An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages

Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode zu Drucksache Bundesrepublik Deutschland Der Bundeskanzler II/3 — 26200 — 6246/67 V/2120 Bonn, den 9. Mai 1968 ...
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Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode

zu Drucksache

Bundesrepublik Deutschland Der Bundeskanzler II/3 — 26200 — 6246/67

V/2120

Bonn, den 9. Mai 1968

An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages

Hiermit übersende ich die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bericht der „Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film" — Drucksache V/2120. Kiesinger

zu Drucksache V/2120

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode

Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film —

Drucksache V/2120

I. 1. Der Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film 1 ) enthält eine umfassende Analyse der Wettbewerbsbeziehungen, die innerhalb und zwischen Presse, Rundfunk und Film in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Zum ersten Mal werden Organisation, strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung der großen Massenkommunikationsmittel durchleuchtet. Die wettbewerbsrechtliche sowie die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Beurteilung der Stellung der drei Medien zueinander führt zu dem Ergebnis, daß Wettbewerbsverzerrungen zwischen Presse und Rundfunk oder Film und Fernsehen nicht bestehen. 2. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung um eine Stellungnahme zum Bericht gebeten. Die Bundesregierung möchte vorab den Mitgliedern der Kommission, insbesondere dem Vorsitzenden, ihren Dank für den Bericht aussprechen. Die Untersuchung wurde sorgfältig durchgeführt. Die Ergebnisse sind mit der Sachverständigen geziemenden Unparteilichkeit dargestellt. 3. Grundlage des Untersuchungsauftrages war ein einstimmiger Beschluß des Deutschen Bundestages vom 29. April 1964 2). Die darin umrissenen Untersuchungsziele bedurften teilweise der Auslegung. Nach Auffassung der Bundesregierung sind die vorgenommenen Interpretationen nicht zu beanstanden. II. 4. Allein der Umfang des Berichts zwingt die Bundesregierung, ihre Stellungnahme auf die wesentlichen Ergebnisse zu konzentrieren. Die hierzu von den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverbänden 3), von den Rundfunkanstalten 4) und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) eingereichten Stellungnahmen wurden verwertet. 5. Zwei Auftragspunkte 5) mußten unerfüllt bleiben. Eine nähere Untersuchung dieser beiden Punkte hätte mehr Mittel erfordert, als zur Verfügung standen. Nach Meinung der Kommission konnten dennoch die Kernfragen der Untersuchung geklärt werden. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. 6. Die Bundesregierung betrachtet deshalb den Auftrag als erfüllt. Über die Wettbewerbslage der Medien im Land Berlin hat die Kommission inzwischen



dem Senat von Berlin einen gesonderten Bericht erstattet. III. 7. Im zweiten Teil des Berichts finden sich die Ausführungen der Kommission über Organisation und strukturelle Entwicklung der Medien. Sie sind nach Auffassung der Bundesregierung, von wenigen Einzelheiten abgesehen, zutreffend. Einschränkend sei nur angemerkt, daß die Deutsche Bundespost Funkhoheitsaufgaben aus eigenem Recht wahrnimmt. 8. Der zweite Teil des Berichts behandelt darüber hinaus die wirtschaftliche Entwicklung der Medien. Nach Ansicht der Kommission haben sich die Einnahmen der Rundfunkanstalten und die Erträge der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse im Untersuchungszeitraum von 1956 bis 1964 günstig entwickelt. Bei Zeitungen und Zeitschriften sei jedoch in diesen Jahren eine Änderung in der Erlösstruktur eingetreten. Während 1956 das Verhältnis der Erlöse aus Vertrieb und Anzeigen bei Abonnnementzeitungen noch 1 /2 : 1/2 betragen habe, sei 1964 eine Relation von 1 /3 : 2/3 festzustellen gewesen. Bei Illustrierten und Frauenzeitschriften liege 1964 der Anteil der Erlöse aus Anzeigen sogar bei 70 bis 80 vom Hundert. Im Untersuchungszeitraum beobachtete wirtschaftliche Schwierigkeiten kleiner und mittlerer Verlage seien überwiegend Folgeerscheinungen des Wettbewerbs innerhalb der Presse. 1) im folgenden Kommission genannt 2) vgl. Stenographischer Bericht — Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode — 124. Sitzung vom 29. April 1964 S. 5983 ff. in Verbindung mit Drucksache IV/2158 3) Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. (BDZV) und Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) 4) Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) und Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) 5) Es handelt sich dabei um die Punkte 1 c und 2 der Drucksache IV/2158: — Untersuchung der Auswirkung der verschiedenartigen staatlichen Privilegien und steuerlichen Belastungen hinsichtlich der freien Meinungsbildung heute und in Zukunft und — Vergleich der Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung, der Rechtsformen der staatlichen Privilegien und steuerlichen Belastungen.

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode Unterschiedlich sei dagegen die Entwicklung in der Filmwirtschaft verlaufen. Ungünstig hätten sich vor allem wegen des starken Besucherrückgangs die von den Filmtheatererlösen abhängigen Sparten entwikkelt, günstig dagegen die Herstellung von Werbeund Wirtschaftsfilmen sowie von Dokumentar- und Fernsehfilmen. a) Die untersuchten Medien haben auf diese Feststellungen unterschiedlich reagiert. Während die Rundfunkanstalten keine Beanstandungen erheben, meint der VDZ, das statistische Material sei in einigen Zweifelsfällen zugunsten der Rundfunkanstalten interpretiert worden. Die SPIO wendet sich vor allem gegen einen statistischen Vergleich der Jahre 1936 und 1949, weil die geltenden Wirtschaftsverfassungen beider Bezugsjahre unvereinbar seien. Der BDZV hält darüber hinaus sogar Grundprinzipien der Statistik für nicht beachtet und bemängelt die unzureichende Berücksichtigung der Rezessionsperiode 1966/67. Gewichtige Indizien sprächen für eine Schädigung der Presse, auch wenn ihr Ausmaß nicht streng nachweisbar sei. In erster Linie werden die sich häufenden Fälle von Zeitungseinstellungen und -zusammenschlüssen genannt. b) Nach Meinung der Bundesregierung sind Zweifel` am Aussagewert des von der Kommission herangezogenen eigenen und fremden Zahlenmaterials für den Hauptzeitraum der Untersuchung nicht berechtigt. Das Material lag der Kommission allerdings nur für die Jahre 1956 bis 1964/65 vor; es gestattete ihr ein zuverlässiges Urteil über die Grundtendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung der drei Massenmedien. Der Untersuchungsauftrag forderte eine vergleichende Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung der Medien über einen größeren Zeitraum hinweg. Dabei galt es die wichtigsten Faktoren darzustellen, die den allgemeinen Entwicklungsverlauf maßgeblich bestimmten, vor allem die Kosten- und Ertragslage. Die Kommission hat wohl mit Recht 1956 zum Ausgangspunkt für ihre Untersuchung gewählt, weil in diesem Jahr die ersten Werbesendungen im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Die Wahl eines Bezugsjahres kann bei derart komplexen Vergleichen die Beantwortung konkreter Einzelfragen erschweren, u. U. sogar zu unrichtigen Schlußfolgerungen führen. Die Kommission hat aber nach Auffassung der Bundesregierung die sich aus der Aufbereitung und der Zusammensetzung des Zahlenmaterials ergebenden Schwierigkeiten bei der Ableitung ihrer Untersuchungsergebnisse berücksichtigt. Nach Auffassung der Bundesregierung hat sie es vermieden, das herangezogene Zahlenmaterial in unzulässig verallgemeinernder Weise zu interpretieren. Die Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, daß die Kommission mit dem von ihr bis 1964/65 erhobenen Zahlenmaterial die wirtschaftliche Entwicklung der Medien zutreffend darstellt und die hierüber gewonnenen Erkenntnisse beweiskräftig erhärtet hat.

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9. Damit ist jedoch noch nicht der Einwand des BDZV entkräftet, der wegen des Konjunkturverlaufs in den Jahren 1966/67 dem gesamten Bericht Mangel an Aktualität vorwirft. Die Kommission geht auf diese Rezessionsperiode nur verhältnismäßig kurz ein, kommt aber gleichwohl zu der Feststellung, daß kein Anlaß bestehe, deswegen die Untersuchungsergebnisse zu korrigieren. Richtig ist, daß die sich schon im Untersuchungszeitraum immer stärker zeigende Abhängigkeit der Presse vom Anzeigengeschäft und damit vom Konjunkturverlauf in den kritischen Jahren 1966/67 besonders deutlich sichtbar wurde. Erschwerend kam die neue Erfahrung hinzu, daß Unternehmer auf die Rezession — von der Marktlogik her gesehen oft unverständlicherweise — prozyklisch mit einer Kürzung der Werbeetats für Anzeigen in der Tagespresse reagierten. Aber es war nicht Aufgabe der Kommission, die Konjunkturabhängigkeit der Medien zu prüfen und hierfür etwaige Abhilfen vorzuschlagen 6). Deshalb ist es nicht berechtigt, dem Kommissionsbericht Mangel an Aktualität vorzuwerfen. Anders wäre dagegen die Lage zu beurteilen, wenn sich als Folge der durch den Konjunkturverlauf bedingten Erlösrückgänge der Tagespresse auch Rückwirkungen auf die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Presse und Rundunk gezeigt hätten. Hierauf wird im folgenden noch eingegangen. 10. Die Wettbewerbssituation der Medien wurde im dritten Teil des Berichts behandelt. Die nach der Zielsetzung des Untersuchungsauftrages besonders wichtigen Aussagen betreffen: die Art der Wettbewerbsbeziehungen, die Intensität des Wettbewerbs und die Frage nach Wettbewerbsverzerrungen. 11. Die Art der Wettbewerbsbeziehungen wurde von der Kommission jeweils nach den Besonderheiten der verschiedenen Leistungen der Medien geprüft. Dabei kommt die Kommission im Verhältnis von Presse zu Rundfunk zu dem Ergebnis, daß sowohl auf dem Gebiet der Information und Unterhaltung als auch auf dem der Werbung ergänzende (komplementäre) Beziehungen vorherrschen. Rundfunk und Presse, insbesondere Fernsehen und Tageszeitungen, ergänzen sich in ihrer publizistischen Aufgabe. Die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Fernsehen und Film sind dagegen nach Auffassung der Kommission durch die technische Ähnlichkeit der Medien gekennzeichnet, die bis zur Austauschbarkeit einzelner Filme geht. Hinzu komme die Konzentration des Fernsehangebots auf die Abendstunden. Hier herrscht also echter Wettbewerb im Sinne einer Alternative, eines häufigen „Entweder-Oder". Dieser Punkt wird in den Stellungnahmen der Medien nicht besonders behandelt. Der BDZV erwähnt zwar „die Abwanderung zahlreicher Markenartikel aus den Anzeigenseiten der Tageszeitungen", behauptet jedoch nicht das Vorhandensein einer überwiegenden Substitutionskonkurrenz des Fernsehens. Gegen die Ermittlungsmethoden der Kommission und damit gegen die gewonnenen Ergebnisse werden auch von der Bundesregierung keine Einwendungen erhoben. 6)

vgl. hierzu S. 1 und 8 bis 9 des Berichts

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12. Bei der Prüfung der Intensität der Wettbewerbsbeziehungen und ihrer Auswirkungen kommt die Kommission zu dem Ergebnis, daß der Wettbewerb innerhalb der Presse erheblich stärker sei als der zwischen Presse und Rundfunk. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der kleinen und mittleren Verlage seien überwiegend auf Wettbewerb innerhalb der Presse selbst zurückzuführen. Allerdings könne der Anpassungsprozeß, der von den komplementären Beziehungen zwischen Presse und Rundfunk ausgelöst werde, diesen Wettbewerb innerhalb der Presse noch verschärfen. Selbst zwischen Tagespresse und Werbefernsehen beständen nur partielle Wettbewerbsbeziehungen, die sich überwiegend auf die Markenartikelwerbung konzentrierten. Bei einem Anteil der Markenartikelanzeigen zwischen 20 und 30 % vom gesamten Anzeigenvolumen der verschiedenen Auflage-Größenklassen seien diese Wettbewerbsbeziehungen immer noch schwächer als die zwischen Werbefernsehen und Illustrierten. Dem hält der BDZV entgegen, die Kommission bagatellisiere es, bis zu welchem Grad die Verleger vom Werbefernsehen betroffen seien, nur weil sich hier für keine exakten Zahlen ermitteln ließen; sie versuche obendrein, den Verlegern hierfür die Beweislast aufzubürden. In der Realität sei dagegen diese Schmälerung für jede einzelne Zeitung spürbar, für manche existenzgefährdend. Richtig ist, daß sich die Intensität der Wettbewerbsbeziehungen nicht exakt ermitteln läßt. Das schließt aber die Beurteilung der relativen Bedeutung einzelner Wettbewerbsbeziehungen für die wirtschaftliche Existenz der Presse nicht aus. Ob und in welchem Umfang bei völliger Einstellung der Rundfunkwerbung die hierfür aufgewandten Werbeausgaben der Presse zufließen würden, läßt sich nicht feststellen. Es war auch nicht zu prüfen. Die Bundesregierung teilt die Ansicht der Kommission, daß der Einfluß einer Wettbewerbsbeziehung auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens nicht isoliert von den anderen wichtigen Wettbewerbseinflüssen ermittelt werden kann, denen es ausgesetzt ist. Ein zutreffendes Bild gewinnt man nur, wenn alle wichtigen Wettbewerbseinflüsse in die Untersuchung einbezogen und ihre Auswirkungen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Kommission hat nach Auffassung der Bundesregierung das Gesamtbild der innerhalb und zwischen den Medien bestehenden Wettbewerbsbeziehungen in den Grundzügen zutreffend wiedergegeben. 13. Die Kommission verneint das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Presse und Rundfunk sowie zwischen Film und Fernsehen. Der Begriff der Wettbewerbsverzerrung sei weder rechtlich noch wirtschaftswissenschaftlich definiert. Wenn bestimmte Wettbewerbsbeziehungen als verzerrt qualifiziert werden, handele es sich vielmehr um die Abgabe eines Werturteils. Die Kommission geht zunächst davon aus, daß zwischen den Medien dann gleiche Wettbewerbsbedingungen, also keine Wettbewerbsverzerrungen bestehen würden, wenn Presse und Film einem (von der öffentlich-rechtlichen Or

ganisationsform der Anstalten unabhängigen) Wettbewerb privater Rundfunkunternehmen ausgesetzt wären. Sie bezeichnet den Wettbewerb, dem Presse und Film bei Einfügung des Rundfunks in ein verkehrswirtschaftliches System ausgesetzt wären, als „möglichen Wettbewerb" und nimmt ihn zum Maßstab nicht verzerrter Wettbewerbsverhältnisse. Nach Auffassung der Bundesregierung eignet sich dieser Maßstab dafür zu prüfen, ob Verzerrungen 7 im intermediären Wettbewerb darauf zurückgehen, daß die Rundfunkanstalten öffentlich-rechtlich organisiert sind. Im Bericht (S. 138) wird zu Recht hervorgehoben, daß damit die Beurteilungskriterien noch nicht erschöpft sind. Für die Prüfung des intermediären Wettbewerbs auf Verzerrungen aus anderen Ursachen, z. B. auch technisch bedingten Beschränkungen des Zugangs zum Markt, bedarf es der Anwendung anderer Maßstäbe. Die Kommission hat darauf hingewiesen, daß für die Prüfung, ob Verzerrungen des Wettbewerbs vorliegen, weitere Kriterien herangezogen werden können; sie hat sich dann darauf beschränkt zu untersuchen, ob aus der unterschiedlichen Stellung der Medien im Steuerund Wettbewerbsrecht Wettbewerbsverzerrungen resultieren und ob das erwerbswirtschaftliche Handeln der Rundfunkanstalten mit den Normen des Wettbewerbs-, Verwaltungs- und Verfassungsrechts in Einklang steht. )

Dem Untersuchungsergebnis der Kommission, die öffentlich-rechtliche Organisation des Rundfunks habe weder auf die wirtschaftliche Lage der Presse noch die des Films ausschlaggebenden Einfluß, weil die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen fast ausschließlich durch die technischen und wirtschaftlichen Eigenarten der Medien bedingt seien, stimmt die Bundesregierung zu. Da die technisch bedingten Eigenarten des Rundfunks eine monopolähnlich wirkende Beschränkung des Zugangs zum Markt erfordern, hätte eine eingehendere Erörterung der Frage, inwieweit hierdurch Verzerrungen des intermediären Wettbewerbs ausgelöst werden können, die Untersuchung vervollständigt. Die Kommission hat nach Auffassung der Bundesregierung mit Recht darauf hingewiesen (S. 198 des Berichts), daß im Rundfunkbereich Monopolwirkungen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen unbedingt eingegrenzt werden müssen 8). Der Einwand der SPIO, der Maßstab des „möglichen Wettbewerbs" sei methodologisch zweifelhaft, weil hier ein bestehender Sachverhalt mit einem nicht bestehenden verglichen werde, ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht stichhaltig. Ob sich, wie die SPIO annimmt, der Aufbau eines privaten Fernsehens wegen des größeren finanziellen Risikos für die Unternehmer spürbar langsamer vollzogen hätte, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls würde das Unternehmerrisiko unter dem Aspekt notwendiger Beschränkungen des Zugangs zum Markt zu betrachten sein. 7) im Sinne nicht zu billigender, den Wettbewerb erheblich beeinflußender Ungleichheiten 8) vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Ziffer 21 der Stellungnahme

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode V. 14. Im steuerrechtlichen vierten Teil des Berichts konstatiert die Kommission steuerliche Privilegien der Rundfunkanstalten. Weil sie juristische Personen des öffentlichen Rechts seien, würden auch ihre wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe von der Gewerbeund Vermögensteuer freigestellt. Die Kommission schränkt diese Aussage jedoch sogleich wieder mit dem Hinweis ein, daß eine Gewerbeertragsteuer wegen der Verrechnungen der Leistungen zu Selbstkosten ohnehin nicht anfalle. Andere steuerliche Vorteile seien dagegen durch die hoheitlichen Aufgaben gerechfertigt, die von den Anstalten erfüllt würden. 15. Zu den steuerrechtlichen Fragen haben die Medien nicht Stellung bezogen. Die Bundesregierung stimmt den Kommissionsausführungen einschließlich der — vergleichend wiedergegebenen — steuer- und zollrechtlichen Situation der Presseverlage und der Filmwirtschaft mit gewissen Einschränkungen zu. Anderer Auffassung als die Kommission ist die Bundesregierung z. B. bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Anstalten oder bei der Höhe des Körperschaftsteuersatzes der sog. Nachsteuer für Gewinnausschüttungen der rundfunkeigenen Werbegesellschaften an die Rundfunkanstalten 9 ). Es ist jedoch nicht erforderlich, auf diese Spezialfragen näher einzugehen, weil daraus für das Gesamtergebnis keine grundsätzliche andere Beurteilung abzuleiten wäre. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß die von den Rundfunkanstalten unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe in der Regel Gewerbebetriebe sind. Sie unterliegen deshalb der Gewerbe- und Vermögensteuer. Damit wird die Privilegierung praktisch bedeutungslos. VI.

16.

Im fünften Teil des Berichts untersucht die Kommission die Stellung der Medien im Wettbewerbsrecht. Dabei gelangt sie zu folgenden Ergebnissen: Die im geltenden Recht enthaltenen Zulassungsbeschränkungen für private Rundfunkveranstalter sind Folgen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkverfassung. Das Werbefernsehen verstößt nicht gegen Normen des Wettbewerbsrechts. Ein gesetzliches Verbot des Werbefernsehens durch eine Änderung des UWG wäre systemwidrig, weil es nicht an wettbewerbswidriges oder gar sittenwidriges Verhalten anknüpfen könnte. Zu den wettbewerbsrechtlichen Ausführungen haben die Medien nicht Stellung genommen. In der Beurteilung der Rechtslage stimmt die Bundesregierung mit dem Ergebnis der Kommission überein. VII.

17.

Im verfassungs- und verwaltungsrechtlichen sechsten Berichtsteil kommt die Kommission zu dem Ergebnis, daß die gegenwärtige Gestaltung des Werbehörfunks und des Werbefernsehens als verfassungsgemäß angesehen werden müsse. Allerdings

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wäre auch ein völliges Verbot jeder Werbesendung mit der Verfassung vereinbar. Dagegen könnte eine „nicht unerhebliche" Erweiterung der Werbesendezeiten im Rundfunk auf Bedenken stoßen. Verfassungsrechtliche Bedenken ergäben sich auch bei einer vollständigen oder teilweisen Überleitung des Werbefernsehens auf private Veranstalter allein aus Presse oder Film. Der Bund könne indessen aus dem Grundgesetz keine generelle Regelungskompetenz für diesen Bereich herleiten, weil dadurch die ausschließliche Länderzuständigkeit für Rundfunkanstalten ausgehöhlt würde. 18. Von den Medien hat lediglich der BDZV Bedenken gegen diese Ausführungen angemeldet. Er hält eine Ausdehnung des Werbefernsehens in dem von der Kommission noch für zulässig erachteten Ausmaß für nicht mehr mit Artikel 5 des Grundgesetzes vereinbar. Die Bundesregierung teilt die Ansicht der Kommission, daß die Ausstrahlung von Werbesendungen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrem gegenwärtigen Umfang mit der Verfassung vereinbar ist. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Erklärung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Presse-Kommission 10 ), auf befristete Zeit ihre Werbesendungen nicht auszudehnen. 19. Der Auffassung der Kommssion, der Bund besitze keine generelle Regelungskompetenz für Werbesendungen des Hörfunks und Fernsehens, kann die Bundesregierung hinsichtlich des vom Wirtschaftsrecht erfaßten Teils dieses Sachgebietes nicht zustimmen. Nach Artikel 74 Nr. 11 des Grundgesetzes hat der Bund für das Recht der Wirtschaft, zu dem auch Vorschriften über die Werbung für Waren und Leistungen gehören, die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Dabei kann es nicht darauf ankommen, welchen technischen Mediums sich die Unternehmer bei ihrer Werbung bedienen. In jedem Falle ist die unmittelbare oder mittelbare Werbung für gewerbliche Güter oder Leistungen eine wirtschaftliche Betätigung des am Werbeerfolg Interessierten wie auch dessen, der für ihn wirbt. Mit der Begründung, die Rundfunkwerbung sei allein mit Hilfe des Hörfunks und Fernsehens möglich, läßt sich eine ausschließliche Zuständigkeit der Länder für eine gesetzliche Regelung der Fernsehwerbung nicht rechtfertigen. Entgegen der Annahme der Kommission kommt es nicht darauf an, ob von der Rundfunkwerbung wesentliche Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Im übrigen sieht die Bundesregierung davon ab, zu den — insbesondere im sechsten Teil des Berichts — erörterten verfassungsrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Fragen müßte den Rahmen dieses Berichts sprengen. Die Bundesregierung behält sich vor, aus gegebenem Anlaß zu den anderen im Bericht der Kommission vertretenen Rechtsansichten Stellung zu nehmen. 9) vgl. S. 207 ff. des Berichts 10) vgl. Drucksache V/2403

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20. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, daß die Film- und Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes an die gesetzlichen Beschränkungen zum Schutz der Jugend gebunden sind. Die unterschiedliche Regelung des Jugendschutzes ist durch die Sache geboten. VIII. 21. Die Kommission hat auch außerhalb des siebten Berichtsteils, der ihre Reformvorschläge zur Gestaltung des Werbefernsehens enthält, Empfehlungen ausgesprochen. Sie gelten vor allem der Begrenzung einer weiteren Expansion der Rundfunkanstalten in privatwirtschaftlich betriebene Bereiche. Die Rundfunkanstalten sollten danach die Wirkungen ihres Handelns auf die Marktstruktur in Rechnung stellen und darauf Bedacht nehmen, in die Märkte privater Unternehmen nicht stärker einzudringen, als es zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe unerläßlich ist. Diese Empfehlung wird bei der Behandlung der Wettbewerbsbeziehungen zwischen Film und Fernsehen gegeben. In diesem Zusammenhang werden speziell die Produktionskapazitäten der Rundfunkanstalten im technischen Bereich erwähnt, insbesondere ihre Beteiligung an Ateliers, Synchronstudios und Kopierwerken. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die hier den Rundfunkanstalten empfohlene Zurückhaltung zumutbar ist und befolgt werden sollte. 22. Eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, insbesondere der Presse und der Filmwirtschaft einerseits und der Rundfunkanstalten andererseits, würde die Bundesregierung begrüßen. Ansatzpunkte hierfür sind gegeben: Nicht nur für die an die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen gebundene Aussprache über einzelne Fragen des Werbefernsehens oder im Bereich der Programmproduktion, sondern auch auf anderen Gebieten, wie z. B. der Nachwuchsausbildung und der Altersversorgung. Darüber hinaus gibt es bereits eine begrüßenswerte Zusammenarbeit, z. B. in Hessen zwischen dem Hessischen Rundfunk und dem Landesverband der Zeitungsverleger, sie bahnt sich auch in der Filmförderungsanstalt an 11). Weitere Schritte in dieser Richtung sind nach Auffassung der Bundesregierung geeignet, die Beziehungen aller Medien miteinander zu verbessern. Solche Verbesserungen könnten z. B. umfassendere berufliche Ausbildungsmaßnahmen bei den Rundfunkanstalten sein. Der Bericht der Kommission läßt erkennen, daß einige Rundfunkanstalten ihre Bemühungen auf diesem Gebiet verstärken. Bei der Altersversorgung würde die Bundesregierung Regelungen begrüßen, die die Übertragbarkeit der erworbenen Ansprüche im Falle eines Arbeitsplatzwechsels, auch in rundfunkfremde Bereiche, gewährleisten.

Nach den Feststellungen der Kommission sind die Kosten des Rundfunks in der Bundesrepublik 11) vgl. Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films vom 22. Dezember 1967, insbesondere den § 2 Abs. 3 sowie die §§ 6 und 12 (BGBl. I S. 1352)

Deutschland infolge der föderalistischen Struktur erheblich höher, als es angesichts der technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten notwendig wäre. Den finanziellen Nachteilen der föderalistischen Rundfunkorganisation steht andererseits der Vorteil gegenüber, vielfältigere Programme und Programmteile anbieten zu können. Dennoch sollten die Rundfunkanstalten nicht zuletzt im Interesse der Rundfunkteilnehmer intensiv darum bemüht sein, durch weitere Verbesserung in ihrer Zusammenarbeit die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Nachteile zu verringern, ohne dadurch die Vielfalt der dargebotenen Programme anzutasten. Dem Bericht nach zu urteilen, sind die hier vorhandenen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. 23. Der im siebten Teil des Berichts wiedergegebene Reformvorschlag der Kommission sieht vor, die Anteile an den Werbegesellschaften der Rundfunkanstalten, die das Werbefernsehen betreiben, auf eine oder auch auf mehrere Stiftungen zu übertragen. Als Stiftungszweck empfiehlt die Kommission die Förderung von Kunst, Wissenschaft und Technik (besonders auf dem Gebiet der meinungsbildenden Medien). Sie wendet sich ausdrücklich gegen eine Verwendung der Erträge aus dem Werbefernsehen zum Ausgleich von Erlösminderungen, die auf den Wettbewerb des Fernsehens zurückgeführt werden, oder zu Subventionen im Bereich der Medien. Nach Auffassung der Kommission ist das Werbefernsehen zwar eine rechtlich nicht zu beanstandene Tätigkeit der Rundfunkanstalten, dennoch sei eine Trennung des Werbefernsehens vom Programmrundfunk unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten zu erwägen. Der Reformvorschlag wird vor allem mit der Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Interessenkonflikte begründet, die aus der Verbindung erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben entstehen könnten. Die Unabhängigkeit vom Markt werde teilweise aufgehoben, insbesondere beim ZDF. Die Bundesregierung verkennt nicht die hier auftretenden Schwierigkeiten. Gegenwärtig dürften jedoch die Vorteile der derzeitigen Konstruktion, nämlich die durch das Werbefernsehen mit ermöglichte Verbesserung und Verbreiterung des Programmangebots, die aus den beschriebenen Risiken zu erwartenden Nachteile überwiegen. Ob die Erfüllung der

öffentlichen Aufgaben der Rundfunkanstalten durch

ihre erwerbswirtschaftliche Tätigkeit gefährdet wird, sollte in Zukunft sorgfältig beobachtet werden.

Der von der Kommission entwickelte Reformvorschlag, die Anteile an den Werbefernsehgesellschaften der Rundfunkanstalten auf eine oder auch auf mehrere Stiftungen zu übertragen, ist nur eine von mehreren in Betracht zu ziehenden Alternativen. Die voraussichtlichen Auswirkungen ihrer Realisation

auf die Rundfunkanstalten einerseits und auf die Wirtschaft, insbesondere auf Filmwirtschaft und Presse andererseits, müssen sorgfältig untersucht werden. Im Interesse dieser Untersuchung sind auch die Erkenntnisse der Pressekommission abzuwarten. Die Kommission selbst deutet Auswirkungen ihres Reformvorschlages auf die Höhe der Rundfunkge-

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode bühren an. Die Ministerpräsidenten der Länder lassen bereits durch ihre Rundfunkkommission diesen Fragenkreis überprüfen. Die Bundesregierung hält es deshalb derzeit nicht für vertretbar, ohne genaue Kenntnis des teilweise noch zu klärenden Sachverhalts und ohne eine sorgfältige Prüfung aller sich hieraus ergebenden Konsequenzen zum Reformvorschlag der Kommission abschließend Stellung zu nehmen. Die Bundesregierung legt Wert darauf, in diesem Zusammenhang hervorzuheben, daß die Medien Presse, Film und Rundfunk durch den Artikel 5 des Grundgesetzes unter den besonderen Schutz der Verfassung gestellt sind. Die Lebens- und Funktionsfähigkeit dieser Medien ist nicht zuletzt von ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Insoweit die Aufrechterhaltung der in Artikel 5 des Grundgesetzes gewährleisteten Grundrechte dies erfordert, stellt sich die Frage, ob nicht der Staat sogar gehalten ist, Schutzmaßnahmen, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, zu ergreifen. Im Bereich des Rundfunks fallen Maßnahmen dieser Art, wie insbesondere die in Betracht zu ziehende Reform der gegenwärtigen Organisation des Werbefernsehens, auch in die Zuständigkeit der Länder.

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24. Nach Auffassung der Bundesregierung erfordert die Sachlage außer der von den Ministerpäsidenten der Länder bereits in die Wege geleiteten Auseinandersetzung mit den realisierbaren Reformmöglichkeiten des Werbefernsehens, daß 1. die künftige Entwicklung von Presse, Film und Rundfunk mit besonderer Sorgfalt beobachtet wird, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen der von der Pressekommission empfohlenen und von der Bundesregierung gebilligten 12) und durchgeführten oder im Wege der Selbsthilfe realisierten Maßnahmen für die Presse sowie der Filmförderungsanstalt 13) und der durch sie zu vollziehenden Förderungsmaßnahmen für die Filmwirtschaft, 2. von der Bundesregierung geprüft wird, in welcher Weise künftig eine kontinuierliche Fortsetzung und weitere Vervollständigung der besonders interessierenden Untersuchungen der Kommission erreicht werden kann. 12) vgl. Drucksache V/2403 13) vgl. Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films vom 22. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1352)

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