Beschluss Antragstellerin Antragsgegnerin Beigeladene -

1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 34/11 Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren ... - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: ... gegen ... - Ant...
Author: Ludo Albert
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1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 34/11

Beschluss

In dem Nachprüfungsverfahren ... - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: ... gegen ... - Antragsgegnerin -

... - Beigeladene Verfahrensbevollmächtigte: ...

wegen der Vergabe „Lieferung von Sicherheitswerkbänken“, Lose 1, 3 und 4, ..., hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Behrens,

die

hauptamtliche

Beisitzerin

Regierungsdirektorin

Dr.

Dittmann

und

den

ehrenamtlichen Beisitzer Pröhl auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2011 am 29. April 2011 beschlossen:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen sowie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückgewiesen.

zu

wiederholen.

Im

Übrigen

wird

der

Nachprüfungsantrag

-2-

2. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) werden zur Hälfte der Antragstellerin sowie zur weiteren Hälfte der Antragsgegnerin und der Beigeladenen als Gesamtschuldner auferlegt.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die zur zweckentsprechenden

Rechtsverfolgung

notwendigen

Aufwendungen

der

Antragstellerin zu jeweils einem Viertel. Im Übrigen tragen die Verfahrensbeteiligten ihre notwendigen Aufwendungen selbst.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin und die Beigeladene war notwendig.

Gründe: I. 1. Die Antragsgegnerin (Ag) führt derzeit ein offenes Verfahren zur Vergabe der Lieferung von Sicherheitswerkbänken in ... Losen durch. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis (Ziffer IV.2.1 der Bekanntmachung, Ziffer 8.1 der Teilnahmebedingungen).

Gemäß den Ausschreibungsunterlagen hatten die anzubietenden Werkbänke zahlreiche technische Anforderungen zu erfüllen. Die Erfüllung dieser Anforderungen sollten die Bieter durch Ankreuzen mit „ja“ oder „nein“ in einem mehrseitigen Datenblatt bestätigen, das dem Angebot beizufügen war. Zum Beleg weiterer Anforderungen sah Ziffer III.2.3 der Bekanntmachung vor, dass u.a. eine „CE-Kennzeichnung gemäß 2006/42/EG“ und ein TÜV GS-Zertifikat „dem Angebot beizufügen“ ist (vgl. auch Ziffer 3.2 der Teilnahmebedingungen). Die Antragstellerin (ASt) und die Beigeladene (Bg) gaben u.a. auf die Lose 1, 3 und 4 fristgerecht Angebote ab.

Nach Abschluss der Auswertung der Angebote kam die Ag zu dem Ergebnis, dass der Bg in den Losen 1, 3, und 4 der Zuschlag zu erteilen sei, da diese jeweils das preisgünstigste

-3-

Angebot abgegeben habe. Von den Angeboten, die nach Auffassung der Ag in die engere Wahl kamen, lag die ASt in den Losen 1 und 3 preislich auf dem sechsten Rang, im Los 4 auf dem vierten Rang (Vergabeakte, S. 335 bis 347). Bei allen Angeboten, die preislich vor dem der ASt lagen, einschließlich dem der Bg, vermerkte die Ag: „Der Bieter hat bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht alle Erklärungen und Nachweise vorgelegt. Eine abschließende Entscheidung über den Ausschluss des Angebots kann erst nach fachlicher Prüfung und evtl. Nachforderung des fehlenden Nachweises bzw. der fehlenden Erklärung erfolgen.“ Dieselbe Anmerkung machte die Ag in ihrem Prüfvermerk zum Angebot der ASt (S. 323 der Vergabeakte).

Zum Angebot der Bg verwies die Ag hier u.a. auf die Nachweise zum CE-Zeichen (S. 324 ff. der Vergabeakte). Tatsächlich waren dem Angebot der Bg zu den Losen 1, 3 und 4 keine CE-Konformitätserklärungen

i.S.d.

Richtlinie

2006/42/EG

beigefügt,

sondern

Konformitätserklärungen, wonach die angebotenen Modelle die Anforderungen anderer EURichtlinien erfüllten. Alle übrigen Bieter (bis auf einen, der seinem Angebot überhaupt keine Zertifikate beigefügt hatte) haben ihren Angeboten hinsichtlich der geforderten CEKennzeichnung eine förmliche CE-Konformitätserklärung i.S.d. sog. EU-Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG beigefügt. Im Angebot der Bg auf Los 1 fehlte außerdem das geforderte TÜV GS-Zertifikat.

Mit Fax gemäß § 101a GWB vom 17. März 2011 teilte die Ag der ASt mit, dass die Bg in den Losen 1, 3 und 4 den Zuschlag erhalten solle. Am 25. März 2011 rügte die ASt gegenüber der Ag diese Wertungsentscheidung. Die Bg sei ein reines Handelsunternehmen, das laut ihrer Internetseite mit drei namentlich genannten Lieferanten zusammenarbeite. Die ASt zählte insgesamt elf technische Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung auf, die die von der Bg angebotenen Werkbänke angeblich nicht erfüllten. Erst recht bestünden für die Geräte dieser Hersteller keine TÜV- oder GS-Zertifikate.

2. Am 25. März 2011 hat die ASt über ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Die Vergabekammer hat die Übermittlung des Nachprüfungsantrages an die Ag am selben Tag veranlasst.

-4-

Mit

E-Mail

vom

29.

März

2011,

14.40

Uhr,

also

während

des

laufenden

Nachprüfungsverfahrens, forderte die Ag die Bg auf, bis zum 30. März 2011, 12.00 Uhr, den geforderten Nachweis einer CE-Kennzeichnung gemäß 2006/42/EG zu übersenden. Per Mail vom 30. März 2011, 10.58 Uhr, schickte die Bg der Ag ein TÜV GS-Zertifikat für das Modell der in Los 1 angebotenen Werkbank sowie für die in Los 1, 3 und 4 angebotenen Modelle ein von dem Hersteller dieser Werkbänke erstelltes Schreiben, wonach „hiermit … bestätigt“ wird, „dass alle von uns oben genannten Geräte mit der CEErklärung nach 2006/42/EG als Inverkehrbringer-/Herstellererklärung ausgestattet werden.“ In einer Mail vom selben Tage, 13.10 Uhr, wies die Ag die Bg darauf hin, dass für sie aus dem Wortlaut der von der Bg übersandten Erklärungen („ausgestattet werden“) sprachlich nicht klar hervorgehe, „ob die Auszeichnung mit CE-Erklärungen nach 2006/42/EG bereits vorliegt, oder ob die genannten Geräte künftig ausgezeichnet werden sollen. (…) Bitte bestätigen Sie uns noch einmal ausdrücklich, dass die geforderte CE-Erklärung nach 2006/42/EG bereits vorliegt.“ Die Bg schickte der Ag daraufhin am selben Tag, 15.50 Uhr, per Mail die vom Hersteller an diesem Tag ausgestellten CE-Konformitätserklärungen i.S.d. der Richtlinie 2006/42/EG für die von ihr angebotenen Werkbänke.

a) Im Rahmen ihres Nachprüfungsantrags trägt die ASt wie folgt vor:

Zur Rechtzeitigkeit ihrer Rüge führt sie aus, sie habe bereits sechs Werktage nach Absendung des § 101a GWB-Schreibens und damit rechtzeitig gerügt. Sie habe zwar schon am Montag, den 21. März 2011, ihren Rechtsanwalt mandatiert. Da ihr nicht bekannt gewesen sei, welche konkreten Modelle von Sicherheitswerkbänken die Bg angeboten habe, habe sie jedoch zunächst klären müssen, welche Lieferanten für diese in Betracht kämen. Anschließend habe sie zu sämtlichen möglichen Lieferanten sowie zu sämtlichen von diesen möglicherweise angebotenen Produkten durch Recherchen im Internet und telefonische Befragung von in- und ausländischen Händlern detaillierte Erkundigungen einholen müssen, um ihre Rüge in Bezug auf die Produkte der Bg zu konkretisieren. Eine Rüge allein mit dem Inhalt, dass die ASt die einzige sei, die die Anforderungen der Ag erfüllen könne, wäre nach Auffassung der ASt nicht ausreichend

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gewesen. Hinzu komme, dass der zuständige und einzig technisch sachkundige Prokurist und Produktmanager der ASt zwischen dem 15. und 25. März 2011 durchgehend geschäftlich auf Auslandsreisen gewesen sei. Außerdem habe sich der Geschäftsführer des ASt vom 20. März bis zum 4. April 2011 im Urlaub befunden. Eine abschließende Auflistung und Bewertung der von der Bg nicht erfüllten technischen Anforderungen sowie die Abstimmung über das weitere Vorgehen habe daher erst am 25. März 2011 erfolgen können. In der mündlichen Verhandlung führt die ASt ergänzend aus, dass sie allein aufgrund ihrer Marktkenntnis die erforderlichen Feststellungen nicht hätte treffen können, der Markt sei ständig in Bewegung und die Geräte so komplex, dass es der ASt auch bei ständiger Beobachtung des Marktes nicht möglich gewesen sei, schneller zu einem konkreten Ergebnis zu kommen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch hinreichend substantiiert. Die ASt habe konkrete Tatsachen benannt, aus denen sich der Vergabeverstoß ergebe. Sie habe keine andere Möglichkeit

gehabt

als

durch

Zeugen

darzulegen,

dass

die

Bg

die

Leistungsanforderungen der Ausschreibung nicht erfülle.

In materieller Hinsicht wiederholt die ASt ihren Vortrag aus der Rüge. Sie meint, die Vergabe der Aufträge an die Bg würde gegen § 97 Abs. 4 und 5 GWB verstoßen, da es dieser und deren Lieferanten an der für die Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags erforderlichen Fachkunde und Leistungsfähigkeit fehle. Anders als bei der ASt handele es sich bei der Bg um ein reines Handelsunternehmen, das mit drei bestimmten Lieferanten zusammenarbeite. Die ASt zählt unter Angebot eines Zeugenbeweises mehrere Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung auf, die die von der Bg angebotenen Werkbänke nicht erfüllten. Nachdem die ASt aufgrund der Akteneinsicht und dem Vortrag der Bg die von dieser angebotenen Modelle identifiziert hat, legt sie im Einzelnen dar, welche konkreten Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung diese Geräte nicht erfüllten. Da die Bg zunächst umfangreiche konstruktive Änderungen vornehmen müsse, könnten die von ihr vorgelegten TÜV- und GS-Zertifikate auch nicht den Produkten entsprechen, die die Bg tatsächlich zur Auslieferung bringen wolle.

Da weder die Bg noch ein anderes auf dem Markt befindliche Unternehmen geeignet sei, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen, könne nur der ASt der Zuschlag erteilt werden. In der mündlichen Verhandlung schränkt die ASt diese Bemerkung dahingehend ein, dass sie dies nur „im Eifer des Gefechts“ so gesagt habe. Tatsächlich gehe sie davon

-6-

aus, dass auch andere Anbieter in der Lage seien, die Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu erfüllen.

Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt sei notwendig, da sie als mittelständisches Unternehmen nicht über das notwendige rechtskundige Personal verfüge. Zudem seien die zu entscheidenden Rechtsfragen so komplex und speziell, dass von der ASt nicht erwartet werden könne, diese ohne einen spezialisierten Rechtsanwalt im bestehenden engen zeitlichen Rahmen selbst mit hinreichender Klarheit zu vertreten.

Nach der mündlichen Verhandlung macht die ASt am 21. April 2011 einen weiteren Vergabeverstoß geltend, dessen Sachverhalt ihr erst aus dem Schriftsatz der Bg vom 19. April 2011 bekannt geworden sei. Die ASt trägt hier vor, die Bg sei auch deshalb vom Vergabeverfahren auszuschließen, weil sie die geforderten Angaben und Nachweise zu dem TÜV-zertifizierten Servicetechniker nicht gemacht bzw. vorgelegt habe, den diese als Subunternehmer mit der Aufstellung der ausgeschriebenen Werkbänke und der Inbetriebnahmeprüfung beauftragen wolle.

Die ASt beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,

1.

die Ag zu verpflichten, den Angebotsausschluss zu Lasten der ASt hinsichtlich der Lose 1, 3 und 4 rückgängig zu machen und der ASt den Zuschlag zu erteilen;

2.

der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

3.

die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der ASt gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;

4.

der

Ag

die

Kosten

des

Verfahrens

einschließlich

der

Kosten

der

zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen. b) Die Ag beantragt,

den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Ag meint, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei, weil die Rüge der ASt vom 25. März 2011 nicht unverzüglich erfolgt sei. Ein Prüfungszeitraum von 8 Kalendertagen sei bei den von der ASt beanstandeten Vergabeverstößen gerade angesichts der von ihr behaupteten Sach- und Fachkunde und angeblich umfassenden Marktkenntnis nicht erforderlich. Außerdem seien sowohl die Rüge als auch der

-7-

Nachprüfungsantrag nicht hinreichend substantiiert, weil die ASt keine konkreten Tatsachen benenne, aus denen sich der Vergabeverstoß ergebe. Die Auflistung von technischen Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung und die Behauptung, weder die Bg noch andere Unternehmen außer der ASt könnten diese erfüllen, sowie der von der ASt angebotene Zeugenbeweis reichten diesbezüglich nicht aus.

Der Nachprüfungsantrag sei außerdem unbegründet, weil sich aus dem von der Bg eingereichten Datenblatt verbindlich ergebe, dass sämtliche technischen Anforderungen der Leistungsbeschreibung bei den von ihr angebotenen Sicherheitswerkbänken erfüllt seien. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend seien. Darüber hinaus beinhalte das Angebot der Bg auch sämtliche geforderten TÜV- oder GSZertifikate. Einen Nachweis i.S. einer förmlichen CE-Konformitätserklärung habe die Ag gar nicht verlangt.

c) Durch Beschluss vom 30. März 2011 wurde die Bg zum Verfahren hinzugezogen.

Sie trägt über ihren Verfahrensbevollmächtigten vor, dass die ASt nicht unverzüglich gerügt habe. Die ASt beteilige sich regelmäßig an Ausschreibungen und verfüge somit über einschlägige vergaberechtliche Erfahrungen. Außerdem hebe die ASt selbst ihre mehrjährige Fachkunde hervor und dass nur sie selbst in der Lage sei, die Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu erfüllen. Allein das § 101a GWB-Schreiben hätte demnach für die ASt ausreichen müssen, um Kenntnis von dem behaupteten Vergabeverstoß zu erlangen. Dass angeblich erforderliches Personal im Urlaub oder auf Reisen gewesen sei, könne sich nicht zugunsten der ASt auswirken. Darüber hinaus sei die Rüge nicht substantiiert genug, weil die ASt lediglich einen bloßen Verdacht äußere, ohne diesen mit Tatsachen oder zumindest Indizien zu untermauern. Auch der Nachprüfungsantrag sei nicht hinreichend substantiiert, weil er keine Indizien oder tatsächlichen Anhaltspunkte aufzeige, die die ASt zu dem Schluss bewogen hätten, die Ag habe rechtswidrig gehandelt.

Da die ASt preislich nicht auf dem zweiten Rang hinter der Bg liege, sei diese auch nicht antragsbefugt. Die Vergabekammer müsse in der Lage sein, dies bereits jetzt zu beurteilen.

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Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet, weil die Bg die erforderliche Eignung besitze und auch die Vertragsunterlagen nicht i.S.d. § 19 Abs. 3 lit. d) VOL/A-EG geändert habe.

Die

Bg

führt

im

Einzelnen

aus,

dass

ihre

Werkbänke

die

in

der

Leistungsbeschreibung gestellten Anforderungen erfüllten.

Auf die Frage der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung zu den innerhalb der von der Ag bis 12 Uhr gesetzten Frist nicht nachgereichten CE-Kennzeichnungen führt die Bg aus, dass die Vorlagefrist nicht angemessen gewesen sei. Im Übrigen sei sie davon ausgegangen, alle geforderten Unterlagen bereits mit ihrem Angebot vorgelegt zu haben. Eine Mitarbeiterin der Bg habe bei der Zusammenstellung der Angebotsunterlagen und CE-Konformitätserklärungen versehentlich eine falsche Kopie beigefügt.

Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. In der mündlichen Verhandlung am 20. April 2011 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag der ASt ist teilweise begründet, da das Angebot der Bg mangels

Vollständigkeit

der

geforderten

CE-Kennzeichnungen

vom

Vergabeverfahren

auszuschließen ist. Soweit die ASt jedoch den Zuschlag auf ihr Angebot beantragt, ist der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, da der o.g. Vergabeverstoß lediglich dazu führt, dass die Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Bg zu wiederholen ist.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die ASt antragsbefugt, ihre Rüge erfolgte fristgerecht und auch der Antrag selbst ist hinreichend substantiiert i.S.d. § 108 GWB.

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a) Die ASt ist antragsbefugt i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr erforderliches Interesse am ausgeschriebenen Auftrag durch die Abgabe eines Angebots belegt. Des Weiteren macht sie, indem sie sich gegen die Wertung der Angebote wendet, geltend, durch einen Vergaberechtsverstoß in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Außerdem hat sie dargelegt, dass ihr durch die angeblich vergabefehlerhafte Vorgehensweise des Ag ein Schaden entstanden ist, denn hierdurch wurden ihre Aussichten auf den Zuschlag verschlechtert (zu den Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 GWB vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06).

Der Antragsbefugnis der ASt steht auch nicht entgegen, dass sie selbst bei einem Ausschluss der Bg nicht ohne Weiteres den Zuschlag erhalten würde, weil nach der Wertung der Ag in jedem der verfahrensgegenständlichen Lose mehrere weitere Bieter im Rang vor der ASt liegen. Denn nach dem derzeitigen Stand der Wertung der Ag, soweit sie in der Vergabeakte dokumentiert ist, steht diese Rangfolge noch nicht fest. Zu jedem der vor der ASt liegenden Unternehmen hat die Ag nämlich in der Vergabeakte bemerkt, dass das betreffende Angebot nicht alle Erklärungen und Nachweise enthalte, so dass eine abschließende Entscheidung „erst nach fachlicher Prüfung und evtl. Nachforderung des fehlenden Nachweises bzw. der fehlenden Erklärung erfolgen“ könne. Diese abschließende Wertung der Ag ist bisher nicht erfolgt. Bevor die Ag ihr Ermessen i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG, ob sie die betreffenden Unterlagen noch nachfordert, nicht ausgeübt hat und die betreffenden Bieter hierauf reagiert haben, kann somit nicht beurteilt werden, ob die ASt aufgrund ihres schlechten Ranges derzeit von vornherein keine Zuschlagschance hat. Anders als die Bg meint kann die Vergabekammer diesbezüglich daher jetzt keine abschließenden Feststellungen treffen. Denn die Vergabekammer darf ihre Entscheidung nicht an die Stelle des betreffenden öffentlichen Auftraggebers setzen, ihm allein obliegt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG die Entscheidung, ob er fehlende Unterlagen nachfordert oder ein unvollständiges Angebot ohne Weiteres ausschließt. Auch die fachliche Prüfung der auf eine etwaige Nachforderung

hin

vorgelegten

Unterlagen

obliegt

zunächst

dem

öffentlichen

Auftraggeber und kann stattdessen nicht von der Vergabekammer vorgenommen werden. Dass ein Zuschlag auf das Angebot der ASt somit nach der derzeitigen Sachlage als möglich erscheint, reicht für deren Antragsbefugnis i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB aus (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, aaO.)

b) Die ASt ist mit ihrem Vorbringen nicht mangels rechtzeitiger Rüge präkludiert.

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aa) Die Rüge der ASt, dass die Wertungsentscheidung der Ag, der Bg den Zuschlag zu erteilen, vergabefehlerhaft sei, ist am 25. März 2011 rechtzeitig erfolgt.

Die ASt hat erst am 17. März 2011 aus dem ihr per Fax zugegangenen Schreiben gemäß § 101a GWB erfahren, dass nicht sie, sondern die Bg den Zuschlag erhalten solle. Ein damit zusammenhängender Vergabeverstoß ist gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB unverzüglich zu rügen, nachdem der Bieter diesen erkannt hat. „Unverzüglich“ in diesem Sinne ist eine Rüge dann, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt nachdem der Rügende erstens positive Kenntnis von den den Vergabefehler ausmachenden Tatsachen und zweitens hieraus zumindest laienhaft den Schluss gezogen hat, dass hierin ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, aaO.). Demnach war die Rüge der ASt vom 25. März 2011 nicht verspätet:

Die ASt trägt vor, sie habe für ihre Schlussfolgerung, dass die Wertungsentscheidung der

Ag

fehlerhaft

war,

weil

das

Angebot

der

Bg

tatsächlich

nicht

die

ausgeschriebenen Anforderungen erfülle, zunächst Recherchen über die von der Bg angebotenen Werkbänke anstellen müssen. Diese habe sie nicht vor dem 25. März 2011 abschließen können. Dass hierfür ein Zeitaufwand von acht Kalendertagen erforderlich war, auch wenn die ASt zur Klärung der relevanten Rechtsfragen bereits am 21. März 2011 einen Rechtsanwalt hinzugezogen hat, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Einzelfalles wegen der erforderlichen umfangreichen Sachverhaltsermittlungen glaubhaft. Die Bg betreibt ein reines Handelsunternehmen, so dass sie – anders als bei der ASt zu vermuten, die selbst Sicherheitswerkbänke herstellt – für ein Angebot auf mehrere Hersteller und Modelle zurückgreifen kann. Selbst wenn die ASt tatsächlich, so wie von ihr behauptet, über eine umfassende Marktübersicht verfügt, ist es ihr daher nicht ohne Weiteres möglich zu wissen, welche Werkbänke die Bg gerade auf die Ausschreibung der Ag hin anbieten würde. Dass tatsächlich mehrere unterschiedliche Modelle in Betracht kämen, wird vorliegend

dadurch

bestätigt,

dass

die

ASt

in

ihrer

Rüge

und

dem

Nachprüfungsantrag zunächst von anderen Herstellern und Modellen ausging, als nach der Akteneinsicht und nachdem die Bg selbst offen gelegt hatte, wer der Hersteller der von ihr tatsächlich angebotenen Werkbänke ist. Nach den ursprünglichen Recherchen der ASt kamen bei der Bg drei Hersteller in Betracht, die

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ihrerseits jeweils mehrere Modelle vertreiben, so dass die ASt vor ihrer Rüge auch noch ermitteln musste, welche Modelle für die Ausschreibung der Ag in Betracht kämen. Zusätzlich musste die ASt konkret aufzeigen, ob und inwieweit diese Werkbänke trotzdem gerade nicht den ausgeschriebenen Anforderungen der Ag entsprechen. Denn selbst wenn an eine Rüge in substantieller Hinsicht nicht so hohe Anforderungen zu stellen sind wie an einen Nachprüfungsantrag, hätte es vorliegend grundsätzlich nicht genügt, der Bg lediglich pauschal vorzuwerfen, deren Angebot erfülle die Anforderungen der Ag nicht. Die ASt hat ihre Rüge zumindest noch so weit wie es ihr ohne weitergehende Kenntnis des Angebots der Bg möglich war auf mehrere bestimmte Unzulänglichkeiten der von der Bg mutmaßlich angebotenen Modelle konkretisiert. Im Anschluss an den Abschluss dieser Recherchen am 25. März 2011 ist die am selben Tag erhobene Rüge „ohne schuldhaftes Zögern“, also unverzüglich i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, erfolgt.

Die Rüge ist auch – anders als die Ag und die Bg meinen – hinreichend substantiiert. Denn wenn sich ein Bieter gegen das von einem anderen Bieter angebotene Produkt wendet,

kann dieser naturgemäß nur

Vermutungen über

den Inhalt

des

Konkurrenzangebots anstellen. Diese hat die ASt vorliegend immerhin dadurch konkretisiert, dass sie mehrere bestimmte Anforderungen der Leistungsbeschreibung aufgezeigt und näher erläutert hat, inwieweit ihrer Auffassung nach die von der Bg angebotenen Werkbänke diese nicht erfüllen.

Da die Rüge auf jeden Fall unverzüglich i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erfolgte, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob diese Regelung möglicherweise europarechtswidrig und deshalb nicht zu Lasten eines Antragstellers anzuwenden ist (vgl. dazu 1. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 5. März 2010, VK 1-16/10). bb) Davon, dass die Bg auch auf Nachforderung der Ag nicht die geforderten CEKennzeichnungen vorgelegt hat, hat die ASt erst im Nachprüfungsverfahren erfahren. Diesbezüglich ist eine Rüge entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, aaO.).

Da das Nachprüfungsverfahren aufgrund einer rechtzeitigen Rüge der ASt eröffnet war (s.o.), kommt es nicht darauf an, ob solche erst nach Antragstellung erkennbaren Vergabeverstöße, etwa aus Gründen der Verfahrensökonomie, ohne Weiteres zum

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Gegenstand eines laufenden Nachprüfungsverfahrens gemacht werden können (so OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 16. September 2010, 11 Verg 6 und 7/10 m.w.N.), oder ob hierzu grundsätzlich ein neues, zulässiges Nachprüfungsverfahren eröffnet werden müsste (vgl. HansOLG Bremen, Beschluss vom 18. Mai 2006, Verg 3/05).

c) Der Nachprüfungsantrag ist auch hinreichend substantiiert i.S.d. § 108 GWB. Wie bereits oben zur Rüge der ASt ausgeführt, ist es einem Antragsteller ohne weitere Kenntnis des Angebots seines Konkurrenten naturgemäß nicht möglich, konkret dessen Angebotsinhalt zu beschreiben und hieraufhin die Vergaberechtswidrigkeit der Wertungsentscheidung

eines

öffentlichen

Auftraggebers

detailliert

darzulegen.

Weitergehende Ausführungen als hier geschehen sind daher auch von der ASt nicht zu verlangen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist allerdings nur zum Teil begründet. Das Angebot der Bg ist zwar mangels Vollständigkeit gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG von der Wertung auszuschließen. Da daraufhin jedoch lediglich unter Ausschluss der Bg die Wertung zu wiederholen, der ASt jedoch nicht ohne Weiteres wie von ihr beantragt der Zuschlag zu erteilen ist, ist der Antrag im Übrigen zurückzuweisen.

a) Gemäß Ziffer III.2.3 der Bekanntmachung und Ziffer 3.2 der Teilnahmebedingungen mussten die Bieter mit ihrem Angebot u.a. eine „CE-Kennzeichnung gemäß 2006/42/EG“ vorlegen. Dies hat die Bg in den verfahrensgegenständlichen Losen auch innerhalb der von der Ag gesetzten Nachfrist nicht getan.

Dass mit dieser Formulierung die Vorlage einer CE-Konformitätserklärung i.S.d. sog. EUMaschinen-Richtlinie 2006/42/EG gemeint war, war eindeutig, so dass hierauf ein Ausschluss

des

Angebots

der

Bg

gestützt

werden

kann

(vgl.

dazu,

dass

Unzulänglichkeiten in der Anforderung einer Erklärung oder eines Nachweises seitens des öffentlichen Auftraggebers nicht zu Lasten eines Bieters gehen dürfen, nur BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Dezember 2010, VII-Verg 24/10). Zwar hat die Ag in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es hätten gar keine CE-Konformitätserklärungen im förmlichen Sinne vorgelegt werden müssen. Maßgeblich dafür, was ein öffentlicher Auftraggeber von den Bietern an Erklärungen oder Nachweisen verlangt, ist jedoch nicht die Sicht des Auftraggebers

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selbst, sondern der objektive Empfängerhorizont eines sachkundigen, mit der Ausschreibung vertrauten Bieters (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, aaO. m.z.N.). Bereits der Wortlaut von Bekanntmachung und Verdingungsunterlagen („... CE-Kennzeichnung ... sind dem Angebot beizufügen.“) kann aus der Sicht eines objektiven Empfängers nur so verstanden werden, dass mit dem Angebot der Nachweis der CE-Kennzeichnung zu führen war. Aus dieser Formulierung wird nämlich deutlich, dass die Ag nur CEgekennzeichnete Produkte beschaffen wollte und dass diese Kennzeichnung mit dem Angebot nachzuweisen war. Mag diese Formulierung für den mit der Materie der CEKennzeichnung nicht vertrauten Personenkreis noch missverständlich sein, hat sie jedenfalls für die damit vertrauten Kreise – wie hier die anbietenden Unternehmen – den eindeutigen Erklärungswert, dass hier die Vorlage der in den einschlägigen EU-Richtlinien vorgesehenen Konformitätserklärungen gewollt ist. Denn eine „Beifügung der CEKennzeichnung“ zum Angebot wäre gänzlich abwegig (die CE-Kennzeichnung wird nämlich auf dem Produkt angebracht), so dass hier nur die Vorlage der in den einschlägigen EU-Richtlinien vorgesehenen Konformitätserklärungen gemeint sein konnte. Dementsprechend haben auch im streitgegenständlichen Verfahren alle Bieter (bis auf einen) diese Formulierung ausweislich ihrer Angebote so verstanden, dass eine CE-Konformitätserklärung i.S.d. sog. EU-Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG vorzulegen war. Auch die Bg selbst hat an der Eindeutigkeit und damit Wirksamkeit dieser Anforderung keine Zweifel gehabt. Sie hat zu keinem Zeitpunkt, nicht einmal als die Ag am 29. März 2011 das Fehlen dieser Erklärung in ihrem Angebot beanstandete, gerügt oder zumindest gefragt, was die Ag diesbezüglich tatsächlich vorgelegt haben will. Im Gegenteil trug sie in der mündlichen Verhandlung vor, sie sei davon ausgegangen, die richtigen Nachweise bereits mit dem Angebot vorgelegt zu haben, sie habe sich bei der Zusammenstellung der Angebotsunterlagen lediglich vergriffen und nicht die CEKonformitätserklärung i.S.d. Richtlinie 2006/42/EG vorgelegt, sondern die nach einer anderen EU-Richtlinie. Solche „falschen“ Konformitätserklärungen finden sich im Angebot der Bg tatsächlich, d.h. auch der Bg war schon bei der Erstellung ihres Angebots klar, dass förmliche CE-Konformitätserklärungen i.S.d. Richtlinie 2006/42/EG vorzulegen waren.

Diese CE-Konformitätserklärungen i.S.d. Richtlinie 2006/42/EG waren dem Angebot der Bg zu den von ihr angebotenen Modellen nicht beigefügt.

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Anders als nach dem bisherigen Recht führt die Unvollständigkeit eines Angebots jedoch nicht automatisch zu dessen Ausschluss. Vielmehr steht es gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, ob er eine fehlende Erklärung oder einen fehlenden Nachweis nachfordert, und erst wenn keine Nachforderung erfolgt oder die fehlende Unterlage auch auf eine entsprechende Nachforderung hin nicht innerhalb der vom Auftraggeber bestimmten Nachfrist vorgelegt wird, ist das unvollständige Angebot gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG zwingend von der Wertung auszuschließen. Die Ag hat ihr Ermessen vorliegend so ausgeübt, dass sie von der Bg die fehlenden CE-Kennzeichnungen am 29. März 2011, 14.40 Uhr, bis zum 30. März 2011, 12

Uhr,

nachgefordert

Ermessenausübung

nach

hat. der

Vorliegend

kann

offen

vorangegangenen

bleiben,

Entscheidung,

ob

eine

der

Bg

solche trotz

Unvollständigkeit ihres Angebots den Zuschlag zu erteilen, überhaupt rechtmäßig war. Denn auch innerhalb dieser Nachfrist hat die Bg zwar das zu Los 1 fehlende TÜVZertifikat, aber nicht die geforderten CE-Konformitätserklärungen vorgelegt. Wie solche Konformitätserklärungen i.S.d. der sog. Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG beschaffen sein müssen, ist in Anhang II dieser Richtlinie selbst geregelt (s. ABl. EU 2006 Nr. L 157, S. 65). Hiernach muss die EG-Konformitätserklärung u.a. „einen Satz“ enthalten, „in dem ausdrücklich erklärt wird, dass die Maschine allen einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht“ (s. Richtlinie 2006/42/EG, Anhang II, Nr. 1.A.4). Dem wird die von der Bg am 30. März 2011, 10.58 Uhr, vorgelegte Erklärung des Herstellers der Werkbänke nicht gerecht, denn hierin wird lediglich „bestätigt“, dass die hier genannten Modelle „mit der CE-Erklärung nach 2006/42/EG (…) ausgestattet werden“. Dies kann aus maßgeblicher Sicht eines objektiven Empfängers zumindest nicht eindeutig so wie nach Anhang II der Maschinen-Richtlinie vorgeschrieben verstanden werden, dass die angebotene Werkbank bereits jetzt und nicht erst in Zukunft der Richtlinie 2006/42/EG entspricht. Genau diese Verständniszweifel hat auch die Ag gegenüber der Bg in ihrer Mail vom 30. März 2011, 13.10 Uhr, geäußert.

Entgegen der Auffassung der Bg war die von der Ag gesetzte Vorlagefrist auch angemessen. Die VOL/A-EG sieht anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (sechs Kalendertage) keine konkrete Vorlagefrist vor, vielmehr liegt diese im von der Vergabekammer zumindest eingeschränkt überprüfbaren Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Der Bg ist zwar zuzugeben, dass diese Frist angemessen sein muss und bei der Bemessung der Frist daher u.a. zu berücksichtigen ist, mit welchem Aufwand die nachgeforderte Erklärung beschafft werden kann. Allerdings verhält es sich grundsätzlich

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auch nicht so, dass dem betreffenden Bieter eine so lange Frist eingeräumt werden muss wie ursprünglich im Rahmen der Angebotserstellung vorgesehen war. Denn im vorliegenden Fall hat die Bg nicht erstmals mit der Nachforderung der Ag i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG davon erfahren, dass die CE-Konformitätserklärungen vorzulegen sind. Vielmehr hätte die Vorlage dieser Erklärungen gemäß der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen bereits mit ihrem Angebot erfolgen müssen. Durch die Nachforderung erhielt die Bg lediglich die erneute Chance, dieser Anforderung spätestens jetzt gerecht zu werden. Die Bg hatte daher bereits seit der Kenntnis der Bekanntmachung Möglichkeit und auch Veranlassung, zügig die geforderten CE-Erklärungen zu besorgen. Vorliegend ist nicht erkennbar und die Bg hat auch nichts dazu vorgetragen, warum vor diesem Hintergrund

eine

Frist

von

knapp

21

Stunden

nicht

zur

Vorlage

der

CE-

Konformitätserklärung ausreichend gewesen wäre. Im Gegenteil legte die Bg um 15.50 Uhr

die

vom

Hersteller

der

Werkbänke

am

selben

Tag

ausgestellten

Konformitätserklärungen vor, was dafür spricht, dass die Ausstellung dieser Erklärungen nach entsprechender Anfrage beim Gerätehersteller auch innerhalb kurzer Zeit möglich war.

Da die Bg die geforderten CE-Konformitätserklärungen weder mit ihrem Angebot noch innerhalb der von der Ag gesetzten Nachfrist vorgelegt hat, ist ihr Angebot gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG zwingend aus der Wertung auszuschließen.

Dem Ausschluss der Bg steht auch nicht entgegen, dass sie am 30. März 2011 um 15.50 Uhr eine hinreichende CE-Konformitätserklärung i.S.d. Richtlinie 2006/42/EG vorgelegt hat. Denn diese Vorlage erfolgte außerhalb der von der Ag gesetzten Vorlagefrist. Zweck und Wortlaut der gemäß § 19 Abs. 2 VOL/A-EG im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers liegenden nachträglichen Vervollständigungsmöglichkeit eines Angebots würden unterlaufen werden, wenn ein Bieter, der eine eigentlich schon mit dem Angebot vorzulegende Erklärung nachreichen darf, dies nicht so machen müsste, dass das Angebot innerhalb der Nachfrist dann auch zweifelsfrei vollständig ist. Andere als die ursprünglich geforderten Erklärungen oder solche, die Anlass zu weiteren Nachfragen geben, sind hierbei daher nicht anzuerkennen. Weitere Nachfragen oder sogar Nachforderungsmöglichkeiten seitens des öffentlichen Auftraggebers sind diesem im Interesse eines möglichst raschen Abschlusses des Vergabeverfahrens nicht zuzumuten und auch mit den schützenswerten Interessen der anderen Bieter, die spätestens auf die Nachforderung des Auftraggebers hin ihre Angebote vervollständigt haben, und den

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Grundsätzen eines transparenten und diskriminierungsfreien, da insbesondere nicht manipulierbaren Vergabeverfahrens, nicht zu vereinbaren. Die nachträgliche Vorlage der geforderten Konformitätserklärungen könnte auch nicht deshalb möglicherweise zeitlich zurückwirken, weil es sich hierbei um eine zulässige Aufklärung der innerhalb der Nachfrist um 10.58 Uhr vorgelegten Unterlagen i.S.d. § 18 VOL/A-EG handeln könnte. Eine zulässige nachträgliche Aufklärung der bereits vorgelegten Unterlagen hätte allenfalls dann vorgelegen, wenn der Inhalt der früheren Erklärung lediglich hätte klar gestellt werden müssen. Vorliegend verhielt es sich jedoch so, dass erst die von der Bg um 15.50 Uhr vorgelegten Erklärungen überhaupt den zwingenden Formvorgaben der Richtlinie 2006/42/EG entsprachen, die am Vormittag vorgelegten Schreiben jedoch nicht. Ein solches nachträgliches Ergänzen eines zunächst unvollständigen Angebots stellt keine zulässige Aufklärung des bisherigen Angebotsinhalts mehr dar (vgl. Zeise in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß (Hrsg.), Kommentar zur VOL/A, 2. Aufl. zu § 18 VOL/A-EG, Rz. 6, 13 m.w.N.).

b) Dieser Vergabeverstoß, dass die Bg trotz Unvollständigkeit ihres Angebots für den Zuschlag vorgesehen wurde, führt jedoch lediglich dazu, dass das Angebot der Bg von der Wertung auszuschließen ist. Anders als von der ASt beantragt, ist ihr hieraufhin jedoch nicht ohne Weiteres der Zuschlag zu erteilen. Vielmehr ist die Wertung der Ag ausweislich der Vergabeakte hinsichtlich der preislich hinter dem Angebot der Bg, aber vor dem der ASt liegenden Angebote noch nicht abgeschlossen. Die Ag hatte zu jedem dieser Angebote, einschließlich dem der ASt, bemerkt, dass diese nicht vollständig seien und vor einer abschließenden Zuschlagserteilung u.a. erst noch über die Nachforderung der fehlenden Unterlagen gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 VOL/A-EG entschieden werden müsse. Die Rangfolge der übrigen Angebote, auch dem der ASt, steht daher derzeit noch nicht fest.

c) Da dem Nachprüfungsantrag bereits aus den o.g. Gründen insoweit stattzugeben ist, kommt es für die Entscheidung auf weitere von der ASt für einen Ausschluss des Angebots der Bg geltend gemachten Gründe (s. Schriftsatz der ASt vom 21. April 2011) nicht an.

III.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1, 2, Abs. 4 S. 1, 2 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 3 S. 1 VwVfG und folgt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens der Verfahrensbeteiligten. Bei der Kostenverteilung hat die Vergabekammer berücksichtigt, dass die ASt mit ihrem Begehren – Ausschluss der Bg und Zuschlag auf ihr eigenes Angebot – nicht in vollem Umfang durchgedrungen ist. Ihrem Antrag, ihr den Zuschlag zu erteilen, kann nicht entsprochen werden, weil die Wertungsentscheidung der Ag über die Rangfolge der übrigen Angebote noch nicht abgeschlossen ist. Dabei ist das Unterliegen der ASt mit 50% zu bewerten, denn die Zuschlagschancen der ASt sind bei der hier angeordneten Wiederholung der Wertungsentscheidung völlig offen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 25. Juni 2008, VII-Verg 22/08 und vom 16. November 2005, VII-Verg 59/05).

Die Bg ist als zum Teil unterlegene Partei an den Kosten des Verfahrens und der Erstattung der außergerichtlichen Aufwendungen der ASt zu beteiligen, da der Nachprüfungsantrag zwischen ihr und der ASt einen Interessengegensatz erzeugt hat und die Bg das Verfahren durch umfangreichen Vortrag gefördert hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2009, VII-Verg 37/09). Da § 128 Abs. 4 GWB keine gesamtschuldnerische Haftung der unterliegenden Beteiligten vorsieht, haften die Ag und die Bg insoweit nach Kopfteilen, also je zur Hälfte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2007, VII-Verg 28/07).

Soweit sie obsiegt, sind der Bg aus denselben Gründen ihre außergerichtlichen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 S. 2 GWB zu erstatten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Mai 2004, VII-Verg 12/03).

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die ASt und die Bg war notwendig, da das Nachprüfungsverfahren umfangreiche Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen hat, die die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten als sachgerecht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, aaO.).

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt,

beim

Oberlandesgericht

40474 Düsseldorf, einzulegen.

Düsseldorf

- Vergabesenat -,

Cecilienallee

3,

- 18 -

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Behrens

Dr. Dittmann