Visuelle Suche mit Distraktoren

1 Visuelle Suche mit Distraktoren Versuchsbericht zum Experimentalpsychologisches Praktikum an der Ludwig-Maximilians-Universität München WS 2005/06 ...
Author: Guido Egger
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Visuelle Suche mit Distraktoren Versuchsbericht zum Experimentalpsychologisches Praktikum an der Ludwig-Maximilians-Universität München WS 2005/06 von Stefan Hintsche

ZUSAMMENFASSUNG Im Rahmen eines experimentellen Praktikums der psychologischen Fakult€t der LMU M•nchen nehmen vierundf•nfzig Personen in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Vorbedingungen an einem Versuch zur Visuellen Suche mit Distraktoren teil. Dabei soll m‚glichst schnell ein Target mit wechselnden Eigenschaften (Orientierung) erfasst werden. Die Suche nach dem Target wird in einem Teil der Durchg€nge durch das Auftreten von einem Distraktor erschwert. Die eine Gruppe von Teilnehmern wird zun€chst st€ndig mit dem Distraktor konfrontiert, w€hrend die zweite den ersten Durchgangsblock ohne Distraktor absolviert (Vorbedingungen). Die Untersuchungen zeigen dabei erstens das Auftreten eines ƒbungs- bzw. Gew‚hnungseffekts, der sich durch eine meist niedrigere Reaktionszeit auf Seiten der Versuchspersonen, die zu Beginn in jedem Durchgang einen Distraktor hatten, und eine allgemeine Verbesserung der Zeiten bei hohem Distraktoranteil in den Versuchen auszeichnet. Zweitens wird eine unterschiedliche Gewichtung der Dimensionen festgestellt, die nicht vollst€ndig unterdr•ckt werden kann. Die Form wird in der Aufmerksamkeit gegen•ber der Farbe diskriminiert.

EINLEITUNG „Millionen Dinge sind meinen Sinnen gegenw€rtig, erreichen aber niemals wirklkich die Welt des bewussten Erlebens. Warum? Weil sie f•r mich nicht von Interesse sind“ (James, 1890). Wie William James richtig feststellte, sind wir in der Lage aus der Unzahl von Reizen in unserer Umwelt, ganz bestimmte Stimuli zu selektieren, die sozusagen unser Interesse auf sich ziehen, sprich die Aufmerksamkeit. Eine Registrierung dieser auserw€hlten Reize geschieht sogar erstaunlich schnell, selbst bei einem Rauschen, so dass man vom sogenannten Pop-Out-Effekt spricht (Krummenacher, Müller & Heller, 2001, 2002). Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie diese gesteuerte Suche funktioniert und in wieweit sie 1

2 wirklich bewußt steuerbar ist. Eine Theorie dazu entwickelten Cave & Wolfe (1990). Demnach gibt es eine ortsbasierte Hauptkarte der Aktivationen. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf den Ort der höchsten Hauptkartenaktivation. Die Berechnung der Punkte dazu erfolgt über zwei getrennte Mechanismen, den Bottom-Up-Mechanismus und den TopDown-Mechanismus. Der Bottom-Up-Mechanismus berechnet für jede Dimension parallel (Farbe,

Orientierung,

Form

usw.)

Merkmalsdifferenzen.

Man

spricht

auch

von

Auffälligkeiten bzw. Salienzen (Müller & Krummenacher, 2002). Das Objekt mit den höchsten Salienzwerten beispielsweise in der Farbdimension wird demnach zum Blickfang und bekommt nach dem winner-take-all-Auswahlprozess unsere Aufmerksamkeit. Der TopDown-Mechanismus kommt vor allem zum Einsatz, wenn der Bottom-Up-Mechanismus nicht eindeutig zwischen dem gesuchten Objekt (Target) und Störern in der Umgebung (Distraktoren) unterscheiden kann, zum Beispiel bei wechselnden Eigenschaften des Targets oder Konflikten zwischen den Salienzwerten unterschiedlicher Dimensionen. Er beruht hauptsächlich auf wissensbarsierter Aktivation der bekannten Targetmerkmale (Duncan & Hemphreys, 1989; Bundesen 1990). Trotzdem kann es aber zu fehlerhaften Berechnungen kommen, durch die ein oder mehrere Distraktoren zunächst eine höhere Aktivation als das Target erhalten, dann aber wieder zurückgewiesen werden. Es kommt also zu einem seriellen Suchprozess. Es erfolgt demnach nur mehr eine Beschäftigung mit einem Objekt nach dem anderen (Broadbent 1958, 1982; Neisser 1967; Treisman & Gelade 1980) und keine parallele Betrachtung wie beim Bottom-Up-Mechanismus. Hier stellt sich nun die erste Frage, die beim folgenden Versuch betrachtet werden soll: Gibt es eine unterschiedliche Gewichtung und Diskriminierung einzelner Dimensionen, die den Suchprozess beeinflusst? Die zweite Frage die untersucht werden soll, ist die, ob wir in der Lage sind die Suche bewusst zu steuern oder durch Training zu ändern.

METHODE Versuchspersonen. Im Rahmen des experimentalpsychologischen Praktikums I bei PD Dr. Joseph Krummenacher am Institut für Allgemeine und Experimentelle Psychologie der Ludwig-Maximillians-Universität München werden 54 Studenten im Alter von 20-41 Jahren als Versuchspersonen für das Experiment herangezogen. Achtzehn von ihnen sind männlichen und sechsunddreisig weiblichen Geschlechts. Die Sehfähigkeit der Personen ist entweder normal oder korrigiert mit gewohnten Sehhilfen.

2

3 Methode/Instruktionen. Die Durchf•hrung des Versuchs erfolgt am 12.1.2006 zwischen 13 und 16 Uhr im Raum 3131 des Psychologischen Instituts in der Leopoldstra†e 13. Der Raum ist als so genannte „Blackbox“ abgedunkelt, um den Einfluss externer Reize zu minimieren. Jeder Versuchsperson wird f•r das Experiment ein PC mit Pentium Prozessor und Betriebssystem DOS zur Verf•gung gestellt. Dazu geh‚rt noch ein 17-Zoll Farbmonitor, der jeweils eine Distanz von etwa 55 cm zur Testperson aufweist. Zur Registrierung der Reaktionen der Versuchspersonen wird je eine handels•bliche Computermaus mit zwei Tasten verwendet.

Versuchsablauf. Die Anleitung zur Versuchsdurchf•hrung, die der Versuchsreihe von Theeuswes (1992) €hnelt, und ƒberwachung des Tests erfolgt durch Dr. Frank Bauer. Jedem Teilnehmer des Experiments wird auf dem Monitor nach dem Programmstart durch den Versuchsleiter eine Reihe von gr•nen Rhomben und ein gr•ner Kreis vor schwarzem Hintergrund gezeigt. Die Displayitems sind dabei kreisf‚rmig angeordnet und innerhalb jeder Figur ist immer ein kurzer Strich enthalten, der eine horizontale oder eine vertikale Orientierung aufweisen kann (Abbildung 1). Der gr•ne Kreis fungiert in diesem Versuch als Target, w€hrend die gr•nen Rhomben die Nicht-Targets darstellen. F•r die Versuchsperson entscheidend ist die Orientierung der Linie innerhalb des Kreises. Bei horizontaler Linie soll der Teilnehmer die linke Maustaste dr•cken und bei vertikalem Strich die rechte Taste bet€tigen. Es liegt also ein variables Target vor. In einigen F€llen tritt neben den gr•nen Symbolen noch eine rote Rhome als Distraktor auf (Abbildung 2). Insgesamt wird jede Testperson mit 200 Durchg€ngen konfrontiert, wobei je nach Gruppe die ersten hundert Durchg€nge (Initial Condition) alle ohne oder alle mit einem Distraktor sind. In den darauffolgenden hundert Versuchen variiert der Anteil von F€llen, in denen ein Distraktor auftritt, zwischen 20, 50 und 80 Prozent und wird den Versuchspersonen per Zufall zugeordnet (Tabelle 3). Gemessen wird immer die Reaktionszeit, also die Zeit, die vergeht vom Erscheinen der Symbole auf dem Display bis zur Aktivierung der entsprechenden Maustaste. Bei Fehlern erfolgt ein Feedback. Um sich mit dem Versuchsaufbau vertraut zu machen, absolviert jeder Teilnehmer vor dem eigentlichen Experiment eine kurze ƒbungsrunde. Der gesamte Versuch dauert f•r jede Person etwa 30 Minuten.

3

4 Abbildung 1 Schematisierte Darstellung des Versuchsdisplays ohne Distraktor

Abbildung 2 Schematisierte Darstellung des Versuchsdisplays mit Distraktor

Tabelle 1 Unterschiedliche Versuchsbedingungen der Teilnehmer Durchgänge Durchgänge 1-100 101-200 0% Distraktoranteil 100% Distraktoranteil

20% Distraktoranteil 50% Distraktoranteil 80% Distraktoranteil 20% Distraktoranteil 50% Distraktoranteil 80% Distraktoranteil

Zahl der Versuchspersonen 9 9 9 9 9 9

ERGEBNISSE Die Reaktionszeiten der einzelnen Versuchspersonen werden nach Durchgängen mit und ohne Distraktor getrennt und gemittelt. Betrachtet werden allerdings nur die Werte der Durchgänge 101-200. Die gewonnenen Mittelwerte werden in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Versuchsbedingungen, also einerseits der Häufigkeit von Distraktoren innerhalb der ersten 100 Durchgänge (Initial Condition: 0 bzw. 100 Prozent) und andererseits der Häufigkeit von Distraktoren in der zweiten Durchgangshälfte (Proportion Distractor: 20,

4

5 50 und 80 Prozent), mit Excel ausgewertet und in Diagramm 1 dargestellt. Die Daten (Anhang 2) bilden die Grundlage für die weitere Bearbeitung mit SPSS (13.0 für Windows, Pearson Prentice Hall). Dazu werden sie übertragen und mit Hilfe eines Syntax-Skripts für ANOVA (Anhang 1) aufbereitet. In der Tabelle von Anhang 1 zur deskriptiven Statistik werden zunächst noch einmal die verschiedenen Mittelwerte verglichen. Wie bereits in der Graphik gezeigt, lassen die Ergebnisse erkennen, dass sowohl bei den Personen mit Initial Condition 0 Prozent, als auch bei den Leuten mit Initial Condition 100 Prozent, die Reaktionszeit sinkt, je häufiger der Distraktor im zweiten Durchgangsblock erscheint (Diagramm 2, Tabelle 2). Dies gilt bei Initial Condition 0 allerdings nur für die Versuche, wo der Distraktor auch anwesend ist. Bei Abwesenheit des roten Rhombus kommt es bei einer Häufigkeit von 50 Prozent erst zu einem Anstieg in der Reaktionszeit gegenüber der Häufigkeit von 20 Prozent. Erst bei 80 Prozent fällt der Mittelwert für die Zeit wieder ab. Desweiteren fällt auf, dass bei Initial Condition (IC) 100 Prozent die Teilnehmer mit der Häufigkeit von 20 Prozent etwas langsamer in ihren Reaktionen bei Anwesenheit des Distraktors sind, als die Testpersonen mit IC 0 Prozent, bei Abwesenheit jedoch bereits besser. Bei steigender Häufigkeit zeigt die Versuchsgruppe IC 100 Prozent in beiden Fällen, also An- und Abwesenheit des Distraktors, eine deutlich stärkere Absenkung der Reaktionszeit und erreicht stets die niedrigeren Mittelwerte gegenüber den Teilnehmern mit IC 0 Prozent. Ein F-Wert von 7,889 und einem p von 0,001 bestätigen auch einen signifikanten Zusammenhang (linear) zwischen den Fällen mit Abwesenheit des Distraktors und

der

allgemeinen

Distraktorhäufigkeit,

also

zwischen

Zwischensubjekt-

und

Innensubjektfaktoren (Tabelle 3). Sonst liegt diesbezüglich allerdings keine Signifikanz vor, wobei sie mit einem p-Wert von 0,067 zwischen Initial Conditions Block und Abwesenheit des Distraktors nur knapp verfehlt wird. Wenn man die Mittelwerte insgesamt in Abhängigkeit von der Initial Condition (Haupteffekt) betrachtet und unabhängig von der Aufgliederung in Distraktorhäufigkeiten von 20, 50 und 80 Prozent, zeigt sich eine deutlich niedrigere Reaktionszeit (Diagramm 3, Tabelle 4) bei den Personen mit IC 100. Kurz sei noch angemerkt, dass wie zu erwarten ist, die Reaktionszeit allgemein bei Abwesenheit des Distraktors niedriger als bei Anwesenheit liegt (Diagramm 4, Tabelle 5), wobei sich dieser Effekt, wie bereits bei der Einzelbetrachtung ersichtlich ist, bei IC 0 Prozent deutlich stärker auswirkt (Diagramm 5).

5

6 Diagramm 1 Reaktionszeiten (Mittelwert) abhängig vom Anteil der Versuche mit Distraktoren 850

Reaktionszeit (Mittelwert)

-

800

750 no dist dist 700

650

600 20 0

50

80

20 1

50

80

Prozentualer Anteil der Durchgänge mit Distriktoren

Tabelle 2 Reaktionszeit abhängig von Distraktorhäufigkeit 95% Konfidenzintervall DistrProp 20 50 80

Mittelwert 750,872 717,706 662,509

Standardfe hler 20,951 20,951 20,951

Untergrenze 708,747 675,582 620,384

Obergrenze 792,996 759,831 704,634

Diagramm 2 Mittelwerte der Reaktionszeiten in Abhängigkeit von der Distraktorhäufigkeit

Geschätztes Randmittel von MEASURE_1

760,00

Geschätztes Randmittel

740,00

720,00

700,00

680,00

660,00 20

50

80

DistrProp

6

7 Tabelle 3 Zusammenhänge zwischen Innersubjekt- und Zwischensubjektfaktoren nach diversen Tests Quadratsumme vom Typ III

Quelle rt_n_d

rt_n_d * InitBlock

rt_n_d * InitBlock * DistrProp

F

Signifikanz

58336,305

1

58336,305

58,170

,000

Greenhouse-Geisser

58336,305

1,000

58336,305

58,170

,000

Huynh-Feldt

58336,305

1,000

58336,305

58,170

,000

Untergrenze

58336,305

1,000

58336,305

58,170

,000

Sphärizität angenommen

3521,393

1

3521,393

3,511

,067

Greenhouse-Geisser

3521,393

1,000

3521,393

3,511

,067

Huynh-Feldt

3521,393

1,000

3521,393

3,511

,067

3521,393

1,000

3521,393

3,511

,067

Sphärizität angenommen

15822,030

2

7911,015

7,889

,001

Greenhouse-Geisser

15822,030

2,000

7911,015

7,889

,001

Huynh-Feldt

15822,030

2,000

7911,015

7,889

,001

Untergrenze

15822,030

2,000

7911,015

7,889

,001

Sphärizität angenommen

1059,220

2

529,610

,528

,593

Greenhouse-Geisser

1059,220

2,000

529,610

,528

,593

Huynh-Feldt

1059,220

2,000

529,610

,528

,593

1059,220

2,000

529,610

,528

,593

Untergrenze Fehler(rt_n_d)

Mittel der Quadrate

Sphärizität angenommen

Untergrenze rt_n_d * DistrProp

Df

Sphärizität angenommen

48136,935

48

1002,853

Greenhouse-Geisser

48136,935

48,000

1002,853

Huynh-Feldt

48136,935

48,000

1002,853

Untergrenze

48136,935

48,000

1002,853

Tabelle 4 Reaktionszeiten abhängig von der Initial Condition 95% Konfidenzintervall InitBlock 0 100

Mittelwert

Standardfe hler

717,607

17,106

Untergrenze 683,213

703,117

17,106

668,723

Obergrenze 752,002 737,512

Diagramm 3 Ungliederte Reaktionszeiten (Mittelwert) in Abhängigkeit von der Initial Condition

Geschätztes Randmittel von MEASURE_1

Geschätztes Randmittel

715,00

710,00

705,00

0

100

InitBlock

7

8

Tabelle 5 Reaktionsmittelwerte abhänig von der Distraktoranwesenheit 95% Konfidenzintervall rt_n_d 1 2

Standardfe hler

Mittelwert 687,121

12,513

Untergrenze 661,962

Obergrenze 712,281

733,604

12,435

708,602

758,605

Diagramm 4 Reaktionszeiten (Mittelwerte) bei Anwesenheit und Abwesenheit des Distraktors

Geschätztes Randmittel von MEASURE_1

740

Geschätztes Randmittel

730

720

710

700

690

680 1

2

rt_n_d

Diagramm 5 Differenzen zwischen IC 0 und IC 100

Geschätztes Randmittel von MEASURE_1

rt_n_d

750

1 2

Geschätztes Randmittel

740

730

720

710

700

690

680 0

100

InitBlock

8

9

Diskussion Die Ergebnisse zeigen ziemlich gut, wie sich die unterschiedlichen Anfangsbedingungen auf den weiteren Verlauf des Experiments ausgwirkt haben. Die Gruppe, die im ersten Durchgangsblock keine Distraktoren auf dem Display hatte, zeigt bei einem geringen Anteil von Distraktoren im zweiten Block deutlich niedrigere Reaktionszeiten bei Abwesenheit des roten Rhombus als die andere Gruppe, die wohl durch die st€ndige Pr€senz eines Distraktors im Vorlauf nicht auf eine Displayanzeige ohne St‚rer vorbereitet war und so sich auf ein neues Umfeld einstellen musste. Bei Anwesenheit des roten Vierecks ist der Unterschied zwischen den beiden Gruppen nicht so stark ausgepr€gt. Es gibt allerdings noch einen leichten Vorteil f•r die Versuchspersonen mit IC 0 Prozent. Dies €ndert sich aber sehr deutlich bei den Versuchen mit einem h‚heren Anteil von Distraktoren in den Durchg€ngen. Hier l€†t sich klar ein ƒbungseffekt bei den Teilnehmern mit IC 100 erkennen. Sie sind bei der Anwesenheit eines Distraktors •berlegen, kommen aber auch zunehmend mit den Situationen zurecht, in denen er abwesend ist. Dies hat auch der Signifikanztest bewiesen. Auch die Gruppe IC 0 zeigt ein Lernverhalten bez•glich der Anwesenheit des Distraktors, dass umso gr‚†er ist, je h€ufiger das rote Symbol erscheint. Ein Anstieg in der Reaktionszeit in Abwesenheit bei einem Anteil von 50 Prozent ist wohl darauf zur•ckzuf•hren, dass die Personen einen Moment lang den Bildschirm auf Anwesenheit des St‚rers •berpr•fen. Bei einem Anteil von 80 Prozent schw€cht sich dieser Effekt aber wieder deutlich ab, was auf einen Gew‚hnungsprozess hinweist. Unter Betrachtung der anfangs gestellten Fragen l€sst sich also anhand der sich reduzierenden Reaktionszeiten feststellen, dass es einen ƒbungseffekt gibt. Weiter deutet sich auch in einem gewissen Rahmen eine bewusste Kontrolle bez•glich der Dimensionsgewichtung an, da sich der Abstand in den Zeiten zwischen Anwesenheit und Abwesenheit des Distraktors leicht verringert. Andererseits bleibt jedoch stets ein Abstand zugunsten der Durchg€nge ohne rote Rhombe bestehen. Dies zeigt, dass den Versuchspersonen keine absolut bewusste Steuerung der Suchmechanismen gelingt. Da die gr•nen Rhomben jedoch keine Rolle spielen, l€sst sich daraus schlie†en, dass die Formdimension beim menschlichen Aufmerksamkeitsverhalten gegen•ber der Dimension der Farben diskriminiert wird, wie es Theeuwes (1992) auch bereits angedeutet hat. Zus€tzlich ist es ein Hinweis auf einen seriellen Suchmechanismus, wie er in der Einleitung bereits erw€hnt wird. Es w€re interessant und somit in weiteren Untersuchungen zu •berpr•fen, ob dies sich generell auf alle Farben oder nur einige „Alarmfarben“ bezieht und ob der Grund daf•r im genetischen Erbmaterial oder dem kulturellen Umfeld liegt. Vermutlich handelt es sich 9

10 jedoch um einen genetischen Hintergrund, da gerade Farben wie rot und gelb in der Natur eine bedeutende Signalwirkung haben. So dienen sie einerseits als Warnfarben von giftigen und ungenießbaren Tieren und andererseits als Lockfarben für reife Früchte, was besonders für Fruchtfresser wie Affen und somit auch die menschliche Entwicklungsgeschichte von Bedeutung ist.

Auf jeden Fall sind die im Experiment gewonnenen Erkenntnisse auch für den Alltag nützlich, da sie gezeigt haben, dass durch Training und eine gewisse bewusste Kontrolle der Konflikt zwischen Targets und Distraktoren besser gemanaget werden kann, was in Bereichen, wo ablenkende Distraktoren gefährliche Auswirkungen haben können wie beispielsweise im Straßenverkehr von enormer Wichtigkeit sein kann. Andererseits kann man natürlich gerade diese dominante Wirkung von Farben gezielt als Schutzmechanismen einsetzen, zum Beispiel bei Kleidung, Sicherheitsabsperrungen, Warnlampen und so weiter.

LITERATUR 

BROADBENT, D. E. (1958). Perception and communication. London: Pergamon.

 BROADBENT, D. E. (1982). Task combination and the selective intake of information. Acta Psychologica, 50, 253-290.

 BUNDESEN, C. (1990). A theory of visual attention. Psychological Review, 97, 523-547.

 CAVE, K.R. & WOLFE, J.M. (1990). Modeling the role of parallel processing in visual search. Cognitive Psychology, 22, 225-271.

 DUNCAN, J. & HUMPHREYS, G.W. (1989). Visual search and stimulus similarity. Psychological Review, 96, 433-458.

 JAMES, W. (1890). The principles of psychology. Cambridge: Harvard University Press.

 KRUMMENACHER, J., MÜLLER, H.J. & HELLER, D. (2001). Visual Search for dimensionally redundant pop-out targets: Evidence for parallel-coactive processing of dimensions. Perception & Psychophysics, 63, 901-917.

 KRUMMENACHER, J., MÜLLER, H.J. & HELLER, D. (2002a). Visual Search for dimensionally redundant pop-out targets: Redundancy gains in compound tasks. Visual Cognition, 9, 801-837.

10

11

 KRUMMENACHER, J., MÜLLER, H.J. & HELLER, D. (2002b). Visual Search for dimensionally redundant pop-out targets: Parallel-coactive processing of dimensions is location-specific. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance.

 MÜLLER, H.J. & KRUMMENACHER, J. (2002). Aufmerksamkeit. Allgemeine Psychologie von J. Müsseler & W. Prinz, 119-117. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

 NEISSER, U. (1967). Cognitive psychology. New York: Appleton-Century-Crofts.  THEEUWES, J. (1992). Perceptual selectivity for color and form. Perception & Psychophysics, 51, 599-606.

 TREISMAN, A.M. & GELADE, G. (1980). A feature integration theory of attention. Cognitive Psychology, 12, 97-136.

11

12

Anhang 1 Syntax für SPSS GLM RTnoDist RTDist BY InitBlock DistrProp /WSFACTOR = rt_n_d 2 Polynomial /METHOD = SSTYPE(3) /PRINT = DESCRIPTIVE /CRITERIA = ALPHA(.05) /WSDESIGN = rt_n_d /DESIGN = InitBlock DistrProp InitBlock*DistrProp . execute.

Tabelle Vergleich der unterschiedlichen Reaktionszeitmittelwert

RTnoDist

InitBlock 0

DistrProp 20 50 80

100

Gesamt

RTDist

0

100

Gesamt

Gesamt 20 50 80 Gesamt 20 50 80 Gesamt 20 50 80 Gesamt 20 50 80 Gesamt 20 50 80 Gesamt

Mittelwert 679,7136

Standardabw eichung 76,27043

712,5292

85,45210

9

673,7259 688,6562 741,4393 690,9097 624,4098 685,5863 710,5765 701,7194 649,0678 687,1212 779,3657 755,9821 704,3284

84,34183 80,79354 86,32405 113,65875 100,64735 108,48867 85,16333 98,17940 93,58602 94,75483 19,78000 103,96007 90,96774

9 27 9 9 9 27 18 18 18 54 9 9 9

746,5587 802,9680 711,4045

83,74162 66,16097 131,67717

27 9 9

647,5725 720,6483 791,1669

94,37049 116,81577 48,90265

9 27 18

733,6933 675,9504 733,6035

117,35187 94,54004 101,51553

18 18 54

N 9

12

13

Anhang 2 Tabelle der Reaktionszeiten abhängig vom prozentualen Distraktoranteil Initial Condition (0=0% Distractors; 100=100% Distractors)

ProportionDistractors (20=20%, 50=50%, 80=80%)

Mittelwert Reaktionszeit Ohne Distraktoren (Nur 2. Durchgangshälfte)

Mittelwert Reaktionszeit Mit Distraktoren (Nur 2. Durchgangshälfte)

0 0 0 0 0 0 0 0

20 20 20 20 20 20 20 20

633,1202532 721,8994184 782,0054383 686,1394231 663,5876923 706,1453526 771,7390823 601,9290348

802,3088653 803,9130985 795,8754125 767,1972405 787,2762488 767,7632681 780,673619 745,7272282

0

20

550,8566212

763,5565108

0 0 0 0 0 0 0 0

50 50 50 50 50 50 50 50

744,1049954 617,2297872 813,2265306 561,5874191 809,8410769 720,8366667 682,5972222 685,5885714

918,0208333 682,839221 874,57 599,4716553 828,0033274 708,15 681,1201814 715,7244898

0

50

777,7501086

795,9393617

0 0 0 0 0 0 0 0 0

80 80 80 80 80 80 80 80 80

591,075 712,8947368 661,2368421 607,8720588 661,825 796,6578947 570,9263158 807,2587719 653,7861111

620,4664103 749,8395813 762,8739216 624,1253846 640,7497437 829,3292762 609,5151316 835,3432268 666,712782

100 100 100 100 100 100 100 100

20 20 20 20 20 20 20 20

693,0172475 674,2623397 732,5384615 665,1329114 704,2155678 691,0387966 782,5914845 938,0947723

717,275 780,9 786,6875 809,9092105 737,8204334 767,95 840,225 936,6447368

100

20

792,0625

849,3

100 100 100 100 100 100 100 100

50 50 50 50 50 50 50 50

661,5204082 943,638587 674,72 620,8834515 570,1158333 752,2460071 753,95 595,8730867

702,4489796 998,0064273 667,2718367 579,154614 574,6920833 774,4734043 798,6530612 644,6239687

100

50

645,2395833

663,3159184

100 100 100 100 100 100 100 100

80 80 80 80 80 80 80 80

684,9039474 530,1470588 862,5833333 622,9065789 590,6564327 541,4210526 613,619195 566,9502924

699,8632201 568,4496241 870,125 632,8805688 628,717447 578,6646753 660,4 566,154632

100

80

606,5

622,8970081

13