und mit einer hauseigenen Speziallegierung. Seite 52

| 14. November 2013 PB Swiss Tools Mit Schraubenziehern gross geworden – und mit einer hauseigenen Speziallegierung. Seite 52 Special Stahl inhalt ...
Author: Tobias Haupt
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| 14. November 2013

PB Swiss Tools Mit Schraubenziehern gross geworden – und mit einer hauseigenen Speziallegierung. Seite 52

Special Stahl inhalt

Der Preisdruck steigt und die Marge sinkt Die Schweizer Stahlbranche kämpft in einem schwierigen Umfeld. Trotz mehrheitlich stabiler Nachfrage – dank guter Binnenkonjunktur – klagen Hersteller wie Handel über einen erbarmungslosen Preisdruck. Zudem zeigen die Margen weiter einen Abwärtstrend. Seite 46

«Der Wechselkurs ist kein Thema mehr» Geht es um die Aussichten 2014 für die Schweizer Stahlbranche, so fallen die Prognosen unterschiedlich aus. SSHV-Präsident und Stahlhändler Christoph Weber beispielsweise glaubt, dass der Wechselkurs vom Franken zum Euro kein grosses Thema mehr ist. Seite 47

Statt aus Hanf sind die Seile heute aus Stahl Als Seilerei Jakob begann in Trubschachen im Emmental die Erfolgsgeschichte eines typischen Schweizer KMU. Heute nennt sich die Firma Jakob Rope System. Produziert werden die Architekturseile auch in Ho Chi Minh City in Vietnam. Seite 48

Das Material der Unbegrenztheit Stahl lässt alle Möglichkeiten offen und wird für Bauten vor allem dort eingesetzt, wo andere Materialien nicht genügen. Ingenieure können die Möglichkeiten des Materials ausnutzen und Architekten mit ihm nach der Schönheit der Form suchen. Das führt zu schönen Bauten. Seite 49

Ohne Stahl wäre die Neat undenkbar

Severin Jakob

Die Mengen sind astronomisch: Allein für den Gotthard-Basistunnel der neuen ­Eisenbahntransversalen Neat wurden 125 000 Tonnen Stahlbogen, 16 000 Tonnen Armierungsstahl, 3 Millionen Quadratmeter Stahlnetze und fast 17 000 Tonnen Schienen verbaut. Seite 50 Marzili-Drahtseilbahn Bern: Seinen Betrieb nahm das Funiculaire, das auf 104 Meter schräge Länge 32 Höhenmeter überwindet, am 18. Juli 1885 auf. Verantwortlich für diesen special: Markus Köchli

Ruf nach gleich langen Lanzen

Foto-portfolio Die Marzili-Drahtseilbahn wurde im Jahre 1885 erbaut und verbindet in Bern die Bundesterrasse mit dem idyllischen Marziliquartier. Im Jahr 2010 wurde das Zugseil aus Stahl durch die Jakob AG, Trubschachen, ausgewechselt. Die Bilder zeigen den Aus- und den Einbau des neuen Zugseils. Im Jahr werden gegen 1 Million Passagiere befördert

Stahlbranche Schweiz Der zunehmende Protektionismus im europäischen Umfeld macht den hiesigen Anbietern zu schaffen. Eine noch grössere Gefahr geht aber von den asiatischen Exportoffensiven aus. Markus Köchli

Severin Jakob

Fotos: Severin Jakob

Das Dauer-Hickhack um den grössten Schweizer Stahlkocher, die Schmolz + Bickenbach (S + B), war dem Image des wichtigen Werkstoffes nicht förderlich. Vor allem aber übertünchte der Streit zwischen zwei rivalisierenden Interessengruppen mit dementsprechendem Begleitlärm die grundsätzlichen Probleme der Branche. Dazu gehört der als Konsequenz der flauen Nachfrage industrieller Leistungen seit 2010 stärker aufkeimende Protektionismus im europäischen Umfeld. Wobei: Neu ist der staatliche Schutz der Grundstoffindus­ trie beileibe nicht. Der wurde früher mit der Wichtigkeit für die Rüstungsindus­

trie begründet, heute mit dem Schutz der der internationalen Konkurrenz ausgesetzten nationalen Stahlkonzerne. Direkt wie indirekt wird in der EU versucht, die Märkte abzuschotten, dort vor allem, wo die Binnen- wie die Exportwirtschaft im Gleichschritt lahmt. Ein zentrales Beispiel für diese verschärfte Situation liefert der Bewehrungsstahl. Die beiden Schweizer Stahlwerke in Emmenbrücke LU und in Gerlafingen SO müssen sich beim Baustahl deutlich weitergehenden Vorschriften und Kontrollen im EU-Ausland unterwerfen als europäische Produzenten, die ihrerseits den Schweizer Markt mit ihren unter dem Tisch subventionierten Armierungsstählen abzudecken versu-

chen. Dieser Schutz ist dem Ideal eines offenen, ehrlichen und partnerschaftlichen Freihandels abträgig und ruft seitens der Schweizer Anbieter nach gleich langen Lanzen. Hiesige Lieferanten dürfen nicht darunter leiden, dass ihnen der Zugang zu den europäischen Märkten erschwert wird. Weder die Schweiz noch die EU-Staaten sind Entwicklungsländer, die einen gewissen Schutz geniessen dürfen. Dazu kommt, dass die Stahlwelle rollt, ja überrollt. Die weltweiten Überkapazitäten liegen laut OECD-Bericht derzeit zwischen 500 und 600 Millionen Tonnen. Die Grössenordnung wird erst recht dann deutlich, wenn man weiss, dass die beiden hiesigen Werke jährlich

gemeinsam etwas mehr als 1 Million Tonnen Stahl auf den Markt bringen. Wollte man also Nachfrage und Produktion global ins Gleichgewicht bringen, müssten um die 500 Werke schweizerischer Grösse ihre Produktion einstellen! Das wird nicht geschehen. Ebenso klar ist deshalb, dass die Preise insbesondere für Massenware – wie Baustahl – ins Bodenlose und die betroffenen Unternehmen in der Alten Welt noch stärker in die Strukturkrise rutschen. Die südostasiatischen Exportoffensiven mit China als Anheizer werden weitere Opfer fordern. Wenn Schweizer Anbieter weiterhin unter dem Protektionismus zu leiden haben, könnten auch sie dazu gehören.

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Dem Druck standhalten Stahl Schweiz Die Branche kämpft in einem schwierigen Umfeld. Trotz der mehrheitlich stabiler Nachfrage klagen Hersteller wie Händler weiter über einen erbarmungslosen Preisdruck und über sinkende Margen.

Pirmin Schilliger

D

ie Stahlbranche erlebte 2012 ein durchzogenes Jahr. Bei den 90 Mitgliedern des Schweizerischen Stahl- und Haustechnikhandelsverbandes (SSHV) gingen die Umsätze im Vorjahresvergleich um 4 Prozent zurück, auf zusammengerechnet 3,168 Milliarden Franken. Für die Einbusse waren laut SSHV-Geschäftsführer Andreas Steffes, Basel, sinkende Rohwarenpreise und kurzfristige Preissenkungen verantwortlich. Ausserdem litten viele industrielle Abnehmer, mit denen die Stahlhändler rund die Hälfte ihrer Geschäfte tätigen, unter einer mangelnden Auslastung. Und das Baugewerbe, der andere wichtige Abnehmerbereich, klagte wegen des kalten Februars und des frühen Wintereinbruchs im November 2012 über eine verkürzte Saison.

Bausektor bietet robustes Fundament Das Stimmungsbild im laufenden Jahr zeigt keine klaren Konturen. Die verkaufte Menge Stahl lag zwar nach den ersten neun Monaten leicht über dem Vorjahr, die Umsätze befanden sich jedoch bei den meisten anzeige

Marktteilnehmern wegen des gesunkenen Preisniveaus darunter. Robust blieb die Nachfrage im Bausektor. «Dieser ist nach wie vor auf einem sehr hohen L ­ evel gut ausgelastet», betont Christoph Weber, Präsident des SSHV und Chef der Arthur ­Weber AG, Seewen SZ. Die Befürchtung, in

Im Geschäft mit der Bauwirtschaft erwartet der Handel für 2013 ein Wachstum von 2 Prozent. bestimmten Regionen könnte nun die Zweitwohnungsinitiative dem lokalen Gewerbe einen Dämpfer versetzen, hat sich bislang nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: In aller Eile noch genehmigte Baugesuche haben in gewissen Bergregionen im letzten Sommer gar kurzfristig einen Bauboom ausgelöst. Insgesamt rechnen die hiesigen Stahl- und Metallhändler im Geschäft mit der Bauwirtschaft im laufenden Jahr mit ­einem Wachstum von 2 Prozent. «Schwieriger ist die Lage im Industriesektor einzuschätzen», klagt Steffes. Die

stahlverbrauchende Industrie hat in den vergangenen Jahren viele Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Die meisten der auf den Export ausgerichteten Unternehmen stehen weiter unter Druck. Das spüren die zuliefernden Stahl- und Metallhändler. Deren Handelsvolumen schrumpfen. Immerhin gibt es in dieser angespannten Situation noch die weiterhin erfolgreichen Maschinenbauer. Doch das Wachstum aufgrund dieser Abnehmer, die sich auf aus-sereuropäische Länder und Nischenmärkte konzentrieren, vermag die Verluste infolge der Auslagerung von Fertigungsprozessen ins Ausland nicht vollständig zu kompensieren.

Auch Marktführer klagt über Einbussen Letztlich sei die Entwicklung der Metall- und Maschinenindustrie stark von der konjunkturellen Erholung im EuroRaum abhängig, sagt Philippe Dietziker, Chief Executive Officer (CEO) von Debrunner Koenig, St. Gallen. Beim mit rund 1500 Beschäftigten grössten Stahlhändler der Schweiz, zugehörend der deutschen Klöckner-Gruppe, reduzierte sich der Umsatz 2012 um 4 Prozent auf

Seit 1974 elektrisch: Die ersten 89 Jahre war die Marzilibahn eine Wasserballast

1,111 Milliarden Franken. Damit behauptet das Unternehmen immer noch einen stolzen Marktanteil von über 30 Prozent. Die Zugehörigkeit zum europaweit grössten unabhängigen Stahl- und Metalldistributor verhilft im heftigen Preiskampf zu besseren Karten. Zudem hat Dietziker erste Zeichen eines Aufwärtstrends ausgemacht. «Bei unseren Kun-

den dürfte jedenfalls die Talsohle erreicht sein, und man spürt jetzt eine verhaltene Zuversicht», sagt er. Bei der Stürmsfs, Goldach, die ebenfalls zu den grösseren Stahlhändlern gehört, bezeichnet CEO Roman Rogger 2013 als ein «herausforderndes Jahr». Auch er verweist auf die stagnierende bis leicht rückläufige Nachfrage bei gleichzeitig sin-

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kenden Preisen. «Das drückt enorm auf die bereits angespannte Ertragssituation.» Das Rezept gegen diesen Trend besteht bei Stürmsfs aus weiteren Produktivitätsfortschritten und Prozessoptimierungen. Im Juli hat der Konzern überdies einen ­E-Shop in Betrieb genommen, mit dem sowohl der Stahlhändler selbst als auch seine Kunden Kosten einsparen können. Dem allgemein rückläufigen Trend zu trotzen vermochte die Pestalozzi + Co, Dietikon. Das Unternehmen, das im Sommer sein 250-Jahr-Firmenjubiläum feierte, erwartet beim Umsatz für 2013 ein leichtes Plus von 2 Prozent. Zu verdanken ist dies einer stärkeren Nachfrage beim Ausbaugewerbe, also bei den Metallbauern, Sanitär- und Heizungsinstallateuren, Spenglern, Dachdeckern und Fassadenbauern. Hingegen war der Maschinenbau, den Pestalozzi mit kundenspezifischen Lösungen bedient, wie bei den meisten Mitbewerbern ebenfalls rückläufig. «Dem Preis- und Margendruck versuchen wir zu begegnen, indem wir die Vorfertigung ausbauen und die Qualität unserer Logistikleistungen hochhalten», verrät Dietrich Pestalozzi, CEO und VRPräsident der Firma.

Turbulenzen bei den Stahlwerken Für besondere Schlagzeilen sorgten in diesem Jahr die beiden einzigen Stahlwerke der Schweiz. In Emmenbrücke LU stand dabei weniger der nach wie vor unbefriedigende Gang des operativen Geschäftes im Fokus, sondern der heftige Übernahmekampf beim Mutterkonzern Schmolz + Bickenbach (S + B). Schliesslich setzten sich Vertreter der Renova-Gruppe des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg als neue Grossaktionäre durch. Sie haben nun beim hoch verschuldeten­ S + B-Konzern das Szepter in der Hand und dem Betrieb erst einmal mittels Kapi-

Keystone

tbahn. Oben wurde ein Tank unter der Passagierzelle mit Wasser aus dem Stadtbach gefüllt. Der hinabfahrende Wagen zog durch sein Gewicht den aufwärtsfahrenden Wagen nach oben.

Lieferte 2013 viele negative Schlagzeilen: Der Stahlkocher Schmolz + Bickenbach.

talerhöhung neue Mittel zugeführt. Für die Zukunft des Stahlwerks im Luzerner Vorort Emmenbrücke kann das nur gut sein. Nach den turbulenten Machtkämpfen ist überdies wichtig, dass nun wieder klare Verhältnisse herrschen und endlich Ruhe einkehrt. Das war unter den vorgängigen Eigentümern zuletzt nicht mehr der

Der Maschinenbau bleibt weiterhin das Sorgenkind des hiesigen Stahl- und Metallhandels. Fall gewesen. Zuversichtlich stimmt zudem, dass die Auftragseingänge beim Spezialisten für Edelstahl-Langprodukte in diesem Jahr wieder angezogen haben. Unruhige Monate hinter sich hat auch das Stahlwerk in Gerlafingen SO. Im Oktober hat dort mit Adriano Zambon ein Mann aus dem Führungsgremium des italienischen Besitzers, der Beltrame Group, interimistisch die operative Leitung übernommen. Der bisherige Chef Lukas Stuber konzentriert sich fortan auf seine bisherige zweite Aufgabe als Finanzchef. Der Wechsel an der Spitze erfolgte vor dem Hintergrund verschiedener Restrukturierungsmassnahmen. «Zur Steigerung der

Effizienz, der Produktivität und der konsequenten Nutzung von konzerninternen Synergien», wie es in einer knappen Pressemitteilung heisst. Die erklärte Strategie sei es, die Schweizer Tochter künftig stärker in die italienische Beltrame Group zu integrieren. Das Stahlwerk in Gerlafingen meldet zwar eine gute Auslastung seiner Anlagen, die hauptsächlich Bewehrungsstahl für die Bauwirtschaft ausstossen. Doch Firmensprecher Daniel Aebli spricht von ­einem weiterhin schwierigen Umfeld, mit europaweiten Überkapazitäten und ­einem heftig tobenden Preiskampf.

Giessereien agieren in der Defensive Auf ein ausgesprochen schwaches Jahr 2012 blicken die Giessereien zurück. Die produzierten Tonnagen sanken bei den ­Eisen- und Stahlgiessereien um 24 Prozent auf 47 850 Tonnen. Die Leichtmetallgiesser verzeichneten ein Minus um 14 Prozent auf 17 970 Tonnen. Die Produktion der gesamten Giessereiindustrie schrumpfte um 20 Prozent. Wertmässig waren die Einbussen noch gravierender, denn auch die Preise und Margen tendierten deutlich nach unten. Der Hauptgrund dieser Krise: Vier Fünftel der Giessereiprodukte werden exportiert, hauptsächlich in den EU-Raum, und da läuft es eben gar nicht rund. Eine rückläufige Nachfrage verzeichneten die Giessereien jedoch auch auf dem Heimmarkt in der Schweiz. «Wettbewerber aus dem kostengünstigen Ausland haben bei Ausschreibungen immer öfter die Nase vorn», erklärt Marcel Menet, Geschäftsführer des Giesserei-Verbands der Schweiz (GVS), Zürich. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den Aufträgen für den Maschinenbau. Besser behaupten können sich jene Giessereien, die ihre Abnehmer hauptsächlich in der Autoindustrie und im Schienenfahrzeugbau haben. Ange-

Stahl- und Haustechnikhandelstag

Gut gerüstet für die Zukunft Branchentreffen Der Schweizerische Stahl- und Haustechnikhandelsverband (SSHV), Basel, organisiert unter Leitung von Präsident Christoph Weber am Donnerstag, 14. November 2013, in Pfäffikon SZ den Stahl- und Haustechnikhandelstag 2013. Der SSHV vertritt als Branchenverband die Interessen der über 90 Mitglieder in der ganzen Schweiz. Er setzt sich für die Wahrung und Förderung der beruflichen Be­ lange seiner Mitglieder ein.

sichts der angespannten Lage will Menet eine weitere Strukturbereinigung nicht ausschliessen. Innovationsmöglichkeiten sieht er weniger beim Werkstoff als vielmehr bei den Unternehmensprozessen. Gefragt seien in Zukunft noch effizientere Fertigungstechnologien, schnellere Durchlaufzeiten sowie der Einsatz guter ERP-Systeme. Ausserdem kämen die Schweizer Giessereien nicht darum herum, sich stärker international auszurichten.

Keine klaren Prognosen für 2014 Kontrovers beurteilen die verschiedenen Marktteilnehmer die Währungssituation. «Der Wechselkurs vom Franken zum Euro ist kein grosses Thema mehr», sagt Weber. Die Preise in der Schweiz hätten sich angepasst. Dietziker differenziert und betont, die Währung sei weniger für die Bauwirtschaft als vielmehr für die Maschinenindustrie ein Problem. «Da würden sich viele Unternehmen über einen schwächeren Franken garantiert freuen.» So richtig klare Prognosen, wie sich der

Thema Dieses Jahr steht der Event unter dem Motto «Gut gerüstet in die Zukunft». Mit Christoph Bellgardt (Geschäftsführer, Verwo Service AG, Reichenburg), Ursina Müller (Director, Simon-Kucher & Partners, Zürich) sowie Nils Planzer (CEO und VRPräsident, Planzer AG, Dietikon) nehmen sich Kenner der Schweizer Wirtschaft vergangenen Entwicklungen und zukünftigen Trends im hiesigen und im internationalen Stahlmarkt an.

Markt im nächsten Jahr entwickeln wird, will allerdings niemand wagen. «Viel hängt davon ab, wie sich die wirtschaft­ liche Situation in Europa weiterentwickelt», meint Steffes. Alle Akteure – Stahlwerke, Stahl- und Metallhändler und ­industrielle Stahlendverbraucher – hätten das gleiche Problem, nämlich unbefrie­ digende Ergebnisse, fasst Rogger zusammen. Und fügt bei: «Falls 2014 die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wirklich besser werden sollten, freuen wir uns. Wir rechnen jedoch nicht damit.» Für Dietziker ist klar, dass der Margendruck seine Spuren hinterlässt und verlustbringende Schweizer Standorte oder Produktionsbereiche vermehrt kritisch hinterfragt werden. Er will aber noch nicht von einer eigentlichen Strukturbereinigung reden. Falls es doch dazu kommt, würde es weniger die Händler als vielmehr die Hersteller treffen. Das glaubt jedenfalls Pestalozzi und meint: «Ob die Stahlproduktion in der Schweiz im bisherigen Umfang weitergeführt wird, ist unsicher.»

Stahlbranche Schweiz

Ein Spiegelbild der hiesigen Unternehmensstruktur

Produktion Zwei Stahlwerke – in Emmenbrücke und in Gerlafingen – verarbeiten in der Schweiz rund 1,5 Millionen Tonnen Schrott zu Stahl. Davon wird ein Drittel im Inland, vor allem auf dem Bau, verwendet. Zusätzlich produzieren 52 klein- und mittelständische Giessereien,

davon zwei eigentliche Stahlgiesse­ reien, rund 66000 Tonnen Guss. Deren Interessen vertritt der Giesserei-Verband der Schweiz (GVS). Die Giessereien beschäftigten 2012 rund 2800 Personen und tätigten einen Umsatz von rund 1 Milliarde Franken. Nicht mitgerechnet sind in diesen Zahlen rund 30 Kleingies-sereien, die nicht dem GVS angeschlossen sind. Handel Die Branchenorganisation der Stahlhändler ist der Schweizerische Stahl- und Haustechnikverband (SSHV). Er zählt 90 Mitglieder, die insgesamt über 4000 Leute beschäftigen und 2012 einen Umsatz von 3,168 Milliarden Franken erzielten, davon rund drei Viertel im Stahlhandel (Stähle, Metalle, ­Bleche, Rohre usw.) und ein Viertel im Haustechnikhandel (Materialien für

Foto CKW.Luzern, Sockel des Windkraftwerks Luterami LU mit 700 Tonnen Armierungsstahl

Heterogenität Die Stahlbranche ist in der Schweiz äusserst heterogen und bunt zusammengesetzt. Sie umfasst Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten, KMU und grosse Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten und Milliardenumsätzen. Die Interessen der Branche werden von verschiedenen Verbänden wahrgenommen. Viele Firmen gehören gleichzeitig mehreren Interessenorganisationen an. Die meisten grösseren Unternehmen der Stahlindustrie sind auch Mitglieder der Swissmem.

Armierungsstahl: Die Bauwirtschaft ist das Standbein der hiesigen Stahlindustrie.

­ anitär, Heizung, Lüftung, Spengler, S Dachdecker, Gas- und Wasserver­ sorgung). Verarbeitung Die metallverarbeitenden Zulieferer sind im entsprechenden Fachverband SMZ organisiert. Dieser zählt aktuell 122 Mitglieder. Dem Arbeitgeberverband Schweizerische Metallunion (SMU) gehören 1850 Betriebe des Metall-, Stahl-, Fenster- und Fassadenbaus, des Metallhandwerks und der Landtechnik an. Zusammen beschäftigen sie rund 20 000 Leute und tätigten 2012 einen Umsatz von rund 4,9 Milliarden Franken. Rechnet man rund 1000 Betriebe hinzu, die nicht dem SMU angeschlossen sind, dürfte dieses Segment der Stahl- und Metallbranche ­einen Umsatz von jährlich über 7 Milliarden Franken erzielen. (ps)

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Voll auf Draht Jakob Rope Systems Der Seilhersteller schreibt eine Erfolgsgeschichte zwischen Emmental und Ho Chi Minh City. Statt aus Hanf heute mit Stahl.

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Seilschaften mit Vietnam und Zoos «Im Bereich Architekturseile ist der wichtigste Markt aber immer noch die Schweiz», ergänzt Urs Schneider. Gut 30 Millionen Franken Umsatz im Jahr macht Jakob Rope Systems heute. 75 Mitarbeiter in der Schweiz, davon acht Lernende, begründen die starke Verwurzelung im Heimatmarkt. Ein weiterer gros­ ser Standort befindet sich hingegen in ­Vietnam. ­Jakob Saigon in Ho Chi Minh City beschäftigt 280 Personen. Peter Jakob, der das Unternehmen, das sein Grossvater 1904 gründete, in dritter Generation führt, entwickelte eine Begeisterung für Vietnam während einer Velotour durch das Land. Er kannte die Fingerfertigkeit der Einheimischen, die geradezu dazu geschaffen schienen, die komplizierten, meistens auf Mass gefertigten Drahtnetze herzustellen. In einem Interview ­erzählte Peter Jakob, dass es kein strategisches Konzept hinter dem Aufbau der Produktion in Fernost gab, man habe einfach probiert, was gehe, und das sei wohl auch der Grund, dass es so gut funktioniere. Wenn die Aufträge für Drahtnetze im Emmental eintreffen, gehen die Montagepläne, in denen etwa Maschendurchmesser definiert werden, nach Ho Chi Minh City. Jede Woche werden in Vietnam ­gefertigte Produkte per Luftfracht in die

Zugseil: Dieses hat eine Länge von 172 Metern und einen Durchmesser von 18 Millimetern. Mindest-Bruchkraft: 20400 Kilo.

zvg

s ist das modernste Gebäude von Trubschachen BE. Der Firmensitz von Jakob Rope Systems ist ein futuristischer Bau. Vor der Glasfront ein Kreisel, der das Haus überragt und durch Seile ­stabilisiert wird. Nachts beleuchtet dieser Kreisel das Gelände in weissen, blauen und roten Farben. Bereits das Firmengebäude zeigt eindrucksvoll, was das KMU Jakob macht und welche Ansprüche das Unternehmen hat: Seile produzieren für eindrucksvolle Architekturlösungen, statisch anspruchsvolle Konstruktionen. Im Foyer geht die Präsentation der ­Arbeitsfelder weiter. Eine ausgeklügelte Stützkonstruktion durch Drähte macht Pfeiler im Innenraum überflüssig. Die Geländer bestehen passend aus Drahtseilen, genauso wie ausgeklügelte Sessel, welche im Foyer bereitstehen. «Architekturseile ­machen zwei Drittel unseres Umsatzes aus, die Seilhebetechnik ein Drittel», sagt Urs Schneider, Leiter Seil- und Hebetechnik bei Jakob, sozusagen der Kopf der ­Produktion. Während die Architekturseile ­ästhetischen wie statischen Ansprüchen genügen müssen, werden in der Seilhebetechnik die unterschiedlichsten Branchen beliefert, von der Forst- bis zur Bauwirtschaft, von Seilen für Bergbahnen bis zu solchen für die Industrie. Diesen verschiedenen Bereichen gerecht zu werden – mit dem Architekten genauso effizient zusammenarbeiten zu können wie mit dem Waldarbeiter –, macht die Stärke des KMU aus. Dem Seil ist die Firma dabei seit ihrer Gründung 1904 treu geblieben. Immerhin seit bald 110 Jahren produziert die Familie Jakob in Trubschachen das Produkt. In den ersten Jahren waren es Hanfseile für

die Landwirtschaft im Emmental und darüber hinaus. «Die Ursprünge des Unternehmens liegen in der Hanfseilerei», sagt Urs Schneider. Eine Sparte übrigens, die das KMU nie aus seinem Portfolio gestrichen hat, auch als längst andere Seilarten den Hauptumsatz ausmachten. Erst 1953 startete Jakob mit der Drahtseilproduktion,­ heute wird in 45 Länder exportiert.

Severin Jakob

Stefan Mayr

Webnet als Zoogehege: Gestalterische, funktionale Alternative zu Gittereinzäunungen.

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Schweiz geliefert. «Der Standort im Emmental steht durch den Standort in Ho Chi Minh City keinesfalls in Frage», sagt Urs Schneider, «vielmehr ergänzen sich beide Standorte ideal.» Für eine Firmenfeier flog sogar die gesamte Schweizer Belegschaft mit Anhang nach Vietnam und lernte ihre Kollegen kennen. Peter Jakob erinnert sich, dass sich ­zwischen Vietnamesen und Emmentalern überraschende Gemeinsamkeiten gezeigt hätten: Sie seien ähnlich zurückhaltend und wenig impulsiv. Über diese interna­ tionale Zusammenarbeit zwischen dem Emmental und Vietnam entstand sogar eine Dokumentation mit dem Titel «Hüben & Drüben – Eine Firmenphilosophie, zwei Standorte». Darin erzählen Menschen von beiden Seiten, was sie trotz der enormen Entfernung verbindet. Nicht weit von Ho Chi Minh City be­ findet sich ein Projekt, das den bisher grössten Auftrag von Jakob Rope Systems darstellt. Es handelt sich um eine riesige Seilkonstruktion zur Überdachung des Flughafens von Bangkok, der mit mehr als 40 Millionen Fluggästen zu den grössten

weltweit gehört. Auch die anderen Produktlinien von Jakob sind inzwischen auf der ganzen Welt verstreut. Ein spe­zieller Exportschlager sind beispielsweise Drahtnetze, die für den Bau von Zoogehegen eingesetzt werden. Hier hat sich das KMU einen Namen erarbeitet, welcher sich in ­Tierparks auf der ganzen Welt herumgesprochen hat. So wurde im argentinischen ­Buenos Aires ein Vogelgehege mit einer Fläche von 6500 Quadratmetern erstellt. Das Besondere daran: Die Gehege sind geschwungen, schauen überhaupt nicht aus wie Käfige, sondern geben den Tieren einen optimalen Lebensraum. Der Berner Zoo schmückt sich genauso mit diesen Spezialanfertigungen wie der Tierpark Krakau und viele weitere Zoos.

Langlebige Edelstahlnetze Mit der Lancierung von Webnet, einem speziellen Drahtseilnetzsystem, hat Jakob 2002 bewiesen, dass Innovationen weiter eine wichtige Rolle für das Unternehmen spielen werden. Dazu kommt, dass etwa Architekturseile eine ganze Reihe von ­Eigenschaften haben, die für viele Kunden

äusserst attraktiv sind. Sie sind mit fast ­allen Materialien kombinierbar, sind als Material selbst langlebig, und die Seile wie auch die Edelstahlnetze müssen kaum ­gewartet werden. Die Erfolgssparte der ­Architekturseile wurde mit dem Eintritt von Peter Jakob in das KMU etabliert und seitdem auf das heutige eindrucksvolle Niveau, von Umsatz und Ästhetik her betrachtet, gehoben. Dass auch die Montage der Netze und Seile von eigenen Monteuren übernommen wird, verstärkt nach Meinung von Urs Schneider, Leiter Seil- und Hebetechnik bei Jakob, das stetig gewachsene Kundenvertrauen und begründete den guten Ruf unter anderem bei Seilbahnherstellern. Konjunkturschwankungen überstand Jakob Rope Systems durch die Diversifi­ kation des Produktportfolios bisher erfolgreich. Und wie in fast jeder Firma gibt es auch hier eine Sparte, die vollkommen ­krisenresistent ist. Denn in diesem Bereich setzt der Sparstift zuletzt an. «Es handelt sich um Seile für Spielplätze», lacht Urs Schneider. Bei Kindern werde eben nicht gespart.

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Severin Jakob

handelszeitung | Nr. 46 | 14. November 2013

Wagen: Die beiden nach der Elektrifizierung 1974 ausrangierten Wagen sind im Verkehrshaus in Luzern sowie ganz in der Nähe der Talstation der Bahn vor einem Bundesverwaltungsgebäude zu sehen.

Weckt Emotionen

Bau Stahl ist das Baumaterial der Unbegrenztheit – deshalb wird es häufig dort verwendet, wo andere Materialien nicht genügen. Evelyn C. Frisch

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meistens sogar wieder eingesetzt, ohne eingeschmolzen zu werden – graue Ener­ gie gleich null.

Rolex-Brücke in Biel. Foto: Mauren Brodbeck

er Stahlbau beeindruckt dadurch, dass Ingenieure die Möglichkeiten des Materials ausreizen – während Stahl so grün wie Holz Wer weiss schon, dass nach neuesten Architekten nach der Schönheit der Form suchen. Der Erfindungsgeist beider Diszi­ Prüfungen der Umweltbelastung von Bau­ plinen ist also gefragt, und zwar in enger materialien 1 Kilo Stahlprofil so grün ist wie Zusammenarbeit, was durchaus auch hier 1 Kilo Holz? Das liegt daran, dass Stahl für zu Emotionen führen kann. Doch das harte den Bau ein Recyclingmaterial ist, das zu­ Material zeigt seine Stärke insbesondere dem unendlich rezykliert werden kann, darin, dass seine Eigenschaften in der dies bei geringsten Verlusten. Das mindes­ Konstruktion besonders weich und duktil tens gilt für den Stahl, der in der Schweiz sind. Deshalb ist der Stahlbau im Ge­ verbaut wird und der aus Elektrostahl­ schossbau ein grosser Könner: Er spart werken der Schweiz oder der umliegenden Raum, ist durchlässig für Installationen, Länder kommt. Deshalb ist Stahlschrott erlaubt die freie Einteilung der Geschosse auch ein wertvolles Rohmaterial. Die Schweiz allein produziert und ist u ­nvergleichlich 1,3 Millionen Tonnen leicht, was Fundamente Das harte Material Stahlschrott pro Jahr aus spart und ohne Zutaten zeigt seine Stärke, Autos, Waschmaschinen, Erdbeben­sicherheit bietet. Velos und Armierungs­ Doch hier ist er relativ wenn es um feine eisen. Stahlschrott wird unspektakulär und wird Konstruktionen nicht etwa zu Autoblech zudem meistens auch geht. rezykliert, sondern kann noch eingepackt, wie dies aus Gründen der Qualität bei den meisten Hochhäu­ sern in der ganzen Welt geschieht. Nur in nur in Baustahl umgewandelt werden. Des­ der Schweiz baut man – was man hierzu­ halb ist der Stahlbau also ein reiner Schrott­ lande Hochhaus nennt – gerne in Beton. verwerter unserer Konsumgesellschaft. Die meisten wissen mittlerweile, was Wieso? Man kann darüber nur spekulie­ ren, denn nachvollziehbare Gründe gibt das Bauen mit Stahl und Holz so attraktiv es keine. Vielleicht liegt es daran, dass die macht. Denn hier weckt man gleich zwei Schweiz ein Betonland ist, wo Kies und Emotionen: Mit dem leichten, grünen Zement produziert wird und man reich­ ­Alleskönner Stahl überbrückt man Höhen und Tiefen, mit dem warmen, atmungs­ lich davon hat. aktiven Holz aus – im besten Fall – heimi­ Ruf nach mehr Ökologie schen Wäldern facht man Böden, Wände Doch auch wenn die Schweiz beim und Fassaden aus, sodass das Haus also Bauen derzeit noch nicht sparen muss – Raumklima bietet, bei Erdbeben nur leicht der Ruf nach einer ökologisch vertret­ tänzelt, wenig oder besser keine Energie baren Bauweise wird hier spätestens in ein verbraucht und der Nachwelt alle Mög­ paar Jahren zu einer Wende führen. Denn lichkeiten offenlässt. wer für die Nachwelt baut, darf sie nicht in Beton giessen. Die Forderung der Nach­ Mit Holz zusammen ein Erfolgsduo Stahl weckt auch haptische Emotio­ haltigkeit beim Bauen führt dazu, dass man Gebäude nicht abreisst, sondern umnutzt, nen. Jeder weiss aus frühkindlicher Erfah­ ergänzt, erweitert und die Materialien und rung, wie Stahl schmeckt und wie er sich Installationen deshalb trenn- und rück­ anfühlt. Dass Stahl wie Holz auch eine na­ türliche Oberfläche hat, die unbehandelt baubar ineinandergefügt werden sollten. Der Stahlbau ist quasi nur ein Tragsys­ schön sein kann, gehört zu den jüngeren tem, das wie das gute alte Mecano unserer Entdeckungen der Architekten. Immer Spielzeit in mannigfacher Weise zusam­ mehr wollen deshalb mit dem sogenann­ mengesetzt werden kann. Ein Stahlprofil ten wetterfesten Stahl bauen, dem ros­ durchlebt deshalb viele Leben und wird tigen, heisst das. Tatsächlich bildet Rost

Spektakuläre Brücken, hohe Häuser oder filigrane Detaillierung in der Konstruktion: Stahl macht attraktive Bauten möglich.

­aradoxerweise eine gewisse Schutz­ p schicht beim wetterfesten Stahl, sodass er bei Witterung nicht weiterrostet. Aller­ dings gibt es Rostflecken, wenn der Rost weiterhin nass ist. Deshalb muss das Bau­ en mit wetterfestem Stahl – wie auch mit unbehandeltem Holz – also gelernt sein.

Wie überall fehlt es im Stahlbau an i­ nnovativen Ingenieuren, welche die Mög­ lichkeiten der Leichtbauweise in Stahl und Holz ausloten und den Unterneh­ mungen im Stahl- und Holzbau die ­(emotionale) Zusammenarbeit erleichter­ ten. Die Branche bemüht sich hier um

Weiterbildungsmöglichkeiten, um dem Ruf nach einer nachhaltigen Bauweise in Zukunft besser gewachsen zu sein. Evelyn C. Frisch, Architektin ETH, Leiterin Stahlbau Zentrum Schweiz/Mitglied Stahlpromotion Schweiz, Zürich.

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Im Dienst der Sicherheit

Neat Ohne Stahl könnten der Gotthard-Eisenbahnbasistunnel den Betrieb nie aufnehmen. Die verarbeiteten Mengen Stahl sind immens. Allein für die Schienen werden annähernd 17000 Tonnen Stahl eingebaut. Curt M. Mayer

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achdem der Infrastrukturbau für die Flachbahn durch die Alpen mit dem 57 Kilometer langen Gotthard- (GBT) und dem folgenden CeneriBasistunnel (CBT) von 16 Kilometern ­Länge auf Kurs sind, wurden von den SBB wiederholt die erwarteten Zeitgewinne für die Schnellbahnfahrt von Zürich nach Mailand nach den Tunneleröffnungen im Dezember 2016 (GBT) bzw. 2019 (CBT) genannt. Ob aber die nach der Inbetriebnahme des GBT von der Bahn euphorisch genannten Fahrzeitverkürzungen von 30 bis 40 Minuten (ab 2020 sogar 60 Minuten) Realität werden, hängt noch von einigen Faktoren ab. Da wird die mit grossen Infrastrukturkosten realisierte Zeiteinsparung zum einen durch den erst nach der Eröffnung des GBT während zweier Jahre angeordneten Doppelspurausbau am Zugersee zunichtegemacht. Und wie dannzumal der aus der Schweiz anrollende Schnellbahnverkehr an der Südgrenze von Italien abgenommen und mit welcher Priorität in den überlasteten Bahnhof Mailand eingefädelt wird, dürfte sich noch zeigen. Beim letzten grossen Baulos der Neat, dem Bahntechnikeinbau im CBT, haben – wie bereits beim Bauhauptlos – zwei Konsortien mit italienischer Beteiligung das Rennen gemacht. Als Konsequenz aus den Erfahrungen mit der als Einzelbaulos anzeige

von 1,7 Milliarden Franken Umfang vergebenen Bahntechnik im GBT und der dazu ­erfolgten Einsprache hat die Alptransit Gotthard AG (ATG) die Bahntechnikarbeiten am CBT vor kurzem in zwei Losen vergeben. Für diesen Entscheid lagen dem Bauherrn vier bzw. fünf Angebote vor, g­ egenüber den nur zwei seinerzeit beim GBT. Das gesamte Vergabevolumen beläuft sich auf 235 Millionen Franken. Das Los «Bahntechnik und Gesamtkoordi­ nation» mit einem Auftragswert von 138 ­Millionen Franken ging an die Arbeits­ gemeinschaft CPC mit den Unternehmungen Cablex AG (Schweiz), Porr Suisse AG (Schweiz)/Porr Bau GmbH (Österreich) und Condotte (Italien)/Cossi (Ita­

Mitte Dezember beginnen auf 14 Kilometern zwischen Bodio und Faido die Testfahrten. lien)/LGV(Schweiz). Mit dem Los «Fahrbahn und Logistik», dem stahlintensiven Bauteil, mit einer Vergabesumme von 96,4 Millionen Franken beauftragt worden ist die Arbeitsgemeinschaft Mons Ceneris, die sich aus den Unternehmungen Man­cini & Marti SA (Schweiz), Marti Contractors Ltd. (Schweiz), Marti Tunnelbau AG (Schweiz), Pizzarotti SA (Schweiz),

Pizzarotti & C. S.p.A. (Italien), Generali costruzioni ferroviarie GCF S.p.A. (Italien) und Valditerra Lavori Ferroviari S.p.A. (Italien) zusammensetzt. Wie dazu die AlpTransit Gotthard AG (ATG) mitteilt, sind zur Vergabe beider Lose je ein Rekurs desselben Anbieters im zweiten Rang beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht worden. Der Bauherr hofft zuversichtlich, dass d ­ iesen Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht gewährt wird, um keine Verzögerungen in Kauf nehmen zu müssen.

In 1000 Tagen soll eröffnet werden Als Meilenstein konnte Anfang September in der Oströhre des GBT der letzte Streckenabschnitt von den Tunnelbauern an das Bahntechnikkonsortium übergeben werden. Und bereits sind gegen 60 Prozent der Strecken mit der festen Fahrbahn ­sowie der Bahn- und Signaltechnik ausgerüstet. Damit steht der Fokus auf dem für Mitte Dezember 2014 programmierten Beginn der Testfahrten auf dem 14 Kilometer langen Gleisabschnitt zwischen ­Bodio und Faido. Auf diesem komplett mit den Bahntechnikanlagen ausgerüsteten Streckenteil werden Testfahrten mit Geschwindigkeiten bis zu über 200 Stundenkilometern durchgeführt. «Diese Phase ist sehr wichtig im Hinblick auf die termin­ gerechte Inbetriebsetzung im Jahre 2016», erklärt Renzo Simoni, Vorsitzender der

Gleis der Marzili-Drahtseilbahn: Die Spurweite beträgt 80 Zentimeter. Darauf fahren zwei Wag

Geschäftsleitung der ATG: «Dadurch kann das komplexe Zusammenspiel aller bahnbetrieblichen Abläufe und Systeme im GBT getestet werden.» Für den ATG-Chef begann im September der Countdown: «In 1000 Tagen müssen wir den neuen Gotthardtunnel dem Bund und den SBB fixfertig zum Probebetrieb übergeben.» Als letzte bauliche Unwägbarkeit sieht Simoni den Nordvortrieb im CBT, wo infolge der Geologie der Sprengvortrieb im Rückstand ist. Hier macht eine felsmecha-

nische Störzone Probleme und erfordert eine Gewölbesicherung mit Stahleinbau.

Feste Fahrbahn macht Fortschritte In den beiden Röhren des GBT kommt der Gleiseinbau nach dem System Feste Fahrbahn plangemäss voran. Nachdem die Strecke von Erstfeld bis nach Sedrun auf rund 20 Kilometern Länge auf den ­definitiven Schienen befahrbar ist, werden die Arbeiten nun von der Multifunk­ tionsstelle (MFS) Sedrun aus nach Faido

gen im Pendelbetrieb. Für die Kraft des Zugseils sorgt der Adhäsions-Elektroantrieb in der Bergstation.

weitergeführt. Dabei wird von der mit der Bahntechnik betrauten Arge Transtec Gotthard darauf hingewiesen, dass im GBT die präziseste Feste Fahrbahn der Welt entsteht. Diese Genauigkeit hat bei den hohen gefahrenen Geschwindigkei­ ten den Vorteil einer geringeren Abnut­ zung der Gleise und auch des Rollmate­ rials. ­ Parallel zum Einbau der Festen ­Fahrbahn und der Fahrleitung werden die letzten Arbeiten des Rohbaus im GBT ausgeführt. anzeige

Eine weitere Weltpremiere ist laut ATG, dass die gesamte Tunnelstrecke auf ihrer Länge von 57 Kilometern eingescannt worden ist, sodass jeder Punkt im Tunnel dreidimensional dargestellt werden kann. Durch die Auswertung der riesigen ein­ gescannten Datenmengen entsteht ein dreidimensionales Bild, auf dem kleinste ­Unebenheiten, Löcher oder Risse sichtbar werden. Dank dieser neuen Technologie kann jeder Punkt im Tunnel angesteuert und genau analysiert werden. Das hat Vor­

teile für die Zukunft: Wenn in 10 oder 20 Jahren der Tunnel erneut vermessen wird, können die Daten verglichen und mögli­ che Veränderungen einfach festgestellt werden.

Spezialisten im Umgang mit Stahl Im Baulos Bahntechnik sind gesamt­ haft 4 Millionen Arbeitsstunden zu erbrin­ gen, wofür in der Spitze bis zu 600 Spezia­ listen eingesetzt werden, wie Marco Hirzel, Vorsitzender der Baukommission Arge

Transtec Gotthard, erläutert. Dazu gehö­ ren sehr viele Spezialisten, die mit dem Werkstoff Stahl vertraut sind. Die Arbeits­ gemeinschaft besteht aus den vier Gesell­ schaftern Alpiq, Balfour Beatty Rail, Tha­ les Alcatel-Lucent und Alpine mit je 25 Prozent Beteiligung und Solidarhaftung. Weiter engagiert sind die Subunterneh­ mer Siemens, Pöyry, Kummler+Matter, Scheuchzer und Alpiq Burkhalter Technik AG. Die auszuführenden Arbeiten vertei­ len sich zu 40 Prozent auf übergeordnete Leistungen und temporäre Anlagen und zu 60 Prozent auf bleibende Anlagen wie Fahrbahn, Stromversorgung (50 Hz) und Kabelanlagen, Fahrstrom (16,7 Hz), Tele­ kommunikation und Sicherungseinrich­ tungen. Im Zusammenhang mit der Insolvenz des österreichischen Baukonzerns Alpine im Frühsommer stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Tochterfirma Alpine, Hergiswil NW, als Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft Transtec Gott­ hard. Wie dazu von ATG-Chef Simoni zu erfahren ist, fällt die Schweizer AlpineTochter nicht in die Konkursmasse und stand nicht zum Verkauf. Wie zudem be­ kannt wurde, wurde die Alpine Bau, Her­ giswil NW, zwischenzeitlich an die tür­ kische Firmengruppe Renaissance Cons­ truction AG verkauft, die auch Aktionärin der Baugesellschaft Porr ist. Insolvenzge­ richtlich wurde dieser Verkauf genehmigt.

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Gotthard-Basistunnel der Neat Stahleinsatz im Tunnelbau Betonarmierungsstahl16000 t Eingebaute Stahlbogen125000 t Stahlnetze3 Mio. m2 Felsanker 4800 km Stahleinsatz für Schienennetz Länge der Einzelschienen 234 km Stahlgewicht der Schienen14040 t Schottergleis1800 t Weichen1000 t 

Quelle: Alptransit Gotthard AG (ATG)

atg

Severin Jakob

handelszeitung | Nr. 46 | 14. November 2013

Baulos Bahntechnik: Hier laufen die Arbeiten auf Hochtouren.

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Severin Jakob

handelszeitung | Nr. 46 | 14. November 2013

Fahrzeit: Im Streckenbereich fährt die Bahn 3 Meter/Sekunde. Die gesamte Fahrzeit beträgt 66 Sekunden. Pro Kabine können 30 Personen befördert werden. Das entspricht einer Nutzlast von 2250 Kilogramm.

Besser als Coca-Colas Geheimrezept PB Swiss Tools Der Erfolg des 135-jährigen Familienunternehmens gründet auf der hauseigenen Speziallegierung seiner Handwerkzeuge. Alice Baumann

L

angsam schlängelt sich der 28 Tonnen schwere Lastwagen durchs Emmental. Er bringt neuen Stahl für die Produktion nach Grünen BE – rund 10 Millionen Handwerkzeuge pro Jahr. Insgesamt arbeiten hier und am Hauptsitz von PB Swiss Tools im benachbarten Wasen BE 160 Personen für den 1878 gegründeten Schweizer Hersteller von qualitativ hochstehendem Handwerkzeug. Der Stahl ist abgeladen, die riesigen, 450 Tonnen fassenden Lagerhallen wirken wieder voll. Wenn der Jahresvorrat für die Verarbeitung aufgestockt ist, schlägt die Stunde von Peter Scheidegger. Der Emmentaler, der mit Inhaber Max Baumann zur Schule ging, kontrolliert den Stahl auf Herz und Nieren. Er öffnet jede Kiste und zählt im Schein seiner starken Handlampe die ­angelieferten Stangen und Drahtrollen. Dann führt er stichprobenartig die visuelle Prüfung durch. Stimmen die Abmessungen? Wenn nicht, wird beim Hersteller reklamiert. Hat der Stahl Flugrost angesetzt? Wenn ja, wird die Ware zurückgewiesen.

Sehr strenge interne Kontrollen «Wir stellen sehr hohe Anforderungen an die Lieferanten», sagt Geschäftsführerin­ Eva Jaisli, die 1996 als Qualitätsmanagerin ins KMU ihres Gatten Max Baumann ­einstieg und es nun in vierter Generation leitet. Ein weiterer Grund, das angelieferte Material abzulehnen, wäre eine mangelhafte Qualität der wichtigsten Eigenschaften: Stimmen die erreichbare Härte, die Elastizität und die Zähigkeit mit den Vorgaben überein? Ob das Gefüge des Stahls passt, zeigt sich unter dem Mikroskop. Die Adleraugen der langjährigen Qualitätskontrolleure von PB Swiss Tools sehen anzeige

jede Unregelmässigkeit. Dafür braucht es laut Eva Jaisli viel Erfahrung. «Mit unseren strengen Eingangskontrollen sind wir einzigartig. Hier zeigt sich u ­ nsere Expertise. Und in dieser ersten Phase der Verarbeitung beginnt unser Prozess der Güte, der schliesslich in Werkzeugen von Top-Qualität mündet.» Mitbewerber verzichteten nicht nur auf diese Kontrolle, nein, sie kennten auch das Geheimnis der speziellen Legierung von PB Swiss Tools nicht, so die Chefin ­weiter. Diese sei zwar ebenso vertraulich wie das Rezept von Coca-Cola, werde aber im Unterschied dazu laufend optimiert. «Mit Akribie untersuchen wir in unseren Labors phasenweise die Produkte unserer globalen Mitbewerber. Wir wollen wissen, was ihre Produkte von unseren unterschei­ det.» So habe man dieses Jahr realisiert, dass ein Grossbetrieb in Asien es schaffte, die Elastizität seiner Produkte zu erhöhen. «Wir haben aus der Zusammensetzung seines Stahls gelernt und unsere Legierung noch elastischer gemacht.» Die hausei­gene

Mixtur hüte man wie den Augapfel, betont die ­Unternehmerin. Die Legierung ist beim Stahl entscheidend, das heisst die Art und Menge der beigemischten Elemente. Kohlenstoff ist ausschlaggebend für die maximal erreichbare Härte des Materials. Elemente wie Chrom, Nickel und Silizium beeinflussen Zähigkeit oder Elastizität. Ebenso wichtig ist die Wärmebehandlung. Das Material wird auf bestimmte Temperaturen erhitzt und je nach gewünschter Eigenschaft langsam oder schnell abgekühlt. Zum Erreichen der maximalen Härte eines Stahls muss er aus rotglühender Hitze sehr rasch abgeschreckt werden, was als Härten bezeichnet wird. «Auch bei der Weiterver­ arbeitung durch unsere Fachkräfte – beim Fräsen, Drehen, Schmieden und Härten – ist die Erfahrung entscheidend», sagt Eva Jaisli. Das Rohmaterial könne noch so gut sein. «Wenn der Umgang damit nicht über Jahrzehnte erprobt wird, entsteht kein h ­ erausragendes Produkt. Hier liegt ein Teil unseres klaren USP begründet.»

Produkte

Schraubenzieher zu 60 Prozent aus Stahl Tradition Der Vorfahre erster Genera­ tion von Inhaber Max Baumann war Dorfschmied. Er legte 1878 den Grundstein zum Erfolg von PB Swiss Tools mit Nasenringen für die Bezähmung von Ochsen, Schwingbesen für die ­Armee und Mausefallen für die geplagten Bauern – alles Produkte aus Metall. Moderne Wie gross ist heute der ­Erfolgsanteil von Stahl an einem Werk-

zeug? Schliesslich wurde PB Swiss Tools ursprünglich bekannt als Her­ steller des klassischen Schraubenziehers mit dem roten transparenten Kunststoffgriff. «Ein Schraubenzieher ­besteht zu 60 Prozent aus Stahl und zu 40 Prozent aus Kunststoff. Damit ist klar, dass ein guter Stahl für unser ­Unternehmen unendlich wichtig ist. Und für unsere Kunden in über 60 Ländern», so Geschäftsführerin Eva Jaisli.­

Arbeitsschritte wie die Wärmebehandlung wirken sich gemäss Eva Jaisli unmittelbar auf die Dauerhaftigkeit, Strapazierfähigkeit, Elastizität und Verformbarkeit von Werkzeugen aus. Benütze ein Handwerker seinen Schraubenzieher für einen «Murks», so müsse die Klinge unglaublich viel Kraft auffangen und etwas nachgeben, ohne gleich zu brechen. «Es ist uns wichtig, dass von unseren Werkzeugen keine Verletzungsgefahr ausgeht. Deshalb darf unser Stahl nicht spröde sein.»

Einstieg in die Medizinaltechnik Die Kundschaft des KMU setzt sich aus Wiederverkäufern, Produzenten sowie Handwerksbetrieben zusammen. Darunter sind viele Grossbetriebe in Deutschland, Italien und Japan. In der Schweiz gehören die Fachhändler oder die Baumärkte­ zu den wichtigsten Wiederverkäufern. Zudem werden PB-Swiss-Tools-Werkzeuge von vielen produzierenden Betrieben genutzt, darunter Fabrikanten von Maschinen, Zweirädern und vielem mehr. Zwei Drittel der einheimischen Herstellung werden im Ausland abgesetzt. Der grösste Wachstumsmarkt ist Asien. Daher hat PB Swiss Tools soeben in China eine Handelsfirma gegründet. Im Team arbeiten Landsleute, die lange in Deutschland tätig waren und dadurch über interkulturelle Fähigkeiten verfügen. «China ist ein ganz wichtiger Hub für uns», legt Eva Jaisli die strategische Ausrichtung von PB Swiss Tools dar. «Wir versprechen uns viel vom grossen Markt Asien.» Eine weitere Neuigkeit aus der Gemeinde Sumiswald ist, dass nächstes Jahr die medizinischen Instrumente Operace lanciert werden können. Dem ging die ­Erkenntnis voraus, dass es einen Markt für die Chirurgie gibt, aber wenige ergonomi-

sche Instrumente. Es folgte ein mehrjäh­ riger Entwicklungs- und Vermarktungsprozess. Diesen Sommer konnte PB Swiss Tools mit dem global tätigen Unternehmen­ DePuy Synthes Johnson&Johnsen einen Vertriebsvertrag unterzeichnen. Operace umfasst flexible Instrumentensets für Chirurgen aus aller Welt. Der operierenden Ärzteschaft fehlte bislang ein Werkzeug, welches auf die gängigsten Schraubengrössen passt. So konnte es ­vorkommen, dass ein Orthopäde in der Schweiz nicht über den geeigneten Schraubenzieher verfügte, um eine Schraube in der Metallplatte eines Patienten, der anderswo operiert worden war, auf Anhieb zu lösen. Dies verlängerte die Operation sowie damit die Genesungszeit des Patienten und strapazierte zudem den Arzt unnötig. PB-Swiss-Tools-Instrumente verkürzen die Eingriffe und minimieren die Risiken. Der Wechselgriff ist flexibel für verschiedene Grössen und sterilisierbar. Die Einsätze dazu werden in den ­unterschiedlichsten Abmessungen zum einmaligen Gebrauch fabriziert. Noch ist das Operace-Angebot für die Chirurgie relativ klein. Die 3000 verschiedenen PB-Swiss-Tools-Artikel werden zur Hauptsache von Profi- und Hobbyhandwerkern genutzt. Laut Eva Jaisli boomt der Markt. Das Emmentaler KMU werde 2013 besser abschliessen als im Vorjahr. «Wir profitieren von unseren langfristigen Kundenbeziehungen», freut sich die Chefin. «Diese haben wir in vielen Jahren sorgfältig aufgebaut.» Das anstehende Wachstum in Asien strebe man durch Verdrängung an. Und mit der Medizinaltechnik eröffne sich ein neuer Markt für PB Swiss Tools. «Es lohnt sich, dass wir einen Fünftel unseres Umsatzes in die Entwicklung neuer Produkte stecken.»

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Frauen bringen Stahl zum Schmelzen Umberto Colicchio

D

er Metallbau gehört zu den ältesten Berufen in Europa. Schon im 14. Jahrhundert bildeten die ersten Kleinschmiede ihre Zünfte – natürlich waren schon damals nicht nur Männer ­involviert. Aus den Kleinschmieden wurden Schlosser und aus den Schlossern wurden schliesslich Metallbauerinnen und Metallbauer EFZ. Heute, nach über 700 Jahren, gilt das Gewerbe mit dem Metall immer noch als eher männerlastig. Mit dem Aufkommen des Stahlbaus, der nach der Industrialisierung boomte, änderte sich das nicht, auch dort war die Frauenquote verschwindend gering. In der heutigen Zeit hat sich aber im Vergleich zu früher viel verändert. Frauen treffen in Schweizer Metall- oder Stahlfirmen unternehmerische Entscheidungen, seien es in handwerklichen oder indus­ triellen Betrieben. Oft sind sie als Ehefrau des Patrons quer eingestiegen. Am Anfang oft als Unterstützung im organisatorischen oder administrativen Bereich, jetzt als vollwertige Geschäftsleitungsmitglieder. In den vielen KMU, von denen im Metall- und Stahlbau viele noch in Familienhand sind, hat sich eine eigene Klasse von Geschäftsfrauen gebildet. Eine, die in einer Männerdomäne effektiv Familie und Betrieb zu vereinen versteht.

Fotos: zvg

Management multifunktional Ein Beispiel ist Doris Kubli. Sie leitet mit ihrem Mann zusammen die Toscano Stahlbau AG in Cazis, welche sich schweizweit

Ziehen die Fäden in ihren Betrieben: Barbara Ruch, Ruch AG, Altdorf (links), und Doris Kubli, Toscano Stahlbau AG, Cazis.

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und international auf Stahlbau, Brückenbau und Anlagenbau spezialisiert hat. Doris Kubli kümmert sich im Unternehmen um die Buchhaltung, das Personalwesen und verschiedene Führungsaufgaben. So hat sie den Bau der neuen Produktionshalle mit Büro- und Magazingebäude überwacht. Um sich weiterzubilden, hat sie an der Höheren Fachschule Südostschweiz verschiedene Managementkurse besucht sowie am Schweizerischen Institut für ­ ­Unternehmensschulung die Geschäftsführung erlernt. Während ihres Werdegangs als Geschäftsfrau hat sie vier Töchter und einen Sohn grossgezogen. Das sei eine Herausforderung gewesen: «Die Herausforderung ist das Management und die Verantwortung von Haushalt, Beruf und Familie. Es ist schwierig, aber gleichzeitig spannend, alles unter einen Hut zu bekommen», sagt sie.

SMU vernetzt Geschäftsfrauen Barbara Ruch leitet mit ihrem Ehemann zusammen das Unternehmen Ruch AG, Altdorf. Das grosse Metallbauunternehmen ist spezialisiert auf Planung, Herstellung und Montage von Konstruktionen aus Stahl, Metall und Glas. Hier ist Barbara Ruch für die Abwicklung von Industrieaufträgen verantwortlich oder wickelt mit nationalen oder internationalen Kunden Geschäfte in der Verkaufsabteilung ab. Die Grundlagen der verschiedenen Bereiche hat sie in der Geschäftsfrauenausbildung des Gewerbeverbands Zentralschweiz absolviert. Neben den Führungsaufgaben organisiert sie auch die Events der Firma. Auch sie ist Mutter von drei Kindern. Frauen wie Doris Kubli und Barbara Ruch spielen in der Marktwirtschaft eine wichtige Rolle und man kann nicht auf sie verzichten. Es gibt sie also, die erfolg­ reichen und hochqualifizierten Frauen im harten Stahl- und Metallgewerbe. Um dem gerecht zu werden, organisiert die Schweizerische Metall-Union (SMU) jedes Jahr die go4women-Tagung. An diesem SMU-Event treffen sich über 80 engagierte KMU-Frauen, bilden sich weiter und pflegen ihr Netzwerk. Umberto Colicchio, Mitglied Geschäftsleitung /Leiter Metallbau, Schweizerische Metallunion (SMU), Zürich.

Severin Jakob

Unternehmensführung Es tut sich was im Stahl- und Metallbau. In der vermeintlichen Männerdomäne kommen hochqualifizierte Geschäftsfrauen ans Ruder.

Kapazität: Pro Stunde kann die Bahn pro Richtung 600 Passagiere transportieren, dies auf maximal 20 Fahrten. Im Jahr werden durchschnittlich gegen 1 Million Passagiere befördert.

Aus eigenem Sortiment Pestalozzi Zum 250-JahrGeburtstag wurde das stählerne Zürichsee-Ledischiff «Saturn» temporär zum Galaschiff «MS Pestalozzi» umgebaut. Diethilde Stein

Das Thema «Wasser» drängte sich für die Jubiläumsfeierlichkeiten für das Familienunternehmen Pestalozzi aus verschiedenen Gründen auf. Stahl- und Eisenwaren wurden bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mit sogenannten Ledischiffen (Nauen) transportiert. Die Limmat und der Zürichsee dienten vor allem als Transportstras­ sen. Deshalb war der erste Firmensitz von Pestalozzi am Münsterhof, dem damaligen Messeplatz Zürichs, vorzüglich gewählt. Das Jubiläumsmotto «Gemeinsam bewegen. Seit 1763» unterstrich die Schiffsidee. Das Familienunternehmen in der 8. Generation liess deshalb das 33-jährige und

grösste Ledischiff auf Binnengewässern in der Schweiz (245 Tonnen schwer) vom Kiestransporter zu einem Galaschiff umbauen. Die «Saturn» ist mit ihrer Länge von 60 Metern und 8,5 Metern Breite ein beachtliches Schiff. Damit transportiert die Firma Kibag in der Regel Kies zwischen Nuolen am Obersee und der Stadt Zürich. Letztes Frühjahr lag die «Saturn» während zweier Monate im Hafen Bäch vor Anker – aus dem Ledischiff «Saturn» entstand das Galaschiff «MS Pestalozzi». Das Schiff wurde mit 350 Tonnen Kies aufgefüllt, damit es zusammen mit den Gästen, der PestalozziSchiffscrew und dem Catering-Personal über genügend Tiefgang verfügte. Die Fahrgeschwindigkeit ist im beladenen Zustand beschaulich: 16 Stundenkilo­ ­ meter. Zwei V12-Deutz-Motoren à 280 PS ­bewegen das Schiff. Beim Schiffsumbau konnte Pestalozzi auf das eigene Sortiment zurückgreifen: Stahl für die Böden und Brücke zum Schiff sowie Geländer mit dem eingravierten Namen des Geburtstagskindes. Andreas

Bretscher, Projektleiter Kibag: «Der Umbau unseres grössten Ledischiffs zur ‹MS Pestalozzi› war kein alltäglicher Auftrag. Herausfordernd war für uns vor allem das Zusammenspiel mit den vielen am Umbau beteiligten Partnern.» Ende Mai stach die «MS Pestalozzi» mit VIP-Gästen aus Politik und Wirtschaft ­sowie Medien zum ersten von insgesamt 22 Kunden- und Lieferantenanlässen der Pestalozzi-Gruppe in See. Der letzte Anlass wurde am 23. Juli 2013 durchgeführt. Zwei Extrafahrten waren für die Mitarbeitenden und ihre Familien reserviert. Am 19. August 2013 begann der Rückbau. Urs Jenny, OK-Präsident Pestalozzi: «Freude herrschte, weil wir auf jeder Fahrt 170 ­Gäste auf dem Schiff bewirten durften und ihnen ein einmaliges Erlebnis auf dem ­Zürichsee bieten konnten. Zudem ist die Freude noch grösser, im Wissen, dass die ‹MS Pestalozzi› aus nahezu 100 Prozent Stahl gebaut ist.» Diethilde Stein, Leiterin Kommunikation, Pestalozzi+Co AG, Dietikon.

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Messer, Uhren und Küchen

Rostfreier Stahl Geht es um den Einsatz dieses Werkstoffes, so gehört die Schweiz weltweit zu den stärksten Abnehmern.

Stählen gibt es in der Schweiz nicht, wohl aber Produzenten von Rohren und Spe­ zialprofilen. Diese setzen sowohl Blech als auch Draht ein, sodass die verbrauchte Menge an Rohren und Profilen höher liegt. Ein Teil davon wird ins Ausland ­exportiert.

Eberhard Brune

Impressum Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

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Severin Jakob

A

ngenommen, man würde den mittleren Verbrauch von nichtros­ tendem Stahl pro Einwohner in der Schweiz als Indikator für allgemeinen Wohlstand nehmen, dann brauchte man sich hierzulande keine Sorgen zu machen. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 15 Kilo liegt die Schweiz im weltweiten Vergleich ganz vorn. Auch die Menge von 158000 Tonnen Rostfrei-Stahl, in die Schweiz importiert im Jahre 2011, zeigt, dass diese Werkstoffgruppe eine besondere Bedeutung hat. Die Verbrauchsschwan­ kungen sind allerdings beachtlich. So schrumpfte der Gesamtabsatz 2012 um zirka 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Blickt man weiter zurück, so stellt man fest, dass in einem Zeitraum von zehn Jah­ ren sogar ein Rückgang von etwa 20 Pro­ zent zu verzeichnen ist. Dass derart starke Schwankungen und namentlich Rückgänge die hiesigen Stahl­ händler nervös werden lassen, kann man sich vorstellen. Dabei gibt es einige wirk­ lich gut gehende Branchen, die diesen Werkstoff schätzen, ja sogar auf seine her­ vorragenden Eigenschaften förmlich an­ gewiesen sind. Dazu gehören etwa die Hersteller der weltbekannten Uhren, der Schweizer Messer oder der Designer­ küchen – all diese Produkte wären ohne

Finanzielle Lage: Das Privatunternehmen (je 600 Namen- und Inhaber­ aktien) schreibt Gewinne, rechnet aber damit, für eine neue Konzession – die bestehende läuft 2014 aus – grössere Investitionen tätigen zu müssen.

rostfreien Stahl nur sehr schwer und un­ gleich teurer zu realisieren. Hochwertige Werkstoffe tragen zudem ihren Teil dazu bei, dass in der Schweiz eine hohe Wertschöpfung erzielt wird: Mit einem Wert von 12.40 Franken pro Kilo­ gramm Exportgut ist die Schweiz Welt­ meister im Vergleich zu anderen Ländern. In Deutschland liegt dieser Wert beispiels­ weise bei 4 Franken pro Kilo. Nicht im täglichen Fokus, gleichwohl jedoch bedeutend, sind jene Branchen, in denen die herausragenden Korrosions-­ Eigenschaften unabdingbar erforderlich sind. Die Chemie- und Pharmaindustrie,

die Medizintechnik oder die Lebensmit­ telindustrie seien hier beispielhaft ge­ nannt. Auch Architekten und Metallbauer schätzen die inspirierenden und langlebi­ gen Rostfrei-Produkte zunehmend, be­ sonders auch in Kombination mit Glas. Der grösste Teil der Rostfrei-Stähle, etwa 88000 Tonnen, wird in Form von Flachprodukten verarbeitet, also als Blech­ tafeln oder Coils, gefolgt von Stabstahl in verschiedenen Abmessungen und Forma­ ten mit etwa 27000 Tonnen. Die restliche Menge teilt sich auf in etwa 5000 Tonnen Draht und 24000 Tonnen Rohre. Eine eigene Produktion von nichtrostenden ­

Deutschland der wichtigste Lieferant Die grössten Mengen an Rostfrei-Stahl werden von unseren Nachbarländern ­geliefert, allen voran von Produzenten in Deutschland, Italien, Frankreich und ­Belgien. Auch skandinavische Länder wie Finnland und Schweden liefern zuneh­ mende Mengen in die Schweiz. Es gibt viele verschiedene nichtros­ tende Stahlsorten; gleichwohl haben sich vor allem die sogenannten austenitischen Stähle am meisten durchgesetzt. Da die wichtigen darin enthaltenen Legierungs­ elemente Chrom, Nickel und Molybdän an der Londoner Börse gehandelt werden, können die Preise im Vergleich zu un­ legierten Stählen stark schwanken. Das durchschnittliche Preisniveau lag im Jahr 2012 je nach Format, Abmessung und Sorte zwischen 10 und 15 Prozent unter Vor­ jahresniveau. Die Basispreise selbst waren stabil, jedoch fielen die Legierungszu­ schläge in Europa um zirka 17 Prozent. Im Vergleich zu anderen Werkstoffen sind die Rostfrei-Stähle in den letzten Jahren relativ günstiger geworden. Was den Verbraucher freut, treibt den Stahlherstellern hingegen Sorgenfalten auf die Stirn: Die Herstellung in Europa kommt immer mehr unter Kos­ tendruck. Es wird in den nächsten Jahren sicher zu einer Konsolidierung kommen. Die ersten Werksschliessungen in Deutsch­ land sind bereits angekündigt. Eberhard Brune, Dipl.-Ing. und Dipl.-Wirtsch.-Ing., Vertriebsleiter Sparte Schweisstechnik/Mitglied der Geschäftsleitung, Fronius Schweiz AG, Rümlang. Vorstandsmitglied Swiss Inox.

Grosses technisches und wirtschaftliches Potenzial Härterei Gerster Härte und Korro­

sionsbeständigkeit sind grundlegende Qualitätskriterien für die Wertbeständig­ keit und Zuverlässigkeit von Produkten aus rostfreiem Stahl. Ein neuartiges, von der Härterei Gerster AG, Egerkingen, op­ timiertes Vakuumhärte-Verfahren (HardInox-P) hebt die Korrosionsbeständig­ keit gehärteter Bauteile auf das Niveau von Chrom-Nickel- und Chrom-Nickel-­ Molybdänstählen. Das Verfahren bietet so neue Perspektiven in der Werkstoff­ auswahl und Wärmebehandlung von Rostfrei-Produkten. Die Anwendung här­ tereitechnischer Methoden zur Realisie­ rung von verschleissbeständigen Bautei­ len ist nicht nur wirksam, sondern auch sehr wirtschaftlich, weil sie das in einem Metall innewohnende Vermögen zur Härtung verfahrenstechnisch effizient ausnützen. Der grosse Nutzen dieser Technologie liegt in der Steigerung der Lebensdauer und Wertbeständigkeit von rostfreien Produkten und der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Viele Produkte, bei denen aus Gründen der Korrosionsbeständigkeit auf einen austenitischen Chrom-Nickeloder Chrom-Nickel-Molybdänstahl zu­ rückgegriffen werden musste, können heute auf der Basis eines nickelfreien, ­ferritischen Stahles zusätzlich auf hohe Verschleiss- und Kratzfestigkeit veredelt werden. Die Herstellung von kratzfesten Haushaltwaren oder anderen Konsum­ gütern des täglichen Gebrauchs ist somit nicht nur technisch machbar, sondern auch bezahlbar. Umgekehrt kann die Zuverlässigkeit von vielen Produkten, die heute neben ­einem Verschleiss auch einem korrosiven Angriff unterliegen, ebenso wirtschaftlich erhöht werden. Michel Sahner, Härterei Gerster AG, Egerkingen.

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