4 Steuerung des Wandels

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Handbuch Integrierte Versorgung

Handbuch Integrierte Versorgung / 5 Instrumente erfolgreicher Unternehmensentwicklung und Unternehmensführung / 5.1 Vision, Strategie, Umsetzung / 5.1.1 Wie Change Management im MVZ zum strategischen Vorteil wird / 4 Steuerung des Wandels /

4 Steuerung des Wandels 19

Wir haben betont, dass es mit einem Wandel auf der Sachebene nicht getan ist. Auch die effizientesten Projekte versanden, wenn es keine Veränderungen auf der psychologischen Ebene gibt. Deshalb sind drei grundsätzliche Fragen zu beantworten, bevor man ein Change-Projekt startet [16]: (1) Wie lassen sich organisatorische Veränderungen auf der Sachebene umsetzen? (2) Wie lassen sich die Einstellungen und das Verhalten der Mitarbeiter im Hinblick auf die geplanten Veränderungen zielgerichtet beeinflussen? (3) Mit welcher Intensität sind die Veränderungen durchzuführen?

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Auf der Sachebene ändern sich nicht nur Strukturen und Abläufe, sondern auch die Kommunikationswege. In der Regel werden neue Technologien eingesetzt, um die Arbeitsprozesse zu verbessern. Ein gutes Beispiel ist das Workflow-Management. Es unterstützt die Abwicklung von Geschäftsprozessen, indem die einzelnen Arbeitsschritte nach vordefinierten Regeln vorgegeben werden. So wird zum einen sichergestellt, dass die Dokumente, Informationen und Aufgaben in der richtigen Reihenfolge bearbeitet werden. Und zum anderen werden Fristen und Ausnahmeregelungen überwacht [Hansen 2009]. Doch Technik ist nur ein Aspekt der erfolgreichen Kommunikation im Medizinischen Versorgungszentrum: „Verändernde und veränderte Kommunikation beginnt und endet in den Köpfen der Mitarbeiter“ [11]. Dazu ein Praxisbeispiel: Die Geschäftsführung eines MVZ hat nach mehrfachen Diskussionen beschlossen: (1) Die bisherige funktionale Aufbauorganisation in eine dezentrale Primärorganisation umzuwandeln, (2) ein Geschäftsprozessmanagement zu implementieren, um die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen und (3) Qualifikationsmaßnahmen und Erweiterungen der bestehenden Informations- und Kommunikationstechnik durchzuführen. Damit wird das vorrangige Ziel verfolgt, Schnittstellen zwischen den Fachbereichen zu reduzieren, um die Arbeit effizienter zu gestalten. Obwohl die Ziele bekannt sind, werden die Projekte nicht umgesetzt. So gibt es beispielsweise immer wieder Grundsatzdiskussionen zum Thema Personalführung und IT-Entwicklung. Auf der sachlichen Ebene scheinen die Veränderungsprozesse klar definiert: Ziele und Aufgaben der Management-, Geschäfts- und Unterstützung sind beschrieben und die Aufgaben und Kompetenzen geregelt. Doch der Lernprozess einiger Kollegen ist offenbar noch nicht abgeschlossen, so dass die Konsequenz lautet: Die geplanten Veränderungen sind trotz formaler Realisierung nicht praxistauglich.

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Drei Einflussgrößen sind zu berücksichtigen: (1) Wandlungsbedarf aufgrund externer und / oder interner Impulse. (2) Wandlungsfähigkeit und (3) Wandlungsbereitschaft des Unternehmens [Krüger 2006]. In der folgenden Abbildung ist das Prinzip des Wandlungsmanagements mit den Prozessphasen und Aufgaben dargestellt (Abb. 2).

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Abb. 2: Wandlungsmanagement [11]

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Initialisierung: Jeder Wandel braucht überzeugende Motive, um die benötigte Änderungsenergie aufzubauen. Auslöser sind häufig externe oder interne Ursachen, die isoliert oder kombiniert auftreten können [11]: Kostenwettbewerb, Qualitäts- und Leistungswettbewerb, Zeit- und Terminwettbewerb, Technologiewettbewerb und Geschäftsmodellwettbewerb. Betrachtet man das Gesundheitssystem, so sind alle der genannten Wettbewerbsfaktoren von Bedeutung. Auf der einen

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Seite setzen Krankenkassen und Politiker auf mehr Wettbewerb, um gravierende Veränderungen anzustoßen. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen stehen immer drei Faktoren: Wirtschaftlichkeit, Qualität und Zeit. Auf der anderen Seite verlangen Patienten eine gute medizinische Versorgung, die dem heutigen Standard entspricht und mehr Servicequalität als bisher. 24

Doch wer annimmt, dass alle Leistungsanbieter diese Signale richtig interpretieren und entsprechende Veränderungen einleiten, sieht sich getäuscht. Wie wir oben dargestellt haben, versuchen einige Mitarbeiter mit unterschiedlichen Argumenten den Status quo beizubehalten und jede Veränderung zu verhindern. Kotter hat mehr als 100 Unternehmen dabei beobachtet, wie sie sich dem Wettbewerb stellen und Change-Projekte umsetzen [9]. Dabei stellte er fest, dass mehr als 50 % der Unternehmen an einem Kardinalfehler scheitern: kein Gespür für die Brisanz der Lage. Seiner Erfahrung nach „müssen ungefähr 75 % der Manager in einem Unternehmen aufrichtig davon überzeugt sein, dass die Devise „Business as usual“ absolut inakzeptabel ist. Liegt der Anteil darunter, muss im Transformationsprozess später mit schwerwiegenden Problemen gerechnet werden. Fehler Nummer zwei lautet: Es fehlt eine mächtige Koalition der Erneuerer. Wenn Manager aus den unteren Etagen Veränderungsprogramme übernehmen oder Staatsstellen damit beauftragt werden, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Denn auch wenn eine Zeit lang vermeintliche Fortschritte gemacht werden, schließen sich die Gegner des Wandels zusammen und stoppen das Projekt [9].

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In der Initialisierungsphase ergeben sich zwei Aufgaben: (1) zunächst muss ein Problembewusstsein geschaffen werden, damit die Mitarbeiter den Veränderungsbedarf erkennen. Das Management muss ein Bewusstsein für die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Wandels erzeugen, einen „sense of urgency“ [9]. Und es muss eine Zukunftsvision des Unternehmens entwickelt werden, die in Kombination mit dem Zweck und den normativen Ansätzen als Mission verkündet und als Leitbild niedergelegt wird. (2) Alle Wandlungsträger müssen aktiviert werden, um eine Wandelungskoalition zu formen. Das Kraftfeld aus Promotoren, Opponenten und Unentschiedenen ist so zu formen, dass sich die Träger des Wandels durchsetzen. Dazu gehört auch, dass „Kräfte der Vergangenheit und die von ihnen kontrollierten Einflusssysteme abzulösen sind. Die neue, umsetzungsverantwortliche Spitzen-Führungskraft sollte möglichst unabhängig sein, nicht durch die Fehler der Vergangenheit belastet und ohne persönliche Bindungen oder Verpflichtungen in der Unternehmung sein“ [11].

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Konzipierung: Nach der Initialisierung des Wandels kann mit der Konzipierung begonnen werden. Dabei sind wiederum zwei Aufgaben zu erledigen: (3) Zunächst ist die strategische Stoßrichtung festzulegen – und anschließend folgt die Formulierung der konkreten Handlungsziele. Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Unternehmen in dieser Phase hektisch reagieren. So werden beispielsweise Verfahrensanweisungen kurzfristig entschieden und von oben herab verordnet. Dabei wird versäumt, die Mitarbeiter zu beteiligen – sie ins Boot zu holen. Häufig lassen die oben beschriebenen Widerstände nicht lange auf sich warten.

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Die (4) Aufgabe in dieser Phase besteht darin, ein konkretes Maßnahmenprogramm zu entwickeln. Im Sinne des klassischen Projektmanagement sind folgende Punkte zu klären: Verantwortung und Aufgabenverteilung, Abstimmung der einzelnen Maßnahmen und Verabschiedung des Aktionsplans. In der Regel sind damit auch personelle Konsequenzen verbunden: Wer, Was, Wann und Wie? [11].

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Mobilisierung: Wandlungskonzepte zu entwickeln ist eine Sache – doch die Realisierung ist eine andere. Auch wenn Erneuerungsprogramme von wenigen Leuten angestoßen werden, braucht man für die erfolgreiche Realisierung „eine mächtige Koalition der Erneuerer“ [10]. Deshalb muss Überzeugungsarbeit geleistet werden: (5) Kommunikationsveranstaltungen, um die Mitarbeiter und

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gegebenenfalls externe Anspruchsgruppen zu informieren sind eine Möglichkeit. Symbolisches Handeln der Verantwortlichen – beispielsweise „das demonstrative Ziehen personeller Konsequenzen“ – ist erforderlich, wenn personifizierte Misserfolge der Vergangenheit zu bewältigen sind [11]. 29

Ein starkes Bewusstsein für die Dringlichkeit der geplanten Maßnahmen gilt als Voraussetzung für den Projekterfolg, das haben unsere bisherigen Erfahrungen gezeigt. Doch eine Informationsveranstaltung mit einer Ansprache „zur Lage der Nation“ reicht in den meisten Fällen nicht. Um die mentalen Modelle in den Köpfen der Mitarbeiter zu verändern, muss man (6) Überzeugungsarbeit leisten und möglichst viele Betroffene zum aktiven Handeln motivieren. Das gelingt nicht in allen Fällen. Deshalb ist es manchmal unausweichlich, sich von Verweigerern zu trennen.

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Im nächsten Schritt geht es darum, Wandlungsbedingungen und Durchführungsvoraussetzungen zu schaffen: Prioritäten sind festzulegen, Kompetenzen zu übertragen und finanzielle, personelle sowie sachliche Mittel sind freizugeben. In der Regel kommt man ohne IT-Unterstützung nicht aus. Im Rahmen unserer eigenen Change-Projekte nutzen wir eine Web-basierte Groupware, um Besprechungstermine ihnen und Dokumente zu verwalten.

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Umsetzung: Der Projekterfolg hängt selbstverständlich von der Realisierung ab. Deshalb sind in dieser Phase die klassischen Techniken des Projektmanagements gefragt: Ermittlung aller erforderlichen Aufgaben und Teilprojekte, Bestimmung der sachlichen und zeitlichen Abhängigkeiten, (7) Festlegung der Projektprioritäten und regelmäßige Fortschrittskontrolle [11]. In dieser Phase sind die Verantwortlichen gut beraten, wenn sie alles daransetzen, kurzfristige Erfolge zu erzielen. Denn damit wird die Legitimation der Wandlungsabsicht erhöht und aktives Vorgehen belohnt.

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Es gehört zur Aufgabe des Projektmanagers, die Beteiligten über den bisherigen Verlauf und die ersten Erfolge zu informieren. Das schafft ein positives Gefühl des Aufbruchs: Wir schaffen es gemeinsam. Doch zwei mögliche Fehler sind zu vermeiden. Erstens: Man muss unbedingt verhindern, den Sieg zu früh zu feiern.

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„Ironischerweise kommt diese übereilte Siegesfeier oft zustande, weil sich Förderer und Widersacher des Wandels verbünden. Die Initiatoren der Erneuerung werden in ihrer Begeisterung über erste klare Anzeichen des Fortschritts überschwänglich. Ihre Gegner stimmen mit ein, wittern sie doch nun die Chance, weitere Änderungen abzuwehren. Kaum ist die Feier vorbei, preisen sie den Sieg als Zeichen dafür, dass die Schlacht gewonnen ist und die Truppe sich zurückziehen sollte. Die Veränderer lassen sich von ihrem Sieg überzeugen und verringern ihre Anstrengungen. Kurz darauf stockt der Transformationsprozess, und die alten Gewohnheiten und Unarten schleichen sich wieder ein“ [9].

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Zweitens: Ein weiterer Fehler, den man in dieser Phase begehen kann, betrifft die Unternehmenskultur. Es hat sich gezeigt, dass Veränderungen erst richtig verwurzelt sind, wenn alle Beteiligten fest davon überzeugt sind. „Solange neue Verhaltensweisen nicht durch soziale Normen und gemeinsame Wertvorstellungen abgesichert sind, laufen sie bei nachlassendem Veränderungsdruck Gefahr, verfälscht oder lächerlich gemacht zu werden“ [9]. Inwieweit die Mitarbeiter von Sinn und Notwendigkeit des Wandels überzeugt sind, spiegelt sich in den mentalen Modellen wider. Und so lässt sich erklären, warum Mitarbeiter den Wandel unterstützen oder ablehnen (Tab. 3).

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Tab. 3: Überzeugungen und Reaktionen der Mitarbeiter [13] •

Sie sind davon überzeugt, dass die Veränderungen sinnvoll sind und in die richtige Richtung gehen.



Sie glauben, dass die Veränderungen unnötig sind oder die Situation verschlechtern.



Sie respektieren die Manager, die den Wandel leiten.



Sie vertrauen dem Management nicht, den Wandel erfolgreich zu leiten.



Sie erwarten neue Chancen und Herausforderungen.



Sie lehnen die Art und Weise ab, wie die Veränderungen durchgeführt werden.



Sie sind davon überzeugt, dass die geplanten Veränderungen dazu beitragen, das Überleben des Unternehmens zu sichern.



Sie sind nicht davon überzeugt, dass der Wandel erfolgreich sein wird.



Sie werden nicht in die Planung und Umsetzung des Wandels einbezogen.

Sie sind eingebunden in die Planung und Implementierung der Veränderungsprogramme. Ihre Ideen und Vorschläge werden berücksichtigt.



Sie befürchten, dass der Wandel zu Personalabbau, Gehaltskürzungen oder Verlust an Sicherheit führen könnte.



Sie glauben, dass der Wandel auch den Mitarbeitern Vorteile bringt.



Sie glauben an den Status quo.

• •

Sie genießen die positive Anspannung, Aufbruchsstimmung, die der Wandel bewirkt.

Sie haben bereits Erfahrung mit zahlreichen Veränderungen und wollen keine weiteren Störungen.



Sie befürchten, dass ihnen die Fähigkeiten und Kompetenzen fehlen, die sie für die neuen Aufgaben brauchen.



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Wenn man die Mitarbeiter von den erforderlichen Veränderungen überzeugt hat und die ersten Teilprojekte erfolgreich abgeschlossen sind, fällt Aufgabe (8) nicht sonderlich schwer: Folgeprojekte durchführen, nicht nachlassen und eingreifen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen.

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Verstetigung: Ist ein Veränderungsprozesses erfolgreich abgeschlossen, geht das Wandlungsprogramm in die nächste Runde. Im Gegensatz zu dem Prozessmodell von Levin geht es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung und nicht um ein Einfrieren des Endzustands. Zum Leidwesen vieler Mitarbeiter gibt es also keinen Abschluss der Organisationsentwicklung, sondern nur Zwischenetappen. Und dennoch: (9) Die bisherigen Ergebnisse müssen verankert werden, um zu verhindern, dass die Organisation wieder zurückfällt in alte Gewohnheiten.

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Ein solches evolutionäres Vorgehen ist grundsätzlich zu empfehlen, wenn es um die Gestaltung komplexer Systeme geht [10]. Beispielsweise nutzen Informatiker ein Spiral-Modell zur Entwicklung von IT-Systemen, um Fehler frühzeitig zu erkennen und Lösungsalternativen abzuwägen [2]. Das Prinzip ist recht einfach: Jeder Zyklus beginnt mit einer Planung der Ziele und Anforderungen, wobei gesetzliche Vorgaben und Einschränkungen zu berücksichtigen sind. In der nächsten Phase werden Lösungsvarianten entwickelt, bewertet und nach erfolgreicher Testung

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implementiert. Jeder Zyklus endet mit einer Validierung, bevor ein weiterer Durchlauf beginnt. Diese Schrittfolge ist in allen Zyklen gleich, Unterschiede betreffen lediglich die konkreten Arbeitspakete [6]. 39

Geplante Veränderungen sind also niemals abgeschlossen, sondern entpuppen sich als Daueraufgabe – insbesondere die Organisations- und Arbeitsplatzgestaltung. Deshalb tritt das Konzept des organisationalen Lernens immer mehr in den Vordergrund. Organisationales Lernen betrifft die Fähigkeit eines Unternehmens, Fehler frühzeitig zu entdecken, zu korrigieren und die organisationale Werte- und Wissensbasis so zu verändern, dass neue Problemlösungs- und Handlungskompetenzen entstehen [16].

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Damit werden auch dem Management neue Aufgaben zugewiesen: (10) Der Wandlungsprozess muss neben der strategischen und operativen Planung in die Unternehmensführung integriert werden. Dabei gehören auch psychosoziale Themen und Methoden der Personalführung auf die Agenda. Doch nicht alle Manager und Mediziner fühlen sich wohl in der neuen Rolle: Projektmanager, Teamleiter und Moderator in einer Person. Und die Kommunikation steht immer wieder im Mittelpunkt. Doch „Kommunikation ist mehr als informieren, es ist soziales Verhalten, bei dem es z. B. auch um den Aufbau von Vertrauen, die Erzeugung von positiven Emotionen und den Abbau von Barrieren geht [11].“

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Im Rahmen der Primärorganisation sind diese Aufgaben nicht zu erfüllen. Gefragt sind flexible Einheiten der Sekundärorganisation: Workshops, Projektgruppen und Qualitätszirkel. In der folgenden Abbildung ist das Prinzip der Projektorganisation dargestellt (Abb. 3).

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Abb. 3 Projektorganisation als Beispiel einer flexiblen Sekundärorganisation Quelle: eigene Darstellung

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Neben der dezentralen Primärorganisation – Orthopädie, Rheumatologie, Rehamedizin – existiert ein Projektmanagement für spezielle Aufgaben: beispielsweise für die Organisationsentwicklung oder Implementierung neuer IT-Systeme. Dabei rekrutieren sich die Mitarbeiter des Projektteams aus verschiedenen Organisationseinheiten. Oder anders ausgedrückt: Die primäre Aufbauorganisation wird von einer flexiblen Sekundärorganisation überlagert, um auf die dynamischen Umweltanforderungen schnell reagieren zu können. In dem vorliegenden Beispiel gehören zur Projektgruppe 2 nicht nur Mitarbeiter aus den Fachbereichen Orthopädie, Rheumatologie und Rehamedizin, sondern auch aus der Verwaltung.

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In Tabelle 4 sind die genannten Phasen und Aufgaben zusammengefasst. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss darauf hingewiesen werden, dass die einzelnen Teilprojekte bzw. Projektphasen nicht unbedingt sequenziell ablaufen. Überlappungen und Parallelläufe sind durchaus erwünscht, um die Projektdurchlaufzeit zu verkürzen.

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Tab. 4: Checkliste zu denen Veränderungsphasen [11] Phase 1: Initialisierung •

Wandlungsbedarf feststellen

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Wandelungsträger aktivieren

Phase 2: Konzipierung •

Wandlungsziele festlegen



Maßnahmenprogramme entwickeln

Phase 3: Mobilisierung •

Wandlungskonzept kommunizieren



Wandlungbedingungen schaffen

Phase 4: Umsetzung •

Prioritäre Aufgaben durchführen



Folgeprojekte durchführen

Phase 5: Verstetigung

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Wandlungsergebnisse verankern



Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit sichern

Das integrative Veränderungskonzept soll an einem Fallbeispiel verdeutlicht werden. Es geht im Folgenden um ein Medizinisches Versorgungszentrum und drei Einzelpraxen. Die Unternehmen beabsichtigen, eine standortübergreifende Kooperation im Sinne einer Berufsausübungsgemeinschaft zu gründen. Die geplanten Veränderungsmaßnahmen folgen dem dargestellten Konzept mit den beschriebenen 5 Phasen und 10 Aufgaben. Phase 1: Initialisierung 48Nachdem die zukünftigen Gesellschafter zunächst informelle Gespräche geführt haben, treffen sich alle Partner in einem Tagungshotel, um das Projekt offiziell zu starten. In dem ersten Meeting geht es um Einstellungen, Erwartungen und gemeinsame Ziele. Auf der Tagesordnung stehen folgende Punkte: (1) Vorstellung der Partner, (2) Chancen und Risiken im Gesundheitssystem, (3) eigene Stärken und Schwächen.

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Nach heftiger Diskussion sind sich die Partner einig, dass Kooperationsformen im Gesundheitssystem eine zunehmende Bedeutung gewinnen werden. Damit sind nicht nur organisatorische Aufgaben verbunden, sondern auch neue Behandlungskonzepte. Beispielsweise entsprechen multimodale Therapieangebote nicht nur dem Stand der medizinischen Forschung, sondern auch den Vorstellungen der Patienten.

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Ein gutes Beispiel sind chronische Rückenschmerzen. Die Volkskrankheit Rückenschmerz ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Neben Einschränkungen der Beweglichkeit findet man Verstimmungszustände, schmerzbezogenes Verhalten und Störungen der sozialen Interaktion. In den meisten Fällen handelt es sich um unspezifische Rückenschmerzen (90 %), die sich nicht auf

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morphologische Veränderungen zurückführen lassen. Bei chronischem Verlauf findet man häufig psychische Risikofaktoren („Yellow Flags“) wie psychosoziale Überforderung, Somatisierung, Depression oder operante Faktoren, die zur Chronifizierung beitragen (z. B. Krankschreibung). In 10 % der Fälle lassen sich strukturelle Ursachen nachweisen („Red Flags“), z. B. Bandscheibenvorfälle mit radikulärer Symptomatik, Infektionen, ausgeprägte degenerative Veränderungen, Deformitäten oder Tumoren [3]. 51

Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten betonen die Bedeutung einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie. Im Sinne des verhaltensmedizinischen Konzeptes sollte ein umfassendes Behandlungsprogramm angeboten werden: medizinische Therapie, Patientenschulung, Physiotherapie, Trainingstherapie, physikalische Therapie, Ergotherapie, kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungsverfahren und gegebenenfalls interventionelle Schmerztherapie [3]. Soweit die Theorie. In der Praxis stehen medizinische Behandlungen im Vordergrund und interdisziplinäre Konzepte mit kognitiver Verhaltenstherapie sind die Ausnahme. Erschwerend kommt hinzu, dass Physiotherapieverordnungen, die den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses entsprechen, das Regressrisiko der Vertragsärzte erhöhen.

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Die Gesellschafter sind sich einig: Es ist aus mehreren Gründen wichtig, diese evidenz-basierten Therapieansätze strategisch zu nutzen. Zum einen geht es darum, Patienten so zu behandeln, wie es dem Stand der wissenschaftlichen Forschung entspricht. Zum anderen können die Behandlungsabläufe so gestaltet werden, dass sich Kosten und Durchlaufzeiten reduzieren lassen, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommt. Im Rahmen der ersten gemeinsamen Veranstaltung wird ein weiterer strategischer Erfolgsfaktor diskutiert: die Servicequalität.

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Phase 2: Konzipierung 54Auf der Agenda der zweiten Gesellschafterversammlung stehen folgende Punkte: (1) Unternehmenszweck und strategische Erfolgsfaktoren definieren, (2) Geschäftsfelder und strategische Geschäftseinheiten festlegen, (3) Projekte benennen und priorisieren. Das Treffen verläuft sehr konstruktiv und es werden konkrete Ergebnisse erzielt (Abb. 4).

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Abb. 4: Strategische Ausrichtung des Netzwerkes Quelle: eigene Darstellung

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Im Rahmen der Diskussion wird allen Beteiligten klar, wie wichtig psychosoziale Aspekte sind. Und so ist man sich einig, dass sich der zukünftige Unternehmenserfolg von drei Faktoren abhängt: Medizin, Psychologie und Servicequalität. Selbstverständlich müssen medizinische Standards eingehalten werden – das wird von jedem Arzt erwartet. Doch damit löst man keine Begeisterung aus. Patienten sind zufrieden und begeistert, wenn sie sich angenommen fühlen und auch über Sorgen und Ängste sprechen können. Im Klartext: Das biopsychosoziale Konzept wird zur Kernkompetenz. Phase 3: Mobilisierung 58In den folgenden Wochen kommt es zu erheblichen Turbulenzen: Die Gerüchteküche brodelt und zahlreiche Mitarbeiter sind verunsichert. Sie fragen sich: „Welche Auswirkungen haben die geplanten Veränderungen?“ „Werde ich möglicherweise in einer anderen Praxis eingesetzt?“ Jetzt geht es darum, das Wandlungskonzept zu kommunizieren und die Betroffenen ins Boot zu holen.

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Dazu muss reichlich Überzeugungsarbeit geleistet werden: Auf einer Hauptversammlung mit allen Mitarbeitern werden die strategischen Ziele und die geplanten Projekte vorgestellt. Außerdem werden erste Ergebnisse präsentiert: Inzwischen funktioniert die Finanz- und Lohnbuchhaltung des MVZ in Eigenregie. Damit werden beispielsweise Schnittstellen abgebaut, um das leistungsorientierte Vergütungssystem zu verbessern. 59

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Nach einigen Wochen haben die meisten Mitarbeiter begriffen, dass der Wandel kein notwendiges Übel ist, sondern ein lohnende Mission. Nur so lassen sich die Ziele des Unternehmens erreichen und die Arbeitsplätze sichern. Jetzt müssen die Voraussetzungen für die weiteren Schritte geschaffen werden – dabei geht es hauptsächlich um folgende Aspekte: Festlegung der Prioritäten, Übertragung von Kompetenzen, Zuweisung und Freigabe von finanziellen, personellen und sachlichen Mitteln. Die Aktivitäten sollen mit Hilfe der Informationstechnik besser koordiniert und kommuniziert werden. Deshalb wird ein Intranet mit folgenden Groupware-Funktionen implementiert: Mail, Termin- und Projektplanung sowie Dokumentenmanagement. Doch damit ist es nicht getan. Schulungs- und Qualifikationsmaßnehmen müssen geplant und durchgeführt werden. Phase 4: Umsetzung 61Die Realisierung der folgenden Teilprojekte wird mithilfe eines Projektmanagements gesteuert:

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Mitarbeiterqualifikation (Stellenbeschreibung, Ist-Aufnahme, Schulungen)

-

Informations- und Kommunikationstechnologie (Vernetzung, einheitliche IT)

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Qualitätsmanagement und Zertifizierung nach ISO 9001 ff.

-

Aufbau eines Netzwerkes (Zuweiser, Kliniken und Krankenkassen)

Da einige Projekte voneinander unabhängig sind, können sie parallel bearbeitet werden („Simultaneous Engineerung“), so dass sich die Gesamtdauer deutlich verkürzt. Dieses Vorgehen setzt allerdings eine professionelle Koordination voraus: Meilensteine, kritische Phasen, personelle und sachliche Ressourcen müssen sorgfältig geplant werden. Schon bald ist allen Beteiligten klar, dass die Veränderungsprozesse niemals abgeschlossen sind. Phase 5: Verstetigung 64Folgeprojekte zur kontinuierlichen Verbesserung gehören zum Tagesgeschäft des Netzwerkes. Deshalb ist es wichtig, die bisherigen Erfahrungen festzuhalten und für weitere Projekte zu nutzen: „Lessons learned“ und „Best Practice“ sind die Erfolgsfaktoren. Nach Abschluss der einzelnen Projekte treffen sich die Projektteams, um die Erfahrungen zu diskutieren und Verfahrensanweisungen für zukünftige Projekte festzulegen. So wird das organisationale Wissen Schritt für Schritt erweitert und die Wandlungsbereitschaft und -fähigkeit gesichert [11].

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Um die Wandlungsziele in das Managementsystem zu integrieren ist es nicht damit getan, die Primärorganisation zu ändern und dezentrale Abteilungen einzuführen. Die Kollegen sind sich einig: spezielle Plattformen für die Organisationsentwicklung müssen etabliert werden, insbesondere Projektgruppen, Workshops und Qualitätszirkel. Neben dem persönlichen Kontakt sollen auch Webbasierte Systeme die Kommunikation fördern: z. B. Foren und Communities.

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