Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

Fachthemen András Reith Adrienn Gelesz Gunther Pültz DOI: 10.1002/bapi.201110013 Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe...
8 downloads 2 Views 572KB Size
Fachthemen András Reith Adrienn Gelesz Gunther Pültz

DOI: 10.1002/bapi.201110013

Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen Bei großflächig verglasten, mehrgeschossigen Bürogebäuden liegen doppelschalige, hinterlüftete Glasfassaden nach wie vor im gestalterischen Trend. Die Konstruktionsdetails der Fassade haben einen erheblichen Einfluss auf die sommerliche Überhitzung der Luft im Fassadenzwischenraum (FZR), in dem auch der Sonnenschutz platziert ist. Es empfiehlt sich daher, die Details einer doppelschaligen Fassade im Hinblick auf die sommerlichen Temperaturverhältnisse zu optimieren. Die üblichen Methoden einer standardmäßigen bauphysikalischen Planung sind für eine derartige Optimierung nur sehr bedingt verwendbar. Im vorliegenden Beitrag wird anhand des Projektes Neues K & H Bank-Gebäude in Budapest exemplarisch aufgezeigt, wie mit Hilfe von moderner Simulationstechnik die Ausbildung einer doppelschaligen Fassade evaluiert und anschließend optimiert werden kann. Evaluation and optimization of a double skin façade with the help of computational simulations. Natural ventilated double skin façades still prove to be trendy design choices for multi-story office buildings with large glazed surfaces. The construction design details of these façades have a significant impact on the summer overheating of the air in the façade cavity, in which the shading is positioned also. Therefore it is recommended to investigate and optimize the parameters of the double skin façade concerning the summer temperature conditions. The usual methods of standard building physical planning have limited application possibilities for optimizing these kinds of systems. Therefore in the following article through the example of the K°&°H Bank, Budapest, we are going to explain how the modern simulation techniques can support the constructional design of double skin façades first by evaluation, then subsequently, by optimization.

Bild 1. Geplanter Gebäudekomplex K & H Bank Budapest, Ansicht von der Soroksári Straße, Visualisierung (© FINTA Stúdió, Budapest) Fig. 1. Planned building complex K & H Bank Budapest, view from Soroksári Street, visualization (© FINTA Stúdió, Budapest)

1 Projekt K & H Bank Budapest 1.1 Gebäude und Lage in der Stadt Das Millennium-Stadtzentrum von Budapest wird am Donau-Ufer auf der Pester Seite errichtet. Der Abschnitt zwischen den Brücken Lágymányosi und Petöfi wurde in den vergangenen zehn Jahren am intensivsten entwickelt. Unter anderen wurden dort das neue Ungarische Nationaltheater und der auch auf internationaler Ebene mehrmals preisgekrönte, über eine ausgezeichnete Akustik verfügende Palast der Künste, sowie zahlreiche Bürogebäude und Wohngebäude errichtet. An diesem Uferabschnitt, auf einem Grundstück zwischen der Soroksári Straße und der Donau, wird die neue Hauptverwaltung der K & H Bank als erster Bauabschnitt eines multifunktionalen Gebäudekomplexes errichtet. Im

Bild 2. Mehrgeschossige doppelschalige Fassaden nach Westen, Visualisierung (© FINTA Stúdió, Budapest) Fig. 2. West facing multi-storey double skin façade, visualization (© FINTA Stúdió, Budapest)

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 33 (2011), Heft 2

111

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

Rahmen der weiteren Projektentwicklung werden zusätzliche Gebäudeabschnitte mit Hotel, Konferenzzentrum und Büroräumen in der Größenordnung von ca. 150.000 m2 realisiert werden (Bild 1). Die besonders günstige Lage des Gebäudes und das wunderbare Panorama auf die Donau haben die Architekten des Gebäudes dazu veranlasst, einen Gebäudekomplex zu planen, an dessen Fassaden transparente Konstruktionen überwiegen (Bild 2). Die Nutzung moderner Bautechnologie führte dabei zum Einsatz von Elementfassaden, die eine schnelle und weitgehend fehlerfreie Vor-Ort-Montage ermöglichen.

1.2 Ausbildung der doppelschaligen Fassade Unter Berücksichtigung der klimatischen Gegebenheiten von Budapest stellt sich die Vermeidung von sommerlicher Überhitzung der doppelschaligen Glasfassaden als maßgeblich dar – ähnlich wie in vielen anderen Gebieten Europas. Die maßgebliche solare Belastung tritt dabei an den südwestlich ausgerichteten, mehrere Geschosse hohen Fassaden auf. Die exemplarisch untersuchte doppelschalige Fassade reicht vom 1. bis zum 6. OG (siehe Bild 6). Die hinterlüftete doppelschalige Fassade der ersten vier Geschosse weitet sich in den oberen zwei Geschossen zu einem Wintergarten auf; im 6. OG schließt die äußere Fassadenschale am Glasdach ab. Der Abstand zwischen der äußeren und der inneren Schale variiert über die Höhe: der normale Abstand der zwei Schalen beträgt ca. 600 mm, aber bei den Wintergärten beträgt er ca. 5000 mm. Die Beurteilung des thermischen Verhaltens der doppelschaligen Fassade wird auch dadurch erschwert, dass der untersuchte, im Luftverbund stehende Abschnitt der doppelschaligen Fassade um die Gebäudeecke herum angeordnet (im Grundriss L-förmig) ist (Bild 3). Die gesamte doppelschalige Fassade und der anschließende Wintergarten werden ausschließlich natürlich durchlüftet. Hierfür sind am unteren Ende der Fassade in Höhe der Fußbodenoberkante des 1. OG sowie im oberen Bereich des Wintergartens Lüftungsöffnungen in Form von Glaslamellen angeordnet (Bild 4). Die innere Schale ist als wärmegedämmte Fassade mit Aluminium-Rahmenelementen ausgebildet, während die äußere Schale als StahlGlas-Konstruktion mit Punkthalterungen ausgeführt wird,

Bild 3. Gebäudeeck mit umlaufender doppelschaliger Fassade Fig. 3. Buidling corner with circumferential double skin façade

112

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

Bild 4. Glaslamellen als Lüftungsöffnungen Fig. 4. Ventilation openings: glass lamella

Bild 5. Zweischalige Fassade im Bau Fig. 5. View of double skin façade during construction

die oben von einer Dachkonstruktion aus AluminiumRiffelblech abgeschlossen wird (Bild 5). Bei der Wahl des Sonnenschutzes war für die Fassade zur Donau hin eine intensive Windbelastung zu berücksichtigen, so dass ein windgeschütztes Gewebe im Fassadenzwischenraum (FZR) der doppelschaligen Fassade und ein außen angeordneter, feststehender Sonnenschutz zum Einsatz kommen. Der mobile, textile Sonnenschutz im FZR wurde in einem Abstand von ca. 200 mm von der inneren Verglasung positioniert. An einem kleineren Abschnitt der (dort einschaligen) Fassade wurde ein starrer, horizontaler Sonnenschutz aus Aluminium-Lamellen (in zwei Breiten, je nach Fassadenorientierung) im vertikalen Abstand von konstant ca. 600 mm vor der äußeren Schale vorgesehen (Bild 6).

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

– Welche Verbesserung wird erreicht, wenn der Luftspalt der zweischaligen Fassade vom Luftraum des Wintergartens getrennt wird und für die Hinterlüftung Zwischenöffnungen vorgesehen werden? – Welche weiteren Optimierungen können durch andere Verglasungen sowie durch Platzierung der Verschattungselemente vor der äußeren Schale erreicht werden?

2 Simulationen Für die Beantwortung der oben aufgeführten Planungsfragen zur Ausbildung einer doppelschaligen Fassade sind die üblichen, einfachen Methoden einer standardmäßigen bauphysikalischen Planung nur sehr bedingt einsetzbar. Im Gegensatz dazu eignet sich die moderne, innovative Simulationstechnik hervorragend, um einzelne Maßnahmen, wie z. B. – Beschichtungen und/oder Bedruckungen der Verglasungen, – Material und Farbgebung des integrierten Sonnenschutzsystems, – natürliche Durchlüftung des Fassadenzwischenraums, im Hinblick auf die Optimierung einer doppelschaligen Fassade zu bewerten. Nachfolgend werden die beiden wichtigsten Methoden zur Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade und deren Zusammenspiel anhand des Projektes K & H Bank Budapest exemplarisch vorgestellt.

2.1 Spektrale, strahlungsphysikalische Berechnungen

Bild 6. Schnitt der Fassade im Bereich mit dem äußeren starren Sonnenschutz und mit Wintergarten Fig. 6. Section of the façade with fix sun shading and with wintergarden

1.3 Planungsfragen im Zusammenhang mit der doppelschaligen Fassade Im Zusammenhang mit der doppelschaligen Fassade sind im Planungsprozess folgende Fragen aufgetreten: – Sind kritische sommerliche Temperaturen im Luftspalt der doppelschaligen Fassade und/oder im Luftraum des Wintergartens zu erwarten? Wenn ja, wie oft muss mit kritischen sommerlichen Temperaturen gerechnet werden? – Welche Auswirkungen haben die Farbe und das Material des Sonnenschutzgewebes? Können die gewünschten sommerlichen Lufttemperaturen mit dem aus gestalterischen Gründen bevorzugten dunkelblauen Sonnenschutzgewebe erreicht werden? – Welche sommerlichen Temperaturen sind in dem über 6 Geschosse durchgehenden Luftspalt zu erwarten? Sind die für die Hinterlüftung vorgesehenen Öffnungen bzw. deren freie Querschnitte für die erforderliche Intensität der natürlichen Belüftung ausreichend?

Die Fassade stellt als Bindeglied zwischen dem Gebäude und der Außenwelt zunächst einen ganz wesentlichen Einflussparameter auf die Gestaltung dar. Darüber hinaus ist sie jedoch auch im Hinblick auf die Energieströme und sonstigen Wechselwirkungen zwischen innen und außen von maßgeblicher Bedeutung. Anforderungen an die Fassade resultieren daher aus verschiedenen technischen Funktionen und müssen berücksichtigt werden; insbesondere deren gegenseitige Interaktionen sind von höchster Bedeutung und erfordern daher zwingend eine integrale Betrachtungsweise. Dieses komplexe Spannungsfeld bei der Gestaltung einer doppelschaligen Fassade ist schematisch in Bild 7 dargestellt. Im Hinblick auf die sommerlichen Klimaverhältnisse kommt der Begrenzung des solaren Wärmeeintrags über die transparenten Fassadenbereiche eine zentrale Bedeutung zu. Dieser wird bestimmt durch die Verglasungen in Kombination mit dem Sonnenschutzsystem und – insbesondere im Falle einer doppelschaligen Fassade – durch die Intensität der natürlichen Durchlüftung. Die Sonnenschutzqualität wird in Form des Gesamtenergiedurchlassgrades (g-Wert) angegeben. Dieser kann zwar in einem ersten, groben Ansatz mit Hilfe des g-Wertes der Verglasung und des Abminderungsfaktors FC des Sonnenschutzes abgeschätzt werden; dabei bleiben jedoch systemspezifische Eigenschaften (z. B. hohe Reflexion von spiegelnden Sonnenschutzelementen, große Lüftungsöffnungen für eine gute Hinterlüftung) unberücksichtigt. Deutlich aussagekräftigere Kennwerte lassen sich mit Hilfe von strahlungsphysikalischen Berechnungen ermitteln, die auf den Spektralverteilungen von Transmission, Refle-

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

113

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

Bild 9. Modell eines „dynamischen“ Gesamtenergiedurchlassfaktors – Prinzip Fig. 9. Model of a “dynamic” solar heat gain coefficient – principle

Bild 7. Spannungsfeld der Planung einer doppelschaligen Fassade Fig. 7. Differing requirements on design of double skin façade

xion und Absorption (Bild 8) jeder einzelnen Fassadenschicht (Glasscheiben, Sonnenschutz) basieren. Die Algorithmen hierfür sind in EN 13363-2 [1] und ISO 15099 [2] hinterlegt. Damit können die Vielfachreflexionen innerhalb der doppelschaligen Fassade berücksichtigt werden. Darüber hinaus liefern sie Angaben über die winkelabhängigen Werte der Gesamt-Strahlungstransmission (= solare Strahlung, die durch die gesamte doppelschalige Fassade transmittiert, und die vom Winkel der auf die Fassade auftreffenden Sonnenstrahlen abhängig ist) und der Absorption innerhalb der einzelnen Fassadenschichten (also jeder einzelnen Glasscheibe und des Sonnenschutzes). Diese winkelabhängigen, strahlungsphysikalischen Daten sind die erforderlichen Eingangsdaten für zonal orientierte, thermische, dynamische Simulationsprogramme, welche über ein dynamisches g-Wert-Modell verfügen und daher für die Bild

Bild 10. Echter Sonnenstand und projizierter Sonnenhöhenwinkel (Quelle: VDI 2078 [6]) Fig. 10. Real sun angles and projected sun height angle (source: VDI 2078 [6])

einer doppelschaligen Fassade besonders gut geeignet sind, z. B. ESP-r [3]. Das Prinzip eines dynamischen g-Wertes – welcher keinen fixen Abminderungsfaktor des Sonnenschutzes (= konstanter FC-Wert) benötigt, sondern die Wärmeströme innerhalb der doppelschaligen Fassade im Rahmen der Simulation für jeden Zeitschritt ermittelt (was eine eindiomesionale Finite-Differenzen-Diskretisierung voraussetzt) – ist in Bild 9 dargestellt. Die strahlungsphysikalischen Berechnungen für die doppelschalige Fassade der K & H Bank in Budapest wurden von mit Hilfe der Software WIS [4] durchgeführt, welche die Kennwerte in Abhängigkeit eines Sonnenhöhenwinkels von 0° bis 90° liefert. Bei diesen von WIS vorgegebenen Winkeln der auftreffenden Sonnenstrahlen bzw. der Sonnenhöhe handelt es sich nicht um die tatsächliche, echte Sonnenhöhe des jeweiligen Sonnenstandes, sondern um die in eine vertikale Normalebene der Fassade projizierte Sonnenhöhe („projizierter Sonnenhöhenwinkel“, Bild 10). Dieser projizierte Sonnenhöhenwinkel wird nach DIN EN 14500 [5] als „Profilwinkel“ bezeichnet. Die Ermittlung des projizierten Sonnenhöhenwinkels aus dem echten Sonnenstand und der Fassadenorientierung ist u. a. in DIN EN 14500 und in VDI 2078 [6] angegeben.

2.2 Zonal orientierte, thermische, dynamische Simulationen

Bild 8. Spektrum eine Glasscheibe mit einer typischen Sonnenschutzbeschichtung Fig. 8. Spectrum of a glass pane with a typical sun protection coating

114

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

Die sommerlichen Temperaturen im natürlich durchlüfteten Fassadenzwischenraum (FZR) der doppelschaligen Fassade – und auch in dem großflächig verglasten Wintergarten, der im Luftverbund mit dem FZR steht – sind mit den üblichen Planungswerkzeugen (z. B. Nachweis

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

Bild 11. Idealisierte Energiebilanz Raum als Basis der zonalen Simulation [9] Fig. 11. Idealized room energy balance as the basis of zonal simulation [9]

des sommerlichen Wärmeschutzes nach DIN 4108-2, EnEV-Berechnungen nach DIN V 18599) nicht zu ermitteln. Häufig werden bei der Planung derartiger doppelschaliger Fassaden jedoch Angaben zu ebendiesen sommerlichen Temperaturen im FZR erforderlich, um Planungsentscheidungen auf einer fundierten Basis treffen zu können. In diesen Fällen wird der Einsatz innovativer, moderner Planungswerkzeuge in Form von zonal orientierten thermischen, dynamischen Simulationen erforderlich.

Grundlagen Die „zonal orientierte, thermische, dynamische Simulation“, welche in der VDI 6020 [7] als „thermisch-energetische Gebäudesimulation (TEG)“ bezeichnet wird, basiert prinzipiell auf der Energiebilanz eines Raumes bzw. einer Zone, in der alle relevanten zu- und abgeführten Energieströme dynamisch bilanziert werden (Bild 11). Luftvolumenströme und damit verbundener Abtransport von Wärme aus Zonen werden mit abgebildet; dies ist von besonderer Bedeutung, denn gerade die natürliche Durchlüftung des FZR der doppelschaligen Fassade spielt eine wesentliche Rolle bei dessen Entwärmung. Die Intensität der natürlichen Durchlüftung hängt dabei neben den Antriebskräften Wind und Thermik auch von der Lage, der Größe, dem Durchflusskoeffizienten (≈ Strömungswiderstand) und der Anzahl der Öffnungen in der Außenschale der doppelschaligen Fassade ab. Die wesentliche Einschränkung dieser Simulationsart ist darin zu sehen, dass sie auf flächen- und raumbezoge-

nen Mittelwerten basiert. So werden die raumbegrenzenden Bauteile (z. B. Wände, Decke, Boden) nur eindimensional in Form des Schichtenaufbaus abgebildet; dies hat zur Folge, dass für jede bilanzierte Oberfläche nur eine Temperatur berechnet wird, welche als Mittelwert der gesamten Oberfläche zu verstehen ist. Noch deutlicher wird die Mittelwertbildung bei der Luft innerhalb des Raums bzw. der Zone: Denn die zonal orientierte Simulation löst nur eine Energiebilanz für die Luft im Raum und liefert daher nur eine einzige Lufttemperatur für den Raum bzw. die Zone, welche als räumlicher Mittelwert der Zone (Mittelung über den gesamten abgebildeten Raum) zu verstehen ist (Bild 12). Es wird somit die detaillierte Luftströmung innerhalb eines Raumes bzw. einer Zone nicht abgebildet (sondern nur der energetische Rauminhalt), so dass Aussagen zu örtlichen Lufttemperaturen oder lokalen Luftgeschwindigkeiten prinzipiell nicht möglich sind. Dennoch können überschlägige Aussagen zur thermischen Schichtung geliefert werden, z. B. innerhalb des FZR, der sich über mehrere Geschosse erstreckt und im Luftverbund steht. Hierzu wird der FZR in meist geschossweise Zonen aufgeteilt.

3D-Simulationsmodell In Bild 13 ist zunächst eine Visualisierung der zu simulierenden doppelschaligen Fassade mit dem oben angrenzenden Wintergarten dargestellt. Das daraus entwickelte multizonale Simulationsmodell mit 12 Zonen zeigt Bild 13, vgl. auch Bild 2.

Bild 12. Räumliche Mittelwertbildung – Prinzipdarstellung Fig. 12. Spatial averaging over the room in principle

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

115

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen 60 E6-W

55

E5-W E4-W E3-W

Operative Temperatur [°C]

50

E2-W E1-W

45

Außenluft

40 35 30 25 20 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

Tageszeit [h]

Bild 15. Mittlere operative Temperaturen im Wintergarten am 18. August Fig. 15. Averaged operative temperatures in the wintergarden on 18th August

ansteigen (Bild 14). Die für die thermische Behaglichkeit maßgebliche operative Temperatur im Wintergarten stieg aufgrund der aus dem FZR zuströmenden Warmluft und thermisch eher ungünstigen Fassadenausbildung sogar auf Werte über 50 °C an (Bild 15), was außerhalb der Akzeptanzbereichs liegt. Es wurde eine Optimierung der doppelschaligen Fassade und des Wintergartens erforderlich.

Bild 13. 3D-Simulationsmodell mit 12 Simulationszonen, vgl. Bild 2 Fig. 13. 3D-simulationmodel with 12 simulation zones, see Fig. 2

3.2 Optimierung der Planung

3 Sommerliche Temperaturen im FZR Als meteorologische Grundlagen wurden die Jahresdaten für Budapest aus der Software METEONORM, Version 6.1 [8], verwendet. Als thermisches Simulationsprogramm wurde die Software ESP-r, Version 11.9, der University of Strathclyde [3] eingesetzt.

3.1 Ausgangssituation Die thermischen Simulationen für den ursprünglichen Planungsstand mit dunkelblauem Sonnenschutzgewebe im FZR lieferten Lufttemperaturen im FZR für warme Sommertage in Budapest (18. August), die bis auf ca. 45 °C

Im Rahmen der Optimierung der doppelschaligen Fassade und des Wintergartens wurden folgende Verbesserungsmaßnahmen simulationstechnisch untersucht: – optimiertes Sonnenschutzgewebe/Screen: hell (reflektierend) anstatt dunkel (absorbierend), – Optimierung der natürlichen Durchlüftung: lufttechnische Trennung des Wintergartens vom FZR der doppelschaligen Fassade, – optimierte Fassadenausbildung: – Sonnenschutz vom FZR nach außen, – Außenschale als 3fach-Verglasung anstelle von 1fachGlasscheibe. Das Potential dieser Verbesserungsmaßnahmen ist in den Bildern 16 (Spitzentemperaturen) und 17 (Häufigkeit ho-

60

60 E6-N

55

Außenluft

E5-N

55

ursprünglicher Planungsstand

E4-N E3-N E1-N

45

Außenluft

40 35

optimierte natürliche Lüftung

45

35

30

25

25

20

Außensonnenschutz vor 3-fach Verglasung

40

30

20

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

Tageszeit [h]

Bild 14. Mittlere Lufttemperaturen im nördlichen FZR am 18. August Fig. 14. Averaged air temperatures in the northern façade corridor on 18th August

116

helles, reflektierendes Gewebe

50

E2-N

Operative Temperatur [°C]

Lufttemperatur [°C]

50

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

24

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

Tageszeit (h)

Bild 16. Sommerliche Spitzentemperaturen im Wintergarten am 18. August Fig. 16. Peak air temperatures in the wintergarden on 18th August

A. Reith/A. Gelesz/G. Pültz · Evaluierung und Optimierung einer doppelschaligen Fassade mit Hilfe von Simulationen

1400

ursprünglicher Planungsstand helles, reflektierendes Gewebe

1200

optimierte natürliche Lüftung Außensonnenschutz vor 3-fach Verglasung

Häufigkeit [h/a]

1000

Außenluft

800 600 400 200 0

Bild 17. Häufigkeit hoher sommerlicher, operativer Temperaturen im Wintergarten Fig. 17. Frequency of high operative temperatures in the wintergarden on 18th August

her sommerlicher Temperaturen) exemplarisch für den großflächig verglasten Wintergarten dargestellt. In Bild 16 ist zu erkennen, dass die sommerlichen Übertemperaturen im Wintergarten gegenüber der Außenluft von ca. 20 K (ursprünglicher Planungsstand) mit Hilfe der Optimierungen bis auf ca. 5 K reduziert werden können. Auch das Potential der jeweiligen Einzelmaßnahme im Hinblick auf eine Reduzierung der sommerlichen Spitzentemperaturen ist in Bild 16 gut zu quantifizieren. Neben den Spitzentemperaturen spielt bei der Entscheidung für oder wider eine Verbesserungsmaßnahme immer auch die Häufigkeit der extrem hohen sommerlichen Temperaturen eine bedeutende Rolle. In Bild 17 ist die Häufigkeit hoher sommerlicher Temperaturen – wiederum exemplarisch im Wintergarten – für die jeweilige Ausbildung der doppelschaligen Fassade aufgetragen. Es ist zu erkennen, dass sich mit Hilfe der untersuchten Verbesserungsmaßnahmen die Häufigkeit hoher sommerlicher, operativer Temperaturen im Wintergarten (Top > 30 °C) – noch etwas ausgeprägter als bei den sommerlichen Spitzentemperaturen – um ca. 75 bis 85 % senken lässt.

4 Zusammenfassung und Fazit Doppelschalige Fassaden liegen nach wie vor im Trend der gegenwärtigen europäischen Architektur – insbesondere bei mehrgeschossigen, großflächig verglasten Gebäuden. Häufig zeichnen sich bei derartigen Gebäuden bereits in der Planung Probleme mit den sommerlichen Temperaturen innerhalb des Fassadenzwischenraums (FZR) der doppelschaligen Fassade ab, so dass sich eine Optimierung der Fassadenausbildung im Hinblick auf die sommerlichen Temperaturverhältnisse im FZR als sinnvoll und erforderlich darstellt. Die Werkzeuge bzw. Methoden einer standardmäßigen Planung reichen hierzu in der Regel nicht aus, so dass der Einsatz moderner, innovativer Planungswerkzeuge in Form zonal orientierter, thermischer Simulationen – mit vorgeschalteten spektralen, strahlungsphysikalischen Berechnungen – erforderlich wird. Nur diese sind in der

Lage, das Potential einzelner Verbesserungsmaßnahmen, wie z. B. optimierter Sonnenschutzscreen mit hellem (reflektierenden) statt dunklem (absorbierenden) Gewebe, Optimierung der natürlichen Durchlüftung durch lufttechnische Trennung des Wintergartens vom FZR, optimierte Fassadenausbildung mit einem nach außen verlegten Sonnenschutz und einer Außenschale aus 3fach-Verglasung, im Hinblick auf die sommerlichen Spitzentemperaturen und deren Häufigkeit zu quantifizieren. Diese erfolgreiche Vorgehensweise wurde am Beispiel der doppelschaligen Fassade der K & H Bank in Budapest aufgezeigt. Erst die Ergebnisse dieser Berechnungen und Simulationen ermöglichen der Planungsrunde, fundierte Entscheidungen bezüglich der konstruktiven Ausbildung einer doppelschaligen Fassade zu fällen. Diese modernen, innovativen Simulationswerkzeuge stellen somit einen unverzichtbaren Bestandteil der Planung hochwertiger doppelschaliger Fassaden dar. Literatur [1] DIN EN 13363-2:2005-06 mit Berichtigung 2007-04 Sonnenschutzeinrichtungen in Kombination mit Verglasungen – Berechnung der Solarstrahlung und des Lichttransmissionsgrades – Teil 2: Detailliertes Berechnungsverfahren. [2] ISO 15099:2003-11 Thermal performance of windows, doors and shading devices – Detailed calculations. [3] Software ESP-r (Version 11.9) Energy Systems Research Unit (ESRU), University Strathclyde, Glasgow, Prof. Joe Clarke (Details siehe http://www.esru.strath.ac.uk/). [4] Software “Advanced Window Information System (WIS)”, Version 3.0.1, des Window Energy Data Network (WinDat), coordinated by TNO Building and Construction Research (TNO Bouw), Department: Sustainable Energy and Buildings (DEG), The Netherlands (Details siehe http://windat.ucd.ie/ wis/html/index.html). [5] DIN EN 14500:2008-08 Abschlüsse – Thermischer und visueller Komfort – Prüf- und Berechnungsverfahren. [6] VDI 2078:1996-07 Berechnung der Kühllast klimatisierter Räume (VDI-Kühllastregeln). [7] VDI 6020:2001-05 Anforderungen an Rechenverfahren zur Gebäude- und Anlagensimulation – Teil 1: Gebäudesimulation. [8] Software METEONORM, Version 6.1, der Fa. Meteotest (Details siehe http://www.meteonorm.com). [9] van Treeck, C.: Gebäudemodell-basierte Simulation von Raumluftströmungen. Dissertation, TU München Shaker-Verlag, 2004.

Autoren dieses Beitrages: Dr. András Reith, MSc. Arch. & Build. Eng. (TU-Budapest), MSc. ClimaDesign (TU-München); Vice Chair of the Founding Board of Directors, Hungary Green Building Council (HuGBC) Adrienn Gelesz, MSc. Arch. & Build. Eng. (TU-Budapest); LEED Accredited Professional (AP), BREEAM International Assessor Beide: MÉRTÉK ÉPÍTÉSZETI Stúdió, Lónyay u. 29., 1093 Budapest/ Hungary Dr.-Ing. Gunter Pültz, DGNB-Auditor, Müller-BBM GmbH, Bauklimatik und Nachhaltigkeit, Robert-Koch-Straße 11, 82152 Planegg

Bauphysik 33 (2011), Heft 2

117

Suggest Documents