A. Gegenstand der Untersuchung

Die Harmonisierung des Verwaltungsrechts im Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften Eine Studie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der europä...
Author: Kasimir Neumann
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Die Harmonisierung des Verwaltungsrechts im Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften Eine Studie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der europäischen und nationalen Gerichte und der Fortgeltung einzelstaatlicher Vorschriften auf dem Gebiet des nationalen Zoll- und Abgabenrechts

Einleitung

A.

Gegenstand der Untersuchung

Stand in den ersten Jahren nach Gründung der Europäischen Gemeinschaften die Problematik des Verhältnisses von Normen des materiellen Gemeinschaftsrechts und des materiellen nationalen Rechts im Vordergrund, so hat sich - nachdem dort die heftigsten Kontroversen beigelegt sind - die wissenschaftliche Diskussion in der Folge auf die Frage nach einer möglichst einheitlichen und wirksamen Vollziehung des Gemeinschaftsrechts in konkreten Situationen, das heißt in der Verwaltung, verlagert. Kernpunkte dieser Debatte sind die Möglichkeiten und Grenzen der Europäisierung des nationalen Verwaltungsrechts sowie die Entwicklung eines Europäischen Verwaltungsrechts.1 Dabei ist europäisches Verwaltungsrecht auf einigen Gebieten - zumindest partiell - schon Wirklichkeit geworden. Hervorzuheben ist hier zunächst das Beamtenrecht. So hat der Rat schon im Jahr 1968 auf der Grundlage des Art. 24 des Fusionsvertrages für die bei den Organen der Gemeinschaft beschäftigten Beamten und Bediensteten ein Statut erlassen, das eine vollkommen eigenständige Regelung gegenüber nationalem Recht des öffentlichen Dienstes trifft.2 In ihm verbinden sich insbesondere Elemente französischen und deutschen Dienstrechts. Voraussetzung und Verfahren von Erlass und Änderung von Verwaltungsentscheidungen sowie die Möglichkeiten des Einzelnen hiergegen vorzugehen, werden in dieser Vorschrift detailliert geregelt. Es handelt sich mithin um eine Verfahrensordnung für einen abgeschlossenen Bereich.

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Vgl. nur: Bleckmann, DÖV 93, 837 ff.; Everling, NVwZ 87, 1 ff.; ders. DVBl. 83, 649 ff.; Kasten, DÖV 85, 570 ff.; Klein, Vereinheitlichung des Verwaltungsrechts im europäischen Integrationsprozess, S. 117 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl. 93, 924 ff.; ders. Zur Europäisierung des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 513 ff. in: FS Lerche; Schoch, JZ 95, 109 ff.; Schwarze, Eur. VerwR sowie ders.: Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss. 2 VO des Rates Nr. 259/68, ABl. 1968, Nr. L, S. 1.

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Ein weiterer Bereich, in dem die Gemeinschaft schon frühzeitig spezielle Verfahrensvorschriften festgelegt hat, stellt das Wettbewerbsrecht, genauer das Antidumpingrecht, dar. Die Besonderheit des Wettbewerbsrechts besteht dabei darin, dass es sich um den einzigen bedeutenden Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft handelt, in dem nicht nur die Konzeption der Politik und Gesetzgebung, sondern auch die Verwaltung der Gemeinschaft übertragen ist, indem die Zuständigkeiten zur Wettbewerbsaufsicht bei der Kommission konzentriert sind. Durch diese Konzentration gekoppelt mit der Verwendung von Verordnungen als Instrument der Konkretisierung wird ein Höchstmaß an Einheitlichkeit im EG-Wettbewerbsrecht erzielt. Maßgebliche Verfahrensvorschriften finden sich insbesondere in der ersten Durchführungsverordnung zu den Art. 81 und 82 EG-V (n.F.) im Jahre 1962.3 Inzwischen hat sich aus Verordnungen, Mitteilungen, Verwaltungspraxis und Rechtsprechung ein detailliertes System des EG-Wettbewerbsrechts gebildet. Daneben tragen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz maßgeblich zu einer (Fort-)Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts bei. Hervorzuheben sind hier die vom Europäischen Gerichtshof4 entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze, an denen sich die Verwaltungstätigkeit der Gemeinschaft zu orientieren hat. Es handelt sich hierbei nicht um eine eigene Rechtsquelle, sondern um eine Rechtserkenntnisquelle bei der rechtsvergleichenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Dabei wird in einem Prozess der wertenden Rechtsvergleichung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eine Lösung für eine gemeinschaftsrechtliche Frage gesucht, die sich in System, Strukturen und Ziele des Gemeinschaftsrechts einpasst. Klassisches Beispiel für dieses Vorgehen ist das Verfahren ALGERA5, in welcher der EuGH zu entscheiden hatte, ob und unter welchen Voraussetzungen die Hohe Behörde begünstigende rechtswidrige Verwaltungsakte zurücknehmen kann. Da das geschriebene Gemeinschaftsrecht keine Regelung enthielt und ein Rückgriff auf die Grundsätze des Völkerrechts nicht in Betracht kam, hat der EuGH die in den verschiedenen Mitgliedstaaten praktizierten Lösungen miteinander verglichen und ihnen den gemeinsamen Grundsatz entnommen, dass rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden können. Auf diesem Wege wurden verschiedene Grundsätze festgestellt, die unabhängig von ihrer ausdrücklichen Festschreibung durch den Gesetzgeber gelten und aufgrund der ihnen innerhalb der Normenhierarchie zugewiesenen Funktion als Ergänzung der primärrechtlichen Bestimmungen allen anderen gemeinschaftlichen 3

VO des Rates Nr. 17, ABl. 1962, Nr. 13, S. 204. Im Folgenden auch: EuGH. 5 EuGH - Algera ./. Gemeinsame Verslg. der EGKS - Rs. 7/56 und 3-7/57, Slg. 57, 83. 4

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Bestimmungen vorgehen. Zu nennen sind hier etwa der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sowie der Grundsatz der Rechtssicherheit und der aus ihm abzuleitende Grundsatz des Vertrauensschutzes. Zudem bemüht sich der gemeinschaftliche Gesetzgeber in letzter Zeit vermehrt, die exekutiven Funktionen auszubauen und verselbständigte Verwaltungseinheiten zu schaffen. Bekanntester Vertreter dieser neuen Gattung der juristischen Personen des europäischen öffentlichen Rechts6 ist Europol, das Europäische Polizeiamt mit Sitz in Den Haag/Niederlande, das auf der Grundlage des Art. K.1 Nr. 9 des Vertrages über die Europäische Union vor nunmehr 3 Jahren, am 1. Oktober 1998, seine Arbeit aufgenommen hat. Ziel der Organisation ist der Aufbau eines europaweiten Netzes und EDVautomatisierten Informationssystems zum Austausch von Informationen zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, des illegalen Drogenhandels und anderer Formen der internationalen Schwerkriminalität. Ein weiteres populäres Beispiel - vor allem im Hinblick auf den Euro - ist die im Jahre 1998 gegründete Europäische Zentralbank, deren Hauptaufgabe die Steuerung der Geldpolitik der Europäischen Union darstellt. Auch im Bereich des hier zu untersuchenden europäischen Zollrechts hat der Gemeinschaftsgesetzgeber eine verselbständigte Verwaltungseinheit ins Leben gerufen, die organisation pour la lutte anti-fraude, kurz OLAF, der vor allem präventive Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung des gemeinschaftlichen Zollrechts zur Verfügung stehen. In dieser Funktion trägt sie zur Koordinierung grenzübergreifender Zollmaßnahmen bei und leistet den nationalen Zollbeamten fachliche Unterstützung. Wird einerseits der Grundsatz vom mitgliedstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts nicht in Frage gestellt, andererseits eine fortschreitende Europäisierung des Verwaltungsrechts nicht per se für unzulässig erklärt, ist es geboten, Voraussetzungen, Umfang und Grenzen europäischer Gesetzgebung und Rechtsprechung auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts sowie ihre Auswirkungen auf die nationalen Regelungswerke zu untersuchen. Eine solche Untersuchung ist angesichts der lauter werdenden Vorbehalte gegenüber den Integrationsbestrebungen von EuGH und Gesetzgeber und dem Vorwurf, die nationalen Regelungen würden zur bloßen Zugriffsmasse des Gemeinschaftsrechts degradiert, dringend erforderlich. Denn das gedeihliche Fortbestehen und die weitere Integration der europäischen Nationen im Rahmen der Europäischen Union - die gerade im Hinblick auf die geplante Aufnahme neuer Mitgliedstaaten mit durchaus heterogenen Rechtskulturen

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sich zunehmend schwieriger gestalten - setzen voraus, dass die maßgeblichen Vertreter und Repräsentanten dieser Union - und dies sind im Wesentlichen der Europäische Gerichtshof nebst dem Gericht erster Instanz, der Rat in seiner Funktion als Gemeinschaftsgesetzgeber sowie die Kommission nicht nur toleriert werden, sondern ihr Handeln in vollem Umfang anerkannt und akzeptiert werden. Dies kann aber nur dann erfolgen, wenn die Systematik - sofern eine solche vorhanden ist, dies gilt es nicht zuletzt zu untersuchen -, der diese Maßnahmen folgen, transparent gemacht wird. Die Darstellung dieser Strukturen des Prozesses der Europäisierung des Verwaltungsrechts durch gemeinschaftlichen Gesetzgeber und europäische Gerichte will die vorliegende Arbeit leisten. Angesichts der Komplexität und Vielfältigkeit der vom europäischen Gemeinschaftsrecht erfassten Rechtsgebiete muss sich die Untersuchung dabei auf einen bestimmten Bereich beschränken. Als Untersuchungsgegenstand bietet sich das gemeinschaftliche Zollrecht an, das in der vom Rat am 12.10.1992 erlassenen Verordnung EWG Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodexes der Gemeinschaften7, kurz: dem Zollkodex, und den dazu erlassenen Durchführungsvorschriften der Kommission8 zusammengefasst wurde. Denn mit diesem Regelungswerk, welches am 1. Januar 19949 in Kraft trat, wurde zum ersten Mal ein umfassendes, auf europäischer Rechtsebene statuiertes und in allen Mitgliedstaaten geltendes einheitliches Zollrecht geschaffen, das auch Antworten auf verwaltungsrechtliche Fragestellungen gibt. Ziel des Zollkodexes ist zum einen, die Zusammenfassung und Kodifizierung des bis dahin über unzählige Rechtsakte verstreuten Zollrechts10, die, wie die Kommission bemerkte, ”über eine ganze Amtsblattbibliothek verteilt” seien.11 Zum anderen erfolgen im Rahmen des Zollkodexes verschiedene Neuregelungen, die dazu beitragen sollen, wirtschaftliche Ungleichheiten und Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.

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Vgl. dazu allgemein: Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union - Zur Notwendigkeit einer juristischen Person des europäischen öffentlichen Rechts. 7 VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates v. 12.10.92, ABl. 1992, Nr. L 302, S. 1. 8 VO (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission v. 2.7.93 mit Durchführungsvorschriften, ABl. 1993, Nr. L 253, S. 1, geändert durch VO (EWG) Nr. 3665/93 v. 21.12.93, ABl. 1993, Nr. L 335, S. 1. 9 Art. 253 Abs. 2 Zollkodex, Lediglich für das Vereinigte Königreich galt eine längere Übergangsfrist bis zum 31.12.94 in bezug auf den das Rechtsbehelfsverfahren regelnden Titel VIII (Art. 253 Abs. 3 Zollkodex). 10 Das Zollrecht bestand z. B. im Jahr 1988 aus mehr als 250 Verordnungen und etwa 24 Richtlinien; so: Bartsch, JURA 93, 347/348. Durch Art. 251 des Zollkodexes wurden etwa 45 Verordnungen und Richtlinien ausdrücklich aufgehoben. 11 S. Duric, RIW 91, 409.

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Der Zollkodex und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen bieten sich vor allem auf Grund der Art seiner Vollziehung als Untersuchungsgegenstand an. Im Gemeinschaftsrecht lassen sich ähnlich der föderalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes verschiedene Arten der Vollziehung feststellen: Dabei wird nach den vollziehenden Organen unterschieden. Wird das Gemeinschaftsrecht von den Gemeinschaftsorganen selbst vollzogen, spricht man von direktem Vollzug. Sind dagegen die Mitgliedstaaten für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts zuständig, liegt so genannter indirekter Vollzug vor. Im Bereich des indirekten Vollzuges, der nach wie vor den Regelfall darstellt, wird weiter danach differenziert, ob das Gemeinschaftsrecht mittels nationaler Durchführungsvorschriften umgesetzt wird oder ob es unmittelbar angewendet wird. Dies ist bei Verordnungen und allgemeinen Entscheidungen der Fall. Das in Verordnungen geregelte Zollrecht gehört diesem letztgenannten Bereich an und befindet sich damit an der Schnittstelle zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht. Denn sobald das gemeinschaftliche Zollrecht einen Sachverhalt nicht ausdrücklich regelt, stellt sich die Frage, auf Grundlage welcher Vorschriften - nationaler oder gemeinschaftlicher - die nationalen Behörden handeln sollen. In diesem Zusammenhang kommt der Auslegung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Zollkodexes eine besondere Bedeutung zu. Dieser Frage soll vorrangig nachgegangen werden. Bei den verfahrensrechtlichen Bestimmungen dieses europäischen Zollgesetzes handelt es sich zum einen um allgemeine Verfahrensvorschriften, welche gemäß den in der Präambel niedergelegten Zielvorstellungen - ”die Anwendung der (...) Maßnahmen sicherstellen sollen”. Dazu zählen die Regelungen über Erlass und Aufhebung von zollrechtlichen Entscheidungen, Art. 6 ff.12 und 12 ff. und die Vorschriften über die Änderung von Abgabenbescheiden, Art. 220 ff. und 235 ff. Materielle Rechte sind für den Einzelnen aber nur immer insoweit von Bedeutung, als sie auch im Falle ihrer Verletzung gerichtlich durchgesetzt werden können. Die Rechtsschutzgarantie ist mithin einer der tragenden Grundsätze in einer Rechtsgemeinschaft wie sie die Europäische Union eine darstellt. Entsprechend ihrer fundamentalen Bedeutung hat sie ihren Nieder-

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Nicht näher bezeichnete Art. sind solche des Zollkodexes.

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schlag nicht nur in den primärrechtlichen Bestimmungen gefunden, sondern auch der Zollkodex enthält Regelungen, die den Mitgliedstaaten die Bereitstellung eines zweistufigen Rechtsbehelfssystems - einer innerbehördlichen Kontrolle sowie auf der zweiten Stufe einer Überprüfung des Verwaltungshandelns durch eine unabhängige Instanz - auferlegt, wobei letztere durch die ihr eigene Vorlageberechtigung bzw. im Falle einer letztinstanzlichen Einrichtung Vorlageverpflichtung die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und die letztinstanzliche Kontrolle durch den europäischen Gerichtshof gewährleisten soll. Damit werden auf Gemeinschaftsebene die Rahmenbedingungen der Rechtsschutzmöglichkeiten festgelegt, die den Wirtschaftsbeteiligten gegen Entscheidungen der nationalen Zollbehörden zustehen, Art. 243-246. Soweit die nationalstaatlichen Rechtsordnungen entsprechende Institutionen im Bereich des Zollrechts noch nicht vorsahen, greifen diese Vorschriften nicht nur in das Verwaltungsprozessrecht der Mitgliedstaaten ein, sondern berühren auch organisationsrechtliche Befugnisse. Anhand des Zollkodexes soll der Frage der Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers zum Erlass verwaltungsrechtlicher Bestimmungen nachgegangen werden und dargestellt werden, wie sich die Regelungen des Zollkodexes zu den teilweise überlagerten Bestimmungen der nationalen Rechtsordnungen verhalten. Letztere sind als Vergleichsmaßstab von Interesse, da sie die von den nationalen Gesetzgebern und Richtern erarbeiteten Lösungen für die sich im Zollrecht ergebenden Probleme darstellen bzw. darstellten. Da die Betrachtung der nationalen Rechtsordnungen aller 15 Mitgliedstaaten den Rahmen einer solchen Arbeit sprengen würde, musste eine Auswahl vorgenommen werden. Als repräsentative Vertreter der kontinentalen Rechtsordnungen innerhalb der Gemeinschaft werden Deutschland und Frankreich, als Vertreter einer anderen, eigenständigen Rechtstradition England untersucht. Dabei soll besondere Beachtung der Frage geschenkt werden, wie sich die unterschiedlichen Rechtstraditionen und vor allem das Verständnis von Staat im allgemeinen und Verwaltung im besonderen auf die Rezeption des gemeinschaftlichen Zollrechts auswirken. Dabei dient diese funktionelle rechtsvergleichende Betrachtung dazu, herauszufinden, welche Konsequenzen die Beibehaltung, Änderung oder Abschaffung bestimmter Normen haben.13 Im Weiteren soll diese Vergleichung zu einem besseren Verständnis der Normen und Institute des gemeinschaftlichen Zollrechts beitragen.

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Des Weiteren werden verfahrensrechtliche Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in die Untersuchung mit einbezogen, um den vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Zollkodex gewählten Lösungsmodellen entsprechende Regelungen auf anderen Rechtsgebieten vergleichend gegenüber zu stellen. Aufgabe der Vergleichung ist hierbei die Erkenntnis des gesetzgeberischen Zweckes der einzelnen Bestimmungen. Dadurch könnten auch noch offene Fragen hinsichtlich der Auslegung der einzelnen Vorschriften beantwortet werden. Als Bezugsobjekte dieser vergleichenden Betrachtung werden Vorschriften aus Bereichen des direkten Vollzugs herangezogen, die wie der Zollkodex über eine bereichsspezifische Verfahrensordnung verfügen: Ausgewählt wurden das Beamtenstatut, das Antidumpingrecht und das Kartellrecht, wobei insbesondere die Grundsätze des Verfahrens im Bereich des Wettbewerbsrechts auch für den Bereich des Zollrechts Vorbildfunktion haben könnten.14 Die konkreten Fragestellungen, die an die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen des Zollkodexes herangetragen werden, lassen sich dabei aus dem Zollkodex selbst ableiten. Danach soll der Zollkodex dazu beitragen, die Anwendung der zolltariflichen und sonstigen Maßnahmen sicherzustellen, die im Rahmen des Warenverkehrs zwischen der Gemeinschaft und Drittländern auf Gemeinschaftsebene erlassen worden sind. Die Untersuchung wird zeigen, ob und wieweit der Zollkodex sieben Jahre nach seinem Inkrafttreten am 1.1.1994 den damals geäußerten Einschätzungen, es handele sich um einen Meilenstein15 in der Entwicklung eines europäischen Verwaltungsrechts gerecht wird und die in der Präambel niedergelegten Zielsetzungen realisiert werden konnten.

B.

Gang der Untersuchung

Die Arbeit gliedert sich in zwei große Bereiche, die dann ihrerseits weiter untergliedert sind. Dabei handelt es sich zum einen um den Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts und zum anderen um den des Rechtsschutzes.

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Zur funktionellen Rechtsvergleichung allgemein: Rheinstein, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 25-28, insb. S. 26. 14 Vgl. EuG - Eyckeler & Malt ./. Kommission - Rs. T-42/96, Slg. 98, II-401/425, Rn. 79, 80. 15 Bartsch, JURA 93, 347.

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Im ersten Teil der Untersuchung werden zunächst die Regelungen der allgemeinen zollrechtlichen Entscheidung und der verbindlichen Zollauskünfte dargestellt. Im Rahmen dieser Untersuchung werden dabei das Verhältnis nationales Recht - Zollkodex und die Einflüsse der Rechtsprechung erörtert; in einem zweiten Schritt werden die so gefundenen Ergebnisse mit entsprechenden Bestimmungen des Gemeinschafts-(verwaltungs-)rechts aus Bereichen des direkten Vollzuges, nämlich des Beamtenstatutes sowie den verfahrensrechtlichen Bestimmungen aus dem Bereich des Wettbewerbsrechts sowie den nationalen Rechtsordnungen verglichen. Im Weiteren werden verschiedene Bestimmungen im Bereich der im Zollkodex gesondert geregelten Abgabenbescheide untersucht. Dabei wird eine chronologische Betrachtung gewählt und zunächst Voraussetzungen von Entstehung und Entrichtung der Zollschuld dargestellt und im weiteren die Modalitäten von Änderung und Aufhebung von Abgabenbescheiden erörtert. In diesem Bereich wird insbesondere auf die dazu ergangene Rechtsprechung der europäischen Gerichte eingegangen, die zur näheren Ausgestaltung der zollrechtlichen Bestimmungen beigetragen hat. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Möglichkeiten des Einzelnen dargestellt, gegen Entscheidungen auf dem Gebiet des gemeinschaftlichen Zollrechts vorzugehen. Dazu werden die Rahmenbedingungen des Zollkodexes und deren nähere Ausgestaltung durch die nationalen Rechtsordnungen untersucht. Besondere Beachtung wird dabei die Frage der Kompetenz der europäischen Gerichte zur Auslegung der zollrechtlichen Bestimmungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes finden.

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