Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Bildungsphilosophie Erfahrungen aus Brandenburg

Übergänge neu DenkenImpulse zu einer gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsphilosophie Fachtagung am 30.11. – 01.12.2006 in Ludwigsfelde Auf dem Weg zu...
Author: Otto Keller
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Übergänge neu DenkenImpulse zu einer gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsphilosophie Fachtagung am 30.11. – 01.12.2006 in Ludwigsfelde

Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Bildungsphilosophie Erfahrungen aus Brandenburg Prof. Dr. Tassilo Knauf Universität Duisburg - Essen

Gemeinsamer Orientierungsrahmen Bildung in Kindertagesbetreuung und Grundschule - GORBiKS Teilprojekt 2 des BLKVorhabens TransKIGs in Brandenburg

Themenschwerpunkte

1. Zielsetzungen von GORBiKS 2. Theoretische Grundannahmen von GORBiKS 3. Organisationsstruktur von GORBiKS 4. Ausgewählte Bausteine von GORBiKS 5. Aspekte einer gemeinsamen Bildungsphilosophie.

Ziele von GORBiKS Auf der Basis gegebener Strukturen soll eine

gemeinsame Bildungsphilosophie entwickelt werden, die zur Kontinuität und zur Individualisierung von Bildungsprozessen von Kindern beiträgt, wobei die Gestaltung von Lernsituationen im Mittelpunkt steht und stützende Rahmenbedingungen beschrieben werden.

Theoretische Grundannahmen von GORBiKS Systemtheorie als Basistheorie: Talcott Parssons: Gesellschaft bedarf teilautonomer Subsystem für Problemlösungen und ihre Entwicklungsfähigkeit.

Urie Bronfenbrenner: Kinder erleben ihre Lebenswelt in Systemen (Mikro-, Meso-, Makrosysteme…), die ihnen Orientierung, aber auch Begrenzung vermitteln.

Niklas Luhmann: Systeme tendieren zu „Selbstreferentialität“, zu eigenen Werten, Bedeutungshierarchien, Kulturen und Verhaltensformen.

Theoretischer Transfer im Rahmen von GORBiKS Systemtheorie als Erklärungsansatz: Kinder wachsen auf und realisieren Bildungsprozesse in den räumlich-materiellen, sozialen und kulturellen Strukturen von überschaubaren (Mikro-) Systemen (Familie, Kita, Grundschule, Hort, Peergroup…). Auch pädagogische Fachkräfte erhalten durch beruflich definierte Mikrosysteme Orientierung, Arbeitsaufträge und Normensicherheit. Die relative Autonomie der Mikrosysteme produziert andererseits „Verinselung“: - Verständigungsprobleme und Kooperationsvorbehalte auf der Seite der Fachkräfte, - strukturelle Transitionskonflikte bei den Kindern.

Der „strukturelle Sozialisationskonflikt“ beim Übergang zur Grundschule (nach Klaus Plake)

• Affektivität versus Affektneutralität • Diffusität versus Spezifität • Partikularismus versus Universalismus.

Krisenmomente im Übergangsprozess zur Grundschule (nach Wilfried Griebel und Renate Niesel) • • • • •

Identitätswandel, Veränderungen der Selbstkonzepte Stresserfahrungen der Kinder und im Umfeld von Familie und Kita Polarisierende Zuordnung von Spiel und „dürfen“ zur Kita und von Lernen und „müssen“ zur Schule Kinder erfahren Stress sowohl in Hinblick auf die Anpassung an schulspezifische Rollen als auch auf der Beziehungsebene Eltern erfahren Stressphasen sowohl in Hinblick auf das soziale Anpassungs- als auch hinsichtlich des Leistungsvermögens ihrer Kinder, verstärkt durch soziale Kontrolle sowie durch Konkurrenzund Selektionsängste.

Lösungsansätze für das Übergangsproblem 1. Relative Akzeptanz von Diskontinuität als Entwicklungsanreiz (vgl. Griebel/Niesel 2002) 2. Stärkung der Kinder durch Schulvorbereitung, sie „schulfähig“ und „schulbereit“ machen 3. Schaffung eines institutionell relativ gleitenden Übergangs zwischen Elementar- und Primarbereichs (vgl. Niederlande Skandinavien)

Teilmomente einer Verstärkung von Kontinuität individueller Bildungsprozesse 1. Mentalitätsgrenzen bei den Fachkräften abbauen: Bild des Kindes, Vorstellung von Bildung und Lernen 2. Anteil ähnlich strukturierter Elemente pädagogischer Arbeit erhöhen: Beobachtung und Dokumentation; Lernkultur (z.B. Projektarbeit; Freispiel/Freiarbeit) 3. Pädagogische und organisatorische Verknüpfungen/Anschlüsse verstärken und verstetigen: z.B. Diagnostik; Planung von Fortbildung, Projekten, Öffentlichkeitsarbeit.

Teilmomente einer Verstärkung von Kontinuität individueller Bildungsprozesse durch Stabilisierung der Rahmenbedingungen Verstärkung der kommunikativ-kooperativen Netzwerke •

im Viereck Kind – Familie – Kita – Schule



Im Zusammenwirken von Familie, Kita, Schule, sozialen, therapeutischen und beratenden Diensten, Verwaltung und lokaler bzw. regionaler Politik



In der öffentlichen Wahrnehmung und Beachtung des Themenkomplexes Bildungskontinuität und individueller Bildungserfolg.

Inhaltliche Arbeitsschwerpunkte von GORBiKS • • • • • • • • • • • • • •

Baustein 1: Bild vom Kind Baustein 2: Bildung und Lernen Baustein 3: Individuelle Bildungskonzepte / Beobachten und Dokumentieren Baustein 4: Übergang Kita - Schule: Elemente und Organisationsstrukturen für eine Kontinuität von Bildungsverläufen von Kindern Baustein 5: Veränderte Rolle, Selbstverständnis, Kompetenzen der professionellen Fachkräfte im Bereich von Kita und Grundschule Baustein 6: Eltern als Erziehungspartner Baustein 7: Kita und Grundschule im Netzwerk von System und Lebenswelt

Das Projekt GORBiKS Fragen nach: 1. den Prozessebenen

2. den Prozess-Strukturen

3. den Produkten.

Das Projekt GORBiKS Fragen nach: 1. den Prozessebenen Prinzipien der Definition der Prozessebenen: - Partizipation der verschiedenen Beteiligtengruppen (Kommission) - arbeitsfähige Kleingruppenstruktur (Projektteam und ad hoc-Kleingruppen) - politische Einbindung und Steuerung (Koordinierungsgruppe).

Das Projekt GORBiKS Fragen nach: 2.

der Prozess-Struktur mehrschrittiges Verfahren: charakteristisch ist die Gliederung in - thematisch-terminliche und vorläufige organisatorische Planung - Materialerarbeitung in Kleingruppen, die verschiedene Professionsgruppen vertreten (Kita, Schule, Verwaltung, Wissenschaft) - Konsensfindung in der heterogen zusammengesetzten Kommission

Das Projekt GORBiKS Fragen nach: 3.

den Produkten 1. Textprodukte: - Handreichungen - Info-Flyer - Qualitätshandbuch „Übergang“

2. Kommunikations-, Erarbeitungs- und BeschlussStrukturen: - Bildungswerkstätten - Regionalkonferenzen

3. Politikberatung: - Impulse für Rechtstexte (z.B. Grundschulverordnung; Rahmenlehrplan) - Impulse für Finanz- und Strukturentscheidungen.

GORBIKS: Prozess, Thesen, Bausteine, Produkte GORBiKS: Gemeinsamer Orientierungsrahmen Bildung in Kindertagesbetreuung und Grundschule

3

BILDUNG und LERNEN

4

Individualisierung

ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

5 6 7 8 9 10

ÜBERGANG Selbstverständnis ELTERN als PARTNER

HANDREICHUNG ÜBERGANG

REGIONALKONFERENZEN

BILDUNGSWERKSTÄTTEN

Netzwerk KOMMISSION PR O J E K T T E A M

KOORDINIERUNGSGRUPPE

TransKiGs

CHANGE MANAGEMENT EVALIERUNGSKONZPT ERGEBNIS

P R O Z E

S S

2

BILD VOM KIND

ZWISCHENERGEBNISSE

1

PRODUKTE GORBiKS Gemeinsamer Orientierungsrahmen Bildung in Kindertagesbetreuung und Grundschule

THESEN BAUSTEIN

Bild vom Kind (Baustein 1) • Kinder sind aktive Konstrukteure ihres Wissens und Könnens • Kinder können ihre Selbstbildungspotenziale nicht allein, sondern nur im sozialen Miteinander voll entfalten • Kinder sind verschieden • Kinder haben besondere Bedürfnisse und Rechte.

Bildung und Lernen (Baustein) Noch nicht abgeschlossene Diskussion!

Bild vom Kind (Baustein 1) These 1: Einigkeit besteht heute darüber, dass auch die Kita im Rahmen eines grundlegenden Bildungsauftrages einen gemeinsamen Bestand an Wissen, Kompetenzen und Einstellungen für alle Kinder schaffen soll.

Bild vom Kind (Baustein 1) These 2: Lernen wird als aktiver, konstruktiver Prozess verstanden, bei dem Erfahrungen über die Welt (re)konstruieret werden: Kinder weisen Sinneseindrücken Bedeutungen zu, sie verarbeiten neue Informationen auf der Grundlage ihres Vorwissens und bauen ein Netz an Wissen und kognitiven Strukturen auf.

Bild vom Kind (Baustein 1) These 3: In der Grundschulpädagogik gilt heute: Konstruktion und Instruktion werden nicht mehr als sich ausschließendes Gegensatzpaar aufgefasst, sondern als sich wechselseitig beeinflussende Bestandteile von LehrLern-Prozessen.

Bild vom Kind (Baustein 1) ese 4: These 4: In der Elementarpädagogik existieren Kontroversen: Schäfer 2001 betont, dass „…Erwachsene … die Eigenständigkeit der Kinder im Umgang mit ihrer Welt ertragen… (müssen), dass Kinder ihre eigenständigen Möglichkeiten einsetzen und weiterentwickeln können“. Wassilios Fthenakis 2003 betrachtet „das Kind als von Geburt an in soziale Beziehungen eingebettet“ und stellt daher „die Interaktionsprozesse zwischen Kind und Erwachsenen“ und kontextuelle Aspekte des Lernens in den Mittelpunkt seines Ansatzes.

Bild vom Kind (Baustein 1) Die Position Laewens: Hans Joachim Laewen (2004) stützt sich auf einen „Bildungsbegriff, der die kindlichen Bildungsprozesse grundsätzlich als Selbstbildung versteht“. „Die direkt oder mittelbar an das Kind herangetragene Interaktion kann in zwei Formen die Gestalt von Erziehung annehmen: als Gestaltung der Umwelt der Kinder und als Gestaltung der Interaktion mit dem Kind, die entweder um die Beantwortung eines ´Themas des Kindes´ herum strukturiert ist oder die Zumutung von Themen enthält, die vom Erwachsenen für legitimierbar und zukunftsfähig gehalten werden“

Bildung: Austausch Individuum - Welt • Bildung als Weltaneignung (Humboldt) • Bildung als Auseinandersetzung mit Welt (Piaget) • Bildung als Konstruktion von Welt (moderner Konstruktivismus).

Bildung: Austausch Individuum - Welt Bildung als Aufnehmen von Welterfahrungen und als stückweiser Verlust von Eigensinn (Humboldt).

Bildung: Austausch Individuum - Welt Bildung als Auseinandersetzung mit den Strukturen von Welt, um Gleichgewicht zwischen Individuum und Welt zu erreichen (Piaget).

Bildung: Austausch Individuum - Welt Bildung als Konstruktion von Welt, um Welt Sinn zu geben und um „viable“ Handlungsstrukturen zu gewinnen (moderner Konstruktivismus).

Was sollen Kinder lernen? Z.B. Schlüsselualifikationen • • • • •

Sozialkompetenz Selbstkompetenz Methodenkompetenz Planungs- und Handlungskompetenz Sachkompetenz

Was sollen Kinder lernen? Z.B. Schlüsselqualifikationen nach Norbert Landwehr 1996

nach Monika Murphy-Witt und Petra StamerBrandt 2004

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Offenheit und Flexibilität Kreativität Problemlösefähigkeit Teamfähigkeit Selbstmotivierte Lernkompetenz • Eigeninitiative.

Flexibilität Kommunikationsfähigkeit Medienkomptenz Kreativität Teamgeist Konfliktfähigkeit Organisationstalent Stressresistenz.

Individuelle Bildungskonzepte/ Beobachten und Dokumentieren (Baustein 3) Bislang vorläufiges Arbeitspapier zu: 1. Aufgaben 2. Prinzipien 3. Methoden und Instrumente 4. Anschlussfähigkeit zwischen Kita und Grundschule 5. Haltung der pädagogischen Fachkraft.

Aufgaben der Beobachtung – Entwicklungsprozesse des einzelnen Kindes als ganze Person ergründen, verstehen und dokumentieren – Wissen über Interessen, Aktions- und Interaktionsstrukturen sowie über das Denken und die Gefühle von Kindern sammeln (Pädagogische Fachkräfte als Expertinnen und Experten der Kinder)

– Kompetenzen des einzelnen Kindes erfassen: - Ich-Kompetenz - Sozialkompetenz - Methodenkompetenz - Sach- und Fachkompetenz

– Sich mit Eltern über die Persönlichkeit ihres Kindes, seine Entwicklung und Kompetenzen austauschen und beraten – Individuelle Bildungsvoraussetzungen ermitteln und entsprechende Bildungsperspektiven entwickeln – Selbstkonzepte und die Fähigkeit der Kinder zur Selbstreflexion stärken – Eigene Arbeit überprüfen (Selbstreflexion der Fachkraft).

Methoden und Instrumente: • Kurzzeitbeobachtung gerichtet und ungerichtet • Reflexion und Interpretation der Beobachtungen nach Kriterien • • • •

Themen und Interessen der Kinder Bildungsdispositionen Kompetenzen, Fähigkeiten und Talente Förderbereiche

• Sammlung verschiedener Entwicklungsdokumente in Portfolios • Ordnung der Entwicklungsdokumente im Portfolio z.B. nach den Kategorien: • • • • •

das bin ich; das kann ich (Leistungsnachweise) das ist mir wichtig; das sind meine Themen damit haben wir uns beschäftigt meine schönsten Bilder.

Bildungswerkstätten

Ziele der geplanten Bildungswerkstätten sind... • ...das Kennenlernen und Reflektieren der unterschiedlichen (Alltags-)Konzepte von Bildung und Erziehung in Kita und Grundschule • ...die Annäherung der jeweiligen Vorstellungen in Richtung auf ein anschlussfähiges Bildungsverständnis im Elementar- und Primarbereich • ...das Entwickeln und Erproben neuer Formen und Inhalte der Zusammenarbeit beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!