SchA SchAusP usPiel DOR DORtmun ORtmunD tmunD MAteR teRiAlIen

SchwA SchwARzbuch zuR zuR WM

Zusammengestellt und herbeigegoogelt herbeigegoogelt von Matthias Seier anlässlich der Premiere von YOU’LL NEVER WALK. ALONE. am 24. Mai 2014 im Institut. Regie: Björn Gabriel

„Im FuSSbAll eRlebt DeR inDiviDuAlisieRte Mensch Den letzten Rest eineR GemeinschAft, mit DeR eR sich iDentifizieRen kAnn. FuSSbAlleR unD VeReine sinD DAbei FluchtPunkte DeR PeRsönlichen IDentifikAtiOn. ZuDem übeRnimmt DeR FuSSbAll in eineR immeR kOmPlexeRen Welt Die FunktiOn, Dem ChAOs DeR MODeRne unD DeR ORientieRungslOsigkeit DuRch StRuktuR unD StAbilität beizukOmmen. Im StADiOn beim FuSSbAll finDet DeR mODeRne Mensch HAlt, nAchDem InstitutiOnen, wie Die ReligiOn, eine geRingeRe ROlle füR ihn sPielen.“1

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Christian Brandt, Fabian Hertel und Christian Stassek: Popularität des Fußballs. In: Hertel, Stassek und Brandt (Hrsg.): Gesellschaftsspiel Fußball. Wiesbaden, 2012.

Heikle Gesetze, beschlossen während FußballFußball-Turnieren WM 2006 Mehrwertsteuer steigt Am 30. Juni 2006 warten alle auf das Viertelfinale der DFB-Elf gegen Argentinien im eigenen Land – und die Zeitungen vermelden die Auswirkungen des am Vortag beschlossenen Haushaltsbegleitgesetzes: die Mehrwertsteuer wird von 16 auf 19 Prozent erhöht, die Pendlerpauschale gekürzt, der Sparerfreibetrag halbiert. Ergebnis? 4: 2 nach Elfmeterschießen. EM 2008 Gesetz zur Arbeitnehmererfassung (Elena) Deutschland gegen Türkei, Halbfinale, 25. August 2008 (3:2). An diesem Tag stellt das Wirtschaftsministerium seine Pläne für eine umfassende Chipkarte vor, die den gläsernen Bürger schafft: Einkommensnachweise, Arbeitnehmerdaten, bezogenen Sozialleistungen – alles sollte auf eine Karte. Die Kritik von Datenschützern verhallte im Torjubel zunächst, doch mittlerweile ist das Projekt eingestellt worden. WM 2010 Erhöhung der Kassenbeiträge Bei der Fußball-WM in Südafrika 2010 steht am Abend das Viertelfinale der DFB-Elf gegen Argentinien an. Es ist der 3. Juli, und die Zeitungen sind voll mit der Vorschau auf das Spiel. Nur klein vermelden sie eine drastische Erhöhung der Krankenkassenbeiträge - von 14,9 auf 15,5 Prozent. Das Wahlversprechen stabiler Beiträge hatte die Regierung damit gebrochen. Auch das SWIFT-Abkommen zur Herausgabe aller Bankdaten an ausländische Behörden wurde durchgewunken. Aber hey, immerhin 0:4 für Deutschland! EM 2012 Meldegesetz verabschiedet Am 28. Juni 2012 wird in Warschau das EMHalbfinale Deutschland gegen Italien angepfiffen (2:1 für Italien nach Verlängerung). Nur rund 30 Abgeordnete sitzen noch im Parlament und winken innerhalb von 57 Sekunden das umstrittene Meldegesetz durch, das den staatlichen Verkauf von Personendaten an Werbe- oder Inkassofirmen erlaubt. Exakt 57 Sekunden dauerten TurboBeratung und -Abstimmung über das Meldegesetz im Bundestag. Es winkten weniger als 30 Abgeordnete in einem beispiellosen Eilverfahren das Gesetz durch. Dabei muss laut Geschäftsordnung eigentlich die Hälfte der Bundestagsmitglieder anwesend sein, erst dann ist das Parlament beschlussfähig. Das wären 311 Abgeordnete. Die Abstimmung hätte eigentlich sofort abgebrochen werden müssen.

Kathar tharin arina ina Peter Peters: Brasilianer erheben sich gegen Milliardensportfeste. SPON, 18. Juni 2013

Die aufstrebende Industrienation Brasilien gilt trotz aller Probleme als fröhliches Land, doch in diesen Tagen wird sie dem Klischee nicht gerecht. Die Massenproteste der vergangenen Tage zeigen, dass die Bürger mit vielem unzufrieden sind. Mehr als 200.000 Menschen nahmen Montagabend an Demonstrationen teil. In der Wirtschaftsmetropole São Paulo blockierten sie eine der Hauptverkehrsstraßen. In mehr als einem halben Dutzend Städten des Landes schrien die Bürger ihre Wut hinaus. Innerhalb von einer Woche haben sich die Proteste ausgebreitet. Erste Aktionen gab es bereits seit Ende März, doch in São Paulo gewannen sie vergangene Woche an Fahrt: Dort empörten sich Bürger über die Erhöhungen von Fahrpreisen. Längst geht es aber um viel mehr. Warum wurde die Protestwelle so schnell so groß? •

Geldverschwendung Geldverschwendung und Misswirtschaft Viele Demonstranten sammelten sich in den vergangenen Tagen vor den Fußballstadien, wo der Confederations Cup auch ein Testlauf für die WM 2014 sein soll. Allein für das Sportevent rechnet Brasilien mit Kosten von umgerechnet rund elf Milliarden Euro - und viele Stadien werden deutlich teurer als geplant. Der Umbau des Fußballtempels Maracanã in Rio de Janeiro kostet 425 Millionen Euro, fast doppelt so viel wie veranschlagt. Geld, das an anderen Stellen dringend gebraucht wird, finden viele Brasilianer. Auf Transparenten fordern die Demonstranten, endlich mehr in das Bildungswesen und das Gesundheitssystem zu investieren. Schlecht arbeitende Verwaltungen verschlimmern das Problem. "Wir haben keine guten Schulen für unsere Kinder. Unsere Krankenhäuser sind in einem schrecklichen Zustand. Korruption greift um sich. Diese Proteste werden Geschichte machen und unsere Politiker aufrütteln", sagt die Demonstrantin Maria Claudia Cardoso in São Paulo. • Steigende Preise Zudem sehen viele Brasilianer, dass die Lebenshaltungskosten drastisch steigen, spürbar auch für Besucher der sportlichen Großereignisse. Momentan sammelt sich die Fußball-Elite zum Confederations Cup, im kommenden Jahr findet die Weltmeisterschaft statt und zwei Jahre später die Olympischen Spiele. Schon jetzt werden Hotels in großen Städten wie Rio de Janeiro immer teurer.

Aber auch das tägliche Leben wird kostspieliger. "Was die Brasilianer umtreibt, ist der Verlust ihrer Kaufkraft mit der Inflation und die Unfähigkeit des Staates, konkrete Lösungen zu finden, was die Krise der Bereiche Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Transport betrifft", schreibt die Zeitung "Folha de São Paulo". Was dagegen definitiv nicht helfe: mehr Fußball. • Korruption Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff regiert seit 2011. Im ersten Jahr ihrer Amtszeit feuerte sie sieben Minister und setzte damit ein Zeichen gegen Korruption. Doch das hat längst nicht alle Probleme im Land beseitigt: Viele Demonstranten empören sich jetzt über allmächtige Funktionäre und Politiker, die Brasilien als Selbstbedienungsladen missbrauchten. "Schluss mit der Korruption", stand am Montag bei den Massenprotesten auf den Plakaten, und: "Für ein besseres Brasilien". Auch der Parlamentarier und frühere Fußballstar Romario de Faria Souza unterstützt die Proteste, prangert er selbst doch seit langem die Verfehlungen an: "Ich wusste, dass Brasilien

ein korruptes Land ist, aber jetzt, wo ich in der Politik bin, sehe ich, dass es viel schlimmer ist als erwartet." •

Umsiedlungen Umsiedlungen Für die sportlichen Großereignisse baut Brasilien in großem Stil um, Tausende Menschen werden umgesiedelt. Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren das Vorgehen der Behörden: Den Anwohnern werden zwar im Gegenzug Wohnungen angeboten, die aber teils weit entfernt von ihrem jetzigen Wohnort liegen. Die Zwangsräumungen und Umsiedlungen verstießen teilweise gegen Menschenrechtsstandards, warnte die UnoSonderberichterstattungen Raquel Rolnik am Freitag, einen Tag vor Anpfiff des Confederations Cup. Die Demonstranten schrieben auf Plakate: "Während die Welt zusieht, wie Männer mit dem Ball spielen, sind mehr als 250.000 Menschen obdachlos." Präsidentin Rousseff versucht nun, die Lage zu beruhigen. "Friedliche Demonstrationen sind legitim. Es liegt in der Natur der Jugend zu demonstrieren", sagte sie am Montag ausweichend. Doch gerade die jungen Brasilianer fühlen sich von ihr nicht repräsentiert. Etwa 200 Menschen besetzten am Montagabend in der brasilianischen Hauptstadt Brasília kurzzeitig Teile des Dachs des Nationalkongresses.

Süddeutsche: Sepp Blatter und die Krawalle in Brasilien - Augenverschließer auf Welttournee 20. Juni 2013

[…] In Brasilien bleiben die Eindrücke haften, die Blatter in den ersten fünf Turniertagen hinterließ: Es begann mit einem etwas altmodisch wirkenden Versuch, sich vor Präsidentin Dilma Rousseff zu stellen, als diese vor dem Eröffnungsspiel in Brasília ausgebuht wurde. "Liebe Freunde des Fußballs: Wo ist der Respekt und das Fairplay, bitte?", rief er ins Mikrofon. Das konnte man ihm noch als großväterliches Versöhnungsangebot auslegen. Viel schlimmer aber: Die Massenproteste auf Brasiliens Straßen schätzte Blatter grundlegend falsch ein. "Der

Fußball ist stärker als die Unzufriedenheit der Menschen. Wenn der Ball einmal rollt, werden die Menschen das verstehen, und das wird aufhören", meinte Blatter. Das Gegenteil war der Fall. Dass er anschließend sinngemäß sagte, die Brasilianer hätten die WM gewollt, warum nun die Klagen, machte ihn am Zuckerhut gewiss nicht beliebter. […] Die Zeiten scheinen verzwickt für den oftmals umstrittenen Spitzenfunktionär. Und in schweren Momenten reagierte Blatter, der einer der ausgebufftesten Machtmenschen im Fußball-Business ist, oft ungeschickt bis falsch. Als die sorgenvolle Gewaltdebatte vor der WM in Südafrika nach dem Mord an dem Österreicher Peter Burgstaller in Durban im November 2007 ihren ersten Höhepunkt erreichte, ließ Blatter jede Pietät vermissen. Weltweit gebe es Kriminalität, sagte Blatter und verwies - als könne man ein Verbrechen mit dem anderen aufwiegen - auf einen Überfall auf ein 16 Jahre altes Mädchen in Zürich. Blatter gibt sich dünnhäutig, wenn seine Herzensprojekte kritisiert werden oder gar er selbst. […] 2012 bei Olympia traute er sich in London zur Medaillenübergabe und wurde ausgebuht. Seine Reaktion in einem TV-Interview: "Stars werden immer ausgebuht, also bin ich ein Star. So muss man das nehmen. Ich dachte, dass Olympia-Publikum wäre ein bisschen gebildeter." Auch politische Korrektheit ließ er schon oft vermissen. Frauen wollte er 2004 in möglichst erotischem Outfit spielen lassen, um deren Sport zu pushen. "Lassen wir Frauen doch in anderen Tenüs spielen als Männer", sagte er tatsächlich. "Heutzutage spielen schöne Frauen Fußball." Klar, dass diese Aussagen als verunglimpfend aufgenommen wurden. Der damalige Pressechef war bemüht, die Dinge zu relativieren. Das Interview sei falsch übersetzt worden. Sechs Jahre später offenbarte Blatter sein Verhältnis zu seinen Medienleuten: "Ich würde viel mehr sprechen, aber die Pressestelle der Fifa erlaubt das nicht", sagte er in einem dpa-Interview 2010. […] Die Funktionäre und das politische Weltgeschehen - diese Verbindung ist aber auch aus deutscher Sicht nicht einfach. Während Blatter sich in Südamerika gerade aus dem Staub machte, reist Franz Beckenbauer an diesem Donnerstag als Botschafter an den Zuckerhut. Sein Kommentar zur Lage in Brasilien lässt ebenfalls Verständnis vermissen: "Die ProtestBilder kommen für mich überraschend“, sagte der 67-Jährige der Bild-Zeitung, "kein Land liebt den Fußball mehr als Brasilien." Dass Beckenbauer sensibler auftritt als Blatter, ist also nicht zu erwarten.

Sportinformationsdienst (sid): Blatter kritisiert Demonstranten in Brasilien 19. Juni 2013

Joseph Blatter, Präsident des Fußballweltverbands Fifa, hat sich erstmals zu den Demonstrationen in Brasilien geäußert: "Ich kann verstehen, dass die Menschen nicht

glücklich sind. Aber ich denke, sie sollten den Fußball nicht dazu nutzen, um ihre Forderungen zu verkünden", sagte Blatter dem Fernsehsender TV Globo. Die Proteste seien "keine Angelegenheit für die Fifa". "Das Einzige, was ich sagen kann: der gute Fußball und die hervorragenden Stadien, die wir anbieten, sind dazu da, zu unterhalten und Emotionen zu geben", äußerte der Schweizer. "Brasilien hat diese WM verlangt. Wir haben Brasilien diese Weltmeisterschaft nicht aufgezwungen. Sie wussten, um die WM zu bekommen, müssen Stadien gebaut werden", sagte Blatter. Allerdings seien die teuren Neubauten nicht nur für das Fußballturnier gedacht. Neben den Stadien gebe es auch andere Bauvorhaben wie Straßen, Hotels und Flughäfen. "Dies bleibt als Erbe für die Zukunft", sagte Blatter. Er sieht Brasilien gut gerüstet für die WM im kommenden Jahr: "Brasilien ist vorbereitet." […] Während sich die brasilianische Nationalmannschaft bereits mit den Demonstranten solidarisiert hat, hat nun auch Ex-Nationalspieler Juninho seine frühere Auswahl zu einer Protestaktion aufgefordert. Die Spieler sollten vor der Confed-Cup-Partie an diesem Mittwoch in Fortaleza gegen Mexiko die Nationalhymne mit dem Rücken zur Landesflagge mitsingen. Dies schrieb der 38-Jährige auf seiner Facebook-Seite. […]

Die WM-Bewerbung Katars galt in der westlichen Welt als aussichtslos. Die Kritik der Vergabe an Katar wird im Wesentlichen damit begründet, dass das Land keine fußballerische Tradition vorzuweisen habe: Noch nie war Katar zuvor bei einer WM vertreten, bei der Vergabe nahm Katar in der FIFA-Weltrangliste Platz 113 ein. Die FIFA trat dem mit der Erklärung entgegen, dass man neue Wege gehen wollte.

Claudio Catuogno, Thomas Kistner: Erste Chance zur Attacke. Süddeutsche Zeitung, 2. Juli 2012

Ebenso dubios ist die Rolle gewesen, die [UEFA-Vorsitzender Michel] Platini - als EuropaVertreter in der Fifa - bei der Vergabe der WM 2022 an Katar spielte. Gleich nach der Kür Ende 2010 rügte er das Votum scharf wegen der 50-Grad-Sommerhitze am Golf. Er plädierte dafür, das Turnier in den Winter zu verlegen. Wollte Platini retten, was seine Kollegen verbockt hatten? Keineswegs. Im Februar 2012 flog auf, dass sein Sohn Laurent in die Chefetage der Qatar Sport Investment (QSI) einsteigt - und plötzlich räumte Papa Michel ein, dass auch er für Katar gestimmt hatte. Warum, konnte er ebenso wenig darlegen wie die anderen 13 FifaVorständler, die für das reiche Emirat votiert hatten.

In Katar ist Homosexualität, im Einklang mit der traditionellen islamischen Moral, verboten. Es gibt keine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen oder eheähnlicher Lebensgemeinschaften. Hauptquelle der Rechtsprechung in Katar ist die Scharia. In Katar ist Homosexualität verboten. Nach Artikel 201 des Strafgesetzbuchs aus dem Jahr 1971 wird „Sodomie“ – unabhängig vom Geschlecht – mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Es gibt bekannte Fälle, in denen auch Nicht-Bürger Katars unter das Strafgesetz gestellt wurden. So erhielt 1996 ein US-Bürger eine sechsmonatige Haftstrafe und 90 Peitschenschläge.

Constantin Wissmann: Keinen Sex während der WM. DIE ZEIT, 19. Januar 2011

Nach der Entscheidung für Katar beeilte sich Sepp Blatter, die Freunde des Alkohols zu beruhigen: Ganz sicher werde es alkoholische Getränke geben, sagte er. Für homosexuelle Fans hatte er zunächst nur Spott übrig. "Ich denke, sie sollten bei der WM jegliche sexuellen Aktivitäten unterlassen", sagte Blatter unter Gelächter. Nach heftigen Protesten von Fans und Sportlern entschuldigte sich Blatter zwar. "Es war nicht meine Intention und es wird niemals meine Intention sein, jemanden zu diskriminieren", sagte er. Doch reicht das aus? "Es zeigt einfach, wie wenig Blatter verstanden hat", sagt Louise Englefield, die Kopräsidentin des europäischen Dachverbands schwuler und lesbischer Sportler (EGLSF). "Es geht uns nicht darum, Sex zu haben, sondern darum, nicht verfolgt zu werden." Auch Brüllau überzeugt Blatters Entschuldigung nicht. "Allein, dass er das Wort schwul oder lesbisch nicht in den

Mund nimmt, sondern von einer bestimmten Gruppe spricht, sagt alles über seine Haltung aus." […] Dass auch in Europa noch viel Aufklärungsarbeit vonnöten ist, hat der Präsident des kroatischen Fußballverbands, Vlatko Marković, jüngst bewiesen. "Solange ich Präsident bin, werden sicher keine Homosexuellen im Nationalteam spielen", sagte er. Denn: "Fußball spielen nur normale Menschen."

Die nigerianische Trainerin des Frauen-Nationalteams, Eucharia Uche, sagte in einem Interview vor der Frauen-WM 2011: „Ja, die Lesben in unserer Mannschaft waren wirklich ein großes Problem. Aber seitdem ich Trainerin der Falcons bin, hat sich das erledigt. Es gibt keine lesbische Spielerin mehr in meinem Team. Ich kann diese dreckige Lebensweise nicht tolerieren.“ Woraufhin die FIFA vier Tage später so reagierte: „Jedes Land hat eine eigene Gesetzgebung und jede Person hat eine eigene Meinung. Das ist auch richtig so. Wir werden aber in einem Gespräch auf die FIFA-Statuten und das Reglement hinweisen und versuchen zu helfen, dass so etwas nicht mehr passiert.“

Arbeitsmigranten in Katar – der Stand der Dinge Das Emirat Katar hat zwar sehr viele Rohstoffe, doch zu wenig Arbeitskräfte im Dienstleistungs- und Baugewerbe. Daher verfügt das Emirat über viele Arbeitsmigranten – Menschen, die nicht die katarische Staatsbürgerschaft besitzen und für einen gewissen Zeitraum in Katar arbeiten. Nach UNAngaben hat Katar die höchste Quote an Arbeitsmigranten der Welt, so sind auf die gesamte Bevölkerung bezogen 88 Prozent der Einwohner ausländischer Herkunft. Arbeitsmigranten führen praktisch sämtliche manuelle Arbeit und alle Bauvorhaben in dem Kleinstaat aus, darunter auch den Bau sämtlicher WM-Stadien für die Fußballweltmeisterschaft 2022. Praktische Arbeit ist in der Kultur Katars, geprägt von der Tradition als Emirat, verpönt. Die meisten Arbeitsmigranten kommen aus Nepal, Pakistan und Indien sowie aus Ländern Nord- und Ostafrikas. Im Bausektor arbeiten fast ausschließlich Männer, als Haushaltshilfen und im Servicebereich auch viele Frauen in Katar. Auf 230.000 Einheimische kommen rund 1,6 Millionen Gastarbeiter. In keinem Sektor verfügt Katar über gesetzliche Regelungen bzgl. eines Mindestlohns. Auch gibt es keinen Straftatbestand von sittenwidrigen Löhnen. Eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht existiert nicht und kann von den Arbeitern privat auch nicht bezahlt werden. Das sogenannte Kafala-System erlaubt es Firmen, ihren Angestellten den Wechsel des Arbeitgebers oder das Verlassen des Landes zu verbieten. Arbeitgeber ziehen teilweise die Pässe ihrer Angestellten ein und händigen sie erst bei Vertragsende wieder aus. Einheimische Unternehmer reichen Gastarbeiter nach Belieben an andere Firmen weiter und müssen dazu nicht deren Einverständnis einholen. Viele Arbeiter erhalten oft monatelang keinen Lohn und werden trotzdem zur Arbeit gezwungen, indem man ihnen mit einem kompletten Lohnausfall oder der Abschiebung droht. Wie ein Wanderarbeiter aus Nepal den Journalisten des britischen Guardian berichtete, bekäme er 250 US-Dollar Lohn im Monat und man habe ihn mit dem Versprechen auf einen höheren Lohn nach Katar gelockt. In Katar starben im Jahr 2012 rund 200 Arbeiter aus Nepal, viele an Herzversagen nach extrem langen Schichten in der sommerlichen Hitze oder durch schwere Arbeitsunfälle. Bei Beschäftigten aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka liegen die Zahlen in ähnlicher Höhe. Mehr als 1.000 Arbeiter wurden auf den Baustellen verletzt. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) ging 2013 davon aus, dass bis zur FIFA-Fussballweltmeisterschaft 2022 4.000 Arbeiter auf den Baustellen dieses Projektes sterben werden, wenn sich nichts an der Situation der Arbeitsmigranten ändert. Allein zwischen dem 4. Juni und dem 8. August 2013 starben 44 Gastarbeiter, die Hälfte davon aufgrund von Herzversagen oder bei Arbeitsunfällen. Nach Recherchen des Guardian wird Arbeitern auf den Baustellen zum Teil Wasser zum Trinken und zur Abkühlung verweigert, ebenso die Nahrungsaufnahme, dabei herrschen im Sommer in Katar Temperaturen um 50°C.

Arbeitsmigranten in Katar – die WM Für die WM in Katar entstehen Bauwerke im Wert von rund 185 Milliarden Euro. Dazu gehören vor allem Stadien, aber auch Schienen und Straßen, Einkaufszentren und Wolkenkratzer. Die dazugehörigen Baukonzerne stammen aus China, Saudi-Arabien oder auch aus Europa (bspw. Hochtief). Die Vereinten Nationen forderten Katar am 10. November 2013 mit Blick auf die WM auf, die Lage der Arbeitsmigranten zu verbessern. So sagte der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte von Migranten: „Bei vielen Einwanderern werden an ihren Arbeitsplätzen die Menschenrechte verletzt,

manche erhalten ihren Lohn nicht, oder ihnen wird weniger gezahlt als vereinbart.“ Amnesty International berichtete auf einem 153-seitigen Bericht über eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen in Katar. AI sprach dabei von einer systematischen Ausbeutung in der Baubranche sowie Zwangsarbeit und moderne Sklaverei. Außerdem wurde eine internationale Petition an die Verantwortlichen in Katar gestartet – 660.000 Unterschriften bisher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund machte auf die Bedingungen aufmerksam. Michael Sommer, DGBVorsitzender, attackierte den Fußball-Weltverband FIFA und den WM-Ausrichter Katar in aller Schärfe und fordert seine Gewerkschafts-Kollegen auf, bei den nationalen Fußballverbänden Einfluss zu nehmen:

Es kann nicht sein, dass die WM in einem Land stattfindet, das seine Arbeiter wie Sklaven behandelt. 2011 hat die FIFA die WM vorschnell nach Katar vergeben. Die Entscheidung wurde auf offenkundig fragwürdiger Basis getroffen. Das katarische Organisationskomitee wehrt sich gegen die Vorwürfe. Es gebe auf den Baustellen erhebliche Fortschritte, über die die Medien nicht berichten würden. Es sei eine Arbeiter-Charta verabschiedet worden. Zudem würden zurzeit Standards entwickelt, „zu denen sich alle Vertragspartner bekennen müssen“. Dabei stehe Katar in stetem Austausch mit NGOs und Menschenrechtsorganisationen. Die FIFA teilte nach den ersten Berichten des Guardian mit, sich bei den katarischen Behörden um Aufklärung der Vorwürfe zu bemühen. Rasch jedoch relativierte er jenes angebliche Engagement wieder, indem er mitteilte: „Es tut uns sehr leid, was passiert ist. In jedem Land kann es aber geschehen, dass es Todesfälle auf den Baustellen gibt, insbesondere auf WM-Baustellen.“ Zudem meinte er: „Wir wollten Katar, und wir ziehen das durch.“

Schmiergeld und Bestechlichkeit innerhalb der FIFA Die schweizerische Sportmarketing Firma ISL (International Sport and Leisure), die 2001 Konkurs anmeldete, zahlte nach BBC-Recherchen rund 100 Millionen US-Dollar an Schmiergeld, um FIFAEntscheidungen zu beeinflussen. Der BBC liegt eine Liste von 175 geheimen Zahlungen vor. Der zufolge sollen auch drei Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, das über die Auswahl des Ausrichters von Weltmeisterschaften entscheidet, Zahlungen erhalten haben: • Nicolas Leoz, Präsident der südamerikanischen Fußball-Organisation CONMEBOL in den Jahren 1998/99 je 600.000$, • Issa Hayatou, Präsident der afrikanischen Fußball-Organisation Confederation Africaine de Football im Jahr 1995 20.000$, • Ricardo Taxeira, Präsident des brasilianischen Fußballverbands 9,5 Millionen US-Dollar. Obwohl erwiesen ist, dass hochrangige Offizielle des Fußball-Weltverbandes Fifa von der Firmengruppe ISL/ISMM, einst Weltmarktführer im Sportmarketing, viele Millionen Euro Schmiergeld erhalten haben, wurden die Ermittlungen eingestellt. Die Funktionäre haben sich quasi freigekauft. Die Staatsanwaltschaft im schweizerischen Zug, einst Sitz des ISL-Konzerns, gab am Donnerstag den spektakulären Deal bekannt: Demnach haben die Funktionäre aus dem Fifa-Umfeld eine sogenannte "Wiedergutmachungszahlung" in Höhe von 5,5 Millionen Schweizer Franken geleistet und tragen die Kosten des vor fünf Jahren aufgenommenen Teilverfahrens. Im Gegenzug bleiben die Namen der bestochenen Funktionäre geheim. Damit bleibt eines der größten Rätsel des Weltsports ungeklärt. Unklar bleibt auch, wer diese 5,5 Millionen gezahlt hat und ob dieses Geld eventuell von Fifa-Konten stammt. Die Fifa teilte mit, der Fall sei "nun endgültig abgeschlossen". Präsident Joseph Blatter sei von jeglichem Fehlverhalten in dieser Angelegenheit "freigesprochen". Weitere Erklärungen werde man nicht abgeben. Die FIFA wehrte sich gegen die Veröffentlichung eines 41-seitigen Papiers der Staatsanwaltschaft, das das Korruptionssystem rund um die FIFA, den ehemaligen FIFA-Präsidenten João Havelange und seinen früheren Schwiegersohn Ricardo Teixeira beschreibt, die laut Dokument Schmiergelder in Millionenhöhe kassiert haben. In der Einstellungsverfügung wird Bezug auf Sepp Blatter genommen (ohne ihn namentlich zu nennen), der zumindest von den Schmiergeldzahlungen gewusst haben müsste. Zu den Geschäftsprinzipien der ISL-Gruppe gehörte es, mittels Bestechung an lukrative und teilweise milliardenschwere TV- und Marketingverträge zu gelangen, und zwar mit Sportorganisationen wie dem IOC, der FIFA sowie anderen Verbänden, unter anderem im Bereich Leichtathletik, Schwimmen und Basketball. Zwischen 1989 und 2001 wurden allein 138 Millionen Schweizer Franken Bestechungsgeld an hohe olympische Sportfunktionäre gezahlt, wie während eines Strafprozesses gegen ehemalige ISLManager im Frühjahr 2008 publik wurde. Damals erklärte der einstige ISL-Finanzchef Hans-Jürg Schmid: "Das ist, als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet." Der frühere ISMM-Verwaltungsratschef Christoph Malms sagte aus: "Diese Praxis war unerlässlich, sie war

branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts. Ohne das geht es nicht.“

Vertreibung von Armen in Elendsquartiere für die WM 2010 Im Vorfeld der WM in Südafrika kam es zu Vertreibungen von Menschen aus Armensiedlungen. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte berichtete unter anderem über 20.000 Menschen, die wegen der WM in Übergangscamps verfrachtet wurden. Im Bestreben, Südafrika in einem möglichst positiven Licht zu präsentieren, wurden nach Augenzeugenberichten auch Straßenkinder deportiert. deportiert Im April 2010 lancierte das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) eine Petition an die FIFA, in der sie deren Präsidenten Blatter dazu aufrief, sich aktiv für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. Die FIFA weigerte sich jedoch am 8. Juni 2010, die über 13.000 Unterschriften offiziell entgegenzunehmen. Die „Temporary Relocation Area“ (TRA), in der die Straßenkinder und Slumbewohner umgesiedelt wurde, wurde von den Bewohnern „Tin Can Town“ genannt. Für sie stellt es vielmehr ein Konzentrationslager als ein Umsiedelplatz dar. Der Guardian2 schreibt: "It's a dumping place," said Jane Roberts, who lives in the sparsely furnished structure known as M49. "They took people from the streets because they don't want them in the city for the World Cup. Now we are living in a concentration camp." Roberts, 54, added: "It's like the devil runs this place. We have no freedom. The police come at night and beat adults and children. South Africa isn't showing the world what it's doing to its people. It only shows the World Cup."

Die Stadt, nur kurz hinter dem für die WM massiv renovierten, milliardenschweren Flughafen Johannesburgs gelegen, ist laut vielen Zwangseinwohnern schlimmer als die Townships zur Zeiten der Apartheid. Blikkiesdorp, so der offizielle Name dieser Anlage, soll 6500 Einwohnern eine „Notfallbehausung“ zukommen lassen. Inoffizielle Quellen schätzen die Einwohnerzahl zur Zeit der WM 2010 jedoch auf mehr als 15.000 Einwohner. Familien mit sechs oder sieben Mitgliedern finden sich in 18m²-Blechhütten wieder, die Wände werden im Sommer bis zu 40°C heiß. HIV und Tuberkulose grassieren. Kinder, die in Blikkiesdorp geboren werden, existieren offiziell nicht, da es keine Amtsverwaltung gibt. Elektrizität ist zwar rudimentär vorhanden, doch Straßen, Müllentsorgung oder andere Arten von Infrastruktur gibt’s nicht. Duschen und WC funktionieren meist nicht. Nachts gibt es permanente Polizeirazzien, die meist mit Gewalt verbunden sind.

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David Smith: Life in 'Tin Can Town' for the South Africans evicted ahead of World Cup. The Guardian. 1. April 2010.

„WeltmeisteRschAften müssen neu geDAcht weRDen. Sie können Angesichts vOn ARmut unD leeRen öffentlichen KAssen nicht weiteRhin Als Obszönes AusgAbenfestivAl inszenieRt weRDen. Sie müssen vORhAnDene InfRAstRuktuR nutzen unD nuR DA eRweiteRn, wO ihRe nAchhAltige Nutzung gARAntieRt ist. UnD sie müssen Die BevölkeRung in Die PlAnung einbeziehen, stAtt sie zu veRtReiben. Eine AnDeRe WM wäRe möglich, AbeR ist sie mit DieseR FifA möglich?“3

Inszenierungsfotos: Birgit Hupfeld

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Thomas Fatheneuer: Das brasilianische Märchen. taz – die tageszeitung. 3. Mai 2014.