13 27 Cs ( Baumsturzereignis ) Vorsitz: Richter am Amtsgericht W

Amtsgericht Trier | Postfach 1110 | 54201 Trier PRESSEDIENST___________________________________ Justizstraße 2, 4, 6 54290 Trier Telefon 0651 466-02 ...
Author: Caroline Sachs
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Amtsgericht Trier | Postfach 1110 | 54201 Trier

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Strafverfahren 8012 Js 4098/13 – 27 Cs („Baumsturzereignis“) Vorsitz: Richter am Amtsgericht W

Termin: Urteilsverkündung am 28.11.2013 Gegenstand des Verfahrens: Fahrlässige Tötung u.a. Verteidiger lt. Anklageschrift: Rechtsanwalt J Vertreter der Nebenklage: Rechtsanwalt S

, Trier und

, Trier

Der Tenor des Urteils lautet wie folgt: Der Angeklagte ist schuldig der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung. Er wird daher zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40,-- EUR kostenpflichtig verurteilt. Er hat zudem die notwendigen Auslagen beider Nebenkläger zu tragen. - Angewendete Strafvorschriften: §§ 222, 229, 230, 13, 52 StGB -.

Die Urteilsgründe lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Der Angeklagte ist gelernter und bei der Stadt T. beschäftigter Gärtnermeister. Der Angeklagte ist strafrechtlich unvorbelastet. Er ist wie folgt überführt: 1/6 Kernarbeitszeiten 09.00-12.00 Uhr 13.30-15.30 Uhr Freitag 09.00-13.00 Uhr

Verkehrsanbindung Bus ab Hauptbahnhof Linie 3 und 13 bis Haltestelle Nikolaus-Koch-Platz (gegenüber dem Gericht)

Parkmöglichkeiten City-Parkhaus, Böhmerstraße Parkplatz für Behinderte: vor dem Gerichtsgebäude nach tel. Voranmeldung: 0651 / 466-1001

Wie vorerwähnt, ist der Angeklagte als gelernter Gärtnermeister langjährig bei der Stadt T. beschäftigt, und zwar im Grünflächenamt und hier ganz überwiegend als Sachbearbeiter in der Abteilung „Baumpflege“. Sein ihm in vorgenannter Abteilung zugewiesenes Aufgabengebiet umfasst den Einsatz und die Koordination der Baumpflege durch Pflegekolonne, Regiebetrieb und Unternehmer, die Führung des Baumkatasters und Pflege der fachspezifischen Daten, die Pflege der Naturdenkmale sowie die „Zweitkontrolle“ des städtischen Baumbestandes, der mit ca. 32.000 Bäumen verschiedenster Arten erfasst ist. Zur Durchführung dieser „Zweitkontrolle“, für die zeitliche Vorgaben fehlten, stand dem Angeklagten u.a. ein sogenannter Resistograph zur Verfügung, mit welchem Bohrwiderstandsmessungen zur Ermittlung der Holzdichte eines Baumstammes durchgeführt werden. Handhabung und Funktionsweise dieses Gerätes waren dem Angeklagten, der im Bereich Baumpflege und –kontrolle ausgebildet und fortgebildet war, bekannt. Die Ausführung seiner vorgenannten Kontrollpflichten nahm der Angeklagte eigenverantwortlich und unüberwacht vor. Gleiches galt für die beiden Baumkontrolleure F. und H., die mit der in 2007 beginnenden Einrichtung eines EDV-gestützten Baumkatasters bei der Stadt T., die eine Einzelerfassung des gesamten städtischen Baumbestandes erforderlich machte, einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt waren.

Zum Kontrollbezirk des Zeugen F. gehörte auch der innerstädtische R.-Park mit seinem Baumbestand, an welchem eine kleine namensgleiche Straße vorbeiführt, welche die Innenstadt mit einem stark frequentierten Haltepunkt der Stadtbusse verbindet (T.-Passage) und ganz überwiegend von starkem Fußgängerverkehr genutzt wird. Im Randbereich des Parks zu vorgenannter Straße hin stand eine ca. 80 bis 90 Jahre alte Rosskastanie, die spätestens seit Ende 2009 mit dem Vitalitätsgrad 2,5 (Skala 0 = vital – 3 = fast abgestorben) erfasst war. Spätestens Ende 2011 wies der Baum im Kronenbereich und hier in zahlreichen durch vorgängigen Rückschnitt der Starkäste entstandenen Schnittflächen starke Holzfäule und tiefreichende Höhlungen auf und weitere Höhlungen am efeubewachsenen Stamm sowie in dessen unterem Bereich Wuchsanomalien (Beulen/Wülste), die auf massive Baumdefekte im Stamminneren hindeuteten. Tatsächlich war die in ihrer Alterungsphase befindliche Rosskastanie von einem holzzersetzenden Pilz (Goldfell-Schüppling) befallen, der zu umfangreicher Fäulnis im Stamminneren und spätestens bis Jahresmitte 2012 zu einer kompletten Aushöhlung des gesamtes Stammes, der nur noch aus einer dünnwandigen Röhre bestand, führte. Spätestens zur Jahresmitte 2012, vermutlich bereits früher, waren an zahlreichen Stellen im Kronen- und Stammbereich der Kastanie Pilzfruchtkörper sichtbar, auch am Stammfuß und zwischen den Wurzelanläufen. Am Stammfuß zeigte sich zudem kurz oberhalb der Erdaustrittsstelle des Baumes eine größere Höhlung (ca. 0,50 m breit und 0,25 m hoch), welche Zugriff in das Bauminnere und an das völlig zersetzte, nur noch als pulvriger Mulm vorhandene Holzgewebe des Stammes ermöglichte. Aufgrund vorgenannter, auch äußerlich sichtbarer Schäden fehlte der Kastanie spätestens zur Jahresmitte 2012 jegliche Standfestigkeit. Zur Vermeidung eines jederzeit drohenden Baumsturzes war die sofortige Fällung, für jeden Fachmann ersichtlich, die allein sachgemäße Maßnahme. In den Nachmittagsstunden des 23.07.2012 war der Zeuge B., Vorarbeiter der Baumpflegekolonne, mit seinen beiden Mitarbeitern vor Ort im R.-Park, um Baumpflegearbeiten auszuführen. Dem Zeugen B., ein zertifizierter Baumkontrolleur mit lediglich Vorarbeiterstatus bei der Stadt T., fiel der für die Jahreszeit ungewöhnlich schlechte Belaubungszustand der Rosskastanie auf, die im Kronenbereich durchgängig herbstlich wirkende, hellgelbe Blätter trug. In spontanem Entschluss nahm er eine Baumbeschau vom Boden aus vor, sah hierbei u.a. die Astwunden und Höhlungen im Kronenbereich, insbesondere aber auch die große erdnahe Höhlung am Stammfuß der Kastanie. Mit einem Sondierstab stach er in vorgenannte Höhlung hinein und stellte hierbei fest, dass sich die Höhlung aufsteigend in den Stamm fortsetzte. Als er zusätzlich mit einer Hand in die Höhlung und an das Stamminnere griff, bemerkte er das vermulmte, pulvrig zersetzte Holzgewebe. Er nahm unverzüglich telefonischen Kontakt zu dem Angeklagten auf, teilte ihm seine vorgenannten Feststellungen mit und bat ihn, unverzüglich vor Ort zu kommen. Kurz darauf erschien der Angeklagte vor Ort, wurde von dem Zeugen B. eingewiesen und sah den Baum in seiner vorbeschriebenen Schadhaftigkeit. Ihm kamen Bedenken, ob der Baum noch standsicher ist. Zur Überprüfung der Standfestigkeit ordnete er an Ort und Stelle einen sofortigen „Rütteltest“ an. Bei diesem „Rütteltest“, der keine sachlich/fachlich anerkannte Maßnahme zur Kontrolle 2/6

der Standfestigkeit eines Baumes ist, wird der Kronenbereich eines Baumes durch Hin- und Herziehen mit einer Stange in Schwingung versetzt und geprüft, ob hierbei Veränderungen am Stammfuß und Wurzelbereich eines Baumes auftreten. Diese blieben aus. Daraufhin entschloss sich der Angeklagte, auf weitere eingehende Untersuchung des Baumes „hier und jetzt“ zu verzichten und diese Untersuchungen einer „Zweitkontrolle“ vorzubehalten. In der Folgezeit nahm der Angeklagte in pflichtwidriger Weise die von ihm selbst angeordnete Zweitkontrolle nicht vor, obwohl für ihn als zuständigem Fachmann die Standfestigkeit der Rosskastanie zumindest zweifelhaft, ein jederzeitiger Baumsturz vorstellbar und wegen der hohen Fußgängerfrequenz an Ort und Stelle der Eintritt gewichtiger Schäden für Leib und Leben von Passanten bei Baumsturz denkbar war.

In den Mittagsstunden des 22.11.2012 (ca. 13:20 Uhr) stürzte die Rosskastanie im R.-Park bei ruhigen Witterungsverhältnissen, insbesondere Windstille, und ohne jegliche Fremdeinwirkung als Folge des Verlustes ihrer Standfestigkeit, hervorgerufen durch Pilzbefall bedingte Holzzersetzung im Stamminneren, in Richtung und auf die R.-Straße, verfehlte im Sturz nur knapp eine Schülergruppe und andere Passanten und begrub mit wuchtigem Aufprall auf die Straße den sich dort als Fußgänger bewegenden Nebenkläger R. sowie die sich fußläufig auf dem Weg zum Einkauf befindende Ehefrau des weiteren Nebenklägers S., die 70-jährige S., die hierbei schwerwiegende, zum sofortigen Tode führende Brüche der Brust- und Halswirbelsäule mit sofortigem Atemstillstand erlitt. Der Nebenkläger R., der aus dem Baumsturz Frakturen des (rechten) Fußes, des Beckens, der Hüfte, der Wirbelsäule und des Brustbeines erlitt, konnte von zeitnah eintreffenden Rettungskräften geborgen und in stationäre Krankenhausbehandlung gebracht werden, die bis zum 14.02.2013 fortdauerte.

Das Baumsturzereignis vom 22.11.2012 mit seinen schweren Folgen für Leib und Leben der Geschädigten S. und R. wäre vermieden worden, wenn die Rosskastanie spätestens am 23.07.2012 bzw. zeitnah danach gefällt worden wäre. Dass dies bis zum 22.11.2012 unterblieb, beruht auch auf sorgfaltswidriger und/oder unterlassener, dem Angeklagten obliegender und allemal zumutbarer „Zweitkontrolle“ des Baumes. Für den Angeklagten war allemal vorhersehbar, dass der Sturz der mächtigen Rosskastanie im Innenstadtbereich T. geeignet war, hohe Allgemeingefahr für Leib und Leben von Passanten hervorzurufen.

Der Angeklagte saß mit im wesentlichen bestreitender Einlassung in der Anklagebank, hat allerdings zugestanden, bis zum Baumsturz vom 22.11.2012 die beabsichtigte „Zweitkontrolle“ der Rosskastanie tatsächlich nicht durchgeführt zu haben. Hierzu hat er sich ergänzend wie folgt erklärt: Er sei am 23.07.2012 nicht vor Ort im R.-Park gewesen, habe die Kastanie daher weder zu diesem, noch zu einem früheren Zeitpunkt selbst gesehen. Diese Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen steht, zur sicheren Überzeugung des Gerichts als bloße Schutzbehauptung widerlegt. Mit dieser Einlassung hat der Angeklagte glauben machen wollen, die Kastanie nur „auf dem Papier“, nicht dagegen „in Natur“ gesehen, daher auch keine Möglichkeit zur eigenen Datenerhebung vor Ort gehabt zu haben und folglich zu einer entschuldbaren Fehleinschätzung zur zeitlichen Brisanz der beabsichtigten „Zweitkontrolle“ des Baumes gelangt zu sein. Dem ist allerdings nicht so. ……… (es folgt Beweiswürdigung).

Die getroffenen Feststellungen tragen den tenorierten Schuldspruch. Denn der Angeklagte hat unter vorwerfbarem Verstoß gegen seine Pflicht, die Kastanie im R.-Park eingehend zu untersuchen („Zweitkontrolle“) und hiernach deren sofortige Fällung zu veranlassen, den auch für ihn vorhersehbaren und vermeidbaren Baumsturz vom 22.11.2012, der zum sofortigen Tode der Geschädigten S. und zu schwerwiegenden Verletzungen des Nebenklägers R. führte, (mit-)verursacht. Hierzu ist auszuführen: 3/6

Die Baumpflege und –kontrolle der im innerstädtischen R.-Park stehenden Rosskastanie oblag der Stadt T. im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht, und zwar zum einen als Zustandsverantwortliche für den städtischen Park und dortigen Baumbestand, zum anderen als Folgepflicht aus der Verkehrseröffnung aus der am Park vorbeiführenden namensgleichen Straße. Inhalt und Ausführung vorgenannter städtischer Verkehrssicherungspflicht für städtischen Baumbestand hat sich, auch im hier maßgeblichen Schadensjahr 2012, an den Baumkontrollrichtlinien der FLL (ForschungsgesellschaftLandschaftsentwicklung-Landschaftsbau e.V.) auszurichten, welche verbindliche fachliche Standards insbesondere für den Bereich „Baumkontrolle“ ausweist. Hiernach sind für (inner-)städtischen Baumbestand Regelkontrollen als Sichtkontrollen und eingehende Untersuchungen („Zweitkontrollen“) nach einer Regelkontrolle, die Zweifel über die Verkehrssicherheit (Bruch- und/oder Standsicherheit) ergeben hat, durch sach- und fachkundiges, aus- und weitergebildetes Personal durchzuführen. Zur ordnungsgemäßen Durchführung vorgenannter Baumkontrollen ist ein Baumkataster zu erstellen und zu führen, in welchem die Daten des grunderfassten Baumbestandes nach Maßgabe der durchgeführten Kontrollen fortgeschrieben und aktualisiert werden müssen. Für die Festlegung der Baumkontrollintervalle und Baumkontrollintensität sind maßgebliche Kriterien das Alter eines Baumes, sein Zustand und sein Standort. Bäume in der Alterungsphase sind häufiger zu kontrollieren, als vergleichbare Bäume in der Reifephase. Bäume mit ersichtlichen Schäden und Schadsymptomen sind häufiger zu kontrollieren, als schadfreie Bäume. Bäume an stark frequentierten Straßen, Wegen, Plätzen und belebten Grünanlagen sowie an Spielplätzen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Schulen und Sportanlagen sind häufiger zu kontrollieren, als an schwach frequentierten Wegen und wenig besuchten Grünflächen, vornehmlich im Außenbereich. Nach Maßgabe dieser Kriterien ist das Gericht der Auffassung, dass die Rosskastanie im R.-Park einer zumindest halbjährlichen Baumkontrolle (Regelkontrolle) in belaubtem und unbelaubtem Zustand hätte zugeführt werden müssen. Die bloße einmalige Jahreskontrolle in 2011/2012, für letztgenanntes Jahr in der Dienstanweisung vom 04.07.2012 angeordnet, erscheint verfehlt und steht zudem im Widerspruch zum Inhalt der vorgängigen Dienstanweisung vom 01.12.2005, wonach bei kranken Bäumen in exponierter Lage eine höhere Kontrolldichte gefordert ist. In letztgenannter Dienstanweisung, die auch dem Angeklagten bekannt war und ist, sind in Anlehnung an o.g. FLLBaumkontrollrichtlinien jährliche Regelkontrollen und eingehende Untersuchungen („Zweitkontrollen“) angeordnet, allerdings ohne zeitliche Vorgaben. Dies erscheint zumindest für die „Zweitkontrollen“, die bei zweifelhafter Gefährdungslage nach Regelkontrolle durchzuführen sind, mehr als bedenklich. Dem Angeklagten oblag mit seinem Wissen und Wollen die Durchführung der „Zweitkontrollen“ des (gesamten) städtischen Baumbestandes. Aufgrund dieser behördeninternen, dienstrechtlichen Delegierung eines verantwortungsvollen Bereiches der städtischen Verkehrssicherungspflicht für (inner-)städtischen Baumbestand übernahm der Angeklagte wissent- und willentlich in seiner Sach- und Fachkompetenz eine bedeutsame Garantenstellung in der städtischen Baumkontrolle, die ihn allerdings, folgt man seiner Einlassung, an und über die Grenzen verantwortungsvoller Erfüllung seiner Dienstpflichten führte. Nach Einschätzung des Gerichts liegt bereits hier ein gewichtiger Organisationsmangel, der nicht nur die Baumpflegeabteilung und das (Grünflächen-)Amt, sondern auch das zuständige Dezernat der Stadt T. trifft. Dessen ungeachtet, ist dem Angeklagten am 23.07.2012 und für die Zeit bis zum Baumsturz am 22.11.2012 gewichtiger Pflichtenverstoß als „Zweitkontrolleur“ anzulasten. Nach der außerplanmäßigen Erstkontrolle der Rosskastanie im R.-Park durch den Zeugen B. am 23.07.2012, die aufgrund der Vielzahl von Baumauffälligkeiten den Zeugen B. zur sofortigen Alarmierung des Angeklagten veranlasste, war dieser an Ort und Stelle gefordert, in seiner Eigenschaft als „Zweitkontrolleur“ die Kastanie einer sofortigen eingehenden Untersuchung zu unterziehen und unter Einsatz eines Resistographen verlässliche Feststellungen zum Baumzustand zu treffen. Hätte er dies verantwortungsvoll an Ort und Stelle getan, wäre ihm die hohe Schadbelastung des durchgängig im Stamm ausgehöhlten Baumes, die hierdurch fehlende Standfestigkeit und die latent drohende Baumsturzgefahr, die sofortige Baumfällung erforderlich machte, nicht entgangen. Stattdessen veranlasste der Angeklagte an Ort und Stelle einen von ihm selbst in seiner Ersteinlassung als unzuverlässig, von dem sachverständigen Zeugen P. als sach- und fachwidrig bewerteten „Rütteltest“, um die Standfestigkeit der Kastanie zu überprüfen. Mehr tat er nicht, unterließ eine weitergehende eingehende Untersuchung des Baumes und ordnete lediglich, dies ohne Festlegung einer zeitlichen Priorität, eine nachfolgende „Zweitkontrolle“ des Baumes an, die bis zum Baumsturz vom 22.11.2012 in verantwortungsloser Weise von ihm unbearbeitet blieb. Die von dem Angeklagten reklamierte fehlerhafte Prioritätenein4/6

schätzung beruht auf seinem vorgenannten Pflichtenverstoß und ist ihm daher, weil eigenverschuldet, anzulasten. Auch sein weiterer Einwand, der Baumsturz vom 22.11.2012 sei für ihn nicht vorhersehbar und daher auch nicht vermeidbar gewesen, geht fehl. Für die Frage der Vorhersehbarkeit des Unfallereignisses vom 22.11.2012 kommt es nicht darauf an, dass es gleiche bzw. vergleichbare Ereignisse bislang in der Stadt T. nicht gegeben hat. Vielmehr ist die Frage zu stellen, ob für den Angeklagten am 23.07.2012 und in den Monaten danach vorhersehbar war, dass der alte, schwer schadhafte, bereits abgängige (Vitalitätsgrad 2,5) und durch komplett ausgehöhltes Stamminnere in seiner Standfestigkeit aufgehobene Baum jederzeit auch ohne äußerliche Einflüsse, wie geschehen, umstürzen würde und hierbei angesichts des Standortes des Baumes an stark frequentierter Innenstadtstraße Personen an Leib und Leben, wie geschehen, Schaden nehmen würden. Alles dies ist sicher zu bejahen, damit auch die Vorhersehbarkeit des Schadensereignisses vom 22.11.2012 für den Angeklagten und die Vermeidbarkeit bei zumutbarer Pflichtenerfüllung, wie vorerwähnt. Dies begründet gegen den Angeklagten allemal den Vorwurf grob fahrlässiger Verwirklichung der tenorierten Straftatbestände (§§ 222, 229, 13 StGB).

Die Strafzumessung hat das Gericht gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB der verwirklichten Strafnorm des § 222 StGB entnommen, die einen Strafrahmen von 1-monatiger bis 5-jähriger Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorsieht. Von einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hat das Gericht Abstand genommen. Der die Grenze zum Vorsatzdelikt nahezu erreichende grobe Pflichtenverstoß des Angeklagten rechtfertigt eine Strafrahmenmilderung nicht. Bei der konkreten Straffindung spricht zugunsten des Angeklagten, dass er strafrechtlich unvorbelastet ist. Von seinem Dienstvorgesetzten wird er als sachkompetenter und zuverlässiger Mitarbeiter in der städtischen Abteilung „Baumpflege“ beschrieben. Gegenteilige Erkenntnisse liegen nicht vor. Dies lässt zugunsten des Angeklagten den Rückschluss zu, dass das hier zur Aburteilung gelangende Tatgeschehen zwar nicht unvermeidbares Schicksal für den Angeklagten war, jedoch in dem hohen Maß seiner gezeigten Verantwortungslosigkeit (wohl) Ausnahmecharakter hatte. Auch dies hält das Gericht dem Angeklagten zugute. Dagegen sieht das Gericht, anders als die Staatsanwaltschaft, den gewichtigen Strafmilderungsgesichtspunkt eines Geständnisses bei diesem Angeklagten nicht. Der Angeklagte war ganz überwiegend und in der entscheidenden Sachaufklärung zu den Geschehnissen am 23.07.2012 nicht geständig, sondern saß mit bestreitender Einlassung in der Anklagebank. Es bedurfte daher der zeugenschaftlichen Vernehmung von Beweispersonen, um die Geschehnisse vom 23.07.2012 verlässlich zu klären.

Das Gericht hält dem Angeklagten allerdings zugute, dass er nicht der Alleinverantwortliche für den Baumsturz vom 22.11.2012 und die hierdurch verschuldeten schweren Ereignisfolgen war und ist. Dem Angeklagten ist darüber hinaus strafmildernd zugute zu halten, dass seine gewichtige Sorgfaltspflichtverletzung durch weiteren schwerwiegenden Organisationsmangel in der Abteilung „Baumpflege“ der Stadt T. ermöglicht wurde. Der Angeklagte, wie auch die weiteren Beschäftigten in vorgenannter Abteilung, hier insbesondere auch die beiden Baumkontrolleure, unterlag in der Ausführung seiner dienstlichen Aufgaben keiner Kontrolle durch die Dienstaufsicht. Der Angeklagte und die beiden Baumkontrolleure F. und H. waren "unkontrollierte Kontrolleure“. Insbesondere der Angeklagte, der als „Zweitkontrolleur“ im Rahmen der städtischen Verkehrssicherungspflicht für städtischen Baumbestand ein hochverantwortliches Dienstgeschäft zum Schutze der Allgemeinheit zu führen hatte, blieb unkontrolliert und hatte wegen fehlender organisatorischer Vorgaben zu keinem Zeitpunkt, schon gar nicht in regelmäßigen Zeitabständen, seinem Dienstvorgesetzten und der Dienstaufsicht Rechenschaft über sein „Tun und Unterlassen“ als Baumzweitkontrolleur abzulegen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht dem Angeklagten anzulastender, schwerwiegender Organisationsmangel in Abteilung, Amt und Dezernat der Stadt T., der den Pflichtenverstoß des Angeklagten ermöglichte, bis zum Unfallereignis unentdeckt ließ und damit unverantwortlich begleitete. Dies mildert das individuelle Versagen des Angeklagten und damit seine Schuld. Letztlich hat das Gericht dem Angeklagten strafmildernd zugutegehalten, dass er in dem Verfahren, welches durch hohe Medi5/6

enpräsenz begleitet wurde, in Person und Tat in gesteigertem Maße dem öffentlichen Interesse ausgesetzt war und hierdurch als bislang strafrechtlich unbescholtener Mann, der kein Krimineller ist, ersichtlich gezeichnet erschien. Nach alledem wäre an sich angesichts des Gewichtes des den Angeklagten treffenden Fahrlässigkeitsvorwurfes, wie oben dargestellt, eine kurzzeitige Freiheitsstrafe von 4 Monaten das richtige Maß. Das Gericht hat diese Kurzzeitfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten nicht verhängt, sondern unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 1 StGB auf eine gleichwertige Geldstrafe von 120 Tagessätzen erkannt. Zur spezialpräventiven Einwirkung auf den Angeklagten ist die Verhängung von Kurzzeitfreiheitsstrafe entbehrlich. Das Gericht hat in 3-tägiger Hauptverhandlung den Angeklagten erlebt und den Eindruck gewonnen, dass er keinen freiheitsentziehenden Strafdruck benötigt, um für sich aus dem Tatgeschehen mit seinen schwerwiegenden Tatfolgen die richtigen, nachhaltigen Konsequenzen für künftig verantwortungsvolle Ausübung seines Amtes als Baumkontrolleur zu ziehen. Auch die Verteidigung der Rechtsordnung macht die Verhängung einer 4-monatigen Kurzzeitfreiheitsstrafe nicht unerlässlich. Der bislang strafrechtlich unbescholtene Angeklagte ist Ersttäter und steht, wie das Gericht ausgeführt hat, nicht allein in der Verantwortung für den Baumsturz vom 22.11.2012, der für die Nebenkläger eine geradezu schicksalhafte Veränderung ihrer bisherigen Lebensverhältnisse mit sich brachte. Schuldspruch und Geldstrafe erscheinen zudem als ausreichendes Signal in die Öffentlichkeit, um insbesondere den hohen Stellenwert verantwortungsvoller Wahrnehmung kommunaler Baumkontrollpflicht deutlich zu machen. Nach alledem verbleibt es bei der erkannten Geldstrafe von 120 Tagessätzen als schuld- und tatangemessene Sanktion. Die auf 40,-- Euro festgestellte Tagessatzhöhe der erkannten Geldstrafe entspricht den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

Die Verteidigung hat gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Sache wird nun dem Landgericht Trier zur Entscheidung über die Berufung vorgelegt werden.

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