Bilder und Geschichten

4 2016 Bilder und Geschichten Zugang finden zu Innenwelten 2 I N H A L T 3 EDITORIAL 4 AKTUELL THEMA I M P R E S S U M Journal bso Nr. 4/2016 ...
Author: Detlef Neumann
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Bilder und Geschichten

Zugang finden zu Innenwelten

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I N H A L T

3 EDITORIAL 4 AKTUELL THEMA I M P R E S S U M

Journal bso Nr. 4/2016 Bilder und Geschichten Zugang finden zu Innenwelten Erscheinungstermin: 22. November 2016 Nächste Ausgabe Nr. 1 /2017 Sinn Redaktionsschluss: 4. Januar 2017 Inserateschluss: 27. Januar 2017 Erscheinungstermin: 24. Februar 2017 Auflage 1700 Expl. Erscheint viermal jährlich Herausgeber Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung bso Hildegard Senn Keusen, Geschäftsleiterin Redaktionskommission Sandro Küng Heike Osenger Silvio Sgier Elisabeth Sperandio Francesca Tommasi Redaktion Monika Joss [email protected] Bilder © Marco Zanoni www.marcozanoni.ch Layout und Druck rubmedia, 3084 Wabern /Bern Administration /Inserate Patricia Gfeller, bso Schwarztorstrasse 22, CH-3007 Bern Tel. [+41] 031 382 44 82 Fax [+41] 031 382 44 39 E-Mail: [email protected] Bezugspreise Jahresabonnement CHF 44.– Einzelnummer CHF 11.– Jahresabonnement Ausland CHF 60.– Einzelnummer Ausland CHF 15.– Inserate Preise auf der Basis einer druckfertigen Vorlage 1 /4 Seite CHF 250.– 1 /2 Seite CHF 500.– 1 /1 Seite CHF 900.– Inserate auf Umschlagseiten 3 und 4 im 4-Farben-Druck: 3. Umschlagseite 20% Zuschlag 4. Umschlagseite 30% Zuschlag

6 Es war einmal ein Coach … Geschichten wirkungsvoll einsetzen Bernhard Trenkle 10 Erzählen Sie! Sieben gute Gründe dazu Daniel Duss 14 Cartoon Caroline Schüpbach 15 Wie denken wir? Metaphern zu Beginn einer Beratung Rudolf Schmitt 20 Bilder wirken anders Durch bildhaft-analoge Methoden sich dem Wahrhaften nähern Volker Kiel 24 Ein Kleiderständer voller Geschichten Werdegang eines Geschichtenkuriers Mark Riklin 28 L I T E R A T U R 30 V E R B A N D PRAXIS 35 Aus Systemen der Natur lernen Dunja Al Jabaji im Interview Sandro Küng SERVICE 39 Intervision 40 Weiterbildung 44 M A R K T

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Es war einmal ein

Coach… Geschichten wirkungsvoll einsetzen

Geschichten und Anekdoten können in Beratung und Coaching gezielt eingesetzt werden. Sie dienen als Definition von Coaching selber, können einen Coachee dazu bewegen, seine Haltung zu ändern oder können einer Coachee auf den Weg gegeben werden, um ihr Team zum Nachdenken zu bringen.

Bernhard Trenkle

Geschichten, Metaphern, Gleichnisse, Märchen und Mythen sind so alt wie die menschliche Zivilisation. Alle Kulturen und Weltreligionen kennen sie, Theater und Kino erzählen sie. Politikerinnen und Politiker haben Ghostwriter, die Tausende von Geschichten und Anekdoten in ihrer Datenbank gespeichert haben, um diese nach Bedarf in Reden einbauen zu können. Der Pionier der modernen Hypnotherapie, Milton Erickson, war selbst ein Meister in der Nutzung von Geschichten in seinen Seminaren ebenso wie seinen Therapien. Wenn man heute von potenzial-, lösungsoder ressourcenorientiertem Coaching spricht, wäre das ohne die Vorarbeiten von Erickson nicht denkbar. Erickson erzählte Dinge, die er selbst erlebt hatte. In keinem seiner über 300 Fallbeispiele hat er ein Märchen eingesetzt. Einmal wurde er gefragt, wie er eigentlich Psychotherapie definieren würde. Daraufhin erzählte er eine Geschichte, die man genauso auf die Frage nach der Definition von Coaching erzählen könnte:

Als ich ein junger Mann war, lief ein ausgerissenes Pferd umher. Es war gesattelt und hatte Zaumzeug. Ich fing das Pferd ein, stieg auf und ritt los. Nach längerer Zeit kam ich zu einer Farm, die ich nicht kannte. Die Farmer waren sehr froh, ihr einziges Pferd zurückzubekommen. Sie fragten mich: «Woher hast du gewusst, dass das unser Pferd ist?» Ich antwortete: «Das wusste nicht ich – das wusste das Pferd. Ich habe mich nur in den Sattel gesetzt, die Zügel in die Hände genommen und darauf geachtet, dass das Pferd nicht unnötig lange am Wegrand grast.»

Fallbeispiel – ein neuer Oberbürgermeister kommt

Wie kann eine Geschichte in einem Coaching-Gespräch eingesetzt werden? Dazu möchte ich eine Fallschilderung aus meiner eigenen Praxis geben: In einer deutschen Stadt wird unerwartet ein Oberbürgermeister gewählt, der nicht der seit Jahren führenden Partei angehört. Einer der Amtsleiter dieser Stadt, der bisher anerkanntermassen gute Arbeit geleistet hat, kommt zur Beratung, da er sich vom neuen Oberbürgermeister gemobbt fühlt. Er kommt eher zum Jammern, als dass er einen klaren Beratungsauftrag gibt.

Humorvoll provokativ frage ich ihn: «Gehe ich recht in der Annahme, dass der neue Bürgermeister nicht zusammen mit Ihnen zur Paartherapie kommen wird?» Darüber muss der Amtsleiter lachen. Daran schliesse ich an: «Wissen Sie – obwohl ich auch Hypnotherapeut bin, beherrsche ich die Fernhypnose nicht so richtig und kann den neuen Bürgermeister nicht aus der Ferne positiv beeinflussen. Soweit ich sehe, sind Sie der Einzige, mit dem ich hier arbeiten könnte. Stimmen Sie dem zu?» Der Amtsleiter stimmt dem zu, und ich fahre weiter: «Nun werde ich Ihnen eine persönliche Geschichte erzählen, um zu illustrieren, wie ich mit Ihnen arbeiten könnte: Mein Sohn hatte gleich am ersten Schultag im Gymnasium Pech. Er hatte Kunstunterricht bei einem Lehrer, der einen guten Ruf als Künstler, aber keinen so guten als Pädagoge hatte. Mein Sohn zeigte dem Lehrer stolz ein Bild, das er gemalt hatte. Der Lehrer fragte meinen Sohn: «Welche Note hattest du in der Grundschule?» Mein Sohn antwortete «eine Drei». Der Lehrer erwiderte: «Dann hast du bei mir eine Vier.» Mein Sohn kam weinend nach Hause. Ich war ärgerlich und hatte schon meine Jacke an, weil ich mir den Lehrer in der nahen

Schule «krallen» wollte, bevor er die Schule verlassen konnte. Mein Ärger tat meinem Sohn offensichtlich gut. Ausgehbereit mit der Jacke setzte ich mich zu ihm: «Wenn du willst, gehe ich jetzt los und sag dem Lehrer die Meinung. Ich finde es unmöglich, wie der mit dir umgegangen ist. Aber jetzt habe ich noch eine andere Idee. Du wirst ja mal gross sein und in einer Firma arbeiten. Da gibt es vielleicht einen Chef, der mit dir ähnlich umgeht wie dein Kunstlehrer. So Leute gibt es immer mal. Jetzt überlege, ob ich hingehen und dem Lehrer sagen soll, er soll aufhören, sonst bekomme er Ärger mit mir. Oder ob du den Lehrer zum Üben nehmen willst, dann weisst du schon, wie man mit solchen Leuten später im Leben umgeht.» Nach minutenlangem Schweigen sagte mein Sohn: «Den nehme ich zum Üben.»

Ich habe nie mehr etwas von diesem Lehrer gehört. Mein Sohn hat ihn zum Üben genommen, und in seiner Schullauf bahn erwarb er sich die Reputation, mit den verschiedensten Lehrerinnen und Lehrern geschickt umzugehen. Er hat eben schon früh geübt.» Nach dieser Geschichte fällt es einem 42-jährigen Spitzenbeamten einer grösseren Stadt recht schwer,

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weiter über seinen neuen Oberbürgermeister zu jammern. Wenn ein 10-Jähriger weinend nach Hause kommt und nach kurzer Zeit beschliesst, seinen «verhaltensoriginellen» Lehrer zum Üben zu nehmen, dann fällt es meinem berufserfahrenen ambitionierten Beamten schwer, sich der Idee zu verschliessen, seinen Widersacher ebenfalls zum Üben zu nehmen, um härter im politischen Geschäft zu werden. Wir entwickelten gemeinsam Ideen, wie er dem Oberbürgermeister signalisieren kann: Mich packt ihr nicht. Da müsst ihr einen Dümmeren suchen. Die beste Idee, die wir hatten, war, ein schön gestaltetes Schild an die eigene Bürotür zu hängen: «Ich bin nicht so hart wie Ihr denkt. Ich bin noch viel härter.» Mein Klient blieb noch ein Jahr auf seinem Posten und bewarb sich dann erfolgreich in einer der attraktivsten Städte Deutschlands. Persönliche Geschichten richtig einsetzen

Manchmal werde ich gefragt, ob man wirklich so persönliche Geschichten erzählen kann. Die Antwort lautet: Ja, wenn man gewisse Regeln befolgt. Persönliche Geschichten dürfen keine Geschichten sein im Sinne von «Oh je, das ging mir mal ähnlich schlecht» oder «Wir Männer in Verantwortungsposition haben es heute schwer». Solange Geschichten handlungsorientierte Botschaften wie «Den nehme ich zum Üben» haben, lassen sich ohne Weiteres auch sehr persönliche Geschichten verwenden. Die Geschehnisse sollten zeitlich deutlich in der Vergangenheit liegen, sodass der Erzähler Abstand zum Geschehen hat. Es ist nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal einer guten Geschichte, wenn der Berater, die Beraterin oder Coach mehr weinen muss als der Klient oder die Klientin. In meinem Buch «Dazu fällt mir eine Geschichte ein» habe ich ausgeführt, welche Regeln ich für das Erzählen persönlicher Geschichten über die Jahre gefunden habe. Dazu gehört auch, dass ich meine Kinder schon als Kinder und später noch einmal als Erwachsene gefragt habe, ob ich diese Geschichten erzählen darf, wenn sie jemand andererem helfen können. Geschichten aus Sammlungen einsetzen

Wer Geschichten für den Wirtschafts- und Coachingbereich sucht, dem empfehle ich auch Bücher für Redenschreibende. Es gibt den Klassiker «Podium Humor» von James Humes. Humes hat für fünf amerikanische Präsidenten Reden geschrieben. In diesem Buch öffnet er seinen «Zettelkasten» und zeigt, wie man Geschichten gekonnt in Reden einbauen kann. Die Geschichten von Humes konnte ich immer wieder hervorragend nutzen, wie ich mit dem folgenden Fallbeispiel zeigen möchte:

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Eine Coachee stellt ihre Fragestellung vor: «Meine Kollegen in der Firma sind zurzeit wie versessen auf ein neues Projekt. Ich halte das Projekt für hochriskant. Sie sind wie im Jagdfieber, Einwände werden nicht gehört. Ich riskiere, als Miesmacherin aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, obwohl wir schon einmal mit einem ähnlichen Konzept kräftig auf die Nase gefallen sind. Irgendwie muss ich wohl mit ungewöhnlichen Methoden ran. Haben Sie Ideen, vielleicht mit einer Ihrer Geschichten oder einem provokativen Witz?» Coach: «Es gibt eine Geschichte, die ich so ähnlich im Buch ‹Podium Humor› gefunden habe. Die Geschichte hat sich auch schon bewährt, wenn sich jemand aus dem Freundeskreis zum dritten Mal auf einen bestimmten Typ von Partner einlässt und man von aussen sieht, dass dies vermutlich wieder in einer Enttäuschung enden wird. Vielleicht könnte die Geschichte im richtigen Moment auch Ihr Team zum Nachdenken bringen: Drei Elchjäger gehen auf Jagd und mieten sich ein Privatflugzeug. Wie der Pilot sie sieht mit ihrer schweren Ausrüstung, sagt er gleich, dass sie auf dem Heimflug mit dieser Maschine höchstens einen Elch mitnehmen können. Sie schiessen aber zwei Elche. Sie lassen einen Teil der Jagdausrüstung zurück, sie opfern ihre Schuhe, die meisten Anziehsachen, die letzte Cola-Dose fliegt aus der Maschine, und einer lässt sogar sein schweres Gewehr zurück. Der Pilot wagt einen Start und schafft es auch – beinahe. Das Flugzeug hebt ab, aber streift mit einem Rad noch einen Baumwipfel, und nach einem kurzen Kampf um die Stabilität schmiert die Maschine ab. Der Pilot schafft noch eine halbe Notlandung in den Sümpfen. Das Flugzeug zerbricht in zwei Teile. Zwei Jäger landen nebeneinander angeschnallt mit dem Sitz im Sumpf, und der eine sagt ganz benommen zum anderen: «Wo sind wir?». Der andere antwortet: «Ich schätze, etwa 200 Meter von der Stelle entfernt, wo wir letztes Jahr abgestürzt sind.»

Diese letzte Geschichte ist sicher sehr provokativ, aber manchmal helfen nette Geschichten nur bedingt. Bei den Sufis – den Mystikern des Islams – habe ich den Spruch gefunden: Manchmal hilft dir im Leben ein intelligenter Mensch als Feind mehr als ein Idiot als Freund. Geschichten können informativ sein, dürfen auch mal provokativ sein und können immer wieder kleinere und grössere Denkanstösse bei Einzelnen und ganzen Teams bewirken.

Bernhard Trenkle, Dipl.-Psych., Dipl.-Wi.-Ing., President-Elect der International Society of Hypnosis, 1999 Lifetime Achievement Award Milton Erickson Foundation, USA. Bestseller-Autor, seit 1986 eigenes Institut in Rottweil. [email protected]

LITERATUR • Trenkle, B (2014), 2. Auflage: Dazu fällt mir eine Geschichte ein. Direkt-indirekte Botschaften für Therapie, Beratung und über den Gartenzaun. Heidelberg: Carl-Auer.

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