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Bilder, Bilder, Bilder Die Sammlung Neue Medien Baselland dotMov.bl: Eine Kunstsammlung der bewegten Art Das Chessiloch – Ort der Erinnerung an die «Urkatastrophe» von 1914 Nathalie Buchli: Kultur- und neu Theatermanagerin im Palazzo

REMEMBER MY NAME Im Wettlauf gegen den technologischen Fortschritt: Baselland und das Videoband Die aktuelle Ausgabe von GPS widmet sich der Sammlung dotMov.bl, der Sammlung der bewegten Bilder des Kantons Baselland. Dieser Schwerpunkt kommt nicht von ungefähr: Die Fachkommission Kunst Baselland hat auch im vergangenen Jahr wieder Arbeiten für die Sammlung dotMov.bl angekauft und führt damit eine Sammeltätigkeit fort, die seit Ende der Neunzigerjahre besteht. Die Initiative ging von der Künstlerin Andrea Iten aus, einem Mitglied der damaligen Fachkommission Kunst. Mit der Sammlung sollte der Fragilität des Trägermediums und der Schwierigkeit der Vermittelbarkeit von Videoarbeiten Rechnung getragen werden. Der technologische Umbruch von den herkömmlichen VHS-Bändern auf die digitale Aufnahmetechnik stand damals vor der Tür. Es stellte sich somit die dringende Frage, wie die zahlreichen Videobänder auch in Zukunft abgespielt und gelesen werden könnten – wie das bewegte Bild die rasante technologische Entwicklung überdauern würde. Das Problem war für die Fachkommission Kunst umso dringlicher, als das Videoschaffen der Achtzigerjahre in der Region und darüber hinaus längst breite Anerkennung genoss. Seit Beginn der Sammeltätigkeit sind rund 15 Jahre vergangen; in dieser Zeit konnten über 220 Arbeiten des bewegten Bildes, die heute auf www.dotmov.ch zugänglich sind, vom Kanton Basel-Landschaft erworben werden. Mit der Umstellung auf digitale Aufnahmeverfahren seit den späten Neunzigerjahren haben sich die Schwierigkeiten des Erhalts und der zukünftigen Abspielbarkeit der Arbeiten allerdings kaum entschärft. Wurden früher die Magnetbänder regelmässig umkopiert, so fordert der rasche technologische Wandel nun denselben Vorgang für die digitalen Daten und ihre Trägermedien. Die Geschichte von dotMov.bl wird aber nicht nur durch Erhaltungsarbeiten, sondern auch durch Neuankäufe fortgesetzt. Die Fachkommission Kunst Baselland hat im Jahr 2013 elf Videoarbeiten angekauft, die an der ERNTE 2014, der Ausstellung der Kunstankäufe des Kantons, im Kunsthaus Baselland gezeigt werden. Die Vernissage zur ERNTE 2014 findet am Freitag, 11. April 2014 um 19 Uhr statt. Die neuen dotMov.bl-Arbeiten werden zwischen den regulären Kunstankäufen des Kantons und der Solo-Position, einer Einzelausstellung von Martin Chramosta, präsentiert – und bieten in ihrer ganzen Breite einen Einblick ins regionale Schaffen mit dem bewegten Bild. Mit Blick auf die Vergangenheit und die Zukunft ist festzuhalten: keine Sammlung und keine ERNTE ohne Kunstschaffende und ohne Fachkommission Kunst, ohne professionelles Umfeld, ohne kulturpolitischen Auftrag und ohne Bildungsmöglichkeiten – auch ausserhalb der Schweiz.

FAME

Bernadette Hauert, kulturelles.bl/Ressort Kunst und Musik

DAS MUSICAL

IDEE UND ENTWICKLUNG: DAVID DE SILVA, BUCH: JOSÉ FERNANDEZ, SONGTEXTE: JACQUES LEVY, MUSIK: STEVE MARGOSHES TITELSONG «FAME»: DEAN PITCHFORD UND MICHAEL GORE, DEUTSCHE FASSUNG: FRANK THANNHÄUSER UND IRIS SCHUMACHER Presenting-Sponsor

THEATER BASEL

www.theater-basel.ch ɻȜǛĿƴǐˬǒȕƴŢȰƖĸȜƴƴȜȣȣ

GPS SPOT

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dotMov.bl: Eine Kunstsammlung der bewegten Art

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GPS MAIL

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GPS FUNDSTÜCK

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Nathalie Buchli, Co-Leiterin des Theaters Palazzo

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GPS NAMEN & KÖPFE Impressum

BEILAGE

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GPS Magazin Kulturpolitische Orientierung und Basis für eine glaubwürdige Kulturpolitik. Erscheint dreimal im Jahr

GPS kultur.bl 2.0 Responsetool und Diskussionsforum – zeitgerecht, zeitgemäss, direkt. Auf Facebook Grafik Theater Basel

Medienpartner

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GPS Standpunkt Aktuelle und spontane Klarstellungen, Einsprüche, Antworten – was es zu sagen gibt. Auf www.kulturelles.bl.ch

WEITERE VORSTELLUNGSTERMINE: 23.03./01.04./10.04./13.04./16.04./27.04./29.04./24.05.2014

DIESE PRODUKTION WIRD PRÄSENTIERT MIT GENEHMIGUNG VON JOSEF WEINBERGER LIMITED FÜR MUSIC THEATRE INTERNATIONAL, NEW YORK VERTRETUNG FÜR DIE SCHWEIZ: MUSIKVERLAG UND BÜHNENVERTRIEB ZÜRICH AG, ZÜRICH

Inhalt

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Das Dichter- und Stadtmuseum Liestal, kurz DISTL, geht auf das 1946 gegründete Dichtermuseum zurück. Ausgangspunkt der im dritten Stock des Liestaler Rathauses untergebrachten Sammlung war der Nachlass des deutschen Schriftstellers und Revolutionärs Georg Herwegh und seiner Frau Emma Herwegh-Siegmund. Nach und nach folgten weitere Nachlässe sowie die Erweiterung zum Stadtmuseum und schliesslich, im Jahr 2001, platznotbedingt der Umzug ins Bussmannshaus an der Rathausgasse 30. Dort lassen sich kurzweilige Stunden oder gar Tage verbringen, sei es in den Dauer- und Sonderausstellungen des DISTL, sei es in dessen Kaffee-Ecke oder im Buchantiquariat Poete-Näscht, beim privaten Partner des Museums. Und an manchen Abenden verwandelt sich das sonst eher stille DISTL in eine turbulente Wettkampfstätte: wenn sich Wortkünstlerinnen und -künstler aus der ganzen Schweiz zu den Liestaler Poetry Slams treffen und sprachkreativ miteinander ringen. Um den Applaus des Publikums – und die begehrte Flasche Whisky. www.dichtermuseum.ch

BILD: CHRISTIAN FLIERL

GPS SPOT

DOTMOV.BL: EINE KUNSTSAMMLUNG DER BEWEGTEN ART

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Von Arbeiten aus der Pionierzeit des Videoschaffens bis hin zu aktuellen Werken junger Videokünstlerinnen und Medienkünstler: Mit dotMov.bl, der Sammlung Neue Medien Baselland, verfügt der Kanton über ein einzigartiges und professionell betreutes Konvolut von Werken des regionalen Video- und Medienkunstschaffens sowie von dokumentarischen Videoarbeiten. Die Sammlung wurde Ende der 1990er-Jahre als eine der ersten ihrer Art lanciert und ist mittlerweile auf über 220 Werke oder eine Datenmenge von 2,4 Terabyte angewachsen. An drei Visionierungsstationen im Kunsthaus Baselland, in der Kunsthalle Palazzo Liestal sowie in der Kantonsbibliothek Baselland und in Ausschnitten auch übers Internet sind die Werke der Sammlung öffentlich zugänglich. — Dominique Spirgi (Text) und Christian Flierl (Porträtfotos)

SEIT DEN ANFÄNGEN DER SAMMLUNG VERANTWORTLICH FÜR DIE SICHERUNG DER WERKE: REINHARD MANZ, GRÜNDUNGSMITGLIED DER VIDEOGENOSSENSCHAFT BASEL, GESCHÄFTSFÜHRER VON POINT DE VUE UND DOZENT AN DER HGK BASEL.

«Making Visible» Auf eine eigene Museumssammlung, aus der sich auch in kürzerer Zeit eine Ausstellung hätte zusammenstellen lassen, konnte sie nicht zurückgreifen. «Aber ich wusste, dass der Kanton Baselland über einen wunderbaren Kunstschatz verfügt.» Gemeint ist die Sammlung Neue Medien Baselland mit dem Namen dotMov.bl, die heute über 220 Werke aus dem regionalen Video- und Medienkunstschaffen in sich vereint. Dieser Umstand ermöglichte es der neuen Direktorin, innert weniger Wochen eine Video- und Medienkunst-Ausstellung auf die Beine zu stellen, die auf hohe Resonanz stiess. «Making Visible» lautete gemäss Goldbachs Absicht, die Sammlung mit 20 ausgewählten Werken für ein breiteres Publikum sichtbar zu machen, der Titel der Ausstellung. Die Ausstellung zeigte denn auch deutlich, dass dotMov.bl weit mehr ist als ein Pflichtarchiv der regionalen Video- und Me-

dienkunst – eine Umschreibung, die im ersten Moment ziemlich unspektakulär klingt. «Making Visible» belehrte die Besucherinnen und Besucher eines Besseren. Sie zeigte vor allem auf, dass die Region Basel auf diesem Gebiet einmal eine wichtige Rolle gespielt hat und zum Teil noch immer spielt. Mit Pipilotti Rist, Stefan Schwietert, Herbert Fritsch und Rémy Zaugg waren im Kunsthaus Baselland Namen vertreten, die man durchaus auch in Berlin, London oder New York kennt. Und mit der bereits erwähnten Künstlerin Anna Winteler, mit Reinhard Manz,

BILD: ZVG

Mit tänzerischen Schritten bewegt sich die junge Frau langsam entlang des menschenleeren Kleinbasler Rheinufers von der Mittleren Brücke her kommend stromaufwärts. Die Kamera begleitet den elegant gestelzten Gang der Tänzerin in Minirock und hochhackigen Stiefeln, die ihr bis zu den Knien reichen. Nach und nach entledigt sie sich ihrer Kleider, ohne dabei ihren Gang zu unterbrechen. Die auf den relativ blassen und körnigen Schwarz-Weiss-Bildern erkennbare Umgebung und die auf der Strecke geparkten Autos machen deutlich, dass die Aufzeichnung der Kunstperformance mit dem Titel «Le petit déjeuner sur la route d’après Manet» schon einige Jahre zurückliegen muss. Tatsächlich ist 1979 das Entstehungsjahr des 22-minütigen, tonlosen Videokunstwerks von Anna Winteler, das neben weiteren Werken Ende 2013 als Projektion im Kunsthaus Baselland zu sehen war. Als Ines Goldbach im August 2013 ihr Amt als neue Direktorin des Kunsthauses Baselland antrat, musste sie sich etwas einfallen lassen. Noch war im Haus die letzte Ausstellung ihrer Vorgängerin zu sehen, aber ab Ende September wären die Räume neben dem Sportareal St. Jakob an der Birs bis zum Beginn der REGIONALE-Ausstellung für über einen Monat leer gestanden. «Das Zeitfenster war sehr knapp, aber ich wollte dennoch ein erstes Zeichen setzen und zugleich etwas zeigen, was spezifisch ist für den Kanton Baselland», sagt sie rückblickend. Und das gelang ihr.

Digitale Speichermedien: Von Digibeta-Bändern bis zur Festplatte Digitale Speichermedien haben gegenüber analogen den Vorteil, dass sich Bild- und Tonqualität der Videos nicht abnützen, da sie die Aufnahmen eben in digitalen Signalen festhalten. Dadurch lassen sich die Daten auch ohne merklichen Qualitätsverlust kopieren – im Prinzip zumindest. Denn auch digitale Speichermedien können bei unsachgemässer Handhabung oder Lagerung beschädigt werden, auch sie unterliegen in der rasch voranschreitenden digitalen Revolution einer kurzen Halbwertzeit. Massgebende Aufgabe des dotMov.bl-Programms ist es aber, die Videos auf digitalen Speichermedien für die Nachwelt zu sichern. Das geschieht zum einen auf dem Videoformat Digital Betacam oder kurz Digibeta, dem meistgenutzten Speichermedium der Fernsehtechnik. Seit die Videos häufig auch in Full-HD Auflösung produziert werden, sind Festplatten das Speichermedium. Für dot.Mov.bl wird der Videocodec ProRes von Apple verwendet. Die Sammlung umfasst bisher 2.4 Terabyte. G PS KU LTU R.B l M a g a zin | 11 | 2.2 014

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Wer sich auf der Webseite dotmov.ch durch die Liste der Künstlerinnen und Autoren liest, wird auf einige weitere, über die Grenzen der Region hinaus bekannte Namen stossen. Aber auch auf jene von jungen Künstlerinnen und Künstlern, deren Bekanntheitsgrad noch anwächst. der bei Wintelers Arbeit übrigens die Kamera geführt hatte, mit René Pulfer oder Erich Busslinger kamen Namen von Künstlerinnen oder Dokumentarfilmern hinzu, die Ende der Siebzigerund Anfang der Achtzigerjahre mit dem damals neuen Medium Video in der Schweiz Pionierarbeit leisteten.

BILD: ZVG

Bekannte Namen der Video- und Medienkunst Wer sich auf der Webseite dotmov.ch durch die Liste der Künstlerinnen und Autoren liest, wird auf einige weitere, über

Von der 1/2-Zoll-Offenspule bis VHS: Als die elektronischen Bilder laufen lernten Kaum mehr vorstellbar im Youtube- und HDTV-Zeitalter, aber es ist noch nicht so lange her, dass Videos auf analoge Magnetbänder aufgezeichnet und über sie abgespielt wurden. VHS, VCR, U-matic, Betamax oder Betacam hiessen die Videosysteme, die in den 1970erJahren von verschiedenen Anbietern (JVC, Grundig und Philips oder Sony) auf den Markt gebracht wurden, die damit einen eigentlichen Formatkrieg lostraten. Viele der in den 1980er-Jahren entstandenen Videokunstwerke oder -dokumentationen der dotMov.blSammlung wurden mit dem U-matic-System aufgenommen, das neben Betacam im professionellen Bereich zum Einsatz kam. Bei noch älteren Werken waren 1/2-Zoll-Offenspulen das Ursprungsmedium. Nachteil dieser auf analoger Technik fussenden Videosysteme ist, dass sie störungsempfindlich sind, sich die Bänder mit der Zeit abnützen und die Bild- und Tonqualität dadurch stark beeinträchtigt wird. Abgesehen davon sind gut funktionierende Abspielgeräte für die veralteten Videoformate nicht mehr leicht aufzutreiben. Für die Restaurierung müssen alte Bänder aber noch einmal optimal abgespielt werden können, um sie möglichst verlustfrei zu digitalisieren. 8

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die Grenzen der Region hinaus bekannte Namen stossen. Aber auch auf jene von jungen Künstlerinnen und Künstlern, deren Bekanntheitsgrad noch anwächst. Stetig am Wachsen ist auch die Sammlung, die gegenwärtig 226 Werke vereint: Ein- und Mehrkanalvideos, computergenerierte sowie installative Arbeiten, verfilmte Kunstperformances, Animationsfilme, politisch engagierte Zeitdokumente und aktuelle dokumentarische Arbeiten, schummrige Schwarz-Weiss-Videos aus den Siebzigerjahren, also quasi Werke aus dem Paläozoikum des Videoschaffens, und HDTV-Werke der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. Aber eigentlich umschreibt der Begriff Sammlung, wenn man ihn im herkömmlichen Sinn versteht, das Wesen des Konvoluts nur ungenau. «Wir kaufen für dotMov.bl nicht eigentlich die Werke an, sondern lediglich eingeschränkte Nutzungsrechte, die uns ermöglichen, die Videos und Medienkunstwerke an den drei Dokumentationsstellen im Kunsthaus Baselland, in der Kunsthalle Palazzo in Liestal und in der Kantonsbibliothek Baselland sowie in Ausschnitten auf der Internetseite von dotMov.bl zeigen zu dürfen», sagt Bernadette Hauert, Verantwortliche des Ressorts Kunst und Musik der Abteilung kulturelles.bl des Kantons. Dennoch behütet der Kanton die Werke so, als ob sie sich in seinem Besitz befänden. Über den Erwerb der Nutzungsrechte, die Dokumentation und Präsentation hinaus legt er nämlich besonderen Wert auf die technische Sicherung der Arbeiten – ein überaus wichtiger Aspekt des Projekts, denn kaum ein anderes künstlerisches Medium ist einem vergleichbar schnellen Wandel unterworfen. Analoge Trägerformate aus der Urzeit des Videoschaffens, wie U-matic, Betacam oder VHS, sind längst hoffnungslos veraltet und ihre Halbwertzeit erschreckend kurz. Ohne die sorgfältige konservatorische Betreuung der Sammlung, namentlich zum Beispiel das Überspielen der Werke auf aktuelle Speichermedien wie Digital Betacam oder auf eine Harddisk, und ohne Restaurierungsarbeiten, zu denen zum Beispiel die Reinigung der Bänder gehört, gingen die Arbeiten mit der Zeit verloren – oder wären zum Teil bereits verloren gegangen. Konservatorische und kuratorische Betreuung Verantwortlich für die Sicherung der Werke ist seit der Lancierung der Sammlung der Basler Videopionier Reinhard Manz, Gründungsmitglied der Videogenossenschaft Basel, der Vorgängerorganisation des heutigen Unternehmens für audiovisuelle Produktionen «point de vue», dessen Geschäftsführer er ist, und Dozent für Video und Interaktion an der HGK Basel. Mit Manz konnten die Verantwortlichen eine Persönlichkeit mit

INES GOLDBACH, DIREKTORIN DES KUNSTHAUSES BASELLAND. SIE ZEIGTE 2013 MIT DER AUSSTELLUNG «MAKING VISIBLE», DASS DOTMOV.BL MEHR IST ALS EINE PFLICHTSAMMLUNG DER REGIONALEN VIDEO- UND MEDIENKUNST.

SIE GEHÖRTE ZUM ZWEITEN KURATORINNEN-TEAM – ALS DIE SAMMLUNG NOCH «MEDIATHEK DER BASELLANDSCHAFTLICHEN KUNST-

DER VIDEOKÜNSTLER MAX PHILIPP SCHMID IST SEIT 2012 FÜR DIE SAMMLUNG NEUE MEDIEN VERANTWORTLICH. ER IST AUCH MITGLIED DER

SAMMLUNG» HIESS: SARAH DERENDINGER, FILMEMACHERIN UND MEDIENKÜNSTLERIN.

FACHKOMMISSION KUNST DES KANTONS BASEL-LANDSCHAFT.

«Natürlich gibt es Künstlerinnen, Künstler und Arbeiten, die ich bereits kenne, aber ich habe auch den Ehrgeiz, in der jungen Videoszene auf Entdeckungstour zu gehen.» Eine wichtige Hilfe hierbei ist die umfassende Datenbank der Dokumentationsstelle für Künstlerinnen und Künstler in der Region Basel – Dock; auf gewisse Arbeiten stösst Schmid auch im Internet; aber nach wie vor besteht laut Schmid ein wichtiger Teil der Recherchearbeit im «intensiven Besuch von Ausstellungen». Drei Kuratorinnen, ein Kurator Schmid ist der vierte Kurator von dotMov.bl und der erste Mann, der die Sammlung inhaltlich betreut. Im Jahr 2011 hat er diese Aufgabe von der Medienkünstlerin Bettina Grossenbacher übernommen. Und zuvor, von 2002 bis 2007, war die bekannte Schweizer Filmemacherin und Medienkünstlerin Sarah Derendinger zuständig (auch sie ist mit mehreren Arbeiten in der Sammlung vertreten, unter anderem mit dem vielbeachteten Dokumentarfilm «Familientreffen» aus dem Jahr 2009 über die Probearbeit der Theaterfamilie von Christoph Marthaler für ein spezielles Jubiläumsprojekt des Hotels Waldhaus in Sils). Derendinger bildete zusammen mit der Kunsthistorikerin Sybille Roten nach Andrea Iten das zweite Kuratorinnenteam der Sammlung, die damals noch mit der Bezeichnung «Mediathek der basellandschaftlichen Kunstsammlung» umschrieben wurde und den Namen «Review» trug. Ihre spezielle Aufgabe

sah sie darin, die Sammlung aus der Pilotphase herauszuführen mit dem Ziel, sie zu einem «visuellen Archiv zu erweitern», wie sie 2004 in einem Interview mit der «Gazette» erklärte, dem Vorgängermagazin des heutigen GPS. Das war zu einer Zeit, als digitale Speichermedien für bewegte Bilder immer wichtiger wurden. «Dadurch war der Träger des Bildes nicht mehr entscheidend», sagt sie. Aus der Videosammlung der Anfangsjahre wurde so ein Archiv des bewegten Bildes. Sarah Derendinger sorgte als Kuratorin unter anderem dafür, dass ihre Vorgängerin Andrea Iten und – was sie damals natürlich noch nicht wissen konnte – ihre Nachfolgerin Bettina Grossenbacher und der aktuelle Sammlungskurator Max Philipp Schmid mit Werken Eingang in das Konvolut fanden. Eine der damals in die Sammlung aufgenommenen Arbeiten von Schmid, die 3-Kanal-Video-Installation «Nebenhelden» aus dem Jahr 2002, wurde ebenfalls an der eingangs erwähnten Ausstellung «Making Visible» gezeigt. Schmid löst in diesem hintersinnigen Werk Nebenfiguren aus Katastrophenfilmen heraus und stellt sie auf drei Kanälen in den Vordergrund. Die vom stummen Entsetzen geprägten Gesichter, die in den ursprünglichen Filmen lediglich als Staffage für die handelnden Helden dienen, werden somit in den Mittelpunkt gerückt, aus den Nebenfiguren werden eben «Nebenhelden». Zu den wertvollen Schätzen von dotMov.bl gehören die frühen Arbeiten. Etwa das «Schnipp-Video» des Basler Künstlers

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an Bord holen, die sich nicht nur in technischen Belangen bestens auskennt. Er ist auch wie kaum ein anderer auch mit der Szene und der Geschichte des Videoschaffens in der Region vertraut: Als Lehrer für Film und Video an der Schule für Gestaltung Basel (ab 1979), als einer der ersten Dozenten der in den Achtzigerjahren eingerichteten Klasse für Audiovisuelle Gestaltung (die so viele wichtige Protagonistinnen und Protagonisten der Szene hervorgebracht hat), als Mitorganisator der legendären internationalen Videowochen im Riehener Wenkenpark und als Autor von Kunstvideos und Dokumentarfilmen hat er massgeblich dazu beigetragen, dass sich Basel in den Siebziger- und Achtzigerjahren den Ruf als Schweizer Pionierstadt der Videokunst einhandeln konnte. Aber natürlich geht es erst einmal darum, Werke für die Sammlung auszuwählen, also um die inhaltliche beziehungsweise kuratorische Betreuung von dotMov.bl. Aktuell dafür verantwortlich ist Max Philipp Schmid. Der 1962 in Basel geborene Videokünstler ist selber mit mehreren Arbeiten in der Sammlung präsent und als Mitglied der Fachkommission Kunst des Kantons seit gut anderthalb Jahren für die Sammlung Neue Medien zuständig. «Ich habe zwei Jahre Zeit, Arbeiten zu suchen, eine Auswahl zu treffen und als Ankaufsvorschläge in die Fachkommission einzubringen», sagt er. Die Zusammenstellung der Werkauswahl ist mit nicht unerheblichen Recherchearbeiten verbunden, wie Schmid erklärt.

Präsentation im Internet: Von Flash auf HTML 5 Die Werke der dotMov.bl-Sammlung sind an drei Visionierungsstationen öffentlich zugänglich: in der Kunsthalle Palazzo in Liestal, im Kunsthaus Baselland in Muttenz und in der Kantonsbibliothek in Liestal. In Ausschnitten und in reduzierter Auflösung sind die Arbeiten, soweit die Autoren die Berechtigung dazu erteilt haben, überdies im Internet (www.dotmov.bl.ch) zu sehen. Gestaltet wurde der Webauftritt von der Medienkünstlerin und Grafikerin Esther Hunziker (auch sie ist mit mehreren Werken in der Sammlung vertreten). Die Webseite wird neu HTML-5-fähig aufgeschaltet, sodass die Videos und die Informationen auch auf Tablets und Smartphones angeschaut werden können.

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Die Antike für Kulturgeniesser.

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Ohne die sorgfältige konservatorische Betreuung der Sammlung, namentlich zum Beispiel das Überspielen der Werke auf aktuelle Speichermedien wie Digital Betacam oder auf eine Harddisk, und ohne Restaurierungsarbeiten, zu denen zum Beispiel die Reinigung der Bänder gehört, gingen die Arbeiten mit der Zeit verloren – oder wären zum Teil bereits verloren gegangen.

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Guido Nussbaum aus dem Jahr 1987. Das Video zeigt den Rumpf des Künstlers, der mit Fingerschnippen die Farbe des Hintergrunds ändern kann. Das «Schnipp-Video» nimmt damit gewissermassen die später entstehenden interaktiven Medienkunstarbeiten voraus. Oder der im selben Jahr entstandene künstlerische Musicclip «I am not the girl, who misses much» von Pipilotti Rist, ein Werk, das sie noch als Studentin der legendären,

Der Lauf der elektronischen Welt: Die grosse Herausforderung Die rasende elektronische Entwicklung, die digitale Revolution reisst auch die Kunst, die sich entsprechender Medien bedient, mit sich. Je schneller die Entwicklung voranschreitet, desto kürzer wird die Halbwertzeit der Werke. Malende oder bildhauerisch tätige Künstlerinnen und Künstler können sich seit Jahrhunderten auf die Verfügbarkeit und Funktionalität ihrer Werkzeuge verlassen. Die Arbeitsinstrumente von Medienkünstlerinnen und Videokünstlern werden indes von der Hardund Softwareindustrie kontrolliert. Analoge Videobänder lassen sich nur noch auf veralteten Geräten abspielen. Röhrenbildschirme als Teile von Installationen oder für die Wiedergabe älterer Videos lassen sich nicht mehr durch neue ersetzen, computergenerierte Werke erleiden ein Blackout, wenn die ihnen zugrunde liegende Softwareversion inkompatibel wird. Konservatorinnen und Restauratoren sehen sich also Herausforderungen gegenüber, die es früher nicht gab. Ist es zum Beispiel statthaft, ein altes Schwarz-WeissVideo auf einem neuen Flachbildschirm zu zeigen? Traditionelle Wertmassstäbe des eindeutigen und vor allem einzigartigen Charakters des Original-Kunstwerks müssen neu definiert werden. 14

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von René Pulfer geleiteten Klasse für Audiovisuelle Gestaltung an der damaligen Schule für Gestaltung schuf – eine Klasse, die viele heute renommierte Videokünstlerinnen hervorgebracht hat. Unter anderem auch Muda Mathis und Käthe Walser, die im Video «Das Messer im Kompott» von 1988 auf witzig-anarchische Weise die Hausarbeit verherrlichen bzw. deren traditionelles Bild aufs Korn nehmen. Dokumente der Kulturgeschichte Wunderbare Zeitdokumente sind die noch früher entstandenen Arbeiten von Reinhard Manz und Claude Gaçon, die das Video zu einer Zeit, als es noch kein Lokalfernsehen gab, als Medium der Gegenöffentlichkeit nutzten. So etwa der 1984 gedrehte und erst 2000 geschnittene Videofilm «Nägeli und Beuys», der dokumentiert, wie Joseph Beuys und Klaus Staeck in einem Akt der Solidarität an die deutsch-schweizerische Grenze in Riehen pilgerten, als Harald Nägeli, bekannt als der Sprayer von Zürich, von den deutschen Behörden an die Schweiz ausgeliefert wurde. Beuys nutzte die anwesende Kamera, um anhand der Auslieferung Nägelis seine Kunsttheorie zu erläutern. Oder die Videos «AJZ. Es herrscht wieder Frieden im Land» von 1981 über die Räumung des Autonomen Jugendzentrums AJZ in Basel und «Alternativ ist nur der Lohn» von 1980 über die Gründungszeit des Kulturhauses Palazzo in Liestal. Nicht als Akt der Gegenöffentlichkeit gedacht war der Dokumentarfilm «Die Alte Stadtgärtnerei Basel» von Michael Koechlin aus dem Jahr 1988. Die Produktion, die der spätere baselstädtische Kulturverantwortliche für den Südwestfunk Baden-Baden schuf, nimmt aber dennoch ziemlich klar Stellung zugunsten der vertriebenen Besetzerinnen und Besetzer des Geländes, auf dem sich heute der St. Johanns-Park befindet. Gerade durch ihre nicht auf strenge Objektivität bedachte Art sind diese Werke zu wichtigen Dokumenten der Basler Kultur- und Zeitgeschichte geworden. Viele dieser frühen Werke wurden von Andrea Iten zusammengetragen. Die Lancierung der Mediathek der basellandschaftlichen Kunstsammlung geht auf die Initiative der Künstlerin zurück. Als Mitglied der Fachkommission Kunst des Kantons sei sie Ende der Neunzigerjahre wiederholt mit dem Umstand konfrontiert worden, dass für die Sammlung des Baselbieter Kunstkredits zwar vermehrt Videoarbeiten angekauft wurden, man aber nicht richtig gewusst habe, wie mit diesen Arbeiten umzugehen sei, erinnert sie sich. «Wir schlugen uns mit Fragen herum, wie und wo die angekauften Arbeiten zu lagern

AUF IHRE INITIATIVE HIN WURDE DIE MEDIATHEK DER BASELLANDSCHAFTLICHEN KUNSTSAMMLUNG, DIE HEUTE «DOTMOV.BL» HEISST, EINGERICHTET: ANDREA ITEN, FREISCHAFFENDE KÜNSTLERIN IN BASEL UND BERLIN.

BILD: PEDRO WIRZ

sind und wo man sie im besten Fall zeigen kann.» In einer Mitteilung zur Präsentationsausstellung der Kunstankäufe des Kantons, ERNTE 08 – damals wurden in einer kleinen Sonderschau frühe Werke aus der dotMov.bl-Sammlung gezeigt, heisst es dazu: «Während die durch den Kanton Baselland angekauften Arbeiten der ‹traditionellen Medien› wie Malerei, Skulptur oder installative Arbeiten den Weg via Verwaltungsräumlichkeiten in die Öffentlichkeit finden, fristen Arbeiten im Bereich Neue Medien allzu oft ihr Dasein als ‹Depotleichen› in den Sammlungsarchiven.» Dem wollte Iten entgegenwirken. Also verfasste sie ein Konzept, das den Aufbau der Sammlung beinhaltete, die viele Jahre später den Namen «dotMov.bl» erhalten sollte. «Dieser Vorschlag wurde zuerst zwar mit grosser Skepsis aufgenommen, aber Niggi Ullrich und der damals zuständige Regierungsrat Peter Schmid kamen mit der Zeit zum Schluss, dass man das Wagnis eingehen sollte», erinnert sich Iten. Die Folge war ein Kredit für den Ankauf von 50 ersten Arbeiten bzw. Nutzungsrechten als Grundstock für die neue Sammlung bzw. Mediathek. «Das war eine sensationelle Ausgangslage, ich konnte aus dem Vollen schöpfen.» Von Künstlerinnen und Künstlern geschätzt Andrea Iten, auch sie übrigens wie ihre Nachfolgerin Sarah Derendinger Absolventin der hier bereits mehrfach erwähn-

ten Klasse für Audiovisuelle Gestaltung an der Schule für Gestaltung, war es auch, die Reinhard Manz für die konservatorische Mitarbeit anfragte. Der Geschäftsführer von «point de vue» hatte bereits Erfahrungen mit dem Restaurieren und Sichern der eigenen Videoarbeiten sammeln können und erwies sich so als Idealbesetzung für die Aufgabe. «Bei uns werden alle Arbeiten in Master-Qualität gesichert», erklärt Manz. Zusätzlich werden Belegexemplare für die Autoren erstellt – ein Angebot, dass die Künstlerinnen und Künstler sehr schätzen, wie Manz sagt. Wie überhaupt das Wohlwollen der Autorinnen und Autoren gegenüber dotMov.bl (welche die Werke nicht nur öffentlich zugänglich macht, sondern sie auch für die Zukunft sichert) sehr gross sei. Bedenken, dass ein Werk beim Überspielen auf einen neuen Datenträger seine Aura des Originals einbüssen könnte, gebe es keine. «Auch der orthodoxeste Künstler würde nicht auf die ursprünglichen Bänder zurückgreifen», sagt Manz. Ganz abgesehen davon, dass es immer schwieriger wird und bald womöglich schier unmöglich sein dürfte, für alte Formate wie U-matic oder VHS überhaupt noch Abspielgeräte aufzutreiben. Der aktuelle Kurator der Sammlung, Max Philipp Schmid, bestätigt Manz’ Aussage. «Die Sammlung hat in Künstlerkreisen einen sehr guten Ruf, wir stossen mit unseren Anfragen stets auf grosses Entgegenkommen», sagt er. Neben dem Umstand, dass die Werke professionell gesichert und archiviert wer-

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GPS MAIL AUS NEW YORK Dank einem Stipendium des «iaab» bin ich seit Mitte Januar in New York – und bleibe hier bis Ende Juni. Die Stadt ist fantastisch. Ich bin zum ersten Mal hier. Nicht nur in New York, sondern überhaupt in Amerika. Es gibt extrem viel zu sehen und zu machen – fast schon zu viel ... Es ist ja sehr einfach, hier in NYC den Fokus zu verlieren, vor allem für jemanden wie mich, der extrem gerne feiert und tanzt – pufff. Ich bleibe jedoch nicht die ganze Zeit hier. Ende April, Anfang Mai muss ich nochmals zurück nach Brasilien fliegen, wo ich zusammen mit brasilianischen Freunden eine Ausstellung kuratiere, die unter dem Titel «Postcodes» steht und an der viele ausländische Künstlerinnen, unter anderem auch aus der Schweiz, teilnehmen. Ende August werde ich vermutlich wieder einmal nach Basel kommen, weil ich hier einige Dinge erledigen möchte. Danach geht es dann wieder zurück nach Brasilien. Auch dort wartet sehr viel Arbeit auf mich. Pedro Wirz Pedro Wirz, geboren 1981 in São Paulo, ist brasilianisch-schweizerischer Doppelbürger. Er lebt und arbeitet zwischen São Paulo und Basel. Sein Kunststudium hat der Künstler und Ausstellungsmacher in Basel an der FHNW absolviert. Pedro Wirz hat hier bei sich zuhause und im Ausstellungsraum der Hochschule die künstlerisch-kreativen «Wirzhaus»-Aktionen lanciert.

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Neue Wege der Vermittlung Mit der Ausstellung von ausgewählten Arbeiten aus der Sammlung im Kunsthaus Baselland hat man nun auch in Sachen Vermittlung einen wichtigen Schritt vorwärts gemacht. Denn das Angebot, die Werke im Kunsthaus Baselland und im Kunsthaus Palazzo an Flachbildschirmen sehen zu können, vermittelt nicht immer die richtigen, das heisst werkgerechten Eindrücke. Das gilt auch für die Möglichkeit, sich die Werke in der Kantonsbibliothek nach Voranmeldung auf einer Grossleinwand zeigen zu lassen. Bei jüngeren HDTV-Arbeiten spielt das vielleicht eine weniger wichtige Rolle, aber insbesondere bei Installationen und bei Mehrkanalvideos, aber auch bei anderen Arbeiten sei die spezifische Art und Form der Präsentation von grosser Wichtigkeit, sagt Kunsthaus-Direktorin Ines Goldbach, die sich für ihre Ausstellung «Making Visible» mit genau diesen Fragen intensiv und im Dialog mit den Künstlerinnen und Künstlern auseinandersetzen musste. Ob man sich die Spuren eines Mehrkanalvideos nacheinander zu Gemüte führt oder auf mehreren Bildschirmen oder Leinwänden gleichzeitig sieht, ist natürlich wesentlich für die

Rezeption des Kunstwerks. «Aber auch im ersten Moment eigentlich banal wirkende Fragen, ob man vor einem Werk stehen oder sitzen, ob der Ton über Lautsprecher oder über Kopfhörer wiedergegeben werden soll, sind letztlich massgebend für die werkgerechte Präsentation der Arbeiten», sagt Goldbach. So spielt die Art der Präsentation auch bei Einkanalvideos eine Rolle. «Für Pipilotti Rist war es zum Beispiel wichtig, dass ihr Werk ‹I am not the girl, who misses much› auf einem Röhrenbildschirm gezeigt wird, von dem zwei Lautsprecher wie Elefantenohren abstanden.» Auch über die kurze Ausstellung «Making Visible» hinaus hat die Sammlung Neue Medien Baselland dot.Mov.bl in Ines Goldbach eine wichtige Fürsprecherin gefunden. So hat die neue Direktorin für eine attraktivere Stationierung des dot.Mov.bl-Visonierungscomputers, der zuvor versteckt in einer Ecke aufgestellt war, sogar ihr Direktionsbüro geopfert. «Ich selber brauche keinen fixen Arbeitsplatz», meint Goldbach dazu beim Gespräch für den vorliegenden Beitrag, das auf Klappstühlen sitzend mitten in den Ausstellungsräumen geführt wurde. 쎲

BILD: CHRISTIAN FLIERL

den, schätzten viele Künstlerinnen und Künstler, dass ihre Werke öffentlich zugänglich sind. Als Kurator und Künstler, der selber mit mehreren Werken in der Sammlung vertreten ist, weiss Schmid, wovon er spricht.

GPS FUNDSTUECK Am 28. Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg, die «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts», die rund 17 Millionen Tote forderte. Unser Land hat sich, wie der Historiker Georg Kreis in seinem eben erschienenen Buch «Insel der unsicheren Geborgenheit» schreibt, «nach einem bestimmten Verständnis aus der Urkatastrophe heraushalten können und war doch, nach einem anderen Verständnis, stark von ihr betroffen». Die Wappenfelsanlage Chessiloch in Grellingen gehört zu den wichtigsten Erinnerungsorten im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg in der Schweiz. In den vier Kriegsjahren waren beim Chessiloch dauernd Grenzsoldaten stationiert – zur Bewachung der beiden von Gustave Eiffels Ingenieurbüro gebauten Eisenbahnbrücken der Juralinie. Manche Angehörige der rund 60 Einheiten, die hier ihren Dienst absolvierten, haben auf die Felsen am Birsufer die Wappen ihrer Heimatkantone gemalt, ebenso die Wahrzeichen ihrer Kompanien: mythologische Figuren wie Wilhelm Tell und Helvetia oder auch Bilder von Schweizer Städten und Landschaften. Die aus dem Fels gehauenen Figuren von General Wille oder Generalstabschef Sprecher von Bernegg stammen vom Delsberger Bildhauer Joseph Constantin Kaiser. Seit 1965/66 wurde die bekannte Gedenkstätte mehrmals renoviert, zum letzten Mal 1997/98.

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NATHALIE BUCHLI: KULTUR- UND NEU AUCH THEATERMANAGERIN Offiziell ist Nathalie Buchli seit dem 1. Januar 2014 Co-Leiterin des Theaters Palazzo in Liestal, doch ihre Arbeit wirklich aufgenommen hat die Kulturmanagerin bereits im vergangenen Herbst. Zusammen mit Karin Gensetter führt sie das Theater im Dreispartenhaus Palazzo, zu dem auch ein Kino und eine Kunsthalle gehören. Auf ihrem Berufsweg hat Nathalie Buchli eine beeindruckende Fülle von Erfahrungen im Kulturbereich gesammelt, von denen sie jetzt als Theater-Allrounderin stark profitieren kann. — Von Roger Ehret (Text) und Christian Flierl (Bild) Mitte Februar, zwei Tage vor dem Gespräch mit Nathalie Buchli, wurde bekannt, dass das Theater Palazzo einen konzeptionellen Aufbruch wagt – und dafür, nachdem sich die Kulturverantwortlichen des Kantons und der Stadt Liestal von den neuen Ideen überzeugen liessen, auch mehr Geld erhält. In Zukunft setzt das Theater beim Bahnhof Liestal verstärkt auf ein junges Publikum und will regelmässig Kinder- und Jugendtheaterproduktionen sowie Vorstellungen für Schulen anbieten. Mehr Gewicht sollen in den kommenden Spielzeiten auch die Freie Theaterszene und der Humor erhalten. «Humor hat so viele Facetten und erreicht ein breites, buntgewürfeltes Publikum», heisst es verheissungsvoll in einer Medienmitteilung. Das neue Konzept gehörte zu den ersten Aufgaben von Nathalie Buchli, seither hat sie unzählige weitere übernommen. «Das Spektrum meiner Arbeit ist sehr breit. Ich wähle Veranstaltungen aus, organisiere alles im Vorfeld meiner Projekte, schliesse Verträge ab, leite die technischen Vorbereitungen ein, sorge für Unterkunft und Verpflegung der Ensembles und koordiniere unser Team, das für den Vorverkauf, die Kasse und die Bar zuständig ist. Organisation von A bis Z also, bis schliesslich die Vorstellung beginnt.» Doch auch danach geht es weiter, wenn Nathalie Buchli den Künstlerinnen und Künstlern die Gagen auszahlt und die Abrechnungen vornimmt. Bei allen ihren Tätigkeiten kann sich die 47-Jährige auf ihre Neugier («Ich wollte ständig neue Kulturformen entdecken, die verschiedenen Kultursparten vernetzen und auf lust- und fantasievolle Weise die klare Trennung der Sparten aufheben.»), vor allem aber auf ihren grossen Erfahrungsschatz verlassen. Nach einer Lehre als Buch- und Musikalienhändlerin in Basel arbeitete sie in einem bekannten Zürcher Schallplattenladen. In der Freizeit organisierte sie zusammen mit Freundinnen und Freunden Konzerte. Und unternahm so die ersten Schritte als Kulturmanagerin. Danach folgte 1990 eine erste Stelle in der Kaserne Basel, wo Nathalie Buchli zuerst das Betriebssekretariat leitete und später Mitglied der Geschäftsleitung wurde. Vier Jahre später übernahm sie die Leitung des Mehrspartenbetriebs KiFF in Aarau. «Dann kamen weitere spannende Jahre, in denen ich laufend neue Dinge lernte und mit interessanten Leuten zusammenarbeitete», erzählt sie. «Als Leiterin der KaBar in der Kaserne Basel, im Personaldienst von Overall, der Genossenschaft für integriertes Arbeiten, als Assistentin der Theaterlei-

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tung im Roxy in Birsfelden oder auch als Mitglied des Kollektivs der Brockenbude Glubos in Basel.» Von 2004 bis 2006 absolvierte Nathalie Buchli neben ihrer Arbeit im Roxy und bei Glubos ein Nachdiplomstudium in Kulturmanagement an der Universität Basel. Dann wagte sie den Sprung in die Selbständigkeit, betätigte sich als Produzentin und Produktionsleiterin in den Bereichen Theater, Tanz und Musik, war unter anderem für die Tourorganisation der Produktion «Lina Böglis Reise» von Christoph Marthaler verantwortlich, führte die Geschäfte des zeitgenössischen Musikensembles ö!, arbeitete mit Regisseurinnen wie Meret Matter zusammen und ist – neben ihrem Dreissig-ProzentPensum im Theater Palazzo geht ihre Tätigkeit als freie Kulturmanagerin weiter – nach wie vor für das Management des Musikers Fritz Hauser oder des Kabarettisten und «Erfinders» Stefan Heuss zuständig.

«Ich wollte ständig neue Kulturformen entdecken, die verschiedenen Kultursparten vernetzen und auf lust- und fantasievolle Weise die klare Trennung der Sparten aufheben.» Die Arbeit als freie Kulturmanagerin und -veranstalterin möchte Nathalie Buchli, auch wenn die Einkommenssituation manchmal «nicht gerade einfach» ist, keinesfalls aufgeben. «Aber genau dann, als ich beschlossen hatte, mich nach einem weiteren Standbein umzusehen, kam die Anfrage von Karin Gensetter. Ich fand es sehr mutig, dass sie sich nach 14 Jahren als künstlerische Leiterin zu einem Neustart mit einer Co-Leiterin entschlossen hat.» Aus der Zusammenarbeit der beiden Frauen ist in kurzer Zeit das neue Konzept entstanden, das auf künftige spannende Zeiten im Theater Palazzo hoffen lässt – und das auch die Subventionsgeber überzeugt hat. «Ich freue mich sehr darauf, dass die freie Theaterszene im Palazzo eine grössere Rolle spielen wird, vermehrt gutes Kabarett und Clownstücke auf dem Programm stehen und neue Kooperationen entstehen werden. Vor allem aber, dass wir in Zukunft eine neue Generation für das Theater begeistern können. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass das Interesse an Kinder- und Jugendtheater gross ist. Und es in Liestal und Umgebung, wo immer mehr junge Familien wohnen, auch entsprechend viel Publikum gibt.» 쎲 G PS KU LTU R.B l M a g a zin | 11 | 2.2 014

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Rudolf Huser, Inhaber der Druckerei Hochuli AG Die Ausgaben 1 bis 10 von GPS wurden in Muttenz bei der Druckerei Hochuli hergestellt. Wir waren immer zufrieden mit dem Ergebnis, sehr zufrieden sogar. Aber leider hat das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden Anfang Jahr mitgeteilt, dass es den Produktionsbetrieb nicht mehr weiterführen werde. Rudolf Huser, der vor 40 Jahren in die Firma eintrat und seit 1989 deren Inhaber ist, hat kürzlich das Pensionsalter erreicht. «Aufgrund der Gesamtsituation der grafischen Branche und der alles andere als positiven Zukunftsaussichten war eine Nachfolgeregelung leider nicht möglich», sagt der Unternehmer. Wir danken dem Team der Druckerei Hochuli AG für Sorgfalt, Zuverlässigkeit und gute Zusammenarbeit – und wünschen Rudolf Huser alles Gute.

Impressum Herausgeberin: Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion, Amt für Kultur / kulturelles.bl, Amtshausgasse 7, 4410 Liestal, T +41 61 552 50 67, www.kulturelles.bl.ch, [email protected] | Redaktion: Roger Ehret (eh), Leitung; Niggi Ullrich | Autoren: Dominique Spirgi, Pedro Wirz | Lektorat: Rosmarie Anzenberger | Fotos: Christian Flierl, Pedro Wirz, WOMM | Gestaltung: WOMM Werbeagentur AG, Basel | Druck: Bloch AG, Arlesheim | Erscheinungsweise: in der Regel einmal pro Jahreszeit | Auflage: 10450 Ex. | ISSN: 1664-2554

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Christoph Huldi, Stiftungsrat Sinfonieorchester Basel Er ist Schulmusiker und Chorleiter am Gymnasium Muttenz und leitet auch ausserhalb der Schule ein Vokalensemble: den Kammerchor Notabene. Und seit dem letzten Jahr ist der 1962 Geborene, der als Jugendlicher in der Knabenkantorei Basel sang und später an der Musikhochschule Basel studierte, Mitglied des Stiftungsrats des Sinfonieorchesters Basel und vertritt dort ebenfalls den Kanton Basel-Landschaft. Christoph Huldi findet es sehr reizvoll, im Netzwerk, das sich für das Orchester einsetzt, mitzuarbeiten. «Aus einem stark kulturpolitischen Interesse heraus geht es mir etwa um die zentrale Frage, wie man die Öffentlichkeit in ihren Bemühungen um das Orchester unterstützen kann und wie es sich in Zukunft finanzieren lässt. Besonders wichtig finde ich auch den Bereich ‹Education›, also das Engagement des Orchesters für sein künftiges Publikum. Ich setze mich dafür ein, dass wir den Fokus erweitern und vermehrt Jugendliche bis ins frühe Erwachsenenalter ansprechen.» Um Zukunftsperspektiven geht es auch bei einem weiteren Engagement von Christoph Huldi im Stiftungsrat: Er vertritt den Landkanton in der Findungskommission, welche die neue Chefdirigentin oder den neuen Chefdirigenten des Orchesters bestimmt.

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Heiner Schärrer, Stiftungsrat Sinfonieorchester Basel In seiner Wohngemeinde Therwil war Heiner Schärrer 19 Jahre Mitglied des Gemeinderats, neun Jahre davon als Gemeindepräsident. Und schon damals hat er sich sehr für die Kultur eingesetzt. Als Präsident der Vorortskonferenz etwa initiierte er einen speziellen Kulturfonds, mit dem dieser Zusammenschluss grosser Baselbieter Gemeinden in Stadtnähe wichtige Basler Kulturinstitutionen förderte, so auch das Sinfonieorchester. Seit drei Jahren ist der 65-jährige Anwalt und Partner in einer mittelgrossen Kanzlei in Basel nun Mitglied des Stiftungsrats des «SOB», als Vertreter des Landkantons. «Ein spezielles Augenmerk gilt dabei den Finanzen. Mir liegt sehr daran, dass das Orchester die Mittel gut einsetzt und sich im Budgetrahmen bewegt. Wichtig ist jedoch auch, dass das Orchester als ‹Brand› bekannter wird. Das SOB spielt, wie das Tonhalle-Orchester oder das Orchestre de la Suisse Romande, in der ‹obersten Liga› im Land. Das muss jedoch in der Region, aber auch darüber hinaus, bekannter werden. Denn wir brauchen mehr Publikum und müssen deshalb die Marketinganstrengungen intensivieren.» Zudem möchte Heiner Schärrer, der gerne Klavier spielt und private Hauskonzerte veranstaltet, im Stiftungsrat auch «eine Stimme sein – jene der vielen Konzertbesucherinnen und -besucher».

www.schaulager.org Paul Chan, Volumes, (Detail), 2012, Installation bestehend aus 1005 bemalten Bucheinbänden, Emanuel Hoffmann-Stiftung, Geschenk der Präsidentin, 2012, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, © Paul Chan, Foto: Bisig & Bayer, Basel