Taschenatlas Neurologie

Bearbeitet von Reinhard Rohkamm

3. akt. Aufl. 2008. Taschenbuch. 560 S. Paperback ISBN 978 3 13 124193 1 Format (B x L): 12,7 x 19 cm

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Krankheitsbilder

IPS: Therapieprinzipien

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aus: Rohkamm, Taschenatlas Neurologie (ISBN 9783131241931) © 2009 Georg Thieme Verlag KG

Atypische Parkinson-Syndrome Etwa 80 % aller Parkinson-Syndrome sind idiopathisch bedingt (S. 294 ff). In den übrigen Fällen ist differentialdiagnostisch ein symptomatisches gegenüber einem atypischen Parkinson-Syndrom (Tabelle 94, S. 474) abzugrenzen. Zu den häufigeren atypischen Parkinson-Syndromen zählen MSA, PSP und CBD. Besonders zum Zeitpunkt der klinischen Erstdiagnose kann die Zuordnung eines Parkinson-Syndroms zu einer der genannten Kategorien, speziell zu einem idiopathischen oder atypischen Syndrom, nicht eindeutig möglich sein (s. Tabelle 92, Fußnote 1).

Krankheitsbilder

Multisystematrophie (MSA) Merkmale der sporadischen, nichtfamiliären, allmählich progredienten Erkrankung des Erwachsenenalters sind unterschiedlich ausgebildete vegetative und zerebelläre Störungen mit ParkinsonSymptomen. Historisch gehören zur MSA olivoponto-zerebelläre Atrophie (OPCA), idiopathische orthostatische Hypotension (IOH), Shy-Drager-Syndrom und striato-nigrale Degeneration (SND). Aktuell unterscheidet man allgemein eine MSA-P (ca. 80 %, MSA mit vorherrschender Parkinson-Symptomatik) von einer MSA-C (etwa 20 %, schwerpunktmäßig zerebelläre Symptome). Überwiegend tritt eine MSA zwischen dem 45. und 69. Lebensjahr auf, ein Symptombeginn vor dem 30. Lebensjahr schließt eine MSA aus. Die vegetativen Ausfälle betreffen Impotenz, Harninkontinenz (S. 116, pathologisches Urethral-/Anal-Sphinkter-EMG ➯ erhöhte Polyphasierate) und orthostatische Hypotonie (S. 108) mit evtl. Hypertonie im Liegen. Kleinhirnstörungen zeigen sich als Gangataxie mit häufigen Stürzen, Dysarthrie und Blickrichtungsnystagmus. Akinesie, Rigor und posturale Instabilität (S. 294), die die Sturzgefährdung erhöhen, ohne typischen Ruhetremor kennzeichnen die Parkinson-Symptomatik. Etwa 2/3 der Betroffenen zeigen keinen bis geringen Symptomrückgang auf L-Dopa.

Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)

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Die PSP (Synonym: Steele-Richardson-OlszewskiSyndrom) beginnt meist um das 40. Lebensjahr. Führende symmetrische Symptome des progredienten, nichtfamiliären Krankheitsbildes sind Gang- und Standunsicherheit mit häufigen plötzlichen Stürzen (oft nach hinten), axiale

Dystonie, Rigor sowie Akinesie zusammen mit Verhaltensänderungen (Bradyphrenie, Reizbarkeit, sozialer Rückzug, rasche Ermüdbarkeit, unkontrollierbares Lachen/Weinen) und Pseudobulbärparalyse. Die vertikale supranukleäre Blickparese kann anfangs nach oben vorhanden sein, charakteristisch ist jedoch eine kaudale Lähmung. Dabei sind die Patienten nicht in der Lage, entsprechende vertikale willkürliche Blickwendungen auszuführen. Passive vertikale Augenbewegungen bleiben wegen des intakten VOR (S. 82) als „Puppenkopfphänomen“ aber auslösbar. Das Vollbild mit aufrechter Körperhaltung, Retrokollis, aufgerissenen Augen, hochgezogener Stirn, Dysarthrie, Dysphagie und Frontalhirnsyndrom (S. 174) ist selten mit anderen Krankheitsbildern zu verwechseln. Dagegen können Frühsymptome erhebliche differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten. Eine Besserung der Beschwerden ist durch L-Dopa selten und dann wenig auffällig.

Kortikobasale Degeneration (CBD) Zu den anfangs asymmetrischen Leitsymptomen der progredienten Erkrankung mit Beginn nach dem 60. Lebensjahr zählen Akinesie, Rigor, Gliedmaßenapraxie und kortikale sensorische Defizite (Astereognosie, Graphanästhesie). Letztere stören die Extremitätenmotorik so stark, dass die Gliedmaßen „fremdgesteuerte“ Spontanbewegungen auszuführen scheinen (AlienLimb-Phänomen). Die Gangstabilität ist frühzeitig verringert. Im Verlauf treten Dysarthrie, Dysphagie, Myoklonus, dystone Armhaltung (Hand-/ Unterarmbeugung, Oberarmadduktion), Aktions-/Haltetremor, supranukleäre Augenbewegungsstörungen (S. 80 f), Blepharospasmus und kognitive Defizite hinzu. Durch L-Dopa keine Symptombesserung.

Diffuse Lewy-Körper-Krankheit Progrediente Demenz mit kortikalem Auftreten von Lewy-Körpern zusammen mit einem mehr oder weniger deutlich manifesten akinetisch-rigiden Parkinson-Syndrom (S. 294). Hinzu kommen fluktuierende Verhaltensänderungen (Aufmerksamkeits-/Orientierungs-/Bewusstseinsstörungen, visuelle Halluzinationen) und wiederholte unerklärliche Stürze. Überempfindlichkeit auf Neuroleptika und Benzodiazepine.

aus: Rohkamm, Taschenatlas Neurologie (ISBN 9783131241931) © 2009 Georg Thieme Verlag KG

Krankheitsbilder

Atypische Parkinson-Syndrome

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Demenzen Klinischen Diagnostik der Demenzen s. S. 178, Übersicht s. Tabelle 95 (S. 475).

Krankheitsbilder

Alzheimer-Demenz (AD)

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Im Alter ist die häufigste Ursache einer Demenz die (sporadische) AD. Sie verläuft kontinuierlich oder stufenartig fortschreitend meist über 8–10 Jahre (Schwankungsbreite: 1–25 Jahre). Risikofaktoren: Lebensalter, familiäres Auftreten (vor allem bei frühem Beginn der AD), Nachweis des ε4-Allels des Gens für Apolipoprotein 4 (ApoE4), weibliches Geschlecht, arterielle Hypertonie sowie erhöhte Plasmahomozystein- und Cholesterinspiegel. Eine Risikominderung scheinen nichtsteroidale Antiphlogistika (Ibuprofen, Indometacin, Naproxen) herbeizuführen. Genetisch bedingte Formen der AD sind selten. 쮿 Symptome Beginn. Gedächtnisstörungen der AD treten anfangs schleichend und kaum merklich ein. Von einer altersbezogenen Vergesslichkeit (S. 178) oder geringen kognitiven Störung (mild cognitive impairment = MCI) sind sie anfangs nicht bis schwer zu unterscheiden. Mit MCI wird eine Einschränkung der Gedächtnisfunktionen im engeren Sinne bezeichnet, die sich psychometrisch (z. B. Mini-Mental-Status-Test) erfassen lässt, in den Alltagsaktivitäten aber zu keiner nachhaltigen Beeinträchtigung führt. Jedoch kann MCI die Vorstufe der AD sein, bei der die kognitiven Funktionseinbußen gesteigert zu Verhaltensauffälligkeiten führen, beispielsweise bei Bankgeschäften, im Berufsleben, beim Einkaufen, in der Ortsorientierung und/oder Bedienung von technischen Geräten (wie Telefon, Kochherd, Fernseher, Computer). Werden diese Einbußen von den Betroffenen realisiert, können ängstliche und depressive Reaktionen dazukommen. Aus therapeutischen Gründen ist die Abgrenzung von depressiv bedingten kognitiven Defiziten (Pseudodemenz) wichtig (Tabelle 96, S. 475). Mittleres Stadium. Infolge Verwirrtheit und Orientierungsstörungen (S. 176) sind die Erkrankten nicht mehr in der Lage, beruflichen und sozialen Anforderungen nachzukommen. Sie benötigen Aufsicht und Hilfe bei fast allen Aktivitäten. Dabei können alltägliche Gewohnheiten, einfache Gespräche und gängige Umgangsformen erstaunlich gering beeinträchtigt sein.

Sprachverständnis und Wortfindung sind bis hin zur Aphasie (S. 180) herabgesetzt. Apraktische Störungen (S. 176) sind oft vorhanden. Ergebnisse einfacher Rechenaufgaben oder Zeitangaben sind fehlerhaft. Eine visuelle Agnosie ist selten. Spätstadium. Durch den Verlust an Einsichtsund Urteilsvermögen sowie an kognitiven Fähigkeiten werden sinnvoll geplante Tätigkeiten unmöglich. Zielloses Umherirren, ungerichtete motorische Aktivität und fehlendes Erkennungsvermögen von (auch nahestehenden) Personen gestalten die Betreuung schwierig. Sie wird besonders durch die Änderung des Tag-Nacht-Rhythmus (tagsüber schweigsam bis apathisch, nachts unruhig), impulsive Handlungen wie Kofferpacken oder Weglaufen, Wahnsymptome, Halluzinationen, Misstrauen, Verdächtigungen gegenüber engsten Angehörigen, aggressives Verhalten und Vernachlässigung der körperlichen Hygiene sehr erschwert. Mit fortschreitender Symptomatik benötigen die Erkrankten Hilfe bei einfachen Verrichtungen wie Essen, An-/Auskleiden und Toilettengang. Harn- und Stuhlinkontinenz, Bettlägrigkeit, Mutismus und Akinese können eintreten. Pathologische Reflexe (Saug-, Greifreflex) treten auf. Myoklonien (Differentialdiagnose CJK, S. 290) auf akustische und taktile Reize sowie epileptische Anfälle sind möglich. Der Tod tritt infolge von sekundären Komplikationen (z. B. Pneumonie, Herzversagen) ein. 쮿 Pathogenese Metabolische Störungen sind bei der Untersuchung mit PET oder SPECT bilateral im parietotemporalen Kortex erkennbar. Neuropharmakologisch führend ist der Rückgang nikotinischer Azetycholinrezeptoren. Damit sind frühzeitig neben der cholinergen Übertragung auch die Funktionen anderer Neurotransmittersysteme serotonerger und noradrenerger kortikaler Projektionen (Tabelle 20, S. 417) gestört. Ein eigentlicher Azetylcholinmangel, durch abnehmende Expression des Enzyms Cholinazetyltransferase, ist allerdings erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium vorhanden. Neuropathologisch finden sich Synapsen-/Neuronenverlust, kortikal extrazelluläre Amyloidplaques (➯neuritische Plaques = NP, senile Plaques) und intrazelluläre neurofibrilläre Bündel (neurofibrillary tangles = NFT). (Fortsetzung S. 306)

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Krankheitsbilder

Demenzen

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Krankheitsbilder

Demenzen Das Amyloid der NP bildet sich aus Fragmenten (βA1–42) des Amyloidvorläuferproteins (amyloid precursor protein = APP), das durch die Protease β-Sekretase abgetrennt wird und sich zu Aggregaten – dem Aβ-Amyloid – zusammenballt. APP ist ein ubiquitäres Membranprotein, das neurotrophische und neuroprotektive Eigenschaften besitzt. Das APP-Gen liegt auf Chromosom 21q, eine Punktmutation liegt bei einer familiären Form der AD vor. Entsprechend zeigen Erwachsene mit einer Trisomie 21 (Down-Syndrom) nach dem 40. Lebensjahr histologische Veränderungen wie bei einer AD. In arteriellen zerebralen Gefäßen verursacht die Anhäufung von Aß-Amyloid eine Amyloidangiopathie (S. 232). Apo E ist ein Serumprotein, das am Transport, der Ablagerung und dem Metabolismus von Cholesterin beteiligt ist. Sein Gen befindet sich auf Chromosom 19q (Allele ε2, ε3, ε4). Zur sporadischen und familiären Manifestation der AD hat das ε4-Allel eine enge Beziehung. Ferner sind bei weiteren familiären Formen der AD Mutationen gefunden worden, so Presenilin-1 (PS-1 ➯ 14q24.3 ➯ Protein S182) und -2 (PS-2 ➯ 1q31–42 ➯ Protein STM2). Die Funktion der kodierten zytoplasmatischen neuronalen Proteine ist unbekannt. τ-Proteine stabilisieren das mikrotubuläre neurofibrilläre Zytoskelett. Die vermehrte Phosphorylierung der τ-Proteine führt zur Entstehung der (NFT). Dabei lagern sich die hyperphosphorylierten τ-Monomere paarweise aneinander und bilden eine Doppelhelix (paired helical filaments = PHF).

Reaktion auf α-Synuclein identifiziert zuverlässig LB. Sie finden sich neuropathologisch bei der Parkinson-Krankheit mit Demenz (nach Beginn der motorischen Symptome zeigt sich eine Demenz nach mehr als 1 Jahr), bei der diffusen Lewy-Körper-Krankheit (S. 302) und einer Variante der AD mit vermehrten kortikalen LB. Deshalb ist die DLB einem Spektrum unterschiedlicher Syndrome (sog. α-Synukleinopathien) zuzuordnen, deren gemeinsames neuropathologisches Merkmal das gehäufte Vorkommen von LB ist. Letztere zeigen sich sowohl im Hirnstamm wie auch im Kortex, oft von histologischen Befunden begleitet, wie sie bei der AD gefunden werden. Symptome. Die klinisch führende Demenz ist durch kognitive Defizite, die die Alltagsaktivitäten beeinträchtigen, gekennzeichnet. Dabei können anfangs Gedächtnisstörungen gegenüber deutlichen, fluktuierenden Störungen der Aufmerksamkeit, der exekutiven und visuellräumlichen Funktionen zurücktreten. Visuelle (detaillierte) Halluzinationen, unruhiger Schlaf (lebhafte Traumphasen), Vigilanzschwankungen, Parkinson-Symptome, häufige Stürze, Synkopen, autonome Funktionsstörungen und eine Überempfindlichkeit auf Neuroleptika (Akinese, Rigor, Sedierung, Delir) sind wechselnd ausgeprägte begleitende Symptome. Therapie. Azetylcholinesterasehemmer. Dopaminagonisten allenfalls niedrig dosiert einsetzen (Provokation von Halluzinationen).

쮿 Therapieprinzipien

Frontotemporale Demenz (FTD)

Eine spezifische Therapie der AD ist nicht bekannt. Symptomatische und sozialpsychiatrische Maßnahmen sowie familiäre Hilfe stehen im Vordergrund. Eine Besserung u. a. kognitiver Defizite ist in der Frühphase der Erkrankung durch Azetylcholinesterasehemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) oder Memantine (NMDA-Rezeptorantagon ➯ Verminderung kalziumvermittelte Exzitotoxizität) möglich.

Die FTD tritt in einer Gruppe demenzieller Syndrome mit einer frontotemporalen Hirnatrophie (frontotemporale lobäre Degeneration = FTLD) am häufigsten auf. Neuronenuntergänge, Gliose, ballonierte Neurone (Pick-Zellen) sind histologisch wechselnd ausgeprägt. NP fehlen. Häufig familiäres Vorkommen, davon 40 % autosomal dominant. Familiäre Formen der FTD weisen u. a. Mutationen im Chromosom 17 (FTDP-17) auf, die zu Veränderungen des τ-Proteins führen. Symptome. Klinische Merkmale sind Verhaltensänderungen (z. B. verringerte Impulskontrolle, soziale Kontaktschwierigkeiten, motorische oder verbale Stereotypien, veränderte Essgewohnheiten, Interessenlosigkeit), Aphasie (Perseveration, Echolalie, sprachliches Ausdrucksvermögen), pathologische Reflexe, Inkon-

Demenz mit Lewy-Körpern (DLB)

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Nach der AD ist die DLB die häufigste Ursache einer Demenz. Lewy-Körper (LB) sind intrazelluläre eosinophile Einschlusskörper im Zytoplasma von Neuronen, die u.a α-Synuclein und Ubiquitin enthalten. Die immunhistochemische

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Krankheitsbilder

Demenzen

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Demenzen tinenz und motorische Symptome (Akinese, Rigor, Tremor). Seltener ist zusätzlich zur FTLD eine Motoneuron-Krankheit vorhanden. CT und MRT zeigen eine teils asymmetrische frontotemporale Atrophie. Therapie. Bei Hinweisen auf einen gestörten Serotoninstoffwechsel liefern jedoch entsprechende medikamentöse Therapien bisher keine einheitlichen Ergebnisse.

Krankheitsbilder

Vaskuläre Demenzen Es gibt keine einheitliche vaskuläre Ursache eines durch zerebrovaskuläre Störungen verursachten demenziellen Syndroms. Wesentliche Risikofaktoren einer vaskulären Demenz sind fortgeschrittenes Alter, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und generalisierte Atherosklerose. Vaskulär bedingte ZNS-Schäden sind nach der AD der häufigste Grund für eine Demenz; Kombination beider Ursachen sind nicht ungewöhnlich (mixed dementia). Multiinfarktdemenz. Multiple kleinere (lakunäre) oder größere Territorialinfarkte führen in Abhängigkeit von ihrer Lokalisation stufenweise zu wechselnden neurologischen fokalen Defiziten, insgesamt zu Symptomen wie Aphasie, Apraxie, kognitiven Störungen. Subkortikale vaskuläre Enzephalopathie (SVE, Binswanger-Krankheit). Kennzeichnend ist eine Rarefizierung des Marklagers infolge mikroangiopathischer Läsionen. CADASIL (Tabelle 95, S. 475) kommt als seltene hereditäre Disposition in Frage. Neuropathologisch spiegeln sich die Marklagerläsionen in einer Demyelinisierung mit reakti-

ver Gliose und Wandveränderungen kleiner arterieller Gefäße (Hyalinose, fibrinoide Nekrose, Hypertrophie) wider. Dies führt in den Terminalregionen der Marklagergefäße zu chronischen ischämischen und sekundären metabolischen Läsionen. Verhaltensänderungen (Aufmerksamkeitsstörung, Verlust kognitiver Flexibilität, Abulie, Desorientierung), Gangstörungen, Pseudobulbärparalyse, Urininkontinenz und andere neurologische Ausfälle entwickeln sich im Gegensatz zur Multiinfarktdemenz allmählich und kontinuierlich. Status lacunaris. Zahlreiche lakunäre Infarkte bewirken in der Summe Symptome wie Bradyphrenie, hypokinetisch-rigide motorische Störungen, kognitive Veränderungen (Orientierung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis) und gestörte Affektkontrolle. Strategische Infarktdemenz. Nach entsprechend lokalisierten Infarkten (z. B. im limbischen System, Thalamus, Assoziationskortex) kann eine Demenz auftreten. Leukoaraiose. Hiermit werden unspezifisch Hypodensitäten im CT bezeichnet, die sich bilateral ventrikelnah oder subkortikal anordnen. Im MRT stellen sich korrespondierend T2-Hyperintensitäten dar (white matter lesions = WML). Abhängig von ihrem Ausmaß sind sie mit geringen, aber durchaus störenden kognitiven Einschränkungen (verlangsamte Denkabläufe, Gedächtnisstörungen) bis hin zu einer ausgeprägten Demenz verknüpft. Wichtig ist in der Beurteilung einer Leukoaraiose, dass sie nicht immer vaskulär verursacht ist, nicht nur bei langjähriger arterieller Hypertonie vorkommt und nicht die einzige Ursache einer Demenz ist.

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Demenzen Zusatzdiagnostik bei Demenzen Basisdiagnostik. Blut (Blutsenkung, Differentialblutbild, Elektrolyte, Leberfunktionswerte, Harnstoff, Kreatinin, Glukose, Vitamin B1/B12, Folsäure, TPHA, Rheumafaktoren, TSH, Homozystein, Borrelien-Antikörper, HIV), Urinstatus, Liquor (Zellzahl, Zelldifferenzierung, Protein, Glukose, IgG-Indices, oligoklonale Banden), EEG, MRT (inklusive FLAIR, DWI)

Indikationsbezogen. Blut (fT3/fT4, Tumormarker, Kupfer/Coeruloplasmin, Methylmalonsäure, Gerinnungsanalyse), Urin (Kultur, Sammelurin Kupfer/Schwermetalle), Liquor (KryptokokkenAntigen, Viren PCR/Kultur, Bakterien Färbung/ Kultur, Zytologie, Whipple-PCR, 14-3-3-/τ-Protein, Aβ-Peptide), CT (Kopf, Thorax, Abdomen), Mammographie, Neurosonologie, Elektrophysiologie (EMG, Neurographie, evozierte Potentiale), Herz (EKG, Ultraschall), Biopsie (Muskel, Gehirn)

Krankheit

Anmerkung

neurodegenerative Demenz 쐌 Alzheimer-Krankheit 쐌 Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 쐌 Lewy-Körper-Krankheit 쐌 frontotemporale Demenz 쐌 kortikobasale Degeneration 쐌 progressive supranukleäre Lähmung

S. 304 S. 290 S. 306 S. 306 S. 302 S. 302

vaskuläre Enzephalopathie 쐌 vaskuläre Demenz 쐌 zerebrale Vaskulitis

s. oben S. 236

Autoimmunkrankheit 쐌 Hashimoto Thyreoiditis 쐌 Multiple Sklerose 쐌 Neurosarkoidose 쐌 progrediente multifokale Leukenzephalopathie (PML)

Antikörper: TPO (Thyreoperoxidase), Tg (Thyreoglobulin), TRAK (TSH-Rezeptor) S. 256 Befunde einer chronischen Meningoenzephalitis1 S. 282

Infektionskrankheit 쐌 HIV-Enzephalopathie 쐌 Neurosyphilis 쐌 Whipple-Krankheit

S. 278 S. 268 Infektion mit Tropheryma whippelii2

Tumor 쐌 maligner Hirntumor/Metastase 쐌 paraneoplastische Enzephalopathie

S. 322 ff S. 334, 483

toxische Enzephalopathie/Delir 쐌 Alkoholkrankheit 쐌 Drogen 쐌 Medikamente

S. 336 S. 336 S. 484

metabolische/endokrine Enzephalopathie 쐌 Hyponatriämie 쐌 hepatische Enzephalopathie 쐌 Hypothyreose 쐌 Vitamin B12-/Folsäuremangel

S. 332 S. 330 S. 332 f S. 350

Psychiatrische Erkrankung 쐌 Depression

S. 475

Trauma 쐌 Subduralhämatom

S. 340

Epilepsie 쐌 Status (Absencen, komplex-fokale Anfälle)

S. 198 f

MRT: kontrastmittelaufnehmende, leptomeningeale, knötchenförmige Verdickung ventrikelnah/Schädelbasis; Liquor: lymphozytäre Pleozytose, Protein erhöht, teils Liquorzucker erniedrigt, oligoklonales IgG, IgG-/β2-Mikroglobulin-Erhöhung 2 Multiple Allgemeinsymptome, u. a. Fieber, Diarrhoe, Malabsorption, Polyarthritis, Gewichtsverlust, Lymphadenopathie. Zerebrale Symptome: Demenz, Ophthalmoplegie, rhythmische Muskelzuckungen (= Myorhythmien) von Augen- und Kaumuskeln, epileptische Anfälle, Myoklonien, Ataxie

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Krankheitsbilder

Differentialdiagnose rasch fortschreitender Demenzen

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