Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Tiroler Hospizgemeinschaft 1

Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Tiroler Hospizgemeinschaft1 1 Dieses Projekt wurde durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationa...
Author: Kerstin Wagner
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Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Tiroler Hospizgemeinschaft1

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Dieses Projekt wurde durch den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projekt-Nr. 12.950) finanziert.

Ergebnisbericht der Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Tiroler Hospizgemeinschaft

Dr. Andrea Leiter -

Leopold Franzens Universität Innsbruck –

Dr. Claudia Schusterschitz - UMIT Private Universität für Gesundheitswissenschaften -

Dr. Magdalena Thöni - UMIT Private Universität für Gesundheitswissenschaften -

April 2011

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Vorwort2 Die

vorliegende

Studie

zum

ehrenamtlichen

Engagement

in

der

Hospizbewegung Österreich wurde im Rahmen des OeNB Projektes 12.950 („Economic Valuation and Volunteerism - Evidence from the Austrian Hospice Services“) an der UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften und der Leopold Franzens Universität Innsbruck erstellt. Erst durch die Mitarbeit der Hospiz Landesverbände Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg und vor allem auch durch die Bereitschaft der ehrenamtlichen Mitarbeiter, ist es uns möglich geworden, das Forschungsvorhaben zu realisieren und unsere Daten zu erheben, wofür wir uns an dieser Stelle bedanken möchten. Im

Rahmen

des

vorliegenden

Ergebnisberichts

möchten

wir

Befragungsergebnisse der Tiroler Hospizgemeinschaft präsentieren und den Stellenwert des Ehrenamtes, insbesondere im Europäischen Jahr der Freiwilligkeit einmal mehr unterstreichen.

Andrea Leiter, Claudia Schusterschitz und Magdalena Thöni3 Hall in Tirol, April 2011

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Alle verwendeten Formulierungen und Begriffe sind genderneutral zu verstehen.

Für Rückfragen oder weitere Informationen zum Projekt stehen wir gerne zur Verfügung: [email protected], [email protected] oder [email protected] 3

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1. Einleitung Im Laufe ihres Lebens entscheiden sich viele Menschen ehrenamtlich tätig zu sein und tragen damit zur gesellschaftlichen Wohlfahrt bei, indem sie in ihrer freien Zeit entgeltlos tätig sind. In Österreich sind rund 51% der Bevölkerung über 15 Jahren ehrenamtlich tätig (Hollerweger et al. 2005). Neben der Tatsache, dass ehrenamtliche Tätigkeit Sinn stiftend wirken kann, ist die Gesellschaft eines Sozialstaates durchaus auch von Ehrenamtlichen abhängig. Dies lässt sich am beobachtbaren Rückzug des Staates aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich festmachen, dessen Lücke oftmals von ehrenamtlich Tätigen gefüllt wird. Ein Beispiel hierfür ist das Hospiz Österreich, für das 3011 Personen ehreamtlich und 785 hauptamtlich tätig sind, wobei die Ehrenamtlichen 316.521 Stunden pro Jahr erbringen (Hospiz Österreich 2010). Diese ehrenamtliche Tätigkeit trägt dazu bei, dass Menschen beim Sterben begleitet,

Angehörige

betreut

werden

können

und

damit

sowohl

Sterbebegleitung, als auch Trauerbegleitung angeboten wird, womit es zu einer umfassenden psychologischen, physischen und sozialen Betreuung kommt (Munley 1982). Das bedeutet, dass die Ehrenamtlichen des Hospizes eine Verbesserung der Lebensqualität von Sterbenden und Kranken, sowie deren Angehörigen ermöglichen.

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Somit leisten die Ehrenamtlichen des Hospizes einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft.

Nichtsdestotrotz

wissenschaftliche

Studien

mit

beschäftigen der

sich

Fragestellung,

relativ warum

wenige Menschen

ehrenamtlich beim Hospiz tätig sind. Unser Erkenntnisinteresse besteht vor allem in den Motiven der Ehrenamtlichen, sowie deren Erfüllung, im Erleben der

ehrenamtlichen

Tätigkeit,

den

Einstellungen

und

Werten

der

Ehrenamtlichen, sowie der Arbeitszufriedenheit und Verbundenheit mit dem Hospiz als Organisation. Dieses Interesse war ausschlaggebend für das vorliegende Projekt, das sich in Bezug auf die Ehrenamtlichen genau mit diesen Fragestellungen aus wissenschaftlicher Sicht auseinandersetzt.

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2. Projektbeschreibung und Projektziel Durch die Gewährung einer Forschungsförderung aus dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank für das vorliegende Projekt (Studie zum ehrenamtlichen Engagement in der Hospizbewegung Österreich) wurde es uns ermöglicht, Ehrenamtliche der Hospizbewegung in den Bundesländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg zu befragen. Dabei zielte unsere Umfrage auf die Erhebung von Daten ab, die ein umfassenderes Verständnis der Tätigkeit ehrenamtlicher Helfer in der Hospizbewegung Österreich (Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich) und deren Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement erlauben sollen. Der dafür ausgearbeitete Fragebogen beinhaltet, entsprechend obigen Ausführungen, zum einen Fragenblöcke betreffend Motive und Motiverfüllung, Einstellungen, Werte, sowie Arbeitszufriedenheit und organisationales Commitment von ehrenamtlich Tätigen. Zum anderen werden Fragen in Bezug auf die ehrenamtliche Tätigkeit per se, das Lebensumfeld, die ökonomische Bewertung sowie soziodemografische Merkmale gestellt. Dieser Fragebogen basiert auf internationaler Literatur, zum Beispiel von Clary & Miller 1986, Omoto & Snyder 1995, Clary et al. 1998, Hackl & Pruckner 2004, Houle et al. 2005, Finkelstein 2006, 2008, Bierhoff et al. 2007. Zusammenfassend besteht

der

Fragebogen

ehrenamtlichen

aus

Engagement

in

drei der

Themenblöcken

(Block

Hospizbewegung;

Block

A: B:

Zum Zur

Beschäftigung und dem ehrenamtlichen Engagement und Block C: Zur Person).

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Das

vorliegende

Rahmenbedingungen unterstützen

und

Projekt

soll

aufzuzeigen, fördern

und

einerseits die

das

dazu

beitragen,

ehrenamtliche

andererseits

die

die

Engagement

Anerkennung

und

Wertschätzung der ehrenamtlichen Tätigkeit zu verstärken, die einen Beitrag zur gesellschaftlichen Enttabuisierung des Sterbens leistet.

3. Die Befragung der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tiroler Hospiz Gemeinschaft Im Vorfeld zur Befragung wurde von der Projektgruppe Kontakt mit Herrn Mag. Mühlböck von der Tiroler Hospiz Gemeinschaft aufgenommen und die Studie vorgestellt. In weiterer Folge wurden das Projekt, sowie der Fragebogen für die Ehrenamtlichen der Tiroler Hospiz Gemeinschaft bei der Herbstklausur der Hospiz-KoordinatorInnen am 20.11.2009 präsentiert. Im Rahmen dieser Präsentation wurden Fragen bezüglich der Durchführung der Studie beantwortet. Im Anschluss wurden den Hospiz-KoordinatorInnen die bereits mit rückfrankierten Kuverts versehenen Fragebögen ausgeteilt, die sie ihrerseits an die Ehrenamtlichen weitergaben. Insgesamt wurden dabei rund 200 Fragebögen verteilt.

Der nachstehende Ergebnisteil basiert auf den 88

retournierten Fragebögen, ausgefüllt durch Ehrenamtliche der Tiroler Hospiz Gemeinschaft.

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4. Ergebnisse Freiwillige Tätigkeit in der Tiroler Hospiz Gemeinschaft Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die 2009/2010 durchgeführte, schriftliche

Befragung

von

ca.

200

Freiwilligen

der

Tiroler

Hospiz

Gemeinschaft. Von diesen 200 ausgeteilten Fragebögen wurden 88 retourniert, was einer Rücklaufquote von 45% entspricht.

Typische Freiwillige der Tiroler Hospiz Gemeinschaft Die typische Befragte aus unserem Sample der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tiroler Hospiz Gemeinschaft ist weiblich, 56 Jahre alt, lebt in einer Partnerschaft, hat eine berufsbildende mittlere Schule abgeschlossen und ist erwerbstätig, wobei der Anteil der nicht Erwerbstätigen nur marginal geringer ist. Im Schnitt ist sie seit rund 5 Jahren ehrenamtlich für die Hospizbewegung tätig, wobei sich das durchschnittlich aufgebrachte Zeitvolumen in der Organisation pro Woche auf ungefähr drei Stunden beläuft. Sie gehört der römisch-katholischen Kirche an und besucht einmal pro Woche einen Gottesdienst.

Geschlecht und Alter Männer sind mit lediglich 6% der befragten Ehrenamtlichen im Vergleich zu Frauen mit 94% deutlich unterrepräsentiert. Das Durchschnittsalter der Ehrenamtlichen beträgt 56 Jahre. Wie aus Abbildung 1 erkennbar ist, ist die Altersgruppe der 46-55-Jährigen mit 36 % der Befragten am häufigsten

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vertreten. Jeweils 22 % bzw. 17 % der Befragten ist der Gruppe der 56-65 bzw. über 65-Jährigen zuzuordnen. Den kleinsten Anteil (11 %) nimmt die Gruppe der unter 46-Jährigen ein.

Abbildung 1: Alter der Hospizmitarbeiter

Familienstand und Bildung Untersucht man den Familienstand der ehrenamtlich Tätigen der Tiroler Hospiz Gemeinschaft so zeigt sich, dass 24% der Befragten alleinstehend sind, wohingegen 76% in einer Partnerschaft leben. Während sich die Gruppe der Alleinstehenden in verwitwete (7%), ledige (8%) und geschiedene (8%) Personen aufteilt, kann man jene Personen, die angegeben haben, in Partnerschaft zu leben, in solche in einer Lebensgemeinschaft (2%) und solche in einer Ehe (74%) unterteilen (vgl. Abbildung 2). Demnach lebt der Großteil der befragten Ehrenamtlichen mit mindestens einer weiteren Person im Haushalt. Der durchschnittliche Haushalt besteht aus 3 Personen und die durchschnittliche Kinderanzahl liegt bei zwei Kindern.

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Abbildung 2: Familienstand der Hospizmitarbeiter

Abbildung 3 verdeutlicht, dass die freiwilligen Hospiz-Mitarbeiter über ein mittleres (28 % Lehrabschluss bzw. 31 % Abschluss einer berufsbildenden mittleren

Schule)

weiterführende

bzw.

hohes

Ausbildung

Bildungsniveau bzw.

6

%

(14

%

Matura,

Fachhochschul-

7

%

oder

Universitätsabschluss) verfügen.

Abbildung 3: Bildungsgrad der Ehrenamtlichen

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Beweggründe und Motive Stellt man den ehrenamtlich Tätigen die Frage, was ihre Entscheidung, bei der Hospizbewegung mitzuarbeiten, ausgelöst hat, so wird als häufigster Grund (30 %) der Tod eines Verwandten/Freundes genannt. Als weitere Antworten folgen die direkte und persönliche Ansprache, beim Hospiz tätig zu werden (29 %), das Informationsmaterial der Hospizbewegung (26 %), aber auch die Kenntnis durch einen Bekannten, der bereits im Hospiz tätig war bzw. ist (10 %). Für weitere Informationen siehe Abbildung 4.

Abbildung 4: Beweggründe für ehrenamtliche Tätigkeit in der Tiroler Hospiz Gemeinschaft

Als Antwort auf die Frage nach den individuellen Motiven einer freiwilligen Mitarbeit in der Tiroler Hospiz Gemeinschaft wird das Motiv soziale Verantwortung

am

häufigsten

genannt,

gefolgt

von

Selbsterfahrung,

persönlichem Erlebnisbereich (eigene ähnliche Erfahrungen, wie Personen, die Hospizleistungen in Anspruch nehmen) und Berufsausgleich (siehe Abbildung 5).

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Abbildung 5: Motive für ehrenamtliche Tätigkeit in der Tiroler Hospiz Gemeinschaft

Jedes

dieser

Motive

erfährt

durch

die

ehrenamtliche

Tätigkeit

ein

unterschiedliches Ausmaß an Erfüllung/Befriedigung. Abbildung 6 zeigt den Erfüllungsgrad für die folgenden Motive: Motiv Soziale Verantwortung (Meine Tätigkeit

im

Hospiz

ermöglicht

es

mir,

hilfsbedürftigen

Menschen

beizustehen), Motiv Selbstwert/Anerkennung (Durch meine Tätigkeit im Hospiz erfahre ich Selbstbestätigung), Motiv Selbsterfahrung (Meine Tätigkeit im Hospiz bietet mir die Möglichkeit mich selbst besser kennen zu lernen), Motiv Berufsausgleich (Ich erlebe meine Tätigkeit als sinnvollen Ausgleich zu meiner hauptberuflichen Tätigkeit), Motiv soziale Bindung (Durch meine Tätigkeit im Hospiz habe ich eine nette Gemeinschaft gefunden), Motiv Karriere (Meine Tätigkeit im Hospiz fördert mein berufliches Weiterkommen) und Motiv politische Verantwortung (Meine Tätigkeit im Hospiz ermöglicht es mir einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten).

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Abbildung 6: Erfüllungsgrad der Motive

Ausgehend von dieser Beschreibung der typisch ehrenamtlich tätigen Person ist festzuhalten, dass freiwilliges soziales Engagement in der Hospizbewegung primär ein Anliegen von römisch- katholischen Frauen mittleren Alters, mit mittlerem bis hohen Bildungsniveau ist. Motive hierfür lassen sich in dem Bedürfnis

nach

einer

sinnstiftenden,

mit

persönlichem

Wachstum

verbundenen Tätigkeit sehen, die nicht der Kompensation von Defiziten im (Berufs-) Alltag dient, sondern vielmehr als sinnvoller Ausgleich dazu wahrgenommen wird. In höchstem Maße Erfüllung durch die ehrenamtliche Tätigkeit im Hospiz findet das Motiv der sozialen Verantwortung, während Karrieremotive wenig Erfüllung finden.

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Motive,

Motiverfüllung,

Zufriedenheit

und

Dauer

der

Organisationszugehörigkeit Die folgende Analyse diskutiert die Bedeutung der Motive und deren Erfüllung, die als zentrale Einflussfaktoren des ehrenamtlichen Engagements gesehen werden. In Hinblick auf die Bereitstellung von Hospizleistungen sind zufriedene Ehrenamtliche, die ihr ehrenamtliches Engagement möglichst über viele Jahre hinweg verfolgen, entscheidend. Gemäß dem funktionalen Ansatz zum ehrenamtlichen Engagement (Clary & Snyder 1991, Clary et al. 1992, Clary et al. 1994, Omoto & Snyder 1995, Clary et al. 1998) engagieren sich Menschen ehrenamtlich, um bestimmte bereits angeführte psychologische Motive zu erfüllen. Folglich sind das Aufrechterhalten der ehrenamtlichen Tätigkeit, sprich die Dauer der Organisationszugehörigkeit, sowie die Zufriedenheit mit dieser Tätigkeit gemäß diesem funktionalen Ansatz abhängig davon, welche Motive der ehrenamtlichen Tätigkeit zugrunde liegen und inwieweit diese Motive erfüllt werden oder nicht. Im Zusammenhang mit freiwilligem ehrenamtlichen Engagement wurden die bereits erwähnten zentralen Motive identifiziert, die nachstehend nochmals ausführlich beschrieben werden (Bierhoff et al. 2007): Soziale Bindung: bezieht sich auf den Wunsch durch ehrenamtliches Engagement sozialen Anschluss, eine nette Gemeinschaft, der man sich zugehörig fühlen kann, zu finden.

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Selbsterfahrung bezieht sich auf die Möglichkeit sich selbst, seine eigenen Stärken und Schwächen durch die ehrenamtliche Tätigkeit besser kennen zu lernen. Soziale Verantwortung bezieht sich auf Ehrenamtliches Engagement, das aus dem Bedürfnis heraus entsteht, hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Selbstwert/Anerkennung:

bezieht

sich

darauf,

dass

man

die

ehrenamtliche Tätigkeit ausübt, um soziale Anerkennung zu erfahren und den eigenen Selbstwert zu bestätigen. Soziale Beeinflussung: bezieht sich auf das Ausmaß, in dem eine ehrenamtlich Tätigkeit ausgeübt wird, weil Freunde und Verwandte sich ebenfalls ehrenamtlich engagieren. Berufsausgleich: bezieht sich auf die Möglichkeit, die ehrenamtliche Tätigkeit als sinnvollen Ausgleich zum Beruf zu erleben. Karriere bezieht sich auf die Möglichkeit, durch die ehrenamtliche Tätigkeit das berufliche Fortkommen, die eigene Karriere fördern zu wollen. Politische Verantwortung bezieht sich auf den Wunsch, bestehende gesellschaftliche Missstände durch eigenes ehrenamtliches Engagement zu verändern. Persönlicher Erlebnisbereich: bezieht sich auf die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit aufgrund eigener Erfahrungen, die mit jenen Menschen, für die man sich nun engagiert, vergleichbar sind.

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Ehrenamtliche unterscheiden sich hinsichtlich des Stellenwerts dieser Motive. So mag für manche Personen das Motiv der Sozialen Verantwortung zentral sein für ihre Entscheidung ehrenamtlich tätig zu sein, für andere wiederum stellt der Wunsch nach einem sinnvollen Ausgleich zum Beruf den ausschlaggebenden Beweggrund für das ehrenamtliche Engagement dar. Im

Rahmen

des

ehrenamtlichen

Engagements

erfahren

Leute

in

unterschiedlichem Ausmaß die Erfüllung ihrer Motive, d.h. sie unterscheiden sich hinsichtlich des Erfüllungsrades dieser Motive voneinander. Der funktionale Ansatz zum Ehrenamtlichen Engagement nimmt nun, wie oben erwähnt, an, dass bestimmte Motive und auch der Erfüllungsgrad der Motive sowohl die Zufriedenheit der Ehrenamtlichen als auch die Dauer der Organisationszugehörigkeit beeinflussen. Internationale Studien haben diese Annahmen bereits untersucht. Darauf aufbauend haben wir für die Tiroler Hospiz Gemeinschaft das Zutreffen dieser Annahmen empirisch überprüft. Dabei wurde zum einen der angenommene Einfluss der Motive und des Erfüllungsrads der Motive auf die Zufriedenheit der ehrenamtlich Tätigen, zum anderen der Einfluss der Motive und des Erfüllungsgrads auf die Dauer ihrer Organisationszugehörigkeit analysiert. Nachfolgende Abbildung 7 fasst die Organisationszugehörigkeit (in Monaten) in sechs Klassen zusammen und zeigt deren prozentuelle Verteilung.

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Organisationszugehörigkeit in Monaten

% der Hospizmitarbeiter

Abbildung 7: Dauer der Organisationszugehörigkeit in Monaten

Aus den Antworten der Ehrenamtlichen auf die Fragen nach der Zufriedenheit mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit (z.B. Während meiner Arbeit im Hospiz empfinde ich Zufriedenheit; Antwortskala von 1 triff überhaupt nicht zu bis 6 trifft voll und ganz zu) lässt ein Mittelwert von 5 auf dieser Skala auf eine hohe Zufriedenheit schließen. Doch was beeinflusst nun die Zufriedenheit der ehrenamtlichen Mitarbeiter und was lässt sie ihre Organisationszugehörigkeit aufrechterhalten? Die durchgeführten statistischen Datenanalysen (Regressionsanalysen) weisen darauf hin, dass zwar die Zufriedenheit der Ehrenamtlichen durch Motive und Motiverfüllung beeinflusst wird, allerdings dieselben Motive und deren Erfüllung die Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht bestimmen. Im Einzelnen zeigen unsere Ergebnisse für die Tiroler Hospiz Gemeinschaft, dass insbesondere die Erfüllung der Motive Berufsausgleich und politische Verantwortung zu einer hohen Arbeitszufriedenheit führen. Demnach sind

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Personen, deren Bedürfnis nach einem sinnvollen Ausgleich zum Beruf, sowie das

Bedürfnis

bestehende

gesellschaftliche

Missstände

durch

eigenes

ehrenamtliches Engagement im Hospiz zu verändern erfüllt wird, signifikant zufriedener. Nachdem soziale Verantwortung, entsprechend den Ergebnissen in Abbildung 5,

als

das

zentrale

Motiv

unter

den

Ehrenamtlichen

der

Tiroler

Hospizgemeinschaft angesehen werden kann, gilt es auch Möglichkeiten zur Erfüllung dieses Motivs im Rahmen von Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung entsprechend zu berücksichtigen.

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5. Schlussfolgerung

Der vorliegende Erkenntnisgewinn für die Tiroler Hospiz Gemeinschaft lässt sich wie folgt beschreiben. Zum einen kann aus den Daten zu Motiven und Motiverfüllung abgeleitet werden, welche Motive und die Erfüllung welcher Motive für die Zufriedenheit der Mitarbeiter relevant sind. Zum anderen lassen sich aus den Ergebnissen zur Zufriedenheit Schlussfolgerungen für die Aufrechterhaltung des ehrenamtlichen Engagements ziehen, da Zufriedenheit positiv mit dem Verbleib in der Organisation und negativ mit Fluktuation korreliert. Bevor wir auf die konkreten Ergebnisse eingehen, möchten wir uns der Frage widmen wodurch sich die typische ehrenamtliche Tiroler

Hospizmitarbeiterin

auszeichnet. Wie bereits ausgeführt, sind primär (erwerbstätige) Frauen mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren für die Hospizgemeinschaft tätig, deren grundlegende Motivation für ihr ehrenamtliches Engagement in der sozialen Verantwortung gegenüber hilfsbedürftigen Menschen liegt. Unsere Ergebnisse zeigen für ein weiteres altruistisches Motiv, nämlich jenem der politischen Verantwortung, dass dessen Erfüllung ein signifikanter Prädiktor von Arbeitszufriedenheit ist. Dieses Ergebnis steht, ebenso wie der Nachweis eines positiven Zusammenhangs zwischen der Erfüllung des Motivs Berufsausgleich und Arbeitszufriedenheit, im Einklang mit dem funktionalen Ansatz. Es ist also das altruistische Motiv politische Verantwortung sowie das

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egoistische

Motiv

Berufsausgleich

das

die

Arbeitszufriedenheit

der

Ehreamtlichen in der Tiroler Hospizgemeinschaft positiv beeinflusst. Von einem praktischen personal- und organisationspolitischen Standpunkt aus betrachtet, legen unsere Ergebnisse zur Bedeutung des Motivs soziale Verantwortung, sowie zum positiven Einfluss des Motivs politische Verantwortung den Schluss nahe, dass positive Wertschätzung und Feedback bezüglich ihres sozialen und gesellschaftlichen Beitrags der Zufriedenheit ehrenamtlicher Mitarbeitern förderlich sind. Im Hinblick auf die Auswahl von Mitarbeitern gilt es diese Motive gleichermaßen zu berücksichtigen. Zudem scheint die Anstellung von Mitarbeitern, die nach einem sinnvollen Ausgleich zu ihrem Beruf suchen, empfehlenswert, da die Erfüllung dieses Motivs positiv mit Zufriedenheit zusammenhängt. Kurz gefasst: Zufriedene Ehrenamtliche sind politisch und sozial motivierte Ehrenamtliche, mit Ambitionen nach einem sinnvollen Ausgleich zum Berufsleben.

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6. Literaturverzeichnis Bierhoff, H.W., Schülken, T. & Hoof, M. (2007). Skalen der Einstellungsstruktur ehrenamtlicher Helfer (SEEH). Zeitschrift für Personalpsychologie, 6. Jg., Heft 1, 12-27. Clary, E.G. & Miller, J. (1986). Socialization and situational influences on sustained altruism. Child Development, 57, 1358–1369. Clary, E.G., Snyder M., Ridge R.D., Copeland, J., Stukas, A.A., Haugen, J. & Miene, P. (1998). Understanding and Assessing the Motivations of Volunteers: A Functional Approach. Journal of Personality and Social Psychology, 74 (6), 1516-1530. Clary, E.G. & Snyder, M. (1991). A functional analysis of altruism and prosocial behaviour. The case of volunteerism. In Clark, M.S. (Ed.). Prosocial Behaviour, 119-148. Newbury Park, CA: Sage. Clary, E.G., Snyder, M. & Ridge, R. (1992). Volunteers’ motivations: A functional strategy for the recruitment, placement and retention of volunteers. Nonprofit Mangement & Leadership, 2, 333-350. Clary, E.G., Snyder M., Ridge, R.D., Miene, P. & Haugen, J. & (1994). Matching messages to motives in persuasion: A functional approach to promoting volunteerism. Journal of Applied Social Psychology, 24, 11291149. Finkelstein, M.A. (2006), Dispositional Predictors of Organizational Citizenship Behavior: Motives, Motive Fulfillment and Role Identity. Social Behavior and Personality, 2006, 34(6), 603-616. Finkelstein, M.A. (2008), Volunteer satisfaction and volunteer action: A functional approach. Behavior and Personality, 2008, 36 (1), 9-18. Hackl, F.& Pruckner, G. J. (2004). Wertschätzung der Ersten Hilfe Eine ökonomische Analyse des Roten Kreuzes, Journal of Public Health (2004) 12:50–60. Hollerweger, E., Leuthner, K. & Siemer S. (2005). Erhebung des Forschungsbedarfs zur Situation der Freiwilligenarbeit in Österreich, Expertise des Instituts für interdisziplinäre Nonprofit Forschung, WU Wien. http://www.freiwilligenweb.at/cms/upload/pdf/ErhebungdesForschung sbedarfs.pdf.

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