2. Aufgaben der Geldpolitik 1. Preisstabilität 2. Glättung konjunktureller Schwankungen 3. Die Kosten von Inflation und Deflation, Optimale Inflationsrate 4. Ziele der Zentralbanken im Vergleich 5. Wirkungsmechanismen der Geldpolitik

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2.1. Preisstabilität

• Preisstabilität und Geldfunktionen • Preisniveau- oder Inflationsstabilisierung? • Messung von Inflation Vgl. Illing, Kap. 1.3.1, 4.2.2

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Preisstabilität und Geldfunktionen • Geldfunktionen – nur dann erfüllt, wenn der Wert des Geldes einigermaßen stabil ist

• Bei hohem Wertverlust vom Geld sind Warengelder überlegen – Wertaufbewahrung – dadurch Tauschmittel, weil Tausch Zeit erfordert – als Recheneinheit: wenn der Geldwert sich ständig verändert muss das Preissystem ständig angepasst 3

Preisstabilität Unterschiede: • langfristige Preisstabilität: • im Durchschnitt niedrige Inflation •kurzfristige Preisstabilität: •geringe Schwankungen des Geldwertes im Zeitverlauf

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Preisniveau- oder Inflationsstabilisierung?

• Nach einer überraschenden Preissteigerung, sollte die ZB versuchen 1. das ursprüngliche Preisniveau wieder zu erreichen? 2. oder nur zukünftige Änderungen auszugleichen?

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Auswirkung auf das Preisniveau • Inflationsziel (hier π*=0) – Preisniveau folgt einem random walk (mit Trend π*), pt = (1+π*) pt-1 + ut, ut white noise

• Preisziel p* – Preisniveau um p* schwankt. 35

Preisniveau

30

25

20

15

Preisziel Inflationsziel

10

5

0

Zeit

6

Auswirkung auf die Inflation • Inflationsziel – Inflationsrate schwankt um das Ziel

• Preisziel p*

0,4

Inflation

0,3 0,2 0,1 0

Zeit

-0,1

– Inflationsrate ist -0,2 sehr volatil, da alle -0,3 Abweichungen im -0,4 Preisniveau müssen kompensiert werden

Preisziel Inflationsziel

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Messung von Inflation Überzeichnet der Konsumpreisindex die wahre Inflationsrate? – Mögliche Messfehler bei der Berechnung der Inflationsrate • Qualitätsverbesserungen und neue Produkte nicht adäquat erfasst → Hedonischer Preisindex • Laspeyres-Index verzerrt: ignoriert Substitutionseffekte • Outlet Substitution Bias: Veränderungen der Handelsstruktur

– Falsche Messung der Inflation bringt Fehleinschätzung bei anderen Variablen mit sich

Jüngst in der Geldpolitik stark diskutiertes Thema: – Gefahr der Liquiditätsfalle in Zeiten niedriger Inflation – Vorwurf an die EZB: War ihr Inflationsziel zu niedrig? → Optimale Inflationsrate 8

Berechnung von Inflation •

Ideale Lebenshaltungskostenindex: –



Der Laspeyres-Index: –



um wie viel müssten die Ausgaben eines Durchschnittskonsumenten steigen, damit dieser das Nutzenniveau der Basisperiode erreichen kann. um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Basisperiode steigen.

Der Paasche-Index: –

um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Vergleichsperiode gestiegen sind.

Der ideale Lebenshaltungsindex beruht auf Nutzenvergleich. • Messbarkeit? Nutzen ist nicht direkt messbar • Repräsentativem Konsumenten? Nutzenfunktionen verschiedener Konsumenten unterscheiden sich. 9

Beispiel einer 2-Güter-Ökonomie

• Basisjahr 1990: – 1 kg Lebensmittel: 2 €, ein Buch: 20 € – Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers: 100 kg Lebensmittel, 15 Bücher – Ausgaben: 500 €

• Vergleichsjahr 2000: – 1 kg Lebensmittel: 2,20 €, ein Buch: 100 € – Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers: 320 kg Lebensmittel, 8 Bücher – Ausgaben: 1504 €

Wie hoch ist die Inflationsrate im Zeitraum 1990-2000?

10

30 B_1

Indifferenzkurve

25

B_2

gewähltes Güterbündel 1990

B_3

Bücher

20 gewähltes Güterbündel 2000 15

10 B_3 5

B_1 B_2

0 0

100

200

300

400

500

600

700

800

Lebensmittel 11

Idealer Lebenshaltungsindex (ILHI) • •

Gibt an, um wie viel die Ausgaben steigen müssten, damit der Verbraucher das bei neuen Preisen dieselbe Indifferenzkurve erreichen kann Preisverhältnis 2 : 20 entspricht der Budgetgeraden B1. – –



Da der Verbraucher sich für das Güterbündel (100, 15) entscheidet, offenbart er, dass seine Indifferenzkurve die Budgetgerade in diesem Punkt tangiert. Warum?

Das neue Preisverhältnis 2,20 : 100 entspricht der Steigung der Budgetgeraden B2 und B3.

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Idealer Lebenshaltungsindex (ILHI) • •

Die Gerade B2 charakterisiert das minimale Budget, um die alte Indifferenzkurve zu erreichen. Das zugehörige Güterbündel besteht aus 300 kg Lebensmittel und 6 Büchern. – –

• •

Dafür muss der Verbraucher im Jahr 2000 1.260 € ausgeben. Im Jahre 1990 musste der Verbraucher 500 € ausgeben um dasselbe Nutzenniveau zu erreichen.

Der ILHI im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1260 / 500 = 252. Die zehnte Wurzel aus 2,52 ist 1,0968. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach 9,68%. 13

Laspeyres-Index • • • • • •

Gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Basisperiode gestiegen sind. Das Güterbündel der Basisperiode kostet nach neuen Preisen 1.720 € Dies entspricht der Budgetgeraden B3 in der Abbildung. Der Laspeyres-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1720 / 500 = 344. Die zehnte Wurzel aus 3,44 ist 1,1315. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach 13,15%.

14

Paasche-Index • • •

Gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Vergleichsperiode gestiegen sind. Das Güterbündel des Verbrauchers 2000 besteht aus 320 kg Lebensmitteln und 8 Büchern Dies entspricht der Budgetgeraden B4 –

• • • •

Wo müsste er in der Abbildung liegen?

Dieses Güterbündel kostet im Jahre 2000 1.504 €. Im Jahre 1990 kostete dieser Warenkorb 800 €. Das Verhältnis der Kosten beträgt 1.504/800 = 1,88 Der Paasche-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1.504 / 800 = 188. Die zehnte Wurzel aus 1,88 ist 1,0652. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug demnach 6,52%. 15

Beispiel: Realeinkommen •

Wie stark ist sein Realeinkommen des Verbrauchers zwischen 1990 und 2000 gestiegen? –



Ausgaben im Jahre 2000: 1504 €, im Jahre 1990: 500 €. –



Annahme: Die Konsumquote des Haushalts hat sich nicht verändert

Die Ausgaben veränderten sich mit dem Faktor 1504 / 500 = 3,008.

Gemessen am idealen Lebenshaltungsindex (252): – –

ein realer Anstieg von 300,8 / 252 = 1,19365. Die jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach: 10



1,19365 − 1 = 1,79%

Spiegelt das Faktum wieder, dass der Haushalt ein höheres Nutzenniveau im Jahre 2000 erreicht. 16

Beispiel: Realeinkommen •

Gemessen am Laspeyres-Index war das Wachstum aber negativ! – – –

Mit dem neuen Budget kann sich der Haushalt das alte Güterbündel nicht mehr leisten. Die reale Veränderung gegenüber dem Basisjahr wird mit 300,8 / 344 = 0,8744 berechnet. Die jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach 10



0,8744 − 1 = −1,33%

Gemessen am Paasche-Index hätte der Haushalt sogar dann einen realen Zuwachs erzielen können, wenn sein Nutzenniveau zurückgegangen wäre. – –

Bei den hier gegebenen Zahlen ergibt sich jedoch ein realer Anstieg von 1 auf 300,8/188 = 1,6 Die jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach 10

1,6 − 1 = 4,81% 17

Beispiel: Zusammenfassung • •

Paasche und Laspeyres vernachlässigen die Substitutionseffekte Im Beispiel sind die Preise der beiden Güter sehr unterschiedlich gestiegen, –



Die Relativpreisänderung führt dazu, dass Haushalte – –



das relativ teurer gewordene Gut weniger stark nachfragen und durch das relativ billiger gewordene Gut substituieren

Der ideale Lebenshaltungsindex würde diese Subsitutionseffekte einbeziehen –



der Lebensmittelpreis um 10%, der Bücherpreis um 400%.

er entspricht dem mikroökonomischen Konzept der „compensated variation“

Er lässt sich jedoch nur schwer berechnen, weil zumindest lokale Eigenschaften der Nutzenfunktion geschätzt werden müssen.

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Messung der Inflation und BIP-Wachstum Das statistische Bundesamt • BIP-Inflationsrate bis 2004 – Laspeyres-Index – der Warenkorb wurde alle 5 Jahre aktualisiert

• Ab 2005 – verkettete Indizes – läuft auf eine jährliche Aktualisierung des Warenkorbs hinaus – Dadurch werden die systematischen Fehler verringert.

• Da die Inflation durch den Laspeyres-Index überschätzt wurde, ist das reale Wachstum unterschätzt worden.

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