BETREUER VOR DEM STRAFGERICHT
Eine Dokumentation des Forschungsinstituts für Betreuungsrechts der Kester-Haeusler-Stiftung - Fürstenfeldbruck mit Vorwort von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler – München
2016 - ISBN 978-3-931548-58-2
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Vorwort: Das Forschungsinstitut Betreuungsrecht der Kester-Haeusler-Stiftung unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Thieler München befasst sich seit 20 Jahren mit den Missständen des Betreuungsrechts. Nach Ansicht von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler führt die derzeitige Rechtslage zu erheblichen Missständen im Betreuungsrecht und insbesondere zur Verletzung der Menschenwürde vieler alter Menschen. Folgende Gesichtspunkte, die das Betreuungsrecht betreffen, kritisiert Herr Prof. Dr. Thieler. Der Begriff Betreuer ist bereits falsch, da Betreuer nicht betreuen, sondern nur rechtliche Vertreter der nicht mehr handlungsfähigen Menschen sind. Es fehlt an jeglicher Ausbildung für Betreuer. Jeder kann in Deutschland Betreuer werden und kann dann über Eigentum / Vermögen / Aufenthalt / ärztliche Versorgung / Post / Telefon der unter Betreuung stehenden Menschen entscheiden. Eine Kontrolle der Betreuer seitens des Gerichts ist kaum möglich, da die entsprechenden Kapazitäten der Gerichte hierfür nicht vorhanden sind.
Ein Betreuer muss nur bei Beginn seines Amtes ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen – sonst nicht mehr. Eine Kontrolle der Anzahl der Betreuungsfälle, die einzelne Betreuer haben, findet seitens der Gerichte nicht statt.
Die Angehörigen oder Ehepartner haben kein Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Betreuer bzw. sind nicht automatisch am Betreuungsverfahren beteiligt. Der Betreuer ist gegenüber den Angehörigen oder Ehepartnern auch nicht zur Auskunft verpflichtet. Eine dauernde Berichtspflicht des Betreuers gegenüber dem Gericht, beispielsweise, wie oft der Betreuer den Betreuten besucht hat, gibt es nicht. Es gibt Betreuer, die wochenlang den Betreuten nicht besuchen. Probleme des Betreuungsrechts und Lösungswege: 1. Völliges Fehlen eines Ausbildungsprofils für Betreuer, aber auch für Richter und Rechtspfleger. Die Betreuer sowie der Richter haben mit kranken Menschen zu tun, die oftmals hilflos sind. Die Betreuung erfordert eine gewisse Sensibilität und natürlich einen entsprechenden Ausbildungsstandard.
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Der deutsche Jurist lernt weder an der Uni, noch in seiner praktischen Ausbildung das Betreuungsrecht. Er hat auch keine Ahnung von medizinischen Fachfragen, die oftmals im Betreuungsrecht eine Rolle spielen. Das Gleiche gilt für den Betreuer, der ohne Ausbildung Betreuer werden kann. Es fehlt ein Ausbildungsprofil für Betreuer in Deutschland. Das Gesetz verlangt „geeignete Personen“ als Betreuer. Betreuungsrichter entscheiden hierüber. Kriterien und Vorgaben für die Qualifikationen gibt es nicht. Ebenso wenig gibt es eine qualifizierte Ausbildung. 2. Fehlende Transparenz der Tätigkeit der Betreuer Die Betreuer können aufgrund der großen Anzahl der Fälle seitens der einzelnen Richter oder Rechtspfleger überhaupt nicht richtig kontrolliert werden. Es gibt auch nicht das vier Augenprinzip, wenn ein Betreuer erstmals in eine Wohnung oder in ein Haus kommt und die Objekte besucht. Niemand kontrolliert die Betreuer bei der Feststellung des Vermögens des Betreuten. Die Betreuer stellen alleine das Vermögen des Betreuten fest und unterliegen kaum einer Kontrolle. 3. Eine Kontrollfunktion hätten die Angehörigen der Ehepartner, wenn sie irgendwie in das Betreuungsverfahren mit eingebunden wären. Nach dem deutschen Betreuungsrecht hat der Ehepartner und der Angehörige keinerlei Rechte am Betreuungsverfahren beteiligt zu sein. Wir kennen viele Fälle, bei denen Ehepartner oder Angehörige erst viel später erfuhren, dass ein Betreuer bestellt wurde, da jeder die Anregung auf Einleitung des Betreuungsverfahrens stellen kann. Wir erleben immer wieder, dass Angehörige wissen wollen, welche Krankheit ihr Angehöriger oder Ehepartner hat. Es gibt keine Auskunftspflicht des Betreuers. Er kann über die Behandlung bei Krankheiten bei seinem Betreuten entscheiden, wie er möchte. Eine Kontrollbetreuung in diesem Bereich ist durch die Richter praktisch völlig unmöglich, da ein derartiger Zeitaufwand durch Richter überhaupt nicht möglich ist. Hilflos müssen Angehörige und Ehepartner zusehen, wie Wohnungen von Angehörigen aufgelöst werden. Es gibt kein Vorkaufsrecht für Immobilien, die seit Jahrzehnten im Immobilienbesitz der Familie standen. Es gibt auch kein Auskunftsrecht des Betreuers oder ein Informationsrecht über Verkäufe von Immobilien gegenüber den Angehörigen oder Ehepartnern. Die Familie wird durch das Betreuungsrecht zerrissen und gegenüber dem Betreuer rechtlos gestellt. Eine automatische Beteiligung am Betreuungsverfahren gibt es genauso wenig, wie eine automatische Teilnahme an Gerichtsverhandlungen, in denen es um die Betreuung geht. 4. Fehlende Kontrolle der Anzahl der Betreuungsfälle Die deutschen Gerichte haben es bisher nicht geschafft und noch weniger das Justizministerium, ein einheitliches Erfassungssystem der Betreuungsfälle in der Form zu schaffen, dass bekannt ist, wie viele Betreuungen jeder Betreuer hat. Zahlenmäßig gibt es keine Grenze. 5. Fehlen einer neutralen Beschwerdeinstanz Die Überforderung der Richter im deutschen Betreuungsrecht ist derartig gravierend, dass eine Kontrolle der Betreuungsfälle praktisch unmöglich ist. Es müsste eine neutrale Stelle geschaffen werden, bei der die Problemfälle geschildert werden können und die entsprechende Schritte einleiten kann. werden
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6. Zu viele Betreuungsanordnungen Die Richter ordnen zu oft Betreuung an, obwohl andere Hilfsmöglichkeiten oder Alternativen denkbar sind. Berufsbetreuer werden den freiwilligen Betreuern vorgezogen, da der Berufsbetreuer den Richtern weniger Arbeit macht. Es geht hier um die Würde des Menschen. Der Vorstandsvorsitzende der Kester-Haeusler-Stiftung befasst sich im internationalen Bereich mit dem Thema „abuse against old people“ und war Teilnehmer an einem Weltkongress, der vor wenigen Tagen in London stattgefunden hat. Es war interessant zu erfahren, wie andere Länder mit dem Problem der alten Menschen umgehen. Gerade die Straftaten gegen alte Menschen werden in Amerika, England, Frankreich oder auch den skandinavischen Ländern völlig anders verfolgt, als in Deutschland. In der Konferenz wurde dringend auf stärkere Kontrollen der Menschen hingewiesen, die mit alten Menschen zu tun haben. Die Menschenrechtsverletzungen gerade im Bereich des Betreuungsrechts und dies kam auf der Konferenz ganz deutlich hervor, sind ganz gravierend. Das Hauptproblem ist oft auch, die Menschenrechtsverletzungen zu erkennen. Das Nichtbeachten von alten Menschen, das Nichtbesuchen von alten Menschen, dass Abstellen von alten Menschen in Pflegeheimen, oftmals mit anderen Senioren, die schon so schwer krank sind, dass sie mit der Person, die gerade eingeliefert wird, gar nicht mehr unterhalten können, gehört in den Bereich Missbrauch von alten Menschen. Hinzu zählt auch die Einflussnahme von alten Menschen, um eine Erbschaft zu erreichen. Die Erbschleicherfälle haben in Deutschland in einem enormen Umfang zugenommen. Die Erbschleicherei läuft immer in dem gleichen Muster ab: sich an alte Menschen heranschleichen, die potentiellen Erben schlecht machen, den älteren Menschen überzeugen, dass er zu Lebzeiten oder nach seinem Tode sein Vermögen an den Erbschleicher überträgt. In der Schweiz wird gerade ein Gesetz gegen Erbschleicher vorbereitet. In Deutschland geschieht nichts. Das Justizministerium sieht das Problem überhaupt nicht. Das Hauptproblem dürfte allerdings generell die Behandlung der älteren Menschen durch Betreuer sein. Die hier dargestellte Dokumentation mit der großen Anzahl von Straftagen wäre nicht passiert, wenn eine größere Transparenz der Tätigkeit der Betreuer in Deutschland eingeführt werden würde. Auch eine monatliche Kontrolle wie bei den Pflegeheimen, der Betreuungsfälle - nicht durch das Gericht, sondern durch Experten, die auf dem Gebiet Erfahrung haben – wäre dringend nötig, um weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Der Bundejustizminister Heiko Maas hat am 19.06.2016 erklärt: Es gäbe im Betreuungswesen a) keine strukturellen Defizite und b) die berichteten Missbrauchsfälle seien nur Einzelfälle. Diese Dokumentation beweist das Gegenteil. DURCH DIE STEIGERUNG DER BETREUUNGSZAHLEN WIRD DIE SITUATION NUR NOCH SCHLIMMER.
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BOCHUM Das war herzlos und gemein: Monatelang hat sich ein Berufsbetreuer aus Bochum klammheimlich an den Konten seiner Pflegefälle vergriffen – und dabei auch einen sterbenskranken Senior (78) ausgenommen. Gesamtschaden: 32.000 Euro. "Ich schäme mich", gab der 52-Jährige am Donnerstag zum Auftakt seines Untreue-Prozesses zu.
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vom 17. Februar 2015 Ein Berufsbetreuer muss sich von diesem Donnerstag an in Neubrandenburg vor Gericht verantworten, weil er reihenweise Gelder von Mandanten abgeschöpft haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten Urkundenfälschung und Untreue in mehr als 100 Fällen vor, wie am Dienstag eine Sprecherin des Amtsgerichtes Neubrandenburg erklärte. Dabei seien den Geschädigten aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte über Monate hinweg Beträge zwischen 50 und 1500 Euro vorenthalten worden. Der Beschuldigte aus der Region Neubrandenburg schwieg laut Staatsanwaltschaft bisher zu den Vorwürfen.
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„Der Ärger spottet jeder Beschreibung!“ Arndt-Rüdiger von Schewe ist sauer. Der Berliner versucht, den Nachlass seiner Tante zu regeln – und das schon seit Jahren. Auf der einen Seite ist das Verfahren durch komplizierte Erbschaftsverhältnisse schon verzwickt genug – auf der anderen Seite stellt von Schewe aber auch die Qualifikation des Testamentsvollstreckers in Frage.
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