den Auslöser zu drücken. Sollte das der Fall sein, legen Sie sich einfach einen Batteriegriff mit Hochformat-Auslöser zu. Damit können Sie nicht nur zwei Batteriesätze nutzen und somit länger fotografieren, ohne die Kamera neu aufzuladen. Der Auslöser und das Einstellrad für Blende und Verschlusszeit sind dabei vertikal ausgerichtet. Sondern so lässt sich die Kamera auch im Hochformat bequem vertikal bedienen. Neben diesen Vorteilen schwören die meisten Fotografen, die ich kenne, darauf, dass die Kamera damit auch wesentlich besser in der Hand liegt (und das ist sehr wichtig). Die beste Nachricht ist wohl, dass es diese Batteriegriffe für die meisten digitalen SLRs gibt und sie auch gar nicht so viel kosten. Achten Sie beim Kauf nur auf Folgendes: Nicht alle Batteriegriffe sind mit einem HochformatAuslöser ausgestattet. Stellen Sie deshalb unbedingt sicher, dass Ihr Modell einen besitzt.

Die meisten High-End-Kameras besitzen einen vertikalen Auslöser

Wenn Sie eine High-End-Digitalkamera wie die Canon 1D Mark II oder Mark III oder die Nikon D2Xs beziehungsweise Nikon D3 besitzen, verfügen diese über einen HochformatAuslöser.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

©ISTOCKPHOTO/IZABELA HABUR

Die Regel mit der Sonne über Ihrer Schulter ist ein Schwindel

Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von der Regel mit der Sonne über der Schulter gehört? Sie besagt, dass Sie als Fotograf, wenn Sie Personen unter freiem Himmel fotografieren, die Sonne im Rücken (über der Schulter) haben sollten, damit die Gesichter der Models gut ausgeleuchtet sind. Für Schnappschüsse ist diese Regel perfekt – bei Gruppenporträts gibt es jedoch nichts Schlechteres (außer die Sache mit den großen Menschen in der hinteren Reihe). Wenn Ihre Gruppenfotos professioneller aussehen sollen, vermeiden Sie, dass die Sonne den Leuten direkt ins Gesicht scheint. Denn dann werden alle nur blinzeln, die Hand vor die Augen halten oder sich von der Kamera abwenden. Außerdem entsteht so ein sehr hartes und direktes Licht. Positionieren Sie die Models mit der Sonne im Rücken, um einen netten Schein (vor allem um die Haare) zu erzeugen. Nutzen Sie dann einen leichten Blitz, um ausreichend Licht in die Gesichter zu bringen und dieses mit dem natürlichen Umgebungslicht zu mischen.

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Weiter Winkel, nahe Einstellung

Dieses Konzept – Porträts mit einem Weitwinkel zu fotografieren – habe ich jahrelang aufgrund folgender Regel nicht beachtet: »Fotografieren Sie Menschen nicht mit einem Weitwinkel, weil sie dann verzerrt und etwas komisch aussehen.« Allerdings war es einer der weltbesten Fotografen, der brilliante Joe McNally, der diese Regel außer Kraft gesetzt hat und sagt: »Fotografieren Sie mit einem Weitwinkel, und gehen Sie nah heran.« Wenn Sie mit einem weiten Winkel fotografieren und richtig nah herangehen, sieht die Person nicht verzerrt aus – nur die Dinge am äußeren Bildrand leiden vielleicht etwas. Ich war sehr skeptisch, bis Joe meinte, ich solle mir doch einmal ein People Magazine anschauen – die meisten Fotos wurden dort genau mit dieser Technik (einem Weitwinkel) aufgenommen. Ich war schockiert, und es war nicht nur People, alle machen das so. Die Profis fotografieren also mit einem Weitwinkel und gehen richtig nah heran. Das können Sie auch!

Namen nennen – wem der Dank gebührt

Im Verlauf des Buchs nenne ich immer wieder Namen bekannter Fotografen. Das mache ich nicht, um mit Namen zu jonglieren. Stattdessen will ich zeigen, wem der eigentliche Dank gebührt. Wenn ich mich erinnern kann, von wem ich einen Tipp oder eine Technik habe, will ich auch dessen Namen nennen.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

SCOTT KELBY

Profilaufnahmen im Querformat

Wir haben bereits die Regel, Porträts im Hochformat zu fotografieren, gelernt. Lassen Sie uns diese Regel jetzt brechen! (Das ist das Tolle an den Fotografieregeln – sobald Sie sie gelernt haben, können Sie sie brechen. Das ist cool. Uncool ist es nur, wenn Sie die Regeln aus Versehen brechen, weil Sie es nicht besser wussten.) Eine Situation, in der Sie die Regel durchaus brechen können, ist, wenn Sie die Person im Profil fotografieren wollen. Der Grund ist folgender: Da das Motiv in Richtung Bildrahmen blickt, würde es etwas eingeengt aussehen, wenn Sie im Hochformat fotografieren würden – für den Betrachter ist das nicht so schön. Wenn Sie Profilfotos horizontal aufnehmen, lassen Sie der Person optisch etwas Raum zum atmen.

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Schmeichelhafte Porträts mit langem Zoom

Haben Sie schon einmal ein professionelles Fotoshooting im Fernsehen gesehen und dabei festgestellt, wie weit entfernt sich der Fotograf vom Model befindet? Das liegt daran, dass der Fotograf den Vorteil der Objektivkomprimierung eines längeren Zoomobjektivs nutzt. Die Fotos, die Sie oben sehen, sagen alles – das linke wurde mit einem 50 mm-Objektiv aufgenommen, das rechte mit einem 70–200 mm-Zoomobjektiv mit der Einstellung 190 mm. Obwohl sämtliche Kameraeinstellungen und die Beleuchtung identisch waren (die Bilder wurden innerhalb weniger Sekunden aufgenommen), sieht die Frau im rechten Bild vorteilhafter aus. Deshalb fotografieren so viele Profis mit einem langen Zoom. Nutzen sie ein 28–135 mm-Objektiv, fotografieren Sie in einem Bereich zwischen 100 und 135 mm, um das Beste aus ihren Porträts herauszuholen.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

SCOTT KELBY

Diffusor für Porträtaufnahmen unter freiem Himmel

Wenn bei Porträtaufnahmen sehr hartes, unschmeichelhaftes Licht vorherrscht, wägen Sie ab, was schlimmer ist: der eingebaute Blitz Ihrer Kamera oder das direkte Sonnenlicht. Wie Sie glücklicherweise in der ersten Auflage des Buchs gelernt haben, sollten Sie bei Außenaufnahmen schattige Bereiche nutzen, sofern welche vorhanden sind. Befinden Sie sich jedoch am Strand, in der Wüste oder an einem anderen Ort ohne Schatten, benötigen Sie einen Diffusor (z.B. einen 75 cm Lastolite TriGrip-Diffusor – den ich auch im Blitzkapitel erwähne, seine Anschaffung lohnt sich also doppelt). Bitten Sie einfach einen Freund, diesen Diffusor zwischen die Sonne und die Person zu halten (wie auf dem Foto oben links zu sehen). Das Licht wird sofort deutlich weicher, schöner und natürlicher. Der Diffusor kostet beim Fotoversand Brenner 70 € – ein leichter Lebensretter, sobald Sie das Studio zum Fotografieren verlassen.

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

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Bessere Hintergründe für Porträts

Das Geheimnis für großartige Porträthintergründe lautet: »Weniger ist mehr.« Wenn im Porträt auch etwas von der Umgebung zu sehen ist (das Foto im Büro der Person oder bei ihr zu Hause aufgenommen wird), wirkt das Ergebnis professioneller, wenn Sie den Hintergrund vereinfachen. Dort sollten so wenig störende Elemente wie möglich zu sehen sein. Wählen Sie also entweder einen ganz einfachen, störungsfreien Hintergrund oder entfernen Sie zumindest so viele »schräge« Elemente wie möglich (so wie ich es in diesem Foto getan habe). Nehmen Sie diesen Tipp nicht auf die leichte Schulter – um ein wirklich schönes Umgebungsporträt zu erstellen, brauchen Sie nicht nur einen ansprechenden Vordergrund. Das Foto muss als Gesamtheit funktionieren – und das tut es nur mit einem möglichst störungsfreien Hintergrund.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

SCOTT KELBY

Ein trendiger Tipp für die Bildkomposition

Die meisten Fotos, die Sie zu Gesicht bekommen, sind im Hoch- oder im Querformat. Wenn Sie etwas anders machen, sieht es auch anders aus! Eine aktuell sehr beliebte Technik in der Porträtfotografie ist, die Kamera leicht zu drehen, so dass es die Person in eine der Bildecken zieht. Die Technik könnte nicht einfacher sein – drehen Sie die Kamera einfach leicht nach links oder rechts und machen Sie die Aufnahme. Es kann ein paar Versuche dauern, bis Sie die Person nach Ihren Wünschen positioniert haben, aber der Look (den es jetzt schon seit einigen Jahren gibt) ist sehr beliebt.

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Digitale Fotografie – Band 2 • Kapitel 3

SCOTT KELBY

Beschneiden Sie den oberen Teil des Kopfes

Dieser Schritt folgt der Regel »Lassen Sie in einem Porträt nicht zu viel Raum über dem Kopf der Person.« Bei dieser Technik können Sie den oberen Teil des Kopfes ruhig beschneiden. Auch wenn es etwas komisch klingt, aber diese Technik ist bei Profi-Fotografen sehr beliebt, weil der Kopf dann den Bildrahmen besser ausfüllt. Die Aufnahme wirkt überwältigender, wenn Sie so nah herangehen (siehe Foto). Diese Kompositionstechnik ist mittlerweile überall gebräuchlich und zum Standard in der Mode- und Schönheitsfotografie geworden. (Hinweis: Den oberen Teil des Kopfes oder die Seiten der Arme beziehungsweie Schultern können durchaus beschnitten werden – vermeiden Sie es jedoch, das Kinn zu kürzen. Der Betrachter ist es gewohnt, wenn der obere Teil fehlt, beschneiden Sie jedoch das Kinn, wirkt die Bildkomposition sehr unangenehm.)

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©ISTOCKPHOTO/ALDO MURILLO

Gruppenfotos besser unter freiem Himmel

Ein Gruppenfoto richtig auszuleuchten (so dass das Licht gleichmäßig auf alle Personen fällt), ist eine echte Herausforderung. Deshalb lassen sich unter freiem Himmel oft bessere Ergebnisse erzielen. Dort ist es einfacher, die Gruppe mit dem zur Verfügung stehenden Licht auszuleuchten – besonders dann, wenn Sie ein leicht schattiges Plätzchen finden (keinen tiefen Schatten, nur einen leicht schattigen Ort, ohne Lichtstreifen, die durch Baumkronen oder Fenster fallen). Wenn Sie das Glück haben, ein Gruppenfoto an einem bewölkten Tag aufzunehmen, dann ist es ganz einfach – gehen Sie mit der Gruppe einfach nach draußen, der bedeckte Himmel tut sein Übriges. (Ach ja!: Professionelle Gruppenaufnahmen beginnen niemals mit dem Satz: »Okay, die Großen bitte in die hintere Reihe.«)

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SCOTT KELBY

Tipps für Posen bei Gruppenaufnahmen

Wenn Sie das nächste Mal ein Gruppenfoto aufnehmen, ordnen Sie die Personen nicht in einer Reihe an (weil das einfach nicht gut aussieht), sondern versuchen Sie lieber, sie um etwas herum zu gruppieren – um ein Sofa, einen Stuhl, ein Auto, einen Tisch etc. Finden Sie ein Objekt, mit dem sich die Gruppe zusammenfügen lässt, ohne dass die Personen in einer geraden Linie stehen.

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Ein Tipp für lockere Gruppenaufnahmen

Sie wünschen sich einen unwiderstehlichen Look für lässige Gruppenaufnahmen? Ordnen Sie die Personen pyramidenförmig an (in einem Dreieck). Achten Sie darauf, dass sie sich berühren – sich umarmen, die Köpfe aneinanderhalten (wie auf dem Foto zu sehen). Sie werden feststellen: Die Körper befinden sich in keiner geraden Linie – sie sind leicht versetzt zueinander angeordnet, lehnen sich aber alle in das Bild hinein. Das Foto wirkt dadurch energiegeladener und fröhlicher. Bei einem Gruppenporträt von Managern würde ich diese Technik nicht anwenden, bei einer lockeren Gruppe funktioniert sie jedoch sehr gut.

Keine Reihen – besser Haufen

Wenn Sie große Gruppen fotografieren, positionieren Sie die Personen nicht in Reihen, sondern eher in kleinen Gruppen – kleine Mini-Pyramiden innerhalb der Gruppe, mit je drei oder vier Personen in einer Pyramide. Sobald Sie drei oder vier solcher Gruppen zusammengestellt haben, schieben Sie diese so dicht zusammen, dass sie eine große Gruppe bilden. (Die Mini-Gruppen müssen sich untereinander nicht berühren – kleine Lücken sind in Ordnung.)

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SCOTT KELBY

Leuchten Sie die Person nicht gleichmäßig aus

Wenn man sich ein Foto anschaut, richtet sich der Blick zunächst auf den hellsten Bereich des Bildes – deshalb muss der Bereich am hellsten sein, den sich der Betrachter zuerst anschauen soll, richtig? Richtig. Soll der Betrachter bei einem Porträt zuerst ins Gesicht oder auf die verschränkten Arme blicken? Die meisten Fotografen leuchten ein Porträt jedoch so gleichmäßig aus, dass beispielsweise die Hände genauso hell erscheinen wie das Gesicht. Wenn Sie Porträts erstellen wollen, die den Blick des Betrachters auf eine Stelle im Bild lenken, leuchten Sie die Person so aus, dass das Gesicht am hellsten ist und der Körper nach unten hin immer dunkler wird. Dadurch wirkt das Foto interessant. Das ist übrigens ein weiteres Beispiel für weiches Licht (achten Sie jedoch darauf, dass das Licht nach unten hin nicht zu dunkel wird – der untere Teil soll auch ausgeleuchtet werden und Details zeigen, nur eben nicht so stark wie das Gesicht).

Lassen Sie nicht zu viel Licht auf die Ohren fallen

Wenn es ein Körperteil gibt, das nicht so stark ausgeleuchtet werden soll, dann sind es die Ohren der Person. Ohren sind oft störend, weil sie aus einem sonst etwas dunkleren Bereich (den Haaren) herausstechen und so viel Licht aufnehmen, dass der Betrachter an ihnen hängen bleibt. Da die meisten Ohren jedoch nicht unbedingt die schönsten sind, lassen Sie diese also nicht zu hell erscheinen.

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Porträts fotografieren wie ein Profi

SCOTT KELBY

Wollen Sie bessere Porträts? Fotografieren Sie ohne Countdown!

Wenn Sie ein richtig schön gestelltes Foto aufnehmen wollen, dann zählen Sie bis drei, bevor Sie auf den Auslöser drücken. Das ist meistens die Garantie dafür, dass das Porträt nicht mehr natürlich wirkt. Als Fotograf ist es jedoch Ihre Aufgabe, eine Person möglichst natürlich abzulichten und im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Jeder kann sich hinstellen, bis drei zählen und bei vier dann auf den Auslöser drücken. Wenn Sie genau so vorgehen, erhalten Sie Bilder, die auch jeder andere machen kann. Wollen Sie jedoch speziellere, natürlichere Fotos, vergessen Sie den Countdown und unterhalten Sie sich lieber mit der Person – bringen Sie sie zum Sprechen und Lachen, und drücken Sie im richtigen Moment auf den Auslöser. So erhalten Sie mehr als gut ausgeleuchtete und gestellte Fotos. So wird es etwas Besonderes. Fotografieren Sie für natürlichere Porträts vor und zwischen den Aufnahmen

Viele Profis schwören auf diese Technik: Sie bitten die Person, nicht zu posieren, weil sie erst einmal ein paar Testaufnahmen machen wollen, um das Licht zu überprüfen. Sie sprechen mit der Person und drücken ständig auf den Auslöser. Sobald sie sagen, dass es losgeht, ändert sich das Verhalten der Person und sie beginnt zu posieren. Stellen Sie also sicher, dass Sie vorher und zwischendrin ausreichend Bilder aufgenommen haben, denn diese sehen in der Regel natürlicher und nicht so sehr gestellt aus.

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DAVE MOSER

Fensterlicht: Wo Sie die Person positionieren

Fensterlicht, speziell das von einem Nordfenster, ist mit das schönste Licht für Porträtaufnahmen (einige Profis bestehen sogar darauf, für ihre Porträts nur natürliches Licht zu verwenden, Punkt!). Das Fenster streut das Licht, und je größer das Fenster, desto weicher und diffuser das Licht. Wo positionieren Sie also die Person, wenn Sie über richtig schönes Fensterlicht verfügen? Achten Sie darauf, dass die Schulter der Person zum Fenster zeigt (damit das Licht quer über die Person fällt und auf der abgewandten Gesichtshälfte weiche Schatten erzeugt). Wählen Sie einen Abstand zum Fenster von etwa 2 m, damit sich das Licht schön weich um die Person hüllt (wenn Sie näher an das Fenster herangehen, wird das Licht sehr schnell sehr kontrastreich). Platzieren Sie die Person außerdem leicht hinter dem Fenster, um nicht das direkte Sonnenlicht einzufangen, sondern schönes weiches, nahezu zauberhaftes Licht zu verwenden, auf das so viele Profis schwören.

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DAVE MOSER

Fensterlicht: Von wo aus Sie fotografieren

Wenn Sie ein Porträt fotografieren, das von einem Fenster ausgeleuchtet wird, positionieren Sie die Kamera in Fensternähe, so dass Ihre Schulter das Fenster berührt. Lehnen Sie sich dann leicht nach vorn in Richtung der zu fotografierenden Person, die Sie kurz hinter dem Fenster platzieren (Sie lehnen sich also ans Fenster und beugen sich leicht nach vorn in Richtung der Person).

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©ISTOCKPHOTO/EDUARDO JOSE

Sechs schnelle Tipps für anspruchsvolle Gesichter

Sie können viele typische Gesichtsprobleme ganz verstecken oder zumindest deutlich reduzieren (große Nasen, ein rundes Gesicht, Falten, große Ohren etc.), wenn Sie auf die Pose der Person und deren Ausleuchtung achten. Hier sind sechs schnelle Tipps, mit denen Sie das Beste aus Ihren Models herausholen: (1) Hat die Person nur noch sehr wenig Haar (oder eine Glatze), fotografieren Sie aus einem flacheren Winkel und leuchten Sie die Haare nicht aus. (2) Hat die Person viele Falten, richten Sie das Licht möglichst gerade auf das Gesicht aus, denn Licht von der Seite betont die Tiefen und hebt die Falten noch deutlicher hervor. (3) Hat die Person große Ohren, positionieren Sie sie so, dass nur ein Ohr zu sehen ist. Richten Sie das Licht so aus, dass das Ohr im Schatten liegt. (4) Ist die Nase sehr groß, lassen Sie die Person gerade in die Kamera blicken und das Kinn etwas anheben. Fotografieren Sie aus einem etwas flacheren Winkel heraus, um die Nase nicht so stark zu betonen. (5) Hat die Person ein Doppelkinn, lassen Sie sie gerade in die Kamera blicken und den Kopf etwas nach vorne strecken. Dadurch wird das Kinn gestreckt und die Haut gestrafft. Wenn Sie zusätzlich das Licht gerade ausrichten, erzeugen Sie einen leichten Schatten unter dem Kinn – das Doppelkinn verschwindet etwas. (6) Ist das Gesicht der Person sehr rund und dick, sagen Sie ihr, dass sie ein paar Kilo abnehmen soll. Wenn die Person dann in Tränen ausbricht, können Sie eine der natürlichsten Aufnahmen des Tages machen. Sie können den Kopf aber auch nach links oder rechts drehen lassen, so dass nur 3/4 zu sehen sind. Dadurch wirkt das Gesicht weniger rund. Es liegt also an Ihnen, für welche Variante Sie sich entscheiden.

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Die Schultern eindrehen

Jeder – Frauen, Männer, Kinder – sieht besser aus, wenn die Schultern in einem Winkel zur Kamera stehen. Sind sie hingegen gerade zur Kamera ausgerichtet, sieht die Person sehr breit und flach aus. Durch leichtes Eindrehen der Schultern sieht die Person jedoch gleich viel dünner und freundlicher aus – der Betrachter richtet seine Aufmerksamkeit stärker auf den Kopf. Denken Sie daran: Der Kopf kann ruhig gerade in die Kamera blicken – nur die Schultern sollten etwas eingedreht sein.

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SCOTT KELBY

Wie die Person schlanker erscheint

Wenn Sie den Körper einer Person etwas schlanker erscheinen lassen wollen, vermeiden Sie es, dass die Arme den Körper berühren – sorgen Sie für eine kleine Lücke zwischen den Armen und dem Oberkörper. Dieser Trick kommt oft bei Fotos von Prominenten und Modeaufnahmen zum Einsatz. Sie werden überrascht sein, welchen Unterschied diese kleine Lücke zwischen den Armen und dem Oberkörper ausmacht (wie in den Fotos oben zu sehen). Ein weiterer Trick besteht darin, den Körper etwas von der Kamera abzuwenden und nur die obere Hälfte zur Kamera hinzudrehen. Auch das ist ein kleiner Trick, der einen großen Unterschied ausmacht.

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Bieten Sie einen Stuhl an

Einer der besten Gründe, die Person auf einem Stuhl posieren zu lassen, ist, dass sich die meisten Menschen auf einem Stuhl wohler fühlen, und dadurch steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein entspanntes und natürliches Porträt schießen können. Steht die Person einfach in der Mitte des Studios unter Dutzenden von Lampen, kann es passieren, dass sie sich schnell unwohl fühlt und keine natürlich wirkenden Porträts zustande kommen. Wenn Sie die Person im Sitzen fotografieren, habe ich hier einen Tipp für Sie: Bitten Sie die Person, sich auf den Rand des Stuhls zu setzen (so kann sie sich nicht zurücklehnen und lümmeln) und leicht nach vorn in Richtung Kamera zu lehnen. Sollten Sie also das nächste Mal eine Person fotografieren, die sich in ihrer Position sichtlich unwohl fühlt, bieten Sie ihr einen Stuhl an – das wirkt fast immer und führt zu natürlicheren Porträts.

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DAVE MOSER

Unterhalten Sie sich mit Ihrem Model

Wenn Sie das Porträt einer Person fotografieren, befinden Sie sich in einer sehr anfälligen und unbequemen Position. In den meisten Fällen will die Person, die Sie fotografieren, dass Sie mit dem, was Sie sehen, zufrieden sind. Wenn die Person den Eindruck hat, dass es nicht ganz so gut läuft, glaubt sie, dass es an ihr liegt. Vermitteln Sie der Person jedoch ein tolles Gefühl, Selbstbewusstsein und Spaß – so entstehen schönere Porträts. Eine Möglichkeit, die Person bei Laune zu halten, ist, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Und zwar die ganze Zeit. Sprechen Sie über das, was Sie tun und warum Sie es tun, über das Wetter – alles, um die Person zu beschäftigen. Sobald es still wird, macht sich beim Model das Gefühl breit, dass etwas schiefläuft und es an ihm liegt. Die Person hat schließlich keine Ahnung davon, was Sie in Ihrem Sucher sehen, und wenn Sie ruhig sind, bekommt sie Angst, dass etwas nicht stimmt. Innerhalb von ein, zwei Minuten macht sich Verunsicherung breit. Wenn ich Porträtaufnahmen mache, spreche ich die ganze Zeit mit meinem Model. Wenn ich kurz aufhöre zu fotografieren, um beispielsweise ein Licht neu einzustellen, erzähle ich, warum ich das mache (ich weiß, dass das die meisten Menschen nicht interessiert, aber ich mache es trotzdem). Ich ermutige die Person unaufhörlich (»Das sieht großartig aus. Fantastisch! Was für ein tolles Lächeln.« etc.). Das stärkt das Selbstbewusstsein der Person.

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SCOTT KELBY

Lichtflecken vermeiden

Wenn Sie die erste Auflage dieses Buchs gelesen haben, wissen Sie bereits, dass Sie Personen besser im Schatten fotografieren (idealerweise am Rand des schattigen Bereiches, denn dort herrscht optimales Licht). Dabei müssen Sie jedoch auf eine Sache achten: Lichtflecken. Das sind kleine Lichtbereiche, die durch die Äste und Blätter von Bäumen scheinen und ungleichmäßige Glanzstellen im Gesicht der Person erzeugen (auch wenn die Flecken nicht genau ins Gesicht fallen). Zum Glück lässt sich dieses Problem jedoch ganz schnell beheben: Positionieren Sie die Person einfach so, dass keine störenden Lichtflecken zu sehen sind. Anhand des rechten Fotos erkennen Sie, wie viel besser ein Porträt ohne Lichtflecken aussieht. In der Landschaftsfotografie gibt es ein paar Situationen, in denen Lichtflecken durchaus wirken – in der Porträtfotografie können sie eine Aufnahme jedoch schnell ruinieren und sollten deshalb vermieden werden. Achten Sie darauf, wenn Sie unter Bäumen oder in einer Scheune (wo das Licht durch undichte Stellen in der Wand scheinen kann) beziehungsweise an anderen Orten fotografieren, wo kleine Lichtstrahlen direkt auf die Person fallen können.

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TERRY WHITE

Fensterlicht: Wo Sie den Reflektor positionieren

Weil wir normalerweise einen Reflektor nutzen, um die Schattenseite des Gesichts etwas aufzuhellen, würden Sie diesen, wenn es ein Fenster gibt, auf der Schattenseite platzieren. Das klingt logisch, oder? Richtig. Das können Sie auch so machen. Nehmen Sie das Porträt jedoch in der Nähe eines Fensters auf, probieren Sie lieber die Technik aus, die mir der legendäre Porträt- und Hochzeitsfotograf Monte Zucker beigebracht hat: Reflektieren Sie das Licht von der Kameraposition (in der Nähe des Fensters) über Ihrem Kopf, um das Fensterlicht in die dunkle Gesichtshälfte zu bringen und die Schattenbereiche aufzuhellen.

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SCOTT KELBY

Bringen Sie Paare richtig nah zusammen

Wenn Sie ein Pärchen fotografieren und bitten, recht nah zusammenzurücken, dann ist nah leider meistens nicht nah genug. Werfen Sie einen Blick durch den Sucher, dann wissen Sie, wovon ich rede. Wenn Sie das Paar dann bitten, sich gegenseitig noch weiter anzunähern, dann bewegen sie sich vielleicht wenige Zentimeter, aber immer noch nicht genug. Ich kenne jedoch einen Trick, der eigentlich immer funktioniert. Machen Sie zunächst eine Aufnahme mit der Lücken zwischen den beiden Personen – zeigen Sie den beiden dann das Foto. Sobald sie die Lücke sehen (und auch erkennen, wie groß diese ist), rücken sie noch enger zusammen und Sie können die richtige Aufnahme machen. Ich wende diesen Trick immer und immer wieder an und er funktioniert wirklich.

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Die richtige Reflektorfarbe

Eine der beliebtesten Farbkombinationen für Reflektoren ist Silber auf der einen und Gold auf der anderen Seite. Die silberne Seite wird in der Regel für Innen- oder Studioaufnahmen verwendet; die goldene Seite für Außenaufnahmen, weil dadurch sehr warmes Licht – ähnlich dem Sonnenlicht – erzeugt wird. Warum man das warm reflektierende Licht nicht auch im Studio verwendet? Weil das Licht in einem Studio normalerweise recht weiß ist (möglicherweise vom Blitz) und das Gesicht des Models nicht auf einer Seite weiß und auf der anderen Seite golden schimmern soll.

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Enger Bildausschnitt für Außenporträts

Nehmen Sie Porträts unter freiem Himmel auf, wollen Sie, damit diese professionell wirken, die Aufmerksamkeit natürlich auf die Person lenken und störende Hintergrundelemente minimieren. Zwischen Person und Hintergrund soll es eine optische Trennung geben. Am einfachsten geht das, wenn Sie nur eine geringe Schärfentiefe erzeugen. Aktivieren Sie dafür die Zeitautomatik und die kleinstmögliche oder die zweitkleinste Blendenzahl. (Ist die kleinste Blendenzahl f/2.8, dann wählen Sie f/2.8 oder f/3.5.) Dadurch wird der Hintergrund unscharf und der Fokus liegt einzig und allein auf der Person. Diese Technik ist bei professionellen Porträtfotografen für Aufnahmen unter freiem Himmel sehr beliebt.

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SCOTT KELBY

Schatten unter den Augen minimieren

Falls bei der Person, die Sie fotografieren, dunkle Schatten unter den Augen zu erkennen sind (durch zu viel Licht von oben), lassen sich diese mit einem silbernen oder weißen Reflektor minimieren. Platzieren Sie diesen einfach direkt auf Brusthöhe (oder direkt unter dem Kinn), um einen Teil des Lichts zu reflektieren.

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