Texte und Gebete zum Thema Berufung

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u5 Texte und Gebete zum Thema Berufung Inhaltsbeschreibung: Fundgrube zum Stöbern für alle, die auf der Suche sind Zielgruppe: beliebig Autoren:

diverse

Sammlung: Berufe der Kirche, Köln Mit dir auf einem Weg dir glaube ich vertraue ich öffne ich mich

und du forderst mich herau gibst dich nicht zufrienden fragst nach, gehst mit und läßt mich wieder

du hälst mich aus kommst mit entgegen bist da gehst mit

du wendest dich mir zu und ich kann mich dir zuwenden wir schenken uns selbst teilen das Leben

indem du mich annimmst lockst du mich hervor schenkst mit Selbstvertrauen machst mit Mut

erzählen und fragen hören hin und provozieren lachen und neckn schweigen und beten du lädst mich ein zu dir und läßt dich zu mir einladen und ich genieße dein Anderssein und unser wir

ich kann so sein wie ich bin und weiß mich gehalten, geborgen mit dir ist vieles möglich zu zauberst Unbekanntes in mir hervor läßt es leben atmest Freiheit du riskierst dich stellst dich nimmst meine Abgrenzung in Kauf bleibst treu

ich bin bereit dich in meinen Leben einzuladen ein Stück Freiheit aufzugeben mit dir hinzugeben weil du mich befreist kann ich mich binden Anselm Grün/Andrea Schwarz

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u5 Ihr gebt nur wenig, so ihr von eurem Besitze gebet. Erst so ihr von euch selber gebet, gebt ihr wahrhaftig … Khalil Gibran

Eingeladen sein – Berufung eröffnet Gemeinschaft Als aber Jesus sich umwandte und sie nachfolgen sah, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr? Da sagten sie zu ihm: Rabbi, wo wohnst du? Er sagte zu ihnen: Kommt und seht!

Joh 1, 38-39

Meditation zu Joh 1, 38-39: „Kommt und seht!“ – lautet die Einladung des Herrn. Das setzt voraus, dass es hier etwas zu sehen gibt. Für das Johannesevangelium liegt der Grund darin, dass „das Wort Fleisch geworden ist“. Doch offensichtlich nützt dieses Sehen nicht allen Menschen, denn nicht alle kommen zum Glauben. Auch die Wunder Jesu sind „Zeichen“, die Glauben wecken wollen, nicht erzwingen. Dem, der offen auf Jesus zugeht, wird beides geschenkt, er darf sehen und glauben. Im Gegensatz zum naturwissenschaftlichen Experiment muss hier das distanzierte Verhalten aufgegeben werden. Es wäre der Sache, um die es hier geht, unangemessen. Genauso unangemessen, wie der Versuch, der Liebe eines anderen Menschen durch Aus-Distanz-Beobachten und durch exakte Analyse gewiss werden zu wollen. Berufung lässt sich nicht experimentell absichern. Aber man kann sich der Berufung des Herrn für sein Leben sehr gewiss werden, so wie Liebende ohne Experiment und Beweisführung ihrer gegenseitigen Liebe gewiss werden können. Aus Irland

Wage den Weg Hallo, wage Deinen Weg! Genau, Du bist gemeint. Ich weiß, Dir fällt es nicht leicht, den Weg allein zu wagen. Es wird nicht leicht sein, zu gehen über Höhen und Tiefen. Du musst auch bereit sein, Kurven einzuschlagen. Oder vielleicht bist Du auch den falschen Weg gegangen, in eine Sackgasse geraten und musst umkehren. Ich weiß, Du hast Angst. Aber Du hast doch eine Hoffnung, das Ziel zu erreichen. Warum weigerst Du Dich immer noch? Ich, Dein Gott, begleite Dich auf Deinem Weg. Wenn Du mir vertraust, brauchst Du keine Angst zu haben. Dann kannst Du Deinen Weg wagen. Zentrum für Berufungspastoral, Freiburg; Christine Jesse

Christus will nicht Bewunderer, sondern Nachfolger Sören Kierkegaard

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u5 Segen Du Gott der Anfänge, segne uns, wenn wir deinen Ruf hören, wenn deine Stimme uns lockt zu Aufbruch und Neubeginn. Du Gott der Anfänge, behüte uns, wenn wir loslassen und Abschied nehmen, wenn wir dankbar zurückschauen, auf das, was hinter uns liegt. Du Gott der Anfänge, laß dein Licht leuchten über uns, wenn wir in Vertrauen und Zuversicht einen neuen Schritt wagen auf dem Weg des Glaubens. Du Gott der Anfänge, schenke uns Frieden, wenn der eigene Weg uns aufwärts führt, wenn wir Lebewohl sagen. Lass die Blumen blühen für jeden von uns, lass Wind uns den Rücken stärken und die Sonne warm auf das Gesicht schauen; wo immer wir gehen. Gott, der Anfänge, segne uns. Amen. Aus Irland

Der Berg der Entschiedenheit „Wie lange bist du schon Mönch?“, wollte ich wissen. „Ein richtiger Mönch, noch nicht lange. Ich habe allein fünfzig Jahre gebraucht, um den Berg der Entschiedenheit zu besteigen.“ „Sollte man zuerst sehen und dann entscheiden, oder entscheidet man zuerst und sieht dann?“ „Wenn ich dir einen Rat geben darf, sagte er – vergiß die Fragen, und nimm den Berg unter die Füße.“ Aus: Theophan der Mönch

Aufbrechen mach dich auf geh deinen Weg lasse los verlasse wage Neues

brich dich auf den Stein in dir den Fels in dir den Granit in dir das Ich in dir

mach dich auf öffne sich lass dich duch-schauen sei ein-sichtig leg sich frei

mach dich auf brich auf liefere dich auf verschenke dich gib dich ganz halte nichts zurück

brich auf du findest Weggefährten du findest Menschen du findest Freunde du findest dich

aus: aktuell, 1988/4

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u5 ich wage Ich wage Neues Weil ich im Alten Nicht mehr leben will. Ich wage mich vor in das Fremde und Ungewohnte mit seinem Schmerz und seinem Glück. Ich will mich den Veränderungen mit ihrer Not und Unsicherheit bewusst aussetzen. Ich stelle mich den Herausforderungen kämpfe mit meiner Angst und aktiviere meine Fantasie. Ich entfalte mich und wage zu entdecken, was noch alles in mir schlummert. Ulrich Schaffer

Gebet Ich mache mich auf den Weg zu dir, doch schon sah ich, du kamst mir entgegen. Ich wollte dir sagen: Ich liebe dich, doch schon hörte ich dich flüstern: Du bist mir lieb. Ich wollte dich um Vergebung bitten, doch ich erfuhr, du hattest mir längst vergeben. Ich wollte dich „Vater“ nennen, doch ich höre dich rufen: „Mein Kind!“ Ich verlangte danach, in dir zu leben, doch ich entdeckte, du lebtest in mir. Mein Gott, ich werde nie der erste sein. Liegt darin mein Glück verborgen? Du kommst mir immer zuvor, um mir nachzugehen. aus „Prier“

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u5 Guter Gott, wo wir auch sind und was auch geschieht, du willst, dass wir Heimat finden. Auf den Wegen dahin sind wir nicht allein. Uns mahnt Dein Prophet: Baut Häuser, die leben. Pflanzt Gärten, die blühen. Weckt Liebe, die Frucht bringt. Du willst, dass uns weder Ängste lähmen, noch der Zeitgeist verführt. Uns warnt Dein Prophet: Seht nicht nur das Schlechte. Baut keine Mauern um euch. Paßt euch nicht allem an. Du willst Menschen, die fragen, die mit allen Sinnen suchen nach Dir. Uns verheißt dein Prophet: Ein offenes Herz, das wahrnimmt, was gut tut, das mitfühlt, was weh tut und das lebt, was Not tut, hat Zukunft und Hoffnung. Du antwortest uns, wenn wir zu Dir rufen. Deine Stimme – lass sie uns hören, lass uns ihr folgen. Begleite uns. Amen.

Ich habe einen Platz in Gottes Plan, auf Gottes Erde,den kein anderer hat. Ob ich reich bin oder arm, verachtet oder geehrt bei den Menschen, Gott kennt mich und ruft mich bei meinem Namen. John Henry Newman

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u5 „Alles beginnt mit der Sehnsucht“ Ein junger Jude kommt zu einem Rabbi und sagt „Ich möchte gerne zu dir kommen und dein Jünger werden.“ Da antwortete der Rabbi: „Gut das kannst du, aber ich habe eine Bedingung. Du musst mir eine Frage beantworten. Liebst du Gott?“ Da wurde der Schüler traurig und nachdenklich. Dann sagte er: „Eigentlich, lieben, das kann ich nicht behaupten.“ Der Rabbi sagte freundlich: „Gut, wenn du Gott nicht liebst. Hast du Sehnsucht danach, ihn zu lieben?“ Der Schüler überlegte eine Weile und erklärte dann: „Manchmal spüre ich die Sehnsucht danach, ihn zu lieben, recht deutlich, aber meistens habe ich soviel zu tun, dass diese Sehnsucht im Alltag untergeht,“ Da zögerte der Rabbi und sagte dann: „Wenn du die Sehnsucht Gott zu lieben, nicht so deutlich verspürst, hast du dann Sehnsucht danach, Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben?“ Da hellte sich das Gesicht des Schülers auf, und er sagt: „Genau das habe ich. Ich sehne mich danach, diese Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben.“ Der Rabbi entgegnete: „Das genügt Du bist auf dem Weg.“ Nelly Sachs sagt dies in einer Kurzformel: „Alles beginnt mit der Sehnsucht“ Diözesanstelle Berufe der Kirche, Bamberg, P. Georg Matt, SDB; Sr. Maria Judith Trappeiner cs

Psalm Herr, mich quält eine zermürbende Ungewissheit. Ich starre Wände an, laufe auf und ab und dann diese Frage. Die Frage nach dem, was du vorhast, nach dem, was wir deinen Willen nennen. Herr – Herr – Herr. Aus meinem Innersten schreie ich zu dir, der du die Antwort weißt. Herr, es geht um dich und mich. Du möchtest etwas von mir. Und dann die quälende Frage: Was? Herr, ich weiß nicht, ob du mich diesen Weg, den ich sehe, gehen lässt. Eins aber ist gewiss; Du hast einen Weg für mich. Team für Berufungspastoral CPP Bürgler, Fritzer, Maureder

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u5 Gott, ich bitte dich nicht um Reichtum oder Armut, nicht um Gesundheit oder Krankheit, nicht um Leben oder Tod. Sondern ich bitte dich: Verfüge du über meinen Reichtum oder meine Armut, über meine Gesundheit oder meine Krankheit, über mein Leben oder meinen Tod. Gib mir, oder nimm mir. Aber laß mich immer wollen, was du willst. Amen. Pascal

Eine Schale will ich sein Eine Schale will ich sein Empfänglich für Gedanken des Friedens Eine Schale für dich, Hl. Geist. Meine leeren Hände will ich hinhalten Offen für die Fülle des Lebens Leere Hände für dich, Hl. Geist. Mein Herz will ich öffnen Bereit für die Kraft der Liebe Ein Herz für dich, Hl. Geist. Gute Erde will ich sein Gelockert für den Samen der Gerechtigkeit Gute Erde für dich, Hl. Geist. Ein Flussbett will ich sein Empfänglich für das Wasser der Güte Ein Flussbett für dich, Hl. Geist.

Und ich? Jede Blume hat ihre Farbe. Und ich? Welche Farbe hast du mir zugedacht, mein Gott? Jeder Stern hat seinen Platz am Himmel. Und ich? Welchen Platz hast du mir vorbehalten, mein Gott?

Jedes Rädchen hat seine Aufgabe in der Maschine. Und ich? Welche Aufgabe hast du mir gestellt, mein Gott? Jedes Glied ist nötig in der Kette. Und ich? Wo bin ich nötig, mein Gott? Anton Rotzetter

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u5 Geht hinaus in euren Tag ohne vorgefasste Ideen und vorausgeahntes Ermatten, ohne Absicht mit Gott, ohne Bescheidwissen über ihn, ohne Begeisterung, ohne Bibliothek, brecht auf, ihm zu begegnen. Brecht auf ohne vorgezeichneten Weg, ihn zu entdecken, denn wisst: man trifft ihn unterwegs und nicht am Ziel. Madeleine Delbrêl

Meine Talente Mich verkriechen Mich klein machen Und drücken Mein Licht unter den Scheffel stellen Meine Bedürfnisse nicht so wichtig nehmen Meine Interessen links liegen lassen Meinen Talenten nicht nachspüren Unauffällig, bescheiden Und „ganz normal“ sein Das ist bequem, denn: Wer sich einsetzt, setzt sich aus! Aber vielleicht Werde ich mich Eines Tages schämen Vor Gott: Weil ich sein Geschenk An mich Noch nicht einmal ausgepackt habe Zentrum für Berufungspastoral, Christoph Müer

Tastend wie Liebende im Dunkeln, so fühle ich nach dir. Alles an mir ist aufnahmebereit. Meine Sinne sind angestrengt, ich will nicht verpassen, wenn du dich bewegst

und dich nach mir ausstreckst, um mir zu zeigen, dass du da bist und mich liebst. Ulrich Schaffer

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u5 Heilige Maria Heilige Maria, deine Erwählung erinnert mich, daß Gott sich für mich entschieden hat und mir seine Verheißung gilt. Heilige Maria, deine Berufung sagt mir, dass Gott auch mich berufen hat, mir seine Gnade schenken zu lassen. Heilige Maria, dein Gehorsam ermutigt mich, auf Gott einzugehen und sein Wort geschehen zu lassen. Heilige Maria, dein Vertrauen weckt in mir neues Zutrauen zu den verborgenen Plänen Gottes. Heilige Maria, dein Magnifikat erzählt mir von all dem Großartigen, das Gott in denen wirkt die es ihm erlauben. Heilige Maria, dein Herz zeigt mir, dass die Liebe zu Gott auch die Menschen mit einschließt. Heilige Maria, dein Weg führt mich zu tieferem Vertrauen auf Gott, der uns niemals aufgibt. Informationszentrum Berufe der Kirche, Freiburg – Paul Weismantel

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u5 Berufungslitanei V Für das Geschenk des Lebens – A danken wir dir für für für für für für für für für für für für für für

die Gnade der Taufe die Kraft des Glaubens – das Geheimnis der Berufung – dein Wort – deine Treue – die Gnadengaben, die du schenkst – den Dienst der Priester und Diakone – die Stärkung in den Sakramenten – die Verkündigung der Frohbotschaft – die glaubwürdigen Zeugen – das Zeichen der Ordensleute – den Einsatz der Laienberufe – das Wirken der Religionslehrer und Religionslehrerinnen – die gläubigen Familien –

V Unruhig ist unser Herz – A weil du uns rufst wir wir wir wir wir wir wir wir wir wir wir wir wir wir

sind Suchende und Fragende – sind angesprochen – sind persönlich gemeint – sind herausgefordert – sind von dir begleitet – sind erwählt – sind begnadet – sind verunsichert – sind deine Jünger – sind deine Schülerinnen und Schüler – sind deine Freunde – suchen das Gespräch mit dir – suchen die Nähe zu dir – wollen dir folgen –

V Um geistliche Berufe – A bitten wir dich um um um um um

gute Mitarbeiter in der Pastoral – christliche Eltern und Familien – guten Nachwuchs für die Ordensgemeinschaften – gläubige Erzieherinnen und Lehrer – einen guten Geist in unseren Gemeinden –

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u5 um um um um um um um um um um um um um um

ein Klima des Vertrauens in unserer Kirche – eine Kultur des Evangeliums – den Geist des Gebetes – große Wertschätzung der Charismen – gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen – neue geistliche Aufbrüche – echte Erneuerung – ein mutiges Zeugnis der Berufenen – ein neues Pfingsten in unserer Kirche – einen gelebten Glauben – Geduld und Zuversicht – Freude an der eigenen Berufung – Dankbarkeit für die Berufung der anderen – deinen reichen Segen –

Herr Jesus Christus, du bist auch heute der gute Hirte deiner Gemeinden. Stärke uns mit deinem Wort und in den Sakramenten der Versöhnung und der Eucharistie. Begleite das Wirken der Priester; Diakone und aller; die als Haupt- und Ehrenamtliche sich einsetzen für dich und die Menschen. Segne du das Zusammenwirken aller in der Pastoral, damit die Menschen in unserer Zeit das finden, was du allein schenken kannst: Hoffnung, Trost und Lebensfreude. Amen. Informationszentrum Berufe der Kirche – Paul Weismantel

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u5 Der Adler Vor undenklich langer Zeit, als es die Erde noch nicht gab, lebten die Vögel im Land der Liebe. Das heißt, sie lebten eigentlich nicht, weil sie damals von ihrer Existenz noch nichts wussten. Sie waren einfach da, ohne voneinander und von sich selbst zu wissen, in dunkler, warmer Geborgenheit. Eines Tages beschloss der König des Landes, seine Vögel aufzuwecken. Lange hatte er sie betrachtet und sich an ihrer Vielfalt und Farbenpracht erfreut. Nun berührte er behutsam die Brust eines jeden Vogels. Zum ersten Mal breiteten sie ihre Flügel aus, zitternd und unbeholfen. Sie spürten, dass sie lebten und dass andere neben ihnen lebten. Ein ungeheures Glücksgefühl erfüllte ihre Seelen: Hier war es schön, denn jeder fühlte sich mit dem anderen verbunden, und der König sorgte gut für sie. Er kümmerte sich um Futter und achtete darauf, dass ein jeder die Zuneigung und Liebe bekam, die er brauchte, um sich wohl zu fühlen, um zu wachsen und zu gedeihen. So wuchsen die Vögel heran, und unter der liebevollen Obhut des Königs machten sie ihre ersten Flugversuche. Es war gar nicht so leicht für sie, die Flügel richtig zu gebrauchen. Sie mussten lernen, sich so in den Wind zu legen, dass er trug, und sich so bewegen, dass sie vorankamen. Aber Tag für Tag verbesserten sie ihre Flugkünste, und es machte ihnen Freude, zu leben und zu fliegen. Als alle Vögel die Kunst des Fliegens perfekt beherrschten, berief der König eine große Versammlung ein. „Ihr habt lange in meinem Land gelebt, sprach er.“ Ich habe euch das Fliegen beigebracht und das Futtersuchen, so dass ihr von jetzt an für euch selbst sorgen könnt. Nun seid ihr frei. Fliegt, wohin immer ihr wollt. Eure Reise wird ein großes und gefahrvolles, aber auch schönes Abenteuer sein.“ „Warum sollen wir fortfliegen aus diesem Land und fort von dir, wo wir doch glücklich sind?“ , piepste ein kleiner Vogel und flatterte ängstlich mit seinen Flügeln, denen er doch noch nicht so recht zu trauen schien. „Dieses Land heißt „Liebe“, erwiderte der König. „Deshalb müsst ihr frei sein und aus eigenem Willen hierher zurückkehren. Hier ist der Ausgangspunkt und das Ziel eures Lebens. Ich gebe euch die Sehnsucht mit auf den Weg , damit ihr nicht aufhört zu suchen und nie vergesst, wo ihr daheim seid. Singt in euren Liedern von mir und meinem Land.“ Jeden Vogel winkte der König noch einmal zu sich und flüsterte ihm ein Abschiedswort ins Ohr. Zum Schluss waren nur noch wenige Vögel übrig, die auf das Wort des Königs warteten, um sich dann in die Lüfte zu schwingen. „Für euch habe ich noch einen besonderen Auftrag!“ Die Stimme des Königs klang leise und sehr geheimnisvoll, so dass die kleine Vogelschar erstaunt aufhorchte. „Ich brauchte eure Hilfe. Diejenigen, die ich gerade in ihre Freiheit entlassen habe, werden es schwer haben. Denn nichts ist schwerer zu leben als die Freiheit. Sie sind ins Ungewisse geflogen. Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen; Erklärungen oder Warnungen hätten ihnen wenig bedeutet. Bisher kannten sie ja nur die Wärme und Geborgenheit meiner Nähe. Nun sind sie sich selbst überlassen und werden zum ersten Mal die Einsamkeit fühlen.

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