Wissen, woher der Wind weht (Der wehende Wind) Joh 3,8

Gt 08020 / p. 739 / 1.10.2007 Wissen, woher der Wind weht (Der wehende Wind) Joh 3,8 Der Wind weht, wo er will, und seine Stimme hörst du, aber du we...
Author: Susanne Junge
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Wissen, woher der Wind weht (Der wehende Wind) Joh 3,8 Der Wind weht, wo er will, und seine Stimme hörst du, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht: So ist jeder und jede aus dem Geist Geborene.

Sprachliche Analyse (Bildlichkeit) Joh 3,8 ist unverbunden als Erläuterung an die Aussage von der Notwendigkeit der Neugeburt angeschlossen (3,7). Dieser Vers besteht aus einem Vorder- und Nachsatz. Das Stichwort pne‰ma (pneuma) bildet den wirkungsvollen Auftakt des Vordersatzes. Dabei wird mit der Doppelbedeutung dieses griechischen Wortes gespielt, das ›Wind‹ und ›Geist‹ bedeuten kann. Dieses Spiel zeigt an, dass bereits der Vordersatz auf eine Übertragung hinzielt. Das Pneuma-Wirken wird durch die Verben ›wehen‹, ›wollen‹, ›kommen‹ und ›gehen‹ auf dynamische Weise beschrieben. Zudem zeichnet sich der vorliegende Vers durch die Raumangaben ›wo‹, ›woher‹ und ›wohin‹ aus. Die in direkter Rede auf Nikodemus bezogene menschliche Reaktion wird durch ›hören‹ und ›nicht wissen‹ verbalisiert. Die johanneische Sinnhaftigkeit wird durch die Verbindung mit dem Stichwort ›Stimme‹ verstärkt. Durch diese sprachlichen Elemente werden drei Aussagen konstituiert: (1) Das Pneuma weht, wo es will. (2) Seine Stimme ist hörbar. (3) Seine Herkunft und sein Ziel sind unbekannt. Während die ersten beiden Aussagen durch ›und‹ verbunden sind, wird die dritte Aussage durch ein gegenüberstellendes ›aber‹ angeschlossen. Obwohl Nikodemus die wehende Pneuma-Stimme sinnlich wahrnehmen kann, bleibt sie für ihn ein Rätsel. Der Nachsatz beginnt mit ›so‹. Dadurch wird ein vergleichender Bezug auf das Vorhergehende hergestellt. Mit ›ist‹ wird eine Identifikation formuliert. Daran schließt sich generalisierend »jeder« an. Die an Nikodemus gerichtete Aussage beansprucht also auch für die Leserinnen und Leser Gültigkeit. Nicht der Wind und der Geist werden identifiziert, sondern eine Beziehung zwischen dem rätselhaften Pneuma-Wirken und dem aus dem Pneuma Geborenen generiert. Da die Annahme widersinnig wäre, dass auch der Geistgeborene nicht um seine Herkunft und sein Ziel weiß, ist es naheliegend, den semantischen Doppeldeutigkeiten auf den Grund zu gehen, um den Tiefensinn von 3,8 zu verstehen.

Narrativität und Metaphorizität In Joh 3,8 wird nach dem Ringschluss in Joh 3,7 in Gestalt eines Selbstzitates Jesu (vgl. Joh 3,3.5) durch ein Gleichniswort ein neuer Aspekt der Geburt aus dem Geist zum Klingen gebracht. Durch das Spiel mit mehrsinnigen Begriffen wird wie durch den Gebrauch des doppeldeutigen Adverbs ›von oben her/von neuem‹ in Joh 3,3.7 die Leseerfahrung intensiviert. Die johanneische Metaphorik hat ihre Basis im empirischen Bezugssystem als 725

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Parabeln im Johannesevangelium

einer allen gemeinsamen leibhaftigen Sinneserfahrung (Schwankl 1995, 35). Das Wehen des Windes als nachvollziehbares Phänomen aus dem Bereich der Natur wird einer theologischen Aussage über den Geistgeborenen zugeordnet. Diese Korrelation wurde durch den doppeldeutigen Pneuma-Begriff präludiert. Er hat das semantische Potential, vom Wirken des Windes auf die Wirkweise des Geistes zu schließen. Der Wind ist für den Menschen unverfügbar. Er weht, wo er will. Die Aktivität des Windes wird wortspielerisch durch die Wurzelverwandtschaft von ›Wind‹ (pne‰ma pneuma) und ›wehen‹ (pnffw pneo¯) unterstrichen (vgl. Joh 6,18.63). Seine Stimme ist auch für Nikodemus akustisch wahrnehmbar (⁄koÐw akouo¯). Der vermeintlich wissende Lehrer (vgl. Joh 3,2) weiß aber nicht, woher der brausende Wind kommt und wohin er geht. Die spezifische Verwendung dieser Alltagsregel ist ein Basisphänomen des johanneischen ›Überstiegs‹ (vgl. Joh 2,11; 4,35.37; 9,4 f.; 11,9 f.; 12,35 f.; 13,10.16). Alltägliche Fakten und Weisheiten werden theologisch transferiert (Scholtissek 2000b, 115). Das Verb ›hören‹ bezeichnet in der Alltagsregel das Vernehmen eines Schall-Phänomens, der ›Stimme‹ des Windes. Im Unterschied dazu vermag Nikodemus von sich aus nicht, die ›Stimme‹ des Geistes glaubend zu hören. Dazu bedarf es eben der Geistgeburt. Durch das textliche Transfersignal ›so‹ wird signalisiert: Wer aus dem Geist geboren ist, ist so von ihm »erfüllt, gestaltet und gelenkt, dass er diesem Geist in seinem Wesen entspricht« (Dietzfelbinger 2001, 82). Das Letzte, was wir in Joh 3 von Nikodemus zu hören bekommen, ist die zum Weiterdenken stimulierende Frage (3,9): »Wie kann das geschehen?«

Literarischer Kontext Durch die kontextuelle Einbettung von Joh 3,8 in die zweiteilige Komposition Joh 2,233,21/3,22-36 wird die metaphorische Übertragungsebene noch offensichtlicher. Die planvolle Vernetzung wird vor allem durch die Wiederholung von ›Wind/Geist‹ (Joh 3,5 f.8.34), ›Stimme‹ (Joh 3,8.29), ›hören‹ (Joh 3,8.29.32), ›wissen‹ (Joh 3,2.8.11), ›kommen‹ (Joh 3,2.8.19-22.26.31) und ›geboren werden‹ (Joh 3,3-8) angezeigt. Besonders die semantischen Bezüge durch ›wissen‹, ›Stimme‹ und ›Geist‹ fallen ins Gewicht. Zudem verdienen die strukturbildenden Bezüge der indefiniten Aussagen besondere Beachtung: Joh 3,3: »wer nicht von oben/von neuem geboren wird« Joh 3,5: »wer nicht aus Wasser und Geist geboren wird« Joh 3,6: »was aus dem Geist geboren ist« Joh 3,8: »jeder, der aus dem Geist geboren ist« Joh 3,15: »jeder, der glaubt« Joh 3,16: »jeder, der an ihn glaubt« Die Leserinnen und Leser werden animiert, durch aufmerksame Lektüre Querverbindungen wie diese herzustellen und theologisch zu deuten. Über das ganze Evangelienbuch wird ein feinmaschiges Netz von theologisch relevanten Bezügen gespannt. Dazu gehört auch die Verbindung zwischen Joh 3,8 und Joh 6,18. Nur an diesen beiden Stellen kommt das Verb ›wehen‹ vor. Außerdem ist das Beziehungsgeflecht der ›Woher‹- und ›Wohin‹-Aussagen für das 726

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Joh 3,8

Sinnpotential von Joh 3,8 aufschlussreich (Popp 2001, 132-134). ›Woher‹ bezeichnet das Herkommen aus der göttlichen Welt, ›wohin‹ bezieht sich darauf als Ziel. Aus der Welt Gottes kommend, weht der Geist in dieser Welt.

Sozialgeschichtliche Analyse (Bildspendender Bereich) In den antiken Naturphilosophien wurden auch Windtheorien entwickelt, um dieser geheimnisvollen Naturerscheinung auf die Spur zu kommen. Nach Theophrastos, der eine eigene Schrift über Winde verfasste, sind lokale Ausdünstungen der eigentliche Ursprung der Winde (Hünemörder 2003, 517). Außer dem Ursprung werden die Wirkungen der nach ihrer Herkunftsrichtung und Stärke bezeichneten Hauptwinde reflektiert. Eine eindrückliche Erörterung der Windkraft bietet Lukrez in seiner materialistischen Naturphilosophie (Lucr. 1,271-279). Er rechnet den Wind zu den Stoffen, deren Existenz aufgrund ihrer Wirkung offensichtlich ist, obwohl sie unsichtbar sind: »Die Stöße des Windes treffen voll Wucht die Geschöpfe, reißen gewaltige Schiffe zur Tiefe, zerstreuen die Wolken, fegen zuweilen in rasendem Wirbel über die Fluren, strecken auch Baumriesen nieder, peitschen die Berggipfel, brechen tobend das Holz an den Hängen. Das Meer auch wütet dann furchtbar, brandet und brüllt und droht mit seinem entsetzlichen Rauschen. Zweifellos gibt es folglich nicht sichtbare Teilchen, aus denen Winde bestehen, die Meere und Festland durchjagen, des Himmels Wolken auch fortreißen, jählings in Böen sie weithin entraffen« (Schnelle 2001, 148).

Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition) Die übertragene Verwendung von ›Wind‹ als Götterstimme ist in vielen antiken Texten zu verzeichnen. So heißt es etwa von der ägyptischen Göttin Hathor, dass »der Wind des Lebens« zwischen ihren Lippen hervorkomme, während die gefährlichen Wüstenstürme mit Seth verbunden wurden (Lurker 5 1991c, 835). Auch im AT hängen das Wehen des Windes und das Wirken Gottes eng zusammen (Janowski 2006, 205). Das zeigt das breite Bedeutungsspektrum des im Deutschen mit ›Geist‹ wiedergegebenen hebräischen Wortes rûah: Hauch, Wind, Atem, Geist, Leben ˙ (M. Kehl 2006, 120). Es kann sowohl einen leichten Windhauch (Jes 57,13) als auch einen stürmischen Wind (Jon 1,4) bezeichnen. Winde sind Gottes Boten (Ps 104,4; vgl. 148,8). Er schwebte »auf den Flügeln des Windes« (Ps 18,11). Vor diesem Hintergrund wird der Wind beim Pfingstwunder mit dem Gottesgeist verbunden (Apg 2,2). Zudem lässt Joh 3,8a (mit 3,5) an Gen 1,2 (vgl. Ps 29,3) denken, wonach der Geist Gottes wie ein wunderbar-schöpferischer Wind über den Wassern schwebte (Übers. Zimmerli): »die Erde aber war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und Gotteswind wehte über den Wassern.« Die Anspielung auf das geheimnisvolle Wehen des Windes, aus der man bereits in Gen 1,2 die Rede vom Gottesgeist heraushören kann (Zimmerli 3 1967, 44), wird dadurch verstärkt, dass auch die Finsternis-Licht-Metaphorik aus Gen 1,2 f. im Hintergrund von Joh 3,1-21 (vgl. 3,2.19-21) steht. Angesichts des paganen und biblischen Befundes spricht viel dafür, dass es sich bei rûah/pneuma um eine lexikalisierte Metapher handelt: Die Übertragung des Windes auf ˙ 727

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Parabeln im Johannesevangelium

Gottes Geist ist so stark konventionalisiert, dass der Begriff auch die Nebenbedeutung ›Geist (Gottes)‹ angenommen hat. Die nächsten Parallelen zu Joh 3,8a sind Pred 11,5 (vgl. 1,6; 8,8) und Spr 30,4 (Popp 2001, 134). In Pred 11,5 wird durch einen Doppelvergleich die Undurchschaubarkeit des göttlichen Handelns veranschaulicht (Schwienhorst-Schönberger 2004, 514): »Wie du den Weg des Windes ebensowenig wie die Frucht im Leibe der Schwangeren kennst, so kennst du auch das Tun Gottes nicht, der (das) alles tut.« Signifikanterweise klingt hier auch die für den Menschen letztlich geheimnisvolle Geburtsthematik an (vgl. Ps 139,13-16; Hi 10,10 f.). Das Geheimnis des Windes und der Geburt lösen Staunen aus. Darauf zielt der Vergleich mit dem Handeln Gottes (Pred 11,5b). Analog dazu löst die Jesusrede in Joh 3,3.5.6-8 bei Nikodemus staunendes Fragen aus (Joh 3,9). Wie in Pred 11,5 wird auch in Spr 30,4 das Scheitern des menschlichen Erkenntnisstrebens angesichts des Handelns Gottes postuliert (von Lips 1990, 167): »Wer ist hinaufgefahren zum Himmel und wieder herab? Wer hat den Wind in seine Hände gefasst? Wer hat die Wasser in ein Kleid gebunden? Wer hat alle Enden der Welt bestimmt?« In diesen vier rhetorischen Fragen, die unausgesprochen zur Anerkennung des unvergleichlichen Gottes anleiten, wird wie in Joh 3,1-21 sowohl auf Wasser (vgl. Joh 3,5) als auch auf den himmlischen Auf- und Abstieg (vgl. Joh 3,13) Bezug genommen.

Zusammenfassende Auslegung (Deutungshorizonte) Vor dem Verstehenshintergrund von Pred 11,5 und Spr 30,4 kann nur der johanneische Offenbarer von Gott Kunde geben (Joh 3,11-21; vgl. 1,18). Die originell johanneische Metapher »Stimme des Windes« signalisiert, dass das Geistgeschehen ein Sprachgeschehen ist. Das himmlische Exklusivwissen Jesu wird durch das Medium des Evangeliumsbuches kraft des Heiligen Geistes vermittelt, der die Jesusbotschaft sprachlich und gedanklich erschließt (vgl. Joh 14,15-17.26; 15,26; 16,7-11.13-15). So wird man zum Wissenden, »indem man dieses Buch liest und sich durch das Labyrinth seiner Kreuzund Quer-Worträtsel hindurch als ein immer wieder verstehender Insider erweist« (Schenk 1983, 70). In Korrespondenz mit den ›Woher‹- und ›Wohin‹-Aussagen geschieht die Gabe des Geistes durch den, der nach seinem Abstieg aus dem Himmel (vgl. Joh 3,13; 6,38.51.58) wieder in seine himmlische Heimat zurückkehrte (vgl. Joh 3,13; 6,62; 20,17) und erneut kam, um seinen Freundinnen und Freunden den Geist einzuhauchen (Joh 20,19-22; vgl. Gen 2,7). Wie die Wir-Form in Joh 3,11 andeutet, wirkt er auch durch ihre Verkündigung. Wie Christus (Joh 1,32-34) sind auch sie bleibende Geistträger (Joh 14,15-17), die wissen, woher der Wind weht. Vor der Geistverleihung waren sie wie Nikodemus (vgl. Joh 3,4.9) unwissend. Das veranschaulicht die Seewandelgeschichte (Joh 6,16-21), die das Bildwort Joh 3,8 durch die Aufnahme von ›wehen‹ in Szene setzt (Popp 2001, 296). Das Kommen Jesu (Joh 6,19) wird durch den subtilen Hinweis vorbereitet, dass ein starker Wind wehte, der den See aufwühlte (Joh 6,18). Da die Jünger noch nicht geistbegabt waren, wussten sie nicht, woher er kam und wohin er ging. Denn das Boot war plötzlich am rettenden Ufer (Joh 6,19-21). An dieser theologisch tiefgründigen Geschichte wird deutlich: Verstehen meint die Fähigkeit, die Ober- und Untertöne mitzuhören, zwischen den Zeilen 728

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Joh 3,8

zu lesen sowie strukturbildende und theologisch auszuwertenden Bezüge herauszufinden. Nikodemus befindet sich also mit seinem Nichtverstehen in guter Gesellschaft. Nach seiner Präsentation als Wissender einer Wir-Gruppe (Joh 3,2) wird er in Du-Form mit seinem geistlichen Unwissen konfrontiert (Joh 3,8) und durch Jesus als wirklich Wissenden kontrastiert (Joh 3,11). Er erscheint ebenfalls als Sprecher einer Wir-Gruppe. Dahinter verbirgt sich die johanneische Gemeinde. Sie weiß, woher der Wind weht, und kann es bezeugen. Das signalisiert das Stichwort ›Stimme‹. Es kommt 15mal im vierten Evangelium vor und bezieht sich mit einer Ausnahme (Joh 10,5) immer auf die göttliche Stimme (Popp 2001, 134 f.). Mit ihr sind die Freundinnen und Freunde Jesu bestens vertraut (vgl. nur Joh 10,3-5.16.27). Paradebeispiel ist Johannes der Täufer, der als Freund auf die Stimme des Bräutigams hört (Joh 3,29). Durch die kontrastierende Korrespondenz zwischen Joh 3,8 und Joh 3,29 wird Nikodemus mit ihm kontrastierend in Beziehung gesetzt (Popp 2001, 192-194). Auf diese Weise wird die Rede von der Neugeburt in Joh 3,3-8 mit dem Hören der Stimme Jesu korreliert. Analog dazu wird durch die Korrespondenz mit Joh 3,34 die Rede vom Geist in Joh 3,3-8 mit Jesus als Geistgeber in Verbindung gebracht: »Als Geistträger ist Jesus der Gesandte und als Sprecher Gottes gibt er den Geist« (vgl. Joh 6,63; 7,37-39; 20,22) (Schnelle 3 2004, 94). Seine Stimme wird im Akt der Lektüre des vierten Evangeliums vernehmbar. Durch sie wird ›rettendes Wissen‹ (Leinhäupl-Wilke 2003) kommuniziert. Die Leserinnen und Leser werden durch das literarische Mittel des Dialogs mit Nikodemus und des Spiels mit semantischen Doppeldeutigkeiten in dieses Gespräch einbezogen und zu einer vertieften Erkenntnis des Geistgeschehens angeleitet. Die unbestimmten Formulierungen (Joh 3,3.5.6.8.15.16) wirken wie Türen in die Gegenwart der Lesenden. Durch den Rückbezug von Joh 3,8 auf Joh 3,5 und die Wiederaufnahme der Wassermetaphorik in Joh 4,7-15 und Joh 7,37-39 wird insbesondere für christliche Leserinnen und Leser folgende Lesart möglich: Die Geistgeborenen werden selbst zu einer Quelle des Geistes, die für andere frisches Wasser hervorsprudelt (vgl. Joh 4,14; 7,38). Das Leben, das sie haben, fließt über (vgl. Joh 10,10).

Aspekte der Parallelüberlieferung und Wirkungsgeschichte Im Brief an die Gemeinde in Philadelphia begründet Ignatius seinen lautstarken Aufruf zum Gehorsam gegenüber ihrer Leitung als geistgewirkt (IgnPhld 7,1; Übers. Lindemann/Paulsen): »Denn, wenn mich auch einige dem Fleisch nach täuschen wollten, so lässt sich doch der Geist nicht täuschen, da er von Gott ist. Denn er weiß, woher er kommt und wohin er geht und bringt das Verborgene an den Tag.« Diese Aussage über die Herkunft und das Wirken des Geistes zeigt »engste Parallelen mit Joh 3,8« (T. Nagel 2000, 238). Auch im 5. Artikel des Augsburger Bekenntnisses dürfte auf Joh 3,8 angespielt werden: Um den Rechtfertigungsglauben »zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, das Evangelium und die Sakramente gegeben, durch die er als durch Mittel den Heiligen Geist gibt, der den Glaubenden, wo und wann er will (ubi et quando visum est Deo), in denen, die das Evangelium hören, wirkt«. 729

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Parabeln im Johannesevangelium

In seiner in Christus offenkundigen Weltliebe (Joh 3,16) schließt Gott niemand von diesem Wirken aus. Vielmehr erschließt er durch den Geist den Weg zu einem mündigen Glauben, der weiß, woher der Wind weht.

Thomas Popp

Literatur zum Weiterlesen M. Lurker, Art. Wind, in: ders. (Hg.), Wörterbuch der Symbolik, Stuttgart 5 1991, 835. T. Söding, Das Wehen des Geistes. Aspekte neutestamentlicher Pneumatologie, in: B. Nitsche (Hg.) Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg 2003, 22-71. H. Wissmann, Art. Wind, RGG4 8 (2005), 1588.

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