UMWELT FACTS. Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) und Umweltschutz. Oktober 2006

UMWELT FACTS Oktober 2006 Ein Informationsblatt des Amtes für Umweltschutz (AFU) des Kantons St.Gallen 2 06 Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) und ...
Author: Viktoria Kuntz
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UMWELT FACTS Oktober 2006 Ein Informationsblatt des Amtes für Umweltschutz (AFU) des Kantons St.Gallen

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Chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) und Umweltschutz CKW sind chlorhaltige organische Lösungsmittel. Sie werden wegen einer Vielzahl von nützlichen Eigenschaften bei industriellen und gewerblichen Prozessen eingesetzt. Besonders geschätzt werden sie, weil sie hervorragend geeignet sind, um Fette und Öle zu lösen, weil sie sehr rasch trocknen, sich sofort verflüchtigen und kaum entflammbar sind. Deshalb werden sie vor allem für das Reinigen und Entfetten von Metallen verwendet. Diesen Vorteilen für die Anwender stehen allerdings erhebliche Nachteile für Mensch und Umwelt entgegen. CKW können bei unvorsichtigem Umgang die Gesundheit der damit arbeitenden

Personen gefährden. Bei einem Eintrag in den Boden drohen enorme Schäden für das Grundwasser, und zudem tragen CKW sowohl zur Bildung von bodennahem Ozon als auch zum Abbau der schützenden Ozonschicht in der Stratosphäre bei. Genügend Gründe also, um gestützt auf das Bundesgesetz über den Umweltschutz, die Luftreinhalte-Verordnung und entsprechende kantonale Bestimmungen, zusammen mit den Anwendern nach Möglichkeiten zu suchen, den Einsatz von CKW laufend zu vermindern. Der Erfolg – Reduktion um 80 Prozent in neun Jahren – zeigt, dass der Kurs stimmt und der eingeschlagene Weg gemeinsam weiter verfolgt werden soll!

CKW werden in Industrie und Gewerbe eingesetzt Unter dem Begriff CKW versteht man chlorhaltige organische Lösungsmittel. Als Chemiker in den dreissiger Jahren begannen, mit den Nebenprodukten der Benzin- und Chlorherstellung zu experimentieren, entdeckten sie, dass mit der Einführung von Chlor in ein kohlenstoffhaltiges Molekül eine Vielzahl von Synthesen und damit neuer Verbindungen ermöglicht werden. Die vielfältigen Eigenschaften (ausgezeichnetes Fettlösungsvermögen, hervorragende Trocknungseigenschaften, Leichtflüchtigkeit, geringe Entflammbarkeit, gute Regenerierbarkeit etc.) der chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) haben dazu geführt, dass diese in sehr vielen Anwendungsbereichen eine grosse Verbreitung gefunden haben. Dies gilt ganz besonders für die Metallentfettung/-reinigung in Industrie und Gewerbe. Beispiele für CKW sind Tetrachlorethen (Per bzw. Perchlorethylen), Trichlorethen (Tri bzw. Trichlorethylen), 1,1,1-Trichlorethan oder Dichlormethan (Methylenchlorid).

geringer akuter Giftigkeit, chronische Schäden. CKW können ausserdem die Haut durchdringen und das Zentralnervensystem angreifen.

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Ein Stoff mit erheblichem Gefährdungspotenzial Neben ausgezeichneten Gebrauchseigenschaften besitzen CKW auch Eigenschaften, die eine erhebliche Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen: – – – – –

Hohes Gewässer- und Bodengefährdungspotenzial Leichtflüchtigkeit und hohe Diffusionsfähigkeit Anreicherung in Fetten und Ölen Verdacht auf krebserzeugende Wirkung Teilweise ozonschichtabbauende Wirkung.

CKW durchdringen verschiedene Materialien wie z.B. Beton oder Asphalt und können so in das Grundwasser gelangen. Im Grundwasser werden CKW praktisch nicht abgebaut und bleiben über sehr lange Zeit (Jahrzehnte bis Jahrhunderte) hinweg erhalten. Ein Kilogramm CKW reicht beispielsweise aus, um den Trinkwasser-Jahresbedarf einer Gemeinde von 1500 Einwohnern unbrauchbar zu machen. Ein Fass (200 Liter) könnte das Trinkwasser von 10 000 Menschen während 30 Jahren ungeniessbar machen. Dazu kommt, dass die Sanierung von mit CKW verunreinigtem Grundwasser und Böden ausserordentlich aufwändig und kostenintensiv ist. Die CKW gehören zur Gruppe der leicht flüchtigen organischen Verbindungen (VOC = Volatile Organic Compounds), welche zusammen mit den Stickoxiden für die Entstehung von bodennahem Ozon verantwortlich sind. Andere wiederum (z.B. 1,1,1Trichlorethan) sind in den oberen Luftschichten für den Abbau der Ozonschicht mitverantwortlich (heute deshalb verboten). Das Einatmen von CKW ist schädlich für die Gesundheit. CKW reichern sich im menschlichen Organismus an (u.a. im Gehirn, Leber, Nieren, Herz, Keimdrüsen) und bewirken so, trotz relativ

Vorschriften sollen vor nachteiligen Folgen schützen Im Umweltschutz- und Gewässerschutzbereich haben der Bund und der Kanton St.Gallen folgende Gesetze, Verordnungen und Massnahmen, welche für Betriebe mit CKW-Reinigungs- und Ent fettungs anlagen von Bedeutung sind, eingeführt: – Das Umweltschutzgesetz (USG) soll Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten. – Das Gewässerschutzgesetz (GSchG) soll die Gewässer vor nachteiligen Einwirkungen schützen. – Die Luftreinhalte-Verordnung (LRV) regelt die Emissionsbegrenzung für rund 150 verschiedene Schadstoffe und für stationäre Anlagen, welche Emissionen verursachen. Damit werden die Anforderungen an Anlagen zur Oberflächenbehandlung mit CKW geregelt. – Die Verordnung über Abwassereinleitungen hält für chlorierte Lösungsmittel verschiedene Grenzwerte fest. – Die Verordnung über die Lenkungsabgabe auf flüchtigen organischen Stoffen (VOCV) regelt die Abgabe auf VOC. – Der Massnahmenplan Luftreinhaltung Kanton St.Gallen fordert für Reinigungs- und Entfettungsprozesse bzw. -anlagen Emissionsminderungsmassnahmen nach dem Stand der Technik. – Die Vollzugsempfehlung des Cercl’Air für Reinigungs- und Entfettungsanlagen von 2004 gilt für Anlagen, in denen die Oberflächen von Gegenständen und Erzeugnissen aus Metall, Glas, Keramik, Kunststoff, Gummi und anderem Material mit halogenierten organischen Stoffen gereinigt werden. – Gemäss der Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA) sind CKW-haltige Abfälle als Sonderabfälle definiert. Diese dürfen nur nach den Bestimmungen der VeVA weitergegeben und transportiert werden (Begleitscheinpflichtig).

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Vorschriften und Drucksachen Die oben aufgeführten Gesetze und Verordnungen finden Sie im Internet unter: www.afu.sg.ch/Recht&Vollzug/Umweltvorschriften Zur Vollzugsempfehlung des Cercl'Air gelangen Sie über: www.cerclair.ch/Publikationen/Empfehlungen

Verbrauch und Gefährdungspotenzial mit Massnahmen an der Quelle senken Reinigen und Entfetten sind zwei wichtige Verfahrensabläufe in der Metallindustrie, die oft zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bearbeitungsschritten erforderlich sind. In der Vergangenheit wurden Entfettungs- und Reinigungsanlagen aufgrund der technischen Qualitätsanforderungen und des Preises beschafft, ohne eine allfällige nachteilige Wirkung für Mensch und Umwelt zu beachten. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts sind nun auch der Arbeitnehmerschutz und der Umweltschutz bei der Verfahrenswahl immer wichtiger geworden. Viele ältere CKW-Anlagen (offen und halb offen) wurden aufgrund der verschärften Anforderungen sanierungsbedürftig. Eine Sanierung kann darin bestehen, auf die Reinigung ganz zu verzichten, andere, weniger umweltgefährdende Reinigungsmittel einzusetzen oder die Emissionen mit technischen Massnahmen zu vermindern. Heute können nur geschlossene Anlagen mit entsprechenden Einrichtungen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Anlagenentwicklung

Beschreibung Aufbau

Bis ca. 1995 Offene und halb offene Anlagen

Offene und halb offene Anlagen sind in der Regel als Wannensysteme mit Randabsaugung aufgebaut. Die Emissionen entstehen hauptsächlich beim Einführen des Beschickungskorbes durch Verdrängung des mit CKW-Dampf gesättigten Luftraumes.

Ab ca. 1995 Luftdicht geschlossene Anlagen mit internem CKWKreislauf

Die geschlossenen Anlagen sind mit integrierter CKW-Rückgewinnung und -Aufbereitung ausgestattet. Das Trocknen erfolgt in einem geschlossenen Kreislauf. Sowohl die beim Öffnen der Warenkammer abgesaugte Luft als auch die bei Aufheiz- und Abkühlvorgängen entstehende Verdrängungsluft wird über den Kondensator geleitet. Durch eine messtechnische Überwachung des Trocknungsprozesses können CKW-Emissionen weitgehend eliminiert werden. Diffuse Emissionen können aber weiterhin durch Lecks bzw. Undichtheiten und unsorgfältige Bedienung der Anlage entstehen. Darum muss auch die neue Anlagengeneration regelmässig überwacht und gewartet werden.

Warenschleuse einer geschlossenen Anlage

Gereinigte Teile

Vielfältige Sanierungsmöglichkeiten Bei einer Sanierung von Reinigungs- und Entfettungsanlagen sind folgende Aspekte vorgängig zu prüfen bzw. sollte sich der Betrieb folgende Fragen stellen: – Kann die Verunreinigung der Oberfläche vermieden werden? – Welche Reinigungsqualität wird verlangt? – Kann das CKW-Reinigungsmittel durch wässrige Systeme oder andere Lösungsmittel ersetzt werden? – Welche Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen sind zu berücksichtigen (Luft, Wasser, Abfälle, Lagerhaltung etc.)? – Welche Energie- und Entsorgungskosten fallen an? Massnahmen

Beschreibung

Ersatz der CKW

– Wässrige Reinigungsmedien (Lauge, neutrale und saure Medien) – Alkohole/Kohlenwasserstoffe – Physikalische Prozesse wie Ultraschall oder Niederdruckplasma

Personelle und organisatorische Massnahmen

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Technische Massnahmen

– Gekapselte, luftdicht geschlossene Anlagen mit internem Lösungsmittelkreislauf – Reinigung der CKW-haltigen Abluft aus der Arbeitskammer während der Trocknung oder Warenentnahme durch Kondensation und Adsorption – Messtechnische Überwachung der Luft in der Arbeitskammer – Gaspendelung für das Auffüllen bzw. die Entnahme von Lösungsmittel aus der Anlage – Für Anlagen mit Lösungsmittel sind Auffangwannen zu installieren

Regelmässige Kontrollen durchführen Servicearbeiten und -termine in einem Wartungsplan festhalten Buch führen über die verwendeten bzw. eingefüllten CKW-Mengen Jährliche Stoffbilanz erstellen Betriebsstunden der Anlage festhalten Regelmässige Aus- und Weiterbildung des Personals

Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei geeigneten Veränderungen der Produktionsabläufe sogar finanzielle Einsparungen möglich sind. Selbstverständlich dürfen nur solche Sanierungsvarianten miteinander verglichen werden, welche die jeweiligen Bestimmungen (Umweltschutz, Sicherheit, Gesundheitsschutz) vollumfänglich einhalten.

Geschlossene Anlage

CKW-Ausstoss in neun Jahren um rund 80 Prozent gesenkt Durch den Vollzug der Vorschriften der Luftreinhalte-Verordnung und des kantonalen Massnahmenplans Luftreinhaltung konnten die Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen aus st.gallischen Industrie- und Gewerbebetrieben zwischen 1995 und 2004 deutlich reduziert werden. Die Menge der von Entfettungs- und Reinigungsprozessen ausgestossenen CKW ist in diesen neun Jahren um rund 80 Prozent gesunken. Im Jahr 2004 emittierten diese Prozesse noch rund 23 Tonnen CKW (in diesen Mengen nicht inbegriffen sind die Zahlen aus den Textilreinigungsbetrieben, welche mit einer so genannten Branchenlösung kontrolliert werden und in den letzten Jahren einen hohen technischen Stand erreicht haben). Die Zahl der Reinigungs- und Entfettungsanlagen im Kanton St.Gallen, in denen CKW eingesetzt werden, ist seit Mitte der neunziger Jahre ständig zurückgegangen. Von den ursprünglich 44 Anlagen sind heute (2006) nur noch 16 in Betrieb. Ein grosser Anteil der Unternehmen haben ihre alten Anlagen stillgelegt und auf wässrige oder chlorfreie Reinigungsmittel umgestellt. Behördliche Auflagen und Kontrollen, technische Fortschritte der Prozesse und Produkte sowie verschiedene Formen von Branchenlösungen haben wesentlich zur Verbesserung der lufthygienischen Situation beigetragen. Seit Januar 2000 wirkt die gesamtschweizerisch eingeführte VOC-Lenkungsabgabe zusätz-

Sicherheitsbehälter für CKW

lich unterstützend auf die Reduktion der VOC-Emissionen aus Industrie und Gewerbe. Auch wenn heute die meisten Anlagen dem Stand der Technik entsprechen, ist eine regelmässige Kontrolle und Wartung dieser Anlagen unverzichtbar, um den guten Vollzugsstand beizubehalten und damit die CKW-Emissionen tief zu halten.

80 % 1995

2004

Zwei Sanierungsbeispiele aus dem Kanton St.Gallen Weil die Wirtschaft massgeblich zur Umweltbelastung beiträgt, soll sie auch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Problems leisten. Seit einigen Jahren wurden deshalb, in enger Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen und dem Amt für Umweltschutz, individuelle Massnahmen entwickelt und umgesetzt. Die kooperative Zusammenarbeit erlaubt es, effiziente und massgeschneiderte Lösungen für die einzelnen Unternehmen zu finden. Zwei erfolgreiche Sanierungsbeispiele im Kanton St.Gallen: Baumann Federn AG, Ermenswil

Mega Gossau AG

Auslöser zur Überprüfung des CKW-Schadstoffausstosses bei der Baumann Federn AG im Jahr 1999 waren die Vorgaben der Luftreinhalte-Verordnung (LRV) und des kantonalen Massnahmenplans Luftreinhaltung. Die vier Perchlorethylen-Anlagen, die damals in Betrieb waren, entsprachen nicht mehr den LRVVorgaben. Die Sanierung verlief in Etappen: Die erste Anlage wurde durch eine solche auf Alkoholbasis ersetzt, die zweite aufgrund von Testreihen durch eine moderne Per-Reinigungsanlage, die dem neuesten Stand der Technik entspricht. Im Bereich Kupplungsbau wurde von einer der Per-Anlage zu einer solchen mit Kohlenwasserstoffen gewechselt. Die derzeit stillgelegte Per-Anlage im Bereich Formfedern wird nachgerüstet. Zusätzlich wird abgeklärt, ob hier eine Reinigungsanlage auf Wasserbasis angeschafft werden soll, damit die Per-Reinigung nur noch dort angewendet werden muss, wo keine anderen Verfahren zum gewünschten Ergebnis führen. Durch die Sanierungen wurden aber nicht nur die CKW-Emissionen bei der Baumann Federn AG ganz erheblich vermindert, sondern auch das Störfallrisiko sowie das Gewässergefährdungspotenzial.

Bei der Mega Gossau AG wurden die Emissionen von Trichlorethen (Tri) Ende 1998 im Rahmen einer Aktualisierung der Emissionssituation erhoben. Um die Vorgaben der LRV einhalten zu können, wurde die bestehende Tri-Entfettungsanlage wie folgt saniert: Statt einfach die bestehende, mit CKW betriebene Anlage durch eine neues Modell mit dem gleichen Reinigungsmittel zu ersetzen, wurde nach einem Produktersatz gesucht. Nach eingehenden Abklärungen und Versuchen entschied man sich für einen Reinigungsautomat, der mit einem Kohlenwasserstoff-Gemisch arbeitet. In der kompakt aufgebauten Anlage erfolgt nun der gesamte Verfahrensablauf (Reinigen, Spülen, Dampfentfetten und Vakuum-Trocknen) innerhalb einer einzigen Arbeitskammer. Ist der Reinigungs- bzw. Spülvorgang beendet, wird das Kohlenwasserstoff-Gemisch aus der Arbeitskammer über einen Filter in den Vorratsbehälter zurückgepumpt. Das mit Öl und Fett verschmutzte KohlenwasserstoffGemisch wird kontinuierlich in einer Vakuumdestillation aufbereitet.

Die bisherigen Per-Einsparungen zeigen folgendes Bild: CKW-Verbrauch 2002: 30 000 kg CKW-Verbrauch 2005: 8 725 kg

Ergebnis: 21 000 kg CKW pro Jahr eingespart und massiv reduziertes Störfallrisiko!

Kontaktadresse Amt für Umweltschutz des Kantons St.Gallen Betrieblicher Umweltschutz Tel. 071 229 31 03 Fax 071 229 21 34 [email protected] www.afu.sg.ch

Mit diesem Systemwechsel gelang es, die CKW-Emissionen bei Mega Gossau AG vollständig zu eliminieren. CKW-Verbrauch 1999: 2000 kg CKW-Verbrauch 2005: kein CKW mehr

Ergebnis: 2000 kg CKW pro Jahr eingespart!