The Milky Way a Lightweight After All

Jahrbuch 2009/2010 | Xue, Xiang-Xiang; Rix, Hans-W alter; van den Bosch, Frank; Bell, Eric; Kang, Xi | Die Milchstraße – gew ogen und für leichter bef...
Author: Alfred Linden
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Jahrbuch 2009/2010 | Xue, Xiang-Xiang; Rix, Hans-W alter; van den Bosch, Frank; Bell, Eric; Kang, Xi | Die Milchstraße – gew ogen und für leichter befunden

Die Milchstraße – gewogen und für leichter befunden The Milky Way – a Lightweight After All Xue, Xiang-Xiang; Rix, Hans-W alter; van den Bosch, Frank; Bell, Eric; Kang, Xi Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected]

Zusammenfassung Eine

Gruppe

von

Astronomen

unter

der

Leitung

des

Max-Planck-Instituts

für

Astronomie

hat

die

Geschw indigkeit von Sternen in dem Außenbereichen der Milchstraße gemessen und daraus den bislang genauesten Wert für die Gesamtmasse der Galaxis abgeleitet: Innerhalb eines Radius von 200.000 Lichtjahren sind 4×10 11 Sonnenmassen enthalten, w as auf eine Gesamtmasse von 10 12 Sonnenmassen führt. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Masse des Milchstraßensystems bislang erheblich überschätzt w urde und gleichzeitig impliziert, dass in unserem Milchstraßensystem Sterne mit außergew öhnlich hoher Effizienz entstanden sind.

Summary A group of astronomers headed by the Max Planck Institute for Astronomy has measured the velocity of the stars in the galactic halo and thereby derived the most accurate value to date for the total mass of the galaxy: The region w ithin a radius of 200 000 light years contains 4×10 11 solar masses. An extrapolation to 800 000 light years leads to 10 12 solar masses. This result show s that the mass of the Milky Way has previously been significantly over-estimated. It also proves that our Milky Way has been extraordinarily efficient at forming stars.

Nach den heutigen Vorstellungen zur Entstehung von Galaxien w uchsen zunächst Verdichtungen der kalten Dunklen Materie an, die dann als „Gravitationsfallen“ für die normale baryonische Materie gew irkt haben. Demnach bildeten sich die sichtbaren Teile der Galaxien in den Zentren großer Halos aus Dunkler Materie, die sie noch heute umgeben. Die Ausdehnung dieses Halos aus dunkler Materie ist 10- bis 20-mal so groß, w ie die Sternansammlung in seinem Zentrum. Die Massenbestimmung des Milchstraßensystems und seines Halos aus Dunkler Materie ist schw ierig, w eil w ir uns innerhalb dieses Systems befinden. Im Jahre 1999 ermittelten Astronomen aus der Beobachtung von 27 Satellitengalaxien und Kugelsternhaufen eine Gesamtmasse von 1,9×10 12 Sonnenmassen. Vier Jahre später kam eine andere Gruppe nach der Analyse von elf Satellitengalaxien, 137 Kugelsternhaufen und 413 Sternen der Sonnenumgebung auf circa 2×10 12 Sonnenmassen. Im Jahre 2007 führte die Analyse einer Gruppe von Hochgeschw indigkeitssternen auf 1,4×10 12 Sonnenmassen. Die Unsicherheit all dieser Massenbestimmungen © 2010 Max-Planck-Gesellschaft

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Jahrbuch 2009/2010 | Xue, Xiang-Xiang; Rix, Hans-W alter; van den Bosch, Frank; Bell, Eric; Kang, Xi | Die Milchstraße – gew ogen und für leichter befunden beträgt jedoch einen Faktor zw ei bis drei. Das Team unter der Leitung von Xiang-Xiang Xue, einer Forscherin des Nationalen Observatoriums Chinas, die am Max-Planck-Institut für Astronomie promoviert, verw endete für ihre neue Studie „Sterne im Halo des Milchstraßensystems“, die im Hertzsprung-Russell-Diagramm auf dem blauen Horizontalast (blue horizontal branch, BHB) liegen. Diese massereichen, hellen Sterne befinden sich in einer Spätphase ihrer Entw icklung, sie verbrennen in ihrem Kern Helium und ihre absolute Leuchtkraft ist bekannt. Deshalb lässt sich aus der Messung ihrer scheinbaren Helligkeit ihre Entfernung recht genau bestimmen. Diese Sterne identifizierten die Astronomen im Archiv der Durchmusterung SEGUE (Sl o a n Extension

for Ga la ct ic Understanding and

Exploration), die zum zw eiten Sloan Digital Sky Survey (SDSS-II) gehört.

Da s Milchstra ße nsyste m a us norm a le r, sichtba re r Ma te rie ist in e ine n große n (hie r rot da rge ste llte n), m a sse re iche n Ha lo a us Dunk le r Ma te rie e inge be tte t. Die Ste rne a uf de m bla ue n Horizonta la st, die im R a hm e n de r hie r vorge ste llte n SDSSStudie unte rsucht wurde n, um k re ise n die sichtba re Ga la x is in große n Entfe rnunge n. © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie

Um die BHB-Sterne zu identifizieren, w erteten die Astronomen die Spektren von rund 10.000 Kandidaten aus und identifizierten sie durch eine detaillierte Absorptionslinien-Analyse. Übrig blieben schließlich 2401 Sterne bis in 200.000 Lichjahre Entfernung von der galaktischen Scheibe, deren Radialgeschw indigkeiten sich aus den SDSS-Spektren mit einer Genauigkeit von mindestens 30 km/s ermitteln ließen (Abb. 1

und 2). Die

Entfernungen ergaben sich aus den Farb- und Spektrallinformationen. Dies ist die bislang mit Abstand größte homogene Stichprobe von Sternen in den Außenbereichen der Galaxis, die für eine Massenbestimmung des Sytems herangezogen w urde. Die Aufgabe bestand letztlich darin, aus diesen Entfernungen und Geschw indigkeiten das Massenprofil des Milchstraßenhalos zu ermitteln und die Virialmasse des Halos zu berechnen. Dieses Problem lösten die Astronomen, indem sie ihre Messdaten mit zw ei numerischen Simulationen kombinierten, w elche die Entstehung des Milchstraßensystems innerhalb des Halos aus Dunkler Materie simulieren. Effekte, w ie Gasdynamik und Sternentstehung, flossen hier mit ein.

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(a) Ve rte ilung de r unte rsuchte n BHB-Ste rne in de r x-z–Ebe ne de s Milchstra ße nsyste m s. (b) Abstä nde de r BHB-Ste rne vom ga la k tische n Ze ntrum . © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie

Mit

diesen

beiden

Simulationen

erzeugten

die

Astronomen

gew issermaßen

kinematische

„Pseudo-

Beobachtungen“ von simulierten Halosternen und stellten dann folgende Frage: Für w elches Massenprofil der Halos aus Dunkler Materie in den Simulationen stimmen die Radialgeschw indigkeiten der simulierten Halosterne mit den echten Beobachtungen überein? Aus dem Vergleich von Simulation und Messdaten konnten die Astronomen die w ahrscheinlichste Massenverteilung im Milchstraßenhalo ermitteln, die traditionell durch die Kreisbahngeschw indigkeit ihrer Sterne beschrieben w ird. Das Ergebnis für die beiden kosmologischen Simulationen über einen Entfernungsbereich von 30.000 bis 200.000 Lichtjahren (entsprechend 10 und 60 Kiloparsec) sind in Abbildung 3 dargestellt. Hiermit w urde die Rotationskurve der Galaxis erstmals bis in so große Entfernungen vom galaktischen Zentrum und mit so hoher Genauigkeit gemessen. Auffallend ist eine leichte Geschw indigkeitsabnahme von 220 km/s auf etw a 175 km/s vom Ort der Sonne bis in die größte Entfernung. Abbildung 3 zeigt, w ie sich hieraus die Masse des Milchstraßensystems innerhalb eines Radius von 200.000 Lichtjahren ergibt. (Das ist der Maximalabstand, bis zu dem Geschw indigkeiten gemessen w urden.) Die Astronomen erhielten hierfür einen Wert von 4,0×10 11 Sonnenmassen mit einer Genauigkeit von etw a 20 Prozent.

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Erm itte lte Kre isba hnge schwindigk e ite n für die be ide n Sim ula tione n (ge füllte Kre ise und Q ua dra te ). Ge ze igt sind die be re chne te n W e rte für zwe i Mode lle m it isotrope r (β = 0) und a nisotrope r (β ≠ 0) Ge schwindigk e itsve rte ilung de r Ste rne . © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie

Der zur Virialmasse beitragende Bereich reicht jedoch w esentlich w eiter als die 60 Kiloparsec, auf die die Beobachtungsergebnisse

begrenzt sind. Die

Astronomen konnten rechnerisch aus

ihren Daten eine

Virialmasse bestimmen, indem sie den innerhalb von 60 Kiloparsec ermittelten Wert in die kosmologischen Simulationen eingaben und aufgrund der Modelle bis in eine Entfernung von 290 Kiloparsec extrapolierten. Dieses Verfahren führte auf eine Virialmasse von 1,0×10 12 Sonnenmassen mit einer Genauigkeit von 20 bis 30 Prozent (Abb. 4). Dieses Ergebnis ist erheblich genauer als frühere Massenbestimmungen und liegt am unteren Rand der Bandbreite aller früheren Abschätzungen oder darunter. Ein Vergleich der ermittelten Gesamtmasse mit der unabhängig gemessenen stellaren Masse zeigt, dass in der Galaxis fast die Hälfte der Baryonen in die Entstehung von Sternen eingegangen ist. Das ist doppelt so viel w ie in vergleichbaren Galaxien. Unsere Milchstraße w ar also besonders effizient in der Bildung von Sternen.

Erm itte lte Kre isba hnge schwindigk e ite n (e x e m pla risch für e ine de r be ide n Sim ula tione n) im Ve rgle ich m it Mode lle n für die Sche ibe , de n Bulge und e in Dunk le -Ma te rie -Mode ll (NFW , na ch Na va rro, Fre nk und W hite ). © Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie

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Jahrbuch 2009/2010 | Xue, Xiang-Xiang; Rix, Hans-W alter; van den Bosch, Frank; Bell, Eric; Kang, Xi | Die Milchstraße – gew ogen und für leichter befunden Dieses Ergebnis – w elches inzw ischen mit verbesserten Daten w eiter bestätigt w urde – hat Ausw irkungen auf die Dynamik der Satellitengalaxien. Insbesondere stellt sich die Frage, ob beispielsw eise die Magellanschen Wolken schon immer an das Milchstraßensystem gebunden w aren. Darüber hinaus hat der neue Massenw ert auch Ausw irkungen auf kosmologische Modelle, die sich mit der Bew egung des Milchstraßensystems relativ zur Andromeda-Galaxie

befassen. Entgegen der allgemeinen Fluchtbew egung der Galaxien aufgrund der

kosmischen Expansion bew egen sich diese beiden Galaxien aufeinander zu.

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