und Weltanschauungen und dazu jede erdenkliche Kombination von all diesen

Informationsbrief der Deutschen L‘Abri-Kontaktarbeit e. V. „Pluralismus“, „Relativismus“ und „Toleranz“ – diese drei Wörter sind die Quelle für ein ei...
Author: Karoline Kramer
17 downloads 2 Views 530KB Size
Informationsbrief der Deutschen L‘Abri-Kontaktarbeit e. V. „Pluralismus“, „Relativismus“ und „Toleranz“ – diese drei Wörter sind die Quelle für ein einzigartiges Durcheinander, das sich vom persönlichen Glauben bis hin zur öffentlichen Politik erstreckt. Dieses Durcheinander hat zu einer völlig unnötigen Verschüchterung der Christen im öffentlichen Diskurs geführt, als ob die, die das historische Christentum ablehnen, von einem moralisch höheren Standpunkt aus sprechen.

es gibt eine Vielfalt an Glaubensrichtungen und dazugehörigen Institutionen. Wer das bezweifelt, kann ebenso die Existenz von New Jersey anzweifeln… ob es einem gefällt oder nicht, es ist immer noch da. Es gibt tausende Denominationen innerhalb der traditionellen christlichen und jüdischen Gruppierungen, daneben die komplette Palette anderer Weltreligionen, ebenso die „säkularen“ Religionen und Weltanschauungen und dazu jede erdenkliche Kombination Lassen Sie mich mit einigen funkti- von all diesen. onalen Definitionen anfangen. Allein schon diese Begriffsklärungen würden Das amerikanische Experiment beeinige Missverständnisse ausräumen, gann mit einem entscheidenden Bruch wenn man sich auf sie einigen würde: mit dem europäischen Modell: Der Pluralismus ist eine gesellschaftliche erste Verfassungszusatz der ameriGegebenheit. Relativismus ist eine kanischen Verfassung bejaht aus-

des Pluralismus dramatisch zugenommen, doch mit Ausnahme des amerikanischen Bürgerkriegs ist Amerika immer fähig gewesen, eine funktionierende Einheit inmitten dieser Vielfalt zu erhalten. Eine der amerikanischen Stärken war dieses ernsthafte Bestreben nach Pluralismus. Der Staat wurde von der Übernahme durch eine Staatskirche bewahrt, die die Politik über die öffentliche Meinung hinweg dominieren könnte. Die Kirche wurde ebenso vor innerem Verfall bewahrt, der sich schnell einschleicht, wenn sie der Verführung durch die Macht erliegt. Gleichzeitig wurde diese Nation positiv durch die moralischen Überzeugungen ihrer Bewohner ge-

Pluralismus, Relativismus und Toleranz Dick Keyes

philosophische Lehre, die eine Interpretation dieser Gegebenheit bietet. Toleranz ist eine persönliche Einstellung und/oder gesellschaftliche Vorschrift, wie wir mit diesem Faktum umgehen.

Pluralismus Religiöser und philosophischer Pluralismus ist in Amerika (und Europa! Anm. Übers.) einfach eine gesellschaftliche Tatsache. Das bedeutet,

drücklich einen religiösen und philosophischen Pluralismus. Es sollte verhindert werden, dass eine Gruppe die Macht des Staates dazu einsetzte, um das eigene Glaubensbekenntnis zu verbreiten, eine einheitliche Staatskirche aufzubauen oder anderen eine vorgeschriebene Ideologie aufzuzwingen. Es eröffnete den Bürgern aber auch die Freiheit, religiöse oder nichtreligiöse moralische Werte in die öffentliche Politik einzubringen – wenn sie andere davon überzeugen konnten. Seit dieser Zeit hat das Ausmaß

prägt, sei es von bewussten Glaubensbekenntnissen oder daraus entwickelten Traditionen.

Relativismus Relativismus ist eine weit verbreitete philosophische Lehre, die eine bestimmte Deutung des Pluralismus bietet. Dabei ist diese Lehre nur eine von mehreren Möglichkeiten, die Pluralität an Überzeugungen zu erklären.

II/2004

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Editorial

Pluralismus, Pluralität, Vielfalt… das scheinen Begriffe zu sein, die uns in der L’Abri-Kontaktarbeit gerade beschäftigen. Für dieses Heft haben wir einen Klassiker der L’Abri-Lectures übersetzt. Wir finden, dass es ein hervorragender, prägnanter Text zum Thema Pluralismus-RealtivismusToleranz ist. Nicht beabsichtigt, aber dennoch passend (wie wir im nachhinein feststellten) soll es auf dem kommenden L’Abri-Wochenende vom 15.-17. Oktober um Pluralität, also Verschiedenartigkeit oder Vielfalt, gehen. ‘Pluralität feiern’ ist das Motto – und wir hoffen, dass ihr dieses Wochenende möglichst zahlreich und vielfältig mit uns gestaltet! L’Abri wird ebenfalls immer vielfältiger. Ein Interview mit Doug und Maggie Curry aus dem neu eröffneten Zweig in Kanada wartet auf euch in diesem Heft. Ganz verschiedenartig waren die AkzenteAusgaben der letzten 10 (!) Jahre. Wir haben die Themen und Artikel aller bisherigen Hefte für euch zusammengestellt. Gerne könnt ihr Hefte nachbestellen, bzw. Texte als pdf-Dateien bekommen.

Inhaltsverzeichnis 1

Pluralismus, Relativismus und Toleranz Dick Keyes

8

Handwerk hat goldenen Boden Jutta Schäfer

10 Vorstellung: AG L’Abri-Akzente Robb und Christa Ludwick 12 Titel zwo drei vier Hanna Reuther 15 L’Abri International 2

Impressum

In eigener Sache Diese Zeitschrift wird kostenlos verschickt. Da die Druckkosten für eine solch kleine Auflage jedoch sehr hoch sind, bitten wir euch um finanzielle Unterstützung. Es wäre schön, wenn sich diese Zeitschrift auf diese Weise tragen könnte. Wir bitten um Spenden auf das Konto der Deutschen L’Abri-Kontaktarbeit e.V.: Bank für Kirche und Diakonie eG Duisburg, BLZ: 350 601 90, Kto.: 101 210 3014. Für diese Spenden stellen wir Spendenbescheinigungen aus, die steuerabzugsfähig sind. Vielen herzlichen Dank für eure Mithilfe!

Viel Spaß und gute Gedanken beim Lesen.

Für das Redaktionsteam,

Impressum Herausgeber:

Deutsche L’Abri-Kontaktarbeit e.V. c/o Petra und Andreas Hartmann Im Häg 9 38474 Tülau-Voitze Tel. (0 58 33) 97 08 82 Fax (0 58 33) 97 08 81 [email protected] www.labri.de

Satz &Layout: Druck:

Isa Dettweiler, Regine Tholen Dönges-Druck, Dillenburg

Eva Walldorf

Bankverbindung: Bank f. Kirche & Diakonie eG Konto 101 210 30 14 BLZ 350 601 90 Bitte Verwendungszweck angeben.

2 L’ABRI-AKZENTE

Thema

Lassen Sie uns zunächst betrachten, was der Relativismus ablehnt, und dann, was sein Anliegen ist. Er bestreitet, dass irgendeine Religion oder Philosophie Wahrheitsaussagen machen kann, die absolut sind. Es gibt nichts Absolutes. Wir können über Gott sprechen, aber es kann keine Sicherheit darüber geben, ob das was wir über ihn aussagen, wirklich mit der Realität übereinstimmt, wenn es denn überhaupt einen Gott gibt. Die Annahme, dass es eine erkennbare und beständige Wahrheit über letzte Dinge gibt, gilt als naiv und ethnozentrisch: Alle Wahrheitsaussagen sind nur „relativ“, bezogen auf die räumlichen und historischen Faktoren, die sie hervorgebracht haben – soziale, psychologische oder ökonomische. Es gibt keinen überkulturellen Maßstab, anhand dessen Religionen und Philosophien auf ihre Wahrheit hin bewertet werden könnten. Der Relativismus behauptet, dass jede Religion und Philosophie ein Versuch eines Individuums oder einer Gruppe ist, das Unbenennbare aus seiner eigenen eingeschränkten Sicht zu benennen. Der Inhalt eines jeden Glaubenssystems ist nicht von Bedeutung, da es nur zu der jeweiligen Kultur gehört, in der es entsteht. Jede Religion oder Philosophie erfülle letztlich die gleiche Aufgabe auf verschiedenen Wegen: Sie drücke das menschliche Verlangen nach dem Höchsten, Letzten und Absoluten aus und sorge für soziale und psychologische Stabilität. Man darf über eine religiöse Lehre diskutieren, ob sie hilfreich ist, ein soziales oder psychologisches Ziel zu erreichen. Aber es gilt als absurd, die eine als wahr und die andere als falsch zu bezeichnen. Wir sprechen von Schokoladeneis nicht als „wahr“ und von Vanilleeis als „falsch“, obwohl wir bestimmt eines lieber mögen. Beide erfüllen auf nur minimal unterschiedliche Weise dieselbe Funktion. Genauso

sagt der Relativist, dass es sinnlos ist, bei Religionen von „wahr“ oder „falsch“ zu reden. Einem Relativisten zufolge ist das einzig „Falsche“, das wir tun können, über den Glauben eines anderen zu urteilen. Das sei mangelnde Offenheit, geboren aus Ethnozentrismus und Scheinheiligkeit.

geht dabei seltsamerweise dem Säurebad seiner eigenen relativistischen Analyse. Das ist das Anmaßende am Relativismus.

Der Relativismus lehnt es ab, relativiert zu werden

Obwohl der Relativismus dafür bekannt ist, den Pluralismus hochzuhalten, tut er genau das nicht. Denken Sie beispielsweise an die allgemein

Relativismus zerstört Pluralismus

Die Verwirrung ist oft groß, da sich der Relativismus auf zwei ganz verschiedenen Ebenen in unsere Auseinandersetzungen einmischt, die wir sorgfältig unterscheiden müssen: Auf der einen Ebene ist er einfach eine philosophische Lehre unter vielen. Aber auf der anderen Ebene ist er eine Art Meta-Philosophie, die uns vorschreibt, wie wir alle Lehren aus allen anderen Quellen zu verstehen haben. Das erklärt, wieso er auf der einen Seite so bescheiden klingt – als wenn nur der Relativist die menschliche Fehlbarkeit vollständig berücksichtigen würde –, aber im nächsten Moment so arrogant klingen kann, als ob allein dem Relativisten eine Offenbarung der absoluten Wahrheit zuteil geworden ist. Der Relativismus ist eine Sichtweise, aber er nimmt für sich in Anspruch, der Deutungsrahmen für alle anderen zu sein. Wie wir gesehen haben, ist der springende Punkt an der relativistischen Kritik, dass alle ultimativen religiösen oder philosophischen Überzeugungen richtig verstanden keine möglichen Quellen von wahrem Wissen über Gott oder letzte Wahrheiten sind, sondern nur Produkte ihrer Kultur, die versuchen, das Unfassbare zu fassen. Aber gleichzeitig beansprucht der Relativismus eine Art Immunität gegen die eigene Kritik. Wir sollen glauben, dass allein er nicht nur ein Produkt der relativierenden Faktoren seiner eigenen Kultur (modern, westlich, akademisch, besitzstrebend), sondern auf geheimnisvolle Weise objektiv und zeitlos wahr ist. Er allein kommt zu uns in erkenntnistheoretisch makelloser reiner Wahrnehmung – und ent-

L’ABRI-AKZENTE 3

Thema

übliche Darstellung des religiösen Relativismus, die wir alle gehört haben: Dass die verschiedenen Weltreligionen alles Wege sind, die den gleichen Berg hinaufführen. Obwohl die Reisenden auf jeder Straße während des Aufstiegs die anderen auf den verschiedenen Wegen nicht sehen können, treffen alle oben zusammen (mit Gott?). Diese Analogie scheint eine faire und demokratische Perspektive der Vielfalt religiöser Optionen zu bringen. Doch es täuscht, denn wer dies glaubt, hat eine neue Meta-Religion geschaffen; ein Paradigma, das beansprucht, alle anderen Religionen zu interpretieren.

Die Berg-Analogie zeigt, dass der Relativismus wahren Pluralismus ausschließt und sich über ihn erhebt. Es ist okay, auf unserem eigenen kleinen Weg den Berg hochzusteigen, solange wir einsehen, dass der Glaube unseres Weges und seine Praktiken nur unsere persönliche Vorliebe sind, die aus unserer Kultur oder unserem Bewusstseinszustand erwachsen sind. Die Überzeugungen sind nicht wahr in dem Sinne, dass sie mit dem übereinstimmen, wer Gott wirklich ist und wie wir ihn erkennen können. Relativismus erlaubt Pluralität nur in der privaten Welt der Meinungen, die keine allgemeine Gültigkeit haben. Aber er besteht auf Einheitlichkeit, Dieses Paradigma soll die eine wenn es um letzte Wahrheiten geht, richtige Lehre sein, mit der man die allgemein gültig sein sollen. den Pluralismus interpretiert. Als solcher ist der Relativismus alles Von der Lobhudelei auf den Pluraandere als relativistisch – er ist das lismus einmal abgesehen, toleriert Absolute. Er setzt voraus, dass der der Relativismus diesen nicht einmal Relativist nicht ein rein menschlicher wirklich, außer eben in dieser überReisender ist, mit eingeschränkter heblichen Weise. Nach dem PluralisSicht auf einem der Wege, sondern mus gibt es eine Vielfalt religiöser dass er oder sie eine Flugzeugpers- und philosophischer Wahlmöglichpektive auf den ganzen Berg und alle, keiten. Nach dem Relativismus gibt die ihn besteigen, hat und uns daher es letztlich keine Vielfalt der Wahrsagen kann, wie wir Gott und unsere heiten, sondern nur eine einzige, die Suche nach ihm verstehen müssen. alle anderen Kandidaten erklärt. Auf Der allerwichtigste Punkt der Analo- der Ebene letzter Wahrheit gibt es gie, nämlich die herausgehobene Pers- keine Vielfalt, sondern Uniformität: pektive des Erzählers, wird normaler- den Absolutheitsanspruch des Relaweise nicht erwähnt – am wenigstens tivismus. von ihm selbst. Beispielsweise klingt es sehr hochstehend, wenn jemand sagt, dass es in der Religion darauf ankomme, gemeinsam nach dem Absoluten zu streben – und nicht auf Lehren, Ethiken oder heilige Handlungen. Aber das ist nicht so aufrichtig und

4 L’ABRI-AKZENTE

pluralistisch wie es scheint. Jedenfalls sehen sich sehr viele Menschen in verschiedenen Weltreligionen nicht so; viele würden für ihre Überzeugungen und Werte sogar sterben (einige sogar für ihre Heiligtümer). Genaugenommen ist es eher hochmütig als hochstehend. Wenn jemand behauptet, das Christentum (das an einen persönlichen Gott glaubt) und der Buddhismus (der einen persönlichen Gott ablehnt und in seinen Aussagen über einen unpersönlichen Gott sehr vage ist) seien letztlich in den wichtigsten Punkten identisch, der verneint die Pluralität, die dort existiert. Es ist eine von oben herab verordnete Einheit.

Der Streit über den Begriff der „Bekehrung“ Haben Sie mal darüber nachgedacht, warum Wörter wie „Bekehrung“ oder „Wiedergeburt“ heute eher Schimpfwörter sind? Wieso sind sie so beleidigend? Eine mögliche Antwort ist, dass sie von denen, die sie hauptsächlich gebrauchen, so trivialisiert wurden, dass sie nun einen bitteren Beigeschmack haben. Das mag teilweise stimmen, aber es gibt einen tieferen Grund, und der liegt nicht in unserer Bindung an den Pluralismus.

Thema

Tatsächlich ist es genau andersherum: Ich denke, dass die Idee einer Bekehrung eine solche Furcht auslöst, weil Menschen Angst haben, sich mit den Implikationen des Pluralismus auseinander zu setzen. Eine ehrliche Betrachtung des Pluralismus gibt religiöse Unterschiede und ihre tiefgreifenden Konsequenzen zu. Aber wenn man wichtige Unterschiede zwischen den Religionen erkennt, ist man vor schwierige Entscheidungen gestellt und stößt auf die Möglichkeit einer „Bekehrung“. Es ist viel bequemer, dem Relativisten Glauben zu schenken, der einem versichert, dass alle Wege zum gleichen Ziel führen. Dann brauche ich mir keine Gedanken zu machen über eine echte Bindung an einen Gott oder eine letzte Wahrheit. C.S. Lewis beschreibt die Befreiung, als er in jungen Jahren seinen christlichen Glauben aufgab: „Ich wandelte sehr bald ‚ich glaube’ um in ‚man fühlt’. Welche Erleichterung! Vom tyrannisierenden Mittag der Offenbarung schritt ich in die kühle Abenddämmerung höheren Denkens, wo es nichts zu befolgen gab und nichts geglaubt werden musste, was nicht entweder beruhigend oder hochinteressant war.“ In gewisser Weise ist es beruhigend zu meinen, die höchste Autorität, der wir uns je stellen müssten, sei unser eigenes subjektives moralisches Bewusstsein.

Relativismus ist das wahre Opium fürs Volk. Er verhindert ernsthafte Diskussionen über die wichtigsten Themen, verwässert die Herausforderungen des Pluralismus und versetzt die Menschen in die Lage, als Schlafwandler durch die wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens zu gehen. Fragen über die Existenz Gottes und seinen Charakter sind nicht länger drängend, weil es nicht um Wahrheit geht, sondern um persönliche Meinungen und Vorlieben, und sie haben letztlich auch keine Konsequenzen. Wenn es im Bereich letzter Wahrheiten wirklich Pluralismus gibt, zwingt uns die Ehrlichkeit, diesen ernst zu nehmen. Es gibt echte Differenzen zwischen den Weltanschauungen, die man nicht einfach so verleugnen kann. Es ist ein Unterschied, ob Gott eine Person oder etwas Unpersönliches ist oder gar nicht existiert. Es macht einen Unterschied, ob nach dem Tod ein Gericht kommt oder eine Kette von Reinkarnationen oder die Auslöschung des Bewusstseins. Gegenseitiges Verständnis wird nicht dadurch gefördert, dass man diese Unterschiede als oberflächlich oder zu vernachlässigend hinstellt.

sind. Warum sollten sie für mich nicht wichtig genug sein, meine grundsätzlichen Überzeugungen zu ändern? Die Unterschiede können sogar so wichtig für mich sein, dass ich versuche, auch andere davon zu überzeugen. Was ist daran seltsam, wenn wir wirklich einen Pluralismus akzeptieren?

Was unter der Voraussetzung eines Pluralismus Sinn ergibt, wirkt natürlich seltsam bis krank, wenn der Relativismus wahr ist. Wir müssen uns entscheiden, welchem Modell wir folgen. Wenn wir glauben, dass es eine wirkliche Pluralität religiöser Überzeugungen gibt, ergeben sich alle Arten harter Diskussionen. Welche ist oder welche sind wahr? Gibt es Bestandteile, die in mehreren wahr sind? Wie können wir das wissen? Macht es einen Unterschied, wenn wir falsch liegen? Wir neigen dazu, diese Fragen zu verdrängen. Sie sind schwierig, stiften Uneinigkeit und zwingen uns dazu, uns mit der Ausrichtung unseres Lebens zu beschäftigen. Aber die Alternative zu einer Auseinandersetzung mit ihnen ist es, die Kategorien „wahr“ und „falsch“ völlig von der religiösen Diskussion auszuschließen. Das wirkt willkürWenn es echte und wichtige Unter- lich, überheblich und letztendlich schiede zwischen religiösen Positio- unehrlich. nen gibt, warum sollten dann ein Reden von „Bekehrung“ und ähnlichen Meine Sorge ist, dass der RelatiBegriffen eine so zeitgenössische vismus eher zur Verwirrung beiträgt, Ketzerei sein? Wenn es wirklich einen als dass er eine notwendige Plattform religiösen Pluralismus gibt, wieso ist dann der Begriff der „Bekehrung“ überhaupt seltsam? Er ergibt einen Sinn in einer Welt, in der religiöse Differenzen echt und von Bedeutung

L’ABRI-AKZENTE 5

Thema

für eine ehrliche Auseinandersetzung ist. Mein Anliegen ist Respekt für einen ehrlichen Pluralismus und für die Schaffung einer freundlichen Atmosphäre, wenn wir offen, mutig und demütig über unsere tiefsten Differenzen sprechen.

sein wird. Toleranz ist nicht gleich Relativismus und führt auch nicht notwendigerweise zu ihm. Heutzutage geht man allgemein davon aus, dass man intolerant und undemokratisch ist, wenn man den Relativismus in Frage stellt. Aber das ist ein Denkfehler: Wie ich versucht habe aufzuzeigen, ist der Relativismus selbst weniger integrativ, als er vorgibt. In der Praxis gibt es wohl in allen ReliToleranz heißt, mit anderen, die reale gionen und Weltanschauungen sound tiefgreifende Unterschiede zu wohl tolerante als auch intolerante uns haben, Seite an Seite in Frieden Menschen. und Achtung zusammenzuleben.Und, so weit möglich, auch in unserer Die Geschichte des Christentums bePolitik – auch wenn unsere Toleranz inhaltet hier leider selbst ein paar gegenüber Mördern und Kriminellen traurige Kapitel (ebenso wie alle ansicher nur eine beschränkte Toleranz deren Weltreligionen und Ideologi-

schwierigen Prozess noch erschweren. Je wichtiger man die religiösen Unterschiede nimmt, desto wichtiger wird es, sich für die Freiheit des Gewissens in Glaubensfragen einzusetzen.

en): Am Anfang wurden die Christen verfolgt; doch als ihre politische Macht groß genug war, wurden sie schnell selbst zu Verfolgern. Christen sind zuweilen sehr grausam und arrogant mit Andersdenkenden umgegangen. Damit haben sie die Aufrichtigkeit ihres Glaubens oft untergraben.

Wir stehen an einem außergewöhnlichen Punkt in der Geschichte. Zugegeben–, die Kirche ist schwach und hat ihre einstige Führungsrolle (in der westlichen Welt, Anm. d. Übers.) verloren. Aber das heißt nicht, dass der christliche Glaube schwach ist. Ich bin davon überzeugt, dass allein der christliche Glaube das metaphysische und moralische Potential hat, die Welt für den Pluralismus in seiner besten Form zu sichern – jenseits von Extremen der Anarchie oder des Despotismus (1.Tim 2,1-2). Und auch die weltweite Gemeinde Jesu ist nicht kraftlos; Erweckung und Erneuerung sind möglich!

Toleranz

Nachfolger Christi sind aufgerufen, treu und geduldig zu leben, ihre Feinde zu lieben, denen, die ihnen Böses antun wollen, Gutes zu tun und Salz und Licht in der Welt zu sein. Jesus und das gesamte Neue Testament fordern zu einer Toleranz auf, wie ich sie beschrieben habe. Aber Toleranz heißt nicht, dass wir den Status Quo als heilig betrachten, als ob es moralisch verboten wäre, uns, andere oder die Gesellschaft zu verändern. Toleranz verlangt nicht, dass wir niemals versuchen, einen anderen von der Wahrheit eines bestimmten Gedankens zu überzeugen. Sie verlangt, dass wir trotz der Meinungsunterschiede diese Person respektieren – besonders, wenn wir versuchen sie zu überzeugen oder im Bereich des persönlichen Glaubens, der Ethik oder der sozialen Gerechtigkeit etwas zu verändern. Wenn Gewissensfreiheit ein wesentlicher Zug unserer Wirklichkeit ist, dann kann jeder Mensch sich am besten seine Meinung bilden, wenn nicht unnötiger Druck oder Zwang von außen diesen ohnehin schon

6 L’ABRI-AKZENTE

Wir leben in einer pluralistischen Welt, ob wir sie gutheißen oder nicht. Relativismus – speziell wenn er mit Pluralismus und Toleranz verwechselt wird –, ist eine Weltanschauung, die schon von ihrer Anlage her in die Irre und letztlich selbst in die Intoleranz führt. Toleranz sollen wir anstreben, weil sie im Respekt gegenüber jedem Menschen und seinen Entscheidungen wurzelt.

Dick Keyes, L’Abri Fellowship Southborough, U.S.A. Übersetzung: Christian Weißenborn Frauke Bielefeldt

Toleranz verlangt nicht, dass wir niemals versuchen, einen anderen von der Wahrheit eines bestimmten Gedankens zu überzeugen. Sie verlangt, dass wir trotz der Meinungsunterschiede diese Person respektieren – besonders, wenn wir versuchen sie zu überzeugen oder im Bereich des persönlichen Glaubens, der Ethik oder der sozialen Gerechtigkeit etwas zu verändern. Dick Keyes

Biblische Impulse

Biblische Impulse

Handwerk hat g Diese Worte sind an Timotheus gerichtet. Ich denke, man kommt der Wahrheit ein gutes Stück näher, wenn man versucht, diesen Text mit seinen Ohren zu hören: Timotheus ist jung, gebildet und redegewandt, aus gutem griechischem Hause. Körperliche Arbeit gilt in dieser Gesellschaft als unschicklich und wird den Sklaven überlassen. Die Herren pflegen derweil die geistreiche Unterhaltung mit Es ist wahrlich nie mein Lieblingstext ihresgleichen – und würden auch gar der Bibel gewesen, mit dem ich mich nicht auf die Idee kommen, darin da neulich „dienstlich“ auseinander- etwas Verkehrtes zu sehen. zusetzen hatte. Was soll ich auch mit einem Text, der ganz offensichtlich Für einen Menschen aus dieser Geebendiese Phrasen drischt, mit denen sellschaft ist die Aufforderung, man mir früher in der Gemeinde die „Knecht“ (= Sklave!, V.24) zu sein, Freude am Philosophieren nehmen die uns Christen heute so geläufig ist, und mir nahelegen wollte, dass ein eine krasse Provokation. Klar ist aber solider Handwerksberuf doch etwas auch, dass die Aufforderung nicht viel Gottgefälligeres sei? Haben diese wortwörtlich zu verstehen ist und von Leute denn letztendlich doch Recht Christen nicht gefordert ist, sich in gehabt damit? Nein, so einen Text tut die Sklaverei zu begeben, sondern man sich nicht freiwillig an. Zum dass es hier um die innere GeistesGlück musste ich jetzt mal genauer haltung der Demut und Dienstbereithinsehen… schaft geht.

„…dass sie nicht um Worte streiten, was zu nichts nütze ist… erweise dich als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter... halte dich fern von ungeistlichem losen Geschwätz… fliehe die Begierden der Jugend… die törichten und unnützen Fragen weise zurück…“ usw. usw. usw…

Kann es wirklich sein, dass Paulus dazu aufruft, das Diskutieren sein zu lassen und sich handfesteren Dingen zu widmen? Ausgerechnet Paulus, der ja selbst immer wieder solche philosophischen Streitgespräche führte – und das mit einigem missionarischen Erfolg (siehe z.B. Apg.17,34)? Eine so platte Aussage, man solle als Christ das Diskutieren besser ganz sein lassen, würde auf keinen Fall in den Gesamtzusammenhang passen. Was könnte dann gemeint sein?

8 L’ABRI-AKZENTE

Genauso, meine ich, ist auch der „Arbeiter“ in V.15 eine Metapher: es geht hier nicht darum, dass Timotheus, der vermutlich noch nie im Leben einen Nagel einschlagen musste, die Ärmel hochkrempelt und in seiner Gemeinde den Mann fürs Grobe macht. Vielmehr ist hier wohl eine Demut des Denkens gemeint: Paulus warnt vor allzu abgehobenen Gedankengebäuden, die mit der realen Welt letztlich nichts mehr zu tun haben und demzufolge auch keinen Sinn ergeben – denn im Gegensatz zum griechisch-platonischen Denken geht es im Christentum immer um die reale Welt. Und wer kennt sich mit der realen Welt und ihren Tücken besser aus als die Handwerker, die Arbeiter, die tagtäglich damit zu tun haben?

Bibeltext: 2. Tim

Biblische Impulse

goldenen Boden

motheus 2,14-26

Es ist aber sicher auch mehr als eine bloße organisatorische Notwendigkeit, dass in L’Abri der Tag zu gleichen Teilen aus körperlicher und geistiger Arbeit besteht. Die Beschäftigung mit den alltäglichen Dingen des Lebens bringt die Diskussionen immer wieder auf den Boden der Realität. Darin liegt sicher eine der ganz großen Stärken der Arbeit von L’Abri. Ich bin also einerseits erleichtert: Ich darf auch als Christ doch das tun, was ich tue… Andererseits ist das eine gewaltige Herausforderung: Werde ich der Versuchung widerstehen, mich an Diskussionen zu beteiligen, die zwar interessant, aber letztlich irrelevant sind? Auch wenn mich das auf akademischer Ebene nicht ganz so gut aussehen lässt? Oder liegt in diesem Denkansatz gar der große Gegenentwurf zu gegenwärtigen philosophischen Modellen, die sich nur noch auf sich selbst und nicht mehr auf irgendeine reale Welt dahinter beziehen?

Der „Arbeiter“ unter den Denkern wird also als Kontrast dazu versuchen, auch seiner geistigen Arbeit immer einen realen Bezug (der Theologe würde sagen: eine „Anwendung“) zu geben. Genau das ist das Schwierige – darum fehlt es ja auch so oft… Aber Darüber gibt es noch viel nachzudennur diese Art des Denkens wird einer ken. Jetzt muss ich aber erst mal christlichen Weltsicht gerecht, in der meine Wohnung saubermachen… die reale Welt von so zentraler BeJutta Schäfer deutung ist.

Biblische Impulse

Wogegen Paulus sich ausspricht, ist also nicht das Diskutieren an sich, sondern ein intellektueller Snobismus, dem es nur um das Diskutieren an sich (und um das Rechthaben…) geht. Hans Bürki schreibt in der Wuppertaler Studienbibel zu Vers 23: „Sehr oft ist wichtigtuerisches Gebaren, tiefsinniges Problematisieren und intellektuelle Arroganz verbunden mit einer infantilen Grundverfassung (sic!). Man hat eine Wortwelt aufgebaut und bewegt sich innerhalb dieser Welt virtuos, ohne dass aber verändernde Beziehungen zum eigenen Leben und zur Umwelt entstünden.“ Seien wir mal ehrlich: wie viele Diskussionen im akademischen und auch im kirchlichen Bereich, an denen wir uns selbst beteiligen, fallen in diese Kategorie?

Außer Frage steht aber auch, dass es auch für einen denkenden Menschen stets eine gute Übung ist, ab und zu die Ärmel hochzukrempeln und sich ganz konkret mit dieser realen Welt zu beschäftigen. Die jüdische Tradition ist sich dessen offenbar schon lange bewusst, denn sie verlangt von angehenden Rabbinern, zuerst ein Handwerk zu lernen, bevor sie sich an die geistigen Studien begeben. Paulus war zum Beispiel gelernter Zeltmacher und hat sich auch auf seinen Missionsreisen hin und wieder als solcher verdingt.

L’ABRI-AKZENTE 9

L’Abri live

Vorstellung: AG L’Abri-A Wer? Andreas und Petra Hartmann, Jutta Schäfer, Hannah Reuter, Ruth Weißenborn, Regine Tholen, Isa Dettweiler, Jochen und Eva Walldorf (die stehen allerdings nur noch als Auslaufmodell zur Verfügung). Weitere Interessenten sind sehr willkommen! Wann? Redaktionsteamsitzung einmal jährlich. Zwei Ausgaben pro Jahr. Juli 1994 Eine Einführung in L’Abri Wer wir sind und was wir wollen Andreas & Petra Hartmann L’Abri-Geschichte, Lehre und Leben. Glauben durch Denken Dörthe Schilken Wim Rietkerk - Eine Autobiographie Wim Rietkerk „…und er schweigt nicht!“ Roman Knörr-Zarbock „Is there something you would like to discuss today“ Eva Walldorf L’Abri – Obdach für Fragende Dörthe Schilken Macaulay/Barrs: Wie sollen wir leben? Jochen Walldorf L'Abri Material – Wie kommt man dran? Einladung zum Freundestreffen 10/94 _____________________________

Mai 1995 Ergebnisse des Freundestreffens 1994 Andreas Hartmann Bericht der Übersetzer Doris Diether, Matthias Wolf Laßt uns L’Abris bauen Joachim Geserich Der Startschuss Eva Walldorf Wie ich dazu gekommen bin, meine Bücher zu schreiben Francis Schaeffer

10 L’ABRI-AKZENTE

Während der Sitzung werden beide Ausgaben geplant. Wo? Meist in Wolfsburg; zwischen den Treffen per E-Mail und Telefon. Wie? Kreativ, diskussionsfreudig, konstruktiv, nicht immer termingerecht (aber wir arbeiten daran…)

Das vernachlässigte Denken Jerram Barrs Interview mit Jim Ingram Petra Hartmann _____________________________

Dezember 1995 Bericht über das L'Abri-Seminar Andreas Hartmann Gottesbegegnungen Andreas Hartmann Alles unter Christi Herrschaft Dick Keyes Wahre Spiritualität Einführung in die Gedanken und Anstöße Francis Schaeffers Clemens Kuhs Interview mit Ellis Potter Friedemann Starck, Clemens Kuhs Johann Christoph Blumhardt Gottfried Sommer Symposium „Psychotherapie und Seelsorge“ Roman & Ulrike (Knörr)-Zarbock Psychologie und Psychotherapie – Wissenschaft oder Weltanschauung? – Roman & Ulrike (Knörr)-Zarbock Eindrücke aus dem koreanische L'Abri Andreas Engel _____________________________

August 1996 Lebenskünstler Andreas Hartmann The Hidden Art of Homemaking Edith Schaeffer

Warum? Wir sind selbst begeistert von vielen L’Abri-Materialien und möchten sie anderen zugänglich machen. Außerdem sollen die Erfahrungsberichte sowie Interviews mit Mitarbeitern einen Einblick in das aktuelle L’Abri-Geschehen vermitteln.

Modern Art and the Death of a Culture H. R. Rookmaker Homo Creator Jochen Walldorf Interview mit Jamie D. Shivers Petra Hartmann Albrecht Gralle Clemens Kuhs Kunst und die Bibel Zwei Essays von Francis Schaeffer Clemens Kuhs Der Mittelmäßigkeit verfallen Franky Schaeffer Bericht der Seelsorge AG Deike & Rüdiger Sumann Impressionen als Special Student an der Hochschule „Rosemead School of Psychology“ in Los Angeles Martin Berendt Workshops, Schnack und Sonnenschein Andreas Hartmann _____________________________

Mai 1997 „Ich wollt’, ich könnte glauben!“ Gisela Brand Schuld und Scham Wim Rietkerk Persönlichkeitswachstum und Lebenszyklus Wim Rietkerk Gottesfinsternis Andreas Hartmann Grenz-Erfahrungen bei und um Basel Rüdiger & Deike Sumann

L’Abri live

Akzente Wir haben für euch eine Übersicht aller bisher erschienenen Hefte zusammengestellt. Nicht nur, um zu zeigen, was wir schon alles „geleistet“ haben, sondern um euch einen Überblick zu verschaffen und den Zugang zu den Texten zu erleichtern. Von den meisten Heften sind noch gedruckte Exemplare zu haben. Ebenso stehen fast alle Texte als pdf-Dateien zur Verfügung.

März 1999

II/2000

II/2002

Randvoll mit Ideen, neuen Impulsen und Bekanntschaften Sigrun Roth Von Gott reden in einer pluralistischen Gesellschaft Jochen Walldorf Die Apologetik Francis A. Schaeffers Gordon R. Lewis Perspektiven für eine zeitgemäße Apologetik – Francis Schaeffers Beitrag zur Apologetik Dick Keyes

Glaube, der vom Kopf ins Herz rutscht Rüdiger und Deike Sumann

Harry Potter und seine Kritiker Jerram Barrs Deutsche Woche im Holländischen L’Abri Damaris Rieger _____________________________

Briefe eines Skeptikers Gregory A. und Edward K. Boyd „Deutsche Woche“ im Schweizer L’Abri Andreas Engel AG Seelsorge auf Reisen Roman & Ulrike (Knörr)-Zarbock _____________________________

I/2000 Pie in the Sky When We Die Unsere Hoffnung liegt im Himmel Andrew Fellows Als deutsche Mitarbeiter in England Rüdiger und Deike Sumann Von kleinen Anfängen und großen Resultaten Jochen Walldorf Ein Hauch von L’Abri zuhause… Andreas Engel L’Abri Besuch am Ende des 20. Jahrhdts. Micha Best, Markus Heckerle

L’Abri meets Bremen F. Erdmann, M. Stache, M. Prokop Der Zauberberg Jutta Schäfer L’[email protected] Eva Walldorf _____________________________

I/2001 Das ICH am Beginn eines neuen Jahrtausends Andrew Fellows Leben in L’Abri Rüdiger und Deike Sumann Tea and Bins... Bericht von der dt. Woche im engl. L’Abri Andreas Hartmann Die Verkehrsanbindung der Supermächte Gedanken zu einer kaum bekannten biblischen Zukunftsvision Dr. Karl Möller _____________________________

I/2002 Zweifel Wim Rietkerk In Huemoz wird deutsch gesprochen Jutta Schäfer Deutsche Woche im Schweizer L’Abri Ulrich Bosch „Das Ende aller Dinge“ Jochen Walldorf

I/2003 Müssen wir Gott verteidigen? Wim Rietkerk Den Dialog zwischen Glauben und Wissenschaft fördern – Vorstellung des „Instituts für Glaube und Wissenschaft“ Dr. Jochen Walldorf Jugendkultur und Erwachsenwerden Hanna Reuther Manchmal kommt er anders als man denkt Andreas Hartmann Vom Mythos der Unabhängigkeit Sarah James _____________________________

I/2004 Langeweile – die Krankheit unserer Zeit Richard Winter L’Abri in Deutschland?! Ruth Weißenborn, Frank Rieger ‚Erinnere Dich immer daran, wem Du schon einmal in L’Abri begegnet bist… Robb und Christa Ludwick

L’ABRI-AKZENTE 11

L’Abri live

Ein Gefü Wildwass ?

Doug und Maggie, Ihr seid letzten Sommer nach Bowen Island gezogen, um dort einen kanadischen L’Abri-Zweig aufzubauen – wie ist es dazu gekommen?

Potenzial vor. Wir standen unter einem gewissen Entscheidungsdruck, ob wir ein Angebot für das Grundstück unterbreiten sollten und ob wir Greatham verlassen sollten. Das war keine einfache Entscheidung und wir wussten alle, dass es uns einiges kosten würde, was wir Wie es so oft mit Gottes Führung ist, kann man das am noch nicht vorhersehen konnten. besten aus der Retrospektive sehen: Vor ein paar Jahren haben wir in Greatham beschlossen, ein Programm In dieser ganzen Zeit hatten sowohl Maggie als auch ich „Mitarbeiter-in-Ausbildung“ zu starten. Diese Ausbil- das Vertrauen, dass wir bereit sein sollten, zu gehen, aber dung neuer Mitarbeiter sollte nicht nur den vorhandenen nicht versuchen sollten, Dinge von uns aus anzustoßen. Bedarf in L’Abri decken, sondern auch die Möglichkeit Ich glaube, es fing mit unserer Bereitschaft an, offen für für den Beginn eines neuen Zweigs schaffen, wenn der Gottes Führung zu sein und der Rest baute sich dann darHerr das wollte. Der Gedanke war, dass wir Mitarbeiter in auf auf. Es gab eine Reihe wichtiger Bestätigungen im einem bestehenden Zweig wie z.B. Greatham ausbilden, Lauf der Zeit, aber es gab auch Momente, in denen wir und so älteren, bereits etablierten Familien der Weg für uns fragten, was wir da eigentlich taten. Es war wie beim ein neues Wagnis offen stehen würde. In der Theorie war Einsteigen in eine Achterbahn – wenn man mal eindieser Plan gut, ließ sich jedoch in der Praxis nicht so gestiegen ist, ist man dabei und kann sich nur noch umsetzen wie wir dachten. Auf alle Fälle aber war er eine festhalten. Herausforderung für uns alle, offen zu sein für etwas Neues. Wir dachten mit Sicherheit nicht, dass es uns treffen würde. War es eine schwierige Entscheidung für Euch, das englische L’Abri zu verlassen? Eine Gruppe von Kanadiern, ähnlich der Deutschen Wie haben Eure Kinder den Wechsel erlebt? L’Abri-Kontaktarbeit, hat seit langem Interesse an einer kanadischen L’Abri-Arbeit und wollte etwas in Gang Es war eine sehr schwere Entscheidung, das Team im setzen. Sie hatten den Status einer Charity erworben und englischen L’Abri zu verlassen. Es sind ganz besondere lagen dem Vorstand seit Jahren in den Ohren, sie Menschen, mit denen wir sehr gut zusammen gearbeitet möchten erfahrene Mitarbeiter für ein L’Abri-Start in haben und mit denen wir als Gemeinschaft sehr eng zuKanada freistellen. Auf der halbjährlichen Vorstands- sammen gewachsen sind. Wir waren auch sehr stark sitzung im Herbst 2002 beschloss der Vorstand, uns zu in eine Gemeindegründungsarbeit eingebunden, die zu fragen, ob wir interessiert seien. Ich weiß nicht genau, diesem Zeitpunkt ziemlich am Kämpfen war, aber für uns warum gerade wir ausgewählt wurden. Nur ein paar Tage als Familie und vor allem für unsere Kinder ein großer nach der Vorstandssitzung kam die Nachricht, dass die Segen war. Auch stellten wir fest, dass unser Team in Kanadier sich einige in Frage kommende Gebäude an- seiner Struktur für diese Veränderung doch nicht so schauen würden, mit der Anfrage, ob wir bereit wären, stabil war, wie wir gedacht hatten und das Aufbrechen mitzukommen und die Zukunft mitzuplanen. So flogen unserer Gemeinschaft war hart für uns alle. Es war für uns wir nach nur wenigen Wochen Überlegung und Gebet alle schwierig, aber am Ende sind wir zu der Überzeugung nach Kanada, um die kanadischen Unterstützer zu gelangt, dass wir vorwärts gehen sollten und wurden von treffen – und fanden ein Grundstück mit unglaublichem Greatham ausgesandt. Sie bezahlten sogar unser Gehalt währen der ersten 3 Monate. Die Gefühle unserer Kinder waren sehr gemischt, vor allem unser Sohn, der nur noch ein Jahr bis zu seinem Schulabschluss in England hatte, war unschlüssig. Er hat mich dann im Frühjahr nach Kanada begleitet, um die verschiedenen Schulmöglichkeiten zu checken und beschloss daraufhin,

?

12 L’ABRI-AKZENTE

L’Abri live

ühl wie serpaddeln … mitzukommen. Nach unserer Rückkehr aus Nepal waren wir gerade mal 7 Jahre in England und in mancher Hinsicht hatten wir uns gerade erst richtig eingelebt. Deshalb war es schwierig,

ist schwer zu sagen. Man könnte unser Gefühl so beschreiben, als ob wir gerade in der Mitte des Roten Meeres laufen – immer noch auf trockenem Boden, auf einem Weg, der sich wunderbarerweise für uns öffnet – aber wird die Wasserwand halten? Wir erzählen keine MärWir haben den Eindruck, dass wir mehr arbeiten als in chen und nicht alle Geschichten enden „und sie lebten Greatham, aber für kürzere Zeitspannen. Wir haben die glücklich bis an ihr Lebensende“. Mahlzeiten zwischen den zwei Familien aufgeteilt, dies bedeutete jedoch immer noch pro Familie eine bis zwei Mahlzeiten am Tag, die man entweder vorbereiten oder Habt Ihr Kontakt oder arbeitet ihr mit bei der man die Diskussion leiten musste. Andy und Gemeinden vor Ort zusammen? Christy, das junge Ehepaar, haben eine ziemliche Last übernommen und das toll gemacht. Für die zweite Hälfte Wir gehören zu einer kleinen Gemeinde hier auf Bowen des letzten Terms hatten wir einen weiteren erfahrenen Island, die uns sehr unterstützt hat. Diese Verbindung Helper. Das Ganze fühlt sich ein bisschen wie Wild- zwischen L’Abri und der Gemeinde ist lebensnotwendig. wasserpaddeln an – alles wirbelt und schäumt und man Wir müssen Menschen die Hoffnung zurückgeben, dass muss ganz schnelle Entscheidungen treffen – und auf ein- die Gemeinde der Ort ist, an dem das christliche Leben mal schießt man in ruhiges Wasser und fragt sich, wie aktiv und sichtbar wird und das müssen wir auch ausman da heil durchgekommen ist. Die Gruppe hatte die leben. In mancher Hinsicht zwingt einen das Leben auf richtige Größe, um relativ stabil zu sein und wir hatten einer kleinen Insel mit wenig Auswahlmöglichkeiten, ein paar sehr nette reife Studenten, die uns in vieler Hin- sich auf das einzulassen, was man vorfindet anstelle nach sicht halfen. Irgendwie verschieben sich hier die Labels dem zu suchen, was einem fehlt. Wir hatten schon vor Student / helper / worker je nach Situation – so hatten wir unserem Kommen Kontakt mit anderen christlichen zum Beispiel einen Gast mit Architektur-Studium, der uns mit der Zeichnung des neuen Gebäudes „half“ und von dem wir eine Menge lernen konnten.

?

?

Was waren bis jetzt die größten Herausforderungen für Euch auf Bowen Island?

Ich glaube, unserer größte Herausforderung war, unsere Ehe und Familie im Gleichgewicht und gesund zu erhalten, und gleichzeitig herauszufinden, wie unsere neue Arbeit aussehen wird. Wir leben tagtäglich in einer unglaublichen Unsicherheit. Es gibt noch keine Erfahrungswerte, finanziell leben wir von der Hand in den Mund. Eine solche intensive Arbeitsbeziehung belastet auch eine Ehe. Während des Terms haben wir aufgrund unserer Wohnverhältnisse keinen Raum, in dem wir uns als Familie allein treffen können. Trotzdem sind wir glücklich, den Anfang eines solchen neuen Abenteuers miterleben zu können. Im Moment sehen wir nur eine sehr begrenzte Wegstrecke vor uns – wo wir in einem Jahr sein werden und mit wem wir dann arbeiten werden

L’ABRI-AKZENTE 13

L’Abri live

?

Was sind Eure Pläne oder Wünsche für die Organisationen aufgenommen, aber wir präsentieren kommenden Jahre – für das kanadische uns nicht lautstark – und auf einer Insel ist man L’Abri und für Euch persönlich? sowieso etwas abgeschnitten. Wir hoffen, dass wir gute Verbindungen knüpfen können, aber wir warten Wir wünschen uns, dass unser Team hier auf drei darauf, dass diese organisch und natürlich wachsen. Familien anwächst, vielleicht auch noch um 2 single workers. Das würde bedeuten, dass wir noch zwei Häuser bauen müssten.Für das kommende Jahr beten wir, dass Ihr wart Missionare in Nepal, bevor Ihr nach sich eine weitere Familie für die Arbeit hier entscheidet. L’Abri gekommen seid. In welcher Weise beeinflussen diese Erfahrungen Eure Arbeit Wir wünschen uns auch, dass noch mehr Menschen sich der Gebetsfamilie anschließen, damit der Unterstützerfür L’Abri? kreis wächst und gestärkt die Arbeit hochhalten kann. L’Abri ist im Kern eine missionarische Organisation mit vielen Werten, die uns auch in Nepal wichtig waren. Wir wünschen uns, dass Menschen in Kanada und an der Mit Sicherheit ist auch das Ausmaß des Heidentums Westküste sich mehr und mehr dieser Arbeit verpflichtet nicht sehr unterschiedlich. Uns ist wichtig, zu sehen, wissen. Im Idealfall sehe ich, dass Mitarbeiter der dass wir für den Herrn arbeiten und „mit“ L’Abri. In nächsten Generation die Führung dieses Zweiges innergewisser Weise bleibt unser missionarischer Ruf der halb der nächsten fünf Jahre übernehmen. Wir fühlen, dass wir hier sind, um eine Basis für die nächste Gleiche, auch wenn sich die Geographie ändert. Generation zu bauen und wir möchten, dass sie sobald Ich glaube, es geht auch um das Bewusstsein, dass Gott wie möglich die Zügel in die Hand nehmen. einen aus einem „normalen“ Lebensstil herausgerufen hat, was einen von den Verantwortlichkeiten, die diesen Für was können wir beten? begleiten, befreit. So ist der Wunsch nach einem Haus, Krediten, einer Rente gut, aber für einen Missionar manchmal schwer zu erfüllen. Man hat eine Reise im Betet für unsere Familie, für Maggie und mich und Glauben begonnen, auf der man manchmal nicht einfach unsere Beziehung. Im Herzen von L’Abri steht die Familie – und wenn L’Abri überleben will, müssen Ehe wieder „aussteigen“ kann. und Familie gedeihen.

?

?

?

Betet dass das richtige Ehepaar sich als Mitarbeiter Ihr habt jetzt viele Jahre als „erweiterte“ Familie gelebt – wie könnt Ihr Euer Privatleben bewirbt. Andy und Christy haben entschieden, dass sie an der Universität hier weiter studieren möchten. bewahren?

Eigentlich müsste Maggie diese Frage beantworten, denn sie ist unser Wachhund in diesem Punkt. Da sie in L’Abri aufgewachsen ist, weiß sie aus eigener Erfahrung, wie es Kindern in L’Abri geht. Unser freier Tag ist uns im wahrsten Sinn des Wortes „heilig“ und gehört der Familie. Wir versuchen sicher zu stellen, dass jedes Kind den Raum und die Zeit hat, die es braucht und ihnen zuzuhören. Nicht alle unsere Kinder leben immer gerne in L’Abri. Wir müssen auch sehr vorsichtig sein, dass wir unsere Ferien nicht mit anderen Leuten verplanen. Das haben wir z.B. in den letzten Ferien nicht gut im Griff gehabt und mussten im letzten Term darunter leiden. Man muss Grenzen ziehen können und mit diesen Grenzen auch leben.

?

Was macht Ihr gerne an einem freien Tag?

Um wirklich frei zu haben, muss man hier vom Grundstück weg. Wir gehen gerne an den Strand, wandern gerne und haben angefangen zu paddeln. Wir holen uns auch gerne ein Video, das wir als Familie anschauen – aber einfach zusammen wegfahren ist schon die halbe Miete.

14 L’ABRI-AKZENTE

Betet für die nötigen Finanzen, um das zweite Haus zu bauen – die Kosten könnten um die 400.000$ liegen. Betet, dass Maggie ihren Immigrantenstatus anerkannt bekommt, was gleichzeitig Arbeitserlaubnis und Krankenversicherungsschutz bedeutet. Interview: Hanna Reuther Übersetzung: Doris Diether

L’ Abri international

Australien

Kanada

USA / Southborough

L’Abri Fellowship Australia, 10 River Rd, Elderlie NSW 2570, Australia Tel.: (0061) 2-46-580227 eMail: [email protected]

L’Abri Fellowship Kanada RR#1Q-8 511 Cowan Road Bowen Island, BC Canada VON 1GO Tel.: (001) 604-947-6986 Fax: (001) 604-947-6987 eMail: [email protected]

L’Abri Fellowship, 49 Lynbrook Road, Southborough, MA 01772, USA Tel.: (001) 508-481-6490 Fax: (001) 508-460-5021 eMail: [email protected]

Mitarbeiter:

Dick and Mardi Keyes Joe and Sue Morrell Mark and Terri Ryan

Mitarbeiter (Resource Center): Frank and Heather Stootman

Doug and Maggie Curry

Terms: bitte im Internet abfragen Kosten: 25 $/Tag

England L’Abri Fellowship, The Manor House, Greatham, Liss, Hants. GU33 6HF, England Tel.: (0044) 1420-538 436, Fax: (0044) 1420-538 432 eMail: [email protected]

Mitarbeiter:

L’Abri Fellowship, 169-6 Nonhwari, Seomyon Yangyang Kangwondo, 215-814 Korea Tel.: (0082) 33-673-0037 eMail: [email protected]

Terms: 1. Oktober bis 25. November 7. Januar bis 25. März 2005

Kosten: 15-25 Won/Tag

Terms: 6. September bis 16. Dez. Kosten: 14 englische Pfund/Tag

Schweiz L’Abri Fellowship, Kromme Nieuwe Gracht 90, 3512 HM Utrecht, Holland Tel./Fax: (0031) 30-2 316 933 eMail: [email protected] oder: Huize Kortenhoeve, Burgemeester Verbrughweg 40, 4024 HR Eck-en-Wiel, Holland Tel.: (0031) 34-4 691 914 eMail: [email protected]

Mitarbeiter: Wim and Greta Rietkerk Robb and Christa Ludwick Beryl Gibbins Henk and Riana Reitsema

Terms: 18. September bis 18. Dez. Kosten: 13 Euro/Tag

Terms: 8. September bis 17. Nov. Kosten: 20 US Dollar/Tag

Korea

Andrew and Helen Fellows Wade and Chryse Bradshaw Dawn Dahl Edith Reitsema Jeff and Heather Bryden

Holland

Mitarbeiter:

L’Abri Fellowship, Chalet Bellevue, 1884 Huémoz, Schweiz Tel.: (0041) 24-4952 139 Fax: (0041) 24-4957 647 eMail: [email protected]

USA / Rochester L’Abri Fellowship, 1465 12th Ave. NE, Rochester, MN 55906-4383, USA Tel.: (001) 507-536-0108 Fax: (001) 507-282-0108 eMail: [email protected]

Mitarbeiter: Larry and Nancy Snyder Jock and Alison McGregor

Terms: 15. September bis 6. Okt. Kosten: 20 US Dollar/Tag

Mitarbeiter: Dr. Gregory and Elizabeth Laughery Richard and Karen Bradford James and Gail Ingram

Schweden Swedish L’Abri, Bidevindsvägen 4,

Terms: 17. August bis 6. Dezember 260 42 Mölle, Schweden

Kosten:

(Unterbrechung: 7. bis 18. Oktober) 4. Januar bis 21. März 2005 45 CHF/Tag (bis 6 Wochen) 40 CHF/Tag (über 6 Wochen) weniger als 2 Übernachtungen normalerweise nicht möglich

Tel.: (0046) 42-347 632, Fax: (0046) 42-347 832 eMail: [email protected]

Mitarbeiter: Per Staffan Johansson

Terms: Juli bis August Kosten: 250 Kronen für Verdienende 200 Kronen für Studenten und Leute ohne Einkommen

L’ABRI-AKZENTE 15

Die Wegsuche Im Monate Elul, da die Menschen ihre Seelen für die Tage des Gerichts bereit machen, pflegte Rabbi Chajim Geschichten zu erzählen, mit einer Melodie, die alle Hörer zur Umkehr bewegte. Einmal erzählte er: „Es hat sich einst einer im tiefen Wald verirrt. Nach einer Zeit verirrte sich ein zweiter und traf auf den ersten. Ohne zu wissen, wie es dem ergangen war, fragte er ihn, auf welchem Weg man hinaus gelangt. ‘Den weiß ich nicht’, antwortete der erste, ‘aber ich kann dir die Wege zeigen, die nur noch tiefer ins Dickicht führen, und dann lass uns gemeinsam nach dem Wege suchen.’ Gemeinde!“ so schloss der Rabbi seine Erzählung, „suchen wir gemeinsam den Weg!“ Martin Buber aus ‘Die Erzählungen der Chassidim’

Suggest Documents