VERMESSUNG & GEoiNfoRMATioN

Österreichische Zeitschrift für 89. Jahrgang 2001 VERMESSUNG & GEoiNfoRMATioN Heft 2/2001 Organ der Österreichischen Gesellschaft für Vermessung u...
Author: Insa Arnold
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Österreichische Zeitschrift für

89. Jahrgang 2001

VERMESSUNG & GEoiNfoRMATioN

Heft 2/2001

Organ der Österreichischen Gesellschaft für Vermessung und Geoinformation und der Österreichischen Geodätischen Kommission

Klassifizierung der Schneebedeckung aus Satellitenaufnahmen Radarfernerkundung zur Erfassung des globalen C02-Kreislaufs Direkte Georeferenzierung von Luftbildern DGM im Stadtgebiet aus Laser-Scanner-Daten Vermessung von Massenrohstoff-Abbauen mittels FE Digitales "Atlas-Informationssystem" von Österreich Rauminformationssystem Österreich

I nstitut für Geodäsie Baufakultät Leopold-Franzens Universität Innsbruck

Österreichische Gesellschaft für Vermessung und Geoinformation

o. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Günter Chesi

Dipl.-Ing. Wolfgang N iedermayr

Semesterprogramm - Winter 2001/2002 Donnerstag, 4. Oktober 2001, 18 Uhr 15

"30-Laserscanning mit Cyrax 2500 " Dipl.-Ing. Thomas SCHOCK Leica-Geosystems Mün . chen

Donnerstag, 25. Oktober 2001, 18 Uhr 15

"Neue Wege des Vermessungsingenieurs" mit ausgewählten Beispielen einer zusätzlichen Auslandstätigkeit Dipl.-Ing. Günter FLEISCHMANN lngenieurkonsulent für Vermessungswesen, Salzburg

Donnerstag, 29. November 2001, 18 Uhr 15

"Vermessung und Baukunst als Partner" Aufnahme und Visualisierung eines Gaudi-Bauwerkes in Barcelona Univ. Prof. Rainer GRAEFE, Institut f. Baugeschichte u. Denkmal pflege a.o. Univ. Prof. Albert GRIMM, Institut für Geodäsie a.o. Univ. Prof. Klaus HANKE, Institut für Geodäsie Universität Innsbruck

Donnerstag, 24. Jänner 2002, 18 Uhr 15

"Der Vermessungsingenieur - ein Beruf mit Zukunft?" Die Auswirkungen geänderter Rahmenbedingungen erfordern ein Umdenken in Ausbildung und Berufspraxis im öffentlichen und privaten Sektor Dipl.-Ing. Gerda SCHENNACH Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Stab L/BEV, Wien

Alle Veranstaltungen finden im Hörsaal

8722,

Technikerstraße

13, 6020

I nnsbruck statt.

Österreichische Zeitschrift für

89. Jahrgang 2001

VERMESSUNG & GEoiNfoRMATioN

Heft 2/2001

ISSN 0029-9650 Schriftleiter:

Dipl.-Ing. Reinhard G issing

Stellvertreter: Dipl.-Ing. Wolfgang Gold Dipl.-Ing. Karl Haussteiner

Organ der Österreichischen Gesellschaft für Vermessung und Geoinformation und der Österreichischen Geodätischen Kommission

A-1 025 Wien, Schiffamtsgasse 1 -3 J. Jansa:

1 N HALT

Die Klassifizierung der Schneebedeckung aus Satellitenaufnahmen im kleinräumigen alpinen Bereich in Theorie und Praxis

Seite

50

W. Wagner:

Beiträge der Radarfernerkundung zur Erfassung des globalen C02-Kreislaufs C. Ress/:

Direkte Georeferenzierung von Luftbildern in konformen Kartenabbildungen C. Briese, P. Beiada, N. Pfeifer:

Digitale Geländemodelle im Stadtgebiet aus Laser-Scanner-Daten

64 72 83

F. Kelnhofer:

Digitales „Atlas-Informationssystem" von Österreich

91

M. Seger:

Rauminformationssystem Österreich - ein digitaler thematischer Datensatz des Staatsgebietes

101

S. Pf/eiderer, G. Letouze-Zezula:

Vermessung von Massenrohstoff-Abbauen mittels hochauflösender Fernerkundungsdaten

J. Fabiankowitsch, A. Jaindl:

Vergleich der Auswertemethoden von Naturbestandsaufnahmen Dissertationen und Diplomarbeiten Mitteilungen und Tagungsberichte Veranstaltungskalender Recht und Gesetz Buchbesprechungen Impressum

110 116 124 129 133 133 134 136

Satellitenaufnahme aus dem Hauptartikel J. Jansa: © Copyright: SPOT Image, CNES. Auf­ nahme: SPOT 2, XS-Mode, 1 8.2.1 998, 9:54 UT, Bodenauflösung 20m x 20m, Schrägblick nach Westen unter 1 4 Altgrad. Bearbeitung am l.P.F.: kontrastverbesserte Farbinfrarotdarstellung, Geometrische Kor­ rektur auf GK M28 mit Hilfe eines Geländemodells Titelbild:

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Die Klassifizierung der Schneebedeckung aus Satellitenaufnahmen im kleinräumigen alpinen Bereich in Theorie und Praxis Josef Jansa, Wien

Zusammenfassung

Das Wissen um die aktuelle Schneelage ist weltweit von großem Interesse (Stichwort: Klimaüberwachung, Was­ serversorgung, etc.). In diesem Zusammenhang ist auch die Klassifizierung von Schnee aus Satellitenaufnahmen seit Jahren von wissenschaftlichem Interesse. Für die Wiener Wasserwerke wurde ein Pilotprojekt gestartet, mit dem die Schneeschmelze in den Quellgebieten modelliert werden soll. Die Schneeklassifizierung dient der Kali­ brierung dieses Modells. Hier wird ein Ü berblick über die Problematik gegeben und vorgestellt, wie im konkreten Fall vorgegangen wurde. Zunächst gibt es eine Einführung über die Eigenschaften des Schnee und seiner Er­ scheinungsform in Bildern der optischen Sensoren und der Mikrowellensysteme. Dann wird genauer auf den ver­ wendeten Klassifizierungsvorgang, der im wesentlichen aus einer unüberwachten Klassifizierung mit Beleuch­ tungsberücksichtigung bzw. einer Ratio-Bildung aus zeitlichen Bildfolgen besteht. Die Beschreibung der Vorge­ hensweise wird mit Beispielen unterlegt. Abstract

Knowledge about current snowcover is of great interest world-wide (cue: monitoring climate change, water supply, etc). In this context classification of snow from satellites has been of scientific interest for years. The Vienna Water Supply Authority has initiated a pilot project which focuses on modelling snowmelt in the areas of fresh water springs. The classification of snow is used for calibration purposes of the model. In this article an overview of the problem is presented describing the procedure within the project. A first part is dedicated to snow properties and appearance of snow in images from optical and microwave sensors followed by a more detailed description of the classification approach, that is based on an unsupervised classification taking into account illumination and on a ratio calculation of temporal image sequences, respectively. The text is complemented by examples. 1. Einleitung

1. 1.

Die Klassifizierung der Schneedecke scheint, so der erste Eindruck, eine einfache Aufgabe zu sein, da sich für den menschlichen Interpre­ ten Schnee gewöhnlich deutlich von anderen Bodenbedeckungsklassen unterscheidet. Of­ fenkundig wird das Problem allerdings, wenn man an Bewölkung denkt, die in den Bildern aus spektraler Sicht oft dasselbe Erschei­ nungsbild wie Schnee zeigt und, wenn über­ haupt, oft nur durch die Form und Struktur richtig erkannt werden kann. Das Problem der Schneeklassifizierung ist dennoch wesentlich diffiziler. Zuerst ist zu klären, was man unter Klassifizierung verstehen soll: Geht es darum , „Schnee" von „Nicht-Schnee" z u unterschei­ den oder geht es darum, bestimmte Schnee­ Eigenschaften herauszufinden, wie etwa Kör­ nigkeit, Feuchtigkeit, Verschmutzung, Aufbau der Schneedecke und ähnliches mehr? Beide Fragestellungen sind nicht unabhängig vonein­ ander zu betrachten, weil schon für das Erken­ nen von Schnee aufgrund seiner verschiede­ nen Eigenschaften erforderlich ist, daß man sich detaillierter mit den möglichen Erschei­ nungsformen befaßt.

Die Wiener Wasserwerke, als Verantwortliche für die nachhaltige Bewirtschaftung der Trink­ wasserquellen, widmen sich schon lange neben den Fragen der Qualitätssicherung auch jener der Versorgungssicherung. Die Vorhersage des Wasseraufkommens und die Abschätzung des in den Quellgebieten schlummernden Wasserpo­ tentials ist ein wesentlicher Punkt. Die Wasser­ werke haben daher im Jahre 1 998 ein Pilotpro­ jekt angeregt, in welchem untersucht werden sollte, ob es nicht möglich wäre, über geeignete Schneeschmelzmodellierung laufend über den aktuellen Stand der in der Schneedecke gebun­ denen Wasserreserven informiert zu sein. Als Untersuchungsgebiet wurde die Schneealpe in den Kalkalpen westlich der Rax vorgeschlagen. Diese Aufgabenstellung wurde auch vom Bun­ desministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (vormals Bundesministerium für Wissen­ schaft und Verkehr) als förderungswürdig er­ kannt und über einen Forschungsauftrag unter­ stützt. Daneben erklärte sich auch die ESA (Eu­ ropean Space Agency) bereit, im Rahmen eines Announcement of Opportunity Daten des Satelli­ ten ERS kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Das gesamte Projekt war anberaumt für drei Jahre,

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Motivation

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beginnend mit dem Anfang der Schneeschmelz­ periode des Jahres 1 998 und endend mit Ende der Schmelzperiode des Jahres 2000. Die Aus­ führung der Forschungsarbeiten übernahmen das Institut für Photogrammetrie und Fernerkun­ dung (1.P.F.) und das Institut für Hydraulik, Ge­ wässerkunde und Wasserwirtschaft (IHGW), beide Technische Universität Wien. Außendien­ ste und Aufgaben, die mit der Messung meteo­ rologischer Daten zusammenhängen, übernah­ men die Wiener Wasserwerke. Das IHGW hatte in der Vergangenheit Erfahrung in der Schnee­ modellierung gesammelt und war daher für die­ sen Aufgabenzweig verantwortlich . Das l . P.F. war für alle Aufgaben in Verbindung mit der Ge­ ländeerfassung und -modellierung und für die Bildinterpretation verantwortlich. Eine dieser De­ tailaufgaben sollte die Schneeklassifizierung aus Satell.itenbildern sein, konkret aus SPOT XS und ERS SAR Aufnahmen. Die Ergebnisse dieser Klassifizierung waren als eine Art „Ground Truth" für Zwecke der Kalibrierung des Schneemodells gedacht. [1 ] 1.2. Aufgabenstellung

Die detaillierten Anforderungen an die Klassifi­ zierungen sind durch die Erfordernisse der Schmelzmodell-Kalibrierung definiert. Die zen­ trale Aufgabe war daher, die Schneelage zu er­ kennen und zwar, wenn irgendwie möglich, ge­ nauer charakterisiert durch Einteilung in mehrere Kategorien, die folgendermaßen beschrieben werden können: (1) volle Schneedecke, (2) leicht lückige Schneedecke, (3) stark lückige Schnee­ decke, (4) Schneefrei. Dadurch soll eine gewisse Aussage über die Schneemenge ausdrückt wer­ den. Eine Ergänzungsaufgabe war das Feststel­ len der Schnee-Eigenschaft „Feuchte". Natürlich wäre auch die Dicke der Schneedecke und deren Aufbau von Interesse, was aber im Rahmen die­ ser Aufgabenstellung nicht weiter verfolgt wurde. Gesucht ist eine möglichst genaue lagemäßige Kartierung der Schneedecke und nicht, wie bei manch anderen Aufgabestellungen, eine stati­ sche Aussage über die Schneemenge. 2. Wahl geeigneter Sensoren

Bevor nähere Überlegungen über die weitere Vorgangsweise angestellt werden, sollen noch einige zusätzliche Projektparameter definiert werden. Es sind folgende Fragen zu klären, Welche räumliche Auflösung sollen die Satelli­ tenaufnahmen haben? (D.h. wie klein müssen die Pixel am Boden sein?) VGi 2/2001

Welche spektrale Auflösung ist erforderlich? (D.h. welche und wieviele Spektralbereiche braucht man für die Aufgabe der Schneeklassifi­ zierung?) Welche zeitliche Auflösung wird benötigt? (D.h. wieviele Satellitenaufnahmen sind in wel­ chem zeitlichem Intervall erforderlich?). Die Antworten darauf, hängen von verschiede­ nen Faktoren ab, die entweder durch äußere Rahmenbedingungen festgelegt sind, oder sich aus einer Kosten-Nutzen-Überlegung ergeben, oder durch die Aufgabenstellung vorgegeben werden. Räumliche Auflösung: Da das Geländemodell in einem 20m-Raster erfaßt wurde und das Schneemodell ebenfalls in einem 20m-Raster aufgebaut wird, erscheint eine Pixelgröße von etwa 20m sinnvoll. Spektrale Auflösung: Da die Schneeklassifizie­ rung die zentrale Aufgabe ist, muß man überle­ gen, welche Spektralbereiche für diese Aufgabe auf jeden Fall erforderlich sind. Untersuchungen der spektralen Eigenschaften des Schnees zei­ gen, daß die im klassischen Farbinfrarotfilm ver­ wendeten Kanäle, nämlich grün, rot und nahes infrarot das absolute Minimum darstellen, daß ein mittlerer Infrarotkanal aber entscheidende Vorteile brächte, besonders in Hinblick auf Schnee-Wolken-Diskriminierung. Denkt man an die Feststellung der Schneefeuchte, so sind Auf­ nahmesysteme, die im Mikrowellenbereich arbei­ ten, zu berücksichtigen. Zeitliche Auflösung: Da die Konzentration auf dem Schneeschmelzvorgang liegt, ist es nahelie­ gend, sich auf die Schmelzperiode zu konzen­ trieren. Gerade in diesem Zeitraum variiert die Schneedecke am häufigsten und am sichtbar­ sten. Die Ausaperung läßt Schneemuster erken­ nen, die sich optimal für den Vergleich der Er­ gebnisse der Schneeschmelzmodellierung mit jenen der Schneeklassifizierung eignen. Letztlich wurde entschieden, vier Termine im Zeitraum zwischen Feber und Juni als Minimalanforderung festzulegen.

Bei dieser bekannten Aufgabenstellung sind im wesentlichen zwei Fragen zu klären: Welche Sensoren kommen in Frage? Welche Auswerteverfahren sind geeignet? Die Antworten auf diese Fragen werden im all­ gemeinen einen Kompromiß darstellen, da es er­ stens kaum Sensoren gibt, die alle Erfordernisse voll erfüllen und, zweitens, die Praxistauglichkeit gewisse Einschränkungen verlangt. 51

Unter Berücksichtigung oben angeführter Be­ dingungen kommen zwei Gruppen von Sensoren in Frage: Optische Sensoren wie LANDSAT TM, I RS1 C bzw. 1 D USS, SPOT XS bzw. XI Mikrowellensysteme wie ERS 1 /2 AMI SÄR oder RADARSAT Der Einsatz von Landsat TM Aufnahmen für die gestellte Aufgabe ist wohl dokumentiert (z.B. [2], [3]). Die Entscheidung fiel auf SPOT XS (mit einer Präferenz für XI) und ERS AMI SAR. Der Hauptgrund, SPOT zu favorisieren, war die rela­ tiv unkompliziert durchführbare Programmierbar­ keit der Datenerfassung (mit der die Vorteile der Verschwenkbarkeit der Aufnahmerichtung aus der Flugbahn voll ausgeschöpft werden können) und die Verfügbarkeit von drei sich im Umlauf befindlichen , gleichwertigen Systemen. Dies ist besonders wichtig, da das Untersuchungsgebiet häufig bewölkt ist, und bei regulär durchgeführ­ ten Aufnahmen es sehr unwahrscheinlich ist, zu der geforderten Anzahl von Bildern zu gelangen. Selbstverständlich wäre der SPOT XI (mit dem mittleren Infrarotkanal) die bessere Lösung. Da aber XI nur auf dem Satelliten SPOT4 verfügbar ist, wurde auf die alleinige XI-Nutzung verzichtet. Die Entscheidung für ERS wurde aufgrund der Akzeptanz des Announcement of Opportunity Proposals getroffen, wonach die ESA die Mikro­ wellendaten kostenlos zur Verfügung stellte. Generell kann man die Vor- und Nachteile von optischen und Mikrowellen-Sensoren, unabhän­ gig von deren speziellen Einsatzbereichen, ge­ genüberstellen: Optische Sensoren: Durch die Verfügbarkeit von Multispektralsystemen ist ein sehr breites Anwendungsspektrum gegeben. Außerdem steht eine große Palette standardisierter Auswer­ teverfahren zur Verfügung. Ein Nachteil ist, daß Wolken ein Sichthindernis bilden und optische Sensoren daher in Gebieten mit häufiger Wol­ kendecke nur sehr eingeschränkt angewendet werden können.

Der zuletzt angeführte Nachteil der optischen Sensoren wird von den Mikrowellensystem überwunden. Sie durchdrin­ gen nahezu ungehindert die Wolkendecke. Die­ sem Vorteil stehen aber einige Nachteile gegen­ über. Zunächst sind die Speckles zu erwähnen, lnterferenzerscheinungen, die bei Systemen mit synthetischer Apertur (SAR) auftreten und zu ei­ nem stark verrauschtem Bild führen. Ein weiterer Nachteil ist, daß die Wechselwirkung zwischen Mikrowellen und Materie relativ kompliziert ist, weshalb die Auswerteverfahren noch n icht sehr Mikrowellen-Sensoren:

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ausgereift sind und wenige Standardverfahren zur Verfügung stehen. 3. Schnee und Schneeklassifizierung i m opti­ schen Bereich

Wenn man von optischer Fernerkundung spricht, meint man damit die Erfassung und Aus­ wertung von Daten, die mit Sensoren aufgenom­ men wurden, die optische Elemente, wie Linsen oder Spiegel, für die Abbildung verwenden. Mit derartigen Systemen können Spektralbereiche vom Ultraviolett bis zu thermischen Infrarot auf­ genommen werden. Hier in diesem Abschnitt soll die Konzentration auf dem sichtbaren Licht, dem nahem und mittlerem Infrarot liegen . Schnee besteht, wenn man ihn genau betrach­ tet, aus Eiskristallen mit mehr oder weniger da­ zwischen eingeschlossener Luft. Schnee er­ scheint uns weiß, da im sichtbaren Bereich das Sonnenlicht nahezu unverfälscht reflektiert wird. Die ursprünglichen Schneekristalle vereinen sich sehr rasch und bilden mehr oder weniger große Eiskörner. Die Form und Größe der Körner sind hängt von den Schmelz und darauffolgenden Gefriervorgängen in der Schneedecke ab. Wenn Schnee schmilzt, so wird das flüssige Wasser wie in einem Schwamm in der Schneedecke festgehalten und bildet damit auch einen we­ sentlichen Bestandteil, der bei der spektralen Analyse beachtet werden muß. Es ist aber zu be­ denken, daß der Wassergehalt selten 1 0% er­ reicht, ohne daß flüssiges Wasser in den Boden abfließt oder, wenn der Abfluß behindert wird, sich an der Oberfläche der Schneedecke in Pfüt­ zen sammelt. Weitere Bestandteile der Schneedecke, die das Aussehen signifikant verändern können, sind alle Arten von Verunreinigungen, die durch Staub, Ruß, aber auch Pollen verursacht werden können. 3. 1. Schneecharakteristika im optischen Bereich

Für den Interpreten stellt sich die Frage, in wel­ cher Weise die verschiedenen Schneebestand­ teile das Aussehen im optischen Bereich, d.h. den (wellenlängenabhänigigen, gerichteten) Re­ flexionsgrad Pr, beeinflussen. Aus Untersuchungen hat sich gezeigt, daß der spektrale Reflexionsgrad und dessen Richtungs­ abhängigkeit von der Korngröße beeinflußt wird, während im Schnee enthaltenes flüssiges Was­ ser, sofern es deutlich unter dem vorhin erwähn­ ten Wert von 1 0% liegt, den Reflexionsgrad sehr VGi 2/2001

wenig beeinflußt. Natürlich ist zu bedenken, daß flüssiges Wasser besonders an der Schneeober­ fläche bei Abkühlung, z.B. über Nacht, wieder gefriert, wodurch sich die Korngröße und in der Folge der Reflexionsgrad verändert. al 1.0 0, � 0.8 0

Radius der Korngröße

- -0.05mm - - - 0.20mm --0.50mm 1.00mm

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Im folgenden soll beurteilt werden, inwieweit die SPOT XS bzw. XI Aufnahmen für Schnee­ klassifizierung geeignet sind. Die Abbildung 3 entspricht der Abbildung 1 , wobei zusätzlich der spektrale Reflexionsgrad der Wolken (mit einer Tropfengröße zwischen 4 �tm und 20 �tm}einge­ zeichnet wurde [6]. überlagert wurden die Spek­ tralbänder, für welche die SPOT XS und XI Sen­ soren empfindlich sind.



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0.4 Abb. 1: Reflexionsgrad von Schnee in Abhängigkeit der Korngröße

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Abbildung 1 zeigt den spektralen Reflexions­ grad frischgefallenen, reinen Schnees für den Bereich des sichtbaren Lichtes bis zum mittleren Infrarot. Die angegebenen Korngrößen können noch überschritten werden, allerdings würde dies im gezeigten Diagramm keiner wesentlichen Änderungen bedürfen [4]. Man sieht, daß der Schneereflexionsgrad im sichtbaren Bereich von der Korngröße nahezu unabhängig ist. Besonders deutlich wird der Un­ terschied im nahen Infrarot (zwischen 1 �tm und 1 .3 �tm) und auch im mittleren Infrarot. al 1.0 Oi

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Abb. 2: Richtungsabhängigkeit des Schnee-Reflexions­ grades für eine bestimmte Korngröße

Abbildung 2 zeigt die spektrale Richtungsab­ hängigkeit des Reflexionsgrades, hier für eine Korngröße von 0.2 mm [5]. Die zwei Randkurven stehen für zwei verschiedene Einstrahlwinkel. Auch hier sieht man, daß der sichtbare Anteil na­ hezu unbeeinflußt bleibt, sich Schnee also fast wie ein Lambert'scher Reflektor verhält, während wiederum das nahe und mittlere Infrarot im Ver­ halten deutlich abweichen. VGi 2/2001

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2.5 !.. [�tm] 2.0 Abb. 3: Reflexionsgrad von Schnee und Wolken in be­ zug zur spektralen Empfindlichkeit der SPOT Sensoren

Wie deutlich zu erkennen ist, hat im Falle von SPOT XS (mit Sensoren für den grünen (500590 nm), roten (61 0-680 nm) und nahen Infra­ rot-Bereich (790-890 nm)) in allen verfügbaren Kanälen Schnee durchwegs hohen Reflexions­ grad. Nahezu gleich hohen Reflexionsgrad wei­ sen Wolken auf, was darauf schließen läßt, daß Schnee von Wolken in den Aufnahmen nicht zu unterscheiden sind. Wäre man auch an einer Diskriminierung der Schneekörnung interessiert, so wäre SPOT XS ebenfalls wenig geeignet. Sieht man sich dagegen SPOT XI an, der auch das mittlere Infrarot (1 580-1 750 nm) zur Verfü­ gung stellt, so kann man ganz deutlich Wolken von Schnee unterscheiden. Körnungsklassifizie­ rung wäre aber nach wie vor schwierig, wenn auch in gewissen Fällen denkbar. 3.2. Radiometrisches Verhalten und Korrektur­ möglichkeiten

Anhand eines konkreten Satellitenbildes soll eine erste visuelle Beurteilung der Möglichkeiten der Schneeklassifizierung erfolgen. In Abbildung 4 ist eine Farbinfrarotdarstellung der Aufnahme vom 1 8. Feber 1 998 gezeigt. Der Überflug er­ folgte um 1 0 Uhr 54 (MEZ) vormittags bei einer Sonnenhöhe von 28° und einem Sonnenazimut von 1 58°. Was sofort auffällt, wenn man sich auf Schnee konzentriert, sind nicht irgendwelche Unterschiede, die durch Schneeeigenschaften verursacht werden, sondern jene, die durch die Beleuchtung bedingt sind. Es gibt sehr starke 53

Überstrahlungen bis zur Sensorsättigung an den sonnenzugewandten Schneehängen, während andere Bereiche zur Gänze im Schatten liegen und nie von der Sonne erreicht werden.

graphische Normalisierung". Ansätze dieser Art versuchen, die wesentlichen Strahlungsanteile, welche für die Belichtung im Sensor verantwort­ lich zeichnen, zu modellieren. Die Skizze in Ab-

Abb. 4: SPOT XS Aufnahme vom 18.2. 1998, Farbinfrarotdarstellung

Bei idealen Bedingungen sollten Helligkeits­ und Farbunterschiede im Bild auf folgende Ei­ genschaften zurückzuführen sein:

bildung 5 soll helfen, die Komplexität der Ver­ hältnisse zu veranschaulichen.

Objekttyp (z.B. Schnee, Wald, Wiese, . . .) Eigenschaften des Typs (z.B. Pulverschnee, Harsch, . . .)

Die Strahlung, die am Objekt eintrifft und dort die reflektierte Strahlung hervorruft, setzt sich zusammen aus den Anteilen: DS, der direkten Sonnenstrahlung HS, dem Himmelslicht, der in der Atmosphäre gestreuten Strahlung FS, der Fremdstrahlung, die durch Reflexion ei­ nes in der Nähe befindlichen beleuchteten Objektes verursacht wird.

Die Klassifizierung lieferte demnach die Ob­ jektklassen und eventuell deren Unterklassen. Die tatsächlichen Gegenheiten zeigen aber, daß Helligkeits- und Farbunterschiede zwar auch vom Objekttyp herrühren, aber nicht unwe­ sentlich durch unterschiedliche Beleuchtung hervorgerufen werden. Der Klassifizierungsan­ satz kann daher sehr komplex werden. Vorteil­ haft wäre die Berücksichtigung der Beleuch­ tungseinflüsse mit Hilfe der sogenannten "topo54

Die Strahlung, die beim Sensor eintrifft, setzt sich zusammen aus den Anteilen: RS, der vom Objekt reflektierten Strahlung LS, dem Luftlicht, der in der Atmosphäre ge­ streuten Strahlung VGi 2/2001

Während die direkte Sonnenstrahlung noch re­ lativ leicht zu berücksichtigen wäre, benötigt man für die radiometrische Korrektur sehr kom­ plexe Modelle mit vielen unsicher bestimmbaren Parametern, wie etwa Streuungseinfluß oder ge­ genseitige Beleuchtung. Die „topographische Normalisierung" wird daher, wenn überhaupt, fast immer nur über die direkte Sonnenbestrah­ lung errechnet. Ein ganz entscheidender Para­ meter ist dann der Cosinus des Einstrahlwinkels i (siehe Abb.5) auf das Gelände, der aber sehr ein­ fach über das digitale Geländemodell, dem be­ kannten Aufnahmezeitpunkt und den berechen­ baren oder vielleicht sogar bekannten Sonnen­ stand für jeden Punkt des Geländes bestimmt werden kann. Abb. 5: Strahlungsverhältnisse

Für den Fall der Schneeklassifizierung spielt aber die Fremdstrahlung eine besonders wich-

Abb. 6: Sättigungsbereiche und gänzlich unbeleuchtet Bereiche

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tige Rolle. Schnee hat wegen seines sehr hohen Reflexionsgrades auch einen entscheidenden Einfluß als indirekt beleuchtendes Objekt, wo­ durch die konventionellen Ansätze der „topogra­ phischen Normalisierung", die z.B. auf der Min­ naertschen Reflexionsfunktion [7] basieren, fehl schlagen. Abbildung 6 zeigt für das bereits bekannte Sa­ tellitenbild (siehe Abb. 4) als graue Flecken die der Sonne abgewandten Hänge und die Schlag­ schattenzonen und in Weiß die der Sonne zuge­ wandten Hänge, in denen Sättigung des Sensors auftritt. Kann man mit Sicherheit annehmen, daß es sich bei den weißen Gebieten um Schnee handelt, so ist innerhalb dieser Zonen jede Ein­ stufung in Unterkategorien unmöglich. 3.3. Klassifizierung aus optischen Daten

Da die „topographische Normalisierung" nicht zielführend angewandt werden kann, muß der ei­ gentliche Klassifizierungsansatz entsprechend anpassungsfähig sein. Prinzipiell haben sich folgende Ansätze be­ währt: (a) Ratio-Bilderstellung und Schrankensetzung (z.B. SI (Schnee-Index), NDSI (Normalised Dif­ ference Snow Index) (b) Überwachte Klassifizierung (Auswahl von über visuelle Interpretation gewonnene Trai­ ningsgebiete) (c) Spectral Unmixing Ansätze (Auswahl von so­ genannten End Members, die ebenfalls mit Trainingsgebieten vergleichbar sind. Die An­ zahl der End Members ist allerdings be­ schränkt auf die Anzahl der verwendeten Spektralbereiche) (d) Unüberwachte Klassifizierung (Über Analyse des spektralen Merkmalsraumes findet der Klassifizierungsalgorithmus selbst die rele­ vante Klasseneinteilung. Die Zuordnung der Klassennamen zu den gefunden Klassen muß allerdings i.a. ebenfalls durch visuelle In­ terpretation vom Benutzer getroffen werden) ad (a): Für den N DSI g ibt es prinzipiell verschiedene Ansätze, die aber alle den Unter­ schied des Reflexionsgrades zwischen mittlerem Infrarot und kürzeren Wellenlängen ausnutzen (z.B. [3]). Der N DSI ist vom Aufbau her vergleich­ bar mit dem wesentlich bekannteren N DVI (Nor­ malised Difference Vegetation Index) und hat fol­ gende Gestalt: (gvisnir - gmir) f (gvisnir + g mir) wobei g der Grauwert ist, der Index mir für mittle­ res Infrarot und der Index visnir für sichtbares NDSI

56

=

Licht bzw. nahes Infrarot steht. Der N DSI hat den Vorteil, daß auch Beleuchtungseffekte zum Teil eliminiert werden. NDSI liegt im Werteinter­ vall [-1 .0, + 1 .0]. Die Schranke für die Schneedis­ kriminierung könnte bei > 0.5 liegen, muß aber von Fall zu Fall angepaßt werden. Da das mitt­ lere Infrarot verwendet wird, kommt im Falle von SPOT nur der über SPOT4 verfügbar XI-Mode in Frage. Die Klassifizierung mit Hilfe des NDSI wird im folgenden nicht näher ausgeführt, da für das angesprochene Projekt nur eine von insge­ samt 1 2 Satellitenaufnahmen im XI-Mode ver­ fügbar war. ad (b): Bei der überwachten Klassifizierung muß für jede zu klassifizierende Objektklasse vom Benutzer ein Trainingsgebiet ausgewählt werden, das die spektrale Charakteristik der Klasse möglichst gut repräsentiert. Im Falle von starken Beleuchtungsunterschieden innerhalb einer Klassen müssen zusätzlich Unterklassen gebildet werden, was den Aufwand gewaltig an­ steigen läßt. Die überwachte Klassifizierung wurde bei einigen Bildern mit H ilfe des Maximum Likelihood Ansatzes [8] versucht, bei anderen aber als zu aufwendig aufgegeben. ad (c): Spectral Unmixing Ansätze verfolgen die Grundidee, daß die Pixel nicht unbedingt die spektralen Eigenschaften einer einzelnen Objekt­ klasse repäsentieren. Durch die begrenzte räum­ liche Auflösung ist sehr oft eine Mischung von Objektklassen im Grauwert enthalten. Mit der Spectral Unmixing Methode wird daher versucht, die Klassenanteile pro Pixel herauszufinden. Diese Methode ist daher auch als „Subpixel­ Klassifizierung" bekannt. Vom Prinzip her ist das Verfahren vergleichbar mit einer Farbraum­ transformation, wobei als „ Primärfarben" die spektralen Charakteristika von ausgewählten „Primärklassen" (den End Members) vorgegeben werden. Spectral Unmixing wurde hier nicht wei­ ter verfolgt. [9] ad (d): Unüberwachte Klassifizierungsansätze bieten einen großen Vorteil. Der Benutzer braucht sich von Beginn an keine (großen) Ge­ danken zu machen, wieviele Objektklassen zu klassifizieren sind. Im allgemeinen wird dies dem Algorithmus überlassen, der ein spektral segmentiertes Bild liefert. Die aufwendige Suche nach Trainingsgebieten entfällt. Die Zuordnung zu Klassen zu den gefundenen Segmenten be­ darf zwar auch einer gewissen visuellen Interpre­ tation, die aber deutlich schneller durchführbar ist. Aus diesen Gründen fiel schließlich die Ent­ scheidung für den unüberwachten ISODATA-An­ satz (Iterative Selforganizing Data Analysis Tech­ nique). VGi 2/2001

Dennoch würde im konkreten Fall eine sehr große Anzahl von Segmenten entstehen, die noch dazu, vor allem wegen der begrenzten Aus­ sagekraft der SPOT XS Kanäle, teilweise extrem ähnliche spektrale Eigenschaften aufwiesen, was die automatische Analyse des spektralen Merkmalsraumes unzuverlässig machte. Um die Klassenzahl zu reduzieren, wurde das Bild zerlegt in spektral ähnlicher Bilder, indem zuerst eine U nterteilung nach Beleuchtungsklas­ sen erfolgte. Das aus DTM und Sonnenstand ab­ geleitete cos i-Bild diente der Bildung von Be­ leuchtungskategorien (Abb.7). Jede dieser Kate­ gorien wurde dann einer unabhängigen multi­ spektralen Klassifizierung unterworfen. Die klas­ sifizierten Teilbilder konnten dann zum klassifi­ zierten Gesamtbild zusammengesetzt werden. Das Prinzip des Ablaufes zeigt Abbildung 8.

Dennoch stellte sich heraus, daß manche Ob­ jektklassen nicht zu trennen waren. So wurde z.B. lückige Schneedecke auf der Hochfläche gleich klassifiziert wie eine wenig vitale Wiese im Tal. Dieses Problem kann in einer Nachbear­ beitung mit einer Abfrage über die Geländehöhe gelöst werden. Das Endergebnis für das vorhin vorgestellte Satellitenbild ist in Abbildung 9 zu sehen, in welchem die vier verschiedenen Schneebedeckungsklassen von schwarz (= aper) bis weiß (= volle Schneedecke) kodiert sind. 4. Schnee und Schneeklassifizierung Mikrowellenbereich

im

Wie schon früher erwähnt, bietet die Mikrowel­ len-Fernerkundung die Möglichkeit, durch Wol­ ken hindurchzusehen. Dies ist ein besonderer

Abb. 7: Beleuchtungskategorien, eingeteilt aufgrund von cos i

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Vorteil, wenn in regelmäßigen Abständen vor al­ lem in Gebieten mit häufiger Bewölkung beob­ achtet werden soll. Eine Analyse des Gebietes der Schneealpe anhand von Wettersatellitenauf­ nahmen hat ergeben, daß im Schnitt nur für we­ nige Tage pro Monat im Zeitraum der Schnee­ schmelze wolkenfreies Wetter gegeben ist. Da der ERS-Satellit ein aktives Mikrowellensystem besitzt, das mit geeigneter räumlicher Auflösung arbeitet, war es daher naheliegend, diese Art der Bilderfassung genauer zu betrachten.

Mikrowellensysteme als elektronische Sy­ steme, die mit Frequenzen im GHz-Bereich ar­ beiten, verhalten sich anders, als man von den optischen Systemen her gewohnt ist. Eine Kenn­ größe des beobachteten Materials, welche für das Verhalten der Mikrowellen am Objekt verant­ wortlich ist, ist die komplexe relative Dielektrizi­ tätskonstante Er= E'r i E"r· Während der reelle Teil E'r eine Aussage über den Brechungsindex des Materials g ibt, ist der imaginäre Teil E"r ein Maß für die elektrische Leitfähigkeit. Für viele -

ISODATA ____. ISODATA -III>

ISODATA

Abb. 8: Klassifizierungsab/auf. N . . . Nachbearbeitung, V . . . Vereinigung

Abb. 9: Klassifizierungsergebnis des Satellitenbildes vom 18. Feber 1998

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trockene natürliche Stoffe ist s"r im Mikrowellen­ bereich sehr klein. Nimmt die Feuchtigkeit bzw. die Leitfähigkeit zu, so steigt s"r rapide an. Gleichzeitig sinkt die Eindringtiefe. So kann in trockenen Böden die Eindringtiefe im cm-Be­ reich liegen, während diese im feuchten Boden in den mm-Bereich absinkt. Noch deutlicher ist dies bei Eis zu beobachten. Bei reinem Eis kann die Eindringtiefe einige m betragen, bei Wasser allerdings kann man bestensfalls mit einigen cm rechnen. (z.B . [1 0)) Aus dem vom Mikrowellensensor empfange­ nen Signal wird der sogenannte Rückstreukoeffi­ zient cr0 abgeleitet, der ähnlich wie der Refle­ xionsgrad p bei der optischen Fernerkundung Rückschlüsse über die Eigenschaften des Ob­ jektes erlaubt. Allerdings muß hier ebenfalls an­ gemerkt werden, daß cr0 nicht nur vom beobach­ teten Material alleine abhängt, sondern auch von der verwendeten Frequenz, von der Polarisati­ onseinstellung des Sensors, in hohem Maß auch von der Beschaffenheit der Oberfläche (ob sie rauh oder g latt ist) und ganz wesentlich auch vom Einstrahlwinkel. Der Einstrahlwinkel ändert sich einerseits systembedingt von einem Rand des Flugstreifens zum anderen (z. B. 1 9° bis 28° bei ERS AMI), was aber leicht berücksichtigt werden könnte. Entscheidender ist aber die Ge­ ländeform. Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Auswertung ist daher ein extrem genaues Geländemodell, das im allgemeinen nicht zur Verfügung steht. Aufgrund der Komplexität dieser zusammen­ hänge ist die Klassifizierung mit Hilfe von Mikro­ wellen sehr schwierig. Die wissenschaftliche Be­ arbeitung ist bei weitem noch nicht abgeschlos­ sen und bietet der Forschung auch in Zukunft noch ein breites Betätigungsfeld.

4. 1. Schneecharakteristika im Mikrowellenbereich Die Rückstreuung, die in einem beschneiten Gebiet beobachtet wird, setzt sich zusammen aus dem Rückstrahlanteil von der Oberfläche (der Luft-Schnee-Grenze) von innerhalb der Schneedecke (durch Volums­ streuung in den Eiskristallen) von der Oberfläche des Untergrundes (der Schnee-Boden-Grenze) von innerhalb der Schneedecke (durch Mehr­ fachrückstreuung) von innerhalb der Schneedecke (durch Streuung an Eislinsen oder Inhomogenitäten) von innerhalb des Eindringbereich des Unter­ grundes (durch Volumsstreuung des Bodens) VGi 2/2001

Es gibt detaillierte Untersuchungen des Mikro­ wellenverhaltens der Schneedecke (z. B. [1 1 ]): Konzentriert man sich auf die Mikrowellen des C-Bandes (5,3 Ghz, 5,66 cm), so ist festzustel­ len, daß trockener Schnee nicht erkannt werden kann. Er ist total transparent, die Eindringtiefe beträgt viele Meter. Die registrierte Rückstreu­ ung stammt vor allem vom Boden unter der Schneedecke oder von eventuell im Schneeinne­ ren vorhandenen Inhomogenitäten. Beginnt Schnee zu schmelzen, so reduziert sich die Ein­ dringtiefe sofort bis in den cm-Bereich. Aller­ dings kann auch die Oberflächenveränderung während des Schmelzvorganges das Rückstreu­ verhalten merklich beeinflußen, entweder durch Zunahme der Oberflächenrauhig keit und damit durch Zunahme der diffusen Streuung oder durch starke Ansammlung von Wasser an der Oberfläche und damit durch Begünstigung der gerichteten Reflexion. Eine genaue Analyse des Aufbaus und Eigenschaften der Schneedecke erscheint durch Einsatz einer einzelnen Mikro­ wellenfrequenz und einer einzigen Polarisations­ einstellung nicht möglich. Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen über die Nutzung von SAR-Systemen für die Schneekartierung (z.B. [1 2), [1 3), [1 4], [1 5]). Bei­ spielhaft soll eine mit C-Band-Mikrowellen in den Alpen durchgeführte (Rott, 1 994) die Gege­ benheiten zeigen: bei trockenem Schnee wird e ' =1 ,87 und e"=0.0001 . Bei feuchtem Schnee werden diese Werte e'=2,95 und e"=0,571 . 4. 2. Geometrische und radiometrische Eigen­ schaften von SAR Aufgrund der durch das Aufnahmeverfahren (einer Laufzeitmessung von Schrägdistanzen) bedingten Abbildungsgeometrie, ergeben sich sehr ungewohnte Verzerrungen im Bild, sobald man im hügeligen oder gebirgen Gelände auf­ nimmt (siehe Abb. 1 0). Es kommt zu den be­ kannten Erscheinungen Foreshortening (starke maßstäbliche Verkürzung an Hängen, die in Richtung Aufnahmesystem schauen) Layover (Abbildung verschiedener Objektpunkte auf denselben Bildpunkt) Shadow (Bereiche an den dem Sensor abge­ wandten Hängen, die durch den Mikrowellen­ strahl der Sendeantenne nicht erreicht werden können) Die geometrische Rektifizierung dieser Fehler bedarf eines genauen Geländemodelles und ei­ nes parametrischen Korrekturansatzes. Zusätz­ lich zu den geometrischen Fehlern kommt aber 59

Abb. 1 O: ERS SAR Aufnahme (descending Flug)

auch radiometrische Fehlinformation, die nur schwer oder überhaupt nicht korrigierbar ist. In Layover- und Foreshortening-Bereichen wird sehr starke Rückstreuung registriert, da diese von einem Einstrahlwinkel nahe 0° kommen, wo der Rückstreukoeffizient unbestimmbar wird. Um im gebirgigen Teil eine komplette Deckung mit auswertbaren Daten zu erhalten, muß das ln­ teressensgebiet von mindestens zwei verschie­ denen Seiten aufgenommen werden. Im Falle der ERS-Satellitenaufnahmen kombiniert man die Aufnahme vom Nord-Süd-Flug {descending path) mit einer vom Süd-Nord-Flug (ascending path). Da bei ERS der Einstrahlwinkel in ebenes Gelände zwischen 1 9° und 28° liegt, führen Hänge, die parallel zur Flugrichtung verlaufen und diese Hangneigung aufweisen, zu den oben erwähnten Effekten. Da dies in der Natur recht häufig auftritt, ist im Gebirge nur etwa 50% eines einzelnen ERS SAR Bildes auswertbar. Abbil­ dung 1 1 zeigt das lnteressensgebiet, wobei in ·

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Hellgrau jene Bereiche eingezeichnet sind, die sowohl durch descending als auch durch ascen­ ding Flüge auswertbar wären. Schwarz sind die Bereiche, die weder durch den einen noch durch den anderen Flug auswertbar sind. Alle anderen Bereiche {dunkelgrau) sind entweder aus dem descending oder den ascending Flug verwend­ bar. Da man für eine absolute Bestimmung der Rückstreukoeffizienten ein hochgenaues digita­ les Geländemodell benötigte, das nicht vorhan­ den ist, wendet man überlicherweise eine relative Auswertung an, indem man Terminvergleiche über Ratio-Bildung durchführt und nur Verände­ rungen feststellt. In diesem Fall werden die Ab­ hängigkeiten vom Einstrahlwinkel eliminiert (1 6]. 4.3. Klassifizierung aus Mikrowellendaten

Wie schon früher angedeutet, ist eine Klassifi­ zierung der Schneelage mit ERS SAR Bildern VGi 2/2001

Abb. 11: ERS Deckung von absteigender und/oder aufsteigender Flugbahn aus

nur sehr eingeschränkt möglich, da trockener Schnee nicht erkannt werden kann. Was aber sehr wohl zu erkennen ist, ist eine Änderung der Schneefeuchte. Um eine sinnvolle Feuchte-Klassifizierung durchführen zu können, ist zu garantieren, daß mindestens eine Aufnahme existiert, die als „trocken" angenommen werden und somit als Referenzaufnahme gelten kann. Im Idealfall han­ delt es sich um ein schneefreies Bild mit trok­ kenem Boden. Es kann aber auch ein Bild sein, von dem man weiß, daß das Gebiet mit trok­ kenem Schnee bedeckt ist. Dieses Referenzbild wird über Ratio-Bildung mit allen anderen Bil­ dern verg lichen. Durch Schrankenbildung erhält man die Feuchtezunahme. Bewährt hat sich eine Schranke von 3dB, d.h. daß an allen Stellen, an denen eine Ratiowert größer 3dB erhalten wird, die Feuchte deutlich zugenommen hat. Der Ablauf der Klassifizierung ist in Abbildung 1 2 schematisch dargestellt {d&a=descending u nd ascending Bild, W= Vorverarbeitung, z.B. VGi 2/2001

Speckle-Filterung, GR= geometrische Rektifizie­ rung, V=Vereinigung des desc- und des asc-Bil­ des). Das Ergebnis der Feuchteklassifizierung ist für das unrektifizierte descending-Bild in Abbildung 13 dargestellt. Als Referenzbild war eine garan­ tiert schneefreie Aufnahme vom 1 . Juli 1 999 vor­ gesehen, die sich aber als ungeeignet heraus­ stellte. Es hatte kurz vor der Aufhahme geregnet. Daher diente das Feber-Bild (vom 1 1 .2.) als Re­ ferenz, von dem angenommen werden konnte, daß damals im wesentlichen trockener Schnee gelegen war. Im linken oben Bild sieht man die Veränderungen im März (am 1 8.3.) gegenüber Feber. Grau bedeutet gering, weiß starke Feuch­ tigkeitszunahme. Man erkennt den Schmelzvor­ gang an den Hängen und in etwas tieferen La­ gen, während auf der Hochebene noch wenig zu bemerken ist. Im April (am 22.4.) ist auch auf der Hochebene die Schmelze voll im Gange, im Mai (am 27.5.) ist ein großer Teil bereits abge­ schmolzen. Das Juli-Bild täuscht stärkeren . 61

Abb. 12: Ablaufschema der Klassifizierung der Schneefeuchte aus SAR-Bildern

Abb. 13: Ergebnis der Feuchteklassifizierung im desc-Bild

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Schmelzvorgang, tatsächlich aber ist die hohe Feuchte dem Regen zuzuschreiben . Man erahnt, daß bei ungeeigneter Wahl des Referenzbildes für die Ratio-Bildung, wie in diesem Fall bei der Wahl des Juli-Bildes, ein gänzlich falsche Ergeb­ nis herausgekommen wäre. Die sehr hohe Ähn­ lichkeit des Mai- und Juli-Ergebnisses läßt aber auch zur Vorsicht bei der Interpretation mahnen. Auf die Frage einzugehen, inwieweit diese Er­ gebnisse tatsächliche Feuchtigkeitsänderungen im Schnee anzeigen oder inwieweit sie durch den Untergrund beeinflußt sind, scheint berech­ tigt und müßte noch näher behandelt werden.

senschaft beschäftigen , auch wenn sie, wie im konkreten Fall, „nur" zur Kalibrierung eines Schneemodells verwendet wird. Literatur [1]

[2]

[3]

[4]

5. Schlußbemerkungen

Das anfangs einfach erschienene Problem der Schneeklassifizierung stellt sich bei genauer Be­ trachtung als ein recht komplexes heraus, das auch in der internationalen Forschung einen wichtigen Stellenwert hat. Dabei sind kleinräu­ mige Problemstellungen (z.B. die Wasserversor­ gung betreffend - wie es das hier vorgestellt Projekt war - oder im Rahmen von Lawinenwar­ nsystemen) genauso vertreten wie großräumige bis globale Fragestellungen (z.B. im Rahmen der Ü berwachung der Klimaveränderungen). Im ge­ birgigen Gelände sind besondere Herausforde­ rungen gegeben. Wegen der steilen Hänge, gro­ ßen Höhenunterschiede und dem im Winter niedrigen Sonnenstand erschweren Schatten die Klassifizierung in optischen Bildern. Schnee­ felder wiederum verursachen Ü berbelichtung. In SAR-Aufnahmen führen starke geometrische und radiometrische Störungen zur Notwendig­ keit, zwei Aufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen zu verwenden. Ein anderes Problem ist der Bewuchs, der eine genaue Feststellung der Schneelage verhindert. Ist die Klassifizie­ rungstheorie für optische Aufnahmen schon weitgehend ausgereizt, so befindet sie sich für Mikrowellenanwendungen noch immer For­ schungsstadium. Mit den vermehrt eingesetzten Hyperspektralscannern auf dem optischen Sek­ tor und den Multifrequenz- und Multipolarisa­ tions-SAR werden sich weitere Möglichkeiten er­ öffnen, wie erste Versuchsreihen bereits zeigen. In der Praxis vielfach bewährt hat sich auch die Kombination verschiedener Sensoren im Rah­ men eines Fusionsansatzes. Die Schneeklassif­ zierung wird also in der Zukunft noch die Wis-

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[5]

[6]

[7]

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[8] Kraus K. mit Beiträgen von Jansa J. und Schneider W.: [9]

[1 O] [1 1 ]

[12]

[13]

[ 1 4]

[1 5]

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Auswertung photographischer und digitaler Bilder, Dümm­ ler Bonn, 1 990. Rosenthal W.: Estimating Alpine Snow Cover with Unsupervised Spectral Unmixing. Proceedings des IGARSS'96 Symposiums, Vol.4, pp.2252-2254, 1 996. Kraus K„ Schneider W.: Fernerkundung - Physikalische Grundlagen und Auswertetechniken, Dümmler Bonn, 1 988. Strozzi T„ Mätzler Ch.: Backscattering Measurements of Alpine Snowcovers at 5.3 and 35 GHz. IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, Vol.36/3, pp. 838848, 1 998. Shi J„ Dozier J„ Rott H.: Snow Mapping in Alpine Regions with Synthetic Aperture Radar„ IEEE Transactions on Geo­ science and Remote Sensing, Vol.32/1 , pp.152-158, 1 994. Shi J„ Dozier J.: SIR-C/X-SAR lnvestigations of Snow Pro­ perties i n Alpine Regions. Proceedings IGARSS'95, Val.II, pp.1 582-1584, 1 995. Baghdadi N„ Gauthier Y„ Bernier M.: Capability of Multi­ temporal ERS-1 SAR Data for Wet-Snow Mapping. Remote Sensing of Environment, 60, pp. 1 74-1 86, 1 997. Koskinen J. T„ Pul/iainen J.T„ Hal/ikainen H.T.: The Use of ERS-1 SAR Data i n Snow Melt Monitoring, IEEE Transac­ tions on Geoscience and Remote Sensing, Vol.35/3, pp. 601-610, 1 997. Nagler Th„ Rott H.: Retrieval of Wet Snow by Means of Multitemporal SAR Data. IEEE Transactions on Geoscience and Remote Sensing, Vol.38/2, pp. 754-765, 2000.

Anschrift des Autors

Dipl.-Ing. Dr. Josef Jansa: Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung, TU Wien, Gußhausstraße 27-29, A-i040 Wien. Email: [email protected]

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Beiträge der Radarfernerkundung zur Erfassung des globalen C02-Kreislaufs* Wolfgang Wagner, Oberpfaffenhofen

Zusammenfassung

Die Zunahme des atmosphärischen Kohlendioxids (C02) und anderer Treibhausgase wie Methan (CH4) oder Di­ stickstoffoxid (N20) führt zu einer Erwärmung des Klimas. Dies könnte eine Reihe schwerwiegender Umwelt­ probleme verursachen, wie eine Zunahme an Stürmen, Ü berschwemmungen, Dürren und anderer Naturkata­ strophen. Während Politiker in langwierigen Verhandlungen um rechtlich verbindliche Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen ringen, ist der globale Kohlenstoffkreislauf ins Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion gerückt. Doch fehlen oft geeignete Geodaten für die Quantifizierung von Kohlenstoffflüssen. Anhand dreier Bei­ spiele wird in diesem Artikel das Potenzial der Radarfernerkundung zur Erfassung COrrelevanter Parameter dar­ gestellt und dabei auftretende Probleme diskutiert. Abstract

The increase of carbondioxid (Cüd and other greenhouse gases like methane (CH4) or nitrous oxide (N20) in the atmosphere has caused global warming. There is emerging evidence that because of this phenomenon the fre­ quency of storms, floods, droughts and other natural disasters is increasing. While politicians discuss legally bin­ ding measures to reduce the emission of greenhouse gases, scientists have started to explore the meachanisms of the global carbon cycle in greater detail. But often the magnitude of carbon fluxes and carbon pools is not suffi­ ciently weil known due to the lack of environmental data. In this article the potential and limitation of radar remote sensing for measuring geophysical parameters of relevance to the global carbon cycle is discussed based on three pilot studies: forest mapping with SAR interferometry, soil moisture monitoring and freeze/thaw mapping with scatterometer data. 1. Einleitung

Umweltprobleme wie der saure Regen oder das Ozonloch haben zum ersten Mal deutlich gemacht, dass der Eingriff des Menschen in natürliche Kreisläufe ein globales Ausmaß er­ reicht hat. Ohne die Kenntnis g lobaler Verän­ derungen würde man den Ursprung vieler lo­ kaler U mweltprobleme nicht verstehen. Es wäre schwierig, wenn gar unmöglich, geeig­ nete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Speziell die Geowissenschaften sind daher aufgefor­ dert, die Grundlagen zum Verständnis des Zu­ sammenhangs lokaler, regionaler und globaler U mweltveränderungen zu erforschen. Damit ist die Forderung verbunden, Geodaten auf lokaler bis g lobaler Ebene zu erheben, für die Zukunft zu speichern und in geeigneter Form den An­ wendern zur Verfügung zu stellen. Dieser Arti­ kel zeigt einige Möglichkeiten auf, wie die Ra­ darfernerkundung zur verbesserten Quantifizie­ rung des Kohlenstoffkreislaufs beitragen könnte und geht im Konkreten auf die Kartie­ run g sibirischer Wälder, die Verfügbarkeit glo-

baler Bodenfeuchtigkeitsdaten und die Detek­ tion von Bodenfrost ein. Seit Mitte des 1 9. Jahrhunderts hat sich der globale Kohlenstoffkreislauf nachhaltig verändert [1 ]. Vor allem durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und die Abholzung von Wäldern wur­ den seither ungefähr 405 ± 60 Gigatonnen Koh­ lenstoff als Kohlendioxid (C02} in die Atmosphäre emittiert. Dies hatte einen Anstieg des atmosphä­ rischen C02 um 28 % und eine Erwärmung der mittleren Lufttemperatur um bis zu einem 1 °C zur Folge [2]. Modellrechnungen sagen - bei un­ verminderten Emissionen von Treibhausgasen für das 2 1 . Jahrhundert eine weitere Temperatur­ erhöhung von 1 .4 - 5.8 °C voraus. Dieses wird re­ gional sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Mensch und U mwelt haben [3]. Unter anderem sind extreme Wetterlagen und vor allem in tropi­ schen und sub-tropischen Regionen Ernteeinbu­ ßen und reduzierte Trinkwasserreserven zu be­ fürchten. In den Alpen muß man mit Veränderun­ gen der winterlichen Schneedecke und des Ab­ flußregimes von Flüssen rechnen.

1 Stark verändertes Manuskript eines Bewerbungsvortrags für eine Universitätsprofessur für Fernerkundung am In­ stitut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität Wien.

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2. Das Kyoto-Protokoll

Um die Klimaveränderungen in einem tolera­ blen Rahmen zu halten, wurde auf der dritten Konferenz der Vertragsparteien zur Klimarah­ menkonvention der Vereinten Nationen, die im Dezember 1 997 in Kyoto stattfand, ein Vertrags­ werk ausverhandelt. Dieses sogenannte Kyoto­ Protokoll enthält erstmals quantifizierte, recht­ lich verbindende Verpflichtungen zur Begren­ zung der Emission von Treibhausgasen [4] . Nach wie vor gibt es aber offene Fragen, die geklärt werden müssen, bevor die Vertragspart­ ner das Kyoto-Protokoll ratifizieren werden. Ne­ ben Emissionsreduktionen in Industrie und Ver­ kehr, besteht auch die Möglichkeit, die Reduk­ tionsziele ergänzend durch die Einbindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in terrestrische Ökosysteme zu erreichen. Darunter fallen Aktivi­ täten wie Aufforstungen oder verbessertes Bo­ denmanagement in der Landwirtschaft. Speziell in den ersten Jahrzehnten könnten in beträchtli­ chem Ausmaß biologische Kohlenstoffsenken an die Stelle der Reduktion des Verbrauchs fos­ siler Brennstoffe treten [5]. Auf lange Sicht ge­ sehen sind aber Emissionsreduktionen notwen­ dig, da die Aufnahmekapazität der Biosphäre natürliche Grenzen aufweist. Auch bestehen noch große wissenschaftliche Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Erhebung relevan­ ter Geodaten [6]. Wenn man sich die Frage stellt, welche Geo­ daten d ie Radarfernerkundung zur Erfassung von biologischen Kohlenstoffsenken liefern könnte, sollte man jene nach ihrem Verwen­ dungszweck unterscheiden: 1) Geodaten, die von den Vertragsländern zur Erfüllung ihrer kon­ kreten Berichtspflichten benötigt werden; 2) Geo­ daten, die darüber hinaus für eine vollständige Bilanzierung der Kohlenstoffflüsse von Nutzen sind. Die Berichtspflichten des Kyoto-Protokolls beschränken sich auf „unmittelbar von Men­ schen verursachte Landnutzungsänderungen und forstwirtschaftliche Maßnahmen, die auf Aufforstungen, Wiederauforstungen und Entwal­ dung seit 1 990". Die Fernerkundung könnte hier für die Erfassung und Dokumentation von Flä­ chen verschiedener Bedeckungsklassen und de­ ren zeitliche Veränderungen eingesetzt werden. Zur Diskussion steht, ob die Satellitendaten als primäre Datenquellen der Inventur oder nur für die Verifikation verwendet werden sollen [1 ] . Ra­ darsysteme mit einer synthetischen Apertur (SAR) erzielen die für diese Aufgabe benötigte räumliche Auflösung von unter 30 m und ermög­ lichen eine gezielte Aufnahmeplanung, auch in Gebieten mit häufiger Wolkenbedeckung. VGi 2/2001

Über die konkreten Berichtspflichten des Kyoto-Protokolls hinaus sind neue Geodaten für das bessere Verständnis des globalen Kohlen­ stoffkreislaufs dringend erforderlich. Laut Cramer et al. [7] sind viele der offenen Fragen mit der Wirkungsweise und den Veränderungen der ter­ restrischen Ecosysteme verbunden. Zwar wer­ den globale Kohlenstoffmodelle laufend verbes­ sert, doch fehlen in vielen Bereichen noch Geo­ daten zur Modellvalidierung und als Eingangspa­ rameter. Aus den vielen Möglichkeiten der Ra­ darfernerkundung werden hier drei Methoden vorgestellt, an deren Entwicklung der Autor be­ teiligt war: • •



Waldkarte Sibiriens aus SAR Daten Globale Bodenfeuchtigkeitsdaten aus ERS Scatterometer Daten Frostdynamik aus ERS Scatterometer Daten

Die Radardaten in den vorzustellenden Bei­ spielen stammen in erster Linie von den Europä­ ischen Fernerkundungssatelliten ERS-1 und ERS-2, die ein sogenanntes Active Microwave Instrument (AMI} an Bord hatten. Dieses Instru­ ment erlaubte sowohl die Aufnahme von räum­ l ich hochauflösenden Bilddaten (30 m) mit H ilfe einer synthetischen Antennenapertur als auch von zeitlich hochauflösenden Scatterometer Da­ ten (durchschnittlich eine Messung alle vier Tage) mit einer räumlichen Auflösung von 50 km. Das AMI arbeitete bei einer Frequenz von 5.3 GHz (C-Band) W-Polarisation.

3. Waldkarte Sibiriens

In Waldökosystemen stellt sich bei g leichblei­ benden Klimaverhältnissen und einem Gleichge­ wicht von Störung (Brände, Insektenbefall , etc.) und Regeneration langfristig eine ausgeglichene Kohlenstoffbilanz ein [8]. Wird dieses Gleichge­ wicht gestört, so können sich Waldökosysteme von Kohlenstoffsenken in Kohlenstoffquellen verwandeln und umgekehrt. So hat man in den borealen Wäldern Kanadas seit 1 970 eine Zu­ nahme und seit 1 980 eine Verdreifachung der Feueraktivität beobachtet, woduch die Senken­ funktion dieser Wälder beträchtlich gestört wurde. Auch in Sibirien sind Waldbrände - die vorwiegend von Menschen verursacht werden eine der größten Sorgen der dortigen Forstver­ waltung. Doch fehlen speziell seit dem Zusam­ menbruch der Sowjetunion die Mittel zur regel­ mäßigen forstwirtschaftlichen Bestandsauf­ nahme. Daher ist auch die Abschätzung der Kohlenstoffflüsse mit großen Unsicherheiten be­ haftet [9]. 65

Russland's boreale Wälder nehmen eine Flä­ che von zirka 624 Mio. ha ein [8]. Solch große Flächen können nur mithilfe der Fernerkundung im Abstand eines oder einiger weniger Jahre auf­ genommen werden. Es fehlen aber nach wie vor übertragbare und umfassend validierte Verfahren zur Ableitung forstwirtschaftlicher Parameter aus bildgebenden Aufnahmesystemen. Es war daher das Ziel des SIBERIA Projekts, eine adaptive Methode zur Waldklassifikation aus SAR Daten zu entwickeln, anhand einer umfangreichen Re­ ferenzdatenbank zu validieren und ein zirka 1 00 Mio. ha großes Gebiet in Zentralsibirien zu kar­ tieren [1 O]. Als Eingangsdaten dienten soge­ nannte Kohärenzbilder, die ein Maß für die Kor­ relation zweier SAR Aufnahmen darstellen. Diese Kohärenzbilder wurden aus SAR Tandembilder abgeleitet, die im Abstand von einem Tag mit den Satelliten ERS-1 und ERS-2 aufgenommen worden sind. Aufgrund zeitlicher Dekorrelations­ effekte, z.B. verursacht durch die Bewegung von Blättern und Gräsern im Wind, nimmt die Kohärenz im allgemeinen mit zunehmender Ve-

getationsbedeckung ab. Daher erscheinen in Ko­ härenzbildern Wälder in dunklen und vegeta­ tionslose Flächen in sehr hellen Tönen (Abb. 1 ) . Wasserflächen erscheinen schwarz, d a hier die Bewegung der Wasseroberfläche zu einer voll­ kommenen Dekorrelation führt. Weiters wurden SAR Aufnahmen des Japanischen Erdbeobach­ tungssatelliten JERS verwendet. Das JERS SAR arbeitet bei einer Frequenz von 1 .3 GHz und zeigt ebenfalls einen Zusammenhang mit der Ve­ getationsbedeckung. Sowohl die ERS Kohärenz als auch die JERS Intensität schwanken über Waldflächen aufgrund vielfältiger Einflußfaktoren von Szene zu Szene. Die Analyse der Daten hat aber gezeigt, dass zu­ meist ein quasi exponentieller Zusammenhang zwischen den beiden Radarparametern und dem Stammvolumen der Wälder nachgewiesen werden kann, d.h. die Kohärenz nimmt mit stei­ genden Stammvolumina ab, die J ERS Intensität zu, und beide Parameter nähern sich ihrem Grenzwert ab zirka 1 00 m3/ha [1 1 ] . Diese Beob­ achtung war die Grundlage für einen adaptiven

G e o c o de d C ohe :c enc e Map

Wed Oct 13 12 : 35 : 00 1999

Site :

siberia

Sourc e : El/2 tondem data Acqui s . Date : 25-09-1997 Orbit / Fnmie: 32400 2511 Baseline : 236. 9 Ti\ / 39. 0 Scene Cente r : 9 1 . 6, 54. 2

255 223 191 159 127 95 6000

6000 63 31

Projection: UTU46 WGS84

5960

Easting Res

m1 SE

Uorthing

200. 0 200. 0 354850. O 6071300. O 474950. 0 5946950. 0

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Produced by DLR

Abb. 1: Kohärenzbild abgeleitet aus einer ERS- 1 12 Tandemaufnahme. Das Bild zeigt ein Gebiet rund um ein Stau­ becken des Flusses Jenisey, südlich von Krasnoyarsk, Sibirien (© DLR).

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Algorithmus, der vier Stammvoluminaklassen unterscheidet: 0-20, 20-50, 50-80 und > 80 m3/ ha. Weiters wurden die Klassen „Wasser" und „Glatte Flächen" (beinhaltet Landwirtschaft, Steppe, Moore) unterschieden. Für die Produk­ tion der Waldkarte wurden zuerst die einzelnen Satellitenszenen separat klassifiziert und an­ schließend in einem Mosaik zusammengeführt. Wie in Abb. 2 ersichtlich, treten an den Szenen­ übergängen keine abrupten Sprünge auf, mit Ausnahme einiger Szenen in der Mitte des Ge­ biets (zwischen 98 und 1 00°). In diesen Fällen hat Regen zwischen den beiden SAR Aufnah­ men zu einer starken Dekorrelation geführt. Diese Bilder sollten eigentlich durch andere Tan­ demaufnahmen, die nicht durch Regen betroffen waren, ersetzt werden, wurden aber wegen des

Mangels zusätzlicher Daten im Mosaik belassen. In Abb. 2 ist ersichtlich , dass Teile des Gebiets maskiert wurden (schwarze Flächen). Es handelt sich dabei um Gebiete mit ausgeprägter Topo­ graphie, in denen starke geometrische und ra­ diometrische Verzerrungen der Radardaten auf­ treten. Trotz dieser Einschränkungen kann der Schluss gezogen werden, dass in den borealen Gebieten Kanadas und Eurasiens COrrelevante Waldparameter (in diesem Falle das Stammvolu­ men) großflächig mit Hilfe der Radarfernerkud­ nung aufgenommen werden können. Eine durch unabhängige Forstexperten durchgeführte Über­ prüfung der SIBERIA Karte ergab eine mittlere Treffsicherheit der Waldklassen von 86.9 % . Von speziellem Interesse für die Kohlenstoffbi­ lanzierung ist, dass vor allem Brandflächen und

Forest Stern Volume and Land Cover Classification Map

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EV C�mmunllJ" Fun YLs - 0 km) - -40 cm, am Streifenende (L = 3.0°, B = 48° ---> YLs - 220 km) - +20 cm und am Ende des Überlappungsbereiches (L = 3.5°, B = 48° ---> YLs - 290 km) - +65 cm. In diesem verzerrten System der Landesver­ messung sind die Koordinaten der diskreten Punkte, die ein zu rekonstruierendes Objekt ab­ strahieren, anzugeben. Die in der Photogramme­ trie gültigen Formeln (der Zentralprojektion) und die daraus abgeleiteten Neupunkte beziehen VGi 2/2001

diese Bilder abgedeckten Ellipsoidbereich der Gauß-Krüger-Abbildung, so wird dieser Ellip­ soidbereich sozusagen konform abgewickelt. Die dabei entstehenden Streckenverzerrungen seien zunächst einmal außer Acht gelassen. Diese Abbildung der Ellipsoidoberfläche liefert die Lagekoordinaten des Landeskoordinatensy­ stems. Als Höhenkoordinate dient die Ellipsoid­ höhe der Geländepunkte. Diese beziehen sich aber auf das gekrümmte Referenzellipsoid der Landesvermessung. Diese Ellipsoidkrümmung verhindert, dass die kartesischen Beziehungen der Photogrammetrie unmittelbar im Landesko­ ordinatensystem angewendet werden können.

sich jedoch auf ein kartesisches System. Wie ist diese Problematik zu lösen? Die erste (und sauberste) Methode besteht darin, die AT in einem kartesischen Hilfssystem (z.B. einem Tangentialsystem, gelagert in der Mitte des Projektgebietes) durchzuführen, und das Ergebnis danach ins Landeskoordinatensy­ stem zu transformieren. Die zweite Möglichkeit ist, die AT bereits im System der Landesvermes­ sung zu berechnen, wobei man die Diskrepan­ zen zwischen dem verzerrten Landeskoordina­ tensystem und der „kartesischen Natur" der Photogrammetrie durch passende Korrekturen zu minimieren versucht.

In erster Näherung kann man aber die ge­ krümmte Ellipsoidoberfläche durch ein Polyeder aus Tangentialebenen ersetzen, wobei die Tan­ gentialebenen in den Normalenfußpunkten der Projektionszentren ans Ellipsoid gelegt werden. Die Abwicklung dieser Tangentialpolyederfläche entspricht dann in erster Näherung der Gauß­ Krüger-Abbildung der Ellipsoidoberfläche. Zu­ sammen mit den auf die einzelnen Tangentiale­ benen bezogenen Höhen erhielte man dann für jedes Bild ein individuelles (kleines) kartesisches System. Die Korrektur, die aufgrund der Tangen­ tialapproximation durchzuführen ist, behebt also die Effekte zufolge der Ellipsoidkrümmung. Die Skizze (B) soll die Wirkung dieser Korrektur wie­ dergeben. Dort ist als meridionaler Schnitt die

Im Folgenden soll nur mehr die zweite Me­ thode betrachtet werden. Welche Probleme ent­ stehen nun, wenn man die kartesischen Bezie­ hungen der Photogrammetrie im verzerrten Lan­ deskoordinatensystem anwendet? Abbildung 1 beschreibt die Sachlage schematisch. In Skizze (A) ist der Schnitt durch 3 ausge­ wählte Projektionszentren eines entlang eines Breitenkreises von West nach Ost geflogenen Streifens dargestellt (wobei der Einfachheit hal­ ber die Schnittellipse durch einen Kreis ersetzt ist). Das Flugzeug fliegt dabei in konstanter Ellip­ soidhöhe HF· Die Kamerakonstante sei c, das Bildformat sei s und es handle sich um exakte Senkrechtaufnahmen. Unterwirft man den durch ... . . ...

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Abb. 1: Flugstreifen im Landeskoordinatensystem

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Umgebung eines Normalenfußpunktes T mit zu­ gehöriger Tangentialebene und gekrümmter El­ lipsoidoberfläche dargestellt. Ein Geländepunkt P ist ebenfalls dargestellt, und zwar bezüglich der Ellipsoidoberfläche mit Koordinaten (Y'Ls . X'Ls . H)1 und bezüglich eines kartesischen Tangentialsystems mit Koordinaten (XT, YT, ZT). Kennt man die (genäherten) Landes­ koordinaten von T und von den Punkten P, die im zu T gehörenden Bild liegen, so kann man diese Punkte P ins Tangentialsystem transformie­ ren. In diesem Tangentialsystem gelten dann die kartesischen Beziehungen der Photogrammetrie. Diese Transformation wird als Erdkrümmungs­ korrektur bezeichnet, und ist standardmäßig in den gängigen AT-Programmen enthalten. Die Erdkrümmungskorrektur ist auch in der Weise durchführbar, dass nicht die Objektkoordinaten verändert werden, sondern die Bildkoordinaten. Näheres zur Erdkrümmungskorrektur findet man z.B. in [1 O], [?], [6]. Mit Hilfe der Erdkrümmungskorrektur wird der in konstanter Ellipsoidhöhe HF durchgeführte Flug verebnet; d.h. das Flugzeug fliegt jetzt hori­ zontal in konstanter Höhe HF über der Bezugs­ ebene, in die das Tangentialebenenpolyeder ausgebreitet wird; Skizze (C). Nun kommt noch die zuvor außer Acht gelas­ sene Streckenverzerrung ' der Gauß- Krüger-Ab­ bildung, deren Zunahme bei Entfernung vom Mit­ telmeridian und die unveränderte Übernahme der Ellipsoidhöhen ins Spiel. Sie erzeugen eine Dis­ krepanz, die in den Skizzen (D1 ) bzw. {D2) darge­ stellt ist: Einerseits sollten die Höhen der Projekti­ onszentren der Bilder gleich groß sein, schließlich wurde in konstanter Ellipsoidhöhe beflogen. Das führt aber dazu, dass die Bildwinkel sich wegen ( und kartesisc h : dessen Zunahme nach

Osten hin kontinuierlich vergrößern müssen, d.h. das Verhältnis zwischen Kame­ rakonstante c und Bildfor­ mat s müsste sich ändern (Skizze (D1 )). Andererseits, wenn dieses Verhältnis konstant bleibt {da ja alle Bilder mit ein und derselben aufgenommen Kamera wurden), müsste die Flug­ höhe im Landeskoordina­ tensystem kontinuierlich nach Osten hin zunehmen (Skizze (D2)).

zusammenfassend entstehen somit 3 Pro­ bleme, wenn man eine AT (nach der Bündel­ blockmethode) im System der Landesvermes­ sung berechnen will: P1) Effekt der Erdkrümmung P2) Unterschied zwischen Lage- und Höhen­ maßstab P3) kontinuierliche Veränderung des Lagemaß­ stabes im Blockgebiet in lateraler Richtung Während Problem P1 durch die Erdkrüm­ mungskorrektur beseitigt wird, sind nach Wissen des Autors, die Probleme P2 und P3 bisher au­ ßer Acht gelassen worden. Die Frage ist nun, welche Fehler entstehen an den Neupunkten bei indirekter bzw. direkter Georeferenzierung, wenn P2 und P3 nicht berücksichtigt werden. Anmerkung: Das Problem der Richtungsreduk­ tion {d.h. die Abweichung zwischen der geradli­ nigen Verbindung zwischen Projektionszentrum und Objektpunkt in der Karte und der Abbildung des entsprechenden Normalschnitts bzw. der entsprechenden geodätischen Linie) braucht nicht berücksichtigt zu werden. So ist der aufs Bild bezogene Effekt der Richtungsreduktion bei der Gauß-Krüger-Abbildung bei (L 2.0°, B 48°; -4 YLs - 1 50 km) für Bildmaßstäbe größer 1 :45.000 kleiner als 1 µm; bzw. bei der UTM-Ab­ bildung bei (L 3.5°, B 48°; -4 YLs - 290 km) für Bildmaßstäbe größer 1 :23.000. =

=

=

=

4. Indirekte Georeferenzierung in konformen Kartenabbildungen

In diesem Fall sind 3D-Landeskoordinaten der Passpunkte, die Koordinaten ihrer Abbil-

"1H F

verzerrt:

A

1

c

.. .... .. SI ...


1 bei der Gauß­ Krüger-Abbildung, liegen die Neupunkte immer zu tief.

Fortsetzung des Zahlenbeispiels:

Mit der Aufnahmeentfernung (HF - H N) 1 .5 km ergibt sich tiHN 40 cm, was also deutlich grö­ ßer ist, als die erreichbare Höhengenauigkeit von 9 cm. =

=

Im Gegensatz zur indirekten Georeferenzie­ rung sind diese Höhenverfälschungen bei der di­ rekten Georeferenzierung i m Landeskoordina­ tensystem nicht zu vernachlässigen. Vergleicht man Formel (4) mit Formel (3) und ersetzt man HF durch Hpp, so erkennt man deren Äquivalenz; d.h. die Höhenfehler der Neupunkte wachsen bei der direkten und der indirekten Georeferenzie­ rung mit dem Unterschied zum Niveau der (Hö­ hen-)Passpunkte. Bei der indirekten Georeferen­ zierung sind die Neupunkte annähernd im Ni­ veau der (Boden-)Passpunkte, bei der direkten Georeferenzierung aber nicht, sondern um die Flughöhe tiefer. Es stellt sich nun die Frage, wie diese Fehler beseitigt werden können. Drei Lösungsmöglich­ keiten bieten sich dafür an: M 1 ) Berechnung in einem Tangentialsystem M2) Korrektur der Höhen M3) Korrektur der Kamerakonstante 78

Methode M1 ist wohl die sauberste Variante, da hier ein kartesisches Bezugssy­ stem verwendet wird, in dem die kartesischen Be­ ziehungen der Photogram­ metrie angewendet werden können. Unter Umständen kann es hier in größeren Gebieten zu kleineren Pro­ blemen bei der Refrakti­ onskorrektur und bei physi­ kalisch orientierten Beob­ achtungen (z. B. tachymetri­ sche Polaraufnahmen) kommen [6], bei der im Allgemeinen angenommen wird, dass die Lotrich­ tung mit der Z-Richtung des Bezugssystems übereinstimmt - was im System der Landesver­ messung stimmt, jedoch nicht im Tangentialsy­ stem. Methode M1 wird hier nicht weiter be­ trachtet, da die Berechnung aus dem System der Kartenabbildung herausgenommen wird, und somit nicht mehr in den Rahmen dieses Auf­ satzes fällt. Methode M2 und M3 stellen Näherungslösun­ gen dar, um die Probleme P2 und P3 bei der Be­ rechnung einer AT (über die Bündelblockme­ thode) im System der Landesvermessung zu be­ seitigen. Bei M2 bleibt die Kamerakonstante un­ verändert, jedoch werden alle in die Berechnung eingehenden Höhen um den entsprechenden Lagemaßstab korrigiert (H kor H Eii c) . Ist das Projektgebiet nicht zu groß, sollte es reichen, ' für die Gebietsmitte zu bestimmen ( ---+ c91abai) und alle Höhen mit 'rglobal zu korrig ieren. In die­ sem Fall wird nur P2 behoben und P3 vernach­ lässigt. Wenn das Projektgebiet sehr groß ist und P3 nicht mehr vernachlässigt werden kann, dann ist ' für jeden Punkt separat zu bestimmen (---+ ciokai) und für die Höhenkorrektur zu verwen­ den. =

·

Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass alle Ergebnishöhen um ' wieder „entkorri­ giert" werden müssen, um sie mit anderen Daten (z. B. terrestrischen Referenzmessungen) verglei­ chen zu können. Jedoch wäre es denkbar, dass diese Arbeit sowohl vom AT-Programm als auch von der Stereomodellauswertungs-Software im Rahmen einer erweiterten Erdkrümmungskorrek­ tur übernommen wird. Der Programm-Benutzer sieht dann immer nur Ellipsoidhöhen, die, bevor sie in die Ausgleichung eingehen, um 'lokal korri­ giert werden. Die Höhen nach der Ausgleichung werden sofort wieder um die Wirkung von cio1

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