Antibiotikatherapie der Sepsis

Kompetenznetz Sepsis Schattauer GmbH Kompetenznetz Sepsis © 2007 315 Antibiotikatherapie der Sepsis T. Welte1, F. M. Brunkhorst2 1 Medizinische H...
Author: Rudolf Beck
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Kompetenznetz Sepsis

Schattauer GmbH

Kompetenznetz Sepsis

© 2007

315

Antibiotikatherapie der Sepsis T. Welte1, F. M. Brunkhorst2 1 Medizinische Hochschule Hannover (Direktor der Abteilung Pneumologie: Prof. Dr. T. Welte) 2 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Friedrich-Schiller-Universität, Jena Schlüsselwörter

Keywords

Zusammenfassung

Summary

Sepsis, Antibiotikatherapie, Antibiotikaresistenz

Sepsis, antibiotic therapy, antibiotic resistance

Die Sepsis ist die mit der höchsten Morbidität und Letalität verbundene Komplikation der Intensivtherapie. Trotz einer Vielzahl verbesserter supportiver und adjunktiver Therapiemaßnahmen hat sich hieran innerhalb der vergangenen 20 Jahre im Wesentlichen nichts geändert. Grund hierfür ist, dass der wesentliche Schritt zur erfolgreichen Überwindung der Sepsis in der chirurgischen Herdsanierung und/oder der antibiotischen Therapie des Infektionsfokus liegt. Während jedoch einerseits eine weltweit steigende Resistenzentwicklung der wichtigsten Infektionserreger gegenüber allen gängigen Antibiotika zu verzeichnen ist, steht dem keine vergleichbare Entwicklung neuer antiinfektiver Substanzen gegenüber. Vor allem im Bereich gram-negativer Probleminfektionen mit Non-Fermentern wie Pseudomonas aeruginosa sind auf absehbare Zeit keine neuen Substanzen zu erwarten. Das Hauptaugenmerk muss daher in der Zukunft auf präventiven Maßnahmen (Infektionsvermeidung) und der Optimierung der antibiotischen Strategien liegen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei eine breite, hochdosierte, frühzeitig applizierte Initialtherapie, eine klinisch orientierte Deeskalationsstrategie und eine – mit Ausnahmen – auf 7–10 Tagen begrenzte Therapiedauer. Einer engen Zusammenarbeit zwischen Mikrobiologie, Hygiene und klinischer Infektiologie kommt in Anbetracht der dramatischen infektiologischen Probleme der Zukunft eine entscheidende Bedeutung zu.

J

eder zweite Patient, der länger als 24 Stunden auf einer Intensivstation liegt, hat initial oder entwickelt irgendwann im Verlauf eine Infektion(1). Jeder vierte Patient mit einer Infektion bekommt innerhalb von 28 Tagen eine Sepsis. Die Sepsis ist die am häufigsten zum Tode führende Komplikation der modernen Intensivmedizin (2). Zwar hat sich die Sterblichkeit in den vergangenen Jahren durch die Einführung neuer supportiver Therapieverfahren (Übersicht bei [3]) von etwa 70% auf zirka 50% senken lassen (4), dennoch ist diese weiter inakzeptabel hoch. Die vom

Sepsis is the most important complication of Intensive Care Medicine, associated with significant morbidity and mortality. The latter could not been markedly reduced during the last two decades, despite a number of advances in the field of supportive and adjunctive sepsis therapy. The reason might be that important steps towards overcoming of sepsis are the surgical resection of infectious foci and an adequate antibiotic treatment. However, worldwide growing resistances of pathogens against the common antibiotics could be detected. In opposite, no major progress in the development of new antibiotics, mainly for the treatment of gram negative non fermenter infections like Pseudomonas aeruginosa, can be predicted for the next years. Therefore, sepsis treatment must be focused on prevention of infection, and on an optimised application of current antibiotic substances. The key factors are a broad, high dose, and early applicated initial treatment, a de-escalation strategy according to the clinical course, and – with exceptions – a limitation of treatment to 7 to 10 days. A closer cooperation between microbiologists, infection control specialists and clinical infectious disease consultants may be a key factor to overcome the raising problems in the future. Antibiotic therapy of sepis Med Welt 2007; 58: 315–321

deutschen Kompetenznetz Sepsis (SepNet) durchgeführte Prävalenzstudie zur Sepsis in Deutschland bestätigt weitgehend die amerikanischen Zahlen (5). Grundvoraussetzung der Sepsistherapie ist die erfolgreiche Sanierung des zu Grunde liegenden Infektionsherds. Neben Verfahren der chirurgischen Herdsanierung (Übersicht bei [6]) ist die Wahl einer adäquaten Antibiotikatherapie für den Verlauf der Erkrankung entscheidend. Unglücklicherweise gibt es nur wenige kontrollierte Studien, die antiinfektive Substanzen, verschiedene Therapieregime (eskalierend vs.

de-eskalierend, Mono- vs. Kombinationstherapie) und unterschiedliche Therapieintervalle bei septischen Patienten miteinander vergleichen. Pharmakokinetische und -dynamischeAspekte werden in denArbeiten zur Sepsistherapie praktisch nicht berücksichtigt. Entsprechend unscharf sind dann auch – in Ermangelung evidenzbasierten Wissens – die Therapieempfehlungen zur Antibiotikatherapie in den verschieden Richtlinien abgefasst (vgl. bei [7]). Entweder beschränken diese sich auf therapeutische Allgemeinplätze (2) oder sie sind so breit angelegt, dass aus der Vielzahl der genannten antibiotisch wirksamen Substanzen keine Handlungsanweisung für die tägliche Praxis abgeleitet werden kann (8). In diesemArtikel wird derVersuch unternommen, trotz fehlender Studienergebnisse einen Handlungsalgorithmus für die klinische Praxis vorzulegen und offene Fragen zu benennen. Septische Erkrankungen bei immunsupprimierten Patienten nach Chemotherapie oder Organtransplantation oder im Rahmen von Systemerkrankungen weisen unterschiedliche Erregerspektren auf und bedürfen einer generell anderen Diagnostik- und Therapiestrategie, sodass diese im Rahmen dieser Übersicht keine Berücksichtigung finden.

Epidemiologie und Mikrobiologie Das Auftreten einer Infektion während des Intensivaufenthalts ist mit einem deutlichen Anstieg der Sterblichkeit auf der Intensivstation assoziiert (9). Je schwerer die Infektion ist, umso häufiger ist ein Organversagen oder gar eine therapierefraktäre Schocksituation zu erwarten, die Sterblichkeit steigt bei schwerer Sepsis und septischem Schock dramatisch an (5).

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Tab. 1

Kosten (in Euro) von Intensivpatienten in Deutschland (modifiziert nach [10])

Innere

Basissatz

Personal

Hotel

Sepsisthe- Blut rapie

Beatmung NierenTotal ersatztherapie

04 021

6 291

1 501

1 763

1 326

139

211

13 995

Überlebende 03 091

6 994

1 752

1 890

0954

140

349

14 498

Verstorbene

05 313

5 312

1 151

1 577

1 698

135

177

13 309

Chirurgie

09 900

9 160

1 527

2 511

3 170

118

313

25 412

Überlebende 08 856

9 746

1 609

2 246

1 656

117

423

23 630

Verstorbene

8 161

1 388

3 008

5 305

120

287

28 831

11 878

Als Folge der veränderten Demographie der Gesellschaft und der Fortschritte der Medizin (mehr operative Eingriffe bei Hochrisikopatienten, häufigere immunsupprimierende Maßnahmen bei Tumor- und Systemerkrankungen) muss mit einer Zunahme septischer Komplikationen gerechnet werden (3, 5). Für Deutschland wurde eine Prävalenz von 12,4% für Sepsis und von 11% für schwere Sepsis/septischer Schock ermittelt. Dies entspricht einer Inzidenz von 76–110 Fällen auf 100 000 Einwohner (5). Das Auftreten einer Sepsis erhöht nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Kosten der Therapie erheblich. Neben der als Folge dieser Erkrankung deutlich verlängerten Krankenhausliegezeit (10), spielt hier auch die hohe Letalität eine wesentliche Rolle. So konnte in einer kürzlich publizierten Arbeit gezeigt werden, dass – entgegen bisheriger Annahmen – nicht überlebende Patienten die höchsten Kosten im Intensivbereich verursachen (11) (Tab. 1). Verant-

wortlich scheint hier der höhere Ressourcenaufwand bei schwerer kranken Patienten, wobei vor allem die Personalkosten als Fixkosten der Intensivtherapie zu Buche schlagen. Betrachtet man die Statistiken verschiedener nationaler Surveillancesysteme, so kommen als Sepsisquellen vor allem Katheter und Wundinfektionen, Urogenitalinfektionen, tiefe Atemwegsinfektionen und Pneumonien und intraabdominelle Infektionen in Betracht (12). Mit einer substanziellen Steigerung der Sterblichkeit sind allerdings nur die pneumonische und abdominelle Sepsis, in Maßen die Urogentalinfektion und die schweren Haut- und Weichteilinfektionen assoziiert (5), weil diese Formen der Infektion mit Organdysfunktion und damit schweren Verläufen der Sepsis einhergehen. Sie sollen daher im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen stehen. Betrachtet man das Erregerspektrum, so haben Kokkeninfektionen in den vergangenen Jahren eine zunehmende Bedeutung er-

Abb. 1 MRSA-Prävalenz in verschiedenen europäischen Ländern (mod. mit freundl. Genehmigung nach: EARSS Annual Report der European Community 2005; www.rivm. nl/earss). Die schwarzen Pfeile zeigen die Entwicklung gegenüber 2003 an.

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langt und sind für fast die Hälfte aller Intensivinfektionen verantwortlich. Neben Pneumokokken (bei ambulant erworbener Pneumonie) rücken Staphylokokken und Enterokokken mehr und mehr ins Blickfeld. Im gram-negativen Bereich sind Enterobacteriacae (E. coli, Klebsiellen) nach wie vor häufige, jedoch gut behandelbare Infektionserreger. Behandlungsprobleme gibt es eher bei Pseudomonas aeruginosa und anderen – natürlicherweise – multiresistenten Erregern wie Acinetobacter oder Stentrophomonas maltophilia, die sich mehr und mehr auf Intensivstationen ausbreiten (13). Für diese Erreger steht nur ein eingeschränktes Antibiotikaportfolio zur Verfügung. Beachtenswert ist auch die zunehmende Prävalenz von Pilzinfektionen auch bei nicht immunsupprimierten Patienten (14). Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen werden die Patienten der Intensivmedizin immer älter, einerseits weil das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt, andererseits weil immer mehr „aggressive“, komplikationsreiche Medizin auch bei betagten Patienten zum Einsatz kommt. Zum anderen überleben auf Grund der enormen Fortschritte der Medizin Patienten auf Intensivstation immer länger, der langdauernde Intensivaufenthalt des schwer Kranken führt jedoch für sich genommen zu einer Immunsuppression, die wiederum opportunistische Infektionen – und hier vor allem Pilzinfektionen – begünstigt. Zum Dritten gibt es praktisch keinen Langlieger auf der Intensivstation, der nicht über längere Zeit antibiotisch behandelt wird, was der Selektion – zumindest von Candida – Vorschub leistet. Beide zuvor angeführten Aspekte, nämlich die Bedeutung des Infektionsorts für die Sterblichkeit und die Veränderung der Erregerepidemiologie müssen bei der Planung der Antibiotikatherapie berücksichtigt werden. Dabei ist jedoch die infektionsepidemiologische Variabilität hoch. Nicht nur zwischen verschiedenen Ländern und Regionen, sondern sogar zwischen Krankenhäusern derselben Stadt oder verschiedenen Intensivstationen desselben Hauses kann es erhebliche Unterschiede hinsichtlich der wichtigsten Erreger und zu beobachtender Resistenzen geben (13). Erreger- und Resistenzstatistiken sollten daher für jede Inten-

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Abb. 2 Fluorchinolon-Resistenz von Pseudomonas aeruginosa in Europa (mod. mit freundl. Genehmigung nach: EARSS Annual Report der European Community 2005; www. rivm.nl/earss).

sivstation einzeln erfasst und in regelmäßigen – je nach Größe der Intensivstation alle 6 oder alle 12 Monate – Abständen kommuniziert werden.

Resistenzentwicklung Seit Mitte der 1990er-Jahre ist für alle wichtigen Erreger eine steige Zunahme von Resistenzen gegen Standardantibiotika zu beobachten. Besonders zu beachten sind hierbei Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA, Abb. 1), Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und Ceftazidim-, Ciprofloxacin- oder Carbapenem-resistente Pseudomonaden (Abb. 2) (15). Neben diesen Hauptproblemfeldern zeichnen sich jedoch auch in Bereichen bisher problemlos zu behandelnder Erreger erste Schwierigkeiten ab. So ist es zu einem dramatischen Anstieg fluorchinolonresistenter E. coli gekommen. Enterobacteriacae bilden zunehmend sogenannte Breitspektrumbetalaktamasen (extended spectrum betalactamases, ESBL), sodass die Sensibilität dieser Erreger gegenüber Beta-Laktamantibiotika abnimmt (Abb. 3). Zudem häufen sich Einzelfallberichte über Erreger, die inzwischen gegenüber keiner der bekannten Antibiotikagruppen sensibel sind. Ein weiteres relevantes Problem stellt der Anstieg der Inzidenz der antibiotikaas-

Abb. 3 Prävalenz ESBL-bildender E. coli in Europa (mod. mit freundl. Genehmigung nach: EARSS Annual Report der European Community 2005;www.rivm.nl/earss).

soziierten pseudomembranösen Colitis (ausgelöst durch das Toxin von Clostridium difficile) sowohl im ambulanten Bereich wie auch im Krankenhaus dar. 50% der Fälle können dabei unmittelbar einer Antibiotikatherapie zugeordnet werden, die anderen 50% scheinen übertragen. Besonders groß ist das Risiko von Altenund Pflegeheimpatienten. Als auslösende Antibiotika konnten neben den klassischen Substanzen (Clindamycin, Betalaktamantibiotika) auch Fluorchinolone als wesentlicher Risikofaktor ausgemacht werden. Beunruhigend ist dabei, dass bestimmte Clone von C. difficile einen Anstieg der Pathogenität mit erhöhter Morbidität und Letalität zeigen (16). Der Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin bei passender Klinik – profuse Durchfälle, die nicht blutig sein müssen – gilt heute als beweisend für die Erkrankung. Die Standardtherapie besteht aus dem Absetzen des wahrscheinlich verantwortlichen Antibiotikums und der Initiierung einer oralen Gabe von 400 mg Metronidazol viermal täglich. Metronidazol-Therapieversager sind häufig (10–20%), Vancomycin oral (125–250 mg viermal täglich oral) stellt eine Alternative dar (17). Wenn keine orale Medikation möglich ist kann mit geringerer Effektivität auf gut in den Darm penetrierende Antibiotika zurückgegriffen werden. Hierzu gehören neben Metronidazol die neueren Substanzen Tigecyclin und Linezolid. Vanco-

mycin parenteral ist auf Grund seiner schlechten Penetrationseigenschaften praktisch nicht einsetzbar. Klinische Studien zu einer i.v.-Therapie fehlen bisher.

Therapie „Hit early“ – die „golden hour“ Der wesentliche Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit an Sepsis stellt die initiale inadäquate (18) Antibiotikatherapie dar. Daten aus einer Studie von Patienten mit durch positive Blutkultur belegter Pseudomonas-Sepsis zeigen, dass knapp 25% von Ihnen initial mit einem nicht Pseudomonas-wirksamem Antibiotikum behandelt wurden. Die Sterblichkeit dieser Patienten war doppelt so hoch, wie bei den adäquat behandelten Patienten (19). Adäquate Therapie meint jedoch nicht nur die Wahl des richtigen Antibiotikums, sondern bezieht sich auch auf die schnellstmögliche Einleitung der Therapie. Eine kürzlich publizierte retrospektive Observationsstudie von Kumar und Mitarbeitern hat den Einfluss einer verspäteten Initiierung einer antimikrobiellen Therapie bei 2154 Patienten mit septischem Schock untersucht (20). Die Sterblichkeit nahm mit jeder Stunde einer verspäteten Antibiotikagabe um ca. 7% zu (Abb. 4). Sogar innerhalb

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Abb. 4 Einfluss einer verspäteten antimikrobiellen Therapie auf die Hospitalsterblichkeit von Patienten mit septischem Schock (mod. nach: [20]).

der ersten „golden hour“ war ein Unterschied nachweisbar: Patienten, welche innerhalb der ersten 30 Minuten behandelt wurden, überlebten in 82,7%, solche die in den zweiten 30 Minuten der „golden hour“ behandelt wurden, dagegen nur in 77,2%.

„Hit hard“ – kalkulierte Initialtherapie Diese Notwendigkeit der schnellen Therapieeinleitung zwingt generell zu einer initial möglichst breiten antibiotischen Therapie, da ein zuverlässiges mikrobiologisches Ergebnis frühestens nach 24 bis 48 Stunden vorliegt. Dieses Problem wird durch die Tatsache verschärft, dass nur bei ca. 55% der ambulant erworbenen Infektionen und 71% der nosokomialen Infektionen ein Keimnachweis überhaupt gelingt (21). In einer jüngst durchgeführten repräsentativen Studie des Kompetenznetzwerks Sepsis (SepNet) gelang sogar nur bei 57,3% der Patien-

ten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock ein mikrobiologischer Erregernachweis (22). Diagnostische Maßnahmen dürfen daher bei Patienten mit schweren Infektionen nicht zu einer Verzögerung der Therapieeinleitung führen. Eine weitergehende mikrobiologische Diagnostik – mit Ausnahme der Abnahme von zwei Blutkulturpärchen (sollte immer gemacht werden) – ist daher in der Regel nicht möglich. Als Hauptgrund für das Vorliegen einer unzureichenden primären Antibiotikatherapie gilt dasVorliegen der oben bereits aufgeführten resistenten Erreger (23). Diese multiresistenten Keime tragen auch zu einer deutlichen Erhöhung der Intensivsterblichkeit bei (24). Wichtigster Risikofaktor für die Selektion polyresistenter Erreger ist eine vorausgegangene Therapie mit Antibiotika (Tab. 2) während der letzten vier Wochen vor der jetzigen Infektionsepisode. Antibiotika mit schmalem Spektrum wie Ampicillin oder Zweitgenerationscephalosporine, begünstigen dabei die Resistenzentwick-

Risikofaktor

Faktor, um den sich das Risiko erhöht

Beatmungsdauer >7 Tage

06,01

Antibiotikavortherapie mit Antibiotika mit schmalem Spektrum

13,46

Vorbehandlung mit Breitbandantibiotika

04,12

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Tab. 2 Risikofaktoren für den Erwerb multiresistenter Erreger (modifiziert nach [26])

lung mehr als Breitspektrumantibiotika (25).Aus diesem Grund wird beispielsweise eine unnötig über den Operationstag hinaus verlängerte perioperative Prophylaxe zu einem Risiko für die Resistenzentwicklung. Daraus folgt, dass beim Vorliegen einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks möglichst breit und hochdosiert behandelt werden sollte (bei Nieren- oder Leberinsuffizienz sind die genannten Dosen entsprechend anzupassen). Dazu stehen grundsätzlich drei Substanzgruppen zur Verfügung: ● Piperacillin (3 x 4 g) ± Beta-Laktamaseinhibitor ● ein pseudomonaswirksames Cephalosporin (Ceftazidim oder Cefepime, je 3–4 x 2 g) ● ein pseudomoaswirksames Carbapenem (Imipenem oder Meropenem, je 3–4 x 1 g) Die Pseudomonas-wirksamen Fluorchinolone (Ciprofloxacin 3 x 400 mg oder Levofloxacin 2 x 500 mg) werden auf Grund der Resistenzentwicklung nicht mehr als empirische Initialtherapie empfohlen. Zur gezielten Therapie bei nachgewiesener Sensibilität des Erregers sind sie natürlich nach wie vor gut geeignet. Die Frage, ob Levofloxacin gegenüber Pseudomonas dem Ciprofloxacin äquivalent ist, wurde nicht in klinischen Studien geprüft. Ciprofloxacin ist die wirksamere Substanz, Levofloxacin besser gewebepenetrabel, vor allem im bronchopulmonalen Kompartment (27). Offene Studien bei Sepsis (28) lassen keinen wesentlichen Unterschied der beiden Substanzen gegenüber Pseudomonas erkennen (zumindest bei pulmonaler Genese und bei ausreichender Dosierung). Bei Septitiden auf Grund schwerer ambulant erworbener Pneumonien ist Ciprofloxacin ungeeignet. Hier ist dem Levofloxacin und dem neueren, besser in das pulmonale Kompartment penetrierenden Moxifloxacin – nicht pseudomonaswirksam – der Vorzug zu geben (29).

Intraabdominelle Sepsis Bei intraabdomineller Sepsis, bei der grundsätzlich auch anaerobe Erreger und bei längerem Intensivaufenthalt auch Ente-

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rokokken eine Rolle spielen können, decken Carbapeneme und die Piperacillin/Inhibitorkombination das gesamte Spektrum ab. Cephalosporine und Fluorchinolone sind weder Anaerobier- noch Enterokokkenwirksam, sie sollten zumindest mit Metronidazol kombiniert werden. Bei den genannten Cephalosporinen muss darauf geachtet werden, dass Ceftazidim und Cefepim gram-negativ gleich effektiv sind, Ceftazidim im gram-positiven Bereich jedoch deutlich unterlegen ist (30).

Pneumogene Sepsis Bei pneumonischer Sepsis spielen weder Anaerobier noch Enterokokken eine wesentliche Rolle; alle vier genannten Substanzen können als Monotherapie zum Einsatz kommen. Bei ambulant erworbenen Infektionen können jedoch atypische Erreger wie Mykoplasmen und vor allem Legionellen eine Rolle spielen, Betalaktame müssen deshalb mit einem Makrolidantibiotikum kombiniert werden, wodurch zudem die Pneumokokkenwirksamkeit der Betalaktame verbessert wird (31).

Urogenitale Sepsis Bei Urogenitalsepsis sind grundsätzlich alle genannten Antibiotika einsetzbar. Substanzen, die bereits in einer vorherigen Therapie innerhalb der letzten Wochen benutzt wurden, sind zu meiden. Dies gilt insbesondere für Fluorchinolone.

Mono- versus Kombinationstherapie Die Frage, inwieweit die in allen Richtlinien empfohlene Kombinationstherapie von Betalaktamen und Aminoglykosiden einer Monotherapie überlegen ist, ist umstritten. Beide Substanzgruppen haben einen synergistischen Effekt, von einer Kombinationstherapie hat man sich eine Verringerung des Selektionsdrucks und damit eine niedrigere Resistenzrate versprochen. Zwei Metaanalysen (32, 33) zur gram-negativen Sepsis konnten jedoch keinen Überlebensvorteil

für die kombiniert behandelten Patienten nachweisen. Ganz im Gegenteil erhöhten die Aminoglykoside die Komplikationsrate (Nierenversagen) signifikant. Allerdings reichen die Daten nicht aus, um die Monotherapie bei Pseudomonas- oder Acinetobacterinfektionen uneingeschränkt empfehlen zu können. Hier zeigt eine retrospektive Analyse aus Genf einen Vorteil für eine initiale Kombinationstherapie, die jedoch auf eine Monotherapie deeskaliert werden kann, wenn die mikrobiologischen Ergebnisse eine gute Wirksamkeit des Betalaktamantibiotikums zeigen (34). Beide Metaanalysen beruhen jedoch ausschließlich auf Studien, in denen die Aminoglykoside – wie früher üblich – unterdosiert und dreimal täglich eingesetzt wurden. Heute gilt die einmal tägliche Gabe (5–7 [-10] mg/kg Körpergewicht für Gentamycin und Tobramycin, 25–30 mg/kg KG für Amikacin) als Standarddosierung (35), weil sie bei gleicher Effektivität nebenwirkungsärmer ist als die dreimalige Gabe. Auf Grund der Nebenwirkungsproblematik sollten dieAminoglykosidtherapie nach 3–5 Tagen beendet werden (Ausnahme: Sepsis bei Endokarditis). Viele Zentren bevorzugen auf Grund mangelnder Alternativen eine solche Kombinationsmöglichkeit. Über die Kombination von Betalaktamen und Fluorchinolonen liegen für Sepsis keine Studienergebnisse vor. In einer kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten multizentrischen, randomisierten Studie der Canadian Critical Care Trials Group zum Stellenwert einer antibiotischen Monotherapie mit Meropenem versus einer Kombinationstherapie mit Meropenem und Ciprofloxacin bei Patienten mit Ventilator-assoziierter Pneumonie, konnte kein Vorteil der Kombinationstherapie aufgezeigt werden (36). Möglicherweise kommt hier jedoch die bei Ciprofloxacin ausgeprägte Resistenzsituation und die Schwäche im gram-positiven Bereich zum Tragen. SepNet wird im September 2007 bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock die Effektivität einer Kombinationstherapie bestehend aus einem Carbapenem und von Moxifloxacin gegenüber einer Monotherapie in einer randomisierten, kontrollierten Studie überprüfen.

MRSA Amerikanische Studien setzen primär eine MRSA-wirksame Kombinationstherapie mit Glykopeptiden ein und vermeiden damit inadäquate Antibiotikatherapie (37). Das ist meines Erachtens nur in Ausnahmefällen zu empfehlen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer MRSA-Infektion auf Grund der epidemiologischen Situation (hohe Prävalenz an MRSA auf dieser Station, räumliche Nähe zu MRSA-infizierten Patienten, bekannte Kolonisation mit MRSA) einer Intensivstation sehr hoch ist. Hauptproblem ist, dass man zwar häufig MRSA (vor allem im Atemwegsmaterial) nachweist, die Kolonisierung mit diesem Keim jedoch nur bedingt prädiktiv für eine septische Infektion mit diesem Erreger ist. Kolonisationen sind jedoch nicht behandlungsbedürftig. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass eine Glykopeptidmonotherapie bei allen Gewebsinfektionen (Pneumonie, schwere Haut- und Weichteilinfektion, Osteomyelitis) nur eingeschränkt wirksam ist, weil Glykopeptide auf Grund ihrer Molekülgröße schlecht gewebspentrabel sind (38) und zudem die Erregereradikation auf Grund der langsamen Abtötungsdynamik dieser Substanzen nur unzureichend gelingt. Kombinationstherapien von Vancomycin oder Teicoplanin mit Rifampicin (39) oder Fosfomycin (40) sind möglich, führen jedoch zu einer erhöhten Nebenwirkungsrate. Mit dem neuen Oxazolidinon Linezolid steht jetzt eine für alle Arten resistenter Kokken erfolgversprechende Substanz mit sehr guter Gewebspenetrabilität zur Verfügung (41), die Tagestherapiekosten sind allerdings mit ca. 120 Euro erheblich, die Substanz wirkt zudem nur bakteriostatisch und hat ein beachtliches Nebenwirkungsprofil (Thrombopenie, Anämie, Polineuropathie). Daten, die klinisch denVorteil von Linezolid gegenüber Glykopeptiden belegen, gibt es bisher nur für die MRSAPneumonie, nicht jedoch für die Sepsis. Auf Grund der Bedeutung von MRSA und der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten ist es nicht verwunderlich, dass sich die pharmazeutische Forschung auf diese Indikation fokussiert hat. Insbesondere wurden ältere, nie zur Marktreife gelangte

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Substanzen, erneut auf ihre Wirksamkeit in diesem Feld untersucht. Mit Tigecyclin und Daptomycin wurden 2006 zwei neue Substanzen zugelassen, MRSA-wirksame Cephalosporine (Ceftobiprol, Ceftaurolin) sind in Phase III der klinischen Prüfung, neue kleinmolekulare Glykopeptide wie Telavancin, Dalbavancin und Oritavancin stehen für schwere Haut- und Weichteilinfekte vor der Zulassung und sind für CAP und HAP in der klinischen Prüfung.

Neue Antibiotika – Tigecyclin Tigecyclin stellt eine Weiterentwicklung der Tetracycline dar (sogenanntes Glycylcyclin). Neben der Wirksamkeit im gram-positiven Bereich (auch gegen MRSA, VRE und penicillinresistente Pneumokokken) ist es auch gram-negativ aktiv (Ausnahme: Pseudomonas aeruginosa, einige Proteusstämme, unklar: Burkholderia), die Wirksamkeit schließt ESBL ein. Tigecyclin wurde in je zwei großen klinischen Studien für die Indikationen Haut- und Weichteilinfektionen (gegen Vancomycin/Aztreonam) (42) und intraabdominelle Infektion (gegen Imipenem) (43) geprüft und war in jeder Hinsicht den Vergleichssubstanzen äquivalent. Pharmakokinetische Untersuchungen belegen die hervorragende Penetration in die Lunge (44). Eine als Abstrakt vorliegende Studie zur ambulant erworbenen Pneumonie zeigt Äquivalenz gegenüber Levofloxacin, Daten zur beatmungsassoziierten Pneumonie stehen aus. In Hinblick auf die Behandlung der Sepsis sind die niedrigen Serumkonzentrationen in der bisher üblichen Dosierung von 50 mg zweimal täglich und die gegenüber den meisten Erregern bakteriostatische Wirksamkeit problematisch. Ich würde Tigecyclin bei Sepsis nur als Kombinationspartner mit einer bakteriziden Substanz, nicht jedoch in Monotherapie einsetzen. Daptomycin ist ein sogenanntes Lipopeptid, das über einen verstärkten Kaliumausstrom aus der Bakterienzelle deren Tod induziert. Es hat eine ausschließlich grampositive Wirkung, insbesondere ist es hoch bakterzid bei MRSA. Die Penetration ins Gewebe und in Entzündungszellen ist exzellent. Die bakterizide Substanz wurde für Med Welt 7–8/2007

Haut- und Weichteilinfektionen (45) und bei Staphylokokkenbakteriämie – einschließlich Endokarditis (46) – gegen Vancomycin bzw. Oxacillin getestet. Vor allem bei MRSA-Endokarditis war sie gegenüber den Vergleichssubstanzen deutlich überlegen. Den unbestrittenen Vorteilen dieses Antibiotikums stehen zwei wesentliche Probleme gegenüber. Zum einen traten bei höheren Dosierungen Rhabdomyolysen auf, die allerdings nicht mit einer erhöhten Rate von akutem Nierenversagen einhergingen. Zum anderen war Daptomycin in einer nicht publizierten Studie bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie gegenüber Ceftriaxon unterlegen. Grund hierfür ist scheint ein in Tiermodellen nachgewissener inhibierender Mechanismus durch pulmonalen Surfactant zu sein (47). Möglicherweise wurde jedoch eine zu niedrige Dosierung des Daptomycins gewählt. Bei pulmonaler Sepsis sollte es momentan nicht zum Einsatz kommen.

Therapiedauer Zur optimalen Therapiedauer bei Sepsis gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Bisher wurden mindestens 10-, eher 14-tägige Therapieintervalle bevorzugt, um eine sichere Elimination der Erreger zu gewährleisten. Therapieintervalle von mehr als 10 Tagen begünstigen jedoch die Resistenzentstehung von Erregern signifikant. Eine Studie bei beatmungsassoziierter Pneumonie, in die auch Patienten mit septischen Krankheitsverläufen einbezogen waren, zeigte zwischen einer 8- und einer 15-tägigen Therapie keinen Unterschied. Lediglich für Pseudomonas aeruginosa war die Rückfallrate in der Kurzzeittherapiegruppe höher (48). Meines Erachtens muss die Therapiedauer sich am klinischen Verlauf orientieren. Bei klinischer Besserung und Remission des Organversagens sollte noch maximal 3–5 Tage weiterbehandelt werden. Pilze brauchen eine mindestens 14-tägige Therapie, bei Pseudomonas scheinen 10–14 Tage optimal. Bei Abszedierungen, Empyemen und anderen Höhleninfekten hängt die Dauer der Therapie vom lokalen Befund ab. Zeigt sich 48–72 Stunden nach Therapiebeginn keine klinische Besserung oder gar

eine Verschlechterung, spricht das für ein Therapieversagen. Ein Antibiotikawechsel auf eine andere Substanzgruppe (beispielsweise von Cephalosporin nach Carbapenem oder von letzterem zu einem Fluorchinolon) ist dann die Therapie der Wahl. Alternativ kann nach initialer Monotherapie eine Kombinationstherapie gewählt werden. Kommt es trotz Therapiewechsel nicht zur einer Verbesserung der klinischen Situation, müssen andere Infektionen (Pilze, sogenannte atypische Keime wie Legionellen oder Chlamydien) und resistente Erreger wie MRSA oder ESBL-Bildner in die differenzialdiagnostische Überlegung mit einbezogen werden. Es muss auch bedacht werden, das Antibiotika nur dort wirken können, wo sie auch hingelangen. Persistierende Temperaturen können für eine Höhleninfektion sprechen (Pleuraempyem), die klinisch gerade beim Beatmeten schwer zu erkennen ist und nur durch Drainage behoben werden kann (49). Gerade nach lang dauernder Antibiotikatherapie und bei Divergenzen zwischen klinischer Symptomatik und Entzündungsparametern (hohes Fieber, letztere fehlend) sollte daran gedacht werden, dass Antibiotika selbst ein medikamentenassoziiertes Fieber (sogenanntes „drug fever“) auslösen können. Wenn es der klinische Zustand des Patienten erlaubt, ist deshalb eine Pause der Antibiotikagabe von 24–48 Stunden sinnvoll. Beim drug fever kommt es in der Regel innerhalb von 24–36 Stunden zu einem Sistieren der Temperaturen. Zusammenhänge zwischen dem Verbrauch an Antibiotika und der Resistenzentwicklung wichtiger Erreger gegen diese Substanzen sind eindeutig (50). Deshalb wurde versucht durch einen regelmäßigen Wechsel der eingesetzten Primärantibiotika eine Reduktion der Resistenzrate zu erreichen. In ersten Untersuchungen kam es überraschenderweise nicht nur zu einem Rückgang der Resistenzrate, sondern zu einer geringeren Infektionsrate allgemein und zu einem verbesserten Überleben (51). Spätere Studien mit ausgefeilterem Design konnten dies nicht bestätigen (52).

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Ausblick

Fazit für die Praxis

Wie bereits dargelegt erhöht zu späte und falsche Antibiotikatherapie das Sterblichkeitsrisiko von Patienten mit Sepsis. Frühzeitige, breite und hochdosierte Therapie bei jedem klinisch begründeten Infektionsverdacht verbessern die Prognose des Patienten. Auf der anderen Seite beschleunigt ein zu freizügiger Einsatz von Antibiotika die Resistenzentwicklung der wichtigsten Erreger und trägt damit ebenfalls indirekt zu einer erhöhten Sterblichkeit bei. Der Widerspruch zwischen liberaler und restriktiver Antibiotikapolitik ist nur bedingt aufzulösen. Primär wird man bei einem Infektionsverdacht immer mit einer breit wirksamen Antibiotikatherapie starten. Die weitere Antibiotikatherapie muss dann in engem Kontakt zwischen klinischer Mikrobiologie und dem betreuenden Kliniker täglich weiter besprochen werden. Da Übertragung von Erregern zwischen Patienten für die Resistenzausbreitung von wesentlicher Bedeutung ist, muss die Hygiene fest in die infektiologische Behandlung eingebunden werden. Das größte Dilemma der Intensivtherapie besteht im Mangel an randomisierten, kontrollierten Therapiestudien hinsichtlich der antibiotischen Therapie septischer Patienten. Grund hierfür ist, dass septische Patienten in den Zulassungsstudien von Anti-

Die Sepsis stellt die wichtigste Komplikation der Intensivtherapie dar, schwere Sepsis und septischer Schock gehen mit einer hohen Sterblichkeit einher. Verspätete Diagnosestellung und verspätete und falsche Antibiotikatherapie – sowie die fehlende chirurgische Herdsanierung – vermindern die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten. Andererseits begünstigt eine antibiotische Übertherapie die Resistenzentwicklung gegen die wichtigsten Antibiotika. Eine breite, hochdosierte, empirische Therapie muss daher bei schwerer Sepsis

biotikafirmen meist ausgeklammert werden, weil die Sterblichkeit diese Kollektivs zu hoch ist. Wichtige Fragen zur Sepsistherapie können dadurch nicht beantwortet werden. Mit dem Kompetenznetz Sepsis (SepNet) wurde ein Instrument geschaffen, das erstmals industrieunabhängige Untersuchungen in diesem Feld erlaubt. Allerdings sind auch hier nicht ausreichend Mittel vorhanden, um die entscheidenden Fragen der antibiotischen Therapie der Sepsis nach Therapiedauer, Therapiede- und -eskalation und Resistenzprävention zu beantworten. Hier ist für die Zukunft eine Bereitstellung öffentlicher Mittel wünschenswert, um die Therapie der Sepsis zu verbessern.

und septischem Schock unmittelbar nach Diagnosestellung ohne Erregernachweis durchgeführt werden. Diese sollte sich an der lokalen Resistenzsituation orientieren, nationale Empfehlungen müssen daher regelmäßig angepasst werden. Nach Erhalt der mikrobiologischen Ergebnisse kann die Therapie angepasst werden. Die Therapiedauer richtet sich nach der Art der Infektion, den nachgewiesenen Erregern und dem klinischen Ansprechen des Patienten auf die Therapie. Sie richtet sich nach dem klinischen Erfolg und sollte so kurz wie möglich gehalten werden.

Danksagung Mit Unterstützung des Kompetenznetzwerkes Sepsis (SepNet), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Förderkennzeichen: 01 KI 0106 Literatur unter www.die-medizinische-welt.de

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Tobias Welte Direktor der Abteilung Pneumologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Tel.: 05 11 / 5 32 35 31 Fax: 05 11 / 5 32 33 53 E-Mail: welte.tobias @mh-hannover.de

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Med Welt 7–8/2007

Kompetenznetz Sepsis

Antibiotikatherapie der Sepsis